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1. Ein Grabower Stadtbrand von 1499.

In den mecklenburgischen Landstädten stand man im Mittelalter und noch lange nachher einem aufkommenden Brande ziemlich hilflos gegenüber, weil die an engen Straßen zusammengedrängten, zumeist in Fachwerk erbauten Häuser eine schnelle Ausbreitung des Feuers begünstigten und die Löschvorrichtungen und Polizeimaßnahmen nicht ausreichten. So kam es, daß immer wieder ganze Stadtteile, ja ganze Städte den Bränden zum Opfer fielen, und daß unsere Ortsgeschichten voll von Schilderungen solcher verhängnisvollen Ereignisse sind. Hier soll auf einen ergänzenden Fund aus dem Lüneburger Stadtarchiv hingewiesen werden.

Am 30. September 1499 schrieb der Grabower Rat an den in Lüneburg, ihre Stadt sei, wie er wohl schon erfahren habe, völlig abgebrannt, auch die Kirche mit Glocken und ganzer Einrichtung, und nichts sei ihnen geblieben als reine Armut. Da nun der Rat und die Einwohner allein das Gotteshaus nicht wieder ausbauen könnten, so bäten sie, den Überbringern ihres Briefes als ihren bevollmächtigten Boten zu gestatten, daß sie in Lüneburg zum Besten des Kirchenbaus eine Haussammlung vornähmen. Ihre Schutzheiligen, die Gottesmutter Maria und St. Georg, würden das nicht unbelohnt lassen.

Als die Boten abreisten, war nach Ansicht des Grabower Rates das Gerücht von dem Brande schon nach Lüneburg gelangt. Der Stadtbrand wird also wohl in den Sommer 1499 fallen. Lüneburg wird nicht die einzige Stadt gewesen sein, an die sich Grabow in seiner Not wandte; man pflegte in solchen Fällen zahlreiche Boten weit ins Land und über die Grenzen zu senden. Aber nur in Lüneburg ist das Hilfegesuch erhalten, das uns noch jetzt die Kunde von diesem wichtigen Ereignis in Grabow überliefert. Daß die wohlhabende Hansestadt geholfen und die Sammlung zugelassen hat, ist anzunehmen. Nachrichten darüber fehlen allerdings. Man schrieb damals noch nicht so viel wie jetzt. So wird der Rat die Erlaubnis mündlich erteilt und im übrigen sich damit begnügt haben, die von den Grabower Boten überreichte Urkunde durch den Stadtschreiber im Archiv niederlegen zu lassen, wo alles hin-

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kam, was an schriftlichen Dokumenten und geschichtlichen Nachrichten später noch einmal für die Stadt von Nutzen sein konnte. Für uns ist die Urkunde auch baugeschichtlich von Wert. Sie beweist, daß die um 1275 1 ) erbaute Grabower Hallenkirche schon 1499, nicht erst 1725 stark gelitten hat, und daß die bekannte Zeichnung von "Schloß und Kirche zu Grabow vor 1725" 2 ) die Kirche in dem Zustande zeigt, den sie nach 1499 erlangt hat.

224 Jahre später, am 3. Juni 1725, wurde Grabow nochmals von einem verheerenden Brande heimgesucht, der die Stadt fast zerstörte und Kirche und Schloß bis auf die Mauern vernichtete. Wieder zogen Grabower Kollektanten aus und diesmal sind uns zwei mit Namen bekannt. F. H. Reinke und J. Polchow 3 ) waren 1726 in Lübeck tätig und hatten dort einen besonders guten Erfolg. Lübeck stiftete auf ihre Bitte aus der dortigen Petrikirche die 1555 angefertigte schöne Renaissancekanzel, die noch heute die Grabower Kirche schmückt. Eine Inschrift hinter dem Deckel wies nach dem Kircheninventar von 1811 auf diese Stiftung hin. Und noch wertvoller ist der reiche Altar aus dem Jahre 1379, der gleichfalls nach dem Brande von 1725 aus Lübeck nach Grabow gekommen ist. Auch ihn wird die Stadt der Vermittlung ihrer Kollektanten verdanken. In welcher Lübecker Kirche der Altar vorher gestanden hat, konnte die Forschung bisher nicht ermitteln.

Die neu entdeckte Urkunde hat folgenden Wortlaut:

1499. Sept. 30. Grabow.

Der Rat zu Grabow bittet den Rat zu Lüneburg, eine Haussammlung zum Wiederaufbau seiner abgebrannten Kirche zuzulassen.

Vnse willighe vnde fruntliken denste voran alle tidt boreyt. Erßamen, wol vorsichtigen vnde wysen heren. Villichte gy wol hebben irfaren, wodanewys vnse stadt Grabow iß gantz degher tho nichte geworden vnde degher affgebrant myt der kercken vnde klocken vnde myt aller tzyrlicheit, so men tho Gades denste behoff hefft, vnde nicht is ghebleuen men reyne armodt, welker genante gadeshus wy myt vnsen inwaneren nicht konen wedder bringen in bestentlyke buwinge szunder hantreckinge vnde mylden almissen der guden cristenenmynschen etc. Worumme, leuen heren vnde guden frunde, is vnse demodige flitige bede, gy dessen jegen-


1) Reifferscheid, Kirchenbau, S. 147.
2) Schlie, Denkm. 3, S. 182.
3) Schlie 3, S. 190.
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wardigen baden, brefstogheren, dede wy dartho gekoren hebben vnde vulmechtig holden, willen vorlouen vnde thostaden in juwer stadt, tho biddende van husen tho husen, almissen tho zokende van eyneme ideren framen cristenmynschen tho hulpe vnser armen kercken vorgescreuen, vppe dath Gades denst muchte gheoket vnde irfordert werden, nemende dath loen van Gade, deme beloner alles guden, furder in bosundergen vnße houetheren, alse Maria, de moder Gades, vnde de hillige ritter sunte Jürgen, juw dath vmbelonet nicht werden latende, vnde vns dar ok gantz dancknamich wille an schege. Juw in deme ghutwillig moghen bowisen, kumpt vns alletidt an juw vnde den juwen nach vormoghe wedder tho vordenende, vnde bydet alleweghe auer vns. Datum Grabow, anno Domini dusent verhundert negen vnde neghentig, ame daghe Jeronimi confessoris [vnder] vnser stadt ingeseghel.

Borgermestere vnde raedtmanne der stadt Grabow.

Nach dem Original auf Papier im Stadtarchive zu Lüneburg mit der Anschrift: Den ersamen vorsichtigen vnde wolwisen heren borgermesteren vnde radtmannen der stadt Lunenborch denstliken gescreuen. Der Abdruck des Stadtsiegels zeigt St. Jürgen mit einem Spruchband.

Stuhr.

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