zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 78 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen
5. Die Gründung der Stadt Gnoien 317 ).

Die Stadt Gnoien an der pommerschen Grenze war im Mittelalter eine der größeren Städte Mecklenburgs. Die wichtige Landstraße von Demmin nach Rostock führte durch die Stadt hindurch. 1276 erfahren wir zum erstenmal, daß eine Stadt Gnoien besteht 318 ). Wahrscheinlich wurde die Stadt aber schon einige Jahrzehnte früher gegründet. Eine Untersuchung der Siedlungselemente, die vor der Stadtgründung in Gnoien schon vorhanden waren, läßt diese Vermutung als berechtigt erscheinen. In diesem Zusammenhange muß insbesondere die Frage beantwortet werden, wie es kam, daß Gnoien, das in wendischer Zeit nicht der Mittelpunkt des erst später so genannten Landes Gnoien war 319 ), in deutscher Zeit dessen Mittelpunkt geworden ist.

In der Wendenzeit war Gnoien noch kein bedeutender Ort. Nur so erklärt es sich, daß uns der Name Gnoien erst verhältnismäßig spät, 1257 zuerst, begegnet 320 ). Jedoch wird es schon in der Wendenzeit ein Dorf Gnoien gegeben haben, da sonst der wendische Name der späteren deutschen Stadt schwer erklärlich wäre 321 ). Vermutlich hat die deutsche Stadt ihren Namen von einem wendischen Dorf übernommen, das uns heute nicht


317) W. H. Wiggers, Geschichte und Urkunden der Stadt Gnoien, Gnoien 1855; Schlie a. a. O. I, S. 499 ff..; Bachmann a. a. O. S. 411.
318) M.U.B. II, 1413.
319) M.U.B. II, 826.
320) M.U.B. II, 799.
321) In Gnoien wurde ein wendischer Schläfenring gefunden. Beltz, Altertümer, a. a. O. S. 369.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 79 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mehr bekannt ist. Ob eine wendische Burg bei Gnoien gelegen hat, wissen wir nicht, es ist aber wenig wahrscheinlich; und wenn sie doch vorhanden gewesen sein sollte, würde sie jedenfalls von nur geringer Bedeutung gewesen sein. Denn die Hauptburg des späteren Landes Gnoien war mindestens bis 1238 Lübchin, das damals "an der großen geraden Straße von Stralsund nach Güstrow, an dem Durchgang durch die Trebelmoore bei Triebsees" eine besonders günstige Lage hatte 322 ). 1238 werden uns noch der Vogt und die Burgmänner in Lübchin genannt. Nach 1238 begegnet uns Lübchin als Sitz einer Vogtei nicht wieder. Wir müssen daraus schließen, daß in Lübchin nach dem Jahre 1238 die Vogtei aufgegeben wurde. Wann dies geschah, wissen wir nicht. Später gehört Lübchin zur Vogtei Gnoien. Der Name Gnoien wird uns aber erst 1257 genannt, ohne daß wir erkennen können, ob damals hier eine Stadt bestand und ein Vogt sich hier aufhielt, und erst ein Jahr später (1258) begegnet uns das Land "Gnoien" 323 ). In diesem Jahr ist bereits Gnoien der Sitz der Vogtei, der früher Lübchin gewesen war. Die Verlegung der Vogtei von Lübchin nach Gnoien muß also innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren erfolgt sein, nach 1238 und vor 1258. Welches war nun der Grund, der den Landesherrn zu dieser Verlegung veranlaßte? Wahrscheinlich war dies die Gründung einer Stadt in Gnoien. Denn die Verlegung der Vogtei von Lübchin nach Gnoien könnte man sich kaum erklären, wenn Gnoien wie Lübchin gleichfalls nur ein Dorf war. Die Verlegung wird nur dann verständlich, wenn man annimmt, daß in Gnoien 1258 schon eine Stadt bestand, die durch die Zahl und die Bedeutung ihrer Bevölkerung Lübchin bald überflügelte und so zum eigentlichen Mittelpunkt des Landes wurde. Die Vermutung liegt also nahe, daß die Stadt Gnoien bereits vor 1258 gegründet ist.

Die Stadt selbst ist eine Anlage aus frischer Wurzel, denn der Stadtplan zeigt ganz deutlich, daß die Stadt nicht aus einem Dorf entstanden, sondern neu erbaut worden ist 324 ). Der Stadtplan ist dem Ribnitzer ungefähr gleich. Der Markt-


322) M.U.B. I, 479; vgl. Lisch, M.J.B. 23, S. 302.
323) M.U.B. II, 799, 826.
324) "Situation von dem Hertzogl. Ambt Gnoyen auch die Hege genannt und der Stadt Gnoyen. Aus der Zeit von 1710 - 1767" (im Besitz der Stadt Gnoien).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 80 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

platz ist fast quadratisch. An diesem führt in gerader Richtung die Hauptstraße, die einzige Straße, die die ganze Stadt durchzieht, vorbei. Eine andere Längsstraße, die der Hauptstraße parallel läuft, zieht sich an der anderen Seite des Marktes entlang; sie geht jedoch nicht durch die ganze Stadt hindurch, sondern hört mit ihrer einen Richtung schon am Markt auf. Genau rechtwinklig führen von diesen Längsstraßen die Querstraßen ab. Bedeutsam ist die Lage der Kirche in Gnoien. Sie liegt nicht in der Mitte der Stadt, sondern ganz am Rande. Aus dieser Lage der Kirche ließe sich vielleicht vermuten, daß hier bei der Kirche früher ein Dorf gelegen hat. Zur Zeit der Stadtgründung bestand wahrscheinlich noch das Dorf, in dem die Kirche stand; nach der Stadtgründung ging dieses unter. Die Kirche blieb aber bestehen und wurde zur Stadtkirche; nur ihre Lage neben der Stadt deutet noch auf den früheren Zustand, als Dorf und Stadt nebeneinander bestanden. Die Frage, ob es sich bei diesem Dorf um das alte slawische Gnoien handelt oder um eine Neuanlage der Kolonisationszeit, muß offen bleiben.