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Bei Kanalisationsarbeiten wurde 1925 in der Gegend von Haus Nr. 43 etwa 1,5 m tief im Schwemmboden eines Gewässergrundes, wohl des einst Pfaffenteich und Burgsee verbindenden "Fließgrabens", eine Hirschgeweihaxt gefunden. Es ist ein Stück bester Erhaltung, von besonderer Form, 15,5 cm lang. Die untere Seite ist glatt, wohl durch Abnutzung beim Gebrauch, die Arbeitsfläche ist mit feinen, sich kreuzenden Strichen verziert. Das Gerät war ursprünglich eine Geweihhacke mit Schaftröhre von den Vorg. Altert. 15, 139 behandelten Form, die aus dem Stück einer Stange so gebildet wurde. daß ein Sprossenstumpf zu einem Schaftloch durchbohrt wurde. Sie ist dann im Schaftloch gebrochen, mit einem neuen Loch versehen und so zu einer Axt ähnlich der üblichen Form Vorg. Altert. 15, 136-138 (s. auch Jahrb. 95 S. 171 und unten Nr. 2 geworden.
Zur zeitlichen Stellung, Hirschgeweihhacken, wie die, aus denen unsere Axt hergestellt ist, deren Entstehung aus einer Frühform, wo die ganze Sprosse als Griff benutzt wird, z. B. ein Stück von Arneburg 1 ) deutlich zeigt, reichen in eine frühe Periode unserer Steinzeit (Mesolithik) und gehören dort der sog. Kjökkenmödding- (Ertebölle-) Stufe an. Belege geben die Funde von Ellerbeck 2 ), von der Trave 3 ), Lietzow 4 ). Aber sie gehen nicht nur tief in die jüngere Steinzeit hinein, wie Funde in jungsteinzeitlichen Gräbern, z. B. Priemern Altmark, Kl. Krebbel (Posen) und Jordensmühl 5 ) erweisen und werden selbst
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in Kupfer nachgebildet 6 ), sondern kommen auch in der Bronzezeit bis in jüngere Perioden hinein vor 7 ). In Mecklenburg sind außer dem oben genannten schönen Stück von Hagenow noch solche vom Plauer See und aus der Gegend von Penzlin bekannt geworden, alle einem entwickelten Typ angehörend, den Kossinna mit II bezeichnet 8 ). Da es Einzelfunde sind, ist eine genaue Zeitbestimmung auf Grund der Fundverhältnisse nicht möglich. Bei dem besprochenen bringt aber die Verzierung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein höheres Alter. Verzierungen an Schaftröhrenhacken sind mir sonst nicht bekannt, aber sehr wohl möglich 9 ), und den unsern sehr ähnliche Strichmuster haben Knochenplatten des großen Fundes von Bloksbjerg bei Kopenhagen 10 ), der im allgemeinen in dieselbe spätmesolithische Zeit zu setzen ist, wie die oben genannten Funde und Geweihäxte, die der unseren voll entsprechen in dem zwischen Maglemose und Kjökkenmödding zu setzenden Funde von Holmegaard 11 ).
Beim Ausmodden ist vor einiger Zeit eine Hirschhornaxt gefunden. Sie ist von mäßiger Erhaltung, mürbe und mit stark abgesplitterter Oberfläche, 18 cm lang, hergestellt aus dem sehr starken Wurzelstock (5 cm Durchmesser. An Form ähnelt sie am meisten dem Vorg. Altert. 15, 137 abgebildeten Stück aus dem bekannten "Urvolkgrabe" von Plau. Die Rose ist entfernt, das breite Schaftloch (2,5 cm Durchm.) liegt nahe dem
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Wurzelende, die furchige Oberfläche war abgeschabt und sorgsam geglättet. Der vordere Teil (nicht ganz ein Drittel der Fläche) ist mit eingedrückten Würfelaugen verziert, die in lockeren waagerechten Reihen angeordnet sind; der Abschluß der verzierten Fläche ist durch eine seichte Linie markiert. Durch die Anbringung am Schneideteile unterscheidet sich unser Stück von der Masse der kreisverzierten Äxte, die jetzt in der gehaltvollen Abhandlung von Hans Lange 12 ) gesammelt vorliegen und in der auch der Beweis geführt ist, daß sie nicht steinzeitlich sind, sondern erst der jüngeren Bronzezeit angehören.
Im Staatlichen Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin befindet sich eine Axt mit bogenförmigen Erhöhungen an beiden Enden, sog. "Amazonenaxt", bezeichnet Waren II 6162, von 15,7 cm Länge. Es ist der in Vorg. Altert. zu Tafel 9, 64 behandelte Typus. Zu den zwei dort aus Mecklenburg-Schwerin aufgezählten Exemplaren kommt noch eines von Dragun bei Gadebusch; aus Mecklenburg-Strelitz ist eines von Pasenow bei Woldegk bekannt geworden.
Die Form, bei der man zunächst an Metallvorbilder denken wird, findet ihre Erklärung nach den überzeugenden Darlegungen von Nils Überg, Nordiska stridsyxornas typologi S. 7 f. und Das nordische Kulturgebiet 1918 S. 23 f., einfach durch Weiterbildung der einfachen Keulenaxt mit Schaftrille, indem der Mittelteil immer mehr vergrößert und verflacht wird. Die mecklenburgischen Stücke gehören seiner Gruppe C an. Zeitlich fallen sie in eine jüngere Stufe unserer großen Steingräber.
Eine Weiterbildung stellt der Typ Vorg. Altert. 9, 53 dar (Überg, Gruppe D). Die Form ist schmaler und gestreckter geworden, der eine Kamm aufgegeben. Zu den a. a. O. S. 51
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aufgezählten Stücken kommen jetzt noch: Rosenhagen bei Grevesmühlen, Gutow bei Grevesmühlen, Grevesmühlen (Mus. f. Vor- und Frühgeschichte, Berlin, 14 cm lang, mit ungewöhnlich stark ausgebildetem, die Entwicklung deutlich anzeigendem Kamm), Jamel bei Grevesmühlen 13 ), Schwerin Grenadierstraße, Bützow, Penzlin 14 ). Das Stück von Rosenhagen soll einem Hünengrabe entstammen, das von Jamel ist einem der bekannten Gräber in der Everstorfer Forst entnommen. Damit findet der Typ seine Datierung, die mit dem Befunde in dem großartigen Steingrab in der Forst Mönchgut auf Rügen 15 ) übereinstimmt; es ist dieselbe Zeit der "jüngeren Ganggräber", in welche die oben behandelte Form gehört. Sonst kommen Äxte dieser Form in geschlossenen Funden überhaupt kaum vor.
Bei dem Chausseebau Waren-Röbel ist vor Jahren in der Nähe von Sietow eine Lochaxt aus schwarzem, leicht gesprenkeltem Felsgestein, anscheinend Diorit, gefunden und jetzt in die junge, fröhlich aufblühende vorgeschichtliche Sammlung des Maltzaneums in Waren gelangt. Das Stück ist 18 cm lang und (im Schaftloch) 3 cm hoch, von ausgezeichneter Arbeit, metallischer Schärfe der Formengebung und bester Erhaltung, wohl das schönste im Lande bekannt gewordene, dem ein Ehrenplatz im Landesmuseum gebührte. Der Typ ist der der "vielkantigen" 16 ) Äxte; die besprochene gehört der älteren Entwicklung an, ist langgestreckt, hat auf den ganz leicht ein-
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gezogenen Seitenflächen einen Grat, schwache, gleichmäßige Vertiefung von Oberseite und Unterseite, kleine Ausbiegung der Schneide nach beiden Seiten, Ausbuchtung am Schaftloch und nur schwach gewölbtes Bahnende (also nicht den üblichen Knauf) mit Benutzungsspuren. Ein gleiches Stück ist in den Vorgeschichtlichen Altertümern nicht abgebildet, weil sich damals keines in der Sammlung befand; verwandte sind S. 52 unter II 3 a a behandelt; zu den aufgezählten sind hinzugekommen solche von Pennewitt bei Warin, Kritzemow bei Rostock, Bandow bei Schwaan, Groß-Lukow bei Penzlin (Bruchstück) und eines unbekannten Fundorts.
Das Hauptverbreitungsgebiet der vielkantigen Axt liegt in Oberösterreich in den kupferzeitlichen Pfahlbauten des Mondsees (vgl. Reallexikon VIII S. 102) und Attersees; hier tritt sie in Massen und herrschend auf; vereinzeltes Vorkommen in Ungarn, Italien, Süddeutschland ist als Ausstrahlung dieses Zentrums aufzufassen. Eine große Heerstraße aber verbindet die Gruppe mit dem skandinavischen Norden (diese Verhältnisse sind auf Grund des gesamten weit zerstreuten Materials von Ni1s U(c)berg. Das nordische Kulturgebiet in Mitteleuropa während der jüngeren Steinzeit, Uppsala 1918, S. 81 f., klar gelegt); ihr Weg geht nicht direkt die Elbe entlang, sondern östlich, wie es deutlich gerade an dem Material in Mecklenburg hervortritt, wo die große Mehrzahl der Funde dem Osten des Landes angehört, und verbindet den Typ mit einheimischen. Es lag nahe, in dieser Straße den Weg zu sehen, welcher dem Norden das erste Metall, das Kupfer, brachte und zugleich Steinäxte in Formen, deren Beeinflussung durch Metallgeräte auf der Hand liegt. Die genaue Formenanalyse U(c)bergs hat ergeben, daß es ganz so einfach nicht steht; es scheint erwiesen, daß die frühsten "vielkantigen" Äxte ihre Vorbedingungen im nordischen Kulturkreise haben, in den sie auch hineingehören, und daß ein komplizierterer Austausch von Kulturgütern grundlegend gemacht werden muß, nicht nur die einfache Übertragung aus dem Süden. Ein Eingehen darauf führt über den Rahmen dieser Mitteilung, die ja nur ein wertvolles Stück bekannt geben will, hinaus. Es genüge der Hinweis, daß wir berechtigt sind, in der Sietower Axt einheimisches Fabrikat zu sehen.
Erübrigt noch die Zeitbestimmung. Diese wird dadurch erschwert, daß die "vielkantigen" Äxte auf dem Kulturgebiet,
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zu dem auch Mecklenburg gehört, durchgehend Einzelfunde sind und sich nicht an bestimmte Grab- oder Siedlungsfunde anschließen lassen. Aber zu einer allgemeinen Bestimmung genügt der Zusammenhang mit der österreichischen Pfahlbauten- (Kupfer-) Kultur. Diese kann nur der in Skandinavien durch die Ganggräber charakterisierten Stufe III (Montelius), und zwar deren jüngerem Abschnitt, entsprechen. Wir haben Ganggräber in Mecklenburg nicht; ihre Entsprechung sind unsere größeren Steinkammern und Hünenbetten; mit diesen haben wir also die Äxte vom Sietower Typ zusammenzubringen.