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III.

Die Verwaltungsorganisation von Mecklenburg im 13. und 14. Jahrhundert.

* )

Von Dr. Robert Küster (Mosbach in Baden).


1. Die Zentralverwaltung.

I n Mecklenburg ging die Umwandlung des slavischen Landes in eine Territorialherrschaft von deutscher Art nach der Eroberung durch Heinrich den Löwen verhältnismäßig rasch vonstatten. Man kann wohl sagen, daß die Kolonisation mit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im wesentlichen beendet war.

Natürlich hat sich die wendische Bevölkerung noch lange im Lande gehalten - bis zum Ende des hier in Frage kommenden Zeitraums, dem Schlusse des 14. Jahrhunderts, in größerer Zahl -, aber Mecklenburg hat doch in Verfassung, Recht und Sitte ein vollkommen deutsches Gepräge erhalten. Mit den ins Land kommenden Deutschen von Adel ist zugleich das Lehnsinstitut allgemein eingeführt. Deshalb findet sich auch in Mecklenburg eine Zentral= und Lokalverwaltung von derselben Art wie in den anderen deutschen Territorien. 1 ) Die Zentralverwaltung ist in unserem Zeitraume eine sehr einfache. Der Landesherr führt sie mit seinen Hofbeamten und mit ergebenen Männern aus dem Kreise seiner Getreuen, die dann seinen Rat ausmachen.

a. Die Hofbeamten.

In den mecklenburgischen Territorien begegnen uns vier Hofämter: das des Truchsessen, Marschalls, Kämmerers und Schenken. Jedoch kommen diese Hofämter nie sämtlich nebeneinander vor, sondern meistens nur zu zweit. 2 )


*) Die nachstehenden dankenswerten Zusammenstellungen sind einer bei der Universität zu Freiburg eingereichten Doktordissertation entnommen, deren Einleitung über die territorialen Verhältnisse des Landes im 13. und 14. Jahrh. an dieser Stelle wiederzugeben unnötig erschien. Umsomehr wird man den nachfolgenden Zeilen ihren Platz an dieser Stelle als einen berechtigten gönnen, wenn auch vielleicht in einzelnen Punkten die Ausführungen des Verfassers nicht völlig unanfechtbar dastehen sollten. (Grotefend.)
1) Vgl. v. Below, Territorium und Stadt S. 385 ff.
2) M. U.=B. I, 528, V, 2724, IX, 5910, 5981, 6033, 6229, XIII, 7728, 7730, 8073, XVI, 10069, XVIII, 10151.
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α) Der Truchseß.

Am frühesten tritt in unseren Urkunden der Truchseß auf; er ist zum ersten Male im Jahre 1217 3 ) zu belegen. Es ist dies überhaupt die erste bestimmte Erwähnung eines Hofbeamten, und zwar findet er sich zuerst am Hofe des Grafen von Schwerin. Von da an erscheint der Truchseß sehr oft auch an den Höfen der anderen mecklenburgischen Fürsten. Die Ausdrücke für Truchseß lauten in unseren Urkunden: dapifer, cibator, spiser, spisendreger, spisere. Bezeichnen die Ausdrücke sein Amt im allgemeinen, so finden wir leider nirgends eine nähere Angabe über seine Amtstätigkeit. Wir können nur feststellen, daß er zu Geschäften mannigfacher Art überall als Zeuge in den Urkunden erwähnt wird. So finden wir ihn z. B. bei Stiftungen und Schenkungen jeder Art, 4 ) bei Vergleichen, 5 ) bei Bestätigung von Besitzungen, Freiheiten und Rechten, 6 ) bei Verleihung und Übertragung von Grundbesitz oder von Gerichtsgefällen, 7 ) bei Bestätigung, Erneuerung, Bewilligung, Verleihung von Privilegien 8 ) und bei Verkauf von Grundbesitz oder der Bestätigung des Verkaufs seitens der Untertanen. 9 ) Wie sich aus dem Namen ergibt, stammt der Truchseß aus angesehener Familie. So wird er auch immer unter den Ritterzeugen genannt. Die Frage, ob der Truchseß oder irgend einer der anderen Hofbeamten ein Ministerial gewesen ist, müssen wir für Mecklenburg verneinen. Es ist nämlich hier die bemerkenswerte Tatsache zu konstatieren, daß das Institut der Ministerialität nicht auf Mecklenburg übertragen worden ist. In Erklärung dieser Tatsache stimme ich mit Hegel 10 ) überein, der sagt: "Das Fehlen der unfreien Dienstmannen, welche durch Waffenrecht und Hofämter sich anderswo bis in den Ritterstand emporhoben, erklärt sich wohl daraus, daß, wie früher bei den slavischen Fürsten allein die Großen des Landes die Hofämter bekleideten, jetzt auch nur die deutschen Krieger und Vasallen die ehrenvollen Ämter und Dienste mit ihnen teilten. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß keine persönlich unfreien


3) M. U.=B. I, 230.
4) M. U.=B. I, 230, 282, 299, 410, 464, 550.
5) M. U.=B. I, 284.
6) M. U.=B. I, 371, 391, 493, 500, 517.
7) M. U.=B. I, 397, 415, 461, 490, 591, 603.
8) M. U.=B. I, 449, 463, 505, II, 686, 1078.
9) M. U.=B. II, 817, 919, 969.
10) Hegel, Geschichte der meckl. Landstände, S. 22, sagt auch noch, daß in den anderen germanisierten slavischen Ländern der Ministerialen gar keine Erwähnung geschieht.
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Dienstmannen hereinzogen, ebenso wenig wie unfreie Colonen; die persönliche Freiheit war ja selbst die Voraussetzung für die Einwanderung aus der früheren Heimat." Wenn wir nun doch ein einziges Mal 11 ) bei zwei Knappen die Bezeichnung armigeri sive ministeriales finden, so ist dies wohl ohne Belang und eben sekundärer Natur, und vermag deshalb jenen Satz nicht umzustoßen.

Gewöhnlich steht der Truchseß als einer der ersten, oft sogar als der erste, unter den ritterlichen Zeugen. 12 ) Das Amt des Truchsessen scheint im 13. Jahrhundert sehr bedeutend gewesen zu sein, wohl das angesehenste unter den Hofämtern, da wir verschiedene Male den Truchseß als ersten unter den Hofbeamten angeführt finden. Allerdings kommen selten alle vier Hofämter, wie bereits gesagt, nebeneinander in den Urkunden vor. Doch wir können einige Male belegen, daß da, wo einmal ein Paar Hofbeamte in ein und derselben Urkunde vorkommen, der Truchseß zuerst genannt ist. 13 ) Nachweisbar ist der Truchseß in unsern Urkunden für die Jahre 1217 bis 1282, und zwar kommt er an allen mecklenburgischen Höfen vor. Nicht nur die Fürsten von Mecklenburg, sondern auch die Fürsten von Werle und die Grafen von Schwerin haben ihren Truchseß, ja zweimal kommen sogar in einer Urkunde zwei Truchsesse zugleich vor. 14 ) In einer Urkunde aus dem Jahre 1281 15 ) schließlich tritt der Ritter Johann Moltke als "spisedreger" und Vogt von Kalen auf, eine eigenartige Kombination, die nicht näher erklärt werden kann.

Wenn wir auch nichts über die Amtsausstattung des Truchsessen finden, so hat diese doch wahrscheinlich in Anweisungen auf landesherrliche Einkünfte (Bede) und Überweisung von Lehngütern bestanden. Diese Annahme wird bei den andern Hofbeamten zur Gewißheit, so daß der Rückschluß auf das Truchsessenamt wohl berechtigt erscheint.

Im 14. Jahrhundert verschwindet der Truchseß fast ganz aus den Urkunden, nur noch zweimal ist er als Zeuge genannt. 16 ) Statt dessen tritt in den Urkunden der Küchenmeister auf: coquinarius, magister coquinae oder auf niederdeutsch: Cokemester. Das Amt kommt zwar schon im 13. Jahrhundert (seit 1268) vor, aber nur vereinzelt. Sind die Küchenmeister im


11) M. U.=B. VIII, 5222.
12) M. U.=B. I, 410, 415, 458, 523, 550, 591 603, II, 686, 817, 929.
13) M. U.=B. I, 528, V, 2724, IX, 6033, 6229, XIII, 7656.
14) M. U.=B. I, 603, 686.
15) M. U.=B. III, 1581.
16) M. U.=B. IX, 6033, 6229.
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13. Jahrhundert meistens unter den ritterlichen Zeugen 17 ) genannt, so erscheinen sie im 14. Jahrhundert immer, mit Ausnahme von drei Fällen, 18 ) als Zeugen unter den Knappen. 19 ) Es ist dies wohl ein Zeichen, daß das Amt des Küchenmeisters gegenüber dem des früheren Truchsessen an Bedeutung verloren hat. Ohne Zweifel ist das Küchenmeisteramt ein Ersatz für das schwindende Truchsessenamt. Dementsprechend finden wir den Küchenmeister auch, ebenso wie früher den Truchsessen, als Zeugen bei allgemeinen Geschäften verwendet. Als Zeuge spielt er eine ziemliche Rolle. So steht er z. B. bei einem Bündnisse des Herzogs Albrecht II. von Mecklenburg mit den Herzögen Wartislav und Bugislav von Pommern an erster Stelle 20 ) unter den Knappen, oder wir lesen in einer anderen Urkunde, daß ihm der Landesherr zur Sicherung einer Schuld landesherrliche Rechte an einem Hofe überweist, 21 ) oder ein anderes Mal bestätigt der Landesherr den Schiedsspruch seines Küchenmeisters bei einer Grenzregulierung. 22 ) Auch außerhalb des Hofes erfreut er sich eines gewissen Ansehens und Gewichtes, wie uns eine Urkunde zeigt, in der er als Bürgezeuge für ein Kloster auftritt; 23 ) allerdings ist in dieser Urkunde seine Funktion als Küchenmeister nicht erwähnt. Hierbei ist zu bemerken, daß schon von Anfang an die Inhaber der Hofämter öfters in den Zeugenreihen ohne die spezielle Amtsbezeichnung fungieren. Es konnte eben jeder Ritter oder Knappe allein schon vermöge seines Standes als angesehener Zeuge eines Geschäftes dienen.

Das Amt des Küchenmeisters läßt sich an allen mecklenburgischen Höfen von 1268 bis 1394, d. h. bis zum Schlusse unserer Periode, belegen. Öfters finden wir zwei Küchenmeister bei ein und demselben Fürsten in einer Urkunde, 24 ) und einmal sogar sind drei Küchenmeister erwähnt, denn es heißt in der betreffenden Zeugenreihe: 25 ) "Thuge desser dinghe sint: . . . . Clawes van Helpede unse kokemeyster, Thiderik Clawe unser vrowen kokemeyster, und Zabel van Helpede unser spiser". Aus dieser Urkunde sehen wir überdies, daß auch die Fürstin ihren


17) M. U.=B. III, 2102, IV, 2497, 2500, 2501, 2502, 2503, 2618.
18) M. U.=B. VII, 4912, XIII, 7468, 7656.
19) M. U.=B. II, 1146, III, 1903, V, 2724, 2989, 2994, VII, 4575, IX, 6451, XIII, 7688, 7837, XIV, 8508, XV, 8903, XVIII, 10169, XXI, 11849.
20) M. U.=B. XVI, 9939.
21) M. U.=B. XV, 9374.
22) M. U.=B. VII, 4865.
23) M. U.=B. XX, 11366.
24) M. U.=B. VII, 4575, 4799.
25) M. U.=B. VII, 4793.
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Küchenmeister hat, und aus dem Ausdruck spiser ist doch sicher zu entnehmen, daß der Küchenmeister in der Tat den Truchseß in seiner Funktion ersetzt hat, da derselbe Zabel van Helpede später als Küchenmeister 26 ) noch einmal vorkommt.

β) Der Marschall.

Nächst dem Truchseß erscheint der Marschall zuerst unter den Hofbeamten. Schon im Jahre 1224 27 ) finden wir ihn als Zeugen belegt, und von da an begleitet er uns durch unsere ganze Periode hindurch. Im 13. Jahrhundert ist sein Amt noch nicht von großer Bedeutung, deshalb erscheint er auch in dieser Zeit fast immer unter den Knappen. 28 ) Doch im 14. Jahrhundert scheint seine Stellung sehr bedeutend gewesen zu sein. Er ist jetzt meistens unter den Rittern genannt, ja wir finden ihn sogar des öfteren an deren Spitze oder jedenfalls unter den ersten ritterlichen Zeugen, 29 ) und als Ritter führt er auch die diesen zukommende Bezeichnung dominus. 30 ) Außer bei allgemeinen Geschäften, wie auch die vorhergehenden Hofbeamten, wird er speziell bei wichtigen Urkunden als Zeuge verwendet. So im Jahre 1321, 31 ) wo Fürst Heinrich von Mecklenburg seinen Sohn Albrecht mit der Prinzessin Euphemia von Schweden, der Schwester des Königs Magnus, verlobt. Diese sozusagen politische Heirat führt auch zugleich zu einem Schutzbündnisse mit Schweden, und unter den Beglaubigungszeugen findet sich der Marschall. Ferner tritt im Jahre 1343 32 ) bei einem Bündnisse der Fürsten Johann III. und Nikolaus von Werle mit den Fürsten Albrecht und Johann von Mecklenburg auch ein Marschall als Zeuge auf. Im Jahre 1323 33 ) bei einem Friedensschluß der Fürsten Johann II. und Johann III. mit dem Fürsten Heinrich von Mecklenburg steht er sogar an der Spitze der ritterlichen Bürgen, ebenso bei einem Vergleiche der Herzöge von Pommern mit dem Herzoge von Mecklenburg. 34 )


26) M. U.=B. IX, 6458.
27) M. U.=B. I, 301.
28) M. U.=B. I, 301, II, 987, 1182, 1191, 1237, 1254, 1261, 1267, 1284, 1286, 1292, 1352, III, 1788, 1932, 1936, 1973, 2070, 2071, 2085, 2121, 2377, 2402, IV, 2514, 2523, 2549.
29) M. U.=B. III, 1788, 1932, IV, 2514, VI, 3842, VII, 4383, 4422, 4449, 4461, 4563.
30) M. U.=B. VII, 4467, VIII, 5591, IX, 6188.
31) M. U.=B. VI, 4286.
32) M. U.=B. IX, 6271.
33) M. U.=B. VII, 4467.
34) M. U.=B. XVI, 9938, 9939.
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Auch über die eigentliche Stellung des Marschalls als des Hofbeamten, der mit dem Kriegswesen betraut ist, lassen sich für Mecklenburg verschiedene Urkunden als Belege erbringen. Es scheint, als ob beim Marschall die kriegerische Seite seines Wirkens gegenüber der speziellen hofdienstlichen in den Vordergrund getreten ist. Die Entwicklung dazu ist klar, denn wie der Marschall, seinem Namen entsprechend, zuerst mit der Aufsicht über die fürstlichen Stallungen betraut ist, so hat er zugleich die Aufsicht über die Mannen, und als ihr Anführer steht er seinem Herrn bei allen größeren oder kleineren Unternehmungen zur Seite. Da der Marschall sich zur Erfüllung militärischer Zwecke besonders geeignet erwies, so nahm ihn der Fürst auch zu seinem Hauptmann, wie wir einige Male nachweisen können. In dieser Stellung kommt der Marschall zum ersten Male in einer Urkunde vor, die leider nicht genau zu datieren ist, aber wohl vor 1335 zu setzen ist. 35 ) Der Inhalt dieser Urkunde ist folgender: "Fünf schwedische Ritter gestatten im Namen des Königs Magnus von Schweden, aus Wohlwollen gegen den Ritter Wipert Lützow, mecklenburgischen Marschall und Hauptmann der Burg Stege auf Möen, den Bürgern zu Stege und den übrigen Bewohnern der Insel Möen, sowie den Einwohnern zu Kallehauge und Vibemose auf Seeland verschiedene Vorteile auf den Märkten zu Skanör und Falsterbo, und erlauben Wipert Lützow die Bestellung eigener Vögte daselbst für seine gesamten Untergebenen." 36 ) Eine andere Urkunde zeigt uns noch deutlicher, daß der Marschall Führer der Kriegsmannschaft gewesen sein muß, denn Lüder Lützow - allerdings hier ohne seine Amtsbezeichnung 37 ) - hält mit dem Herzoge Albrecht von Mecklenburg Abrechnung über seine Zehrungskosten und Verluste im Kriege gegen den Markgrafen Otto von Brandenburg während der Zeit vom 13. April bis zum 23. Juni 1372. 38 ) Gerät der Marschall im Dienste seines Fürsten in Gefangenschaft, so ist der Fürst verpflichtet, ihn auszulösen, wie uns eine Urkunde ans dem Jahre 1382 39 ) belehrt. Hier verpfändet Lorenz, Fürst von Werle, an seinen Marschall Heinrich


35) M. U.=B. VIII, 5591.
36) Ist der Marschall hier nur Hauptmann einer Burg, so kommt er aber auch als Landeshauptmann vor, s. darüber Abschnitt 3.
37) M. U.=B. XV, 9054, 9378, 9379, XVI, 9934, 9938, 9939, 10069, XVIII, 10151, 10508, 10624, 10639, 10705, XIX, 11033, hier in den Jahren 1362 - 1377 erscheint Lüder Lützow mit seiner Amtsbezeichnung am Hofe des Herzogs Albrecht von Mecklenburg.
38) M. U.=B. XVIII, 10497.
39) M. U.=B. XX, 11402.
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Levetzow und dessen Brüder Stadt und Land Neukalen, um die Anslösungssumme damit zu decken, und zwar heißt die betreffende Stelle: "4000 marck van der vangenschop, do unse marschalck her Hinrich Levetzow uns affgefangen wart an unseme denste mit unser vane bey uns, da wy suluen mede weren, up dem velde vor her Hinrick Linstowen haue" . . . . . Aus dieser Urkunde ersehen wir ganz deutlich, daß der Marschall seinen Herrn auf seinen kriegerischen Unternehmungen begleitet haben muß.

Schließlich bleibt noch die Frage übrig, ob für Mecklenburg die Erblichkeit des Marschallamtes festzustellen ist. Findet sich in andern Territorien schon im 12. oder wenigstens 13. Jahrhundert ein erbliches Marschallamt, so ist dieses in den mecklenburgischen Territorien erst im 14. Jahrhundert nachweisbar. Wegen des lückenhaften Urkundenmaterials ist es jedoch nicht möglich, etwa an Hand einer chronologischen Tabelle aller an den mecklenburgischen Höfen vorkommenden Marschälle die Entwicklung zur Erblichkeit des Marschallamtes vollkommen deutlich zu zeigen. Soweit aber die Urkunden es gestatten, wollen wir versuchen, uns diese Entwicklung klar zu machen. Im 13. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts scheint das Amt des Marschalls nach dem Belieben des Landesherrn bald diesem, bald jenem Lehensmann verliehen zu werden. So sehen wir am mecklenburgischen Hofe: Konrad, 40 ) Johann von Schwansee, 41 ) Hermann I. und Hermann II. v. Örtzen, 42 ) Wipert v. Lützow, 43 ) Konrad Preen, 44 ) Johann Kröpelin; 45 ) am werleschen Hofe: Adam, 46 ) Wessel, 47 ) Tesmar, 48 ) Pritzbuer, 49 ) Gotmar v. Retzow, 50 ) Heinrich und Nikolaus Kabold, 51 ) Johann v. Havelberg, 52 ) Heinrich v. Marin, 53 ) Henning oder Johann


40) M. U.=B. I, 301.
41) M. U.=B. III, 2406, V, 2958, 3150.
42) M. U.=B. V, 2872, 3215, 3293, 3338, X, 7257.
43) M. U.=B. VI, 3785, 3842, 4001, 4032, 4286, VII, 4377, 4383, 4420, 4422, 4424, 4449, 4461, 4477, 4563, 4612, 4912, VIII, 5591.
44) M. U.=B. VIII, 5014, 5025.
45) M. U.=B. IX, 5808, 5848, 5981, 5985.
46) M. U.=B. II, 987.
47) M. U.=B. II, 1182, 1191, 1297, 1254, 1261, 1267, 1284, 1286, 1292, 1352.
48) M. U.=B. III, 1788, 1932, 1936, 1973, 2070, 2071, 2085.
49) M. U.=B. V, 3064.
50) M. U.=B. IV, 2514, 2549, V, 2724, 2726, X, 7262.
51) M. U.=B. V, 3379, 3416.
52) M. U.=B. VI, 3597.
53) M. U.=B. VI, 4222, VII, 4467, 4835.
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v. Gerden, 54 ) Joachim Rumpshagen, 55 ) Wülfing und Hartmann v. Oldenburg, 56 ) Heinrich Teßmar 57 ) und am Hofe der Grafen von Schwerin: Bolte v. Drieberg, 58 ) Heinrich v. Aderstedt, 59 ) Heinecke v. Bralstorf 60 ) und Naudin 61 ) bald kürzere, bald längere Zeit das Marschallamt bekleiden. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts etwa beschränkte das Amt sich auf gewisse Familien des einheimischen Adels, aus welchem die Fürsten gewohnheitsmäßig, dann aber regelmäßig die Inhaber des Marschallamtes erwählten, bis sich endlich dieses Amt in einer bestimmten Familie 62 ) vererbt. Die erste Kunde von einer erblichen Verleihung des Marschallamtes bietet uns eine Urkunde aus dem Jahre 1353, 63 ) in welcher Herzog Johann von Mecklenburg den v. Behr das Oberste Marschallamt für Stargard mit dem Land Lize verleiht. Die Urkunde lautet:

"Wy Johan, von der gnade gades hertoge thu Meckelenborg, thu Stargarde und thu Rostok ein herre, bokennen und botugen in desseme iegenwerdigen breve, dat wy unsem truwen Henningk Beren hebben gelegen und leinen unnse ouerste marschalkampt, und hebben eme darthu gelegent alle gebeide und alle bede, id sy eigendoem effte welkerleie wis wy se beden, und alle vrucht und alle angefaell, dat uns mochte anfallen, up der ganzen Litze, sunder de manschopp. Hiraff schall uns de vorsprokene Henningk houerechtes plegen also, alse id to unseme marschalkeampt boreth. Were ok dat de Litze unnd, dat darthu horeth, Henninge affginge mit rechte, so schole wi Henninge thu unseme marschalkampte leggen also vele, als eme daran affginge. Were ock dat Henningk affginge und lethe he unmundege kindere nha, de unse ampt nicht vorstan konden, so scholden se nemen uth deme slechte heren Lippoldes Beren, de waneth thu Cammyn, den oldesten, de ere vormundere were also lange, wente se thu eren iaren quemen. Were ock dat de vorbonomede Henningk affginge ane erven effte de gene, de von em geboren weren, so scholde dat ampt fallen up den oldesten, de von des vorsprokenen heren Lippoldes Beren


54) M. U.=B. IX, 5857, 6188, 6229.
55) M. U.=B. VIII, 5335, IX, 5910, 5950, 5951, 6006, 6257, 6271, 6550.
56) M. U.=B. VIII, 5330, 5378, 5624, 5657, 5715, IX, 6808.
57) M. U.=B. IX, 6550, X, 6667.
58) M. U.=B. IV, 2599.
59) M. U.=B. V, 3050.
60) M. U.=B. VII, 4813.
61) M. U.=B. X, 6716.
62) Familien Lützow, Maltzan.
63) M. U.=B. XIII, 7859.
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von Cammyn geboren were, unnd dat ampt schall so vort erven von dem einen up den andern alle de wile, dat dat slechte waren mach."

Diese Urkunde ist in mancherlei Hinsicht interessant; zeigt sie uns doch vor allem, daß die Erblichkeit bis ins einzelne geregelt ist, indem beim Aussterben des Geschlechtes die nächsten Verwandten die Würde erben, die mit dem lehnbaren Besitz des Landes Lize verbunden ist, und sollte der Marschall etwas von dem Lande verlieren, so verpflichtet sich der Landesherr, es ihm zu ersetzen. Als besondere Verpflichtung des Marschalls wird die Pflege des Hofrechtes hervorgehoben. Aus dem späteren Titel Landmarschall schließen zu wollen, daß es in Mecklenburg etwa ebenso wie in Österreich ein eigentliches Landmarschallamt im Gegensatz zum speziellen Hofmarschallamt gegeben habe, würde zu weit gehen, da wir das Oberste Marschallamt nur dieses eine Mal belegt finden, und zwar in Beziehung auf das Land Stargard. Der Grund liegt weniger darin, daß das Land Stargard, seitdem es 1304 von Brandenburg an Mecklenburg gefallen war, eine exzeptionelle Stellung innerhalb der Gesamtorganisation Mecklenburgs eingenommen hat, sondern daß seit 1352 Mecklenburg=Stargard wieder von Mecklenburg=Schwerin getrennt als selbständiges Herzogtum bestand.

Für Mecklenburg=Schwerin ist keine direkte Belehnungsurkunde mit der erblichen Marschallwürde zu finden, aber wir sehen doch, daß das Marschallamt sich allmählich auf die Familie Lützow beschränkt. Schon im 2. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts läßt sich nach den Urkunden beobachten, daß Fürst Heinrich von Mecklenburg mit Vorliebe, wenn auch noch nicht ausschließlich, 64 ) seinen Marschall aus dieser Familie wählt. Denn unter ihm bekleidet Wipert I. von Lützow von 1315 bis 1328 diese Würde. Der Nachfolger des Fürsten Heinrich, Herzog Albrecht II., hält sich ebenfalls an diese Familie; unter ihm besitzen von 1351 bis 1361 Johann v. Lützow 65 ) und von 1362 bis 1377 66 ) Lüder


64) Belege hierfür s. Anm. 43.
65) M. U.=B. XIII, 7422, 7468, 7656, 7728, 7730, 7739, XV, 8844; infolge des unzulänglichen Urkundenmaterials läßt sich Johann v. Lützow nicht für alle Jahre des Zeitraumes von 1351 - 1361 ausschließlich als Marschall belegen, so findet sich 1354 (M. U.=B. XIII, 7874) ein Mal Busse v. Schuderen und 1361 M. U.=B. XV, 8876 ebenfalls nur ein Mal Hermann Kardorf als Marschall belegt.
66) M. U.=B. XV, 9054, 9337, 9378, 9379, XVI, 9934, 9938, 9939, 10069, XVIII, 10151, 10508, 10624, 10639, XIX, 11033.
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v. Lützow das Marschallamt. Die Gewohnheit, beim Marschallamt auf die Familie Lützow zurückzugreifen, hat sich unter den Söhnen Herzog Albrechts: den Herzögen Heinrich III., Albrecht III., König in Schweden und Magnus zur Regel ausgebildet, da unter ihnen obiger Lüder v. Lützow von 1380 bis 1387 67 ) und Wipert II. v. Lützow seit 1395 68 ) Marschälle sind.

Von den Güstrowschen Fürsten wurde 1372 die Familie v. Levetzow mit dem höchsten Marschallamte erblich belehnt, und seitdem bleiben Heinrich und Jakob v. Levetzow im Besitze dieses Postens. In der Belehnungsurkunde 69 ) erfahren wir folgendes:

1. Mit dem Marschallamte ist der Besitz des Dorfes und Gutes Klenz mit allem Zubehör verbunden.

2. Der Marschall hat sein Land vor allen Ansprüchen zu schützen und zu wahren und soll alle Vorteile genießen, die einem Marschalle zukommen.

3. Der Marschall hat in seinem Gebiete den Frieden aufrecht zu erhalten und der Fürst unterstützt ihn darin.

4. Nimmt der Marschall oder seine Erben an seinem Gute Schaden, so will der Fürst ihn ersetzen.

5. Will der Fürst Heinrich Levetzow und seine Erben mit Macht im Amte behalten, auf daß er und seine Nachkommen ewig darin bleiben und kein anderer in das Marschallamt eingesetzt zu werden braucht.

Die Fürsten von Werle=Goldberg wählen ihre Marschälle aus der Familie Maltzan, aus welcher auch nach dem Abgang des Goldbergschen Hauses die Fürsten von Werle=Waren ihre Marschälle nehmen. 70 )

Die Fürsten von Mecklenburg=Stargard endlich haben am Ende des 14. Jahrhunderts als Marschall Wedege von Plate, 71 ) aber von der Erblichkeit des Amtes auf seine Nachkommen berichten uns die Urkunden nichts.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß im Mecklenburgischen Urkundenbuch ein einziges Mal ein Futtermarschall 72 ) genannt ist. Über seine Funktion ist nichts angegeben, so daß es zweifel=


67) M. U.=B. XIX, 11279, XX, 11333, 11654, 11714, XXI, 11789, 11936.
68) M. U.=B. XXII, 12791, 12851, nach v. Meyenn, Gesch. d. Fam. v. Pentz I, Urk., S. 92, ist Wipert v. Lützow noch 1435 Marschall.
69) M. U.=B. XVIII, 10322, als Marschall kommt Heinrich v. Levetzow noch vor im M. U.=B. XIX, 11015, 11222, XX, 11402, 11403.
70) M. U.=B. XVIII, 10596, XIX, 11004, 11113, XXII, 12282, 12689.
71) M. U.=B. XXII, 12447.
72) M. U.=B. XIX, 11107.
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haft sein kann, ob er für das Futter der Pferde des Hofes oder für das der Pferde des Heeres zu sorgen hat. Er entstammte der adligen Familie der Halberstadt.

Was die Amtsausstattung des Marschalls anbetrifft, so hat sie in der Überweisung von Lehngut und dessen Nutznießung oder von Bedeerhebungen bestanden, wie uns mehrere Urkunden lehren. 73 ) Wie die Ritter in Anerkennung ihres Kriegsdienstes, so erhalten auch die Träger der Hofämter wohl in Anerkennung ihres Hofdienstes ihre Lehen steuerfrei. 74 ) So ist der Hof des Marschalls Henning v. Gerden bedefrei; der Fürst Nikolaus III. von Werle dehnt dies Vorrecht 1338 auch auf den Veräußerungsfall aus. 75 )

γ) Der Kämmerer.

Geringere Bedeutung als dem Truchsessen und Marschall kommt dem Kämmerer zu. Es gibt sich dies schon daraus kund, daß er meistens unter den Knappen genannt ist. Wenn in nur fünf Fällen 76 ) der Kämmerer Ritterzeuge ist, so erklärt sich dies wohl aus der Persönlichkeit des Inhabers dieses Amtes. Gerade bei den Hofämtern kann der Einfluß der einzelnen Persönlichkeit besonders stark zum Ausdruck kommen. In unsern Urkunden taucht der Kämmerer zum ersten Male im Jahre 1237 auf. 77 ) Zunächst im 13. Jahrhundert tritt er, besonders am Hofe der Fürsten von Mecklenburg, 78 ) noch wenig in den Urkunden hervor, während er am Hofe der Fürsten von Werle schon mehrfach 79 ) vorkommt. In der Folgezeit aber, im 14. Jahrhundert, wird er häufig in den Urkunden genannt und bei allen möglichen Geschäften der Fürsten als Zeuge verwandt. 80 ) Bezüglich seines Titels ist zu beobachten, daß er sehr oft prothocamerarius oder archicamerarius genannt wird - offenbar eine Entlehnung aus der Titulatur der Reichsverwaltung. Wenn wir übrigens alle die Urkunden, in denen der prothocamerarius vorkommt, durchgehen,


73) M. U.=B. XIII, 7859, 7872, XV, 9337.
74) Vgl. Brennecke im Jahrb. für Meckl. Gesch. 65 (1900) S. 55 u. M. U.=B. XIX, 11279.
75) M. U.=B. I, 467.
76) M. U.=B. XVI, 9899, 9934, 10023, XVIII, 10151, 10308.
77) M. U.=B. I, 467.
78) M. U.=B. I, 528, 543.
79) M. U.=B. I, 595, II, 1286, 1295, 1314, 1317, 1322, 1371, III, 1893.
80) M. U.=B. V, 3264, VI, 4090, VIII, 5624, IX, 5873, 5894, 5971, 5981, 6033, 6035, 6053, 6257, 6550, X, 6667, 6730, 6808, 6975, 7038, XIII, 7535, 7728, XIV, 8490, XV, 8887, XVIII, 10308 usw.
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so machen wir die Beobachtung, daß es sich mit Ausnahme von vier Fällen 81 ) immer um ein und dieselbe Persönlichkeit handelt, nämlich den Knappen Alkun, 82 ) so daß dieser Titel auch eine besondere Wertschätzung seitens des Fürsten bedeutet.

Seit 1347 83 ) tritt in den Urkunden die Bezeichnung Kammermeister, magister camerarius oder camerae auf, ein Titel, der seitdem mit dem des Kämmerers abwechselnd gebraucht wird. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts scheint auch die Stellung des Kämmerers bedeutender geworden zu sein als in früherer Zeit. Erfahren wir doch in einer Urkunde aus dem Jahre 1361, 84 ) daß der Herzog Albrecht II. von Mecklenburg seinem Kämmerer Bernhard Alkun einen Hof nebst drei Hufen in Warstorf zu erblichem Eigentum verleiht. Ob mit dem erblichen Eigentum auch die Würde des Kämmerers erblich geworden ist, läßt sich nicht mit Sicherheit aus den Urkunden entscheiden. Wir können nur, wenn wir alle Urkunden daraufhin betrachten, feststellen, daß sich seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts bei den Fürsten von Mecklenburg die Gewohnheit herausgebildet hat, ihre Kämmerer aus der Familie Alkun zu nehmen, bei den Fürsten von Werle jedoch ist eine derartige Beschränkung nicht der Fall, bei ihnen finden wir, wie auch in Mecklenburg im 13. Jahrhundert, Kämmerer aus verschiedenen Familien. Jedenfalls bei zwei Fürsten von Mecklenburg, Heinrich und Albrecht, können wir bemerken, daß sie sich an die Familie Alkun halten. Besonders für die lange Regierungszeit des Herzogs Albrecht II. trifft dies zu. Unter ihm bekleidet Bernhard Alkun von 1338 bis 1362 85 ) dieses Amt, dann folgt - offenbar zur Unterstützung des alternden Kämmerers Bernhard Alkun - schon von 1361 an bis 1366 ein anderer Kämmerer, namens Grube Vieregge, 86 ) bis endlich von 1369 bis 1372 Nikolaus Alkun 87 ) das Kämmereramt führt. Ob dieser Nikolaus Alkun ein Sohn des Bernhard Alkun ist, so daß also Grube Vieregge nur bis zu dessen Mündigkeit das Kämmereramt innegehabt hätte, ist urkundlich nicht festzustellen.


81) M. U.=B. VI, 4090, VIII, 5624, X, 6808, XV, 9379.
82) M. U.=B. IX, 6033, X, 6847, 7038, 7124, XIII, 7496, 7535, 7728, 7730, 7739, 7796, 7942, 7984, 8011, 8106, XIV, 8490, XV, 9038, XVI, 9899.
83) M. U.=B. X, 6730.
84) M. U.=B. XV, 8854.
85) M. U.=B. IX, 5894, 5971, 5981, 6033, 6035, 6053, X, 6730, 6847, 6975, 7038, 7124, XIII, 7468, 7535, 7728, 7730, 7739, 7796, 7837, 7942, 7984, 8011, 8043, 8073, 8106, 8121, XIV, 8288, 8490, XV, 8854, 8887, 9038.
86) M. U.=B. XV, 8876, 9338, 9379, XVI, 9541.
87) M. U.=B. XVI, 9899, 9934, 10023, XVIII, 10151, 10308.
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Der Nachfolger von Herzog Albrecht II., Albrecht III., zugleich König von Schweden, hält sich allerdings nicht mehr an die Familie Alkun, sondern unter seiner Regierung treten wieder verschiedene Kämmerer auf. 88 ) In seiner Zeit finden wir auch etwas über die Tätigkeit des Kämmerers angegeben. Eine Urkunde aus dem Jahre 1377 89 ) handelt von einer Rechenschaftsablegung des Kammermeisters Volrad v. Züle. König Albrecht bekundet hier, "dat de wolborne man Volrad van Tzule us gude und redeleke rekenschap ghedan heft van alle deme, dat he van user wegen upgheboret, utghegheuen, ghewunnen und geborget heft sint der tiid, dat he use camermester ward, bit an dessen dach, und wy laten em aller rekenschap gentzleken ledich und lois vor us und use erven und willen dar nicht meer up saken, und des to tuge so hebben wy use ingesegel gehenget vor dessen breff" . . . .

Leider läßt die Urkunde nicht sicher erkennen, ob die Rechnungsablegung sich auf Dinge bezieht, die mit der Verwaltung des Kämmereramtes zusammenhängen, oder auf eine Angelegenheit, die dem Kämmerer nicht als solchem übertragen war. Andere Nachrichten über eine finanzielle Tätigkeit des Kämmerers liegen nicht vor. Wir wissen also nicht, ob ihm obliegt, für die persönlichen Bedürfnisse des Fürsten zu sorgen, oder ob er in seiner weiteren Eigenschaft als Finanzbeamter der Verwalter aller landesherrlichen Einkünfte gewesen ist, die von ihm etwa zur Bestreitung der fürstlichen Hofhaltung verwendet worden wären. 90 )

Die Amtsausstattung des Kämmerers scheint in Überweisung von Lehnsgut bestanden zu haben, wenn dies auch nicht aus den beiden Urkunden, 91 ) die darüber berichten, mit vollkommener Klarheit 92 ) hervorgeht. In der einen Urkunde schenkt Herzog Albrecht II. von Mecklenburg seinem Kämmerer Bernhard Alkun, wie bereits erwähnt, einen Hof nebst drei Hufen in Warstorf zu erblichem Eigentum in Anerkennung seiner treuen Dienste. Es heißt hier: "Nos Albertus dei gracia dux Magnopolensis. . . . recognoscimus . . ., quod valido viro, nostro camerario ac dilecto nostro fideli Bernardo Alkun suisque veris heredibus,


88) M. U.=B. XIX, 10968, XX, 11522, XXI, 11805.
89) M. U.=B. XIX, 10968.
90) Vgl. Rosenthal, Gesch. des Gerichtswesens und der Verwaltungs=Organisation Bayerns, 1. Teil, S. 249.
91) M. U.=B. XV, 8854, XXI, 11805.
92) Es bleibt nämlich zweifelhaft, ob das überwiesene Lehngut am Kämmereramte haftet oder nur eine Schenkung an Bernh. Alkun und seine Erben ist.
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perpensis et consideratis serviciorum suorum fidelitatibus, meritorum suorum circumstanciis ac intuitu dilectionis, qua specialiter erga eum amplectimur, quandam curiam . . . . . de expresso et pleno nostrorum heredum scitu et consensu ac nostrorum consiliariorum pleno perusi consilio dedimus et dimisimus . . . ."

Aus der zweiten Urkunde erfahren wir, daß Albrecht, König von Schweden, und Albrecht, Erbe des Reiches Dänemark, Herzöge von Mecklenburg, ihrem Kammermeister Volrad von Züle das Kirchlehen zu Vellahn in erblichen Besitz geben und zwar, wie gesagt wird, "umme truwes denstes und bede willen."

Auch der Kämmerer erhält, ebenso wie der Marschall, sein Lehngut "sine omni precaria ex ipsis danda", d. h. steuerfrei. 93 )

δ) Der Schenk.

Von allen Hofämtern ist das Schenkenamt in Mecklenburg am wenigsten erwähnt. Es kommt überhaupt nur fünfmal 94 ) vor und verschwindet schon seit 1325 vollständig aus den Urkunden.

Zum ersten Male tritt bei den Grafen von Schwerin im Jahre 1273 ein Schenk als Lehnsmann auf. 95 ) Wir erfahren in dieser Urkunde aus dem Jahre 1273, daß Heinrich und Alverich, Schenken von Donstede, an das Kloster St. Marienberg 8 Hufen zu Kl.=Hakenstedt verkaufen, die sie von Graf Gunzel von Schwerin zu Mannlehn haben.

In der zweiten Urkunde 96 ) schenkt Helmold, Graf von Schwerin, obigem Kloster Marienberg das Eigentum von 8 Hufen und zwar "ad instanciam honestorum virorum Alverici et Johannis, pincernarum de Donstede, qui eosdem mansos a nobis in pheodo tenuerunt et nobis resignaverunt, dedimus et donavimus ecclesiae" . . . .

Wenn man den Titel Heinrich und Alverich, Schenken von Donstede, betrachtet, so könnte man meinen, daß man es hier mit einem erblichen Schenkenamte der Grafen zu tun hätte. Doch diese Annahme trifft nicht zu, denn es handelt sich hier um linkselbischen Besitz 97 ) der Schweriner Grafen und die erwähnten


93) M. U.=B. XIV, 8854.
94) M. U.=B. II, 1291, 1345, VI, 4090, VII, 4634 Nr. 2, 4675.
95) M. U.=B. II, 1291.
96) M. U.=B. II, 1345.
97) M. U.=B. III, 2421.
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Schenken sind keine einheimischen Vasallen, sondern fremde Vasallen in schwerinschen Diensten; sie stammen aus dem Halberstädtischen und haben von dem dortigen Bischof ihren erblichen Schenkentitel erworben. 98 )

Am mecklenburgischen Hofe wird der Schenk im ganzen dreimal 99 ) als Zeuge in den Urkunden genannt, und zwar handelt es sich in allen drei Fällen um die Person des Ritters Otto von Jork. Über seine spezielle Tätigkeit ist nichts gesagt, wir können nur aus den vorliegenden Urkunden ersehen, daß der Inhaber des Schenkenamtes sich eines gewissen Ansehens erfreut haben muß, da er unter den Ritterzeugen fungiert und unter ihnen zweimal die erste Stelle einnimmt. 100 ) Seine Amtsausstattung wird wahrscheinlich, wenn es auch nicht direkt angegeben ist, in der Überweisung von Lehngütern und deren Nutznießung und in Anweisungen auf landesherrliche Einkünfte (Bede) bestanden haben.

Zusammenfassung.

Überblickt man die Resultate, die wir aus der Untersuchung über die Hofämter gewonnen haben, so ergibt sich, daß in den mecklenburgischen Territorien in unserer Periode vier Hofämter existiert haben: das Truchsessen=, Marschall=, Kämmerer= und Schenkenamt. Diese vier Ämter kommen nicht vor Anfang des 13. Jahrhunderts vor. Den Grund hierfür dürfen wir einfach in der erst im Anfang des 13. Jahrhunderts im wesentlichen beendeten Kolonisation Mecklenburgs sehen. Aus dem gleichen Grunde und mit der Germanisierung zusammenhängend, findet sich das Institut der Ministerialität nicht auf Mecklenburg übertragen. 101 ) Die Hofbeamten stammen aus ritterbürtigem Geschlecht, sind entweder Knappen oder Ritter. Truchseß, Marschall und Schenk gehören in der Regel zu den Rittern und die Kämmerer meistens zu den Knappen.

Im 13. Jahrhundert kommt der Truchseß zuerst von allen Hofbeamten vor und nimmt unter ihnen die erste Stelle ein, dann verliert das Truchsessenamt schon gegen Ende des 13. Jahr=


98) v. Mülverstedt, reg. aep. Magd. II. 676 und an anderen Stellen.
99) M. U.=B. VI, 4090, VII, 4634 Nr. 2, 4675.
100) In der 1. Urkunde ist die Reihenfolge der Hofbeamten: Marschall, Schenk, Prothocamerarius, in der 2.: Schenk, Kammermeister, und in der 3. Urkunde: Schenk, Küchenmeister.
101) Vgl. oben (bei Anm. 10.)
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hunderts, noch mehr aber im 14. Jahrhundert, an Bedeutung. Im 14. Jahrhundert verschwindet es schließlich vollends und an seine Stelle tritt als eine Art Ersatz das Küchenmeisteramt, dessen Inhaber gewöhnlich unter den Knappen in den Zeugenreihen erscheinen. In diesem Zeitraume ist zweifellos der bedeutendste Hofbeamte der Marschall. An seiner Stellung ist so recht zu beobachten, wie sie sich allmählich immer mehr gehoben hat; im 13. Jahrhundert ist der Marschall in der Mehrzahl der Fälle nur Knappe; dann gewinnt er in der Folgezeit immer mehr an Bedeutung - in den Zeugenreihen rangiert er unter den Rittern - bis der Marschall endlich sogar die Erblichkeit seiner Würde erreicht hat. Es zeigt sich gerade hier, wie die Persönlichkeit des Inhabers eines Hofamtes bei dem selbst so persönlichen Charakter der Zentralverwaltung den Einfluß seines Amtes zu steigern vermag. Dieselbe Erscheinung tritt beim Kämmereramte zutage, das wohl, wie wir annehmen dürfen, teilweise vermöge des Ansehens seines Inhabers es bis zu einer gewissen Erblichkeit gebracht hat.

Das Schenkenamt schließlich scheint in Mecklenburg von ganz kurzer Dauer gewesen zu sein, da wir es nur einige Male in den Urkunden erwähnt finden. Es ist allerdings kein ganz unwichtiges Amt, denn der Inhaber ist Ritter.

Über die eigentliche Amtstätigkeit der Hofbeamten wissen wir aus dem vorhandenen Material nicht allzuviel. Während Truchseß und Schenk im wesentlichen Haushaltungsbeamte 102 ) bleiben, erweitern sich die Befugnisse des Marschalls und Kämmerers. Beim Marschall hat sich aus seiner ursprünglichen Funktion: der Aufsicht über den Marstall und die reisigen Knechte, eine Oberaufsicht über alle dem Fürsten zum Reiterdienst Verpflichteten entwickelt, so daß schließlich die gesamte Kriegsmacht seinem Oberbefehl unterstellt ist. 103 ) Hiervon finden wir Spuren in unsern Urkunden, indem der Fürst einigemale den Marschall zum Hauptmann des Landes gewählt hat. Beim Kämmerer hat sich seine ursprüngliche Funktion derart erweitert, daß ihm das Finanzwesen in etwa unterstellt ist. Sonst finden wir alle Hofbeamten


102) Rudloff, Handb. der Meckl. Gesch., II. Teil, S. 160 erwähnt einmal Klagen über die Erpressungen, die sich bei den wandernden Hofhaltungen die Küchenmeister für die Bedürfnisse der fürstlichen Tafel erlaubten; die urkundlichen Belege hierfür, jetzt M. U.=B. I, 458, II, 557, IV, 2621, ergeben jedoch nichts Belastendes für den Küchenmeister und die Hofhaltung.
103) Vgl. v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt, S. 19 ff.
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bei Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung verwendet. Wo es gilt, irgend eine Handlung oder Abmachung des Fürsten durch Zeugnis zu bekräftigen, da sehen wir vor allem die Hofbeamten unter den Zeugenreihen. Nach den verschiedenen Ausstellungsorten der Urkunden zu schließen, scheinen die Hofbeamten ihren Herrn auch auf seinen Reisen begleitet zu haben, denn die Hofhaltung der mecklenburgischen Fürsten ist in unserem Zeitraume noch wandernd, und der Fürst hält sich bald in dieser oder jener Stadt auf, wo er oft eine Burg besitzt. Allerdings haben die mecklenburgischen Fürsten schon einige Städte vorzugsweise zu ihrem Aufenthalt gewählt. 104 )

In jedem mecklenburgischen Territorium sind mehrere Inhaber eines Hofamtes nacheinander tätig gewesen - einige Male erscheinen sogar in ein und demselben Jahre mehrere Hofbeamte, 105 ) und einmal hat sogar die Fürstin einen eigenen Hofbeamten.

Volle Erblichkeit des Amtes läßt sich, wie bereits erwähnt, nur bei dem Marschallamte mit Sicherheit nachweisen. Was endlich die Amtsausstattung anbetrifft, so scheint sie, wie man aus einigen Urkunden schließen darf, in Anweisungen auf landesherrliche Einkünfte (Bede) und Überweisung von Lehngütern bestanden zu haben.

b) Der fürstliche Rat.

Wenngleich die Fürsten ihre Regierungshandlungen allein vornehmen können, so macht sich doch schon früh bei ihnen das Bedürfnis geltend, zu ihrer Unterstützung Gehilfen heranzuziehen. Es ist ja überdies begreiflich, daß die Landesherren bei ihren Stiftungen und Schenkungen, Bündnissen und Verträgen Ratgeber und Gehilfen nötig haben, sowohl zu ihrer eigenen Beruhigung und Rechtfertigung vor der Nachwelt, als auch zur Sicherung der Parteien und zur Befestigung der übernommenen Verbindlichkeiten. Ganz nach Belieben wählt nun der Fürst seine Berater aus dem Kreise der ihm zunächst stehenden Personen, d. h. aus seiner Umgebung. Dabei mögen die Landesherren zunächst auf Alter und Erfahrung (seniores terrae nostrae), 106 ) auf Weisheit und Klugheit (consilio sapientum nostrorum - prudentum


104) Z. B. Rostock, Wismar, Schwerin, Güstrow, Parchim.
105) M. U.=B. I, 284, 391, 603, VII, 4575, 4793, 4799, IX, 6550, X, 6730.
106) M. U.=B. I, 446, 458.
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vasallorum nostrorum) 107 ) gesehen haben. Der Kreis der Personen, deren Rat die Fürsten für ihre Regierungshandlungen einholen, ist anfangs wohl unbeschränkt groß, aber allmählich scheint er sich doch verengert zu haben, indem die Fürsten aus der großen Menge ihrer Lehnsleute auf diejenigen Ratgeber zurückgreifen, die sich schon eine gewisse Praxis in der Führung der Staatsgeschäfte erworben haben. Darauf scheint folgender Passus einer Urkunde aus dem Jahre 1277 108 ) hinzudeuten: "adhibito cum maturitate bona consilio et optento cum liberalitate perfecta consensu eorundem militum, qui tunc nobiscum statui et negociis terre disponere consueverunt." Die Ritter und Lehnsleute, welche vorzugsweise ununterbrochenen Anteil an den Entschließungen ihres Herrn haben, werden mit den Titeln secretarii und consiliarii 109 ) bezeichnet. Die erste Erwähnung von bestimmten mecklenburgischen Räten finden wir schon im Jahre 1284. In der betreffenden Urkunde 110 ) werden bei einem Kauf der Fürsten Heinrich und Johann von Mecklenburg als Zeugen angeführt: "Gerhardus Meciko et Harwicus frater suus, Godescalcus Pren, Bertoldus Pren, Otto de Reventlo, Benedictus de Rodenbeke, Thitwicus de Orcen, Johannes de Cernin, Henricus et Reymarus de Barnecowe, Hinricus de Cremun, Marquardus de Lo, Ludolfus de Travenemunde, milites, nostri consiliarii, et alii quam plures fide digni." Von nun an begegnen uns häufig Räte in Mecklenburg, und unsere Urkunden sind voll von Zeugnissen über die Tätigkeit dieser Räte. Bald wird einer mit ihnen angestellten Beratung und Überlegung (deliberacione et consilio nostrorum consiliariorum prehabito), 111 ) bald ihrer ausdrücklichen Zustimmung und Einwilligung (consensus, beneplacitum) 112 ) zu den fürstlichen Regierungshandlungen gedacht. Bei dem rein persönlichen Charakter der landesherrlichen Verwaltung ergibt es sich von selbst, daß die mit dem Dienste bei der Person des Fürsten Betrauten,


107) M. U.=B. II, 913, V, 3123, VI, 4301, 4310.
108) M. U.=B. II, 1431. Es war zur Zeit der Regentschaft.
109) Am häufigsten begegnet der Ausdruck consiliarius, selten nur unter Heinrich II. wird auch der Ausdruck secretus für Rat gebraucht, Belege s. M. U.=B. XII, S. 429, 472, 473.
110) M. U.=B. III, 1744.
111) M. U.=B. III, 2277, IV, 2553, 2610, V, 2958, 3025, 3040, 3081, 3089 A, 3099, 3150, IX, 5793.
112) M. U.=B. V, 2927, 3237, 3245, 3396, 3425, 3472; s. auch Wort= und Sachregister von Bd. XII, XVII, XVIII, XIX, XX, XXI und XXII, unter consensus S. 92, 365, 95, 108, 119, 84, 102.
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also die Inhaber der Hofämter, sich des besonderen Vertrauens ihres Fürsten erfreuen und deshalb unter den Räten genannt sind. 113 ) Neben den Hofbeamten sind es auch die Beamten der Lokalverwaltung 114 ) und Kanzlei, 115 ) deren Rat der Fürst befragt. Dadurch werden aber keineswegs andere Lehnsmänner 116 ) von seiner Umgebung und vertrauten Ratspflege ausgeschlossen; auch Geistliche 117 ) und Magistratspersonen 118 ) der großen Städte, die sich im Gefolge des Fürsten ohne besondere Dienstleistung befinden, werden als Ratgeber herangezogen. Doch ist es nach den vorhandenen Urkunden nicht möglich, eine einigermaßen lückenlose Zusammenstellung 119 ) der mecklenburgischen Räte zu geben. Denn außerordentlich oft erfahren wir wohl, daß die Fürsten eine Regierungshandlung vornehmen: "consilio nostrorum fidelium consiliariorum", aber diese Räte sind nicht mit Namen genannt, und eine Identität der gewöhnlich im Anfange der Urkunden genannten Räte mit den am Ende namentlich angeführten Zeugen annehmen zu wollen, erscheint gewagt. Jedenfalls können wir als Ergebnis unserer Untersuchung unzweifelhaft feststellen, daß es nicht nur am Hofe der Fürsten von Mecklenburg, sondern auch an den Höfen der Fürsten von Werle und der Grafen von Schwerin einen fürstlichen Rat gibt. Dieser Rat ist jedoch keineswegs fest organisiert und nach außen abgeschlossen, sondern im einzelnen sehr verschiedenartig zusammengesetzt. Es ist vielmehr so, daß lediglich der Wille des Fürsten entscheidet, wen er von seiner Umgebung zur Beratung heranziehen will.

c) Die Kanzlei und ihre Beamten. 120 )

"Da die Inhaber der Hofämter gewöhnlich ohne schulmäßige Bildung sind, ergibt sich von selbst für den Landesherrn die Not=


113) M. U.=B. V, 2958, 3150, 3163, XIII, 7795, XIV, 8508 XVIII, 10541.
114) M. U.=B. V, 3309, XIII, 7656, XIX, 11278, XX, 11347.
115) M. U.=B. VII, 4900, 4934, IX, 5778, 6084, X, 6944, 7124.
116) M. U.=B. XIII, 7400, 7416, XIV, 8758, XV, 8931.
117) M. U.=B. III, 2295, IX, 6550, XIII, 8075, XVI, 9879.
118) M. U.=B. VIII, 5152, IX, 5778, XXII, 12323.
119) Siehe M. U.=B. XII, unter "Rat" S. 429 ff.
120) Verfasser ist sich wohl bewußt, daß die Frage nach der Entstehung einer Kanzlei in Mecklenburg vollständig nur mit Hilfe einer eingehenden Untersuchung der Originalurkunden zu lösen ist. Er muß sich darauf beschränken, die Beamten der Kanzlei und ihre Wirksamkeit festzustellen, soweit dies das Urkundenbuch gestattet. - Eine diplomatische Untersuchung von jener Art ist z. B. für Anhalt von Jaenicke, für das Bistum Cammin von Schillmann geführt worden.
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wendigkeit, zur Erledigung der schriftlichen Geschäfte, vor allem zur Fixierung und Ausfertigung der Urkunden, einen schreibkundigen Mann heranzuziehen. Dies kann nach dem ganzen Stande der Bildung im Mittelalter nur ein Geistlicher sein, da nur diese in damaliger Zeit lesen und schreiben können und vor allem des Lateins kundig sind." 121 ) In Mecklenburg gelangt seit 1190 im Zusammenhang mit der Kolonisation die lateinische Urkunde zur Anwendung; erst seit dem 14. Jahrhundert wechselt die mecklenburgische Landessprache, das Niedersächsische, schon häufig in öffentlichen wie in Privatausfertigungen mit dem Latein ab.

Die Geistlichen nun, deren sich die mecklenburgischen Fürsten zur Abfassung und Fixierung ihrer Urkunden bedienen, führen abwechselnd die Titel Schreiber, scriptor, notarius, 122 ) oft noch mit der Bezeichnung curiae. 123 )

Zum ersten Male wird in unsern Urkunden im Jahre 1219 124 ) eines Notars Erwähnung getan. Von da ab finden wir ihn in fast allen Urkunden bis zum Ende unserer Periode, und zwar in allen mecklenburgischen Territorien, 125 ) so daß wir jetzt von einem fest eingerichteten Amt eines Notars in Mecklenburg sprechen können.

Scheinen die Notare in ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vor allem als Datare vorzukommen: datum per manum Eustachii notarii nostri oder per manus Conradi scriptoris, 126 ) so finden wir sie auch, besonders seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, als Beglaubigungszeugen in den Urkunden. 127 ) Jedenfalls haben die Notare keine ganz untergeordnete Rolle gespielt, wie uns einige Urkunden aus den Jahren 1328, 1329 und 1349 128 ) beweisen mögen. 1328 zieht der Notar Meinhard für den Fürsten Heinrich von Mecklenburg 90 Mk. Orbör von der Stadt Rostock ein. 1329 finden wir den Notar Hermann


121) Siehe Schrecker, Das landständische Beamtentum in Anhalt, S. 17.
122) M. U.= B. I, 260, 323, 344, 359, 391, 410, 580, II, 744, 989, IV, 2610, X, 7022.
123) M. U.=B. I, 323, 449, II, 1431, IX, 5832, 6390.
124) M. U.=B. I, 260.
125) M. U.=B. I, 323, 344, 449, II, 1183, V, 2929, 2938, VII, 4430, 4667, VIII, 5195, 5599, 5689, X, 6667, 6700, 6779, 6824, 6991.
126) M. U.=B. I, 323, 344, 359, 391, 410, 523, II, 686, 744, 920, 1040, III, 2397.
127) M. U.=B. I, 552, II, 744, 982, 1158, III, 2406, VII, 5007, VIII, 5021, 5715, X, 6915.
128) M. U.=B. VII, 4894, VIII, 5078, X, 7022.
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Kossebode mit einem Ritter Kossebode, vielleicht seinem Verwandten, als Bevollmächtigten der Fürsten von Werle, um einen ewigen Vertrag und Frieden mit dem Könige von Schweden abzuschließen. 1349 fungiert der Notar Willekinus Craaz als Bürgezeuge für eine Schuld der Herzogin Euphemia von Mecklenburg.

Im 14. Jahrhundert können wir auch schon von einer gewissen Organisation der Kanzlei reden, wenn auch diese bei der relativen Einfachheit aller Verhältnisse noch keineswegs fest geregelt gewesen sein mag. Hat es vorher nur einfache Schreiber oder Notare gegeben, so bildet sich jetzt eine Kanzlei mit einem Protonotar an der Spitze, unter dessen Aufsicht verschiedene Kanzleibeamte (notarii, seriptores, Schreiber) arbeiten. Doch über die nähere Organisation der Kanzlei und insbesondere darüber, wie sie sich aus dem Schreiber oder Notar entwickelt haben mag, geben uns die Urkunden keine Anhaltspunkte. Wir können aus den verschiedenen Titeln allein schließen, daß sich in Mecklenburg das einfache Schreiberamt nach und nach zur Kanzlei entwickelt haben muß. 129 ) Der Titel Protonotar kommt zuerst im Jahre 1323 130 ) vor, sein Name ist Rothger. Dieser ist zuerst einfacher Notar, 131 ) bis er dann zum Protonotar aufsteigt. 132 ) Diese aufsteigende Entwicklung macht sich ebenfalls in dem geistlichen Amte Rothgers geltend. Denn er ist erst einfacher Pfarrer zu St. Nikolai in Wismar und zugleich Hofkaplan. 1323 erscheint er als Rektor der Marienkirche zu Rostock. Allerdings tritt Rothger nur einmal als Protonotar auf; aber das Amt eines Protonotars ist doch geschaffen und läßt sich von jetzt ab bis zum Ende unserer Periode verfolgen. 1337 133 ) erblicken wir Bertold Rode als Protonotar. Dieser Bertold Rode scheint schon vorher eine wichtige Rolle gespielt zu haben, da er bereits 1320 134 ) den Kanzlertitel führt. Doch ist er mit dem Kanzlertitel nur dieses eine Mal bezeichnet, da er von 1320 bis 1339 135 ) noch als Notar und Protonotar erscheint. Der Titel Protonotar ist wohl gleichbedeutend mit dem Kanzlertitel, da beide von 1337


129) M. U.=B. XVIII, 10348, 10561.
130) M. U.=B. VII, 4490.
131) M. U.=B. V, 3399, VI, 3599, 3694, 4299.
132) M. U.=B. VII, 4490.
133) M. U.=B. IX, 5778.
134) M. U.=B. VI, 4154.
135) M. U.=B. IX, 5778, 5832, 5941, 5949 A, 5987.
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bis 1339 136 ) abwechselnd gebraucht werden. Erst seit 1339 scheint Bertold Rode speziell als Kanzler hervorzutreten und bekleidet dieses Amt bis 1351, 137 ) sich eines gewissen Ansehens beim Fürsten erfreuend. Denn wir beobachten, daß er verschiedentlich in den Zeugenreihen 138 ) vor den Hofbeamten genannt ist. Die Nachfolger von Bertold Rode sind von 1352 bis 1363 Bertram Ber, 139 ) von 1361 bis 1363 Johann Kröpelin, 140 ) beide abwechselnd Protonotar und Kanzler genannt, von 1366 bis 1374 Johann Schwalenberg, 141 ) 1375 taucht plötzlich Bertram Ber 142 ) als Kanzler wieder auf, und von 1375 bis 1379 143 ) ist Albert Konow Kanzler. In der Zeit von 1379 bis 1384 ist kein Kanzler in den Urkunden zu belegen, bis schließlich 1384 Johann Renwerstorf und 1389 Johann Brugow 144 ) als Kanzler vorkommen. Wir sehen also, daß es nach den vorhandenen Urkunden nicht möglich ist, ein einigermaßen lückenloses Verzeichnis der Kanzler herzustellen. Wenn wir in Mecklenburg, wenigstens soweit wir es verfolgen können, ein fortdauerndes Kanzleramt finden, so ist in den werleschen Landen dieses Amt bis gegen die letzten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts noch nicht ausgebildet. 145 ) Dies hängt jedenfalls damit zusammen, daß Mecklenburg=Schwerin bei weitem größer war als die werleschen Lande. Ja wir sind wohl berechtigt, anzunehmen, daß die werleschen Fürsten bis zum Jahre 1371, 146 ) wo zum ersten Male ein Kanzler bei ihnen vorkommt, sich der mecklenburgischen Kanzler bedient haben. Fühlten sich doch, wie wir aus den verschiedenen gegenseitigen Erbverträgen ersehen können, die Fürsten von Werle mit denen von Mecklenburg durch verwandtschaftliche Bande verbunden. Erst von 1371 bis 1393 treten bei den Fürsten von Werle verschiedene Kanzler


136) M. U.=B. IX, 5778, 5793, 5949, 5987.
137) M. U.=B. IX, 5949, 6179, 6328, 6470, X, 6637, 6730, 6898, 6983, 7008, 7036, 7058, 7124, XIII, 7496, 7535, 7537, 7543.
138) M. U.=B. IX, 5981, 6458, X, 6730, 6975, 7038, 7124, XIII, 7496.
139) M. U.=B. XIII, 7594, 7728, 7804, 7874, 8011, 8055, 8128, XIV, 8288, 8371, 8488, 8688, 8752, XV, 9148, 9209, 9210.
140) M. U.=B. XV, 8853, 8887, 8904, 8997, 9001, 9047, 9066, 9091, 9098.
141) M. U.=B. XVI, 9480, 9552, 9782, 9865, 9918, 10039, 10083, XVIII, 10606, 10632, 10639.
142) M. U.=B. XVIII, 10705.
143) M. U.=B. XVIII, 10808, XIX, 10827, 10905, 10983, 11012, 11057, 11081, 11144, 11146, 11229.
144) M. U.=B. XX, 11580, XXI, 12065.
145) M. U.=B. IX, 6006, der einzige Fall, daß ein werlescher Kanzler schon 1339 erscheint.
146) M. U.=B. XVIII, 10169.
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auf: Heinrich Stove, Heinrich von Parchim, Heinrich von Plau, Hartwich Ratlow und Arndt Schwastorf. 147 )

Ihrem Stande nach sind sämtliche Kanzleibeamte im 13. und 14. Jahrhundert Geistliche und verwalten neben ihrem Schreiberamt noch ihr geistliches Amt. Nur ein einziges Mal finden wir in einer Urkunde aus dem Jahre 1324, 148 ) und zwar in Wismar, einen fürstlichen Notar, namens Heinrich Krauenburg, der nicht Geistlicher ist, da er verheiratet ist. Ob nun dieser Notar vielleicht auch noch Stadtschreiber gewesen ist, läßt sich aus der Urkunde nicht beantworten. Sonst gehören alle Notare, Protonotare und Kanzler, wie bereits gesagt, dem geistlichen Stande an. Ja es ist wohl, wenigstens von den Notaren ober Schreibern, anzunehmen, daß sie ihr Schreiberamt nur als Nebenamt führen, wie wir aus den verschiedenen Ausstellungsorten erschließen können. Hält sich der Fürst in irgend einer Stadt auf, so wählt er sich seinen Schreiber sehr wahrscheinlich aus den Geistlichen dieser Gegend. Daß der Fürst diesen oder jenen Notar, der sich als besonders brauchbar erwiesen, länger in seiner Umgebung behält, 149 ) scheint nach den Urkunden nicht ausgeschlossen - vielleicht deutet auch die Bezeichnung notarius principalis oder dilectus 150 ) darauf hin. Erst als sich allmählich im 14. Jahrhundert eine Kanzlei ausbildet, finden sich in der fürstlichen Umgebung ständige Notare, die unter einem Protonotar oder Kanzler stehen. Der Titel Protonotar und Kanzler - einmal kommt der Titel Archinotarius 151 ) vor - sind ebenso wie die Bezeichnungen der Hofbeamten der Titulatur des kaiserlichen Hofes entlehnt. Aus dem schwankenden Titel des Vorstehers der Kanzlei, der bald Kanzler, bald Protonotar, bald oberster Schreiber, 152 ) einige Male auch nur einfacher Schreiber oder Notar 153 ) genannt wird, dürfte vielleicht hervorgehen, daß die Organisation der Kanzlei noch nicht fest geregelt ist. Bezüglich der Stellung, die der Beamte einnimmt, spricht vor allem die Persönlichkeit des Inhabers mit. So erfreuen


147) M. U.=B. XVIII, 10348, 10419, 10503, 10561, 10596, 10665, 10768, 10772, XX, 11664, XXI, 11874, XXII, 12494.
148) M. U.=B. VII, 4534.
149) M. U.=B. I, 323, 344, 359, 410, 414, 415, 449, 485, 523, 552.
150) M. U.=B. I, 323, 449, IV, 2610.
151) M. U.=B. VIII, 5624.
152) M. U.=B. XVIII, 10169 wird z. B. Heinrich Stove Kanzler und 10348 oberster Schreiber genannt.
153) M. U.=B. XX, 11664 heißt Hartwich Ratlow Kanzler und 11665 Schreiber.
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sich einige Kanzler besonderen Ansehens und stehen deshalb in den Zeugenreihen unter den ersten; 154 ) einige gehören auch zum fürstlichen Rate. 155 )

Über die eigentliche Tätigkeit der Kanzleibeamten läßt sich in dem Rahmen unserer Untersuchung nichts ermitteln. Dies kann nur an Hand der Originalurkunden festgestellt werden, denn nur durch einen Schriftvergleich läßt sich z. B. erkennen, ob der Schreiber wirklich die Urkunde hergestellt hat, oder ob er bloß die Reinschrift besorgt hat, während ein höherer Beamter der Kanzlei (Notar oder Protonotar) ihm das Konzept gegeben hat. Mit einem Wort, alle die Probleme, wie sie die Diplomatik stellt, lassen sich nur an den Originalen selbst lösen.

Was schließlich noch die Besoldung der Kanzleibeamten anbetrifft, so besteht diese wohl in Kanzleigebühren. Außerdem scheinen sie ihre Bedürfnisse wohl wesentlich aus den Einkünften der geistlichen Stellen, die sie innehaben, zu bestreiten. Einige Male finden wir in den Urkunden, daß der Fürst vermöge seines Patronatrechtes den Kanzlern Ber und Schwalenberg vielleicht in Anerkennung ihrer geleisteten Dienste eine Vikarei überweisen läßt. 156 )

2. Die Lokalverwaltung.

Konzentriert sich in der Person des Fürsten gewissermaßen die gesamte Zentralverwaltung, und haben wir in den Hofbeamten lediglich die Exekutivorgane dieser Gewalt zu erblicken, so kann ein solches Verhältnis nicht schlechthin für die Lokalverwaltung gelten. "Schon die Entfernung der einzelnen Landesteile vom fürstlichen Hofe bringt es mit sich, die Beamten der Lokalverwaltung bedeutend selbständiger zu stellen. Hieraus ist es auch zu erklären, daß wir wenigstens einiges über ihre Befugnisse und Wirksamkeit in den Urkunden überliefert finden, während bei den Beamten der Zentralverwaltung nähere Bestimmungen überhaupt nicht vorhanden sind." 157 )

Die Vögte.

Die Grundlage der lokalen Verwaltung bildet in Mecklenburg die Vogteiverfassung. Allerdings finden sich gerade in ihr noch Spuren der früheren, älteren slavischen Verfassung. Mecklenburg ist zu Beginn unserer Periode nach sogenannten Ländern ein=


154) M. U.=B. IX, 6006, 6451, X, 6637, 7038, XIII, 7496, 7728.
155) M. U.=B. IX, 6084, X, 6747, XIII, 8075, XIV, 8508, 8541, 8599, XV, 9098, XVIII, 10296, 10772, XIX, 10835.
156) M. U.=B. XIII, 8085, XVI, 9552.
157) Schrecker, S. 27.
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geteilt, eine Einrichtung, welche die eingewanderten Deutschen höchst wahrscheinlich von den Slaven übernommen haben. Ja man kann wohl mit Brennecke 158 ) sagen: "Die einzelnen Stufen des Fortschrittes kennzeichnen sich in den Quellen durch das Verschwinden der slavischen Kastellane und das Auftreten deutscher Vögte, was jedesmal eine Ersetzung der alten slavischen Verwaltungseinheit, des Burgdistrikts, durch die neue deutsche, die Vogtei, also eine Substitution deutschen öffentlichen Rechts an Stelle des slavischen bedeutet."

Um sich nun ein einigermaßen klares Bild von den damaligen Vogteien und ihrer Ausdehnung zu machen, ist es nötig, die damalige Landeseinteilung mit der heutigen in etwa zu vergleichen. "In den meisten Fällen entsprechen wohl die alten Länder (terrae) den Umgegenden der heutigen Städte Mecklenburgs, in einzelnen von ihnen hat sich kein städtisches Gemeinwesen gebildet, diese Länder sind dann meistens benachbarten, mit einem Amtssitz in einer Stadt versehenen einverleibt." 159 )

Diese Länder oder Vogteien stehen unter der Verwaltung je eines Vogtes, der zum Unterschiede von dem Stadtvogt als Landvogt bezeichnet werden könnte.

In unsern Urkunden begegnet uns zum ersten Male ein Vogt oder advocatus im Jahre 1219, 160 ) also fast um dieselbe Zeit, wo zuerst die Hofbeamten auftreten. Seitdem lassen sich während des ganzen 13. und 14. Jahrhunderts Vögte nachweisen, wenn sie auch nicht, infolge ihrer lokal begrenzten Wirksamkeit, so oft vorkommen wie die Hof= und Kanzleibeamten. Neben der Bezeichnung Vogt werden seit Anfang des 14. Jahrhunderts auch die Titel Amtmann 161 ) und Kapitän 162 ) (capitaneus) gebraucht - letzterer allerdings nur für kurze Zeit. Die beiden Titel Vogt und Amtmann sind wohl nur andere Bezeichnungen für denselben Lokalbeamten, da sich ihre Funktionen nicht voneinander unterscheiden lassen. 163 )


158) Brennecke, S. 6.
159) Diesen Worten aus Schildt's Aufsatz im Jahrbuch 56 schließt sich eine Aufzählung der Länder und ihrer Grenzen gleichfalls nach Schildt an, an deren Stelle hier eine Verweisung auf diese Arbeit treten kann (Grd).
160) M. U.=B. I, 258.
161) M. U.=B. V, 3563, erste Erwähnung eines Amtmanns aus dem Jahre 1312.
162) M. U.=B. VII, 4864, 4901, IX, 5748, 5804, 6249, X, 6625, später bedeutet Kapitän = Hauptmann.
163) M. U.=B. IX, 5764, 6206, X, 6918, XIII, 7612, 7942, 8016, XIV, 2863, XVI, 9687, XIX, 11222, XX, 11480, 11580, 11666, XXII, 12488.
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Zunächst wenden wir uns dem (Land)vogte zu. Seine Tätigkeit ist sehr vielseitig; er ist der allgemeine Beamte seines Bezirkes und vereinigt somit in seiner Person alle obrigkeitlichen Befugnisse innerhalb seiner Vogtei. "Er ist richterlicher, administrativer, Finanz= und Militärbeamter". 164 )

Der Vogt ist landesherrlicher Justizbeamter oder Richter. Als solcher vertritt er nach vielen Seiten hin die Interessen des Landesherrn. Er ist der von ihm bestellte Verteidiger und Richter des Landes, vor sein Gericht, Vogtding oder Landding 165 ) genannt, gehören alle Bewohner des platten Landes. Hier kommt vornehmlich der Unterschied des höheren und niederen Gerichts in Betracht. Zu dem niederen Gericht (judicium minus) 166 ) gehören alle diejenigen Fälle, auf welchen eine Strafe von 60 solidi und darunter ruht (sexaginta solidorum et infra), zu dem höheren (iudicium maius) 167 ) aber diejenigen, welche entweder mit dem Verluste eines Gliedes oder des Kopfes (deshalb iudicium manus et colli, auch capitalis et manualis sentencia und iudicium mutilationis et mortis genannt) gestraft werden, mit andern Worten also die ganze Blutgerichtsbarkeit.

Die niedere Gerichtsbarkeit auf dem Lande ist vielfach patrimonial, 168 ) sie wird vom Dorfschulzen 169 ) ausgeübt, über dessen Tätigkeit wir freilich nur sehr wenig unterrichtet sind. Die höhere Gerichtsbarkeit aber steht dem fürstlichen (Land)vogte zu. Er hegt das Landding, vor dem alle auf dem Lande wohnenden Leute erscheinen müssen, soweit sie nicht davon ausdrücklich befreit sind. Dreimal 170 ) im Jahre, an Weihnachten, Ostern und Michaelis, wird vom Vogt das Landding gehegt. Da der Vogt das Recht hat, alle auf dem Lande wohnenden Leute vor das Landding zu ziehen, 171 ) so dürfen wir wohl auch annehmen, daß er darin den Vorsitz führt und die Verhandlungen leitet. Direkte Angaben darüber fehlen in den Urkunden. "Die Gerichtsgewalt des Vogtes umfaßt wohl alle Rechtssachen des Landrechtes und entspricht der gewöhnlichen Grafengewalt." 172 ) Der Titel comes selber kommt in unsern Urkunden nur in der Bedeutung iudex,


164) Vgl. Schrecker, S. 35.
165) S. M. U.=B. XII, Wort= und Sachregister S. 296.
166) M. U.=B. IV, Wort= u. Sachregister unter "iudicium minus" S. 436.
167) M. U.=B. XII, Wort= u. Sachregister unter "Gerichtsbarkeit" S. 194 f.
168) M. U.=B. II, 1413, 1414, 1504, III, 1729, 1936, 1968, IV, 2443, 2448, 2549, 2610.
169) M. U.=B. V, 3243, IX, 6424.
170) M. U.=B. I, 945.
171) M. U.=B. I, 617, II, 1215, 1254, 1373.
172) Siehe Schrecker, S. 37.
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iuris executor vor, und zwar mit der gleichen Funktion wie der Vogt. 173 )

Der Vogt übt vor allem die höhere Gerichtsbarkeit aus sowohl in den weltlichen als auch in den geistlichen Gebieten, wenn sie auch vielfach beschränkt ist. Auf dem Lande hatten häufig die Ritter auf ihren Gütern die niedere Gerichtsbarkeit 174 ) und erwarben sich auch manchmal die höhere. 175 ) Ferner wurde bei Besitzverleihungen durch den Landesherrn die Tätigkeit der (Land)vögte oft ausgeschlossen oder auf Ausübung der höheren Gerichtsbarkeit beschränkt. 176 ) Darüber finden wir besonders betreffs der Gebiete der Stifter, Klöster und geistlichen Ritterorden eingehende Bestimmungen. Hier hat der Landesherr entweder auf seine Vogteigerichtsbarkeit verzichtet 177 ) - in diesem Fall übt das Kloster die entsprechende Gerichtsbarkeit schlechthin durch seine Beamte - oder aber - dies ist das häufigere - der Landesherr hat nur die höhere Gerichtsbarkeit, 178 ) während die niedere Gerichtsbarkeit den geistlichen Besitzungen verbleibt. Auch über die Art und Weise, wie der Vogt das höhere Gericht in den geistlichen Gebieten abhalten soll, geben die Urkunden Auskunft. In einem Dorf des Klosters Reinfeld soll der Vogt mit dem Nuncius des Klosters den Vorsitz führen: "ut nuncius ecclesiae cum advocato nostro iudicio praesideat, et ipsius iudicii duae partes nobis cedent, pars vero tercia ecclesiae". 179 ) Von anderen geistlichen Besitzungen wird betont, daß der Vogt nur innerhalb derselben das höhere Gericht ausüben darf: "advocatus noster in bonis claustri, et non alibi iuste et secundum terrae consuetudinem iudicabit". 180 ) In den Gütern des Domkollegiatstiftes zu Güstrow darf der Vogt nur, wenn er gerufen wird, richten: "in bonis ergo memoratis advocati mei sive successorum meorum nihil prorsus iuris habebunt nisi tantum in capitali sentencia et manuali, et ad hoc vocabuntur de voluntate canonicorum". 181 )


173) M. U.=B. I, 557, 558, 603, II, 691, III, 1610.
174) M. U.=B. IV, Wert= und Sachreg. S. 451 und XII, S. 322 unter "Mannrecht".
175) M. U.=B. II, 1215, III, 1558, V, 2743, 2906; s. weitere Beispiele Wort= und Sachreg., v. Bd. XII S. 193 ff.
176) M. U.=B. V, 2726, 2750, 2831, 2906, 2943, 3142, 3150, 3163.
177) M. U.=B. VII, 4476, 4797, V, 2831, VI, 3759.
178) Entsprechend den Grundsätzen des Kanonischen Rechts darf sich die Kirche nicht mit der höheren (der Blutgerichtsbarkeit) befassen.
179) M. U.=B. I, 617, V, 2728, VI, 4018.
180) M. U.=B. II, 1215, 1254, 1282, 1324, 1373, V, 2996, 3079.
181) M. U.=B. II, 1292, V, 3248.
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Aus seinem richterlichen Amt zieht der Vogt nicht unbedeutende Einnahmen; denn wir erfahren verschiedentlich, daß er einen bestimmten Anteil an den Gerichtsgefällen hat, die dem Landesherrn zufallen. 182 ) In einem Falle werden sogar die Gerichtsgefälle, die dem Fürsten aus den Gütern des Domkollegiatstiftes zu Güstrow zustehen, erhöht, um den Vogt eifriger seines Amtes walten zu lassen: "videntes canonici, quod advocati nostri pro tercia parte tardi essent in iudiciis exsequendis, nobiscum concordaverunt in hunc modum, ut nobis medietas iudicii capitalis et manualis sentenciae cedat, ipsi vero canonici medietatem recipiant absolute". 183 )

Als administrativer Beamter hat der Vogt vor allem polizeiliche Pflichten; er hat für Ruhe und Sicherheit in seiner Vogtei zu sorgen, 184 ) vor allem aber den öffentlichen Landfrieden aufrecht zu erhalten. Davon geben uns zwei Urkunden 185 ) Nachricht. In der einen erfahren wir, daß die Fürsten von Werle ihren Vögten, Mannen und Städten Macht geben, über alle Verbrecher gegen den öffentlichen Landfrieden zu richten, und in der andern Urkunde heißt es, daß die Vögte in Abwesenheit des Fürsten über Landfriedensbruch richten sollen. Endlich dienen die (Land)vögte als wichtige Bürgezeugen bei den verschiedenen Landfriedensbündnissen der mecklenburgischen Fürsten unter sich oder mit benachbarten Fürsten. Besonders bezeichnend ist hierfür das Landfriedensbündnis des Herzogs Albrecht von Mecklenburg mit dem Fürsten Lorenz von Werle von 1363. 186 ) Am Schlusse dieses Vertrages heißt es: "Alle desse vorscreuen stucke loue wi hertoge Albrecht, vorgenumet vor uns und unsen eruen, unse man, stede, slote, lant und lude, und mit uns unse liuen truwen vogede, man und stede, als Otto van Dewizz, ridder, unse vogt tu Gnoien, Vicke Moltke, ridder, unse vogt in dem Lande to Rozstocke, mit unsen mannen, als Hinrik van Stralendorpe, riddere, Hinrik van Bulowe, knape, und mit unsen steden, als den van Ribbnizz und van Gnoien, dem ergenumden iunghern Laurencius und sinen eruen, sinen vogden, mannen und steden, als Machorius Brusehauere, riddere, vogde tu Gustrowe, Hinrik Leuetzow, vogde tu dem Kalande, und sinen andern mannen, als Johann Molteken,


182) M. U.=B. II, 714, 1215, 1254, 1373, VI, 4018, hier und in zahlreichen andern Fällen stehen dem Fürsten immer 2/3 aller Gerichtsgefälle zu, von diesen 2/3 wird der Vogt vermutlich 1/3 erhalten haben.
183) M. U.=B. II, 1292.
184) M. U.=B. XVI, 9839.
185) M. U.=B. IX, 6097, XV, 9345.
186) M. U.=B. XV, 9173, 9174, XVI, 9839.
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riddere, Clawse Hanen knapen, und sinen steden, als den van Guzstrow und van dem Kalande."

Groß ist die finanzielle Tätigkeit des Vogtes. Als Finanzbeamter hat der Vogt die Erhebung der landesherrlichen Einkünfte zu besorgen; als richterlichem Beamten liegt ihm die Eintreibung der Gerichtsgelder ob. Ferner ist er vom Landesherrn mit der Erhebung aller bäuerlichen Abgaben betraut, soweit sie nicht den Grundherren zukommen. Vor allem fordert er mit seinen Untergebenen, die oft einfach Knechte, 187 ) verschiedentlich auch bodelli, nuntii, 188 ) Landreiter 189 ) genannt sind, die landesherrliche Bede ein. Dabei bilden die Vogteien die einzelnen Hebestätten. Ein weiterer Zweig seiner finanziellen Tätigkeit besteht in dem sogenannten ius mensurationum, 190 ) d. i. dem Nachmessungsrecht der Äcker zum Zwecke der Besteuerung, und in dem ius impignerandi, 191 ) d. i. dem Recht, nicht gezahlte Hebungen, Beden, Gerichtsbrüche usw. durch Abführung von Pfandstücken einzutreiben.

Als Vertreter des Landesherrn in der lokalen Verwaltung hat der Landvogt weiterhin alle Dienstleistungen, die die ländlichen Untertanen dem Landesherrn zu tun verpflichtet sind, zu überwachen, wie Spann= und Frondienste, Heeresfolge, Burg= und Brückenbau. 192 )

Durch all diese Befugnisse hat der Vogt nun eine bedeutende Macht über die Bewohner seiner Vogtei und ist seinem Handeln ein gewisser willkürlicher Spielraum gegeben. Da die Urkunden oft von den insultus et pressurae, iniuriae, molestiae et violentiae advocatorum sprechen, so ist zu vermuten, daß die Vögte durch diese Bedrückungen ihre Einnahmen zu vermehren suchten. 193 ) Deshalb finden wir nicht nur bei den Insassen, sondern auch bei den Immunitätsherren der Vogteien das Bestreben, sich möglichst von dieser drückenden Gewalt der Vögte zu befreien. 194 )


187) M. U.=B. X, 6918, XX, 11480, 11538, XXI, 11937.
188) Siehe bei Brennecke, S. 87 ff. die mit der Erhebung von Bede betrauten Beamten.
189) M. U.=B. V, 3563, XV, 8820, XVIII, 10169, 10596, 10604, XX, 11666, XXII, 12488.
190) M. U.=B. II, 1215, 1254, 1373. Vgl. Jahrb. f. Meckl. Gesch. 57, 348.
191) M. U.=B. XII, Wort= und Sachreg. S. 4 unter "Abpfänden".
192) M. U.=B. III, 1730, V, 2726, 2728, 3543, IX, 6188.
193) M. U.=B. I, 479, II, 674, 1215, 1373, V, 2863, 2924.
194) M. U.=B. V, 3017, 3023, 3080, 3093, 3110, 3253, 3380, 3543, V, 3623, 4063, VII, 4966, VIII, 5263, 5359, 5363, 5411, IX, 5528, 5764 - 65, 5894, 6282, 6471 - 72, 6539, X, 6632, 6758, 6916, 6918, 6978 7033.
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Über die militärische Wirksamkeit des Vogtes berichten die Quellen nur wenig. In dieser Hinsicht hat er das Recht, die Bauern zur Landwehr 195 ) heranzuziehen und Befestigungen 196 ) zur Sicherung des Landes anzulegen. Zu gleichem Zwecke begegnen wir dem Vogte auch als Verwalter und Verteidiger einer landesherrlichen Burg. 196 ) Da er hierfür eine Besatzung nötig hat, so dürfen wir wohl eine Nachricht über die Bewaffnung der Kriegsknechte der Vögte mit Armbrust und Bogen darauf beziehen. 197 ) Eine größere kriegerische Betätigung, wie vor allem die Leitung der fürstlichen Fehden und Kriegszüge, scheint nicht Sache der Vögte gewesen zu sein, sondern dies liegt den Hauptleuten ob. Aber immerhin dürfte doch die Tatsache, daß die Hauptleute öfters aus der Mitte der Vögte genommen werden, 198 ) darauf hinweisen, daß den Vögten die Kriegsführung nicht fremd gewesen ist.

Zum Unterschied von dem über die Vogtei eines Landes gesetzten Vogte gibt es in Mecklenburg noch einen Stadtvogt, dem die landesherrliche Gerichtsbarkeit in den Städten obliegt. Gegenüber dem (Land)vogt als advocatus maior heißt der Stadt= oder Gerichtsvogt des öfteren advocatus minor oder auch Untervogt, subadvocatus 199 ) - allerdings ist nicht immer zu entscheiden, ob der Untervogt nicht ein Unterbeamter des (Land)vogtes gewesen ist. 200 ) Über die Wirksamkeit dieses fürstlichen Stadtvogtes berichten die Quellen nicht allzuviel. Schon bald können wir das Bestreben der Städte, besonders der größeren, beobachten, sich möglichst von der fürstlichen Gerichtsbarkeit frei zu machen. Dies ist vor allem der Stadt Rostock gelungen. Hier wird das Gericht lange Zeit vom fürstlichen Vogte und zwei Ratsherren abgehalten, wobei die Ratsherren die Stellung von assessores, Beisitzern, haben. Ob diese Beisitzer als Urteilsfinder fungiert haben, lassen die Quellen nicht erkennen. Anfangs steht der Name des Vogtes voran, z. B. in presencia advocati et dominorum consulum, videlicet Hinrici de Gotlandia, Hinrici Monaghi, qui tunc iudicio presidebant . . ., von 1337 an werden die Ratsherren bereits vor dem Vogte genannt, bis endlich


195) M. U.=B. I, 617, V, 2793, 2794, 3040, 3083, 3094, 3126, VII, 4616, IX, 5798.
196) M. U.=B. XIII, 7712, 7895, 7942, XIX, 11065, 11111, XX, 11402
196) M. U.=B. XIII, 7712, 7895, 7942, XIX, 11065, 11111, XX, 11402.
197) M. U.=B. XVI, 9560, hier dienen die Kriegsknechte überdies noch zur Verfolgung der Landfriedensbrecher.
198) M. U.=B. XIX, 11119.
199) M. U.=B. I, 369, 1295, III, 2200, IV, 2469, V, 2796.
200) M. U.=B. XIII, 7432.
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seit Ende 1358, nachdem die Stadt vom Landesherrn die eigene Gerichtsbarkeit erworben hat, die Tätigkeit der fürstlichen Vögte gänzlich aufhört und auf den Stadtrat übergeht. 201 ) Nicht ganz so, wie Rostock, ist es der Stadt Wismar bezüglich der eigenen Gerichtsbarkeit geglückt. Hier richtet der Fürst iure suo proprio über seine Offiziale (Vögte, Müller, Zöllner, Münzer, Juden) in amtlichen, in andern Sachen Vogt und Rat gemeinsam. 202 ) Im Jahre 1308 hat der Fürst von Mecklenburg der Stadt die Vogtei verkauft, löst sie aber bereits 1311 wieder ein. 203 ) Aus einem Konflikt mit dem Fürsten scheint das Verbot des Stadtrates herzurühren, daß die Bürger das Amt eines Vogtes vom Fürsten übernehmen. Dieses Verbot mag etwa aus dem Jahre 1323 herrühren - genauere Datierung ist nicht möglich. Aber schon 1329 sehen wir Bürger wieder das Amt eines fürstlichen Vogtes bekleiden. 204 ) Auch aus anderen Städten liegen uns noch Nachrichten vor über die fürstliche Gerichtsbarkeit: z. B. der Stadt Malchin hat der Fürst den dritten Teil der Gefälle des niederen und höheren Gerichts in der Stadt und auf dem Stadtfelde verliehen. Sind die fürstlichen Vögte (advocatus maior aut minor) 205 ) abwesend, soll einer von den beiden Bürgermeistern das Gericht ausüben. 206 ) Noch eingehender als in der Stadt Malchin lauten die Bestimmungen darüber in der Stadt Güstrow. Hier heißt die betreffende Stelle einer Urkunde aus dem Jahre 1293: 207 ) "insuper vendidimus prefate civitati terciam partem nostri iudicii super omnibus excessibus, tam minoribus quam maioribus ac aliis iudiciariis auctoritatibus intra moenia et extra contingentibus in cunctis locis, que civitatis necnon et ville Thebbezin termini inter se claudunt, ut fructuum de locis omnibus proveniencium ipsa civitas terciam capiat porcionem, advocato tamen minore semper suos quattuor solidos capiente, qui ad eum pertinere videntur. Judicio siquidem presidere non debet solus


201) M. U.=B. V, Vorrede: Liber proscriptorum Rostocc.: S. XVII f.
202) M. U.=B. V, 3501, 3507.
203) M. U.=B. VII, 4463.
204) M. U.=B. VIII, 5065, 5079.
205) Der advocatus maior oder Landvogt des Landes Malchin ist vermutlich hier genannt, weil die Gerichtsbarkeit, die der Fürst der Stadt verliehen hat, teilweise in die Interessensphäre des Landvogtes übergreift.
206) M. U.=B. IV, 2574.
207) M. U.=B. III, 2200, weitere Beispiele s. unter "Gerichtsbarkeit" B. XII, S. 198 f.
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advocatus, nisi saltem una vel duabus personis de civitatis concilio coassumptis, nec advocato absente, nisi quis ibi fuerit suo nomine, soli consules poterunt iudicare". Neu ist vor allem in dieser Urkunde die Angabe, daß der Untervogt 4 Solidi aus den Gerichtsgefällen erhalten soll. Aus der Stadt Criwitz 208 ) erfahren wir schließlich noch die interessante Nachricht, daß der Stadt= und Landvogt ein Eingeborener sein soll. Der Stadtvogt darf ebenso, wie in den oben genannten Städten, nur in Gegenwart und mit Hilfe der Ratmannen Gericht abhalten.

Die Anstellung des Landvogtes - über die des Stadtvogtes wissen wir nichts - geschieht wohl gewöhnlich auf Grund eines Vertrages zwischen dem Landesherrn und dem Vogt vermittelst eines sogenannten Bestallbriefes. 209 ) In diesem ist die Kündigungsfrist seitens des Landesherrn und Vogtes, sowie nähere Bestimmungen über die Vogteirechte enthalten. Gehört die Vogtei einem Pfandinhaber 210 ) - ein Fall, der infolge Geldverlegenheit des Fürsten häufig vorkam =, so fallen diesem auch alle Einkünfte und Rechte derselben zu.

Ihrem Stande nach gehören die Vögte zu den Rittern oder Knappen. Die Landvögte wenigstens werden in der Regel aus ritterbürtigem Geschlechte genommen, die Stadtvögte sind mitunter auch Bürger ihrer Stadt.

Die Amtsausstattung der Vögte besteht gewöhnlich in einer Anteilnahme an den Einnahmen, welche die überaus vielseitige Tätigkeit der Vögte dem Landesherrn einbringen; vor allem bezieht der Vogt aus seinen richterlichen und finanziellen Befugnissen seine Einkünfte. Als richterlicher Beamter erhält er gewöhnlich 1/3 aller Gerichtsgefälle, und als Finanzbeamter steht ihm ein allerdings unbestimmbarer Anteil an allen Abgaben zu, die er auf dem Lande für den Fürsten einzutreiben hat. Einmal erfahren wir auch direkt, daß der Vogt des Grafen von Schwerin für sich und seinen Haushalt auf die Einkünfte seiner Vogtei angewiesen ist, wobei er aber die Überschüsse in Rechnung bringen muß. 211 ) Für treu geleistete Dienste wird er manchmal mit Landbesitz von seinem Fürsten belohnt sein, wie uns eine Urkunde aus dem Jahre 1294 angibt. 212 ) In dieser verleiht Fürst


208) M. U.=B. IX, 6542, 6544.
209) M. U.=B. 8263, 8508.
210) M. U.=B. XIII, 7685, 8045. XIV, 8306, 8494, 8508, XVI, 9524.
211) M. U.=B. VII, 4367, nähere Angaben über die Einkünfte der Vogtei und deren Verwendung gibt allerdings diese Urkunde nicht.
212) M. U.=B. III, 2297.
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Heinrich II. von Mecklenburg dem Vogte Willekin auf der Insel Pöl vier Hufen, und zwar in Anerkennung seiner Dienste: "suis exigentibus meritis et devotis obsequiis nobis et sepedicte matri nostrae crebrius exhibitis".

3. Zwischeninstanzen.

Am Schlusse sollen noch als Instanzen zwischen Zentral= und Lokalverwaltung die Hauptleute behandelt werden. Soviel uns die Urkunden erkennen lassen, treten sie nur gelegentlich auf. Will man einen Unterschied unter den Hauptleuten selbst machen, so könnte man sie vielleicht in Burg= und Landeshauptleute einteilen. Als Burghauptleute sind sie die Befehlshaber der landesherrlichen Burgen, und als Landeshauptleute sind ihnen mehrere Amtsbezirke oder Länder 213 ) untergeordnet.

Hauptleute begegnen uns in Mecklenburg zuerst seit Anfang des 14. Jahrhunderts, wo sie als fürstliche Beamte in ähnlicher Stellung wie die Vögte vorkommen. 214 ) Ist zuerst ihre Stellung noch begrenzt, indem sie als Kommandanten von landesherrlichen Schlössern fungieren, 215 ) so erweitert sich ihr Wirkungskreis seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zusehends, indem sie jetzt als Landeshauptleute auftreten. Hierüber liegen uns einige Nachrichten vor. Im Jahre 1378 216 ) bestellt Fürst Bernhard von Werle Wedege von Plote zum Hauptmann der Länder Waren und Penzlin. Neben seiner Bezeichnung Hauptmann führt Wedege v. Plote noch die Titel Amtmann und Vogt, worin offenbar zum Ausdruck gebracht ist, daß ihm sämtliche landesherrliche Befugnisse über die beiden Länder zustehen. Seine Aufgabe besteht vor allem in der Aufrechterhaltung des Friedens in den ihm anvertrauten Landen. Da er hierzu ein größeres Aufgebot von Kriegsmannen nötig hat, so dürfen wir wohl annehmen, daß die Kriegsmannschaft von Waren und Penzlin unter dem Befehle des Hauptmanns Wedege v. Plote steht. Diese Annahme wird noch durch die Tatsache bestätigt, daß ihm zur Sicherstellung für Zehrung,


213) Über die Länder siehe oben bei Anm. 59.
214) M. U.=B. VII, 4864, 4901, IX, 5748, 5864, 6249, X, 6625.
215) M. U.=B. VI, 4114, VIII, 5057, 5591.
216) M. U.=B. XIX, 11119.
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Kosten und Schaden in und außer dem Lande im Dienste des Fürsten Waren verpfändet ist. Wenn er Rechnung ablegen will, so muß er es vier Wochen vorher ankündigen. Es besteht gegenseitige halbjährige Kündigung. In einer andern Urkunde 217 ) wird derselbe Wedege v. Plote im Jahre 1392 vom Herzog Ulrich von Mecklenburg=Stargard zum Landeshauptmann bestellt. Wenn diese Urkunde von der erst genannten sich auch dadurch unterscheidet, daß es sich hier um die Bestellung eines Landeshauptmanns für den speziellen Fall der Abwesenheit des Fürsten handelt, so haben beide Urkunden doch manche ähnliche Züge. Der Hauptmann hat mit Hilfe des fürstlichen Rates das Land in jeder Weise zu schützen und zu schirmen. Wenn es dem Fürsten und seinem Rate gutdünkt, daß Wedege v. Plote nicht länger für sein Amt tauglich ist, oder wenn er es nicht länger behalten will, so sollen es beide sagen - eine spezielle Kündigung scheint nicht zu bestehen. Der Hauptmann wird seines Amtes enthoben, nachdem er vorher Rechenschaft abgelegt hat. Was der Landesherr ihm schuldig bleibt, soll er alles wieder bekommen.

Aus dem Titel Marschall, den Wedege v. Plote führt, sehen wir überdies noch die enge Verbindung des Marschalls mit dem Hauptmann, was wir bereits beim Marschallsamte angedeutet haben. 218 ) Dem Stande nach gehören die Hauptleute den Rittern oder Knappen an und spielen unter den fürstlichen Beamten als die Beamten, die gewissermaßen eine Mittelstellung einnehmen zwischen der Zentral= und Lokalverwaltung, eine wichtige Rolle. Auch hat wohl gerade bei diesem Amte die Tüchtigkeit und Erfahrung des Inhabers wesentlich dazu beigetragen, sich seiner im Bedarfsfalle immer wieder zu bedienen, wie das Beispiel des Wedege v. Plote zeigt. Denn dieser hat sowohl beim Fürsten von Werle als auch beim Fürsten von Mecklenburg=Stargard das Amt des Hauptmanns erhalten..



217) M. U.=B. XXII, 12447.
218) Vgl. oben Anm. 35, 36.
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Schluß.

Wir sind am Ende unserer Untersuchung über die Verwaltungsorganisation von Mecklenburg angelangt. Wir haben gefunden, daß in Mecklenburg gerade wie in den andern deutschen Territorien, eine Verwaltungsorganisation besteht. Diese zerfällt in unserm Zeitraume, d. h. im 13. und 14. Jahrhundert, in die Zentral= und Lokalverwaltung.

Die Zentralverwaltung führt der Landesherr mit den Inhabern der Hofämter (Truchseß, Marschall, Kämmerer, Schenk). Das Arbeitsfeld dieser Beamten ist sehr beschränkt, weil es noch nicht viel Geschäfte am Hofe in der Zentralinstanz gibt. Bezüglich der einzelnen Verwaltungszweige, die unter die Hofbeamten geteilt sind, ist kaum eine Geschäftstrennung zu bemerken; so hatte z. B. der Kämmerer vielleicht das Finanzwesen, der Marschall das Kriegswesen unter sich. Die Zentralverwaltung ist eben im wesentlichen Hofhaltsverwaltung und die eigentliche Entscheidung in den Regierungssachen liegt demgemäß vollkommen in der Hand des Fürsten. Nur zur Unterstützung bei Erledigung der Regierungsgeschäfte, und um diesen größere Glaubwürdigkeit zu verleihen, bedient er sich ergebener Männer aus dem ihm nächststehenden Kreise der an seinem Hofe befindlichen Personen, die seinen Rat ausmachen.

Besser organisiert als die Zentralverwaltung ist die Lokalverwaltung. Der Grund liegt in der größeren Entfernung vom Hofe, die ein stetes Eingreifen des Fürsten unmöglich macht. Deshalb muß der Landesherr auch die lokalen Beamten mit größerer Selbständigkeit ihres Amtes walten lassen als die Hofbeamten. Das ganze Land ist für die Lokalverwaltung in Vogteien eingeteilt, die unter der Verwaltung von Vögten stehen. Sie sind die Vertreter des Landesherrn, dessen Interessen sie als richterliche, administrative, Finanz= und Militärbeamte wahrzunehmen haben. Von dieser vielseitigen Tätigkeit tritt besonders ihre richterliche und finanzielle hervor. Als fürstliche Richter haben sie in ihren Vogteien Gericht zu halten, vor allem ist ihnen das höhere Gericht anvertraut. In den Städten fungieren als fürstliche Richter spezielle Stadtvögte. Ihre Tätigkeit liegt in der Abhaltung des fürstlichen Gerichts; im einzelnen macht sich bereits eine Emanzipation der Städte von der fürstlichen Gewalt geltend.

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Als Finanzbeamter hat der Vogt neben den Gerichtsbußen vor allem die landesherrlichen Steuern, d. i. für unsere Zeit vor allem die Bede, einzutreiben. Die Vogteien bilden gewissermaßen die Hebestätten für die Bede. Die administrative Wirksamkeit der Vögte äußert sich in ihrer Verpflichtung, für die Ruhe und Sicherheit ihrer Bezirke Sorge zu tragen. Damit verwandt ist endlich die militärische Tätigkeit der Vögte, worüber wir nur wenige Nachrichten haben. In dieser Hinsicht sehen wir sie als Verteidiger landesherrlicher Schlösser. Anzunehmen ist auch, daß sie bei kriegerischen Unternehmungen des Landesherrn irgendwie mitgewirkt haben. Aber die eigentlichen Führer der fürstlichen Kriegsmannschaft und die speziellen Militärbeamte scheinen die Hauptleute gewesen zu sein.

 

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