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IV.

Friedrich Ludwig
Erbgroßherzog
von Mecklenburg=Schwerin
1778 - 1819

von

Hugo Lübeß.

Vignette
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Inhaltsverzeichnis.

I. Kapitel: Friedrich Ludwigs Jugend (1778 - 1796) 205
II. Kapitel: Erste Ehe und erste politische Tätigkeit (1796 - 1803) 210
III. Kapitel: Die Zeit des dritten Koalitionskrieges. Der Franzoseneinfall 1806 und der Aufenthalt in Altona 1807 226
IV. Kapitel: Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde; Fürstentag zu Erfurt (1807 - 1808) 241
V. Kapitel: Friedrich Ludwig als Kammerpräsident und Finanzminister (1806 bzw. 1808 - 1819) 248
VI. Kapitel: Jahre des Friedens; zweite Heirat (1808 - 1812) 267
VII. Kapitel: Die Kriegsjahre 1813 - 1815 und die letzten Jahre 1816 - 1819 276

 

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Die Arbeit ist von der philosophischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen.

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Ungedruckte Quellen.

  1. Mecklb.-Schwer. Geh. und Haupt-Archiv zu Schwerin (= AS): Kabinettsablieferungen (= Kab. Vol.), Res externae usw.
  2. Großh. Mecklb.-Schwer. Haus-Archiv im Geh. und Haupt-Archiv zu Schwerin (= HausAS): Litterae, Varia usw.
  3. Großh. Mecklb.-Strelitzsches Haus-Archiv im Haupt-Archiv zu Neustrelitz: Briefe Friedrich Ludwigs an Erbprinz Georg (= An Georg), Tagebuch Georgs.
  4. Ratsarchiv zu Rostock: Ratsprotokolle.
  5. v. Plessensches Familienarchiv in Kurzen-Trechow i. M.: (= Plessen-Archiv).

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Alle Schreiben Friedrich Franz' und Friedrich Ludwigs ohne Ortsangabe stammen aus Ludwigslust. Alle Schreiben der Kammer und der Regierung und einzelner Beamten beider ohne Ortsangabe stammen aus Schwerin. Andere Ursprungsorte sind genannt.

Die Briefe Friedrich Ludwigs an Familienmitglieder und an Erbprinz Georg sind im Original, an Zar Alexander, König Friedrich Wilhelm III., Napoleon, fremde Diplomaten und Militärpersonen usw. im Konzept oder Abschrift erhalten. Die Kabinettsreskripte des Herzogs sind nur im Konzept oder Abschrift, alle Kammer- und Regierungsschreiben nur im Original erhalten. Abweichendes ist angegeben. Zitate sind in Rechtschreibung und Zeichensetzung in der Regel modernisiert.

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Wichtigste gedruckte Quellen.

  1. Publikationen aus dem K. Preußischen Staatsarchiven, 75. Band. - Paul Bailleu, Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I. Leipzig 1900. Darin besonders:
    a) Aus dem Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin und der Erbprinzessin Großfürstin Helene Pawlowna. 1801 bis 1803.
    b) Aufzeichnungen der Königin Luise. I: Zusammenkunft in Memel 1802.
  2. Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin aus den Jahren 1811 - 1813. Herausgegeben von Dr. Carl Schröder. Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 65. Schwerin. 1900.
  3. Schubert, Gotthilf Heinrich von, Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartungen von einem zukünftigen Leben. Eine Selbstbiographie von ... 3 Bde. Erlangen. 1854 - 1856.

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Wichtigste spezielle Literatur.

  1. Asch, Rudolf, Mecklenburgs auswärtige Politik, insbesondere seine Beziehungen zu Preußen vom Reichskrieg gegen Frankreich (1792) bis Jena (1806). Diss. (Masch.-Schrift). Rostock 1922.
  2. Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven. 75. Bd.: Bailleu, Paul, Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise mit Kaiser Alexander I. Leipzig 1900. Einleitung.
  3. Bailleu, Paul, Königin Luise. 2. Aufl. Berlin 1923.
  4. Balck, C. W. A., Finanzverhältnisse in Mecklenburg-Schwerin. 2 Bde. Wismar usw. 1877. Schwerin 1878.
  5. Balck, C. W. A., Zur Geschichte und Vererbpachtung der Domanial-Bauern in Mecklenburg-Schwerin. Schwerin 1869.
  6. Balck, C. W. A., Domaniale Verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin. 2 Bde. Wismar usw. 1864. 1866.
  7. Behm, Werner, Die Mecklenburger 1813 und 15 in den Befreiungskriegen. Hamburg (1913).
  8. v. Hirschfeld, Ludwig, Friedrich Franz II., Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, und seine Vorgänger. 2 Bde. Leipzig 1891.
  9. v. Hirschfeld, Ludwig, Von einem deutschen Fürstenhofe. 2 Bde. Wismar 1896. Enthaltend (Aufsätze werden unter Einzeltitel zitiert):
    1. Band: Eine fürstliche Entlobung. Brautwerbung des Erbprinzen Friedrich Ludwig. Aus dem Tagebuch einer Hofdame.
    2. Band: Ein Staatsmann der alten Schule. Ein Thronerbe als Diplomat.
  10. Moeller, C., Geschichte des Landes-Postwesens in Mecklenburg-Schwerin. Meckl. Jahrbuch 62 (1897).
  11. Schröder, C., Caroline, Erbprinzessin von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin von Sachsen-Weimar. Schwerin (1901).
  12. Schröder, C., Mecklenburg und die Kurwürde. Jahrbuch 80 (1915).
  13. Schröder, Carl, Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin aus den Jahren 1811 - 1813. Einleitung. Jahrbuch 65 (1900).
  14. Schröder, C., Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg-Schwerin im Jahre 1803. Jahrbuch 77 (1912).
  15. Schwartz, Karl, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg und seine Familie. 2 Bde. 2. Aufl. Homburg 1888.
  16. Spreer, Malte, Fürst und Herr zu Putbus. Berlin 1886.
  17. Stuhr, Fr., Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg (1806 - 1813). Jahrbuch 71 (1906).
  18. Ulmann, H., Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. bis 1806. Leipzig 1899.
  19. Wetzel, Paul, Die Genesis des am 4. April 1813 eingesetzten Zentral-Verwaltungsrates und seine Wirksamkeit bis zum Herbst dieses Jahres. Diss. Greifswald 1907.
  20. Witte, Hans, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg. 2 Bde. Leipzig 1911.

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Kapitel I.

Friedrich Ludwigs Jugend (1778 - 1796).

Friedrich Ludwig, seit 1785 Erbprinz und seit 1815 Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin, wurde am 13. Juni 1778 als ältester Sohn des damaligen Prinzen, seit 1785 Herzogs und seit 1815 Großherzogs Friedrich Franz I. geboren. Sein Tod am 29. November 1819 erfolgte noch zu Lebzeiten seines Vaters, der 1837 starb. Friedrich Ludwig bekleidete von 1806 bis zu seinem Ableben den Posten eines Präsidenten des Herzoglichen Kammer- und Forst-Kollegiums und von 1808 ab auch den eines Finanzministers. Er führte 1807/08 zu Paris die Verhandlungen wegen Mecklenburg-Schwerins Beitritt zum Rheinbunde und befehligte 1814 und 1815 die Mecklenburg-Schwerinschen Truppen. Die ersten beiden seiner drei Ehen - die 1799 geschlossene mit der dann schon 1803 verstorbenen Helene Pawlowna, Tochter des Zaren Paul, und die 1810 geschlossene mit der 1816 verstorbenen Caroline, Tochter Carl Augusts von Sachsen-Weimar, - brachten ihn mit den wichtigsten Stätten der Politik und des geistigen Lebens in Berührung. Seine dritte Gemahlin, Prinzessin Auguste von Hessen-Homburg, überlebte ihn bis 1871. Der Sohn aus seiner ersten Ehe war der spätere Großherzog Paul Friedrich. Die Tochter aus der zweiten Ehe, Helene, wurde 1837 die Gemahlin Ferdinands, Herzogs von Orleans, Kronprinzen von Frankreich.

Um die Zeit der Geburt Friedrich Ludwigs regierte Herzog Friedrich, genannt der Fromme, in Mecklenburg-Schwerin 1 ). Er war seit 1746 vermählt mit Luise Friederike, der Tochter des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Württemberg-Stuttgart. Die Ehe war kinderlos geblieben. So war, als er 1756 nach dem Tode seines Vaters, des Herzogs Christian Ludwig II., die Regierung antrat, der 1725 geborene zweite Sohn des Verstorbenen, Ludwig, Erbprinz geworden. Es beruhte daher alle Hoffnung für die Fortdauer des herzoglichen Hauses auf diesem Prinzen. Herzog Christian Ludwig hatte noch selbst Sorge wegen der Verheiratung seines zweiten Sohnes getragen. Die Wahl fiel auf die Tochter des Herzogs Franz Josias von Sachsen-Koburg-Saalfeld, die 1731


1) Siehe Dr. C. Schröder, Die Anfänge der Regierung des Großherzogs Friedrich Franz I.: Meckl. Nachr. 1912, Nr. 125 vom 1. Juni ff.
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geborene Prinzessin Charlotte Sophie. Am 25. April 1755 wurde die prokuratorische Vermählung in Koburg vollzogen. Aus dieser Ehe erwuchsen zwei Kinder, Friedrich Franz, geboren 10. Dezember 1756, und Sophie Friederike, geboren 24. August 1758, die später die Gemahlin des Erbprinzen Friedrich von Dänemark wurde und schon 1794 starb. Erbprinz Ludwig lebte mit seiner Familie meist im Schloß zu Schwerin, während Herzog Friedrich in Ludwigslust, wo er sich 1772 bis 1776 ein großes, das heutige Schloß erbaute, residierte und ein frommes Regiment führte. Das behagte dem lebenslustigen Ludwig nicht. Er war mehr ein leidenschaftlicher Jäger und Musik- und Bücherliebhaber als geeignet und geneigt, später die Regierung zu übernehmen. Er starb schon vor seinem Bruder, am 12. September 1778, kaum ein Vierteljahr nach der Geburt seines Enkels Friedrich Ludwig. So wurde Ludwigs Sohn Friedrich Franz Erbprinz, der dann 1785 seinem Oheim, Herzog Friedrich, in der Regierung folgte. Er hatte sich am 1. Juni 2 ) 1775 in Gotha mit Luise, der am 9. März 1756 geborenen Tochter des Prinzen Johann August von Sachsen-Gotha-Roda, vermählt.

Schon bald wurde das Glück des am Ludwigsluster Hofe oder in Schwerin lebenden erbprinzlichen Paares durch die im Mai 1776 erfolgte Geburt einer toten Prinzessin getrübt 3 ). Als Prinzessin Luise ein Jahr darauf wieder von einem toten Kinde, diesmal einem Sohne, entbunden wurde, sah der Herzog mit Furcht der Zukunft entgegen, da das Schicksal des Aussterbens sich zu verwirklichen schien, das dem herzoglichen Hause schon vor wenigen Jahren gedroht hatte, als seine, des Herzogs Ehe, kinderlos blieb.

Am 13. Juni, dem ersten Sonnabend nach Pfingsten, 1778 wurde dann der lange erwartete Prinz geboren, der in der Taufe am 15. Juni die Namen Friedrich Ludwig, nach seinen beiden Gevattern, seinem Großoheim Herzog Friedrich und seinem Großvater Erbprinz Ludwig, dem Bruder des Herzogs, erhielt.

Unter der Obhut und Pflege der Mutter und der Damen des Hofes verbrachte der junge Prinz die ersten Jahre seines Lebens 4 ). Bald gesellte sich in seiner um 1 1/2 Jahr jüngeren Schwester Luise eine Gespielin zu ihm. Dieser Schwester, die am 19. November 1779 geboren wurde, ist Friedrich Ludwig bis an ihr Ende auf


2) Nicht 31. Mai, wie Wigger, Stammtafeln des Großh. Hauses im Jahrbuch 50 (1885), S. 306, angibt. Siehe C. Schröder, Beiträge zur Erziehungs- und Jugendgeschichte des Großherzogs Friedrich Franz I.: Jahrbuch 77 (1912), S. 1 ff., 71, Anm. 26.
3) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 288.
4) Vgl. Schröder, Tagebuch des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin 1811 - 1813: Jahrbuch 65 (1900) Einleitung S. 124.
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das innigste zugetan gewesen. Die Erbprinzessin Luise gebar nach dieser Tochter noch drei Söhne und eine Tochter, Charlotte, die spätere Kronprinzessin Christian von Dänemark. Alle drei Brüder, Gustav, Carl und Adolf, überlebten Friedrich Ludwig; sie blieben unvermählt.

Ende 1783 erhielt "Prinz Fritz" den ersten geregelten Unterricht. Zu seinem Gouverneur wurde 1784 der Oberstleutnant Friedrich Wilhelm von Lützow, zu Instruktoren der Ludwigsluster Rektor M. J. Ch. Passow und dessen Bruder Josua Friedrich 5 ) und für den französischen Sprach- und den mathematischen Unterricht der Schweizer Jeanrenaud bestellt, in dessen Stunden der Grund gelegt wurde für Friedrich Ludwigs spätere, auch für damalige Verhältnisse auffallend gute Beherrschung der französischen Sprache.

Lützows Anschauungen von der Art der Erziehung des Prinzen entsprachen durchaus den pädagogischen Ansichten der Aufklärungszeit. Alle Schwächen des Zöglings glaubte er durch Vernunftgründe überwinden zu können. Ganz im Sinne Rousseaus war ihm "Natur" das oberste Leitwort seiner Erziehertätigkeit. Im Religionsunterricht sah er hauptsächlich auf praktisches Christentum unter Ausschaltung aller Unterhaltung über theologische Wortstreite. Vaterlandskunde wurde in allen ihren Gebieten ganz besonders gepflegt, immer mit dem Gedanken an die spätere Regententätigkeit des Erbprinzen.

Friedrich Ludwig hatte weder auffallend schlechte Eigenschaften, noch auffallend gute, noch zeigte er eine besondere Talentierung auf irgend einem Gebiete der Wissenschaft oder Kunst. Er war äußerst lernbegierig, wo es ihm nur einigermaßen leicht gemacht wurde. Er war sehr mildtätig. Früh schon hatte er etwas Schwärmerisches an sich, das seine Gedanken oft weit vom Gegenstand des Unterrichts abgleiten ließ. Seine Flüchtigkeit und Unbeständigkeit bei den Arbeiten tadelten die Instruktoren besonders, die aber wieder sehr erfreut darüber waren, daß er Anwandlungen von Stolz über seine Stellung nur selten zeigte.

Nachdem am 30. September 1792 die Konfirmation des Erbprinzen - 1785 war Herzog Friedrich gestorben und Erbprinz Friedrich Franz Herzog geworden - stattgefunden hatte, bezog er Anfang Oktober desselben Jahres unter Leitung seines Gouverneurs von Lützow die Universität zu Rostock. Er hörte hier teils als Privat-, teils als öffentliche Vorlesungen philosophische, geschichtliche, geographische, mathematische und naturwissenschaft-


5) Über Lützow und die beiden Passow s. Schröder a. a. O., S. 124, Anm. 1 - 3.
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liche Kollegs, ferner juristische und kameralistische, staatsrechtliche und auch theologische.

Der Studiengang wurde des öfteren von Reisen unterbrochen. So besuchte man oft Neustrelitz, wenn Herzog Friedrich Franz auch dort weilte. In Strelitz regierte seit 1792 Herzog Adolf Friedrich IV. 1794 folgte ihm Herzog Carl, der Vater der Königin Luise, mit deren Bruder, dem Erbprinzen Georg, Friedrich Ludwig bald eine dauernde Freundschaft verband.

Nach Beendigung der Rostocker Studienzeit trat der Erbprinz am 2. Dezember 1795 - aus Sparsamkeitsgründen unter dem Inkognito eines Grafen von Grabow - in Begleitung Lützows eine längere "Bildungsreise" an. 6 ) Man besuchte zunächst mehrere mitteldeutsche Höfe, brachte dann im Frühjahr 1786 mehrere Wochen in Wien zu und bereiste hierauf Bayern. Die Schweiz besuchte man wegen der Kriegswirren in Westdeutschland entgegen der ursprünglichen Absicht nicht mehr, sondern kehrte schon am 18. August nach Ludwigslust zurück.

Friedrich Ludwig zeigte auf der Reise zwar einen empfänglichen Sinn für alle Schönheiten der Natur und der Kunst, aber kein eingehenderes Interesse oder etwa Begabung für ein besonderes Gebiet. Er vermerkte in seinem Reisetagebuch mit ziemlicher Aufmerksamkeit alle technischen Neuerungen, die er sah, etwa die erste Chaussee bei Lüneburg, die erste Straßenbeleuchtung in Eisenach oder die neuartige Wasserleitung in Augsburg. Bei Bauwerken zog ihn weniger die Schönheit des Stils und der Ausführung im einzelnen als die Größe und Ausdehnung an. Von den zahlreichen Werken der bildenden Kunst, die er sah, war das einzige, das ihn tiefer fesselte, die Sixtinische Madonna in Dresden. Mit gesunder Natürlichkeit verzeichnete er regelmäßig in seinem Tagebuch die Stellung der einzelnen Fürsten, deren Höfe er besuchte, zu ihrem Volke. Verehrte ein Volk seinen gerechten Herrscher, so fügte er wohl den Wunsch hinzu, daß es doch überall so sein möge. Die gute Finanzwirtschaft und weise Regierungstätigkeit des Braunschweigischen Herzogs nahm er sich für später zum Vorbild. Ein ganz besonderes Gefallen hatte er an den Fürsten, die ein einfaches Familienleben und keinen übertriebenen Luxus führten. Diese Abneigung gegen die Hofetikette hat ihn später nie verlassen. Für soziale Verhältnisse und Einrichtungen, etwa bei den Bergwerksarbeitern in Freiberg in Sachsen, in den Fürsorgeanstalten in Wien oder der öffentlichen Bücherei in Leipzig, hatte er ein offenes Auge und wünschte


6) AS Kab. Vol. 341, Reisetagebuch. Siehe auch: Schröder, Tagebuch, S. 126 ff.; dort eine eingehende Schilderung der Reise.
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solche Anstalten später auch in seinem Heimatlande begründen zu können.

Mit dem Gang, den seine Erziehung genommen hatte, war der Erbprinz in späteren Jahren, als er die Ausbildung seines Sohnes Paul Friedrich leitete, nicht immer einverstanden. So schrieb er, um dies hier vorwegzunehmen, am 4. Dezember 1816 an den Erzieher seines Sohnes, Legationsrat von Schmidt: "Bis zu dem Tage, daß mein Hofmeister mich verließ, ich war 19 Jahre alt, war ich unter steter Aufsicht und konnte nicht allein über die Straße gehen. Dies war ohne Zweck, denn ich hörte, sah und tat Manches mit doppeltem Eifer, was mir weit weniger interessant geschienen haben würde, wenn ich nicht gerade der mir darin gelegten Schwierigkeiten wegen eine doppelte Neugier daran gefunden hätte. Nachteiliger indessen als dies ist es mir geworden, daß ich dadurch nicht den Grad von Selbständigkeit erlangt habe, der dem Manne ziemt; noch heute, wenngleich ich nahe an die 40 bin, betreffe ich mich oft auf einer Unentschlossenheit, die ich Zaghaftigkeit nennen möchte und die ich nur mit Mühe überwinde. Ich glaube, daß es einem jungen Menschen vorteilhaft ist, zuweilen seine Handlungen selbst zu bestimmen und nicht immer sich von Anderen leiten zu lassen; einem jungen Prinzen scheint dies noch notwendiger, daß er aus eigener Erfahrung lerne, wie es in der Welt zugeht, und sich selbst zu führen lerne. Der Fürsten Schicksal ist es ohnehin, so oft und so viel durch die Augen Anderer sehen zu müssen. Geht er in einigen Jahren auf die Universität, so wird es selbst lächerlich gegen Andere, ihn in großer Abhängigkeit zu erhalten; und erst dann anzufangen, ihm mehr Freiheit zu gestatten, würde dann auch den Nachteil haben, daß er, unbekannt mit den Menschen und der Welt, sich in manchen Lagen und Vorkommenheiten nicht zu benehmen wissen würde. Fast alle jungen Leute, wie sie das väterliche Haus verlassen, müssen sich allein durchhelfen, und wenn nur der Fond gut ist, so gibt gerade das Alleinstehen dem Charakter eine gewünschte Festigkeit." 7 ). Der Erbprinz schrieb dies aus eigener Erfahrung. Auch gegen den zu frühen Besuch der Universität hatte er später Bedenken. "Ganz gewiß werde ich meinen Sohn nicht vor dem 20ten Jahre eine Universität beziehen lassen, den Nachteil des Gegenteils habe ich nur zu sehr an meinem eigenen Beispiele erfahren." 8 )


7) AS Kab. Vol. 334, Schmidt, Beiträge zur Lebensgeschichte usw. Erbprinz an Schmidt 4. 12. 1816. Abgedruckt bei Schröder, Tagebuch S. 124 f.
8) AS a. a. O. Ebenso 20. 12. 1815. Schröder a. a. O.
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Kapitel II.

Erste Ehe und erste politische Tätigkeit
(1796 - 1803).

Bald nach dieser Bildungsreise nahm die Erziehung des Erbprinzen durch Gouverneur und Instruktoren ihr Ende. Der Erbprinz trat nun als erwachsener Prinz in den Kreis des Hoflebens. Am 13. Juni 1797, als er das 19. Lebensjahr vollendete, wurde er volljährig und erhielt einen eigenen Hofstaat. Am 22. September desselben Jahres ernannte der Herzog den Kammerjunker Detlof Joachim von Oertzen 9 ) zum Kammerherrn und Kavalier beim Erbprinzen. Oertzen, dem damit die Aufsicht und Verwaltung des gesamten erbprinzlichen Haushalts oblag, begleitete seinen Herrn durch alle wichtigen Phasen seines Lebens. Bald entwickelte sich zwischen Beiden eine enge Freundschaft, weit über die Schranken des dienstlichen Verhältnisses hinaus. Oertzen wurde Friedrich Ludwigs Berater in allen, auch den persönlichen Angelegenheiten. An Charakter ergänzte er seinen Herrn in glücklicher Weise: er hatte ähnliche, aber wesentlich eingehendere wissenschaftliche und schöngeistige Neigungen, dabei besaß er aber mehr Tatkraft und Widerstandsfähigkeit gegenüber den Zufällen des Alltags als der Erbprinz, der leicht beeinflußbar und begeistert und ebenso leicht entmutigt und niedergeschlagen war.

Da es nötig wurde, daß sich der Erbprinz auch mit militärischen Dingen vertraut machte, verbrachte er 1797 einige Zeit in Rostock beim Regiment von Pressentin, zu dessen Generallieutenant und Chef er dann am 15. November ernannt wurde 10 ) und das fortan den Namen "Regiment Erbprinz" führte. 11 ) Friedrich Ludwig hat nie ein besonderes Interesse für militärische Angelegenheiten gehabt, hat auch deshalb, weil er selbst seine Unkenntnis auf diesem Gebiet erkannte, immer vermieden, eine


9) Siehe über ihn: Lisch-Saß, Urkundliche Geschichte des Geschlechts v. Oertzen, Band IV, Schwerin 1886 S. 163 ff. - Hofrat Prof. Norrmann (Rostock) gibt zu: J. H. Neuendorff, Die Stiftsländer des ehemaligen Bistums Ratzeburg, Rostock und Schwerin 1832, eine Biographie Oertzens. Siehe auch: Schröder, Tagebuch, S. 150, Anm. 3.
10) AS Militaria, Infant. XXXI. Regiment Erbprinz, Gen. 1790 ff.
11) AS a. a. O., Herzog an von Gluer 15. 9. 1797.
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praktisch-tätige Rolle, wie sie sonst einem Thronerben zuzukommen pflegte, zu spielen, und nur eine repräsentative eingenommen, sobald auch diese nicht zu umgehen war. So blieb auch diese Generallieutenants- und Regimentschefstellung eine reine Titelsache.

Als Friedrich Ludwig zum ersten Male, 1797, auf Einladung des preußischen Königspaares zum Karneval nach Berlin fuhr, begleitete ihn sein Bruder Gustav. In Berlin war Oberhofmeister August von Lützow, der sich dort seit einigen Jahren als außerordentlicher Gesandter des Schweriner Hofes aufhielt, der Kavalier des Erbprinzen 12 ). Während die beiden lebensfrohen Prinzen sich den Vergnügungen des Hofes widmeten, ließ der Kaiserlich Russische Staatsrat von Alopeus Lützow wissen, daß Kaiser Paul von Rußland gern seine zweite Tochter, die Großfürstin Helene Pawlowna, dem Erbprinzen zur Frau geben würde. Lützow berichtete dieses Anerbieten sofort dem Herzog 13 ), der es mit großem Wohlwollen aufnahm. Er richtete am 18. März an seinen wieder in Ludwigslust befindlichen Sohn einen Brief, in dem er ihm das Heiratsangebot mitteilte, ihm aber völlige Freiheit in seinem Entschluß einräumte, wenn er aus politischen Gründen diese Heirat auch sehnlich wünschte 14 ). Friedrich Ludwig bekam die bisher über diese Angelegenheit geführten Akten zur Einsicht. Schon am 21. März teilte er dem Herzog seinen Entschluß mit: nach reiflicher Überlegung heiße er den Plan einer Heirat mit der Großfürstin Helene gut 15 ).

Lützow hatte sich, als ihn Alopeus aufsuchte, vor allem zu dem Zwecke in Berlin aufgehalten, um die Intervention des preußischen Hofes in einer Differenz zwischen Schwerin und Stockholm zu erwirken. Für die auf wenig taktvolle Weise geschehene Auflösung des Verlöbnisses des schwedischen Königs mit der Prinzessin Luise glaubte der Herzog Anspruch auf Entschädigung erheben zu können und wünschte als solche die Rückgabe der im Westfälischen Frieden an Schweden gefallenen Stadt und Herrschaft Wismar in Form einer Verpfändung an Mecklenburg gegen Erstattung einer angemessenen Pfandsumme. Da Schweden unmittelbar nicht auf diesen Vorschlag des Herzogs einging, sollte


12) Siehe über ihn Schröder, Tagebuch, S. 161, Anm. 2.
13) AS Kab. Vol. 27, Herzog an Alopeus. Vol. 336 und 345. - HausAS Matrim. Friedrich Ludwig. - Hirschfeld, Brautwerbung des Erbprinzen Friedrich Ludwig, gibt eine eingehende Darstellung der ganzen Heiratsangelegenheit.
14) AS Kab. Vol. 336, 1799 Nr. 1 Abgedruckt bei Hirschfeld a. a. O., S. 78 f.
15) AS a. a. O. Nr. 2. Abgedr. bei Hirschfeld a. a. O., S. 79 f.
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Lützow die Hilfe Preußens gewinnen. Die preußische Regierung wies ihn aber durch Minister Graf Haugwitz an den Zaren mit dem Bedeuten, daß dieser vielleicht zur Intervention geneigter sein würde, um das Unrecht, das seine Mutter Katharina durch jene Hintertreibung der schwedischen Vermählung der Prinzessin dem mecklenburgischen Hofe zugefügt habe, wiedergutzumachen. So kam Lützow das Anerbieten wegen der Heirat sehr gelegen als Anknüpfungspunkt für Verhandlungen wegen einer etwaigen Intervention des Kaisers in Stockholm. Alopeus glaubte in dieser Sache bei seinem Herrn nicht viel erreichen zu können, meldete aber Lützows Verlangen nach Petersburg, wo man dann doch darauf einging, erfreut darüber, daß der Herzog in das Heiratsprojekt eingewilligt hatte. Zar Paul wies seinen Gesandten in Berlin, von Kalitschew, an, den preußischen Hof zu einer gemeinsamen Intervention zu gewinnen.

Alopeus machte dann Anfang Juli in Karlsbad die nähere Bekanntschaft des Erbprinzen. Wegen der Jugend der Großfürstin wurde die offizielle Werbung des Erbprinzen auf Wunsch des Kaisers noch um einige Jahre hinausgeschoben. Die Werbung sollte verabredetermaßen 1799 in Petersburg geschehen. Am mecklenburgischen Hofe erwartete man dagegen mit Ungeduld den Zeitpunkt, wo man die vorteilhafte Verbindung mit dem russischen Kaiserhause bekanntmachen könnte.

Im Mai begannen in Regensburg neue Verhandlungen zwischen Lützow und Alopeus. Dieser erhielt bald danach vom Zaren einen Brief, in dem, ohne Berührung der Heiratsangelegenheit, die Mitteilung stand, daß dem Kaiser eine Reise des Erbprinzen nach Rußland angenehm sein werde. Außerdem teilte er mit, daß er den Prinzen Carl, den Bruder Friedrich Ludwigs, zum Kapitän in einem seiner Regimenter ernannt habe und ihn mit dem Erbprinzen ankommen zu sehen hoffe.

Am 27. Januar 1799 wurde unter Lützows Leitung die Reise angetreten. Den Erbprinzen begleitete als Kavalier der Kammerherr von Oertzen, den Prinzen Carl der Obristlieutenant von Sandoz. Am 28. Februar traf man in Petersburg ein. Die Großfürstin Helene gewann sofort das Herz des Erbprinzen. Alle seine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Helene war schlank und mittelgroß, von ebenmäßigen Formen. Das Gesicht war schmal, die schmale Stirn von blondem Lockenhaar umgeben. Die schönen blauen Augen gaben dem Kopfe etwas Ernstes, fast Madonnenhaftes 16 ).


16) Vgl. die zeitgenössischen Bilder, besonders im Großherzoglichen Schloß zu Ludwigslust. Siehe Hirschfeld a. a. O., S. 103.
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Im engen Familienkreise wurde am 2. März die Verlobung gefeiert, der in einigen Wochen die öffentliche Feier folgte. Der Erbprinz war schon am 1. März, einen Tag nach seiner Ankunft, zum Generallieutenant der russischen Armee ernannt. Dem Prinzen Carl war das Kommando einer Kompagnie der Leibgrenadiere übertragen worden. Bald wurde dem Erbprinzen auch ein Regiment verliehen, dessen Uniform er anlegte und für das er auf Wunsch des Kaisers einen mecklenburgischen Offizier zum Adjutanten erwählte. Der Kaiser, der der Großmeister des Malteserordens war, ernannte die beiden Prinzen, die er kaum genug mit Gnadenerweisungen überhäufen konnte, zu Ordenskommandeuren. Prinz Carl erhielt russischen Sprach- und militärischen Unterricht, da er in russischen Heeresdiensten bleiben sollte.

Lützow begann unterdessen die Besprechungen wegen des Ehevertrages mit den beiden vom Kaiser zur Führung dieser Verhandlungen Beauftragten, dem Minister des Auswärtigen Grafen Rostopschin und dem Grafen Kotschubey. Er brachte genaue Instruktionen für die Verhandlungen und auch einen Vertragsentwurf aus Mecklenburg mit. Die beiden Russen legten ebenfalls einen fertigen, schon vom Kaiser genehmigten Entwurf vor. Beide Entwürfe wichen in wesentlichen Punkten voneinander ab. Die Verhandlungen drohten sich schwierig zu gestalten. Aber nach einigen Wochen, in denen Lützow gegen seine beiden schlauen Partner oft einen schweren Stand hatte, einigte man sich. Bemerkenswert ist nur, daß unter den sechs Separatartikeln, die Lützow mit anerkannt wissen wollte, die beiden letzten die Intervention des Kaisers zu Gunsten der Einverleibung Wismars 17 ) und den Abschluß eines Handelsvertrages zwischen Rußland und Mecklenburg forderten. Über diese beiden Punkte glaubten die beiden Grafen nicht eigenmächtig entscheiden zu können und erklärten, sie dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen zu wollen. Damit aber ließ man diese mecklenburgischen Wünsche unter den Tisch fallen.

Friedrich Ludwig konnte am kaiserlichen Hofe, einer Hochburg der großen Politik, einen ersten Blick in die Welt der großen Diplomatie tun und seine eigenen Fähigkeiten schulen und bilden. Er gewann im Grunde seines Herzens einen Abscheu gegen diese politische Welt, ganz besonders wie sie in Rußland bestand. Konnte er doch als wissender Zuschauer, der aber den Unwissenden spielen mußte, die sich schon knüpfenden Fäden der Palast-


17) C. Schröder, Die schwedische Verpfändung Wismars an Mecklenburg-Schwerin 1803: Jahrbuch 77 (1912), S. 177 ff.
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revolution erkennen. Bennigsen. die Grafen Pahlen und Subow, die Hauptverschwörer, lernte er kennen und sah, selbst machtlos, von ferne ihr Treiben. Er machte die Bekanntschaft der durch Kabalen und Intriguen gestürzten und dann auf eben solchem Wege wieder zu Ehren gelangten alten Größen und Emporkömmlinge und ihre Art, sich die Gunst des Kaisers oder seiner Günstlinge zu erschleichen. Er fühlte sich oft inmitten dieser Menschen und ihrer Machenschaften fremd und verlassen, wußte aber seine Abneigung gegen seine russische Umgebung geschickt zu verbergen und zu bemeistern. Mit der ihm eigentümlichen gewinnenden Art des Auftretens und der Unterhaltung wußte er alle Personen für sich zu gewinnen. Mit angeborenem diplomatischen Geschick verstand er es trotz seiner Jugend, allen Gefahren des kaiserlichen Hoflebens zu begegnen und, bezogen sie sich auf ihn selbst, zu beseitigen, ohne seine Gegner zu verletzen oder zu verstimmen. Neben Lützows Geschick ist es auch dem des Erbprinzen zuzuschreiben, daß die gesamte Heiratsangelegenheit durch die zahllosen Klippen der Verhandlungen und persönlichen Rücksichtnahmen auf die Mitglieder der Zarenfamilie und deren Vertraute zu einem erfreulichen Abschluß gelangte. Waren die Petersburger Monate eine außerordentlich gute politische wie persönliche Schule für den Erbprinzen, die er später nie hatte entbehren mögen, so behielt er diese Zeit doch nur in wenig guter Erinnerung. Seinem einfachen Sinn, dem ein stilles, mit den feineren Freuden ausgestattetes Familienleben mehr zusagte als laute und unpersönliche Hoffeste mit dem Zwange der Etikette, widerstrebte die russische Art zu leben.

Nachdem die Hochzeit aus verschiedenen Gründen mehrfach aufgeschoben war, fand sie am 23. Oktober 1799 im Lustschloß Gatschina statt. Mit allem herkömmlichen Pomp und strengem Zeremoniell, mit Aufbietung aller Mittel des Glanzes des reichen Zarenhofes wurde der Tag gefeiert. Die Trauung wurde in griechisch-katholischem Ritus abgehalten.

Am 2. Januar 1800 verließ dann das junge Paar aber erst Petersburg 18 ). Am 15. Februar war mit allem Aufwand, dessen die kleine Residenz fähig war, der feierliche Einzug in Schwerin und am 17. März in Ludwigslust.

Helene Pawlowna gewöhnte sich bald an das einfache Hofleben in Ludwigslust, wenn es auch zu dem unruhigen und zwang-


18) Eine genaue Schilderung der Reise usw. gibt das Tagebuch der Sophie von Camperhausen, das Hirschfeld in "Aus dem Tagebuch einer Hofdame" im wesentlichen wiedergibt.
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vollen am Zarenhofe den denkbar größten Gegensatz bildete. Die Ehe des jungen Paares wurde überaus glücklich.

Am 15. September 1800 wurde Helene ihres ersten Kindes, eines Sohnes, entbunden. Der Knabe erhielt am 26. desselben Monats in der Taufe nach seinem Großvater, Kaiser Paul, den Namen Paul mit dem Zunamen Friedrich. Paul Friedrich folgte 1837 seinem Großvater auf dem Thron, nachdem er sich 1822 mit Alexandrine, der Tochter König Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise, vermählt hatte.

Einer Einladung des preußischen Königspaares folgend, traf das erbprinzliche Paar am 27. Januar 1801 zum Karneval am Berliner Hofe ein 19 ). Es wurde einer der prächtigsten Karnevals am Hofe der vielbewunderten Königin. In dieser Zeit entstand jene bekannte Neigung des Königs zur schönen Großfürstin 20 ).

Hier in Berlin war es, wo Friedrich Ludwig in der Außenpolitik seines mecklenburgischen Vaterlandes eine Rolle zu spielen begann. Insbesondere die Erbprinzessin, nicht weniger auch der Erbprinz selbst, hatte dem König in solcher Weise gefallen, daß er Mecklenburg von jetzt an mehr Interesse und Rücksicht als bisher entgegenbrachte. Diese Rücksichtnahme war zum größten Teil durch Gefühlsmomente, durch freundschaftliche Empfindungen hervorgerufen. Schon als der König am 29. Januar im Schloß Monbijou dem Erbprinzen den Schwarzen Adlerorden verlieh, berührte er im Gespräch politische Fragen. Es waren nämlich einerseits in den letzten Jahren mehrfach Pläne aufgetaucht, Mecklenburg an Preußen zu geben als Ersatz für die verlorenen Gebiete auf dem linken Rheinufer. Namentlich war von französischer Seite dies in Anregung gebracht 21 ). Schon 1798 war im Laufe der Verhandlungen zwischen Lützow und Alopeus der Einfluß der eben erst erworbenen Freundschaft Rußlands dazu benutzt worden, um gegen diese Tauschpläne Einspruch erheben zu lassen. Kaiser Paul hatte damals sofort dementsprechende Weisungen an seinen Gesandten am Regensburger Reichstag ergehen lassen. Nun wurde auch Preußen, dessen rechtliebender König diesen Tauschplänen schon immer ablehnend gegenüberstand, durch Bande der


19) AS Kab. Vol. 345, Reise 1801; Vol. 19, Lützows Berichte. - Bailleu, Königin Luise, S. 128.
20) Briefe des Königs an Helene: Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven, 75. Band. Paul Bailleu, Briefwechsel, S. 401 ff.: Aus dem Briefwechsel König Friedrich Wilhelms III. mit dem Erbprinzen Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin und der Erbprinzessin Großfürstin Helene Pawlowna 1801 - 1803.
21) Über andere Verhandlungen in dieser Richtung: s. Schröder, Tagebuch, S. 263 Anm.
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Freundschaft endgültig für eine Schonung Mecklenburgs gewonnen. Der König beruhigte in jenem Gespräch in Monbijou den Erbprinzen hinsichtlich dieser Gefahren für Mecklenburg. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Friedrich Ludwig übrigens auch, daß Kaiser Paul selbst seinerzeit dem König einen Tausch Mecklenburgs, dessen Herzöge gegebenenfalls sogar Polen bekommen sollten, vorgeschlagen hatte 22 ).

Als am Ende des Jahres von neuem Tauschprojekte auftauchten, teilte der König dies dem Herzog mit. Man plane eine Vertauschung Mecklenburgs gegen Münster, Mark, Cleve, Westfalen u. a. 23 ). Sofort wandte sich Friedrich Ludwig an Kaiser Alexander, der inzwischen seinem Vater auf dem Throne gefolgt war, legte gegen diese Pläne Verwahrung ein und bat um seinen Schutz 24 ). Der Kaiser antwortete umgehend und lehnte auch von sich aus diese Pläne ab 25 ).

Die herzliche Aufnahme, die Helene am Berliner Hofe gefunden hatte, erfreute ihren Vater, Kaiser Paul, aufrichtig. Durch Verleihung des Katharinenordens an die Königin gab er seinen dankbaren Gefühlen Ausdruck. Diese freundliche Aufnahme der Großfürstin legte den Grundstein zu der späteren Freundschaft zwischen Preußen und Rußland und beseitigte die jetzt noch wegen des Zusammengehens Rußlands und Frankreichs gegen England bestehende Spannung, unter deren Druck Preußen Hannover besetzen mußte.

Bald nach der Rückkehr nach Ludwigslust erhielt Helene die Nachricht von dem Tode ihres Vaters, ohne jemals dessen nähere Umstände zu erfahren. Der russische Kammerherr, der die Nachricht von Pauls Tod nach Ludwigslust überbrachte, Wassiltschieff, berichtete dort: in einer Gesellschaft abends vor der Todesnacht habe der Zar scherzweise gesagt, die Spiegel müßten schief sein, indem sein Mund ganz schief sei. Dann habe er ein wenig über Schmerzen geklagt. Die Ärzte hätten ihm einen Aderlaß angeraten. Paul habe dies aber abgelehnt und bis auf den nächsten Morgen verschieben wollen. In der Nacht um 1 Uhr habe er laut gerufen, man habe ihn dann aber schon besinnungslos gefunden, ein Aderlaß sei schon zwecklos gewesen 26 ). Diese geschickt erdachte


22) HausAS Kurwürde, Vol. II, Austauschung, Fasz. 1794 - 1802. Friedrich Ludwig an Regierung (in Schwerin), Berlin 3. 2. 1801.
23) HausAS a. a. O., Fasz. 1801 /02. König an Herzog, Berlin 29. 12. 1801.
24) HausAS a. a. O. (Abschrift). Friedrich Ludwig an Alexander, 9. 1. 1802.
25) HausAS a. a. O. Nr. 23 a und b (Abschriften). Alexander an Friedrich Ludwig 10./22. 1. 1802 und 18./30. 1. 1802.
26) An Georg 17. 4. 1801.
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Schilderung, daß der Kaiser am Schlagfluß gestorben sei, täuschte die Erbprinzessin über die schrecklichen Einzelheiten der wahren Todesart hinweg.

Indessen wurde durch diese schlimme Nachricht eine schon lange geplante Besuchsreise nach Petersburg nicht aufgeschoben. Der neue Zar, zu dem Friedrich Ludwig eine aufrichtige Freundschaft hegte, und dem auch Helene in geschwisterlicher Liebe sehr nahe stand, lud das erbprinzliche Paar ein, trotzdem zu kommen und seiner Krönung beizuwohnen 27 ). Anfang Juni traf das erbprinzliche Paar in Pawlowsky ein. Der nun folgende ungefähr vierteljährliche Aufenthalt wurde für Mecklenburg insofern wichtig, als sich die Freundschaft des Erbprinzen mit Zar Alexander befestigte.

Auf der Heimreise - der Krönung des Zaren wohnten Friedrich Ludwig und Helene dann doch nicht mehr bei - galt ein Umweg über Potsdam hauptsächlich der Überbringung des Wunsches des Zaren nach einer Zusammenkunft mit dem König. Hierauf wird im einzelnen weiter unten eingegangen werden. Außerdem kam zwischen dem König und dem Erbprinzen Mecklenburgs Wunsch, die Kurwürde zu erhalten, zur Sprache 28 ). Seit Beginn des Jahres war der schon lange gehegte Wunsch in ein aussichtsreiches Stadium getreten, nachdem infolge der damals bevorstehenden großen Veränderungen im Reiche - u. a. die wahrscheinliche Schaffung einiger neuer Kurfürstentümer - von preußischer Seite Mecklenburg die Frage vorgelegt worden war, weshalb es sich nicht auch um eine solche Rangerhöhung bewerbe. Die verschiedensten Verhandlungen über diese für Mecklenburg sehr verlockend erscheinende Angelegenheit waren seitdem gepflogen worden. Als Lützow im April nach Petersburg geschickt wurde, um anläßlich des Todes des Kaisers Paul das Beileid des herzoglichen Hauses zu übermitteln, nahm er vom Herzog auch den Auftrag mit, mit dem neuen Zaren über die Kurwürdeangelegenheit zu verhandeln und ihn um seine Unterstützung zu bitten 29 ). Der Herzog hatte die bestimmte Absicht, einen angemessenen Gebietszuwachs oder eine dauernde hohe Geldeinnahme als Gegengewicht gegen den für die Kurwürde nötigen großen Aufwand zu verlangen. Der Kaiser lehnte die Unterstützung des Verlangens nach Gebietserweiterung ab, da er möglichst geringe Veränderungen im Deutschen Reiche wünschte. Dies brachte er


27) AS Kab. Vol. 341. Briefe von der Reise.
28) Zur Kurwürdeangelegenheit: C. Schröder, Mecklenburg und die Kurwürde: Jahrbuch 80 (1915), S. 1 ff. - AS Kab. Vol. 268. Kurwürde 1802/03, Fasz. 1 u. 2. - HausAS Kurwürde Vol. 1, Fasz. 1.
29) Schröder a. a. O., S. 10 ff.
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auch dem dann im Sommer in Petersburg weilenden Erbprinzen gegenüber zum Ausdruck. Friedrich Ludwig hatte ihm die Wünsche des Herzogs begreiflich zu machen versucht, besonders hinsichtlich des nötigen Aufwandes. Der Zar erwiderte aber auch hier, daß er gern jederzeit alles Mögliche für das herzogliche Haus tun wolle, die Forderungen wegen Gebietserweiterung aber nicht gutheißen und unterstützen könne.

Als nun Friedrich Ludwig in Potsdam war, legte er seine und seines Vaters Wünsche wegen der Kurwürde dem Könige vor 30 ). Dieser nahm die Darlegungen beifällig auf und stellte die diplomatische Unterstützung Preußens in Aussicht. Auf seine Veranlassung schrieb der Erbprinz selbst an Minister von Haugwitz, er möge mit Alopeus wegen einer Unterstützung der mecklenburgischen Wünsche von seiten Rußlands dahingehend konferieren, ob vielleicht eine gemeinsame preußisch-russische Vertretung der Sache auf dem Reichstage in Regensburg herbeizuführen sei. Der König sprach auch den bestimmten Wunsch aus, daß der Herzog doch auf jeden Fall die Kurwürde, wenn sie einmal zu erreichen sei, annehmen solle. Durch diese günstig verlaufene Unterredung mit dem König und durch die Aussicht auf preußische und russische Hilfe ermutigt, bemühte sich Friedrich Ludwig nun in der Folgezeit mit größter Betriebsamkeit und Energie, diese für das Ansehen und die Machtstellung des Herzogshauses vorteilhafte Angelegenheit zu einem positiven Ergebnis zu bringen. Durch ununterbrochene Bemühungen und durch umfangreiche Korrespondenzen warb er besonders bei den Ministern in Schwerin für seine Gedanken 31 ). Die Bearbeitung dieser Kurwürdeangelegenheit wurde völlig seine Domäne, selbst die Gesandtschaftsberichte hierüber wurden an ihn und nicht an den Herzog gerichtet, bis dieser schließlich gegen die dauernde Übergehung seiner Person Einspruch erhob. Friedrich Ludwig hatte bei der Verfechtung jener Gedanken oft Schwierigkeiten seitens seines Vaters zu überwinden. Der Herzog sah wohl die Steigerung des Ansehens und die sonstigen Vorteile bei der Erwerbung der Kurwürde ein, konnte aber aus finanziellen Gründen, da ihm der Aufwand für die Kurwürde für die schon jetzt sehr schlechten Finanzen des Landes untragbar schien, das Streben seines Sohnes nicht aus vollem Herzen billigen. Noch während der Verhandlungen in Potsdam schrieb der Erbprinz an Plessen, den mecklenburgischen Gesandten am Regensburger Reichstage, daß der Herzog immer noch nicht zur Annahme


30) AS a. a. O. Fasz. 1, Nr. 1. Friedrich Ludwig an Herzog, Potsdam 28. 9. 1801. HausAS a. a. O. Brief Nr. 7. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Potsdam 24. 9. 1801. Siehe Schröder a. a. O., S. 22 f.
31) AS a. a. O. HausAS a. a. O. - Plessen-Archiv.
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der Kur bereit sei. Auch für ihn selbst komme eine Annahme nicht ohne Mehreinnahme von 200 000 Reichstalern in Frage. Er bestürme den Herzog dauernd, denn nur unter dem Vorwande der Kurwürde könne der Herzog die schon so lange gewünschte Entschädigung verlangen 32 ). Der Herzog ließ seinem Sohne, dessen geschickte und energische diplomatische Arbeit er immerhin loben mußte - die Politik war fast das Einzige, worin Vater und Sohn sich einig waren - , hierin aber ziemlich freie Hand. Er schrieb ihm später einmal, als es unwahrscheinlich geworden war, daß der nötige Aufwand für die Kurwürde durch Gebietserwerbungen oder Geldzahlungen wettgemacht würde: "Denn ein Kurfürst, der nachher nicht von einem Tag zum andern zu kommen weiß, wäre eine erbärmliche Sache" 33 ). Das war die Meinung des Herzogs von Anfang an. Friedrich Ludwig ließ sich dagegen, wie immer, auch hier nicht in seinen Idealen durch Finanzsorgen stören. Über die Bedenken seines Vaters setzte er sich ohne weiteres hinweg. So nahmen, von diesem nur ungern gesehen, vom Erbprinzen nur von der idealen Seite betrachtet, die Verhandlungen und Bemühungen wegen Erwerbung der Kurwürde ihren Lauf.

Friedrich Ludwig erwarb im November 1801 zum Zwecke der besseren Erfüllung der Repräsentationspflichten in Schwerin als Winterpalais das an der Ecke des Alten Gartens und der damaligen Burgstraße, heutigen Schloßstraße gelegene Haus des Hofrats Kühm 34 ), das spätere sogenannte Alexandrinenpalais.

Er hegte den Wunsch, neben diesem Stadtpalais auch auf dem Lande einen stillen und angemessenen Sommersitz zu haben, d. h. ein oder mehrere Güter, auf denen er als eigener Herr schalten und die Landwirtschaft in einem für seine spätere Regierungstätigkeit notwendigen Maße kennen lernen konnte. Er erwarb deshalb zu Anfang 1802 von dem Kammerherrn Baron von Stenglin die aus mehreren Gütern bestehende Vogtei Plüschow im Amte Grevesmühlen. Das Herrenhaus des Hauptgutes Plüschow wurde der Sommersitz des Erbprinzen 35 ). Aus der Bekanntschaft


32) Plessen-Archiv. Friedrich Ludwig an Plessen, Potsdam 14. 10. 1801.
33) AS a. a. O. Fasz. 2 Nr. 47. Herzog an Friedrich Ludwig 24. 3. 1803.
34) Stuhr, Die Burgstraße (heutige Schloßstraße) und der Burggraben in Schwerin gegen Ende des 18. Jahrhunderts: Jahrbuch 87 (1923), S. 113 f. - Für Helene wurde in Schwerin in einem dazu hergerichteten Saale des zwischen Schloß- und Klosterstraße befindlichen Hausvogteigebäudes griechisch-katholischer Gottesdienst gehalten. W. Jesse, Geschichte der Stadt Schwerin, Schwerin 1913, S. 348 f.
35) W. Josephi, Ein vergessenes mecklenburgisches Landschloß (Plüschow): Zeitschr. des Heimatbundes Mecklenburg XI (1916), S. 47 ff.
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mit der Landwirtschaft wurde zwar nicht viel, aber Friedrich Ludwig gewann im Laufe der nächsten Jahre doch so viel Verständnis für ihre Fragen, daß er später als Kammerpräsident in vielen Dingen ein sachkundiges Urteil abgeben konnte und Schäden zu erkennen und zu heilen wußte. Wie sehr auch auf diesem Gebiet die Kenntnis der Praxis vonnöten war, sollte er später oft genug erfahren, wenn er mit seinen Kammerräten, die fast nur am grünen Tisch gebildet waren, aneinander geriet. - Er verbrachte fast jeden Spätsommer in Plüschow, meist im Anschluß an den üblichen Doberaner Aufenthalt des Hofes.

Zwischen dem Zaren und dem König Friedrich Wilhelm war unterdessen die endgültige Verabredung zur Zusammenkunft in Memel getroffen worden. Am 25. Mai 1802 begab sich der Erbprinz auf die Reise dorthin 36 ).

Friedrich Ludwig und Helene haben an dem Zustandekommen der Memeler Zusammenkunft einen bedeutenden Anteil 37 ). Die Vermittlung, die sie zwischen dem Kaiser und dem König übernahmen, war der äußere Anlaß zu dem Entstehen der Freundschaft der beiden Herrscher. Die Gründe zu dieser Freundschaft waren bereits gegeben und lagen, teils in politischer, teils in persönlicher Beziehung, tiefer. Die Verehrung Alexanders für den König stammte schon aus der Kronprinzenzeit des Zaren, vielleicht auch genährt durch Erzählungen Friedrich Ludwigs während seines Aufenthalts in Petersburg zur Zeit seiner Verlobung und Hochzeit. Denn Friedrich Ludwig war ja vorher schon einige Male am Berliner Hofe gewesen.


36) Für die Memeler Zusammenkunft und ihre Vorgeschichte siehe:
an Quellen: AS Kab. Vol. 341. Memel. - HausAS Varia domest. princ. Friedrich Ludwig. (Anlage beim Tagebuch v. 1811/13, Aufzeichnungen über den Memeler Aufenthalt. Abgedruckt bei Schröder, Tagebuch, S. 130 ff.) - Bailleu, Briefwechsel S. 531 ff.: Aufzeichnungen der Königin Luise I: Zusammenkunft in Memel 1802.
an Darstellungen: Bogdan Krieger, Russischer Besuch am preußischen Hofe vor 100 Jahren, Deutsche Revue XIX (1904). 3. Bd. (S. 166 ff., 344 ff.), S. 171 f. - H. Ulmann, Russisch-Preußische Politik unter Alexander I. und Friedrich Wilhelm III. bis 1806, Leipzig 1899, S. 23 ff., 24 Anm. 2, 36 f., 36 Anm. 2 (die hier angeführten Briefe: AS Kab. Vol. 341 Memeler Reise Nr. 3 und 4). - Bailleu, Königin Luise, S. 129 ff. - Bailleu, Briefwechsel. S. XI ff.
In der angeführten Literatur das Nähere über die Zusammenkunft. Hier ist nur der Anteil Friedrich Ludwigs an ihr zu zeigen. - Besonders vgl. sein bei Schröder abgedrucktes (französ.) Tagebuch über die Memeler Tage.
37) Vgl. Krieger a. a. O., S. 353.
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Entscheidend war dann jener schon erwähnte Besuch des erbprinzlichen Paares in Berlin zum Karneval 1801. Die nach Petersburg übersandten Berichte Helenes über ihre herzliche Aufnahme durch das Königspaar wird Alexander gekannt und dadurch neue Anregungen für seine Verehrung für den König gewonnen haben.

Bald nach seiner Thronbesteigung hatte er mit dem König einen Briefwechsel begonnen, der von preußischer Seite in dem üblichen verbindlichen, aber streng formellen Ton gehalten war, von ihm dagegen in mehr persönlich-warmer Art geführt wurde 38 ). Er sprach in seinem Briefe vom 2./14. April 1801 von "sentiments d'une amitié tendre et d'un attachement affectueux" 39 ).

In einem Briefe vom 30. April 1801 bat der König die Erbprinzessin, als sie ihm ihre Absicht, nach Rußland zu reisen, mitgeteilt hatte, "interprète de mes sentiments à son égard", d. h. gegen den Kaiser, zu sein 40 ).

Im Sommer 1801 fuhr dann das erbprinzliche Paar nach Rußland. Unterwegs, von Memel aus, schrieben Friedrich Ludwig und Helene an den König 41 ), der der Erbprinzessin schon am 6. Juni in einem freundschaftlichen Briefe 42 ) dankte und sie bat, dem Kaiser Grüße zu bestellen. Dieser Brief erreichte sie in Petersburg, als sie bereits die Grüße, die der König ihr schon im April aufgetragen hatte, ihren Bruder ausgerichtet und von der Aufnahme, die sie Anfang des Jahres in Berlin gefunden hatte, erzählt hatte.

Ein Briefwechsel zwischen dem Zaren und dem König knüpfte sich daran 43 ).

Hier in Petersburg scheint dann das erste Wort von einer Zusammenkunft gefallen zu sein 44 ). Dies ist um so wahrscheinlicher, als das erbprinzliche Paar dann im Herbst auf der Heimreise von Petersburg die Anregung dazu im Auftrage Alexanders dem König in Potsdam überbrachte 45 ), der sogleich darauf einging und erfreut dem Kaiser in einem Briefe vom 15. Oktober seine Bereitwilligkeit zur Zusammenkunft erklärte 46 ). Damit hatte


38) Bailleu, Briefwechsel S. 3 ff. (Nr. 1 - 3).
39) Bailleu a. a. O., S. 3 f. (Nr. 2).
40) Bailleu a. a. O., S. 403 f.
41) Bailleu a. a. O., S. 404, Anm. 1.
42) Bailleu a. a. O., S. 404 (Nr. 412).
43) Bailleu a. a. O., S. 5 ff. (Nr. 4 ff.).
44) Bailleu a. a. O., S. XI, und Krieger a. a. O., S. 172.
45) Bailleu a. a. O., und Krieger a. a. O. f.
46) Bailleu a. a. O., S. 11. Ulmann a. a. O., S. 23 f.; S. 24, Anm. 2, trifft hiernach durchaus zu, da Panin erst im Oktober 1801 entlassen
(  ...  )
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sich das erbprinzliche Paar seiner Vermittlerrolle entledigt. In dem folgenden Briefwechsel 47 ) zwischen Alexander und Friedrich Wilhelm wurde dann die Zusammenkunft des näheren vereinbart und schließlich Memel als Ort derselben verabredet.

Die Frage nach dem Anteil des Erbprinzen und dem der Erbprinzessin an dieser Vermittlung kann wohl dahin beantwortet werden, daß Helene mehr die Trägerin der rein persönlichen Seite der Vermittlung, Friedrich Ludwig dagegen der Träger der politischen Seite und der tatsächliche Anreger und Übermittler der Verabredung gewesen ist. Die Initiative, die Belebung des Interesses Friedrich Wilhelms an Alexander - und umgekehrt - durch die Erbprinzessin und ihre Erzählungen, sowohl in Potsdam wie in Petersburg, zu dem Ergebnis einer tatsächlichen Begegnung und Freundschaft der beiden Monarchen geführt zu haben, hat wenigstens Friedrich Ludwig und nicht oder doch nur in geringerem Maße Helene besessen.

Einige Wochen vor der Zusammenkunft bat der König den Erbprinzen, mit dem Adjutanten Major von Jagow, den er ihm nach Ludwigslust sandte, die Einzelheiten für den Empfang des Kaisers in Memel zu besprechen 48 ).

Am 3. Juni traf der Erbprinz in Königsberg ein, wo der König und die Königin am 4. ankamen. Beide behandelten den Erbprinzen im Gefühle der Dankbarkeit für die Vermittlung der bevorstehenden wichtigen Begegnung mit großer Herzlichkeit 49 ). Am 5. Juni besichtigte man die Truppen und nahm an einem großen Wasserfest und an einem von der Stadt veranstalteten Ball teil. Am 6. waren wieder Truppenbesichtigungen, dann Cour bei der Königin. In der Nacht zum 7. fuhr Friedrich Ludwig nach Memel, wo am Tage darauf das Königspaar ebenfalls eintraf. Hier erbat und erhielt Friedrich Ludwig vom Könige eine offizielle Audienz, in der er ihn Mecklenburgs Wünsche wegen Abtretung Wismars von Schweden zu unterstützen bat 50 ). Die


(  ...  ) wurde. Ulmann a. a. O., S. 7, und Ulmann, Über die Memoiren des Fürsten Adam Czartoryski: Wissenschaftl. Beilage zum Vorlesungsverzeichnis der Universität Greifswald, Michaelis 1898, S. 12 f.
47) Bailleu a. a. O., S. 11 ff. (Nr. 12 - 18).
48) Bailleu a. a. O., S. 423, Nr. 424. König an Friedrich Ludwig (5. 3.) 1802. - Krieger a. a. O., S. 173.
49) Der russische Außenminister Kotschubey nannte in seinem Zorn über die seine Pläne durchkreuzende Zusammenkunft den Erbprinzen später einmal "un sot du premier ordre": Archives du prince Woronzow, Moskau 1879, Teil 18, S. 272. Danach maß er wohl dem Erbprinzen die Hauptschuld an dem Zustandekommen der Memeler Zusammenkunft bei.
50) Schröder, Tagebuch, S. 133. Schröder, Verpfändung, S. 206.
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Verhandlungen waren gerade damals ins Stocken geraten, und der Herzog hatte seinem Sohne davon am 30. Mai nach Memel geschrieben mit dem Auftrag, sowohl beim Zaren wie auch beim König die dringendste Bitte vorzubringen, Mecklenburg auch in einer mit der Abtretung Wismars zusammenhängenden Warnemünder Zollangelegenheit gegen die übertriebenen Forderungen Schwedens zu helfen. Diese Nachricht war am 8. in Memel eingetroffen 51 ). Der König sagte zu, alles tun zu wollen, was die Umstände zu tun erlauben würden 52 ).

In der Nacht zum 9. Juni reiste der Erbprinz dem Zaren entgegen und begrüßte ihn in Oberbartau in Kurland und trug schon auf der Rückfahrt nach der Grenzstation Polangen seine Bitte wegen Wismar und Warnemünde vor. Der Kaiser versprach, seinen Gesandten in Stockholm instruieren zu lassen, die im Interesse Mecklenburgs liegenden Maßregeln zu ergreifen, falls man schwedischerseits weitere Schritte in dieser Sache tun würde. Zu diesem Zwecke mußte Friedrich Ludwig in den nächsten Tagen dem Zaren einen kleinen Aufsatz über die Wismarer und Warnemünder Angelegenheit ausarbeiten 53 ). Diese Interessierung Preußens und Rußlands für Mecklenburgs Wünsche trug bald danach Früchte. Der russische wie der preußische Gesandte wurden von ihren Regierungen angewiesen, zu Gunsten Mecklenburgs Schritte beim schwedischen Hofe zu unternehmen. Diese Intervention hatte denn auch den gewünschten Erfolg.

Die Zusammenkunft des Kaisers und des Königs in Memel in ihrer politischen Bedeutung zu schildern, ist hier nicht der Ort 54 ). Der Kaiser begegnete dem Königspaar mit offenster Herzlichkeit. Man verkehrte ohne jede Etikette miteinander. Friedrich Ludwig gehörte zu den drei Majestäten wie ein naher Blutsverwandter und war stets in ihrer Umgebung. Er sah mit Freude die herzliche Freundschaft zwischen dem König und dem Zaren entstehen. Die Königin, die Alexander aufrichtig verehrte und in ihrem Lobe über ihn mit ihrem Gemahl übereinstimmte, glaubte in ihm ihr Ideal eines Herrschers verwirklicht zu sehen. Ihre Verehrung für den Zaren, die nicht unerwidert blieb, bewahrte sie für immer. Friedrich Ludwig berichtete nach Hause: "Die so interessante Zusammenkunft ist denn auf das beste abgelaufen, und die beiden Monarchen sind schon auf einem so freundschaft-


51) Schröder, Verpfändung, S. 205 ff. Brief abgedruckt bei Schröder a. a. O., S. 206.
52) Schröder, Tagebuch, S. 133.
53) Bericht Friedrich Ludwigs über diese Unterredungen abgedruckt bei Schröder, Verpfändung, S. 207 f.
54) Vgl. die oben angeführte Literatur.
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lichen Fuße zusammen, als wenn sie sich zeitlebens gekannt hätten ... alle Etikette ist beiseite gelassen" 55 ). Und an Georg schrieb er scherzend in bezug auf die Königin in Memel: "... der Himmel mag es ihr vergeben, was sie alles für Schaden angerichtet hat" 56 ).

Friedrich Ludwig nahm seinen Heimweg über Berlin, wo er sich mit Haugwitz über die Wismarer Angelegenheit besprach 57 ). Der Minister versprach ebenfalls alles ihm Mögliche zu tun. Er bat sich eine Abschrift des Aufsatzes aus, den der Erbprinz in Memel dem Zaren gegeben hatte.

Nach dem üblichen Doberaner Badeaufenthalt gegen Ende Juli und im August begab sich das erbprinzliche Paar auf Einladung des Königspaares 58 ) im September auf längere Zeit nach Potsdam, von wo aus es an dem Helene zu Ehren verschobenen Erntekranzfest in Paretz, dem in der Nähe gelegenen Gute des Königs, teilnahm 59 ). Der Erbprinz benutzte diesen Aufenthalt in Potsdam dazu, seine Bemühungen wegen Erlangung der Kurwürde fortzusetzen, und konnte seinem Vater bald gute Nachrichten über den Fortschritt der Angelegenheit geben. Von jeder Seite, auch in Berlin, erhielt er in seinen Wünschen Unterstützung 60 ).

In dem folgenden Winter begann sich das Glück des erbprinzlichen Paares zu trüben. Helene erkrankte im Dezember an Lungenschwindsucht. Am 31. März 1803 schenkte sie einer Tochter das Leben, die in der Taufe am 14. April den Namen Marie erhielt. Mit dieser Niederkunft kam die Krankheit Helenes zu besonders heftigem Ausbruch. Die Erbprinzessin starb dann am 24. September 1803, nachdem Königin Luise und König Friedrich Wilhelm sie noch einmal in Ludwigslust besucht hatten.

Unterdessen hatten 1803 die Verhandlungen wegen Wismars Verpfändung an Mecklenburg und wegen Erlangung der Kurwürde ihren Fortgang genommen. Wegen anfänglich zu hoher Pfandgeldforderungen Schwedens hatten sich die Verhandlungen bis in den Anfang des Jahres hingezogen. Im Februar wirkten sich dann die Memeler Tage aus, wo der Erbprinz den Zaren und den König um ihre Intervention gebeten hatte. Beider Stock-


55) AS Kab. Vol. 341. Memel. Friedrich Ludwig an Herzog, Memel 12. 6. 1802 (Absatz 3).
56) An Georg 6. 7. 1802.
57) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Herzog 24. 6. 1802.
58) Bailleu, Briefwechsel, S. 426 f. König an Helene (Paretz) 5. 9. 1802.
59) Bailleu, Königin Luise, S. 132.
60) AS Kab. Vol. 268, Kurwürde 1802/03, Fasz. 1, Nr. 3. Friedrich Ludwig an Herzog, Potsdam 5. 10. 1802.
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holmer Gesandte überreichten nachdrückliche Noten ihrer Regierungen zu Gunsten Mecklenburgs 61 ), die ihre Wirkung taten. Die Verhandlungen begannen von neuem und gelangten schließlich zu einem positiven Abschluß. Am 26. Juni 1803 wurde in Malmö der Verpfändungsvertrag unterzeichnet. Im August geschah die Übergabe der Stadt.

Bei dem Streben nach der Kurwürde kam Friedrich Ludwig nicht zum gewünschten Ziel. Die Hoffnungen auf Gebietserweiterungen waren schon aufgegeben worden. Der Herzog wie der Erbprinz hatten sich nach dieser Richtung hin in ihrem Vertrauen auf Rußlands und Preußens Hilfe getäuscht.

Da kam man auf den Gedanken, an Stelle finanzieller oder territorialer Entschädigung das gerichtliche Privilegium de non appellando illimitatum, d. h. die uneingeschränkte Befreiung von der Appellation an die Reichsgerichte, zu fordern, das sonst eine Folge der Erhebung in den Kurfürstenstand gewesen sein würde 62 ). Nunmehr entschloß sich mit einem Male der Herzog auch, wenn auch die Erlangung dieses Privilegs der einzige Gewinn sein würde, sich für die Erwerbung der Kurwürde einzusetzen 63 ). Am 25. März eröffnete Friedrich Ludwig im Auftrage seines Vaters in einer Konferenz der Regierung in Schwerin diesen Entschluß 64 ). Noch einmal wurden vom Erbprinzen alle Mittel in Bewegung gesetzt, um zum Ziele zu gelangen 65 ). Plessen, der Gesandte Mecklenburgs am Reichstage in Regensburg, mußte sich zu Verhandlungen nach Wien begeben. Friedrich Ludwig trug nochmals brieflich Kaiser Alexander die ganze Sache vor 66 ). Aber man gelangte nicht zum Ziele. Mecklenburg bekam weder die Kurwürde noch das Privilegium, geschweige denn eine Gebietserweiterung. Die Bemühungen des Erbprinzen für eine Rangerhöhung seines Hauses scheiterten wohl schließlich aus dem Grunde, weil der Herzog zuerst so hartnäckig die Erhöhung abhängig machte vom Landerwerb trotz gegenteiliger Vorstellung von russischer Seite und zur Annahme mit geringeren Gegenforderungen sich erst dann entschloß, als es zu spät war.


61) Schröder, Verpfändung, S. 215.
62) Schröder, Kurwürde, S. 44 f.
63) Plessen-Archiv. Friedrich Ludwig an Plessen 25. 3. 1803.
64) AS Kab. Vol. 268, Kurwürde 1802/03, Fasz. 1, Nr. 11. Friedrich Ludwig an Herzog 25. 3. 1803.
65) Schröder, Kurwürde, S. 46 f. - HausAS Kurwürde Vol. I, Fasz. I, Nr. 54. (Briefe an Markoff, Bühler, Rasumovsky 2./14. 4. 1803). Schröder a. a. O., S. 48.
66) HausAS a. a. O., Vol. II, Fasz. II, Friedrich Ludwig an Kaiser 13. 8. 1803. - Vgl. Schröder, Kurwürde, S. 58 ff. Friedrich Ludwig an Kaiser 1./13. 9. 1803. Blieb scheinbar unbeantwortet.
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Kapitel III.

Die Zeit des dritten Koalitionskrieges.
Der Franzoseneinfall 1806
und der Aufenthalt in Altona 1807.

Im Sommer 1805 unternahm Friedrich Ludwig eine längere Erholungsreise, die ihn zunächst nach Süddeutschland und der Schweiz führte 67 ). Am 10. Oktober traf er dann in Wien ein. Bald aber näherte sich das Kriegsgewitter Wiens Toren. Anfang November verließ der gesamte kaiserliche Hof die Stadt, am 8. auch der Erbprinz. Er begab sich nach Brünn, wo sich auch der Hof und das diplomatische Corps befanden. Bereits nach wenigen Tagen wurde das kaiserliche Hauptquartier nach Olmütz verlegt, da sich um Brünn österreichische und russische Truppen sammelten, um den Franzosen eine Schlacht anzubieten. Der Erbprinz ging am 16. mit Erzherzog Anton nach Olmütz. Hier sollte eine Zusammenkunft des österreichischen Kaisers mit dem Zaren stattfinden. Friedrich Ludwig und Prinz Ferdinand von Württemberg durften Kaiser Franz begleiten, als dieser dem Zaren bis zur nächsten Poststation entgegenfuhr. Außerdem befand sich bei dieser Zusammenkunft der österreichische Kanzler Reichsgraf von Cobenzl. Die beiden Kaiser trafen in Sternberg zusammen 68 ).Kaiser Alexander begrüßte den Erbprinzen mit der alten Freundschaftlichkeit. Dieser gehörte denn auch in den folgenden Tagen ständig zur nächsten Umgebung der beiden Monarchen. Er benutzte diese Gelegenheit, um den Zaren wieder nachdrücklich für das Schicksal Mecklenburgs zu interessieren.

Am 19. teilte er seinem Vater mit, daß er in einigen Tagen an der hier voraussichtlich stattfindenden Schlacht teilnehmen werde, d. h. im Gefolge des Zaren, also außerhalb jeder Gefahr. Es wäre die erste Schlacht gewesen, die Friedrich Ludwig mitgemacht hätte. Es kam aber nicht dazu. Die Franzosen zogen sich einstweilen zurück, die Russen und Österreicher folgten ihnen. Friedrich Ludwig entschloß sich dann, als auch die beiden Kaiser ihren Heeren nachreisten, nach Mecklenburg zurückzukehren. Am


67) AS Kab. Vol. 342. Reise 1805. Fasz. 1 u. 2. - Vol. 305. Reise 1805. - Schröder, Tagebuch, S. 137 ff.
68) AS Kab. Vol. 342. Briefe an Friedrich Franz 1805. Friedrich Ludwigs Bericht, Olmütz 18. 11. 1805.
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27. November brach er von Olmütz auf und kehrte über Potsdam, wo er den König einige Tage besuchte, am 5. Dezember nach Schwerin zurück. Zeuge der Niederlage bei Austerlitz am 2. Dezember zu sein, war ihm also erspart geblieben.

Während der Reise des Erbprinzen war Mecklenburg-Schwerin wie alle norddeutschen Staaten von Preußen zum Beitritt zur bewaffneten Neutralität aufgefordert worden. Gegen den Wunsch des Herzogs wurde die Angelegenheit von seinen furchtsamen Ministern dilatorisch behandelt. Preußen wurde verstimmt, verzichtete aber dann auch auf die Erfüllung seines Wunsches 69 ).

Schon im Dezember 1805 brach ein neuer Konflikt mit Preußen aus. Es forderte zur Verpflegung seiner Truppen in Nord-Hannover die Leistung von Fuhren für den Transport von Getreide von Lübeck nach Lauenburg 70 ). Angesichts der Bedeutung Preußens für den Schutz der kleinen norddeutschen Staaten war diese Forderung berechtigt. Aber der Geheime Rats-Präsident von Bassewitz glaubte, sie entrüstet ablehnen zu müssen. Wenn man jetzt Fuhren leiste, werde Preußen bald mehr und Unmögliches verlangen. Der Erbprinz und auch der Herzog konnten sich der Berechtigung des preußischen Verlangens nicht ganz verschließen und wünschten wenigstens, als Bassewitz schließlich doch seinen Willen durchsetzte, daß die Ablehnungsnote in durchaus freundschaftlichem Tone abgefaßt werde 71 ). Bassewitz schickte aber - an der Enge des politischen Horizonts überschritt er alles erdenkliche Maß - eine unfreundlich gehaltene Antwort nach Berlin. Der Entwurf war noch schlimmer gewesen; Friedrich Ludwig hatte es einen Kampf mit Bassewitz gekostet, wenigstens eine Abschwächung der darin gebrauchten Ausdrücke herbeizuführen 72 ). Die Wirkung der Note blieb nicht aus. Das Berliner Ministerium war empört und forderte nochmals die Leistung der Fuhren. Und wieder, in noch schärferem Tone, erfolgte eine Absage aus Schwerin. Da war Preußens Geduld zu Ende. Es drohte in einer Note vom 7. Januar 1806 mit militärischen Maßnahmen im Falle weiterer Verweigerung der Fuhren. Nun hielt der Erbprinz es für nötig, die Räte nachdrücklich zu beeinflussen, dem preußischen Wunsche zu willfahren, wenn es nicht zum völligen Bruch kommen


69) AS Kab. Vol. 18, Einladung Preußens usw. 1805/06. - AS Res externae, Brandenburg-Preußen, Vol. XXX A, Fasz. 26 b. Bewaffnete Neutralität. - W. A. Schmidt, Geschichte der Preußisch-deutschen Unionsbestrebungen. 2. Abt., Berlin 1851, S. 584 ff. - Rudolf Asch, Mecklenburgs auswärtige Politik, S. 72 ff.
70) AS Kab. Vol. 18, betr. Fuhren 1806. - Asch a. a. O., S. 96 ff.
71) Asch a. a. O., S. 98.
72) An Georg 6. 10. 1806.
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sollte. In einem Brief vom 31. Januar riet er, nun ohne weiteres Zögern die Fuhren zu leisten; er verkannte die von seiten des mächtigen Preußen drohende Gefahr durchaus nicht, besonders hinsichtlich der schon oft geplanten Annexion. Nur die Gerechtigkeitsliebe des Königs, so schrieb er an Bassewitz, habe bisher diesen Schritt verhindert. Deshalb dürfe man sich sein Wohlwollen nicht verscherzen. Deshalb müsse man jetzt auch in der Fuhrenangelegenheit entgegenkommen. Denn schließlich, was hätte Mecklenburg-Schwerin Besseres zu erwarten als Hannover, nämlich die Okkupation? - Aber Bassewitz widersprach noch am selben Tage. Ein nochmaliger Versuch Friedrich Ludwigs am 1. Februar, die Räte umzustimmen, scheiterte ebenso wie der erste. Als dann der Erbprinz am 3. in einem Briefe an Bassewitz darum bat, wenigstens doch die nächste gute Gelegenheit zu benutzen, sich dem König erkenntlich zu zeigen, war inzwischen auch von seiten des Herzogs der Befehl an die Räte gegangen, eine nachgiebige Note nach Berlin zu senden. Die Fuhren wurden zwar nicht mehr geleistet, Preußen hatte inzwischen auf anderem Wege ohne Mecklenburg seine Wünsche in Erfüllung zu bringen gewußt, aber der schlechte Eindruck, den das Verhalten der Schweriner Räte in Berlin hervorgerufen hatte, blieb bestehen. Bei dieser ganzen Angelegenheit war dem Herzog und dem Erbprinzen wieder einmal deutlich geworden, wie machtlos Mecklenburg-Schwerin doch gegen jedes ernstere Verlangen einer starken auswärtigen Macht war. Den Räten in Schwerin wollte dies nie klar werden. In ihrem partikularistischen Stolze glaubten sie ernsthaft, jedem unangenehmen Wunsche einer anderen Macht widerstehen zu können. Der Herzog und der Erbprinz täuschten sich über ihre Machtlosigkeit nicht. Sie vermeinten, in einer engeren Anlehnung an Rußland die Sicherheit ihres Landes begründen zu müssen. Anfang Januar schrieb Friedrich Ludwig dem Zaren einen Brief, in dem er ihm des längeren darlegte, welche Folgen die Veränderungen, die kürzlich durch den französisch-österreichischen Frieden am 26. Dezember 1805 in Süddeutschland eingetreten seien, auf Norddeutschland, besonders auf Mecklenburg haben könnten, sobald Preußen auch auf den Gedanken käme, sich kleinere benachbarte Territorien einzuverleiben. Er bitte deshalb den Kaiser, Mecklenburg-Schwerin in Zukunft in seinen besonderen Schutz zu nehmen 73 ). In ähnlichem Sinne schrieb er gleichzeitig auch an den russischen Außenminister Chartorisky 74 ). Welcher Art der erbetene Schutz sein


73) AS Kab. Vol. 27, Korr. des Erbprinzen mit Rußland 1806. An Kaiser Alexander, Schwerin 6. 1. 1806.
74) AS a. a. O. An Chartorisky, Schwerin 6. 1. 1806.
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sollte, gab der Erbprinz nicht an, wußte auch wohl selbst keine Art zu nennen, denn vorläufig befand sich Rußland noch mit Frankreich im Kriegszustand, und solange dieser dauerte, hätte auch nur die geringste Annäherung Rußlands an Mecklenburg unweigerlich Gegenmaßregeln der Franzosen zur Folge gehabt. Trotzdem sandte man Lieutenant von Both, der 1799 während des Petersburger Aufenthalts des Erbprinzen in die russische Armee eingetreten, dann zwar nach einiger Zeit wieder nach Mecklenburg zurückgekehrt war, aber die russischen Verhältnisse gut kannte, nach Petersburg, wo er am 25. Januar eintraf 75 ). Er hatte als außerordentlicher Gesandter die Aufgabe, die Sympathien Rußlands für Mecklenburg wachzuhalten und gegebenenfalls nutzbar zu machen.

Aber die Regierung in Schwerin 76 ) war hinsichtlich der außenpolitischen Orientierung anderer Meinung als der Herzog und der Erbprinz. Anfang Februar machte sie den Vorschlag, freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich anzuknüpfen und zu diesem Zweck einen Gesandten nach Paris zu senden, um gegebenenfalls, wie so viele andere Fürsten, auf diese Weise territoriale Vergrößerungen, etwa in Form von Lauenburg, zu erlangen. Der Herzog war über diesen Plan sehr erstaunt, noch mehr der Erbprinz. Beide glaubten, man müsse doch mindestens den Erfolg der Sendung von Boths abwarten. Aber Bassewitz hielt die Pariser Mission für sehr dringend. Da glaubte der Erbprinz energisch widersprechen zu müssen 77 ). Nach seinem Vorschlag einigte man sich dahin, daß der Beschluß dieser Mission zuvor Alopeus mitgeteilt und sein Urteil darüber abgewartet werden sollte 78 ). Wenn man auch durch eine Pariser Mission unzweifelhaft Preußen vor den Kopf stoßen werde, so wollte man doch nicht auch noch Rußlands Sympathie verscherzen. Alopeus' Antwort fiel zur großen Befriedigung des Erbprinzen und des Herzogs natürlich ganz in ihrem Sinne aus. Er drückte unverhohlen seine Entrüstung über den Plan der Schweriner Regierung aus und teilte mit, in wenigen Tagen diesen Abfall Mecklenburgs von Rußland nach Petersburg zu melden, gebe aber bis dahin noch Zeit, wieder den alten Kurs einzuschlagen. Natürlich schwenkte man in Schwerin sofort wieder angstvoll auf die alte


75) AS a. a. O.
76) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 18 a. a. O. und Vol. 27 a. a. O. Siehe auch Asch a. a. O., S. 100 f.
77) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Schwerin 6. 2. 1806.
78) AS. a. a. O. Friedrich Ludwig an Alopeus, Schwerin 6. 2. 1806.
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politische Bahn ein 79 ). Einen Bruch mit Rußland durfte man ja auf keinen Fall heraufbeschwören.

Der Erbprinz hatte wie üblich die ersten Monate des Jahres 1806 in Schwerin zugebracht, wo er an den Arbeiten der Regierung und der Kammer teilnahm. Als am 11. März der bisherige Kammerpräsident von Dorne starb, übertrug der Herzog seinem ältesten Sohne die Präsidentschaft des Kammer- und Forst-Kollegiums, ein in der Geschichte des Landes einzig dastehender Fall, daß ein Mitglied des Fürstenhauses offiziell mit der Leitung dieser oder einer ähnlichen Zivilverwaltungsbehörde beauftragt wurde. Die Ernennung erfolgte am 21. März 1806 80 ). Dem Erbprinzen war die Tätigkeit in der Kammer seit über einem Jahr nicht mehr ungewohnt, aber es kam jetzt die Last der ausschließlichen Verantwortung für den Gang der Geschäfte in dieser außenpolitisch und innenpolitisch, besonders aber finanziell schwierigen Zeit hinzu. Im besonderen beanspruchte die Arbeit den Erbprinzen zu regelmäßigen Zeiten. Zweimal monatlich fand außerdem eine Kammersitzung statt, zu der Friedrich Ludwig stets aus Ludwigslust nach Schwerin herüberzukommen pflegte.

Im Laufe des Jahres 1806 spitzten sich die politischen Verhältnisse immer mehr zu. Im Juli gründete Napoleon den Rheinbund. Am 6. August legte Kaiser Franz die deutsche Kaiserkrone nieder, die österreichischen Staaten traten nach den Rheinbundstaaten aus dem deutschen Reichsverbande aus. Das alte deutsche Reich, das in den letzten Jahren nur noch dem Namen nach bestanden hatte, nahm sein Ende.

Diese Nachrichten ließen den Gedanken entstehen, die Gelegenheit zu benutzen, eine innen- und außenpolitische Umstellung im Sinne einer Machtstärkung des Herzogs herbeizuführen. Zum ersten Male wurden, in einem Briefwechsel zwischen dem Erbprinzen und dem Geh. Rats-Präsidenten von Bassewitz, eine Souveränitätserklärung und ihre notwendigen Folgen im Innern, besonders den Ständen gegenüber, erörtert.

Zum Verständnis dieser Erwägungen ist ein kurzer Blick auf die Verfassungsverhältnisse nötig. Mecklenburg war eins von den wenigen deutschen Ländern, in denen der Kampf zwischen Fürst und Ständen zu Gunsten der letzteren entschieden wurde. Der Kampf wurde beendet und der Sieg der Stände festgelegt durch den Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755, der für lange Zeit den Verfassungscharakter Mecklenburgs bestimmte. Nach ihm


79) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Alopeus, [Schwerin] 2./14. 2. 1806.
80) Im einzelnen s. Kapitel 5.
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bildete das Land - im großen betrachtet - nur noch einen durch ein schwaches Band lose zusammengehaltenen Patrimonialstaat, in dem der Herzog ein ausschließliches Verfügungsrecht nur noch über sein Domanium besaß, in dem im übrigen aber die Herrschaft der Stände, d. h. also über das ritterschaftliche und städtische Gebiet, so gut wie unbestritten war. Die Stände tagten alljährlich in dem für beide Landesteile gemeinsamen Landtag, der sich in das Korps der Ritterschaft und in das der Landschaft, d. h. der Städte, gliederte. Das ungefähr zwei Fünftel des Landes ausmachende Domanium war dabei überhaupt nicht vertreten. Der Landtag wurde vom Herzog unter Mitteilung der "Propositionen", die er ihm zur Verhandlung stellte, einberufen. Der Herzog war auf dem Landtag durch zwei Kommissarien vertreten, die ihn zwar eröffneten, sonst aber fast nur schriftlich mit ihm verkehren und an den Sitzungen nicht teilnehmen durften. Verhandlungsgegenstand war hauptsächlich jedesmal die jährlich zu erneuernde Bewilligung von Mitteln für die allgemeine Landesverwaltung. Dagegen war der Herzog in Gesetzgebung und Besteuerung seines Domaniums völlig selbständig. Der in Rostock tagende sogenannte "Engere Ausschuß" repräsentierte die Stände, solange diese nicht im Landtag versammelt waren, in den durch seine Vollmacht ihm angewiesenen Grenzen.

Die Stände waren sehr auf die Wahrung ihrer alten Vorrechte bedacht und betrachteten jede Geldbewilligung als ein besonderes Entgegenkommen, das nur um den Preis der ausdrücklichen Bestätigung dieser alten Privilegien gewährt wurde. Der Herzog konnte außergewöhnliche Geldbewilligungen nur durch Zugeständnis neuer Privilegien mühsam erkaufen. So waren die Machtbefugnisse des Landesherrn mit der Zeit immer weiter eingeschränkt worden. Zur Einführung neuer und zeitgemäßer Verhältnisse fehlte es ihm natürlich dadurch an Macht. Die Stände, hauptsächlich die Ritterschaft, unterbanden jede gesunde innerstaatliche Weiterentwicklung.

Jene erwähnten Nachrichten vom Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reichsverbande veranlaßten Bassewitz gegenüber dem Erbprinzen zu dem kühnen und in seiner Eigenart völlig neuen Vorschlag, offiziell die Trennung Mecklenburgs vom Reiche zu erklären und sich unter den Schutz des russischen Kaisers zu begeben 81 ). Der Erbprinz stimmte aber diesem ihm natürlich unmöglich erscheinenden Gedanken der Trennung vom Reiche


81) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig 26. 7. 1806.
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nicht zu, ging auf den zweiten Vorschlag dagegen sofort ein und bat sogleich in einem fast lakonisch kurzen Briefe den Zaren ohne weiteres um Rat, wie Mecklenburg sich verhalten solle, und empfahl es seinem Schutze 82 ). Der Kaiser ließ durch seinen Minister Budberg nur antworten - übrigens in sehr formellem Tone - , daß er sich für Mecklenburg interessieren werde 83 ).

Als sich Anfang August dann die Gerüchte einer Auflösung des Reiches mehrten, schlug Bassewitz für den Fall einer wirklichen Auflösung als innenpolitische Konsequenzen die Erklärung der Souveränität des Herzogs vor und als ihr äußeres Zeichen, sozusagen als Ersatz für die Reichsgerichte als die bisher höchsten gerichtlichen Berufungsinstanzen, die Errichtung eines Oberappellationsgerichtes 84 ). Der Erbprinz stimmte im Hinblick auf die Unerträglichkeit des Verhältnisses des Herzogshauses zu den Ständen begeistert dieser Möglichkeit eines Ausweges aus der drückenden innenpolitischen Enge zu. Rußland müsse diese Souveränitätserklärung für alle Staaten Norddeutschlands anregen. Lützow solle in Berlin sogleich mit Alopeus darüber reden 85 ). Diesen Eifer des Erbprinzen hatte Bassewitz nicht erwartet. Er hatte nur andeutende Vorschläge machen wollen und sich unter Souveränität nur eine Formsache nach außen vorgestellt und auch nur in diesem Sinne die Errichtung des genannten Gerichtes gemeint. Er hatte nicht im geringsten eine Anregung zum Vorgehen gegen die Stände geben wollen. Das lag ihm, der selbst der Ritterschaft angehörte, natürlich völlig fern. Darum versuchte er sofort den Eifer des Erbprinzen zu dämpfen 86 ). Die Souveränität sei sozusagen automatisch mit der Auflösung des Reiches gekommen. Einer besonderen Erklärung bedürfe es nicht, weil die Souveränität ja durchaus keine Veränderungen irgendwelcher Art zur Folge habe, denn sie bedeute doch nicht im geringsten die Aufhebung alter verfassungsmäßiger Rechte der Stände. Es seien deshalb noch keine Schritte in Petersburg angebracht 87 ). Diese Halbheit - eine Souveränitätserklärung ohne die sinngemäßen verfassungsrechtlichen Veränderungen - lehnte der Erbprinz natürlich ab. Die Erklärung der Souveränität ohne


82) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 27. 7. 1806. Ebenso an Alexander, Doberan 15./27. 7. 1806, und an Minister Budberg.
83) AS a. a. O. Budberg an Friedrich Ludwig, Petersburg 15. (a. St.) 8. 1806.
84) AS a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig 4. 8. 1806.
85) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 6. 8. 1806.
86) AS a. a. O. Bassewitz an Friedrich Ludwig, 7. 8. 1806.
87) AS a. a. O. Ebenso, Prebberede 11. 8. 1806.
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die entsprechende Macht war für ihn eine Anomalie, und die Souveränitätsrechte waren in seinen Augen für Mecklenburg vorläufig unanwendbar, solange die alte Verfassung auch nur der Form nach bestehen bleibe. Ihre Änderung erschien ihm nur dann möglich und würde auch dann von selbst kommen, wenn die äußeren Umstände sich dementsprechend verändert hätten. Eine solche Veränderung bringe der Beitritt zu dem zu gründenden Nordischen Bunde, von dem bereits viel geredet würde. Aber der Bund komme, so zweifelte er, ja sicher nicht zustande, und Deutschland werde sich dem französischen Joche beugen müssen. Das werde wieder Verpflichtungen anderer Art mit sich bringen, deren Erfüllung aber für Mecklenburg wiederum unmöglich sei, solange es bei jeder Kleinigkeit wie bei jeder größeren Angelegenheit die Einwilligung der Stände erbitten und jedesmal ihr Veto fürchten müsse. Auch andere Herrscher haben sich von der Bevormundung durch ihre Stände frei gemacht. Weshalb solle Mecklenburg das nicht auch tun? Bleibe nämlich die Sachlage so wie bisher, so befürchte er den völligen Ruin seines Hauses. Es sei deshalb durchaus jede sich bietende Möglichkeit zu benutzen, eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. Er bat deshalb Bassewitz, ihm seine Gedanken über die nötigen Verfassungsänderungen mitzuteilen 88 ). Dem Geheimen Rat und zweiten Minister von Brandenstein 89 ) gegenüber klagte er, daß Bassewitz, trotzdem er als erster die Erörterung dieser Verfassungsänderungsfragen angeregt habe, nun plötzlich, wo man ernstlich an die Einzelheiten der eventuellen Änderung denken müsse, zurückziehe. Brandenstein erkannte die Gefährlichkeit des Reformwillens des Erbprinzen für seinen eigenen Stand. "Mäßigen Sie das Feuer, mit dem Sie alles umfassen. Ein Feuer, das ich an und für sich sehr schätze und ohne welches nichts gutes zustande kommt" 90 ). Aber Brandenstein befürchtete natürlich, daß dieses "Feuer" die Rechte der Stände, er gehörte ja auch zur Ritterschaft, verzehren könnte. Dagegen mußte er natürlich aus Standestreue, ohne Rücksicht auf andere Erwägungen, Vorkehrungen treffen. So verliefen sich dank Bassewitz' und Brandensteins Vorsorge diese Wünsche des Erbprinzen nach einer zeitgemäßen Umgestaltung der Verfassung im Sande. Auch der Erbprinz konnte gegen die unbeugsame Macht der Stände nichts ausrichten.


88) AS Kab. Vol. 5. Reich, Untergang. Friedrich Ludwig an Bassewitz, Doberan 12. 8. 1806.
89) Über Brandenstein: Maltzan, Einige gute mecklenburgische Männer, Wismar 1862, S. 109 ff.
90) AS a. a. O. Brandenstein an Friedrich Ludwig 15. 8. 1806.
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Die Möglichkeit der Gründung des Nordischen Bundes und der Beitritt zu ihm war in den folgenden Wochen, bis in den Oktober hinein, Gegenstand mehrfacher Beratungen. Friedrich Ludwig hielt nichts für nützlicher als den Beitritt, sobald der Bund nur gegründet sei. Es sei nach seiner Meinung unbedingt darauf zu sehen, sich mit Preußen gut zu stellen. Man sei nun einmal auf diesen stärkeren Nachbarn angewiesen. Die von dem Gefühl der Würde diktierten Grenzen könne man leicht einhalten. Die Räte in Schwerin, sogar der Herzog selbst, ließen es in ihrem Mangel an außenpolitischem Weitblick nicht zu ernstem Beschluß kommen, denn man beendete schon bei dem Punkte die Beratungen, daß man sich nur ja nicht etwa in Gründungsangelegenheiten einmische. In durchaus neutraler Haltung müsse man diese Gründung an sich herankommen lassen und dann sozusagen schnell unter die schützenden Fittiche des Bundes flüchten. Friedrich Ludwig wünschte dagegen ein initiatives Vorgehen Mecklenburgs, drang aber mit seinen Anschauungen nicht durch. Brandenstein und besonders Bassewitz fürchteten den trotz aller Plötzlichkeit der Begeisterung und aller Weichheit der Empfindung oft großen Unternehmungsgeist des Erbprinzen, da sein Wille zu Besserem, Vollkommenerem leicht gefährliche Folgen für die Stände, etwa auf dem Wege einer Stärkung der außenpolitischen und also auch der innenpolitischen Stellung des Herzogs, und überhaupt für die Fortdauer der alten Verhältnisse haben konnte.

Ende August 1806 drohte noch einmal ein ernstlicher Konflikt mit Preußen auszubrechen. Es forderte von Mecklenburg die Lieferung von Getreide für seine Truppen 91 ). Bassewitz setzte es durch, daß das Schreiben unbeantwortet blieb, trotzdem der Erbprinz für eine Beantwortung und zwar für eine Gewährung des Getreides eintrat. Auf eine zweite preußische Anfrage erging am 3. September dann eine abschlägige Antwort aus Schwerin nach Berlin, trotzdem der Herzog und der Erbprinz voraussahen, daß sie eine nachteilige Wirkung ausüben werde, jener aber gegenüber seinen Räten nicht die Kraft hatte, seine Absicht durchzusetzen, dieser wegen seiner Jugend seiner Meinung kein Gehör verschaffen konnte. Die preußische Regierung war über Ton wie Inhalt dieser Antwortnote empört. Lützow hatte in Berlin die Wirkung der Note zu spüren Gelegenheit genug. Am 14. berichtete er darüber an den Herzog. Nun mußte Friedrich Ludwig wieder eingreifen, um zu retten, was noch zu retten war. Er


91) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 18, betr. Fuhren 1806; und Vol. 27, Friedrich Ludwig usw. 1806. - S. auch Asch a. a. O., S. 116 ff.
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übersandte Bassewitz am 22. Lützows Bericht und forderte ihn auf, Lützow der preußischen Regierung erklären zu lassen, daß man gern der Koalition gegen Frankreich beitreten und auch die Lieferungen leisten wolle 92 ). Lützow müsse Mecklenburg wegen der Note entschuldigen unter dem Hinweis auf die schlechten Ernten in den letzten Jahren, die Leiden der Truppendurchmärsche und auf das Ungewöhnliche der preußischen Anträge. Gleichzeitig teilte er mit, daß er aus einigen ihm überbrachten Wendungen Alopeus' entnehmen müsse, daß man nicht mehr auf die Hilfe Rußlands gegenüber solchen preußischen Forderungen rechnen könne. Es sei also zweckmäßig, die Getreidelieferungen auf sich zu nehmen. Vom 21. September datierte dann auch schon eine von Haugwitz unterzeichnete Note aus Berlin, die die außerordentliche Entrüstung der preußischen Regierung über die Ablehnung ihrer Anträge zum Ausdruck brachte, besonders angesichts der großen Gefahren, die nicht nur Preußen, sondern mit ihm vor allem auch Mecklenburg drohten, wenn nicht alles zu ihrer Abwendung getan werde. Wenn Mecklenburg sich auf seine Neutralität berufe, so solle es nur bedenken, daß diese ohne Hilfe von außen überhaupt nicht aufrecht erhalten werden könne. Im übrigen drohte Haugwitz im Falle nochmaliger Verweigerung der Lieferungen militärische Maßnahmen an, d. h. gewaltsame Requisition ohne jede Entschädigung. Schon am 23. sandte Bassewitz auf herzoglichen Befehl eine vom Erbprinzen entworfene vermittelnde Note an Haugwitz, der sich damit zufrieden gab und die Aufnahme von Verhandlungen ankündigte. Dazu und zur Lieferung von Getreide kam es dann allerdings infolge der kriegerischen Ereignisse nicht mehr.

Preußen war bei Jena und Auerstädt geschlagen, die französischen Truppen begannen ganz Preußen zu okkupieren. Um Mecklenburg vor der Besetzung zu bewahren, befahl der Herzog, an der westlichen und südlichen Grenze des Landes Tafeln mit dem Hinweis auf die Neutralität des Landes zu errichten, und glaubte tatsächlich, damit einen wirksamen Schutz gefunden zu haben.

An Erbprinz Georg schrieb Friedrich Ludwig am 23. Oktober: "Mein Vater trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß er sicher ganz ruhig in Mecklenburg bleiben wird, um das Schicksal seines Landes zu teilen. Er hat auch nicht das geringste zum Kriege beigetragen, glaubt also auch nichts zu fürchten zu haben. ... Sollte der unglückliche Fall eintreten, daß Franzosen nach Meck-


92) Asch a. a. O., S. 118 f.
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lenburg kommen, so wird man sich leidend verhalten müssen nach der Erklärung, die Bonaparte dem Kurfürsten von Sachsen hat machen lassen, daß er sich nicht in Feindesland zu finden glaube, da er wisse, daß man Sachsen zum Kriege gezwungen habe. Um so mehr können wir erwarten, daß man uns nicht feindlich behandeln wird. ... Meinesteils bleibe ich sicher hier, es sei denn, daß ich erführe, daß man sich des russischen Generals erinnerte und denselben haben wollte, aber auch in diesem einzigen Falle gehe ich auch nach Holstein" 93 ).

Aber der Versuch mit den Tafeln an den Grenzen war natürlich vergeblich. Schon am 24. Oktober betraten flüchtige preußische Truppen das Land. Die Franzosen veranstalteten nun eine regelrechte Treibjagd gegen alle Preußen, die sich nach Mecklenburg geflüchtet hatten. So zog auch Ende Oktober und Anfang November, verfolgt von den Franzosen, Blücher mit ungefähr 20 000 Mann durch Mecklenburg, mußte aber schon bald, am 7. November, bei Lübeck die Waffen strecken. Ganz Mecklenburg wurde nun von den Franzosen gegen alles Recht besetzt und wie feindliches Land behandelt. Das 29. Bulletin der Großen Armee, ausgegeben am 9. November in Berlin, besagte lakonisch: "Mecklenburg ist durch die französischen und preußischen Truppen in gleichem Maße verwüstet worden. Die große Anzahl von Truppen, die sich in allen Richtungen und in forcierten Märschen auf diesem Lande kreuzten, konnte ihre Erhaltung nicht anders als auf seine Kosten finden. Dieser Staat ist innigst mit Rußland verbunden; sein Schicksal wird den deutschen Fürsten zum Beispiel dienen, die Verbindungen mit entfernten Mächten suchen, um Schutz ... zu finden" 94 ). So wirkte sich die Verbindung des Herzogshauses mit dem Zarenhofe zum Nachteile des Landes aus.

Bis Mitte November zogen die Franzosen langsam wieder aus dem Lande. Aber schon am 27. rückte die Avantgarde des 8. französischen Armeekorps unter dem General Michaud aus Hamburg in das westliche Mecklenburg ein. An demselben Tage traf in Schwerin eine Note des französischen, bei den niedersächsischen Ständen in Hamburg beglaubigten Ministers Bourienne ein, des Inhalts, daß Mecklenburg von Frankreich nicht mehr als ein neutrales Land anerkannt werde, sondern wegen der Hilfe, die es den Feinden im dritten Koalitionskriege, d. h. durch die Duldung von Truppendurchmärschen, geleistet habe, so betrachtet werde, als wenn es mit denselben gemeinschaftliche Sache gemacht habe.


93) An Georg 23. 10. 1806.
94) Die deutsche Ausgabe des Bulletins in "Der Telegraph", Berlin 1806, Nr. 36, vom 24. 11.
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An dem gleichen Tage, am 28., an dem die Protestnote des Herzogs nach Hamburg abging, nahm Michaud auf Befehl des Marschalls Mortier im Namen des französischen Kaisers Mecklenburg-Schwerin in Besitz. So rächte es sich, daß im Vorjahre einige Male Schweden und Russen der Durchmarsch durch das Land gestattet worden war.

Inzwischen war Friedrich Ludwig mit von Oertzen am 9. November nach Berlin abgereist, um womöglich beim Kaiser selbst, wenigstens aber bei dem Minister Talleyrand zu versuchen, im Auftrage des Herzogs eine gute Behandlung Mecklenburg-Schwerins zu erwirken 95 ). Am 11. traf er in Berlin ein und bemühte sich sofort um eine Audienz bei Talleyrand. Erst am 13. gelang es ihm. Der Minister ließ den Erbprinzen lange im Antichambre warten, war dann bei der nur kurzen Audienz "kalt wie Stein und sagte kein Wort". Der Erbprinz richtete seinen Auftrag aus; er bat im Auftrage des Herzogs um Schonung des Landes. Er ersuchte dann um Vorstellung beim Kaiser und äußerte dabei, wie unter allen deutschen Fürsten der Herzog am meisten sich der Gnade des Kaisers zu schmeicheln Ursache hätte, da stets sein Benehmen so gewesen sei, daß es dem Kaiser nicht habe mißfällig sein können. Auf alles dies antwortete der Minister nichts, sondern sagte dann nur, daß er vom Kaiser den Auftrag habe, ihn zu fragen, in welchem Militärdienst er sich befände, ob er in russischen Diensten sei? Darauf konnte Friedrich Ludwig nur entgegnen, daß Kaiser Paul ihn seinerzeit nur aus Gründen der Verwandtschaft zum Generallieutenant ernannt und ihm ein Regiment verliehen habe, dessen Uniform er abwechselnd mit der mecklenburgischen trage. In russischen Diensten sei er nie gewesen, er sei überhaupt militärischen Dingen abgeneigt. Als er dann noch die Frage des Ministers, ob er einen Brief des Herzogs an den


95) AS Kab. Vol. 7. Friedrich Ludwig 1806 bzw. 1807/08, betr. Sendung nach Paris. Diesem Faszikel liegen die täglichen Berichte (vom 11. 11. bis 1. 12) über den Berliner Aufenthalt, der vom 11. 11. bis 5. bzw. 6. 12. dauerte, voran. Nach ihnen das Folgende. - Hiernach ist Hirschfeld, Thronerbe, S. 271 zu berichtigen. Hirschfeld kannte scheinbar diese Berichte nicht. Ebenso zu berichtigen: Friedrich von Müller, Erinnerungen aus den Kriegszeiten 1806 - 1813, Braunschweig 1851, S. 81. Und nach Müller: Schröder, Tagebuch, S. 143. - Die erwähnten Berichte ergeben, daß Lützow, ebenso wie Friedrich Ludwig, doch von Talleyrand empfangen wurde. Ob auch der Herzog von diesem empfangen wurde, ist aus den Akten zwar nicht unmittelbar feststellbar, aber auch sehr unwahrscheinlich, da nach jenen Berichten der Minister schon vor der Ankunft des Herzogs (2. 12.) nach Posen abgereist zu sein scheint. Napoleon hatte sich schon vorher dorthin begeben. Weder Lützow noch Friedrich Ludwig waren von ihm empfangen worden.
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Kaiser habe, bejaht und nochmals um eine Audienz bei diesem gebeten hatte, wurde er mit der Bemerkung, daß die Befehle des Kaisers hierüber eingeholt werden sollten, entlassen. Friedrich Ludwig schöpfte, seiner optimistischen Art entsprechend, nach dieser Unterredung Mut und gab sich der Hoffnung hin, daß nun alles gut werde, denn die Angelegenheit mit der russischen Uniform gehe ja nur gegen ihn persönlich. Am nächsten Tage und am 17. besuchte er Murat, der ihn sehr freundlich empfing. Auch daraus schloß der Erbprinz natürlich gleich wieder, "daß nichts Nachteiliges über Mecklenburg beschlossen ist". - Sogar als Oertzen am 18. von Talleyrand empfangen worden war und dabei den Bescheid erhalten hatte, daß Napoleon keinen Prinzen empfangen könne, der in russischen Diensten stände, glaubte der Erbprinz in geradezu naivem Optimismus noch immer an einen guten Ausgang der Dinge. Am 28. trug Lützow dann Talleyrand in einer Audienz die Aufträge des Erbprinzen nochmals vor und versuchte das Mißtrauen wegen seiner russischen Militärstellung zu zerstreuen. Der Minister ging auf nichts ein, ließ aber durchblicken, daß Mecklenburg dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zum russischen Kaiser eine Vermittlerrolle zwischen Rußland und Frankreich einzunehmen versuchen und daraus Vorteile für sich gewinnen könne. Der Erbprinz griff diese Möglichkeit sofort auf. Als am 2. Dezember - am 1. hatte der Erbprinz Nachricht von der am 28. November erfolgten Besitznahme Mecklenburgs durch die Franzosen erhalten - auch der Herzog in Berlin eintraf, beschloß man, Lützow mit einem Briefe dem inzwischen nach Posen abgereisten Kaiser und Talleyrand nachzusenden und ihn dann gleich weiter nach Petersburg gehen zu lassen. Aber Lützow erreichte weder in Posen noch in Petersburg etwas 96 ).

Am 7. Dezember trafen der Herzog und der Erbprinz wieder in Ludwigslust ein. Sie mußten den Dingen ihren Lauf lassen. Jetzt traf Schlag auf Schlag ein hartes Schicksal das herzogliche Haus. Am 8. Dezember erfolgte die Ausdehnung der Handelssperre gegen englische Ware auch auf Mecklenburg. Am 13. traf der Brigadegeneral Laval als Gouverneur von Mecklenburg-Schwerin in Schwerin ein. Am 16. und 17. wurde den Beamten der Eid auf den französischen Kaiser abgenommen, am 18. mußten alle bisher herzoglichen Kassen in französische Oberverwaltung übergeben werden. Die Regierung in Schwerin mußte der Gewalt


96) Berichte Lützows: AS Kab. Vol. 27. Lützows Mission. - AS Res externae, Gallica (1806).
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gehorchen, sie tat es, wenn auch schweren Herzens, um ein noch größeres Unheil nach Möglichkeit abzuwenden.

Nun drohte dem herzoglichen Hause als letzte und härteste Maßregelung die Ausweisung. Diese ließ nicht mehr lange auf sich warten. Am 22. Dezember erhielten der Herzog und die Herzogin für sich und ihre Familie die Ausweisungsbefehle von General Laval 97 ). Ein Versuch, den Kaiser noch im letzten Augenblick umzustimmen, mißlang 98 ). Am 8. Januar 1807 verließ der Herzog mit der Herzogin, dem Erbprinzen, dessen beiden Kindern, Paul Friedrich und Marie, und mit dem Prinzen Gustav und einigen wenigen Herren und Damen des Gefolges und einiger Dienerschaft Ludwigslust. Man siedelte in das dänische Altona über, wo man am 11. ankam 99 ). Nach einigen Tagen bezog man ein Privathaus; dort lebte man "sehr still und eingezogen" 100 ). Die kleine Hofhaltung mußte sich auf das Mindestmaß aller Bedürfnisse beschränken. Aus den heimatlichen Kassen flossen keine Gelder. Die Franzosen verweigerten dem Herzogshause jegliche Zahlung; nur ein kleines Reisegeld hatte man gewährt. Aber in Mecklenburg gedachten viele der Not ihres Landesfürsten und seiner Familie. Die Stände - nicht ohne die Absicht, als Gegenleistung wieder Zugeständnisse zu erlangen oder vielmehr zu erzwingen, wie später noch des Näheren erwähnt werden wird - und auch einige Städte für sich brachten größere Summen auf und wußten sie auf zuverlässigem Wege nach Altona zu schaffen 101 ). Der russische Kaiser 102 ) und anscheinend auch die englische Königin 103 ) sandten außerdem beträchtliche Summen. Dem Zaren Alexander hatte Friedrich Ludwig bereits am 30. Dezember 1806, wenige Tage vor der Abfahrt nach Altona, in einem Briefe, den er durch den noch in Petersburg weilenden Lützow dem Kaiser hatte übergeben lassen, die traurige Lage seiner Familie geschil-


97) AS Kab. Vol. 199, Interregnum 1806/07, Nr. 9 und 10, mitgeteilt in Übersetzung: Hirschfeld, Thronerbe, S. 274.
98) Sendung des Prinzen Gustav in das Hauptquartier des Marschalls Mortier in Anklam mit einem Brief an Napoleon. AS a. a. O., Prinz Gustav an Herzog 26. 12. 1806.
99) Für folgendes: AS Kab. Vol. 27 und Vol. 199, Interregnum 1806/07. Siehe auch Hirschfeld a. a. O., S. 279 ff.
100) An Georg, Altona 4. 3. 1807.
101) Parchim und Güstrow: AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 155. - Ähnlich Rostock: AS a. a. O. Nr. 66 u. a. m.
102) AS Kab. Vol. 27, russ. Korr. des Erbprinzen. Alexander an Friedrich Ludwig, Petersburg 16. (a. St.) 3. 1807. (Kopie). Vgl. Hirschfeld, Thronerbe, S. 282. (Hier Brief z. T. deutsch).
103) An Georg, Altona 12. 6. 1807.
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dert 104 ). Aber auch der Zar konnte unter den obwaltenden Umständen - Rußland befand sich ja noch im Kriegszustand mit Frankreich - seinem Schwager und dessen Hause keine Hilfe angedeihen lassen 105 ).

Aber die Altonaer Verbannung sollte nicht lange dauern. Als nach der Schlacht bei Friedland, in der die Russen am 14. Juni den Franzosen erlagen, die Verhandlungen zum späteren Tilsiter Frieden angeknüpft wurden, machte Alexander zu einer der Friedensbedingungen die Forderung, daß der Herzog wieder in seine Herrschaft eingesetzt werde. Napoleon nahm diese Forderung an und erfüllte sie sofort. Bereits am 5. Juli vormittags traf in Altona ein Kurier mit einem Briefe Kaiser Alexanders vom 17. Juni 106 ) ein, in dem dieser die Befehle mitteilte, die an die in Mecklenburg stehenden französischen Befehlshaber wegen Wiedereinsetzung des Herzogs ergangen waren. Die Freude des Herzogs und seiner Familie wie die der mecklenburgischen Bevölkerung war groß. Der Herzog beauftragte Friedrich Ludwig, den Zaren aufzusuchen und ihm persönlich Dank zu sagen. Der Erbprinz trat seine Reise in Begleitung von Oertzens sofort an 107 ).

Am 13. Juli war er schon in Marienburg, wo er mit Napoleon eine kurze Begegnung hatte. Die Unterredung war sehr förmlich und kurz, vor dem Rathause bei der Ankunft des französischen Kaisers, der im Wagen sitzen blieb, und beschränkte sich auf einige allgemeine Fragen und Antworten über die Besatzungsverhältnisse in Mecklenburg.

Am 25. hatte Friedrich Ludwig dann in Petersburg eine längere Unterredung mit dem Zaren, in der er ihm die Kriegsleiden Mecklenburgs schilderte und die Frage nach einer Entschädigung dafür aufwarf. Hierfür wies er auf Lauenburg hin. Der Zar war erstaunt über die Naivität dieser Wünsche, die eine Verkennung der Lage bewiesen. Kaum daß Mecklenburg seine


104) AS Kab. Vol. 27 a. a. O. Friedrich Ludwig an Alexander 18./30. 12. 1806. Ebenso an Budberg.
105) AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 42. Alexander an Herzog, Petersburg 7. (n. St.) 2. 1807. Mitgeteilt: Hirschfeld, Thronerbe, S. 281 (in Übersetzung).
106) AS Kab. Vol. 199 a. a. O. Nr. 84 (Kopie). Mitgeteilt in Übersetzung: Hirschfeld, a. a. O., S. 286. Der Brief trägt das Datum 17. 6., d. h. nach russischem Kalender; das ist 29. 6. n. St. Beide Daten in der Abschrift des Briefes, die Friedrich Ludwig an Georg schickte. Darnach Hirschfeld zu berichtigen, der 27. 6. setzt.
107) AS Kab. Vol. 27. Sendung nach Petersburg. Und Vol. 199 a. a. O. Nr. 106, 1 ff - Vgl. Hirschfelds Schilderung dieser Reise: Thronerbe, S. 291 ff. Dort teilweiser Abdruck der Berichte Friedrich Ludwigs.
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Existenz wieder erhalten hatte, wünschte es darüber hinaus sogar Gebietserweiterungen. Der Zar lehnte natürlich ab. Napoleon gedenke nach dem Frieden mit England Hannover und also auch Lauenburg zurückzugeben. Im andern Falle sollten diese beiden Länder an das Königreich Westfalen kommen. Darauf machte der Erbprinz sogar Schwedisch-Pommern als Entschädigung namhaft, aber auch dies wies der Kaiser natürlich zurück, da er an einen baldigen Frieden zwischen Schweden und Frankreich glaube, wobei jenes seine deutschen Besitzungen zurückerhalten solle. Napoleon werde auch überhaupt einer Landentschädigung sicherlich abgeneigt sein, da er schon durch die Wiedereinsetzung des Herzogs sehr viel getan zu haben glaube und deshalb auch sicherlich den Beitritt Mecklenburg-Schwerins zum Rheinbunde erwarte. Im übrigen gab aber der Zar dann doch noch die Versicherung, sich bei passender Gelegenheit für Mecklenburg verwenden zu wollen. Mit diesem zweifelhaften Trost kehrte der Erbprinz heim.

Kapitel IV.

Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde;
Fürstentag zu Erfurt (1807 - 1808).

Schon Anfang August 1807 war von dem französischen Gesandten in Hamburg, Bourienne, der Regierung in Schwerin vertraulich der Wunsch Napoleons nach Beitritt Mecklenburgs zum Rheinbunde mitgeteilt worden. So entschloß sich der Herzog denn zum Beitritt, dessen Nachteile er durchaus erkannte, dessen Vorteile aber im Augenblick den Ausschlag gaben und für den er drei Bedingungen stellte: Erteilung der großherzoglichen Würde 108 ), Erfüllung früherer nicht erfüllter Ansprüche 109 ) auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses und Entschädigung durch Geld oder Land für die in den letzten Monaten erlittenen Schäden. Die letzte Forderung schien um so berechtigter, als der gesamte mecklenburgische Seehandel durch die Kontinentalsperre lahmgelegt und damit einer der wichtigsten Erwerbszweige des Landes unter-


108) S. Hirschfeld, Thronerbe, S. 304 f.
109) Sie betrafen die im Westfälischen Frieden Mecklenburg zugesprochenen zwei Kanonikate beim Domstift zu Straßburg, die seinerzeit durch die Reunionen verloren waren.
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bunden war 110 ). Alle Küstenorte, besonders natürlich Rostock und Wismar, litten unter der Sperre zunächst außerordentlich 111 ). Der Herzog bat vergeblich um Erleichterungen für das Land. Es blieb nur die eine Möglichkeit: sie durch den Beitritt zum Rheinbunde zu erreichen.

Um seinen Wünschen durch eine gewichtige Persönlichkeit möglichsten Nachdruck zu verleihen, bestimmte der Herzog als Gesandten für die Mission nach Paris den Erbprinzen, dem er daneben noch den Auftrag gab, die völlige Befreiung des Landes von der französischen Besatzung durchzusetzen.

Am 23. Oktober traf der Erbprinz in Begleitung des Ministers von Brandenstein und von Oertzens in Paris ein 112 ). Dem Erbprinzen wurde zur Führung der Korrespondenzen der mit den Gebräuchen der französischen Behörden vertraute mecklenburgische Geschäftsträger im Haag, Baron von Bosset, beigegeben. Bosset hatte bereits vor dem Eintreffen des Erbprinzen in Paris die Verhandlungen wegen des Beitritts mit dem Minister des Auswärtigen Champagny angeknüpft.

Weil Napoleon seit dem Tilsiter Frieden mit Rußland Freundschaft zu halten bestrebt war, war die Aufnahme Friedrich Ludwigs am Pariser Hofe die freundlichste, die er nur erwarten konnte, da man den Freund und Verwandten des Zaren in ihm berücksichtigte. Seine gewandte und angenehme Erscheinung, sein gesellschaftliches Talent und sein offenes und natürliches Wesen verschafften ihm auch überall großes Entgegenkommen. Er war stets ein gern gesehener Gast, erhielt viele Einladungen, war oft mit der Kaiserin Josephine und mit der Königin Hortense von Holland, ihrer Tochter, in Fontainebleau zusammen, wo er sich am 1. November den Majestäten vorgestellt hatte. Auch der Kaiser zeigte sich ihm gegenüber durchaus freundlich. Er sah aber die bald entstehende Zuneigung seiner Gattin zu dem Erbprinzen mit einem gewissen Unbehagen. Das veranlaßte ihn, als er sich später von ihr scheiden ließ, ihr vorzuschlagen, sie solle, falls sie sich


110) Fr. Stuhr, Die Napoleonische Kontinentalsperre in Mecklenburg (1806 - 1813): Jahrbuch 71 (1916) S. 325 ff.
111) Über die weitere Entwicklung der Sperre s. Stuhr a. a. O., S. 351 ff.
112) Zum Folgenden: AS Kab. Vol. 7, Sendung nach Paris 1807/08. - Vol. 256 Rheinbund. - Vol. 342 Reise nach Paris. - Hirschfeld, Thronerbe, S. 304 - 361, gibt eine Darstellung dieser Pariser Mission auf Grund dieser Akten. Deshalb hier nur die Hauptzüge. - Ferner: AS Res externae, Gallica 1786 - 1808, Bossetsche Berichte 1807. - Gallica 1808/15. (Hier die Akten und Abschriften betr. den Vertrag, die Ratifikationen usw.)
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wieder vermählen wolle, den Erbprinzen heiraten 113 ). Dem Erbprinzen wurde bald nach der Ankunft der Zutritt zu den Levers und Couchers des Kaisers gestattet, eine Auszeichnung, die nur wenigen zuteil wurde. Auch zu den Jagden und Festen des Hofes wurde er oft eingeladen.

Am Kaiserhofe hielten sich zu jener Zeit mehrere deutsche Fürsten auf, die größtenteils auch gekommen waren, um für sich und ihre Länder Erleichterungen von Friedensbedingungen und Besatzungsbedrückungen zu erbitten. So war auch Erbprinz Georg damals längere Zeit in Paris, um den Beitritt Mecklenburg-Strelitz' zum Rheinbunde zu bewerkstelligen. Georg und Friedrich Ludwig waren in der ersten Zeit ihres Pariser Aufenthalts des öfteren zusammen. In den Augen Georgs bewarb sich Friedrich Ludwig aber so sehr um die Gunst Napoleons, daß jener ihm dieses Verhalten übel auslegte, worunter schließlich sogar das freundschaftliche Verhältnis beider eine Trübung erfuhr 114 ).

Die Verhandlungen wegen des Beitritts zum Rheinbunde wurden sogleich von Brandenstein, der in der Folgezeit überhaupt die eigentlichen Verhandlungen führte, während Friedrich Ludwig mehr die repräsentativen Aufgaben der Mission erfüllte, eifrig in Angriff genommen. Sie zogen sich aber ganz außerordentlich in die Länge. Mit seinem Wunsche nach Räumung des Landes von den französischen Truppen, wie der Artikel XII des Tilsiter Friedens sie vorsah, stieß der Erbprinz lange auf große Schwierigkeiten. Seine diesbezüglichen Wünsche wurden vornehmlich von dem Minister Champagny dauernd dilatorisch behandelt. Ähnlich erging es ihm mit seinem Verlangen nach Verleihung der großherzoglichen Würde und dem der Verminderung des später im Rheinbund zu stellenden Truppenkontingents. Beide Punkte hielt Champagny nämlich für unvereinbar. Selbst der russische Botschafter in Paris, Graf Tolstoi, verwandte sich für den Erbprinzen beim Minister, aber auch nicht mit nennenswertem Erfolge. Er hatte noch keine besonderen Aufträge für die Unterstützung Mecklenburgs von seiner Regierung erhalten. Gerade auf diese rechnete man von französischer Seite, um dann ein Entgegenkommen gegen die russischen Wünsche als einen neuen Beweis der Freundschaft zum Zaren hinstellen zu können. Aber auf ganz


113) Gräfin Remusat, Napoleon I und sein Hof, Memoiren. Deutsche Originalausgabe von A. Ebeling. 2. Aufl. Köln 1883. 3. Band, S. 324. - Daß der Erbprinz sogar selbst an die Kaiserin in dieser Angelegenheit geschrieben haben soll, wie die Gräfin Remusat sich zu erinnern glaubt, ist wohl nicht anzunehmen. S. auch ebenda S. 217 f.
114) Haus-Archiv Neustrelitz, Tagebuch Georgs aus der Pariser Zeit.
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unerwartetem Wege wurde dann doch plötzlich der Wunsch nach Befreiung Mecklenburgs von den Truppen erfüllt. Nicht zum wenigsten nämlich auf Verwendung der Kaiserin, die den Erbprinzen, wie gesagt, in der kurzen Zeit schon schätzen gelernt hatte, gab Napoleon am 16. November den Befehl zur Räumung Mecklenburg-Schwerins. Nur ein Bataillon zur Besetzung Wismars und Rostocks mit Rücksicht auf die Kontinentalsperre blieb zurück. Dann aber unterbrach eine Reise des Kaisers die Verhandlungen auf mehrere Wochen.

Der Erbprinz schöpfte nach einer erneuten Audienz bei Napoleon am 13. Februar 1808 wieder Hoffnung, nachdem der Kaiser nun schon die Räumung versprochen hatte, noch seine anderen Forderungen durchsetzen zu können. Er erwartete noch immer eine Hilfe von russischer Seite. Aber als Erbprinz Georg für Mecklenburg-Strelitz am 18. Februar den Beitrittsvertrag mit den von Frankreich auch den anderen Rheinbundstaaten gegenüber gestellten Bedingungen unterzeichnete, verlangte Champagny, daß Mecklenburg-Schwerin nun auch ohne weiteres folgen solle, nachdem die Zahl des Truppenkontingents bereits auf 1950 Mann ermäßigt war. Aber das genügte dem Erbprinzen nicht. Er wandte sich noch einmal an Napoleon unmittelbar, der ihm verhieß, in einigen Tagen seine endgültige Entscheidung mitzuteilen. Aber nach langen Vertröstungen und nochmaliger Audienz beim Kaiser mußte der Erbprinz den Vertrag am 22. März unterzeichnen.

So hatte die Pariser Mission nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nur die Zurückziehung des größten Teils der Besatzung war neben dem Erlaß einiger Kontributionen und einer unwesentlichen Verringerung des Bundeskontingents erreicht worden. Der Erbprinz kehrte deshalb unbefriedigt nach Mecklenburg zurück.

Aber die Aufgaben, die seine beiden Ämter, die Kammerpräsidentschaft und auch das Finanzministerium, das ihm am 8. Dezember 1808 übertragen wurde, in dieser Zeit der Nöte mit sich brachten, ließen ihm keine Zeit zur Resignation. Sie führten ihn sofort in die Mitte zahlreicher und umfänglicher Arbeiten. Neben der Tätigkeit in Kammer- und Finanzministerium waren es für die nächsten Monate dann noch vor allem innenpolitische und verfassungsrechtliche Fragen, deren Bearbeitung seine Zeit und Kräfte in Anspruch nahm.

Die Auflösung des Reiches 1806 hatte allen deutschen Staaten formell die Souveränität gegeben. Durch den Beitritt zum Rhein-

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bunde war diese Souveränität für Mecklenburg wie für alle seine Mitglieder ausdrücklich bestätigt worden, wenn sie auch wegen des Bundesprotektorats Napoleons nur eine Scheinsache blieb. Sie brachte aber vor allem die Ausschaltung einer Beschwerdeinstanz der Stände gegen den Herzog mit sich, wie sie früher in der Form des Reichskammergerichtes bestanden hatte. Sie wurde von vielen anderen, besonders mittel- und süddeutschen Fürsten dazu benutzt, um eine Unterdrückung der Stände, soweit diese noch bestanden, zum Zwecke einer Alleinherrschaft herbeizuführen. Herzog Friedrich Franz hatte, als er im Sommer 1808 einen Konvokationstag, d. h. einen Teillandtag der Mecklenburg-Schweriner Stände, zum 1. September nach Rostock einberief, die Absicht, die alte Verfassung grundlegend nach zeitgemäßen Gesichtspunkten zu verändern, denn die durch die Vorgänge der letzten Jahre umgestalteten Verhältnisse erforderten verschiedene Reformen. In den Propositionen, die der Herzog zur Verhandlung stellte, verlangte er hauptsächlich auf Grund der erlangten und ausdrücklich festzulegenden unumschränkten Souveränität neben der Vereinheitlichung der Verfassung und Verwaltung, der obersten Gerichtsgewalt, der Abschaffung der Leibeigenschaft und neben der Oberpolizei die Rechte der Gesetzgebung, der Besteuerung und der Militärrekrutierung und kündigte auf Grund einer Bestimmung im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 die Übernahme der drei Jungfrauenklöster in herzogliche Verwaltung an. Wären diese Forderungen erfüllt worden, so wäre Mecklenburg ein absolutistischer Staat geworden. Aber nach der Lage der Dinge war von Anfang an ihr Scheitern vorauszusehen.

An den Beratungen bei der Aufstellung dieser Propositionen war der Erbprinz in hohem Grade beteiligt, wenn auch Einzelheiten darüber nicht feststellbar sind. Er geriet bei diesen Arbeiten oft in Gegensatz zum Herzog. Besonders war es bei der Frage der Aufhebung der Klöster der Fall. Nach alten Abmachungen hatten die Stände das Recht, die Klöster zu verwalten und die Stellen in ihnen nach ihrem Gutdünken zu verleihen. Friedrich Ludwig vertrat die Ansicht, daß der Herzog nicht berechtigt sei, die Klöster einzuziehen.

Die Frage der Klösteraufhebung war schon seit mehreren Jahren von der Regierung und dem Herzog erwogen worden 115 ). Die Notlage des Herzogs in dem Altonaer Exil benutzten dann, wie schon erwähnt, die Stände dazu, um Versprechungen hinsichtlich


115) Schröder, Kurwürde, S. 65 ff.
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der Erhaltung der Klöster zu erlangen 116 ). Plessen hatte von den Ständen damals in Altona die Aufforderung erhalten, den Herzog hierüber zu sondieren. Der Erbprinz erfuhr dies von Plessen und reichte seinem Vater am 9. Februar 1807 ein Promemoria über die Klosterfrage ein 117 ). Er entwickelte darin seine Anschauungen über die Frage dahingehend, daß er zwar das prinzipielle Recht zur Aufhebung anerkenne, weshalb auch das gewünschte Versprechen nicht zu geben sei, aber es komme auf die Art und den Zeitpunkt der Aufhebung an. "Die Aufhebung selbst ist Ausfluß Landesherrlicher Macht, die Art der Aufhebung muß Ausfluß des Landesväterlichen Herzens sein." Eine sofortige Aufhebung sei hart und geradezu ungerecht, aber die Verfassung und Verwaltung der Klöster müsse einer Umwandlung insofern unterworfen werden, daß die Stellen zwar beibehalten, allerdings mit Geld abgelöst werden, die Verwaltung der Ländereien und Waldungen und der gesamten Klosterfinanzen dem Kammer- und Forstkollegium zufallen sollten.

Der Herzog erreichte, wie vorauszusehen war, auf dem Rostocker Konvokationstage in keiner der wesentlichen Propositionen sein Ziel. Die Stände erkannten natürlich bald, auf welchem Wege der Herzog zufriedenzustellen war. Sie bewilligten reichlich Geld. Und damit ließ jener sofort alle seine Wünsche und Ansprüche fallen. Auch die Klosterfrage wurde dann in einem Vergleich vom 22. April 1809 durch das Zugeständnis einer einmaligen Zahlung von 80 000 Reichstalern für die augenblicklichen Bedürfnisse des Herzogs gelöst, der dafür für immer auf alle seine aus dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 etwa herzuleitenden Ansprüche auf die Klöster verzichtete.

Im Herbst 1808 schien sich doch noch eine Gelegenheit zu bieten, die Anfang des Jahres in Paris unerfüllt gebliebenen Wünsche des Herzogs und des Erbprinzen, die Rangerhöhung ihres Hauses und die Lösung der Frage der Entschädigung durch Geld oder Land, zur Erfüllung zu bringen. Schon im Sommer war an den deutschen Höfen, natürlich in erster Linie an denen der Rheinbundfürsten, bekannt geworden, daß Napoleon im Herbst mit Kaiser Alexander eine Zusammenkunft haben werde und daß er bei dieser Gelegenheit die Fürsten seines Bundes um sich, ihren Protektor, versammelt zu sehen wünsche. Die Zusammenkunft war für Ende September in Erfurt verabredet. Herzog


116) AS Kab. Vol. 199, Interregnum Nr. 51. Aufzeichnung (von ?). Altona 9. 2. 1807.
117) AS a. a. O. Nr. 44.
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Friedrich Franz, dem ebenfalls zu verstehen gegeben war, daß seine Anwesenheit in Erfurt erwünscht sei, fand in dem gerade begonnenen Konvokationstage eine gute Entschuldigung für sein Fernbleiben. Er sandte den Erbprinzen, der sich dieser wenig angenehmen Aufgabe vor allem auf die Aussicht hin unterwarf, daß er den Zaren bei dieser Gelegenheit sprechen würde. Dies war ihm wegen seiner Rang- und Entschädigungswünsche sehr willkommen, da er auf Unterstützung durch Alexander bei Napoleon hoffte. Diese Aussicht ließ ihn das Demütigende eines solchen Fürstentages, auf dem Napoleon seine Schützlinge Revue passieren lassen wollte, weniger fühlen, "Ich werde nicht verfehlen, mich angelegentlichst den bonnes graces unseres erhabenen Protektors zu erneuern und zu empfehlen", schrieb er ironisch an Erbprinz Georg 118 ). Die Teilnahme am Fürstentage erschien ihm nur als ein Nebenzweck seiner Reise 119 ).

Am 23. September traf er in Weimar ein. Am 29. kam der russische Kaiser dort an. Am 26. schon hatte Friedrich Ludwig dem russischen Außenminister Grafen von Romanzoff eine Denkschrift übergeben, in der er die Wünsche Mecklenburg-Schwerins darlegte und dem Zaren zur Befürwortung empfahl 120 ). Romanzoff glaubte aber nicht, daß in Erfurt überhaupt von dergleichen Dingen die Rede sein werde, und vertröstete den Erbprinzen im übrigen auf den späteren endgültigen Frieden, bei dem alles entschieden werde. Darnach setzte Friedrich Ludwig dem Zaren selbst in einer Privataudienz nochmals seine Wünsche auseinander. In merkwürdiger Verkennung der politischen Gesamtlage glaubte er ernsthaft, daß seine und des Herzogs Wünsche bei einer solchen, nur der großen Politik geltenden Zusammenkunft zur Sprache kommen würden. Der Zar hielt denn auch nicht mit seiner Verwunderung zurück; es seien wirklich wichtigere Dinge zu besprechen als solche Privatwünsche eines Einzelnen. Des Erbprinzen Optimismus war trotzdem unbesiegbar. Als aber, wie vorauszusehen war, seine Wünsche dann doch überhaupt nicht mehr zur Erörterung gestellt wurden, kehrte er entmutigt nach Mecklenburg zurück, wenngleich Napoleon ihn auch in Erfurt wiederum mit aller Zuvorkommenheit behandelt hatte.


118) An Georg, Doberan 19. 9. 1808.
119) AS Kab. Vol. 7, Erfurt. Und ebenda: Briefe. - AS Res externae, Russica Vol. XI Fasc. 9. - S. Hirschfeld, Thronerbe, S. 365 ff.
120) AS Kab. Vol. 7. Briefe. Anlage: Denkschrift vom 25. 9. 1808 (Abschrift).
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Kapitel V.

Friedrich Ludwig als Kammerpräsident und
Finanzminister (1806 bzw. 1808 - 1819).

Seit 1806 war Friedrich Ludwig Chef und Präsident des herzoglichen Kammer- und Forstkollegiums, seit 1808 auch Finanzminister in der Regierung. Beide Ämter bekleidete er bis zu seinem Tode 1819.

Es ist schwer, sich aus den erhaltenen Akten ein eindeutiges und erschöpfendes Bild von der Tätigkeit des Erbprinzen in diesen beiden Ämtern zu machen. Bei dem Brande des Schweriner Regierungsgebäudes 1865 sind von den dort lagernden Beständen u. a. auch sämtliche Kammerakten und damit das Hauptmaterial vernichtet, in dem sich, wie wohl als sicher angenommen werden darf, eine große Anzahl Denkschriften, Sitzungsprotokolle, Briefe, Aufzeichnungen, Entwürfe, Eingaben und ähnliches und in diesen vor allem auch Randbemerkungen befanden. Es bleibt als fast einzige Quelle für die folgende Darstellung der aktenmäßige Niederschlag, den die Kammerarbeit im Ludwigsluster Kabinett in der Form der Briefe und Promemorien der Kammer an den Herzog und in dessen in Abschriften oder Entwürfen erhaltenen Antworten darauf gefunden hat. Dazu kommen einige nebensächlichere Akten über einzelne Gebiete aus anderen Beständen.

Und auch in diesem geringen Material findet sich nur Weniges, aus dem auf eine selbständige Arbeit Friedrich Ludwigs geschlossen werden kann. Natürlich mitunterzeichnete er, wenn er überhaupt in Mecklenburg war, stets an erster Stelle durchweg alle an den Herzog gerichteten Schreiben. Daraus läßt sich naturgemäß noch nicht schließen, daß er selbst den betreffenden Gegenstand initiativ bearbeitet hat. Es war sogar, soweit überhaupt feststellbar, in der Regel so, daß er alle von den anderen Kammermitgliedern bearbeiteten und ihm vorgelegten Stücke mitunterzeichnete. Des öfteren versah er die schon nach Ludwigslust an den Herzog abgesandten, von den Kammerräten bereits ausgefertigten Schriftstücke erst dort nachträglich mit seiner Unterschrift. So bleibt nur ein kleiner Rest von Material übrig, an dem die initiative Mitarbeit Friedrich Ludwigs so gut wie sicher feststellbar ist.

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Die obere Behördenorganisation war damals - zum besseren Verständnis mag dies hier vorausgeschickt werden - in der Hauptsache folgende:

An der Spitze aller Behörden stand das Geheime Ministerium mit Bernhard Friedrich Graf von Bassewitz als Geheime-Rats-Präsident. Unter ihm arbeitete als zweiter Minister der Geheime Rat August Georg von Brandenstein. Das Arbeitsgebiet des Ministeriums war hauptsächlich die Beaufsichtigung und oberste Leitung aller anderen Behörden. Als Bassewitz 1808 auf sein Ersuchen aus seinem Amt entlassen wurde, gestaltete der Herzog das Ministerium so um, daß Brandenstein als Präsident und Leopold Hartwig von Plessen, der bis 1806 Gesandter am Reichstage in Regensburg gewesen war, als Geheimer Rat und zweiter Minister in das Ministerium berufen und mit dem Amte eines Kabinettsministers in Ludwigslust bald darauf betraut wurden. Ferner wurde dem Erbprinzen der neu geschaffene Posten eines Finanzministers übertragen und außerdem noch ein Referent für Militärsachen und einer für Justiz- und Lehnssachen bestellt.

Die nächsthöchste Behörde war die Regierung in Schwerin. Hier war Bassewitz bis zu seinem Abgang 1808 Präsident und Brandenstein als Geheimer Rat sein Mitarbeiter und später dann als Präsident der alleinige Leiter der Regierung. Einige Regierungsräte standen ihm zur Seite. Das Arbeitsgebiet der Regierung war vor allem die äußere und innere Politik im einzelnen. Der Regierung angegliedert und von den gleichen Beamten geleitet war die Lehnkammer.

Die Kammer, die der Regierung gleich geordnete dritte Oberbehörde, setzte sich aus dem Chef und Präsidenten und einem Kammerdirektor - Brüning und später Cordshagen - und einigen Kammerräten und Geheimen Kammerräten zusammen. Dazu kamen später, wie noch weiter unten erwähnt werden wird, mehrere Landbaumeister. Unterbehörden und Kompetenzbereiche der Kammer waren: die Renterei mit der Münze, die Reluitionskommission, die Schuldentilgungskommission - seit 1809 - , die Domänenverwaltung mit den einzelnen Domänenämtern im Lande, das Jagdregal mit einem Oberjägermeister an der Spitze, das Forstregal, verwaltet durch das Forstkollegium, das sich aus dem Kammerpräsidenten als Präsidenten, dem Kammerdirektor, den Kammer- und einigen Forsträten zusammensetzte, ferner das Postregal, das Steuer- und das Zollregal.

Daneben bestanden die Justiz-, die Militär- und die kirchliche Verwaltungsbehörde. 1807 wurde außerdem noch in Zusammenarbeit mit den Ständen die Landeskreditkommission und ferner

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1809 die Landesrezepturkommission zur Verwaltung der als gemeinsam anerkannten Schulden des Herzogs und der Stände errichtet.

Da die Kammer in erster Linie, der Natur ihrer einzelnen Arbeitsgebiete entsprechend, die hauptsächlichste und wichtigste Geldquelle für die Regierung war, war es verständlich, daß der Herzog bei seiner steigenden Schuldenlast darauf bedacht war, ihre Verwaltung auf das engste mit den Interessen seines Hauses zu verknüpfen. So ernannte er denn 1806 seinen ältesten Sohn zum Präsidenten der Kammer.

Die Mitarbeit des Erbprinzen an den Regierungsgeschäften seines Vaters reicht jedoch schon, soweit erkennbar, in das Jahr 1798 zurück. Vom 27. April 1798 datiert die erste "Mitarbeit", soweit man sie so nennen darf: ein von Friedrich Ludwigs Hand geschriebener Entwurf des Herzogs - oder des Erbprinzen selbst? - zu der Antwort auf das Gesuch eines Oberförsters 121 ). Von dieser Zeit ab mehren sich solche Zeugnisse. In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts fand dann eine immer weitergehende Einarbeit des Erbprinzen in die Regierungstätigkeit seines Vaters statt, bis dieser ihn schließlich 1805 offiziell mit der Teilnahme an allen Kammergeschäften in Schwerin beauftragte. Friedrich Ludwig hatte schon seit dem Februar dieses Jahres in Schwerin bis auf weiteres Aufenthalt genommen, um ungestört an der Arbeit der Kammer unmittelbar teilnehmen zu können. "Allerlei Geschäfte binden mich seit dem Februar an unsere hiesige Capitale" 122 ), schrieb er am 3. Mai aus Schwerin an Georg. Am 19. Mai, wieder in Ludwigslust, schrieb er: "da wäre ich nun wieder im geliebten Ludwigslust ..., nach 3 Monaten eines stets wechselnden Aufenthalts, nach Beendigung mancher oft unangenehmen Geschäfte" 123 ).

Das Kabinettsschreiben an das Kammerkollegium 124 ), das die offizielle Zulassung zu den Kammergeschäften enthielt, datiert vom 24. Mai 1805: "Wir eröfnen dem Cammer-Collegio, daß Wir der Entschließung geworden, Unsern Sohn des ErbP. Liebd. an allen Geschäften des Cammer-Departements theilnehmen zu lassen, daher haben Wir denselben in diesem Fache bey unsern Cabinet föllig angestellt, und alle dahinein schlagende Sachen gehen von


121) Kab. Vol. 182, Mankmoos 1798, Nr. 2. Herzog an Oberförster Weidemann in Mankmoos 27. 4. 1798.
122) An Georg. Schwerin. 3. 5. 1805.
123) An Georg 19. 5. 1805.
124) AS Kab. Vol. 51 Organisation 1805/06. Herzog an Kammer 24. 5. 1805 (Konzept!).
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von nun an durch seine Mitwürkung. Sobald wie Unser Sohn ErbP. Liebd. nicht zu Hause sind, so hat das Collegium von dem Tage seiner Abreise an eine Specification von denn vorgekommenen Sachen fertigen zu lassen und dieselbe ihm bey seiner Rückkunft vorzulegen, damit er weiß, was in seiner Abwesenheit verhandelt, und nach Befinden Sich die verhandelten Acten fordern kann, auch dieß leztere gild, wenn er sich zu Hause und nicht mit Uns an dem nehmlichen Ort befindet. Auch haben Wir ihm gnädigst verstattet, wenn er es vor gut finden wird, den Sitzungen und Deliberationen Unsers Cammer-Collegii bey zu wohnen."

Ein knappes Jahr darauf wurde Friedrich Ludwig dann an die Spitze der Kammer berufen.

Die Ernennung des Erbprinzen zum Chef und Präsidenten des Kammer- und Forstkollegiums fiel in die Zeit der größten Finanznot des Landes 125 ). Die Ernennung war aus der Notwendigkeit heraus geboren, alle verfügbaren Kräfte aufzubieten, in den trostlosen Finanzverhältnissen Ordnung zu schaffen. Das Schicksal bot die Hand dazu: der bisherige Kammerpräsident von Dorne starb am 11. März 1806. Bald, am 21. März, erfolgte die Ernennung Friedrich Ludwigs 126 ): "Liebster Sohn! Der Fleiß und die Beharrlichkeit, mit der Du Dich den Cameral-Geschäften widmest, haben mich überzeuget, daß ich diesen wichtigen Zweich der Geschäfte keiner besseren Verwaltung als der Deinigen anvertrauen kann. Da nun mein treuer, mir persöhnlich ergebener CammerPresident von Dorne verstorben ist, so ernenne [ich] Dich mit Vergnügen zum Chef und Presidenten meines Cammer- und ForstCollegii, überlasse es Dir, Dich selbst einzuführen, an die Spize der Geschäfte zu stellen und den künftigen zweckmäßigsten Gang derselben zu leiten. Weil Du aber nicht immer in Schwerin anwesend seyn kannst, so hängt es von Dir ab, das Collegium und den Director desselben für die Zeit Deiner Abwesenheit zu instruiren, ins besondere letzterem die Signatur [der] ad Mandatum abgehende[n] Stücke und alle Contra-Signaturen, denen Du Dich nicht füglich unterziehen kannst, zu übertragen. Ebenso wirst Du bey Deinen anderweitigen Geschäften und Verhältnissen nicht immer in das Detail der curenten Arbeiten des Collegii hineingehen oder [Dir] die vollenkommene Actenkenntniß verschaffen können, ohne einen Referenten zu haben. Hierzu ernenne ich nach Deiner Wahl den LandDrost v. Lehsten, wegen dessen Beförderung, so wie wegen übrige Gnadenerweisung für das


125) Vgl. Hans Witte, Kulturbilder aus Alt-Mecklenburg I, S. 57 f.
126) AS Kab. Vol. 51 a. a. O. - Auch Vol. 52, Erbprinz 1806/08. Herzog an Friedrich Ludwig, Schwerin. 21. 3. 1806. (Konzept!)
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Cammer-Collegium die abschriftlich beyliegende Verordnung an mein Ministerium ergangen ist. Hiedurch, liebster Sohn, hoffe ich Dir einen neuen Beweis meiner Liebe und meines innigsten Vertrauens gegeben zu haben. Mit diesen Gesinnungen bin ich stets Dein treuer Vater und Freund Friedrich Franz."

Gleichzeitig wurde diese Ernennung der Regierung mitgeteilt mit der Bemerkung, daß die Kammerräte Bühring, von Pritzbuer und der Landdrost von Lehsten zu Geheimen Kammerräten ernannt seien und der letztere zum Referenten in Kammersachen beim Erbprinzen bestellt sei 127 ). Brandenstein beglückwünschte den Erbprinzen mit den bezeichnenden Worten: "Das Amt wird nicht ohne Dornen sein" 128 ).

Am Dienstag, den 25. März, fand die förmliche Einführung oder vielmehr Selbsteinführung des neuen Kammerpräsidenten statt. Friedrich Ludwig begab sich zu dem in dem Sitzungszimmer versammelten Kammerkollegium, nahm den Stuhl des Kammerpräsidenten ein und begrüßte in einer kurzen Ansprache das Kollegium, gedachte dabei des verstorbenen Präsidenten von Dorne und gab seiner Hoffnung auf gute Zusammenarbeit Ausdruck 129 ). In einer kürzeren Ansprache begrüßte er darauf die weiteren Kammerbeamten, die in das Sitzungszimmer zusammenberufen waren. Dann begann sogleich die erste Kammersitzung, die Friedrich Ludwig als Präsident leitete. Der Berufung Lehstens hatte er in seiner Begrüßungsansprache keine Erwähnung getan, auch hatte er zur Genugtuung des Kollegiums keine Organisations- oder andere Veränderungen angekündigt.

So trat zum erstenmal ein Mitglied des Fürstenhauses das Kammerpräsidentenamt an.

Da die Domänenverwaltung, das Hauptarbeitsgebiet der Kammer, die wichtigste Geldquelle des Herzogs war, gebot es sich naturgemäß bald, daß der Kammerpräsident auch der oberste Verwalter der Gesamtheit der herzoglichen Finanzen wurde. So ernannte der Herzog am 7. Dezember 1808 gelegentlich der Neuordnung des Geheimen Ministeriums den Erbprinzen zum Finanzminister 130 ). Dieser Posten wurde damit neu geschaffen. Seine Befugnisse beruhten im allgemeinen zunächst nur auf der stimmberechtigten Mitgliedschaft im Geheimen Ministerium oder im Kabinettsministerium, wie es gewöhnlich genannt wurde. Im


127) AS Kab. Vol. 51, Organisation 1805/06, Nr. 22.
128) AS Kab. Vol. 52. Erbprinz 1806/08. Brandenstein an Friedrich Ludwig 22. 3. 1806.
129) AS a. a. O. Niederschrift für den Herzog.
130) AS a. a. O. Herzog an Kammer 7. 12. 1808.
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übrigen war bei diesem Amte auf lange Jahre hinaus die Kompetenz von derjenigen der Kammer nicht streng geschieden 131 ). Das Finanzministeramt bildete sich erst ganz langsam als selbständiges Amt heraus. So läßt sich denn auch die Tätigkeit Friedrich Ludwigs als Finanzminister nicht näher feststellen als höchstens dahingehend, daß er die terminweise eingehenden Abrechnungen der einzelnen Behörden prüfte, was er sehr genau getan zu haben scheint 132 ).

Auch er konnte den "notorischen großen Bedruck aller herrschaftlichen Kassen" 133 ) nicht mindern. Die Schulden wuchsen weiter. Ende 1809 betrugen die Kammerschulden 3 999 446 Reichstaler einschließlich der rückständigen Zinsen 134 ).

Die Hauptursache der ungeheuren Schuldenlast lag schon weit zurück. Es war die allgemeine Münzverschlechterung in der Zeit des siebenjährigen Krieges. Ferner steigerte eine unwirtschaftliche Domänenverwaltung die Schulden und die jährlichen Unterschüsse: schlechte, unsachgemäße und darum immer, und zwar auf Kosten des Landesherrn wieder zu erneuernde Bauten auf den Domänen; veraltete und deshalb zu geringe Pachtgeldveranschlagungen, die so preisdrückend wirkten, daß selbst Verpachtungen gegen öffentliches Meistgebot, wie man sie dann versuchte, nicht viel nützten. Andererseits steigerten Makler - "Generalpächter" - die Pachtsumme über den Ertragswert der Ländereien und brachten den Pächter dazu, daß er sein Pachtgeld nicht erlegen konnte und um Pachterlaß bitten mußte, der dann fast immer von dem unwirtschaftlich denkenden und gutmütigen Herzog trotz wiederholten Einspruchs der Kammer bewilligt wurde. Zur Deckung der alten Schulden, die auch durch die hohen Privatausgaben des sorglosen Herzogs ständig vermehrt wurden, machte man Anleihen über Anleihen, ohne die Bedenklichkeit dieser Finanzoperation einzusehen. Durch die hohen Zinsen, die in der Regel auch nur durch Anleihegelder bezahlt wurden, wuchs die Schuldenlast schnell ins Ungeheuerliche. Alle Gegenmaßregeln scheiterten schon in ihren Anfängen an der Schwerfälligkeit und Reformfeindlichkeit der Behörden und daran, daß der Herzog seinen eigenen, sogar noch jährlich wachsenden Geldbedarf in


131) Balck, Finanz-Verhältnisse, I, S. 67.
132) AS Kab. Vol. 55, Revision. Vol. 56 a, Rückstände. Vol. 3 a, Allg. Legationskasse. Vol. 188, Vorlegung des Etats.
133) AS Kab. Vol. 55, Revisionen Oldenburg. Nr. 22, Kammer an Herzog 16. 10. 1811.
134) AS Kab. Vol. 55, Verzeichnis der Kammerschulden 11. 11. 1809. S. auch Witte, Kulturbilder I, S. 56, 58 u. a.
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keiner Weise einzuschränken gedachte. Die übrigen Mitglieder des Herzogshauses taten es hierin übrigens ihrem Oberhaupt durchaus gleich.

Auch Friedrich Ludwig war nicht in der Lage, den fortschreitenden finanziellen Verfall auch nur aufzuhalten. Er beschränkte sich deshalb vor allem darauf, größte Genauigkeit, größtmögliche Sparsamkeit in der Verwaltung und die Aufschließung aller etwa noch möglichen neuen Geldquellen herbeizuführen.

Er war naturgemäß deshalb zum Einschreiten gegen alte Mißstände des öfteren genötigt. So war begreiflicherweise sein Verhältnis zu seinen Beamten, vor allem zum Kammerdirektor und den Kammerräten, nicht immer das beste. Auch allein schon der Unterschied des Alters - der Erbprinz war 27 Jahre alt, als er Kammerpräsident wurde - schuf leicht manche Gegensätze. Friedrich Ludwig wollte vorwärts, während die Räte alles Überkommene wie ein unantastbares Heiligtum zu bewahren suchten. Er konnte leicht heftig werden, sogar bis zum Abbruch der Beziehungen, sobald sich eine unsachliche Opposition gegen seine Wünsche zeigte. Sein weicher Charakter ließ ihn oft verzagen, bevor er ein Ziel erreichte. Nicht für alle Dinge seiner Ämter hatte er das gleiche Interesse. Zu einer umfassenden Reform fehlten ihm Energie und Ausdauer und der nötige Weitblick für geschichtliche Entwicklungsnotwendigkeiten. Eine systematische Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen, auch nur in den Hauptwerken seiner Zeit, scheint er nicht oder nur wenig betrieben zu haben. Seine Reformversuche tragen mehr den Charakter der durch lokale Verhältnisse und Zufälligkeiten gebotenen Gelegenheiten als den eines planmäßigen, durch größere Gesichtspunkte bestimmten Vorgehens.

Bei allem diesen stand er fast dauernd unter dem Druck eines kühlen Verhältnisses zum Herzog. Beide waren sich in ihrer Natur überhaupt zu sehr entgegengesetzt. Der Herzog, lebenslustig und heiter, machte sich über die Übelstände im Lande keine großen Sorgen. Sein Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, daß genügend Geld einkam. Im übrigen ließ er alles gehen, wie es ging. Seine teuren Parforcejagden und seine Spielleidenschaft erfuhren auch in den schlimmsten Zeiten keine Einschränkung. Alles wesentliche, über den Rahmen des alltäglichen Geschäftsganges Hinausgehende überließ er zur Bearbeitung seinen Räten, später besonders Plessen, der seit seiner Berufung als ausdrücklicher Kabinettsminister nach Ludwigslust 1807 des Herzogs ständiger Berater und Mitarbeiter war. Die alltägliche Beschäftigung

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erledigte er allerdings mit einer erstaunlichen Genauigkeit und bewältigte dabei eine ungeheure Arbeitsmenge, wie die geradezu zahllosen Dorsalbemerkungen und die ebenso zahlreichen Kabinettsreskripte zeigen. Die Abhängigkeit des Herzogs von seinen Räten ging sogar soweit, daß oft die Entscheidung wichtiger Dinge aufgeschoben wurde, bis Plessen von einer Reise zurückgekehrt war. Ohne ihn war er schließlich nicht mehr imstande zu regieren. Auf den Rücken zahlreicher Kammer- und Regierungsschreiben stehen wahre Hilferufe nach dem verreisten Plessen, der seinen Herrn natürlich ganz in dem Sinne des Standes regierte, dem er angehörte, der Ritterschaft. Er wußte demgemäß alle herzoglichen oder erbprinzlichen Wünsche, die irgendwie den Anschauungen der Ritterschaft widersprachen, mit Hartnäckigkeit und unwiderstehlichem Geschick immer wieder unter den Tisch fallen zu lassen 135 ).

Dieser Kamarilla stand auch Friedrich Ludwig, der sowieso schon seinem Vater innerlich fernstand, so gut wie machtlos gegenüber. Er selbst stand darum mit den Räten des Herzogs auch nur auf einem durchaus nur offiziell-förmlichen Verkehrsfuße. Zu dem Geheime-Rats-Präsidenten von Bassewitz (bis August 1808) befand er sich von Anfang an im Gegensatz. Der alte rechthaberische und streng ständisch denkende Bassewitz konnte es nicht über sich gewinnen, einen so jungen, selbstbewußten und neuerungsgewillten Kammerpräsidenten neben sich anzuerkennen. Deshalb war Friedrich Ludwig sehr erfreut, als Bassewitz 1808 seinen Abschied nahm 136 ).

Mit Brandenstein, Bassewitz' Nachfolger, kam er wesentlich besser aus. Brandenstein war zwar oft etwas eigenwillig und natürlich auch ständisch gesinnt, war aber doch sachlich und umgänglich 137 ).

Das Verhältnis zu Plessen war bestimmt von der Rücksicht, die ein Thronfolger auf den intimsten Berater und Freund des Regierenden nehmen mußte. Der Gegensatz zwischen Plessen und dem Erbprinzen war zuerst der denkbar größte, denn Plessen war der entschiedenste und geschickteste Vertreter der ständischen Prinzipien. In späteren Jahren lernte der Erbprinz dann Plessen doch mehr und mehr schätzen, als sich sein Talent, mit dem Herzog umzugehen und die Geschäfte zu leiten, immer deutlicher zeigte.


135) Vgl. über Plessen vor allem: Allg. deutsche Biographie Bd. 26, S. 272 ff. (Krause). - Ferner Maltzahn, Einige gute mecklenburgische Männer, S. 115 ff. - Hirschfeld, Ein Staatsmann aus der alten Schule.
136) An Georg 6. 10. 1806 und 1. 8. 1808.
137) An Georg 18. 10. 1806 und 23. 10. 1806.
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Plessen wurde schließlich auch der Berater des herzoglichen Hauses in Familienangelegenheiten. So kam es, daß auch Friedrich Ludwig Plessens Unabkömmlichkeit in Ludwigslust erkannte und ihn bat, vom Frankfurter Bundestag zurückzukehren und wieder an die Spitze der Geschäfte zu treten 138 ).

Friedrich Ludwig pflegte in den ersten Jahren wöchentlich einmal, später zweimal monatlich zu Kammersitzungen von Ludwigslust nach Schwerin zu kommen. Für seine Kammertätigkeit erhielt er jährlich zur Unkostenbestreitung den Betrag von 600 Reichstalern 139 ). Für sein Finanzministeramt erbat er 1816 ebenfalls den Betrag von 600 Reichstalern jährlich 140 ). Die Arbeit der Revisionen sei von solchem Umfange, daß sie einen Beamten voll beschäftigen könnte. Bisher, d. h. von 1808 ab, hätten ihm die Kammerräte dabei geholfen. Die Ansetzung eines eigenen Beamten dafür sei aber nicht möglich, da ein besonderer Etat für das Finanzministerium noch nicht aufgesetzt sei. Der Großherzog genehmigte diese Bitte seines Sohnes 141 ). Des Erbgroßherzogs eigene Behörde, die Kammer, widersprach aber, indem sie geltend machte, daß ja eine Überschreitung des Etats verboten sei 142 ). Der Herzog mußte, wollte er nicht seinen eigenen Sparanordnungen zuwiderhandeln, seine bereits erteilte Genehmigung zurückziehen 143 ). Die Kammer hatte also gegen ihren eigenen Präsidenten ihren Willen, der ihr allerdings vom Herzog vorgeschrieben war, durchgesetzt.

Die Gebiete der Kammerarbeit, auf denen Friedrich Ludwig besonders arbeitete, waren, soweit sich eben noch feststellen läßt, das Vererbpachtungswesen, das Bauwesen in den Domänen und das Postwesen, das damals ein Kammerressort war, und einige kleinere Gebiete.

Zum besseren Verständnis der Vererbpachtungsfrage sei folgendes vorausgeschickt 144 ). Seit Ende des 18. Jahrhunderts


138) Hirschfeld, Thronerbe, S. 134, 136, 177 f.
139) AS Kab. Vol. 51, Org. 1805/06. Herzog an Kammer, Doberan 16. 8. 1806.
140) AS Kab. Vol. 55, Revision. Friedrich Ludwig an Großherzog 16. 10. 1816.
141) AS a. a. O. Großherzog an Friedrich Ludwig 19. 10. 1816.
142) AS a. a. O. Kammer an Großherzog 26. 10. 1816.
143) AS a. a. O. Großherzog an Kammer 4. 11. 1816.
144) Vgl. zum folgenden: Balck, Domaniale Verhältnisse, I, S. 145 ff. - Witte, Kulturbilder I, S. 130 f., 167 ff. - Über die geschichtliche Entwicklung des Domaniums s. vor allem: Hans Hubert von Bilguer, Über die Entwicklung der ländlichen Besitzverhältnisse und die Verteilung von Grund und Boden in Mecklenburg-Schwerin, Diss., Leipzig (o. J.), S. 6 ff., 44 ff. - Balck, Zur Geschichte und Vererbpachtung der Domanial-Bauern, S. 29 ff. - Balck, Finanzverhältnisse I, S. 82 ff.
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waren die Domanialbauern, die bis dahin meist unter drückenden Verhältnissen Hand- und Gespanndienste an die Pachthöfe hatten leisten müssen, in reine Geldpachtbauern verwandelt, ihre Hufen aber noch nicht separiert worden. Das hatte gegenüber der früheren Lage, in der die Bauern an dem guten Zustand ihrer geringen ihnen zur Bewirtschaftung zugewiesenen Ländereien so gut wie gar kein Interesse hatten, schon manches gebessert. Nach der Umwandlung dieser Bauern in Zeitpächter blieb aber immer noch eine Unsicherheit insofern bestehen, als die Pächter nach Ablauf der Pachtperiode oft der Erhöhung des Pachtgeldes ausgesetzt waren. Ein Nachfolgerecht innerhalb der Familie bestand auch nur beschränkt. Die Zeitpächter nahmen deshalb natürlich auch nur kleine oder meistens gar keine Meliorationen vor und gaben sich keine große Mühe zu zeitgemäßerer und besserer Bewirtschaftung. Sie erhielten auch keinen Realkredit, keine Hypotheken, so daß bei schlechten Ernten die Pachtgeldzahlungen oft erschwert, ja unmöglich wurden. Eine oft zu weit ausgedehnte Beaufsichtigung durch Behörden ließ das Gefühl der Verantwortung und der Freiheit nicht aufkommen. Außerdem waren die großen Aufwendungen, die aus Unsachgemäßheit an Bau- und Reparaturgeldern für die Gehöftsgebäude gemacht werden mußten, auf die Dauer nicht mehr tragbar, wenn nicht die landesherrlichen Schulden noch mehr wachsen sollten.

Es gab einen Ausweg: die Vererbpachtung der Bauernstellen. Die Vererbpachtung hatte den Nutzen, daß die Zeitpächter - eben weil sie wußten, daß die Pachtung immer in ihrer Familie bleiben würde und sogar eventuell von ihnen wie ein Eigentum verkauft werden könnte - viel mehr Sorgfalt auf die Bewirtschaftung der Ländereien und die Erhaltung der Gebäude - da sie Reparaturen und Neubauten auf eigene Kosten vornehmen mußten - verwandten und damit den Ertrag steigerten und den jährlich an die Kammer zu zahlenden festen Kanon regelmäßig erlegen konnten. Eine stets sichere Einnahme für die Kammer ohne die früher so hohen Ausgaben für Bauten, eine Steigerung des Fleißes und des Wohlstandes der Bauern, eine größere Liebe zur Scholle und eine Intensivierung der Landwirtschaft - z. B. durch Meliorationen, deren Nutzen die Pächter selbst hatten, ohne eine Steigerung ihres Hufenkanons befürchten zu müssen - waren die segensreichen Folgen einer Vererbpachtung.

Vor allem war es der Wariner Drost von Suckow, der immer wieder mit unermüdlicher Energie auf die heilsame Einwirkung der Vererbpachtung hinwies. Er war wohl damals die stärkste

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reformatorische Persönlichkeit in Mecklenburg. In mehreren Denkschriften und Eingaben warb er für den Gedanken der Vererbpachtung. Auch von anderen Seiten wurde diese Frage immer wieder aufgeworfen, besonders von dem Schwaaner Amtshauptmann Maneke. Die Räte der Kammer standen diesen Vorschlägen verständnislos gegenüber, bedeuteten sie doch eine grundlegende Neuerung.

Nur Friedrich Ludwig erkannte die Richtigkeit der Forderungen, vor allem für die Finanzen des Landes, aber auch für die Bauern selbst. So setzte er sich denn für diese Reform ein gegen den Widerstand seiner eigenen Kammerräte. Er machte sich die Suckowschen und Manekeschen Gedankengänge ganz zu eigen. Zum Verbündeten hatte er bis zu einem gewissen Grade auch Plessen, der aber nicht so stürmisch vorging wie er.

Manekes Vorschläge legten den Keim zu Friedrich Ludwigs Reformgedanken. Aber die Franzosenzeit, die Vertreibung aus dem Lande und die Missionen nach Petersburg und Paris ließen es zuerst noch nicht zu einer Tat kommen. Dann aber, im Sommer 1808, nahm der Erbprinz die Sache in Angriff. Die Not der Zeit erforderte endlich ein tatkräftiges Vorgehen. Am 7. August übersandte er von Doberan aus, wo er mit Suckow die ganze Sache durchgesprochen hatte 145 ), der Kammer eine Denkschrift, in der er darlegte, daß die jetzige Verfassung der Dorfschaften nicht genug Einkünfte ergebe, da die Holz- und ähnlichen Lieferungen die Einnahmen wieder aufzehren 146 ). Die "Industrie" der Bauern werde gelähmt, die "natürliche Faulheit" genährt. Alles dieses könne behoben werden, wenn der Herzog sich entschlösse, den Bauern ihre Höfe in Erbpacht zu geben. Das könne natürlich nicht auf einmal geschehen. Für die nächsten Jahre sei noch kein Überschuß zu erwarten, trotzdem sei die Sache aber schon in Angriff zu nehmen. Inventarien und Einsaaten seien den Bauern käuflich oder zum Zinsabtrag zu überlassen. Die Kammer werde an dem ganzen Verfahren an Holz, an Baumaterialien und an Überwachung der Brandschäden Erhebliches sparen. Im übrigen seien Lauenburg und Holstein mit "ruhmwürdigem Beispiel" vorangegangen und mit Erfolg belohnt worden. Ein Widerstand der Stände sei nicht zu erwarten. Jetzt falle gerade Diedrichshagen aus der Pacht. Die Kammer habe dem Herzog die Ansetzung eines dritten Bauern vorgeschlagen,


145) Witte a. a. O. I, S. 172 f.
146) AS Kab. Vol. 58, Einführung von Vererbpachtungen 1808. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 7. 8. 1808. - Witte a. a. O. I, S. 173.
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er habe diese Eingabe aber nicht mitunterschrieben, weil er glaube, daß statt dieser Ansetzung es praktischer sei, den jetzigen beiden Bauern die Feldmark in Erbpacht zu geben. Ein Vererbpachtungsanschlag ergebe ein "bedeutendes Plus". Dem Dorfe Diedrichshagen könne dann bald der kleine Hof Hütten folgen. Er wolle dem Herzog über die Angelegenheit Vortrag machen, benachrichtige aber hiermit in kollegialer Weise die Kammer mit der Bitte um Prüfung und Begutachtung des beiliegenden Vertragsentwurfes.

Die Kammer antwortete am 19. August in einem längeren Schreiben 147 ) eingehend und kam schließlich mit der Bitte um Aufschub der neuen Einrichtung. Sie mußte allerdings ehrlicherweise zugeben, daß nach den in Lauenburg eingezogenen Erkundigungen dort tatsächlich die Neuregelung gute Erfolge gehabt habe.

Der Erbprinz antwortete am 19. September aus Doberan 148 ). Er könne wegen einer kurz bevorstehenden Reise - er reiste am nächsten Tage zum Erfurter Fürstentag - nicht so genau auf alles eingehen. Wenn aber auch die Kammer mehr gegen als für das Projekt der Vererbpachtung sei, so solle doch der von ihm vorgeschlagene Versuch mit Diedrichshagen gemacht werden. Auch solle die Einrichtung der dritten Bauernstelle, die inzwischen in Angriff genommen war, nicht weiter durchgeführt werden, sondern der für sie vorgesehene Bauer, der bisherige Pächter von Hof Hütten, solle als Entschädigung Hütten in Erbpacht erhalten.

Die Kammer stimmte dem Erbprinzen wiederum nicht zu. Und so erging am 8. November 1808 jener denkwürdige, auch von Friedrich Ludwig mitunterzeichnete Bericht an den Herzog: "Die Frage, ob eine Vererbpachtung der Bauerngehöfte in den Domanial-Dörfern Ew. Herzoglich. Durchlaucht Höchstem Interesse beförderlich sei, ist seit mehreren Monaten ein Gegenstand theoretischer Untersuchung des Kammer-Kollegii gewesen. Die Majorität des Kollegii bezweifelt den Nutzen sowohl als die Möglichkeit einer allgemeinen Anwendung einer solchen Maßregel. Nach erwogenen Gründen und Gegengründen wünsche indessen ich, der Präsident und Chef des Kollegii, daß ein Versuch mit dem Dorfe Diedrichshagen ... gemacht werden möge, mithin bis nach erlangter praktischer Gewißheit über Nutzen und Schwierigkeiten kein Dorfs-Contract in bisherigem Maß auf Zeitpacht erteilt werden dürfe." Dem letzten stimmten die übrigen Kammermitglieder zu, "da das Höchste Interesse und die Erfindung nützlicher


147) AS a. a. O. - Witte a. a. O. I, S. 174 ff.
148) AS a. a. O. - Siehe Witte a. a. O. I, S. 177.
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Wahrheiten allewege nur Ziel unserer Bemühungen sein können." Also bitte die Kammer um den Entscheid des Herzogs 149 ).

Dieser, vom 10. November 150 ), fiel so aus, wie Friedrich Ludwig es wünschte: der Herzog genehmigte den Versuch mit Diedrichshagen und später mit einem größeren Dorfe, ebenso die vorgeschlagene Maßnahme mit den Pachtprolongationen.

Nun war Friedrich Ludwig am ersten Ziele. Das Eis war gebrochen. Der Versuch mit Diedrichshagen wurde gemacht und bewährte sich durchaus. 1809 folgte Dümmerhütte, ein größeres Dorf, mit dem gleichen Erfolge.

Der Erbprinz arbeitete in der eingeschlagenen Richtung unermüdlich weiter. So fügte er z. B. auch einmal im April 1812 einer Kammereingabe über das Ausderpachtfallen der ganzen Dorfschaft Teschow 151 ) die handschriftliche Bitte bei: "Ich unterstehe mich so untertänigst wie angelegentlichst, um die gnädigste Entscheidung für die Vererbpachtung zu bitten." Und so mehrten sich ganz langsam die Vererbpachtungen zum Segen für die Bauern und zum Nutzen für die herzoglichen Kassen. Doch der Widerstand der Kammer blieb noch lange bestehen. Aber Friedrich Ludwig wachte über sein Werk, das zwar durch die Kriegsjahre einige Unterbrechung erfuhr. Schon am 18. März 1815 konnte er an den Geheimen Rat von Oertzen in Bützow, der ein Parteigänger des Erbprinzen war, schreiben, daß die Vererbpachtungen "auf das wahre Wohl des Bauernstandes einen durchgreifenden Einfluß" haben werden, sich auch bereits in verschiedenen Ämtern vorteilhaft bewährt haben 152 ). Und am 21. November 1818 mußte die Kammer in einem vom Herzog angeforderten Bericht 153 ) über die Lage der Domanialbauern gestehen, daß alle bisherigen Erbpachtversuche trefflich gelungen seien, daß dort überall, wo Bauerngehöfte disponibel seien, die Erbpacht eingeführt werde, und daß der Andrang zu solchen Stellen unglaublich groß sei.

Die Bemühungen Friedrich Ludwigs hatten dann schließlich sogar den Erfolg, daß bald nach seinem Tode der Großherzog das Reskript "Zur Förderung der Vererbpachtung aller Bauernhufen"


149) AS Kab. Vol. 58. Verpachtungen. Allg. - Siehe Witte a. a. O. I, S. 179.
150) AS a. a. O. - Siehe Witte a. a. O.
151) AS Kab. Vol. 63. Teschow 1812. Nr. 1. Kammer an Herzog 4. 4. 1812.
152) AS Kab. Vol. 56 a. Rückstände. 1815. Friedrich Ludwig an Oertzen 18. 3. 1815.
153) AS Kab. Vol. 58. Verpachtung 1816/36 Nr. 32. Siehe Witte a. a. O. I, S.185 f.
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erließ 154 ). In den folgenden Jahren wurde dann zwar langsam, aber planmäßig fast allgemein die Vererbpachtung weiter in Angriff genommen.

Für die Zeitpächter setzte sich Friedrich Ludwig nach den schlechten Jahren seit dem Franzoseneinfall, die eine so große Pachtgeldsenkung gebracht hatten, für verschiedene Pachtbedingungserleichterungen ein. So erreichte er besonders 1811, daß die gebräuchlichen schweren Pachtbedingungen in erheblichem Maße gemildert wurden 155 ).

Sodann widmete Friedrich Ludwig seine besondere Aufmerksamkeit einem anderen Übelstande in der Domanialverwaltung: der Interimswirtschaft und ihren wertmindernden Folgen. Es war Sitte, daß, wenn ein Bauer innerhalb der Pachtperiode seines Hofes starb und die Witwe wiederheiratete, dieser zweite Mann die Verwaltung der Pachtung zu eigenem Recht antrat unter Ausschaltung der Rechte des Anerben 156 ). Mitunter war dieses Verwaltungs- und Nutznießungsrecht nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt beschränkt, in der Regel dauerte es bis zur Volljährigkeit des rechtmäßigen Erben. Einen solchen Verwalter bezeichnete man als Interimswirt. Bei der Volljährigkeit des Erben fand dann eine Versetzung des Interimswirtes aufs Altenteil und eine Abfindung der Kinder, auch der aus der zweiten Ehe, statt, beides zu Lasten des Hofes. Die Abfindung bestand meist in Inventarstücken, z. B. Vieh, bei den Söhnen auch mitunter in Geld. Beides bedeutete natürlich eine große Wertminderung und Belastung des Hofes zuungunsten des Besitzers, also letztlich des Herzogs.

Das Verbot solcher Interimswirtschaften war schon von mehreren Seiten angeregt. Aber erst dem Draufgänger Suckow blieb es vorbehalten, in seiner Denkschrift über die Abtragung der herzoglichen Schulden vom 10. Juni 1808 157 ) die Sache wieder zur Sprache zu bringen, so daß der Erbprinz sich veranlaßt sah, die Abschaffung der Interimswirtschaften energisch zu betreiben. Denn er erkannte ihre großen Nachteile. Am Schlusse seiner Denkschrift vom 7. August 1808 über die Vererbpachtung erinnerte er die Kammer daran, daß vor dem Franzoseneinfall ein Plenumbeschluß dahin entschieden habe, die Interimswirtschaft gänzlich abzuschaffen. Er bitte um Befolgung dieses Beschlusses, denn es


154) Bilguer a. a. O., S. 45.
155) AS Kab. Vol. 58. Verpachtungen 1810/36. Friedrich Ludwig an Herzog 25. 10. 1811. - Siehe auch Witte a. a. O. I, S. 182.
156) Vgl. Balck, Finanzverhältnisse I, S. 91. - Witte a. a. O. I, S. 129.
157) AS Kab. Vol. 56. Meliorationen.
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kämen noch immer Gesuche um Gestattung von Interimswirtschaften an das Kabinett 158 ).

Darauf entgegnete die Kammer ihrem Präsidenten unter Einsendung mehrerer Voten der verschiedenen Kammermitglieder am 12. August, daß sie durchaus gegen die Aufhebung der Interimswirtschaften sei. Allerdings könnten ja einmal Versuche in Ämtern in der guten Gegend gemacht werden, nicht aber in der sandigen Gegend 159 ).

Das veranlaßte den Erbprinzen, Sturm gegen die Kammer zu laufen. Am 27. August legte er ihr seine Ansichten dar 160 ). Wenn die Einrichtung dieser Wirtschaften auch schon Jahrhunderte bestanden habe, so sei das doch kein Grund, sie nicht nach neueren Grundsätzen abzuändern. Die Erfahrung habe gelehrt, daß die Anstellung der Interimswirte den häuslichen Wohlstand untergrabe. Die kostspielige Ausstattung der aus verschiedenen Ehen stammenden Kinder und die Versorgung des abgehenden Interimswirtes falle dem Gehöfterben zu und bringe Unfrieden in die Familie. Auch arbeite der Interimswirt für sich und seine Kinder und nicht für den rechtmäßigen Erben. Wenn auch bei einer Lizitation solcher Höfe kein Gewinn für die herzoglichen Kassen herauskomme, so sei es ja auch vielmehr die Pflicht des Landesherrn, den größtmöglichen Wohlstand unter allen Klassen seiner Untertanen zu befördern. "Wo der Untertan reich ist, gereicht es allemal zum Nutzen des Regenten." Schon 1806 habe ein von dem Drosten von Suckow in Warin abgehaltenes Protokoll über die Bitte des Schulzen Simon in Zahrensdorf um Aufhebung der Interimswirtschaften in ihm den Wunsch ausgelöst, solche Aufhebung allgemein durchgeführt zu sehen. Er habe schon damals den vorgebrachten Gründen beigestimmt.

Die Kammer antwortete darauf am 6. September mit der Einsendung von Voten aller Kammermitglieder für Beibehaltung der Interimswirtschaften 161 ).

Der Erbprinz sah sich gezwungen, der Kammer entgegenzukommen. Am 19. September teilte er ihr mit 162 ), daß er nach Lesung der Voten dem beabsichtigten Bericht an den Herzog bei-


158) AS Kab. Vol. 58. Einführung der Vererbpachtung 1808. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 7. 8. 1808.
159) AS Kab. Vol. 58. Abschaffung der Interimswirtschaften.
160) AS Kab. Vol. 58 a. a. O. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan [27. 8.] 1808. - S. auch Witte a. a. O. I, S. 177 f.
161) AS Kab. Vol. 58 a. a. O. Kammer an Friedrich Ludwig 6. 9. 1808.
162) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Kammer, Doberan 19. 9. 1808. - S. auch Witte a. a. O. I, S. 178 f.
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treten werde, aber nur dann, wenn darin die Regel aufgestellt werde, daß in den Fällen, wo bisher Interimswirtschaften aufgestellt wurden, künftig eine interimistische Verpachtung stattfinden solle und ein Interimswirt nur noch als Ausnahme, und zwar nur dort angesetzt werden solle, wo die Erhaltung der nachgelassenen Familie es erfordert. Das kam dann in dem schon erwähnten Kammerbericht vom 3. November zum Ausdruck.

Also wurde die Angelegenheit der Aufhebung der Interimswirtschaft noch lässiger betrieben, trotz der Bemühungen des Erbprinzen, als die der Durchführung der Vererbpachtung aller Höfe. Aber langsam drang doch beides durch, und als Friedrich Ludwig am Ende seines Lebens stand, konnte er mit Befriedigung sehen, wie die Saat, die er auf Suckows Rat in den Boden gelegt hatte, langsam aufging und der Bauernschaft wie dem Herzog zu Nutz und Frommen gereichte.

Auch für energische Durchführung der allgemeinen Abschaffung der Extradienste und für die Separation der Hufen setzte er sich mit Nachdruck ein und förderte beides wesentlich.

Weiterhin war es das Domanialbauwesen, dessen Mißstände den Erbprinzen zu einer Reform veranlaßten. Die Domanialbauten ruhten ausschließlich in den Händen der Amtsbehörden, die nach ihrem Ermessen Anordnungen zu Reparaturen und Neubauten gaben 163 ). Das hatte viele Übelstände mit sich gebracht, weil diese Behörden in ihrer mangelnden Kenntnis in Bausachen nicht in der Lage waren, die beste Bau- oder Reparaturart anzuordnen und deren sachgemäße und sparsame Ausführung zu überwachen. So entstanden den herrschaftlichen Kassen viele unnütze oder falsch angebrachte oder zu hohe Ausgaben für die Domanialbauten. Kammerrat Landdrost von Lehsten legte in einer Denkschrift an den Erbprinzen vom 26. September 1806 über die notwendige Neuregelung des Bauwesens in den Domänen 164 ) eingehend diese Schäden der bisherigen Handhabung des Domanialbauwesens dar mit der Bitte, daß der Erbprinz das, was ihm darin gefalle, sich zu eigen machen und "den Vorwurf der Neuerung auf Sich" nehmen solle. Und das tat Friedrich Ludwig dann auch. Er kopierte - nichts weniger war es - Lehstens Denkschrift unter Weglassung einiger ihm unnötig erscheinender Stellen und legte diese Kopie am 1. Oktober der Kammer vor. Diese Denkschrift "Betreffend die nötigen Vorkehrungen zu einer besseren Directive der Bauten in den Domänen" 165 ) ging davon aus,


163) Balck, Domaniale Verhältnisse I, S. 64.
164) AS Kab. Vol. 49. Baubeamte.
165) AS a. a. O.
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daß es zum Zwecke der Balancierung des Haushalts besser sei, die Ausgaben einzuschränken als die Einnahmen zu steigern. Und da komme vor allem das Domanialbauwesen in Betracht. Durch die Art des Anschlages der Bauprojekte, der Baumaterialien, durch die Art der Aufsicht, Revision und Inventarabnahme bei Neubauten, durch die Aufsicht über Reparaturen und Arbeitsweise ungeschickter und nicht kontrollierter Handwerker durch ungeschulte Beamte oder gar durch die Pächter selbst entstehe dauernd ein außerordentlicher Schade. Alle Bauten seien dadurch mangelhaft und nur von kurzer Lebensdauer. Um diesen Übelstand zum Nutzen der herrschaftlichen Kassen zu beseitigen, schlug der Erbprinz die Befreiung aller Beamten in den Ämtern von allen Bauangelegenheiten und ihre Übertragung an besondere Baubeamte vor, die alle Baupläne, Gebäudeprüfungen, Veranschlagungen, Reparaturanordnungen, Bauaufsichten, Inspektionsreisen usw. zu übernehmen und auszuführen haben. Es seien fünf solche Baubeamte anzustellen und jedem von ihnen ein bestimmter Bezirk des Landes zuzuweisen. Die Oberaufsicht müsse sich die Kammer vorbehalten.

Langsam machte sich diese selbst den Plan zu eigen. Der Herzog genehmigte zwar bald die Anstellung solcher Baubeamten, aber die Anstellung wurde nicht vollzogen 166 ). Im Herbst 1807 wurde die Sache von neuem aufgegriffen, blieb aber wohl hauptsächlich wegen des Geldmangels liegen. Erst gegen Ende des Jahres 1808 wurde die Anstellung wieder erwogen und dann im Herbst 1809 ausgeführt. Es wurden fünf Landbaumeister angestellt. Am 29. April erschien diese Neuregelung als Verordnung 167 ). Bald bewährte sich die neue Einrichtung. Die Mehrausgabe an Gehältern kam durch die umfangreichen Ersparnisse bei dem neuen System reichlich wieder auf. Schon 1810 konnte die Kammer dem Herzog berichten: "Seit Anstellung der Landbaumeister ist nun ein Jahr verflossen und wir haben davon merklichen Nutzen verspürt" 168 ). So war auch hier der Erbprinz die treibende Kraft zu einer Verbesserung gewesen.

Seine Arbeit auf dem Gebiete des Forstwesens ist am allerwenigsten feststellbar. Sie scheint sich hauptsächlich auf Betreibung aller Sparmaßnahmen, wie z. B. Einschränkung der ins


166) Für das Folgende: AS Kab. Vol. 49, Anstellung.
167) Raabe, Gesetzsammlung für die mecklenburg-schwerinschen Lande, 2. Folge I. Bd., Kameralsachen, Parchim und Ludwigslust 1844, S. 133.
168) AS a. a. O. Kammer an Herzog 9. 6. 1810.
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Untragbare gestiegenen Holzdeputate, die "die bekannte Milde" 169 ) des Herzogs immer wieder bewilligte und erhöhte, ferner auf die Einführung der vermehrten Baumsamenzucht zur Ersparnis des auswärtigen Einkaufs des teuren Samens 170 ) und wie überhaupt der vermehrten Neuanpflanzungen und auf ähnliche Verbesserungen beschränkt zu haben. Daneben liefen natürlich dauernd die üblichen, oft recht unangenehmen Personalsachen. Im übrigen lag ihm die Revision der Hauptforstkassenabrechnungen ob, wohl aber mehr in seiner Eigenschaft als Finanzminister 171 ).

Wie Friedrich Ludwig sich, besonders in den Jahren 1808 bis 1812, für den Handel einsetzte, wird im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre im nächsten Kapitel gezeigt werden.

Fast noch mehr als die Vererbpachtung und das Forstwesen interessierte und beschäftigte den Erbprinzen das Postwesen 172 ). Auf seinen zahlreichen Reisen in und außerhalb Deutschlands hatte er Gelegenheit gehabt, das ausländische Postwesen kennen zu lernen und im Vergleich zu ihm die Schäden des mecklenburgischen zu erkennen und daraus die Folgerung für Verbesserungen zu ziehen.

Seine erste umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiete des Postwesens fällt in das Jahr 1809. Am 7. November legte er seinem Kammerkollegium eine Denkschrift 173 ) über eine Neuordnung der Bearbeitung des Postressorts in der Kammer vor, in der er vorschlug, einen der Kammerräte innerhalb des Kollegiums zum General-Postdirektor zu machen oder vielmehr besonders durch den Herzog dazu ernennen zu lassen. Diesen General-Postdirektor solle dann die Oberaufsicht über alle Postangelegenheiten im einzelnen beschäftigen. Einen anfänglichen Widerstand der Kammer besiegte der Erbprinz bald. Ein im Sinne der Denkschrift verfaßter Vortrag ging an den Herzog. Dieser genehmigte die Vorschläge unter dem 6. Januar 1810 und bestimmte durch Verordnung vom 4. März 1810 die Errichtung des General-Postdirektoriums und ernannte den Geheimen Kammerrat und Landdrost von Lehsten, Friedrich Ludwigs Referenten in der Kammer, zum General-Postmeister 174 ). Wenn Lehsten auch im allgemeinen eine


169) AS Kab. Vol. 190. Holzdeputate 1814/46. Nr. 2. Kammer an Herzog 8. 10. 1814.
170) AS Kab. Vol. 172. Sammlung von Samen 1808.
171) AS Kab. Vol. 188. Hauptforstkasse. Rechnungsablegung.
172) Friedrich Ludwigs Arbeit auf dem Gebiete des Postwesens ist dargestellt in: C. Moeller, Geschichte des Landes-Postwesens: Jahrbuch 62. Im folgenden deshalb nur kurz die Hauptzüge.
173) Abgedruckt bei Moeller a. a. O., S. 260 f., vgl. auch S. 315 f.
174) Moeller a. a. O., S. 262.
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verhältnismäßig große Handlungsfreiheit genoß, so lag doch bei allen wichtigen Dingen die letzte Entscheidung beim Kammerpräsidenten, besonders dann, wenn die Ansichten der Kammerräte auseinander gingen. Auch mit Friedrich Ludwig war sich Lehsten durchaus nicht immer einig, da jener als Kammerpräsident bemüht war, die oberste Leitung des Postwesens stets in Händen zu behalten. Aber infolge vieler anderer Arbeiten und Reisen des Erbprinzen gelang es Lehsten doch langsam, sich unabhängiger zu machen.

Die ersten unruhigen Zeiten ließen dem General-Postmeister keine Gelegenheit, das zum Teil sehr veraltete Postwesen zu verbessern. Als dann mit der Befreiung Deutschlands bessere Verhältnisse eintraten, machte der Großherzog, hinter dem natürlich sein ältester Sohn als die eigentlich treibende Kraft stand, auf die Notwendigkeit einer gründlichen Reform des Postwesens aufmerksam 175 ). Eine Revision deckte die trostlosesten Verhältnisse auf. Sogleich ging Friedrich Ludwig an die Arbeit. Kurz bevor er zum zweiten Male an der Spitze der Truppen nach Frankreich zog, schlug er in einem Bericht vom 5. Juli 1815 176 ) dem Großherzog vor, zur Prüfung und Feststellung aller notwendigen Verbesserungen im Postwesen eine Kommission von fünf Personen einzusetzen, die zu Ende des Jahres ihre Arbeit aufzunehmen habe. Die Vorschläge des Erbgroßherzogs fanden völlige Billigung. Besonderes Interesse brachte er der Arbeit der Kommission hinsichtlich einer neuen Gebührenvorschrift entgegen, wobei er denn auch seine Reformpläne durchsetzte. Die Vorschrift wurde zwar festgesetzt, dann aber später infolge des Todes Friedrich Ludwigs, ihres hauptsächlichsten Beförderers, nicht eingeführt. Auf dem Gebiete des Post-Kurswesens gelang es aber Friedrich Ludwig bald, wesentliche Verbesserungen durchzusetzen 177 ).

Bei allen diesen Arbeiten hatte er oft große Widerstände zu überwinden. Ganz besonders war es Lehsten, der sich auf seinem Gebiet nichts sagen lassen wollte. Aber Friedrich Ludwig setzte sich doch langsam durch, wenn ihn auch noch so sehr das "Unglück" verfolgte, das aber "doch den Nutzen für mich hatte, daß, wenn es auch mein Blut nicht abkühlte, ich doch nicht mehr in den Fehler der Heftigkeit verfalle und, wenn auch mit Wärme, doch mit Gründen meine Widersacher bekämpfe". Lehsten wolle, so klagte er im März 1818 seinem Vater, wieder einmal alles


175) Moeller a. a. O., S. 282.
176) Moeller a. a. O., S. 282 ff.
177) Moeller a. a. O., S. 285, 286 f., 306 f., 311 f.
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hintertreiben. Aber, "da ich es einmal unternommen habe, unser mangelhaftes Postwesen auf einen anderen Fuß zu bringen, so werde ich auch alle Kraft anwenden, meinen Zweck zu erreichen, und jedes neue Hindernis soll mir neuer Sporn sein, denselben bis ans Ziel zu verfolgen. ... Nach allem Unglück, was mich betroffen, ist dies meine einzigste Freude und Beruhigung, und bis ans Ende meines Lebens will ich suchen, meines Vaterlandes würdig zu werden und zu bleiben" 178 ).

Kapitel VI.

Jahre des Friedens;
zweite Heirat (1808 - 1812).

Nach den Sturmjahren 1806 und 1807 kam wieder eine Zeit des Friedens. Die französischen Truppen verließen das Land. Mecklenburg hatte sich zwar mit größtem Widerwillen und erst so spät wie möglich unter das Joch des Rheinbundes gebeugt, jetzt aber konnte man doch fürs erste in Frieden leben und an den Wiederaufbau des Landes denken.

Es waren in der Verwaltung des Landes viele gute Ansätze durch den Franzoseneinfall vernichtet worden. Es galt nicht nur diese wieder aufzurichten, sondern darüber hinaus die nun noch wesentlich schwieriger gestalteten Finanzen in Ordnung zu bringen. Wenige Tage nach der Rückkehr aus Erfurt, am 7. Dezember 1808, ernannte der Herzog, wie schon erwähnt, im Rahmen der Wiederaufbauarbeit den Erbprinzen zum Finanzminister.

Auch für Friedrich Ludwig selbst schien eine neue Zeit des Glückes zu kommen. Sein schon lange gehegter Wunsch, seinen beiden Kindern Paul Friedrich und Marie eine Mutter wiederzugeben, reifte zu einem Entschluß 179 ). Er hatte sein Augenmerk seit einiger Zeit auf Prinzessin Caroline, die Tochter des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar, gerichtet. Nach früheren flüchtigen Begegnungen lernten sich der Erbprinz und die Prinzessin


178) AS Acta Postarum. Generalia Vol. IV. 1810 - 1860, Fasz. 3. Friedrich Ludwig an Großherzog 5. 3. 1818.
179) Über die zweite Heirat Friedrich Ludwigs s. u. a.: Lilly von Gizycki, Eine deutsche Fürstentochter: Deutsche Fürstinnen, Berlin 1893, S. 25 ff. - Carl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette (1774 - 1813), hsg. von H. Düntzer, Jena 1858, S. 229 u. a. - C. Schröder, Caroline, Erbprinzessin.
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in den Weimarer Tagen vor und nach dem Erfurter Fürstentag näher kennen. Aber erst mit der Reise nach Berlin im Dezember 1809 zur Begrüßung des zurückkehrenden Königspaares verband der Erbprinz dann den entscheidenden Besuch in Weimar. Am 14. Januar 1810 fand die Verlobung statt 180 ). Zu seiner Freude erkannte Friedrich Ludwig bald mehr und mehr, daß er für eine Wiedervermählung keine glücklichere Wahl als diese hätte treffen können. Caroline genoß überall die größten Sympathien durch ihr ruhiges und würdevolles Auftreten und ihr verständnisvolles Urteil über alle Dinge des geistigen Lebens, für das sie, durch Goethe, Wieland und die anderen großen Weimarer angeregt und stets gefördert, zeitlebens großes Interesse bewahrte. Am 1. Juli fand in Weimar die Hochzeit, Mitte des Monats der Einzug in Schwerin und in Ludwigslust statt.

Bald fand sich die Erbprinzessin in ihre neue Umgebung und neuen Tätigkeitskreis. Mit der ihr eigenen ernsten Auffassung ihrer Pflichten vermochte sie, die nun die "Dame des Hauses" am Hofe war - die Herzogin war am 1. Januar 1808 gestorben - , die Führung der Hofgesellschaft zu übernehmen. Ein Kreis geistig interessierter Damen und Herren, meist Beamte des Hofes, versammelte sich fast täglich um sie, und, obgleich sie an die Kultur des Goetheschen Weimar gewöhnt war, wußte sie auch in diesen Kreis von "Vandalen", wie Henriette von Knebel, ihre Hofdame, die Mecklenburger nannte, Sinn und Liebe für Kunst und Literatur zu bringen und das Hofleben, das durch die Lebensart des Herzogs einem wenig vornehmen Ton der Leichtlebigkeit anheimzufallen drohte, wohltätig zu beeinflussen.

Noch in der Weimarer Zeit der Hochzeit trat eine wichtige politische Frage an Friedrich Ludwig heran.

Seit dem Mai 1809 regierte in Schweden König Karl XIII., der Bruder des früheren Königs Gustav IV. Adolf, der infolge eines unglücklichen Krieges mit Rußland hatte abdanken müssen. Karl XIII. war kinderlos und hatte den Prinzen Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg als Thronerben adoptiert. Dieser starb aber bereits am 18. Mai 1810, wie man sagte, durch Gift. Bei der Suche nach einem neuen Thronfolger erhielt der Fürst von Putbus auf Rügen von seiner Regierung in Stockholm - Westpommern und Rügen waren damals ja noch schwedisch -


180) Über die Verhandlungen betr. die Heirat s.: AS Kab. Vol. 337 und HausAS, Matrim. Heirat II. - E. von Bojanowski, Louise, Großherzogin von Sachsen-Weimar, und ihre Beziehungen zu den Zeitgenossen, 2. Aufl., Stuttgart und Berlin 1905, S. 332 ff.
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den Auftrag, bei Friedrich Ludwig anzufragen, ob er bereit sei, schwedischer Thronfolger zu werden 181 ).Malte, Fürst und Herr zu Putbus, hatte den Erbprinzen gelegentlich einer Badereise nach Doberan im Sommer 1809 kennen gelernt. Allmählich verband ihn eine engere Freundschaft mit dem herzoglichen Hause, dem er im Herbst desselben Jahres mit seiner Gemahlin einen Besuch in Ludwigslust abstattete. Der Fürst, der vielleicht sogar selbst den Erbprinzen in Stockholm für die Thronfolge in Vorschlag gebracht hatte, wandte sich durch Vermittlung des Prinzen Gustav, mit dem er besonders befreundet war, also im Sommer 1810 an Friedrich Ludwig wegen Übernahme der Thronfolgerschaft. Wenige Tage nach der Hochzeit, am 5. Juli, antwortete der Erbprinz dem Fürsten. Und zwar glaubte er die Aufforderung ablehnen zu müssen, drückte sich aber noch nicht ganz bestimmt aus. Erst am 19. Juli, einen Tag nach seinem Einzug in Schwerin, und nachdem er sich sogleich mit der Regierung über das schwedische Angebot besprochen hatte, sandte er die endgültige und bestimmte Absage an den Fürsten. In dem französisch geschriebenen Briefe 182 ) heißt es: "Nach reiflicher Überlegung finde ich, lieber Fürst, daß ich das mir gesteckte Ziel nicht erreichen kann, wenn ich ein gewisses Anerbieten nicht entschieden ablehne. Ich begreife, daß es nicht möglich sein wird, auf den zurückzukommen, der das gute Recht hat 183 ), ich sehe, daß in Anbetracht der Verhältnisse dies auch nicht einmal zu wünschen ist, aber er hat einen Sohn 184 ). Ich gestehe, daß ich einen Augenblick daran gedacht habe, daß man mir erlauben könnte, die Rolle eines Vormunds für ihn zu übernehmen, aber ich sehe, dies wird unmöglich. Sein Erbe für mich und meinen Sohn anzunehmen, ist so sehr gegen meine Sinnesweise, daß nichts in der Welt mich zu diesem Schritte veranlassen würde, solange jenes Kind lebt. Obwohl ich selbst nur ein kleiner Fürst bin, so scheint es mir doch, als dürfe ein Mann unseres Standes aus Grundsatz niemals diese Absetzbarkeit anerkennen. Ich könnte von demselben heute Vorteil haben, aber mein Sohn müßte vielleicht einst die Strafe erleiden, wenn er sich ebenso behandelt sähe. Ich wünsche, daß alles, was ich ihm nach meinem Tode hinterlasse, legitim sei. So verzichte ich von Herzen auf die mir eröffnete Aussicht."


181) Vgl. Spreer, Malte, Fürst und Herr zu Putbus, Berlin 1886, S. 21.
182) Nach der Übersetzung bei Spreer a. a. O.
183) Exkönig Gustav IV. Adolf.
184) Prinz Wasa.
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Es sind leider keine weiteren Briefe oder Aufzeichnungen über dies schwedische Thronfolgerangebot erhalten, die näheren Aufschluß über die im Regierungskollegium über das Angebot gepflogenen Verhandlungen geben könnten. Es werden nicht nur Erwägungen der Legitimität gewesen sein, denen zufolge der Erbprinz ablehnte, denn seinem früher so oft gezeigten Ehrgeiz nach einer Rangerhöhung seines Hauses bot sich hier ja eine gute Gelegenheit der Erfüllung. Vielmehr übersah er mit klarem Blick die Gefahren und Mühen, denen er später auf dem schwedischen Throne ausgesetzt gewesen wäre. Und er kannte auch trotz seiner so oft bewiesenen leichten Hoffnungsfreudigkeit die Grenzen seiner politischen Fähigkeiten und seiner Arbeitskraft. Darum lehnte er ab. Denn auf den umkämpften schwedischen Thron gehörte ein energischer, ja rücksichtsloser Fürst. Und einen solchen, der sich allerdings um die Idee der Legitimität nicht weiter kümmerte, fanden die Schweden auch bald in Bernadotte, dem französischen Marschall, der am 21. August zum Thronfolger proklamiert wurde.

Nach seiner Rückkehr aus Weimar nahm der Erbprinz in verstärktem Maße seine Tätigkeit in seinen Ämtern wieder auf. Die innere Lage des Landes hatte sich seit einiger Zeit wieder durch die vermehrten Truppendurchzüge und durch die Wirkungen der Kontinentalsperre wesentlich verschlimmert 185 ).

Die Kontinentalsperre 186 ) hatte zwar nicht den Handel mit sämtlichen Seehandelswaren unterbunden, sondern nur den mit englischen und zeitweise mit schwedischen, aber die dauernde Belästigung der ein- und ausfahrenden Schiffe durch französische Kaper, oft ohne jede Berechtigung und aus fingiertem Grund,


185) Wenn Goethe (Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, Tagebücher 4. Band: 1809/12, Weimar 1891, S. 150) unter dem 28. August 1810 in seinem Tagebuch vermerkt: "Mit Prinz Friedr. v. Mecklenb. ... zu Tafel." und im Register zu den Tagebüchern dieser Vermerk als auf Friedrich Ludwig bezüglich registriert ist, so wäre dieser Tagebucheintrag die einzige Nachricht von einer Reise des Erbprinzen nach Weimar zu dieser Zeit. Weder im AS noch im HausAS ist sie nachweisbar. Es besteht Grund zur Annahme, daß der Tagebucheintrag irrig, d. h. eine Verwechslung ist. Goethe kann vielleicht Prinz Gustav gemeint haben, über dessen Aufenthalt in jenen Tagen Gegenteiliges nicht bekannt ist. - Auf Prinz Gustav bezieht sich auch die in Goethes Werken a. a. O. im Register fälschlich auf Friedrich Ludwig bezogene Stelle im erwähnten 4. Bande S. 162 vom 17. Oktober 1810: "In den Park dem Prinzen von Mecklenburg und Fürst Putbus begegnet." - Prinz Gustav hatte sich nämlich dem Fürsten für eine Italienreise angeschlossen.
186) Vgl. zum folgenden: Fr. Stuhr, Die Napoleonische Kontinentalsperre, S. 325 ff.
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ferner die Erschwerung des Binnenhandels der Seestädte durch schikanöse Visitationen an den Toren und dergleichen mehr gestalteten jeden Handelsverkehr außerordentlich schwierig. Erst von Ende 1810 ab wurde die Ausfuhr von Landesprodukten ganz allgemein verboten. Während der mecklenburgische Seehandel sich vorher für verbotene Absatzgebiete sofort neue gesucht hatte und sogar in der letzten Zeit wieder verhältnismäßig erstarkt war, wurde er jetzt so gut wie ganz lahm gelegt. Die Schiffe verkamen in den Häfen, Verdienstlosigkeit und weiteres Sinken der Getreidepreise wegen des Überangebots brachten Armut und Not. Damals erst kam die schlimmste Zeit, die eigentliche "Franzosenzeit".

Friedrich Ludwig bemühte sich überall, wo er nur konnte, die Not zu lindern. In seiner Eigenschaft als Kammerpräsident und Finanzminister tat er alles ihm von Amts wegen nur Mögliche. Er machte, wo es nötig war, sein Ansehen und seine Bekanntschaft mit den französischen Machthabern dienstbar für Fürsprachen und Gesuche. Der Herzog überließ ihm sogar in der Regel die Führung der Verhandlungen mit den oberen französischen Behörden, weil er sich von seiner gewandten Unterhandlungsart mehr Erfolg versprach als von der oft unbedacht und ungeschickt heftigen Art seiner Minister. Oft erlangte Friedrich Ludwig auf diese Weise das Gewünschte. Es wurde sogar mit der Zeit zur Gewohnheit, daß er alle Briefe an die französischen Behörden für die Regierung und den Herzog entwarf, oft auch selbst unterzeichnete.

Im November 1810 verlangte Napoleon für seine Marine die Stellung von mehreren Hundert mecklenburgischer Matrosen. Die Bedingungen der Aushebung drohten vielen Fischerfamilien, die ihren Ernährer hergeben sollten, zum völligen Ruin zu werden. Besonders wurde das bis vor wenigen Jahren noch wohlhabende Fischland davon betroffen. Der Erbprinz wandte sich sogleich mit einer näheren Darlegung der Angelegenheit an den damals als Gesandten in Paris befindlichen von Lützow, der bei den dortigen Behörden Erleichterungen erwirken sollte. Aber die Bemühungen hatten keinen Erfolg. Als dann im April des nächsten Jahres, 1811, abermals der Auftrag einer Matrosenstellung an die herzogliche Regierung erging und fast unlösbar zu werden schien, legte er in einer Denkschrift vom 26. Mai 187 ) den französischen Konsulatsbehörden in Hamburg die Notlage des


187) Für das folgende: AS Kab. Vol. 253, Matrosenstellung, Fasz. 1810/11 und Fasz. 1811.
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Landes dar und schrieb in diesem Sinne auch schon am 21. April und noch einmal am 12. Juni selbst noch an Marschall Davout in Hamburg und im Juli an Maret in Paris. Einen Erlaß der Stellung der Matrosen konnte er zwar nicht erreichen, wohl aber eine Milderung der Stellungsbedingungen.

Nach dem Tilsiter Frieden und der Wiederinbesitznahme des Landes durch den Herzog waren langsam fast alle französischen Truppen aus dem Lande zurückgezogen worden und nur die Besetzung der Wachtposten an der Küste den Franzosen vorbehalten geblieben. Anfang 1808, als Friedrich Ludwig noch in Paris war, kam dort das Gerücht auf, daß die Aufsicht an der mecklenburgischen Küste, besonders in Wismar, mangelhaft sei. Als sofort eingezogene Erkundigungen günstig ausfielen, bemühte er sich in Paris um eine Befreiung Wismars von der drückenden Besatzung. Am 7. März erhielt dann wirklich der Erbprinz von Napoleon die Mitteilung, daß er die weitere Bewachung der mecklenburgischen Küsten und Häfen den herzoglichen Truppen überlasse. Am 4. Juni zogen die Franzosen nach Pommern ab, die mecklenburgischen Truppen übernahmen die Wache an der Küste und in den Seestädten. Doch dieser Zustand währte nicht lange. 1810 erschienen neue Tarifbestimmungen für Kolonialprodukte, die seewärts, wenn auch auf neutralen Schiffen, eingeführt wurden. Schon kurz vorher wurden aufs neue Truppen ins Land gelegt, weil angeblich die früheren Sperrbestimmungen nicht streng genug durchgeführt worden waren. Die neuen Tarife übertrafen an Höhe alle früheren. Es war klar, daß sie den überhaupt nur noch geringen Seehandel des Landes gänzlich lahmlegen würden. Schließlich wurde sogar französischerseits die Ausfuhr der Landesprodukte überhaupt unterbunden. Das bedeutete das finanzielle Ende der Wirtschaft. Sogleich wandte sich die Regierung an den Conseil special, die in Hamburg befindliche französische Behörde für die Durchführung der Kontinentalsperre. Brandenstein schilderte ihm am 7. Dezember 1810 die trostlose Lage der mecklenburgischen Wirtschaft 188 ). Die Eingabe wurde gar nicht beantwortet. Auf Wunsch Davouts sandte der Erbprinz ihm am 27. Februar 1811 eine Denkschrift über den mecklenburgischen Handel. Sie lehnte sich in allem Wesentlichen, meist sogar wörtlich, an die Eingabe Brandensteins an 189 ).

Diese und ähnliche Bemühungen des Erbprinzen, die auch einer Zulassung wenigstens des Küstenhandels galten, schienen


188) Über die Denkschrift: Stuhr, Kontinentalsperre, S. 354 f.
189) AS Kab. Vol. 227, Handel, Allg. Friedrich Ludwig an Eckmühl [Davout] 27. 2. 1821. - Vgl. Stuhr a. a. O., S. 355.
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anfangs Erfolg zu haben 190 ). Davout ließ sich, wie er vorgab, zur näheren Prüfung der Wünsche des Erbprinzen ein Verzeichnis der mecklenburgischen Schiffe und Seeleute senden 191 ). Aber der wahre Grund für die Anforderung der Liste war, daß der Marschall eine Übersicht über die Matrosen und Schiffe erhalten wollte, um danach Matrosenaushebungen oder vielmehr, wie es dann wenige Zeit darauf geschah, gewaltsame Matrosenaufhebungen für die französische Marine zu veranstalten.

Aber alle Bemühungen des Erbprinzen konnten das Fortschreiten der Verelendung des Landes nicht aufhalten. Viele Gutsbesitzer und Domänenpächter gerieten in Zahlungsschwierigkeiten, weil sie wegen des infolge der Ausfuhrsperre ständig sinkenden Wertes des Getreides nicht einmal die Zinsen geliehener Kapitalien bezahlen konnten. Eine Unzahl von Konkursen brachte weite Kreise der Bevölkerung in Not. Schon im Dezember 1806 hatte man seine Zuflucht zu einem Generalindult, d. h. zu einer allgemein gültigen Zahlungsstundung zinstragender Kapitalien, nehmen müssen. Viel hatte dieser Indult, der bis Ende 1808 dauerte, nicht genützt. Er untergrub den Kredit. 1809 war eine geringe Besserung eingetreten. Aber dann brachten die verschärften Bestimmungen der Kontinentalsperre abermals eine außerordentliche Verschlechterung des Geldmarktes mit sich. Im Mai 1811 baten die Stände wieder um einen Indult, wurden aber abschlägig beschieden. Auch der Erbprinz stimmte gegen die Erteilung 192 ). Er fürchtete, daß im andern Falle der Kredit des Landes wieder zu sehr sinken würde. Man sah eine Milderung der Konkursordnung vor, die dann aber auch nicht viel half. Das Elend unter den Landbewohnern wurde zusehends größer und drohte zu einer allgemeinen Katastrophe zu werden. Schon im Dezember sahen sich der Herzog und die Regierung gezwungen,


190) AS Kab. Vol. 203, Korrespondenz mit Eckmühl [Davout] und d'Hastral (IV/V. 1811). Friedrich Ludwig an Eckmühl [12. 4. 1811] und ebenso 16. 4. 1811. - Vgl. W. Decker, Die Napoleonische Kontinentalsperre und ihre Wirkungen in Rostock, Diss. (Masch.-Schr.), Rostock 1922, S. 101 f.
191) AS Kab. Vol. 203 a. a. O. Friedrich Ludwig an Eckmühl 21. 4. 1811 und Schwerin 3. 5. 1811 und 5. 5. 1811 mit anliegender Matrosenliste. Daselbst auch die Antworten Davouts und d'Hastrals. - Rostocker Ratsarchiv, Ratsprotokolle, S. 8641, Nr. 5, 2. Abs. (10. 4. 1811). Von Oertzen hat dem Bürgermeister berichtet, daß der Erbprinz sich bei Davout um freie Küstenschiffahrt bemühe.
192) Tagebuch Friedrich Ludwigs für die Zeit vom 29. 5. 1811 bis 31. 8. 1813, im HausAS Varia domestica Friedrich Ludwig, hsg. von C. Schröder im Jahrbuch 65 (1900), S. 150 f., 150 Anm. 1, 152 f.
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dem erneuten Drängen der Stände nach Gewährung eines Indults nunmehr zu willfahren. Diesmal stimmte auch der Erbprinz für diese Maßregel, doch "nur mit blutendem Herzen, weil selbige die schrecklich unglückliche Lage unseres Landes bezeichnet, und ich allemal einen Indult als ein verzweiflungsvolles Mittel betrachte. Gott wende doch einmal einen Gnadenblick auf mein armes Vaterland." Die Regierung verfuhr bei den Ausfertigungen des Indults an die Stände so ungeschickt, daß Friedrich Ludwig sich gezwungen sah, einzugreifen und eine Änderung des Erlasses zu veranlassen 193 ). Dieser Indult wurde später immer wieder verlängert und blieb bis 1828 bestehen. Auch dem Erbprinzen selbst kam seine Gewährung sehr gelegen. Sein 1802 gekauftes Gut Plüschow mit den Nebengütern verursachte ihm schon seit längerem große geldliche Verlegenheiten. Er trat in Unterhandlungen mit einem reichen Hamburger zwecks Verkaufs 194 ). Aber alle Bemühungen, die Güter zu gutem Preise abzustoßen, mißlangen. Friedrich Ludwig mußte nach einem anderen Mittel der Geldbeschaffung Ausschau halten. Durch seine Eigenschaft als Kammerpräsident bot sich ihm eine günstige, allerdings in ihrer Verbindung von Staats- und Privatfinanzen eigentümliche und bedenkliche Gelegenheit. Er schlug dem Herzog nämlich vor, ihm zu gestatten, von wohlhabenden Pächtern eine Anleihe in Form einer Vorauszahlung eines beträchtlichen Teils des Pachtgeldes aufzunehmen. Der Herzog erlaubte es 195 ). Als erster Pächter wurde der Pensionär Bühring in Groß-Rogahn bei Schwerin dafür ausersehen. Der Versuch glückte. Bühring bezahlte eine beträchtliche Summe. Schon nach wenigen Wochen bat Friedrich Ludwig seinen Vater, dieses Anleihesystem weiter ausdehnen zu dürfen 196 ). Der Herzog verfügte sogleich wunschgemäß an die Kammer, daß auch sogar Güter ohne Licitationen an solche Pächter vergeben werden dürften, die sich verpflichteten, wenigstens die Hälfte des jährlichen Pachtgeldes für die ganze Pachtperiode oder doch den größten Teil derselben auf einmal im voraus zu bezahlen 197 ).


193) Tagebuch, Eintrag vom 23. 12. 1811, S. 189.
194) Tagebuch, S. 161 f.
195) AS Kab. Vol. 343 Groß-Rogahn. Herzog an [Kammer], Doberan 21. 8. 1811.
196) AS a. a. O. 1811. Erbprinz an Herzog 26. 9. 1811. Siehe Tagebuch S. 174.
197) AS a. a. O. Herzog an Kammer 27. 9. 1811. Konzept von Friedrich Ludwigs Hand. Hierauf bezieht sich wohl der Tagebucheintrag vom 29. 9. 1811 (s. Tagebuch S. 174).
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In enger Verbindung mit den Lasten der Handelssperre standen jene an Geld und Naturalien, die dem Lande durch die dauernden Durchmärsche, durch den fortgesetzten Wechsel im Bestande der im Lande liegenden französischen Truppen und ihre vielen Umquartierungen erwuchsen. In rastloser Tätigkeit, bei der der Herzog ihm viel freie Hand ließ, versuchte der Erbprinz die Nöte des Landes zu lindern. Die zahlreichen in den Akten befindlichen Konzepte von seiner Hand zu Briefen an den Marschall Davout in Hamburg und andere französische Behörden zeigen seine unermüdlichen Bemühungen.Im Frühjahr 1812 bot sich dem Erbprinzen wieder Gelegenheit zu einer größeren politischen Reise. Mitte Mai kam Napoleon auf seiner Reise zur Armee, die sich auf dem Zuge nach Rußland befand, in Dresden an. Am 16. machte sich Friedrich Ludwig auf Befehl seines Vaters auf den Weg nach Dresden, um dem Kaiser im Namen des Herzogs seine Aufwartung zu machen. Am 19. Mai traf er dort ein und nahm Wohnung bei seinem sich seit einigen Tagen dort aufhaltenden Schwiegervater, Herzog Carl August von Sachsen-Weimar 198 ). Am 20. bereits wurde er vom Kaiser empfangen, der ihn durchaus zuvorkommend behandelte. Am nächsten Tage, nach dem Abendessen, unterhielt sich Napoleon lange mit dem Erbprinzen, sprach zuerst von Mecklenburg und kam dann darauf, daß Prinz Carl 199 ), des Erbprinzen Bruder, im Falle eines russisch-französischen Krieges den russischen Militärdienst verlassen und nach Hause zurückkehren müsse. Der Erbprinz antwortete, daß dies schon von seinem Bruder verlangt worden sei. Das genügte dem Kaiser nicht, der Erbprinz solle an den Zaren und an den Prinzen schreiben, weil er, Napoleon, nicht zugeben könne, daß ein Prinz aus einem verbündeten Hause die Waffen gegen ihn trage. Er würde ihn sonst seines Ranges als Prinz von Mecklenburg und des Rechts der Thronnachfolge für verlustig erklären 200 ). Die Forderung des Kaisers war durchaus berechtigt. Am andern Tage machte Friedrich Ludwig einen Besuch bei


198) Für das folgende: Tagebuch S. 203 ff. Nähere Berichte fehlen. Vgl. Albert Vandal, Napoléon à Dresde: Revue de Paris I, S. 286. - Hermann Freiherr von Egloffstein, Carl August auf dem Fürstentag zu Dresden 1812: Deutsche Rundschau, Band CXXIX (1906), S. 69 - 90. - Zur Geschichte des Fürstentages in Dresden 1812, Briefe und Aufzeichnungen Carl Augusts, mitgeteilt von Hermann Freiherrn von Egloffstein, Hist. Zeitschrift 121, S. 268 ff., 274, 280 f.
199) Nicht Prinz Paul, wie Egloffstein, Zur Geschichte ..., S. 280, Anm. 3.
200) Tagebuch, S. 205. - Egloffstein, Carl August, S. 88. - Derselbe, Zur Geschichte ..., S. 280.
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Maret, dem französischen Minister des Auswärtigen, der die Besorgung der Briefe an den russischen Kaiser und Prinz Carl übernahm.

Nach den Dresdner Tagen weilte der Erbprinz zur Kur in Karlsbad und Franzensbad.

Mitte November 1812 trafen in Ludwigslust die ersten besorgniserregenden Nachrichten von dem Schicksal des mecklenburgischen Kontingents in Rußland ein. In trauriger Stimmung beschloß man das Jahr.

Kapitel VII.

Die Kriegsjahre 1813 - 1815
und die letzten Jahre 1816 - 1819.

1813 sollte die langersehnte Entscheidung bringen. Schon Ende 1812 war es bekannt geworden, daß die Große Armee geschlagen auf dem Rückzuge sei. Ende Januar kamen die Überreste des mecklenburgischen Kontingents in der Heimat an. Anfang Februar traf die Nachricht von dem Vormarsch der Russen auf Berlin ein, das dann am 4. März besetzt wurde. Ende des Monats zeigten sich die ersten Kosacken im östlichen Mecklenburg. Am 7. März räumten die Franzosen Rostock, am 12. reiste der französische Geschäftsträger in Mecklenburg, Desaugier, über Lübeck nach dem dänischen Kiel ab. In der Nacht vorher kamen die ersten Russen in Grabow an, denen am nächsten Tage schon der russische Oberst von Tettenborn mit drei Kavallerieregimentern folgte. Tettenborn kam aus Berlin mit dem Auftrage, nach Hamburg zu gehen, um es in Besitz zu nehmen. Am 14. März traf er selbst mit seinen Truppen in Ludwigslust ein und wurde mit großem Jubel empfangen. Er überbrachte dem Herzog einen Brief von Graf Wittgenstein des Inhalts, daß er - Tettenborn - beauftragt sei, wegen Teilnahme der mecklenburgischen Truppen am Kriege gegen Napoleon zu verhandeln. Der Herzog sagte sich vom Rheinbunde los. Er war der erste deutsche Fürst, der trotz der noch nicht endgültig entschiedenen Lage diesen Schritt wagte. Da Preußen sich noch nicht offiziell gegen Napoleon erklärt hatte, war Rußland die Macht, an die Mecklenburg sich anschließen mußte. Man beschloß, Plessen in das Hauptquartier des russischen Kaisers zu senden, um einen Allianzvertrag abschließen zu lassen 201 ). Es bestand auch der Plan, daß Friedrich Ludwig dort-


201) AS Kab. Vol. 208, Sendung Plessens 1813.
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hin folgen sollte 202 ). Das unterblieb dann aber, wohl weil der Erbprinz in der Heimat nötiger war.

Vom 15. März datiert der Brief des Herzogs an Kaiser Alexander, in dem der Herzog seinen Beitritt zur deutschen Sache mitteilte mit dem Anfügen, daß er sich unter den Schutz des Kaisers begebe. Das Konzept dieses bedeutsamen Briefes stammt aus der Feder des Erbprinzen 203 ).

"Sire, au moment que Votre Majesté Impériale porte ses glorieuses armes sur le sol de l'Allemagne, Vos victorieuses armées, Sire, repondent de nouveau cette liberté, qui réintegre les souverains et les peuples dans leur indépendance primitive:

Que Votre Majesté Impériale me permett, d'etre parmis les Princes de l'Allemagne un des premiers, qui dans cette situation lui porte l'homage de son respect et de son attachement, en sollicitant Votre puissante protection, Sire.

Si même les sentiments de tout Prince Allemand ne sauroient êtres douteux dans cette mémorable époque, joie cependant me flatter, que Votre Majesté daignera acceuillir avec Bienveillance la déclaration formelle, que je suis pret d'employer toutes les ressources, que peuvent me fournir mes Etats, pour participer de mon coté avec la derniere constance à la grande cause de l'Allemagne et de la delivrance de l'influence etrangere.

Les propositions, que m'a fait parvenir Monsieur le Comte de Wittgenstein, ... me favorissent (?) l'occasion, de Vous en entretenir, Sire, et d'oser, Vous adresser la respectueuse priere, de faire trouver de nouveau a mes Etats et à ma famille dans cette démarche décésive pour tout avenir par Votre auguste garantie et protection une existance politique et des relations, qui mettent d'une maniere convenable et loyale un terme aux engagements, qui jusqu'a present nous li(vi)ent au Protecteur de la confederation du Rhin. ..."

Am Abend des 14. schrieb Friedrich Ludwig frohen Herzens in sein Tagebuch: "Die Begebenheiten des heutigen Tages werden entscheidend für mein Vaterland auf ewige Zeiten sein. Gott sei ferner unser Schutz und stehe uns bei. Möge Deutschland, möge unser geliebtes Mecklenburg frei werden und es bleiben" 204 ). Am 16. März ging Plessen nach Berlin ab.


202) Tagebuch S. 252, 254 u. 262.
203) AS a. a. O., Nr. 2. Herzog an Kaiser Alexander 3./15. 3. 1813 (Konzept!). Antwort des Zaren s. Hirschfeld, Staatsmann aus der alten Schule, S. 30.
204) Tagebuch, S. 252.
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Der Erbprinz wurde bald ganz in die diplomatischen und militärischen Vorbereitungen des beginnenden Freiheitskampfes hineingezogen. Wenn auch keine unmittelbaren Beweise dafür vorhanden sind, so ist doch mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß er in hervorragender Weise an dem Werk der Lossagung vom Rheinbunde und des Anschlusses an Rußland beteiligt gewesen ist, wie denn nicht nur das Konzept des angeführten Briefes an Kaiser Alexander von seiner Hand stammt, sondern vor allem auch die Kühnheit des Loslösungsentschlusses - er wurde noch vor dem Erlaß des bekannten preußischen Aufrufes vom 17. März gefaßt und ausgeführt! - durchaus die Einwirkung des schnell begeisterten Erbprinzen verrät.Am 25. März erließ der Herzog einen Aufruf an die waffenfähige Mannschaft Mecklenburgs zum freiwilligen Dienst in der Infanterie, den Friedrich Ludwig entworfen hatte 205 )."Die Treue und Anhänglichkeit Unserer geliebten Untertanen haben in jedem Augenblick Unserer Regierung Unser größtes Glück ausgemacht. Sie sind Unsere Stütze, Unser Trost in den verhängnisvollen Zeiten gewesen, welche so vorzüglich Unser teures Vaterland belastet haben.Diese in jedem Wechsel der Dinge erprobte Treue erfüllt Unser Landesväterliches Herz mit den Gefühlen der reinsten Dankbarkeit.Jetzt ist eine neue Zeit aufgegangen, die eine glückliche Zukunft verspricht. Des großmütigen Kaisers von Rußland siegreiche Heere bringen dem deutschen Vaterlande die lange entbehrte Freiheit wieder.Es gilt nichts geringeres als Deutschlands Befreiung für immer. Zu diesem großen, heiligen Zwecke muß alles, was deutsch sich nennet, mit voller und ausdauernder Anstrengung mitwirken. Nur so kann das hohe Ziel erreicht, nur so das Glück verdient werden, welches Alexanders heilbringende Gesinnungen uns darbieten.Wir rechnen es Uns zur Ehre, unter Deutschlands Fürsten einer der ersten zu sein, der das Beispiel reiner Vaterlandsliebe gibt, und Wir sind entschlossen, alle Unsere Kräfte aufzubieten.Zu dem Ende wollen Wir auch ein Corps regulairer Infanterie, von welchem Unsere Leibgarde den Stamm ausmachen soll, und ein Corps Jäger errichten, und fordern hierdurch Unsere ge-


205) Tagebuch, S. 252. Wiedergegeben in Faksimile bei Behm, Die Mecklenburger 1813 bis 15 in den Befreiungskriegen, Hamburg (1913), S. 22 f.
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treuen Untertanen, ohne allen Unterschied der Geburt und des Standes, auf, sich zu diesem Zwecke zu vereinigen, indem Wir die Gelegenheit darbieten, durch die Tat zu zeigen, daß in den Herzen der Mecklenburger reiner deutscher Sinn, Liebe für Fürsten und Vaterland treu bewahrt geblieben sind. ..."

Es folgen dann die nötigen organisatorischen Bekanntmachungen, die hier unerwähnt bleiben können.

Diesem Aufruf 206 ) war schon am 23. März eine Kabinettsverfügung an die Kommandanten zu Wismar und Rostock wegen Aufhebung aller Kontinentalsperrebestimmungen und wegen Öffnung der Häfen ergangen. Am 27. konferierte Friedrich Ludwig in Schwerin mit dem Präsidenten von Brandenstein und einer von den Ständen eingesetzten besonderen Landesdeputation über die Aufstellung von Truppen und verfaßte den Aufruf zur Errichtung freiwilliger Jägerregimenter 207 ). Der Aufruf wurde noch am selben Tage erlassen; er enthielt im wesentlichen nur Anordnungen organisatorischer Art.

Die Aufrufe verfehlten ihre Wirkung nicht. Es meldete sich eine stattliche Anzahl von Freiwilligen.

Bald griff der schwedische König in den Krieg gegen Frankreich ein, dazu getrieben von seinem Adoptivsohn Bernadotte, der auch der Führer der schwedischen Truppen wurde und der in diesem Zusammenhange als Lohn für die Teilnahme am Kampfe gegen sein eigenes Vaterland das dänische Norwegen zum schwedischen Reiche dazu zu gewinnen gedachte. Als diese Wünsche auf große Schwierigkeiten stießen, verlangte er vorläufig nur das Bistum Drontheim. Für das ganze Norwegen sollte Dänemark dann später, so hatte Bernadotte dem dänischen Könige vorgeschlagen, durch deutsche Gebiete entschädigt werden, z. B., so glaubte er, würden sicherlich die Herzöge von Mecklenburg gegen anderweitig leicht zu findende reichliche Entschädigung ihre Länder an Dänemark abtreten 208 ). Der dänische König teilte durch seinen


206) Von der Hagen, Erinnerung an E. G. Graff: Neues Jahrbuch der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache und Altertumskunde, Berlin 1843, Bd. 5, S. 59, sagt, daß Graff als Mitglied des Zentral-Verwaltungsrats "unter anderem den Aufruf der Mecklenburger zu den Waffen, der zugleich Befreiung von der Leibeigenschaft verhieß", verfaßt hat. Hinsichtlich der Leibeigenschaft hat M. Lehmann, Stein, Bd. 3, Nachtrag nach S. 510, schon auf die Haltlosigkeit dieser Behauptung hingewiesen. Hinsichtlich des Aufrufs an sich ist angesichts der angeführten Tagebuchstelle Friedrich Ludwigs keine weitere Widerlegung erforderlich. Ein anderer Aufruf als der vom 25. März kann nicht gemeint sein.
207) Tagebuch, S. 257. - Abgedruckt u. a. bei Behm a. a. O., S. 26 f.
208) S. u. a. Hans Klaeber, Bernadotte, Gotha 1910, S. 322.
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Minister von Rosenkrantz diesen von Bernadotte dem dänischen Gesandten in Stockholm gegenüber geäußerten Vorschlag dem Erbprinzen mit und sprach sein Befremden darüber aus 209 ). In der Stimmung jener Wochen, die von reiner vaterländischer Begeisterung widerhallten, wirkte diese Nachricht dynastisch-egoistischer Pläne eines nur durch Zufall emporgekommenen Fürsten doppelt ernüchternd auf den Erbprinzen. Mit aller Entschiedenheit wies dieser in seiner Antwort an den König das Ansinnen Bernadottes zurück 210 ), "indem keine Entschädigung in der Welt oder kein Vorteil selbst irgend jemanden von uns bewegen würde, unser väterliches Erbteil und unser geliebtes Volk zu verlassen" 211 ).

Zunächst lief Mecklenburg Gefahr, durch das eigenartige zögernde Verhalten des Kronprinzen den Franzosen preisgegeben zu werden. Schon hatte dieser den Befehl gegeben, daß die schwedische Abteilung, die Hamburg besetzt hatte und es gegen die Franzosen verteidigte, sich zurückziehen sollte. In dieser Not wurde Friedrich Ludwig beauftragt, Bernadotte, der am 17. Mai in Stralsund eingetroffen war, aufzusuchen und seine Hilfe zum Schutze Mecklenburgs zu erbitten. Man hatte sich am Hofe in Ludwigslust schon darauf vorbereitet, Mecklenburg ganz zu verlassen. Man wollte sich nach Kiel wenden. Aber der Eintritt Dänemarks in den Krieg hatte dann eine Veränderung des Planes zur Folge. Man entschloß sich, im Fall der Not nach Rügen zu gehen 212 ).

Angesichts der erst vor wenigen Wochen bekannt gewordenen Tauschpläne Bernadottes hätte eine Bittreise - eine solche war diese Reise nach Stralsund - den Erbprinzen eine herbe Überwindung gekostet. Aber die Reise wurde erleichtert durch das Bewußtsein, der Heimat dadurch zu dienen.

Am 1. Juni fuhr der Erbprinz von Ludwigslust ab, traf am nächsten Abend in Stralsund ein 213 ) und suchte noch sogleich zu später Stunde den Kronprinzen auf, mit dem er eine lange Unterredung hatte. Der Kronprinz versicherte ihn seines Schutzes für Mecklenburg und bat ihn, mehrere Tage zu bleiben, hauptsächlich um das Ergebnis einer gerade im Gange befindlichen gemeinsamen englisch-russisch-schwedischen Gesandtschaft nach Kopenhagen, die


209) AS Kab. Vol. 30. Schwedische Korr. 1813. Rosenkrantz an Friedrich Ludwig, Kopenhagen 10. 4. 1813 (Original).
210) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Rosenkrantz 14. 4. 1813.
211) Tagebuch, S. 263 mit Anm. 1.
212) An Georg 16. 5. 1813.
213) Für die Stralsunder Tage: Tagebuch, S. 279 - 282.
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Dänemark noch ein letztes Mal für die Sache der Verbündeten zu gewinnen versuchen sollte, abzuwarten. Am Nachmittag des nächsten Tages, des 3. Juni, hatte Friedrich Ludwig wieder eine längere Besprechung mit dem Kronprinzen, über die er in seinem Tagebuch nur "2 Hauptmomente" anmerkte 214 ). Zunächst versicherte ihn der Kronprinz wiederum mit den Worten "Je défendrais le Mecklenbourg, comme si c'était la Suède elle même" seines Schutzes für Mecklenburg, wenn der Herzog den Landsturm im Lande aufbieten werde. Danach machte Friedrich Ludwig mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Beseitigung der Spannung, die zwischen dem Kronprinzen einerseits und Rußland und Preußen andererseits bestand 215 ), jenem den Vorschlag einer Zusammenkunft mit dem Zaren und dem preußischen König. Der Kronprinz nahm diesen Vorschlag an, bat den Erbprinzen, wegen der Zusammenkunft an den Kaiser und den König zu schreiben und schlug Kolberg als Ort der Begegnung vor. Seine Aufforderung, ihn sogar dahin zu begleiten, lehnte aber der Erbprinz ab, hielt es auch für besser, nicht selbst zu schreiben, sondern Alopeus, den augenblicklichen russisch-preußischen Beauftragten des Zentralverwaltungsrats für die der französischen Herrschaft wieder abgewonnenen Länder, brieflich zu veranlassen, an die beiden Herrscher wegen der Zusammenkunft zu schreiben. Bernadotte war damit einverstanden. Gerüchte von dem weiteren Zurückgehen der Verbündeten und die Nachricht von der Fruchtlosigkeit der Kopenhagener Gesandtschaft verzögerten die Absendung des Briefes an Alopeus noch bis zum 5. Juni, nachdem an diesem Tage infolge besserer Nachrichten der Plan der Zusammenkunft nochmals erörtert und die endgültige Einwilligung des Kronprinzen erreicht war.

Voll "wahrer Bewunderung des ausgezeichnet edlen Charakters des Kronprinzen, würdig den schönsten Zeiten Franz' I. und Heinrichs IV." 216 ), reiste Friedrich Ludwig am 7. Juni nach Ludwigslust zurück. Alopeus hatte schon einen Kurier mit dem Vorschlag zu der Zusammenkunft in das preußisch-russische Haupt-


214) Tagebuch, S. 280.
215) Barthold von Quistorp, Geschichte der Nord-Armee im Jahre 1813, Berlin 1894, Bd. 1, Polit. Einl., S. 1 - 51. - Vgl. zur Stellung des Kronprinzen in den Befreiungskriegen: Heinrich Ulmann, Zur Beurteilung des Kronprinzen von Schweden im Befreiungskriege 1813/14: Hist. Zeitschr. 102, S. 304 ff. - Fr. Meinecke, Zur Beurteilung Bernadottes im Herbstfeldzuge 1813, Forsch. z. Brand. u. Preuß. Gesch., Bd. 7 (1894), S. 459 ff.
216) Tagebuch, S. 282.
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quartier gesandt 217 ). Am 5. Juli erfuhr man dann in Ludwigslust, daß der Kronprinz zu einer Zusammenkunft mit dem Zaren und dem König nach Trachenberg in Schlesien eingeladen sei. Die Besprechungen in Trachenberg begannen am 10. Juli und zeitigten den für Schweden außerordentlich günstigen allgemeinen Kriegsplan. Die gesamte Truppenmacht wurde in drei Armeen geteilt, von denen die nördliche dem Oberbefehl Bernadottes unterstellt wurde. Zu dieser Armee gehörten dann auch die mecklenburg-schwerinschen Truppen 218 ).

Soweit seine geringen militärischen Fähigkeiten und Kenntnisse es gestatteten, beteiligte sich der Erbprinz auch an den militärischen Rüstungen im Lande. Er wurde hauptsächlich zu solchen Arbeiten herangezogen, die Verhandlungsgeschick erforderten. So erledigte er in der Regel den brieflichen Verkehr zwischen dem Herzog wie der Regierung und den Führern der verbündeten Truppen. Sein Tagebuch verzeichnet des öfteren den Empfang von an ihn gerichteten Briefen und Berichten aus dem Felde, von Verhandlungen mit Beauftragten jener Führer, von Truppenbesichtigungen und von Entsendungen von Oertzens an die Generäle der Nord-Armee.

Mit besonderem Interesse verfolgte er den Fortgang der Verhandlungen der Regierung mit dem von den Verbündeten, d. h. den Preußen und Russen, eingesetzten Zentralverwaltungsrat 219 ). Der unter der Leitung des Freiherrn vom Stein stehende Verwaltungsrat hatte sein Arbeitsgebiet in fünf Bezirke geteilt, von


217) Tagebuch a. a. O. - H. Ulmann, Geschichte der Befreiungskriege 1813 und 1814, 2 Bde., München u. Berlin 1914, 1915, Bd. 1, S. 298, Anm. 1, setzt den diesbezüglichen Tagebucheintrag fälschlich mit dem Zentralverwaltungsrat in Beziehung.
218) Schröder, Tagebuch, S. 288, Anm. 1, hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß die Darstellung bei W. Oncken, Allg. Gesch. im Zeitalter der Revolution usw., Bd. 2, Berlin 1886, S. 663: "Aus solchen Schwindelplänen riß ihn [Bernadotte] ein Schreiben Alexanders heraus, der ihn zu einer Zusammenkunft nach Schloß Trachenberg in Schlesien beschied", die Tatsache völlig verwischt, daß diese Zusammenkunft schon lange geplant und eben durch Friedrich Ludwig angeregt war. - In "Österreich und Preußen im Befreiungskriege", Bd. 2., Berlin 1879, S. 416, erwähnt Oncken einen Briefwechsel zwischen Bernadotte und dem Zaren während des Waffenstillstandes, aus dem zwischen beiden eine Annäherung und dann die Trachenberger Zusammenkunft hervorgegangen sei. Auch dies erfährt in gewissem Sinne eine Berichtigung durch Friedrich Ludwigs Aufzeichnungen.
219) S.: Paul Wetzel, Die Genesis usw., S. 76 ff. - Hirschfeld, Staatsmann, S. 29 ff. - Max Lehmann, Freiherr vom Stein, III, Leipzig 1905, S. 264 ff., 277 f., 286 f., 289. - H. Ulmann, Geschichte usw., Bd. 1, S. 297 ff.
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denen die beiden Mecklenburg, Lübeck und Hamburg zusammen einen Bezirk bildeten. Das Vorgehen des Rates gegen die zu verwaltenden Gebiete geschah in der energischen, oft schonungslosen Art Steins und erweckte bei der Schweriner Regierung bald heftigsten Widerstand. Stein kannte in dieser Zeit höchster Not keine Rücksichten, sondern nur die eine große Aufgabe der Befreiung Deutschlands, und dieser Aufgabe hatte alles zu dienen. Die deutschen Kleinstaaten, auch Mecklenburg-Schwerin, waren im Bewußtsein ihrer Souveränität nicht gewillt, so weitgehend, wie Stein es wollte, ein höheres Ziel über ihre eigenen Ziele und Wünsche gestellt zu sehen. Sie waren der Forderung der Zeit, wenn es galt, Opfer zu bringen, nicht in dem Maße gewachsen, wie man nach ihren Worten hätte erwarten können. So widersetzte sich auch Mecklenburg der Erfüllung der vom Verwaltungsrat festgesetzten Lieferungen an Geld und änderte die übrigen Forderungen nach seinem Belieben ab. Staatsrat von Alopeus, der Leiter des Bezirkes, zu dem Mecklenburg gehörte, hatte mit der herzoglichen Regierung um die Durchführung der Forderungen Steins schwer zu kämpfen. Stein war bei seiner ganzen Stellungnahme gegenüber Mecklenburg von einer falschen Voraussetzung ausgegangen: er betrachtete es sozusagen als ein erobertes, formell noch mit Frankreich verbündetes und also mit Rußland im Kriegszustand befindliches Land. Er sprach sogar von "Bedingungen", unter denen nur "Friede" mit Mecklenburg geschlossen werden könne 220 ). Und das noch nach der Ankunft Plessens im Hauptquartier und nach der Übergabe des Briefes des Herzogs an den Zaren 221 )! Dem Herzog - vor allem auch dem Erbprinzen, der jenen Brief aufgesetzt hatte - war der Gedanke überhaupt nicht gekommen, daß vor dem Beitritt zu der Sache der Verbündeten noch lange und in aller Form über einen Friedensschluß verhandelt werden müßte. Er sah Mecklenburg ohne weiteres als durch stillschweigendes Bündnis gleichberechtigte Macht neben Preußen und Rußland an, war er doch innerlich nie ein Parteigänger Napoleons gewesen. Die mecklenburgische Regierung lebte in dem berechtigten Glauben, daß das Land zum mindesten mit größter Loyalität zu behandeln sei, da der Herzog doch als erster deutscher Fürst sich von Frankreich abgewandt hatte. Um so mehr war sie und mit ihr der Herzog und


220) Lehmann a. a. O., S. 277.
221) Das Folgende ist den Darstellungen bei Lehmann und Wetzel entgegenzustellen, unbeschadet der Zustimmung zu den besonders von Wetzel erhobenen Vorwürfen gegen die Schweriner Regierung hinsichtlich der reinen Tatsache der geringen Zahlungen und Truppenstellungen.
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der Erbprinz durch die Art, mit der Stein durch Alopeus mit ihr verkehrte, vor den Kopf gestoßen. Diese Gegensätze blieben bestehen und wurden auch im Laufe der Verhandlungen nicht ausgeglichen. Unter jenem Gesichtswinkel ist die Haltung der Regierung, des Herzogs und des Erbprinzen zum Verwaltungsrat zu beurteilen. In welchem Maße Friedrich Ludwig an der oppositionellen Politik der Regierung gegen den Rat beteiligt war, ist nicht genau feststellbar. Nur soviel steht fest, daß er diese Politik gutgeheißen hat, ja daß er einer ihrer entschiedensten Verfechter gewesen ist. So sind denn auch seine schriftlichen Äußerungen in dieser Angelegenheit unter Hinblick auf jenes erwähnte gegenseitige Mißverstehen zu betrachten. Friedrich Ludwig schrieb am 15. Mai an Erbprinz Georg, daß Alopeus nun sein Büro in Ludwigslust aufgeschlagen habe 222 ). Am nächsten Tage schrieb er ihm: "Wir haben ihm gesagt, daß, wenn er förmlich vom Kaiser und König bei uns akkreditiert wird, wir es" - d. h. mit ihm zu verhandeln - "gerne tun werden, übrigens erklären werden, daß wir uns nicht auf den Verwaltungsrat einlassen werden und Befehle von ihm annehmen, da wir nur mit den Gouvernements traktieren wollen. Das geht nicht an, daß man sich wie Schuhputzer behandeln läßt" 223 ). Und als die Schweriner Regierung am 26. Mai Alopeus durch eine Note auf das bestimmteste erklärt hatte, daß sie sich nie unter den Verwaltungsrat stellen werde, wohl aber zum Abschluß einer Konvention bereit sei 224 ), vermerkte Friedrich Ludwig den Inhalt dieser Note kurz in seinem Tagebuch und fügte der Erwähnung des Verlangens nach einer Konvention hinzu: "Wir haben wohl um so mehr das Recht, dies zu verlangen, da wir die ersten und bis jetzt die einzigsten deutschen Fürsten sind, welche trotz aller uns naheliegenden Gefahr uns gegen Frankreich erklärt haben" 225 ). Deutlich geht hieraus der Gegensatz zu der erwähnten Auffassung Steins hervor. Über diesen fällte Friedrich Ludwig denn auch ein hartes Urteil, das verständlich wird, weil es aus der Atmosphäre der Opposition heraus geboren war. Am 22. Juni schrieb er an Georg, er solle nicht über Alopeus schelten - Mecklenburg-Strelitz opponierte auch gegen verschiedene durch Alopeus übersandte Forderungen des Verwaltungsrats - , "denn der Ärmste muß wörtlich schreiben, was Herr von Stein befiehlt, und überläßt uns herzlich gern das


222) Dieser Brief ist nur im folgenden erwähnt.
223) An Georg 16. 5. 1813.
224) AS Kab. Vol. 209, Verhandlungen mit Alopeus Nr. 6. Regierung an Alopeus 26. 5. 1813. - Dort auch die übrigen Akten.
225) Tagebuch, S. 277.
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Antworten. ... Alopeus ist selbst (aber dies unter dem Siegel der größten und ungeteiltesten Verschwiegenheit) höchst unzufrieden mit seinem Prinzipal, der in der Tat nichts weiter als ein deutscher Revolutionär ist" 226 ). Und einige Wochen später schrieb er: "Minister Stein ist rein toll und hat einen rasenden Einfall über den anderen. Der arme Alopeus ärgert sich zu Tode. Denken Sie sich, daß der bloß für die gerechte Sache so gänzlich uneigennützig denkende Stein so eine kleine Berechnung von alle dem, was er durch den Krieg verloren hat, eingereicht hat. So ein Sümmchen von 91 000 Rtr. Der russische Kaiser hat sie ihm geschenkt und auf die Dotationen der französischen Generäle in Polen angewiesen. Es rührt mich recht, wie die Vorsehung dies seltene Beispiel von Uneigennützigkeit belohnt. Habe nicht unterlassen wollen, Sie aufzufordern, meine Rührung und Freude zu teilen" 227 ). Die Nachricht von dieser Geldforderung Steins konnte am Hofe in Ludwigslust natürlich den Widerwillen gegen ihn nur noch verstärken.

Die mecklenburgischen Truppen hatten unterdessen die ersten Kämpfe mit den Franzosen bestanden. Sie nahmen an den Gefechten um Hamburg teil und zeichneten sich dabei rühmlich aus. Bei dem Verlust Hamburgs durch die Schuld des schwedischen Kronprinzen mußten sie sich zusammen mit den anderen Truppen zurückziehen. Infolge des Waffenstillstandes von Poischwitz vom 4. Juni bezogen sie dann in Mecklenburg Quartier. Die Armee der Verbündeten befand sich, wie erwähnt, in ihrem nördlichen Teil unter dem Oberbefehl Bernadottes. Der rechte Flügel der Armee, das sog. Korps an der Niederelbe, stand unter dem Befehl des Generalleutnants Grafen von Wallmoden-Gimborn. In einer unter diesem stehenden, von Generalleutnant von Vegesack befehligten Division befand sich die mecklenburgische Brigade unter dem Generalmajor von Fallois.

Am 5. August suchte der Erbprinz den schwedischen Kronprinzen, der sich auf einer Besichtigungsreise befand, in Wismar auf und hatte mit ihm dort und auf der Rückfahrt nach und in Doberan eine längere Besprechung 228 ), derzufolge er noch am folgenden Tage, dem 6. August, einen Brief an König Friedrich VI. von Dänemark und einen an den dänischen Außenminister Baron von Rosenkrantz durch einen Boten, der dann am 9. von Warnemünde abging, nach Kopenhagen sandte.


226) An Georg 22. 6. 1813.
227) An Georg, Doberan 24. 7. 1813.
228) Tagebuch, S. 293 f.
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Er schrieb an den König 229 ), daß das Wohlwollen, das er jederzeit gegenüber Mecklenburg gezeigt habe, ihn ermutige, ihn von einer Unterredung in Kenntnis zu setzen, die er mit dem schwedischen Kronprinzen am Tage vorher gehabt habe und in der er dessen Ansichten über die Möglichkeiten einer Beilegung der Differenzen zwischen den beiden Höfen habe in Erfahrung bringen können. Der Kronprinz sei der Ansicht, daß die Verträge mit England einer solchen Beilegung nicht entgegenständen. Das schwedische Volk und das große Heer, das unter dem Befehl des Kronprinzen stände, habe noch immer die gleichen Friedensgedanken wie damals, als er, der Erbprinz, sie Anfang Juni in Stralsund habe kennen lernen können. Der Kronprinz habe ihn versichert, daß er, wenn Dänemark das Bistum Drontheim an Schweden abtreten würde, alle Erörterungen wegen Norwegen ganz zurücktreten lassen werde bis zur endgültigen Regelung durch den allgemeinen Frieden, dem ja alle zustrebten. Auf die Frage, ob er Wert darauf lege, daß die dänischen Truppen sich dann mit den Verbündeten vereinigten, habe der Kronprinz geantwortet, daß er den König durchaus nicht gradezu darum ersuchen werde. - Der Erbprinz bat dann zum Schluß den König, in diesem Briefe nur den sehnlichsten Wunsch ausgedrückt zu sehen, möglichst eine für die Ruhe und das Glück Europas so notwendige Verständigung zu befördern. Er werde sich glücklich fühlen, wenn er durch diesen Brief dazu beigetragen haben würde, daß der König vor Wiederaufnahme der Feindseligkeiten auf irgendeine Weise dem Kronprinzen eine Nachricht im angeführten Sinne werde zukommen lassen.

Dem Baron von Rosenkrantz, dem er den Brief an den König mit der Bitte um Weitergabe übersandte, schrieb er ebenfalls über die Unterredung mit Bernadotte 230 ) und versicherte, daß ihn nur der Wunsch treibe, zur Versöhnung der beiden Mächte zu verhelfen. Rosenkrantz möge um so mehr von der Aufrichtigkeit seiner Wünsche überzeugt sein, als er sich nur an den Gegenstand jenes Briefes erinnern möge, den der Minister ihm im letzten Winter geschrieben habe - der Erbprinz meinte den schon oben in anderem Zusammenhang erwähnten Brief über den Plan eines Tausches Mecklenburgs gegen Norwegen - , auch brauche er ja nur zu erwähnen, daß ihm bekannt sei, daß Napoleon dem König kürzlich Mecklenburg angeboten habe.


229) AS Kab. Vol. 3s. Dänemark 1813. Friedrich Ludwig an König Friedrich, Doberan 6. 8. 1813.
230) AS a. a. O. Erbprinz an Rosenkrantz, Doberan 6. 8. 1813.
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Beide Briefe, vor allem der an den König, tragen unverkennbar den Stempel der Eingebung durch Bernadotte, die wohl nicht wörtlich, etwa in Form einer Vorlage, aber doch wahrscheinlich dem Gedanken nach, ja der Formulierung der Ausdrücke nach geschehen ist. Bedauerlich ist bei der mangelnden Kenntnis des näheren Inhalts der Wismarer und Doberaner Unterredungen, daß nicht wenigstens der, wie wohl anzunehmen ist, maßgebliche, durch den Adjutanten an den Erbprinzen noch am 6. August überbrachte Brief Bernadottes erhalten ist. Für die Eingebung des Brieftextes durch den Kronprinzen spricht noch sehr, daß Friedrich Ludwig in seinem Tagebuch zwar von einem "Auftrag", den ihm Bernadotte gegeben habe, schreibt, aber in seinen Briefen nach Kopenhagen mit Nachdruck hervorhebt, daß er ganz aus eigenem Antriebe schreibe, so daß es den Anschein hatte, als ob der Kronprinz nichts von den Briefen wüßte. Diese Formulierung der Briefe war natürlich von Bernadotte angegeben.

Dieser auftragsgemäße Versuch Friedrich Ludwigs, zwischen Dänemark und Schweden zu vermitteln, war der letzte in der Reihe der Interventionen, die das Ringen zwischen beiden Staaten 1813 bezeichnen, und ist um so bemerkenswerter, als doch erst Anfang Juni die Gesandtschaft der Verbündeten nach Kopenhagen ergebnislos verlaufen war und jede gütliche Einigung für immer als aussichtslos erscheinen ließ. Dieses außerordentlich geschickte Vorschieben des Erbprinzen zum Zwecke einer Vermittlung im letzten Augenblick wirft ein neues bezeichnendes Licht auf das Verhalten des Kronprinzen in dieser Zeit überhaupt. Er wollte mit allen Mitteln auf rein diplomatischem Wege und möglichst kampflos sein Ziel, Norwegen, erreichen. Aber der dänische König war diesmal in seinem Widerstand größer als der Franzose in seiner diplomatischen Kunst.

Die Antwort des Königs an den Erbprinzen 231 ) vom 13. August enthielt natürlich eine Absage. Der König schrieb, daß nicht er den Frieden gestört habe, und daß es nicht seine Sache sei, durch ein Opfer eines Teiles seines Landes zu seiner Wiederherstellung beizutragen, und daß niemand aus den zwischen seinen Feinden geschlossenen Verträgen das Recht erwerbe, seine treuen Untertanen seiner Herrschaft zu entziehen. Der Erbprinz möge ihm glauben, daß er nicht fähig sei, das Land mit ruhigem Gewissen auszuliefern. Er halte es für einen Verrat, wenn er seine Untertanen dem Ehrgeiz dessen überlasse, der sie zu unterwerfen strebe.


231) AS a. a. O. König Friedrich VI. an Erbprinz, Frederiksborg 13. 8. 1813 (Original).
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Rosenkrantz schloß sich in seiner Antwort 232 ) an den Erbprinzen den Worten des Königs an, betonte aber, sozusagen als Richtigstellung, daß der Erbprinz sich im Irrtum befände mit der Annahme, daß Napoleon dem König Mecklenburg angeboten habe. Niemals sei dies geschehen, weder für Teile des Landes noch für das ganze Herzogtum. Er meinte damit, daß nie ein unmittelbares förmliches Angebot gemacht worden sei.

Wie der Erbprinz zu der Annahme kam, daß Napoleon dem dänischen König Mecklenburg angeboten habe, ist nicht ersichtlich. Man kann wohl annehmen, daß Bernadotte selbst den Erbprinzen durch geschickte Schilderungen zu der falschen Überzeugung gebracht hat, daß nicht von ihm, sondern von Napoleon selbst jenes Tauschangebot herrühre. Friedrich Ludwig mochte wohl, befangen wie er ja von der Liebenswürdigkeit des Kronprinzen war, diesen Einredungen Glauben geschenkt haben. Er ließ sich ja leicht durch freundliche Worte blenden und überreden. In dem oben erwähnten Briefe Rosenkrantz' vom 10. April 1813 war nichts von einem Angebot durch Napoleon, sondern nur durch Bernadotte selbst erwähnt worden. Auch König Friedrich VI. war erstaunt über des Erbprinzen Annahme. Im Zusammenhang mit dessen Vermittlungsversuch schrieb er am 17. August 1813 an Prinz Christian, den Statthalter von Norwegen 233 ): "Wie die Menschen über uns denken, zeigt der an mich vom Prinzen von Mecklenburg geschriebene Brief. Darin sagt er, der Kronprinz von Schweden denke sehr billig, wenn ich nur Drontheim abtreten wollte, und er wisse wohl, daß Napoleon mir Mecklenburg versprochen habe. Ich gab zur Antwort, daß ich Drontheim nie abtreten werde. Das Sonderbarste ist, daß Schweden mir im vorigen Winter unter den Entschädigungen, die ich für Norwegen haben sollte, Mecklenburg vorschlug, wogegen Napoleon niemals davon gesprochen hat, daß ich dies Land haben sollte."

Bernadotte hatte ganz offensichtlich - nichts kennzeichnet wohl mehr die Taktik seines Strebens nach Erwerb Norwegens - eine angebliche Äußerung Napoleons ohne weiteres vorgeschützt, wo er seine eigenen politischen Machenschaften durch das Wort des Größeren glaubte sanktionieren zu müssen. Daß der Erbprinz sich von ihm täuschen ließ, ist bei der verschlagenen und doch völlig ehrlich erscheinenden diplomatischen Arbeitsweise des Kronprinzen


232) AS a. a. O. Rosenkrantz an Erbprinz, Kopenhagen 13. 8. 1813 (Original).
233) C. F. Wegener, Aktenmäßige Beiträge zur Geschichte Dänemarks im neunzehnten Jahrhundert, 1. Tl., Kopenhagen 1851, Anlage 75, S. 427. (In der Übersetzung Wegeners aus dem Dänischen.)
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durchaus verständlich. Er hat aber nie erkannt, daß er einem Lügenmanöver zum Opfer gefallen war, sondern hat auch später immer wieder mit einer gewissen Verehrung zum Kronprinzen aufgesehen.

Am 23. August bekam er vom Herzog eine Aufgabe zugewiesen, die ihm Gelegenheit bot, sich noch aktiver als bisher an der Verteidigung des Landes zu beteiligen. Der Herzog beschloß, nachdem im Anschluß an die Siege von Großbeeren und an der Katzbach Bernadotte darauf gedrungen hatte, den Landsturm in großem Umfange aufzubieten, und übertrug seinem ältesten Sohne seine Führung 234 ).

Die gesamte herzogliche Familie verließ dann bald Doberan und siedelte wegen der Franzosengefahr nach Rostock über und von dort Ende August auf einige Tage nach Stralsund, von wo man aber am 8. September schon wieder zurückkehrte. Niemand ahnte, welches Schicksal Napoleon der Herzogsfamilie zugedacht hatte, falls er sie in seine Hände bekommen würde. Am 7. Mai hatte er schon durch Berthier an Davout schreiben lassen, daß er sich, sobald dessen Truppen in Schwerin angekommen seien, ohne ein Wort zu verlieren, des Herzogs und seiner Familie zu bemächtigen suchen und sie nach Frankreich in ein Staatsgefängnis senden sollte 235 ). Die Wut Napoleons gegen den Herzog wegen des schnellen Abfalls vom Rheinbunde und des Übergangs zu den Verbündeten war ganz außerordentlich.

Am 29. August wurde durch einen Erlaß die erste Klasse des Landsturmes, d. h. die Landwehr, aus den Distrikten Güstrow, Waren und Rostock aufgeboten 236 ). Den Oberbefehl übernahm also der Erbprinz.

Bei der Organisation des Landsturmes - im weiteren Sinne - wurden zwei Klassen unterschieden: Bei der ersten, der Landwehr, umfassend alle wehrfähigen, nicht Felddienst leistenden Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren, näherte sich die Art des Dienstes mehr dem des regulären Militärs, etwa Gefangenentransport, Wachtdienst, Etappendienst, Verproviantierung der Feldtruppen u. dgl. Die zweite Klasse, der Landsturm im engeren


234) Tagebuch, S. 297 f.
235) Diplomatische Geschichte der Jahre 1813, 1814, 1815, Erster Teil, Leipzig 1863, S. 222: Brief Berthiers an Davout 7. 5. 1813 (deutsche Übersetzung).
236) Nicht am 28., wie Vitense, Mecklenburg und die Mecklenburger 1813 - 1815, Neubrandenburg 1913, S. 100, angibt. - Aufruf u. a. abgedruckt bei Francke, Mecklenburgs Not und Kampf vor und in den Befreiungskriegen, Wismar 1835, S. 228 f.
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Sinne, umfassend alle wehrfähigen und nicht Felddienst tuenden Männer von 36 bis 60 Jahren, sollte nur im höchsten Notfall, etwa bei der Verteidigung der betreffenden Ortschaft und immer nur an Ort und Stelle, in Tätigkeit treten, während die Landwehr den Feldtruppen im Notfall auch sogar außer Landes folgen sollte. Die Landwehr war ähnlich wie die Feldtruppen ausgerüstet. Dagegen setzte sich die Bewaffnung des Landsturmes aus allem nur Verfügbaren und als Waffe Verwendbaren zusammen, vom Jagdgewehr bis zur Sense.

Güstrow wurde die vorläufige Zentrale für die Organisation des Landsturmes. Alle verwaltungstechnischen Obliegenheiten beschäftigten den Erbprinzen in den nächsten Wochen, weniger jedoch die rein militärischen Anordnungen, da ihm diese Seite der Arbeit nicht lag. Ihm stand ein Landsturmgeneralstab zur Seite. "Ich weiß wohl, daß ich nur guten Willen, übrigens keine militärischen Talente besitze, würde mir daher auch nie etwas herausnehmen," schrieb er am 10. September an den Herzog in Rostock 237 ). Er war viel auf Reisen, kümmerte sich um alles und berichtete über alles genau an den Herzog. Ihm ging vieles in der Landsturmorganisation zu langsam. Er drang aber mit Vorschlägen zu energischem Vorgehen, wie z. B. gegen das Schweriner Militärkollegium, das seiner Ansicht nach zu nachlässig arbeitete und obendrein zu kostspielig und ganz unnötig war, nicht durch 238 ).

Am 11. September war die Aufstellung des Landsturmes soweit vorgeschritten, daß der Erbprinz mit dem schon marschfertigen Teil über Sternberg nach Schwerin marschieren konnte, wo er am 12. einzog. Hier hatte er Gelegenheit, einen Einblick in die Verhältnisse der in Mecklenburg stehenden fremden Truppen zu gewinnen. Und er fand diese Truppen in solchem Zustande, daß er am 13. September schon entsetzt darüber an den Herzog berichtete 239 ). Er klagte, daß die Unordnung und schlechte Organisation des im Lande befindlichen Armeekorps, außer Vegesacks Abteilung, ein grenzenloses Elend über das Land gebracht haben. Nie werde die Verpflegungskommission rechtzeitig benachrichtigt. 40 Dörfer seien von den Verbündeten geplündert, besonders schlimm führe sich Tettenborns Korps auf. Beschwerden seien erfolglos geblieben, vielleicht werde es etwas nützen, wenn der Herzog an


237) AS Kab. Vol. 207. Rapports VIII/IX. 1813. Friedrich Ludwig an Herzog, Güstrow 10. 9. 1813.
238) AS a. a. O. Friedrich Ludwig an Herzog 6. 9. 1813.
239) AS Kab. Vol. 208, 1813/14. Friedrich Ludwig an Herzog, Schwerin 13. 9. 1813.
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den Kronprinzen von Schweden schreiben werde. - Doch erfolgte auf diesen Brief des Erbprinzen keine Demarche bei Bernadotte.

Die Stellung des Erbprinzen war für die nächsten Monate recht schwierig. Er nahm an dem Feldzuge an der Westgrenze des Landes teil, aber ohne eine irgendwie wichtige Stellung zu bekleiden oder einen maßgeblichen Einfluß auszuüben. Er selbst fühlte die Schiefheit seiner Lage; aus seinen Berichten klingt nur allzu sehr die erzwungene Interessiertheit eines innerlich völlig Uninteressierten heraus. Die Generalität der im Lande befindlichen Truppen honorierte ihn, wie es einem Erbprinzen des betreffenden Landes zukam. Im übrigen wurde ihm aber keine bevorzugte Stellung eingeräumt.

Bis Ende September 240 ), während Davout sich in die Stellung auf der Linie Lauenburg-Ratzeburg-Lübeck zurückzog und hier in fast unangreifbarer Stellung mehrere Wochen liegen blieb und die Verbündeten ihm bis dahin folgten, leitete Friedrich Ludwig, meist in Rostock und in Wismar, die weitere Aufstellung des Landsturmes. Er sah aber, daß die bisherige Art der Zusammenziehung der Landwehr, die ohne Rücksicht auf den weiteren Unterhalt der Familie des Eingezogenen geschah, auf die Dauer für das Land unerträglich werden mußte. Er trat deshalb dafür ein und setzte es auch durch, daß immer nur ein Teil der gesamten Landwehr und für diesen Teil keine Verheirateten, auch keine einzigen Söhne, die als Familienernährer zu betrachten seien, eingezogen würden 241 ). Die Eingezogenen wurden alle vier Wochen abgelöst. So wurde eine wesentliche Erleichterung in der Handhabung des engeren Landsturmes geschaffen.

Im Oktober zog der Erbprinz mit seinem Landsturm an die westliche Landesgrenze und leitete den Vorpostendienst gegen Davout, der sich in Hamburg festgesetzt hatte. Mit kleinen Unterbrechungen war er hier bis Ende des Jahres. Dann übertrug der Herzog ihm den Oberbefehl über alle mecklenburgischen Truppen, die am Zuge nach Frankreich teilnehmen sollten und deren Kommando der Erbprinz am 16. Februar 1814 auf ihrem Durchmarsch in Hannover übernahm 242 ), nachdem er am 30. Januar der Taufe


240) Vgl. zu den allg. Begebenheiten des folgenden auch: Quistorp, Geschichte der Nord-Armee II, S. 324 ff.
241) An Georg, Wismar 1. 10. 1813.
242) Für die Einzelheiten der beiden Feldzüge in Frankreich vgl. die Regimentsgeschichten (von v. Ondarza, v. Langermann und Erlencamp und v. Voigts-Rhetz, v. Wrochem und Haevernick, H. v. Boddien). - Ferner Behm a. a. O., Quistorp a. a. O., Vitense a. a. O., Francke a. a. O.
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seiner am 24. geborenen Tochter Helene, der nachmaligen Herzogin von Orleans, beigewohnt hatte.

In Köln ernannte Bernadotte ihn am 27. Februar zum Chef der 4. Division der schwedischen Armee. Mit dieser Division, der dann die mecklenburgischen Truppen zugeteilt wurden, löste der Erbprinz am 24. März das die Festung Jülich belagernde Lützowsche Freikorps ab. Die Belagerung verlief im allgemeinen ohne besondere Vorkommnisse. Am 4. April traf im Hauptquartier, das der Erbprinz zu Aldenhoven hielt, die Nachricht von der Einnahme von Paris ein 243 ). Nachdem seine Division dann bald aufgelöst war, begab sich Friedrich Ludwig am 26. April nach Paris.

Am 30. April hatte er hier 244 ) eine längere Unterredung mit dem österreichischen Kaiser über die Möglichkeit der Neuerrichtung des Reiches. Über den Inhalt dieser Unterredung ist, wie überhaupt über die Stellung Friedrich Ludwigs zu dieser Frage, nichts Näheres feststellbar. Aber der Kaiser sagte auch nichts Bestimmtes zu, sondern wies nur auf einen baldigen Kongreß hin.

Zahlreiche Einladungen und Besuche nahmen die ersten Tage des Mai in Anspruch. Am 5. hatte der Erbprinz, nachdem er bei dem von Besuchern umlagerten Freiherrn vom Stein nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch gemacht hatte, bei dem nichts Wesentliches besprochen werden konnte, eine längere, auch leider im Einzelnen nicht bekannte Besprechung mit Metternich, mit dem er sich ebenfalls über Reichsfragen unterhielt. Metternich kündigte auch nur einen Kongreß an, der im Juni schon seinen Anfang nehmen solle. Mecklenburg solle auch einen Gesandten schicken. Berührt und von Metternich wohlwollend aufgenommen wurde die Frage der Rangerhöhung, Mecklenburgs alter Wunsch. Der Kanzler glaubte diese Erhöhung zusagen, aber einen sofort von Friedrich Ludwig ebenfalls vorgebrachten Vorschlag einer Gebietserweiterung ablehnen zu müssen. Am Nachmittage trug der Erbprinz dem österreichischen Kaiser seine Wünsche nochmals vor, ohne aber auch jetzt Bestimmteres zu erreichen.

Mitte des Monats sprach Friedrich Ludwig mit Hardenberg über den demnächstigen Wiener Kongreß 245 ) und kurz darauf mit


243) Nicht erst am 10., wie Francke a. a. O., S. 418 u. a. - Dieses Datum aus HausAS Litt. fam., Friedrich L. Friedrich Ludwig an Herzog, Aldenhoven 5. 4. 1814. - Am 9. traf die Nachricht bereits in Ludwigslust ein! HausAS a. a. O. Herzog an Friedrich Ludwig 15. 4. 1814.
244) Das Folgende nach AS Kab. Vol. 7. Paris 1814 (Tagebuchartige kurze Aufzeichnungen für die Tage vom 30. 4. bis 8. 5.).
245) HausAS a. a. O. Nr. 47. Friedrich Ludwig an Herzog, Paris 17. 5. 1814.
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Kaiser Franz nochmals über eine eventuelle Gebietserweiterung, die dieser aber als gerade jetzt sehr schwierig ablehnte, während er aber die Rangerhöhung auf dem Kongreß für sehr wahrscheinlich hielt 246 ).

Als Friedrich Ludwig, der Anfang Juli mit seinen Truppen nach Mecklenburg zurückgekehrt war, in dem Abschiedserlaß an seine Soldaten vom 21. Juli bekanntgab, daß der Herzog ihm versprochen habe, ihm in einem neuen Kriege wieder das Kommando über die mecklenburgischen Truppen zu geben, glaubte er wohl selbst nicht, daß dieser Fall in so naher Zeit eintreten würde. Kaum ein dreiviertel Jahr darnach schon nahm der Friede ein plötzliches Ende. Napoleon war von Elba nach Frankreich zurückgekehrt. Die früheren Verbündeten traten wieder zu einem Bündnis gegen ihn zusammen. Auch Mecklenburg rüstete wieder ein Truppenkontingent aus.

Die Nachricht von dem Anzuge des neuen Krieges traf den Erbprinzen in Ludwigslust, wo er den Winter 1814/15 mit seiner Familie verlebte und wo Caroline am 2. Mai einem Sohne, Magnus, das Leben schenkte, der bereits im Frühjahr 1816 verstarb.

Nach wenigen Wochen traf die Nachricht ein, daß der Wiener Kongreß, auf dem der Herzog durch Minister von Plessen vertreten war, den beiden Herzogshäusern Mecklenburgs am 27. Mai die Großherzogliche Würde zuerkannt hatte. Am 14. Juni erfolgte die Proklamation der Rangerhöhung durch den Herzog. Ein lang gehegter, besonders von Friedrich Ludwig immer wieder vorgebrachter Wunsch war nun endlich erfüllt worden.

Dies war eine Nachricht vom Wiener Kongreß, die endlich einmal zu allgemeiner Zufriedenheit Anlaß gab. Im übrigen waren der Herzog und Friedrich Ludwig mit dem schleppenden Gang der Kongreßverhandlungen äußerst unzufrieden gewesen. Kaum ein wesentlicher Programmpunkt war zu einem positiven Ergebnis durchbehandelt worden. "... Wir Deutsche sollten es eigentlich bitter empfinden, daß bis jetzt unser Herzblut umsonst geflossen ist und daß Deutschlands Konstitution, unser gerechtes und billiges Verlangen, noch so wenig berücksichtigt worden ist" 247 ), so schrieb Friedrich Ludwig an Georg.

Es war dies seine ehrliche Überzeugung. Denn auch er hatte von dem Kongreß eine Neuerrichtung des Reiches und eine Ver-


246) HausAS a. a. O. Nr. 51. Friedrich Ludwig an Herzog, Paris 22. 5. 1814.
247) An Georg 11. 3. 1815.
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fassung erhofft, so wie ganz Deutschland sie erwartete. Er sah - wie so viele damals - im ganzen Deutschland sein Vaterland. Sein ganzer Haß - soweit sein weicher Charakter zu hassen fähig war - richtete sich in dieser Zeit auf Napoleon, der nicht nur sein eigener Feind, sondern eben auch der Feind und Unterdrücker des gesamten deutschen Vaterlandes war. Diesem ganzen Deutschland galten seine Wünsche nach Befreiung vom französischen Joch.

Er erkannte dabei durchaus die Notwendigkeit eines starken Preußens, wenn er auch Stein wegen der Forderungen des Zentralverwaltungsrates im Augenblick glaubte opponieren zu müssen. Seine Verehrung für den preußischen König war zwar aus persönlicher Freundschaft entstanden, aber er betrachtete ihn dann doch später mehr als das Oberhaupt und Beschützer Norddeutschlands, denn vom Kaiser des Reiches hatte er schon früher wenig erwartet, kaum daß er seinerzeit über die Auflösung des Reiches Worte der Trauer geäußert hatte, noch erwartete er jetzt vom österreichischen Kaiser etwas für das Reich. Mehr versprach er sich dagegen für die Regelung und den Schutz der deutschen Verhältnisse immer noch vom Zaren. Aber auch diese Neigung zu Alexander war vor allem verwandtschaftlicher und weniger politischer Natur.

Zu seinem engeren Heimatlande, Mecklenburg, hatte er eine ausgesprochen feste und zutiefst begründete Anhänglichkeit und Liebe. Die Tauschpläne Bernadottes konnten ihn auf das heftigste erregen. "Eher das Leben verlieren als in so etwas willigen!" 248 ). Auch seine Liebe zum mecklenburgischen Volke als solchem war stark ausgeprägt. Nichts kennzeichnet dies mehr als folgende Sätze aus einem Briefe an Erbprinz Georg vom 1. Mai 1816 249 ): "Ich glaube meine Mecklenburger recht gut zu kennen und möchte mich anheischig machen, mit ihnen anzufangen, was ich wollte (NB. ich würde nie etwas Unrechtliches und Unnötiges anfangen). Nirgends in ganz Deutschland, deß bin ich überzeugt, ist Rechtlichkeit und Gutmütigkeit mehr zu Hause wie bei uns, die Menschen wollen nur richtig genommen sein. In der Landsturmszeit habe ich kennen gelernt, was mit den Mecklenburgern anzufangen ist. Mit Liebe und Ernst wollen sie behandelt sein. Erstere wohnt in keinem Herzen gewiß mehr wie in dem meinigen, und letzteren wird mir Gott verleihen, wenn ich jemals dazu berufen werde." Auch Schubert, der 1816


248) Tagebuch, S. 268.
249) An Georg 1. 5. 1816.
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der Erzieher der erbgroßherzoglichen Kinder wurde, konnte später kaum genug die Pläne Friedrich Ludwigs für seine spätere Regierungszeit zum Besten des Volkes und des Landes, wie er sie ihm gegenüber geäußert hatte, anerkennen.

Nach der eiligen Durchbringung der Bundesakte - Mecklenburg-Schwerin trat am 30. Juni 1815 dem Deutschen Bunde bei - löste sich der Wiener Kongreß auf. Europa war im Aufbruch zu einem neuen Kriege.

Friedrich Ludwig, nunmehr also Erbgroßherzog, erhielt im April 1815 vom Großherzog das Kommando über die mecklenburgischen Truppen und führte sie nach Frankreich. Hier nahmen sie an der Belagerung von Montmedy und dann von Longwy teil, das am 15. September kapitulieren mußte. Dann wurde der zweite Pariser Friede geschlossen. Die mecklenburgischen Truppen traten den Rückmarsch an.

Friedrich Ludwig hatte während des Feldzuges schlechte Nachrichten über den Zustand der Gesundheit seiner Gemahlin erhalten. In Montabaur verließ er deshalb bereits am 16. November auf dem Heimmarsch seine Truppen und reiste über Wiesbaden, Weimar und Magdeburg nach Mecklenburg voraus 250 ). Als er in Weimar war, gewann Frau von Schiller einen sehr ungünstigen Eindruck von ihm 251 ). Er schien ihr in seiner Angst und Unentschlossenheit über das, was wohl zu Carolines Gesundung zu unternehmen sei, geradezu schwächlich. Sie hat nie große Sympathien für ihn gehegt und ihm nie verziehen, daß er ihre verehrte Prinzessin in das Land der "Vandalen" entführt hatte. Deshalb ließ sie sich zu manchem harten, aber unberechtigten oder doch übertriebenen Urteil verleiten.

Am 26. November traf Friedrich Ludwig in Ludwigslust ein und fand seine Befürchtungen um die Gesundheit Carolines nur allzu sehr bestätigt. Die Krankheit, eine besonders schnelle Schwindsucht, verschlimmerte sich so sehr, daß die Erbgroßherzogin schon am 20. Januar 1816 entschlief. Ihre Leiche wurde in der Kapelle, die Friedrich Ludwig seiner ersten Gemahlin erbaut und geweiht hatte, beigesetzt.

Der Schmerz des Erbgroßherzogs war unendlich. Hatte er doch an der Seite Carolines ein neues häusliches Glück, wie er es seit Jahren für sich und seine Kinder erhofft hatte, wiedergefunden.


250) AS Kab. Vol. 217. Berichte ... 1815. November.
251) H. Düntzer, Briefe von Schillers Gattin an einen vertrauten Freund [Knebel], Leipzig 1856, S. 234 f.
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Kaum noch vier Jahre trug Friedrich Ludwig nach diesem harten Verlust sein Leben, das, von immer wieder aufflackernder Krankheit bedrückt, in seinen eigenen und seines Volkes Schicksalswandlungen und in seinem Willen zum Schaffen, zum Guten, einer Tragik nicht entbehrte. Diese letzten Jahre sind, wenn auch reich an äußerem Geschehen, wie ein stilles Vorbereiten und Erwarten des Endes. Sein allgemeiner Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr und lähmte seine Schaffenskraft.

Der Erbgroßherzog widmete sich in diesen Jahren ganz besonders der Erziehung und der Sorge für die Zukunft seiner Kinder. Dagegen ließ seine Anteilnahme an den Regierungsgeschäften nach. Keine wesentliche Neuerung wurde in der Kammerarbeit in dieser Zeit mehr eingeführt. Kaum daß vor dem Kriege in Angriff genommene Reformen mit Nachdruck weitergeführt wurden.

Einige Wochen nach dem Tode Carolines, am 26. Februar 1816, fuhr der Erbgroßherzog zu mehrwöchiger Erholung mit seinen Kindern Marie und Albrecht - Herzog Paul Friedrich befand sich damals zur weiteren wissenschaftlichen Ausbildung in der Schweiz - nach Weimar zu den Eltern seiner verstorbenen Gemahlin.

Bei einer Reise mit Großherzog Carl August nach Jena lernte Friedrich Ludwig den zukünftigen Erzieher seiner jüngeren Kinder, den Nürnberger Professor und später so bekannt gewordenen Naturphilosophen Gotthilf Heinrich von Schubert, kennen 252 ). Hauptmann von Mecklenburg hatte auf einer seiner Reisen Schubert gegen Ende des Sommers 1815 in Nürnberg kennen gelernt und glaubte, in ihm einen Mann gefunden zu haben, der im Verein mit der Erbgroßherzogin Caroline eine umfassende volksbildnerische Tätigkeit in Mecklenburg entfalten könne. Er empfahl ihn dem Erbgroßherzog, der bald darauf mit Schubert in Verbindung trat und ihn, auch hauptsächlich auf Carolines Betreiben, als Erzieher seiner drei jüngeren Kinder engagierte. Sogleich nach dem Tode Carolines schrieb er an Schubert, daß er nun bald kommen solle, möglichst schon zu Ostern 1816 253 ). Schubert befand sich gerade auf der Reise nach Mecklenburg, als er in Jena aufgefordert wurde, sich dem Erbgroßherzog vorzustellen. Den Eindruck, den die Begegnung bei ihm hinterließ, schilderte Schubert in seiner Selbstbiographie: "Ein Mann, fast


252) Gotthilf Heinrich von Schubert, Der Erwerb usw. II, S.509 ff. Für das Folgende: III, S. 16 ff.
253) Briefe in Auszügen: Schubert a. a. O. II, S. 512.
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noch in der Mitte des gewöhnlichen, zur vollen Reife gelangenden Lebensalters, wohlgestaltet und von würdevoller Haltung, in den feinen Zügen des Angesichts und im Blicke der klaren, blauen Augen, im Ausdruck des sinnigen Ernstes und zugleich des freundlich entgegenkommenden Wohlwollens. Der seltene, nur von wenigen in seinem ganzen Werte erkannte Fürst gewann sogleich durch sein erstes Gespräch mit mir mein ganzes, volles Vertrauen ..." 254 ).

Bald darauf trat Schubert sein neues Amt in Ludwigslust an. Er gewann schnell das volle Vertrauen des Erbgroßherzogs und der Kinder, wie er selbst auch jenem mit dem gleichen Vertrauen und einer ehrlichen Verehrung entgegenkam. Er hielt den Erbgroßherzog unter den Mitgliedern des Hofes für den Reichbegabtesten an Gemüt und Gereiftesten an Gesinnung 255 ). "Ein Herz voll Liebe, das sich, wäre ihm dies bestimmt gewesen, eben so väterlich besorgt für das Wohl seines ganzen Volkes als für das seiner Kinder erwiesen haben würde. Denn ich habe wenig Väter von solch' inniger Zärtlichkeit gegen seine Kinder ... kennen gelernt, als dieser Fürst war. Er dachte weit über das, was ihm als gegenwärtig vor Augen lag, hinaus, und ich weiß es, welche Gedanken für sein zukünftiges Wirken zum wahren Wohl seines Volkes, zum Gedeihen des Landes er in seinem Herzen trug, welches immer das Gute meinte. Ein Zug, gleichwie des inneren Schmerzes, gab seinem sonst heiteren Wesen öfters eine ernste Haltung" 256 ).

Noch in der Zeit dieses Weimarer Aufenthalts fiel die Beschäftigung Friedrich Ludwigs mit dem von den mecklenburgischen Ständen gefaßten Projekt eines Denkmals für Fürst Blücher in Rostock 257 ). Mit Goethe, der um die Begutachtung der Denkmalsentwürfe und um die Abfassung der Aufschriften gebeten war, verhandelte er verschiedentlich über die Einzelheiten des Planes 258 ). Er ging aber mit großen Antipathien an die Angelegenheit heran.


254) Schubert a. a. O. III, S. 18.
255) Schubert a. a. O. III, S. 59.
256) Schubert a. a. O. III, S. 59 f.
257) Zur Geschichte des Blücher-Denkmals in Rostock, s. Carl Koppmann, Die Errichtung des Blücher-Denkmals in Rostock: Beitr. zur Gesch. der Stadt Rostock, V, Heft 3 (1911), S. 295 ff.
258) Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, Briefe, 26. Band, Weimar 1902, S. 316. f.: Goethe an Schadow, Weimar 28. 3. 1816; S. 318 f.: Goethe an Friedrich Ludwig, Weimar 28. 3. 1816. - Tagebücher, 5. Band (1813 - 1816), Weimar 1893, S. 211: 4. 3. 1816 "Abends 5 Uhr Erbgroßherzog von Mecklenburg."; S. 218 f.: 28. 3. 1816; S. 219: 29. 3. 1816.
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Er gab zwar zu, daß es berechtigt sei, daß die Mecklenburger ihrem großen Landsmann Blücher ein Denkmal errichten wollten. Aber die Beurteilung des Vorgehens der Stände dabei war charakteristisch für Friedrich Ludwigs Stellung zu den Ständen überhaupt. Es hatte sich gezeigt, daß, sobald der Großherzog die Einrichtung irgendeiner gemeinnützigen Anstalt vorschlug, die Stände behaupteten, es sei kein Geld dafür vorhanden. Um so auffälliger war es, daß nun mit einem Male für ein kostspieliges Denkmal, sogar so kurze Zeit nach einem schweren Kriege, die nötigen Mittel flüssig waren. Er verurteilte dies Verhalten der Stände mit Recht. Mit einem gewissen Widerwillen sah er, wie er an Georg schrieb, den Patriotismus bei den Ständen nur auf den Lippen, während sie in Wirklichkeit durchaus egoistisch dachten. Er traf damit die Einstellung eines einflußreichen Teiles der Stände, vor allem der Ritterschaft, durchaus richtig. Die Ritterschaft hatte, so urteilte er, im Kriege den besten Beweis ihrer alles andere als selbstlosen Gesinnung gegeben, indem sie die Rüstungen bis auf den letzten Augenblick hinauszögerte, in der Hoffnung, sie seien schließlich überhaupt nicht mehr nötig. Ihm schien nun der plötzliche Eifer der Stände für ein Blücher-Denkmal wie eine Sühne, die verschleiern sollte, was sie "an Teutschlands Sache verpfuscht" hatten 259 ).

Trotzdem konnte sich Friedrich Ludwig, als am 29. August 1819 das Denkmal geweiht wurde, als Vertreter des Großherzogs der Teilnahme an der Einweihungsfeier doch nicht entziehen.

Kurz vor ihrem Tode hatte Caroline ihren Gemahl gebeten, seinen Kindern bald eine Mutter wiederzugeben, und dabei sogar in selbstloser Weise ihre Freundin, die Prinzessin Auguste, Tochter des Landgrafen Friedrich V. von Hessen-Homburg, genannt 260 ). Wenn ihm zwar auch zunächst der Sinn nicht nach einer Wiedervermählung stand, entschloß sich Friedrich Ludwig schließlich doch dazu, als er erkannte, daß er seinen verwaisten Kindern eine Mutter und dem Hofe eine tonangebende weibliche Führerin wiedergeben müsse.

Seine Werbung um die Hand der Prinzessin im Sommer 1817 wurde zunächst abschlägig beschieden, weil der Landgraf sich nicht von seiner Lieblingstochter trennen wollte. Die ausbedungene Wartezeit bis zum endgültigen Entscheid benutzte der Erbprinz


259) An Georg 1. 5. 1816.
260) Geboren 28. 11. 1776. - Über sie und ihre Familie: Karl Schwartz, Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg und seine Familie, 2. Aufl., 3 Bde., Homburg 1888. Besonders III, S. 321 ff. - HausAS Litt. fam., Friedrich Ludwig, Briefe an Auguste. - AS Kab. Vol. 337. Heirat III.
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zu einer kurzen Reise nach Oberitalien in Begleitung seines Sohnes Paul Friedrich und zeitweise auch des Großherzogs Carl August. Am 21. September erlangte er dann vom Landgrafen die Hand der Prinzessin, und am 3. April 1818 fand die Hochzeit in Homburg statt.

Im selben Jahre bahnte sich zur Freude des Erbgroßherzogs eine Familienverbindung zwischen seinem und dem preußischen Herrscherhause an: Paul Friedrich und die Prinzessin Alexandrine, die Tochter der Königin Luise, lernten sich in Berlin kennen und verlobten sich dann im Februar 1819.

Anfang Oktober 1819 warf das alte "Nervenfieber", wie man damals sagte, den Erbgroßherzog wieder aufs Krankenlager 261 ). In den ersten Tagen des November schien eine kleine Besserung einzutreten; er konnte wieder an einigen Beratungen teilnehmen. Mitte September hatte er sich noch nach alter Gewohnheit an den Hofjagden beteiligt und war Ende Oktober noch einmal zu den üblichen Arbeiten in der Kammer in der "guten Stadt Schwerin" gewesen 262 ). Nun aber versagten die Kräfte völlig. Die Krankheit, bald nachlassend, bald wieder zu besonderer Heftigkeit steigend, ließ ihn nicht wieder vom Krankenlager aufstehen 263 ). Kurzen Besserungen folgten um so größere Rückschläge. Keiner der auch von auswärts herbeigerufenen Ärzte konnte helfen. Auch alle Arzneien versagten ihren Dienst. Am Morgen des 28. November raubte ihm ein Schlaganfall die Sprache.

Nach qualvollem, oft nicht mehr mit Bewußtsein verbrachten Tagen eines langsamen Todeskampfes verschied Erbgroßherzog Friedrich Ludwig im Alter von 41 Jahren am 29. November 1819, morgens 1/2 10 Uhr 264 ). Herzog Paul Friedrich, der aus Rostock herbeigerufen war, traf seinen Vater nicht mehr am Leben. Er kam wenige Stunden zu spät.

Am 6. Dezember wurde die Leiche des Erbgroßherzogs in der Kapelle "Helenen Paulownen" im Schloßgarten zu Ludwigslust zwischen den Särgen Helenes und Carolines beigesetzt.

Der Verlust, den das großherzogliche Haus und das Land durch den frühen Tod Friedrich Ludwigs erlitten, wurde überall


261) AS Kab. Vol. 320: Tagebuch des Großherzogs, 31. 10. ff. 1819.
262) An Georg 24. 10. 1819. Letzter (erhaltener) Brief an Georg.
263) Über die letzte Krankheit: AS Kab. Vol. 344. [Kammerdiener] J. F. Meyers Bericht (Brief an ?), Ludwigslust 31. 1. 1820. - AS a. a. O. Berichte des General-Chirurgus Kloß-Ludwigslust und Berends-Berlin 18. 12. 1819.
264) AS Kab. Vol. 320. Tagebuch a. a. O., 29. 11. 1819. - Vgl. Großherzog an Plessen 29. 11. 1819 bei Hirschfeld, Diplomat, S. 208.
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schwer empfunden. Am Hofe, wo nun der junge Paul Friedrich Erbgroßherzog wurde, fühlte man bald das Fehlen des zwischen alter und junger Generation Vermittelnden. Das familiäre Hofleben zerfiel nunmehr völlig. Die Erbgroßherzogin zog sich in ihr kleines Palais, ihre "Friedensburg", in Ludwigslust zurück. Sie widmete sich fortan ganz der Erziehung ihrer Stiefkinder. Sie überlebte ihren Gemahl sehr lange: sie starb hochbetagt am 1. April 1871.

Das Land verlor in Friedrich Ludwig einen Thronfolger, der zu manchen Hoffnungen berechtigte. Seine Freundlichkeit und Leutseligkeit, sein rechtlicher und immer hilfsbereiter Sinn hatten ihn sehr beliebt werden lassen. Wenn ihn seine hoffnungsfreudige und oft zu weiche Art auch mitunter große Enttäuschungen erleben ließ und seine Arbeitskraft lähmte, so hatte er doch den Mut zu Reformen. Man hatte mit Recht große Erwartungen auf seine spätere Regierungszeit gesetzt.

 

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