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2. Die Gründung der Stadt Ribnitz 285 ).

An der Straße, die von Rostock an der Ostsee entlang nach Stralsund führt, liegt dicht an der pommerschen Grenze die Stadt Ribnitz. An derselben Stelle bestand schon vor mehr als 700 Jahren in der Zeit, als noch die Wenden in Mecklenburg herrschten, eine landesherrliche Krugwirtschaft, die vielleicht der Mittelpunkt eines kleineren Bezirks innerhalb des größeren Burgwardgebietes gewesen ist 286 ), da uns ausdrück-


285) Vgl. Tott, Geschichte von Ribnitz, Ribnitz 1852; Schlie a. a. O. I, S. 348 ff.; Bachmann a. a. O. S. 333/34. Tott konnte 1852 die Urkundenbücher noch nicht benutzen.
286) M.U.B. I, 192. Fürst Borwin belehnt Heinrich von Bützow "mit der helffte des gerichtes und deß Kruges in Rybenitz".
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lich auch von einem Gericht, das mit dem Krug verbunden war, berichtet wird 287 ). Eine Stadt hat es damals hier noch nicht gegeben. Es ist aber wahrscheinlich, daß außer diesem Krug auch noch eine Burg in Ribnitz gestanden hat. Von großer Bedeutung wird sie zwar nicht gewesen sein; denn die Hauptburg in der Ribnitzer Gegend war damals Marlow, und Ribnitz gehörte wahrscheinlich zum Burgbezirk Marlow 288 ). Schon Lisch hat auf Grund einer Urkunde von 1329 288a ), durch welche Heinrich von Mecklenburg, der damalige Herr, zur Erbauung eines Klosters in Ribnitz den fürstlichen Hof außerhalb der Stadtmauern hergibt, vermutet, daß dieser Hof eine ehemalige wendische Burgstelle gewesen sei 289 ). Wir wollen im folgenden versuchen, diese Vermutung von Lisch noch wahrscheinlicher zu machen. Eine Burg in Ribnitz wird uns 1233, wenn wir ein Exzerpt, das uns von einer Urkunde aus diesem Jahre überliefert ist, richtig deuten, urkundlich genannt 290 ). Dieses Urkundenexzerpt stammt von Daniel Clandrian, einem Notar, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte. In diesem Auszug Clandrians befindet sich über Ribnitz folgender Satz: Bischof Brunward von Schwerin verleiht "aus der Stadt Ribenitz alle Zehenden, so dem Bischoffe von den bawleuten zukommen." Zunächst scheint diese Nachricht von einer Burg in Ribnitz nichts zu erwähnen. Es wird sich jedoch zeigen, daß das Wort "Stadt" durch "Burg" zu ersetzen ist. Bereits Schmaltz hat darauf aufmerksam gemacht, daß es auffällig ist, daß aus einer Stadt, wie Ribnitz hier genannt ist, der Bischof Zehnten einnimmt, da ihm "keine mecklenburgische Stadt bekannt sei, von deren Feldmark Zehnten an den Bischof gezahlt worden wären" 291 ). Daher hielt er es für unwahrscheinlich, daß Ribnitz 1233 eine Stadt war.


287) Für das benachbarte Westpommern oder Slawien berichtet H. F. Schmid (Die Burgbezirksverfassung bei den slavischen Völkern in ihrer Bedeutung für die Geschichte ihrer Siedlung und ihrer staatlichen Organisation. Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven. Her. von E. Hanisch, N. F., Band II, Heft II, S. 97) folgendes: "Man nimmt an, daß innerhalb des Burggebietes für Abgabenerhebung und Rechtspflege kleinere Bezirke vorhanden waren, deren Mittelpunkte landesherrliche Schenken waren."
288) M.U.B. I, 192.
288a) M.U.B. VIII, 5016.
289) Nach Wigger, Mecklbg. Annalen, S. 126.
290) M.U.B. I, 421.
291) M.J.B. Bd. 72, S. 255.
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Wie kommt es nun, daß Clandrian trotzdem von einer Stadt in Ribnitz berichtet? Um diesen Widerspruch zu erklären, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß Clandrian einen lateinischen Originaltext exzerpierte, den er ins Deutsche übersetzte. Es ist also sehr wohl möglich, daß Clandrian lateinische Worte, die im Deutschen in verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden, in einem Sinne übersetzt hat, in dem der Originaltext sie nicht verstanden wissen wollte. Solche doppelte Bedeutung im Deutschen hat nun auch das Wort " urbs", das entweder Burg oder Stadt bedeutet. Dieses Wort "urbs" hat Clandrian wahrscheinlich in der lateinischen Vorlage für unsere Stelle gelesen.

Es läßt sich nämlich auch an einem andern Exzerpt von Clandrian nachweisen, daß er das lateinische Wort "urbs" , das ihm bei diesem Auszug aus dem Original nur vorgelegen haben kann, mit Stadt und nicht mit Burg übersetzt hat. 1210 erwähnt Clandrian bei einer Belehnung Heinrichs von Bützow mit einem Teil der Burg und des Landes Marlow auch den "Flecken, so vor der Stadt (Marlow) liegt", der dem Heinrich gleichfalls zugeteilt wird 292 ). Die Stadt Marlow hat es 1210 aber noch nicht gegeben, da sie erst nach 1286 gegründet ist 293 ); 1210 von einem Flecken vor der Stadt Marlow zu reden, ist also sinnlos 294 ). Diese Unstimmigkeit ist jedoch leicht zu erklären, wenn man annimmt, daß Clandrian das Wort "urbs" im Original gelesen und dies statt mit Burg fälschlich mit Stadt übersetzt hat. So wird Clandrian auch bei seinem Auszug der Urkunde von 1233, wo er Ribnitz eine Stadt nennt, sich in der gleichen Weise wie bei Marlow geirrt haben. Es besteht danach Grund zu der Annahme, daß 1233 noch eine Burg in Ribnitz vorhanden war.

Die Stadt wird uns zuerst sicher 1252 bezeugt 295 ). Ratmänner, allerdings nicht ihre einzelnen Namen, werden in diesem Jahre genannt. Die Stadtgründung ist somit nach 1233 und vor 1252 anzusetzen. Bevor die Stadt gegründet wurde, bestand wahrscheinlich in Ribnitz ein Dorf. Zu dieser Annahme bestimmt uns der bereits zitierte Urkunden-


292) M.U.B. I, 192.
293) Siehe S. 74.
294) So schon Hegel, Geschichte der mecklenburgischen Landstände, Rostock 1856, S. 21 Anm. 2.
295) M.U.B. II, 708.
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auszug Clandrians vom Jahre 1233: Bischof Brunward von Schwerin verleiht "aus der Stadt Ribnitz alle Zehenden, so dem Bischoff von den bawleuten zukommen". Man erkennt aus diesem Satz, daß vor der Gründung der Stadt ein Dorf Ribnitz bestand, da 1233 "bawleute" in Burg Ribnitz den Zehnten bezahlten. Da diese Ansiedler der Burg natürlich nicht in der Burg gewohnt haben, können sie nur in einer besonderen Ansiedlung daneben sich niedergelassen haben (d. h. in einem Dorf gewohnt haben neben der Burg).

Das Dorf scheint nach der Stadtgründung nicht mehr fortbestanden zu haben, da es seitdem spurlos verschwunden ist. Vielleicht zogen die Bauern in die neu gegründete Stadt und erwarben hier das Bürgerrecht. Die Lage des Dorfes läßt sich nicht mehr angeben. Anscheinend ist auch die heutige Stadt aus ihm nicht hervorgegangen, weil der Stadtplan 296 ) dem widerspricht. Eine Straße führt in grader Linie am Markt vorbei durch die ganze Stadt hindurch. Ihr parallel läuft eine andere Straße, die jedoch nicht die ganze Stadt durchzieht, sondern am Markt aufhört. Von diesen beiden Längsstraßen führen genau rechtwinklig und in gleichen Abständen die Nebenstraßen ab. Der Marktplatz ist ein großes: Rechteck. Die Länge seiner beiden Seiten verhält sich ungefähr wie 1: 2.

Der Ribnitzer Stadtplan widerspricht demnach der Annahme, daß die Stadt aus einem Dorf entstanden ist. Vielmehr geht aus ihm unzweifelhaft hervor, daß bei der Stadtgründung eine bauliche Neuanlage erfolgte. Die Stadt ist in ihrer Anlage und Grundrißbildung eine kolonisatorische Neuschöpfung.


296) Vgl. Tott a. a. O., wo der neueste Plan der Stadt veröffentlicht ist. Die Stadt besitzt auch noch Pläne aus dem 18. Jahrhundert, die jedoch ungefähr dasselbe Bild wie der neueste Plan: zeigen.