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Kegelgrab von Blengow (bei Neubukow).
(Katalog=Nummer Br. 365-370, 391-393, 511-512.)

Der Küstenstrich nördlich von Neubukow und Kröpelin gehört zu den für unsere Vorgeschichte bedeutsamsten Stellen des Landes. Zahlreiche zum Theil noch heute wohlerhaltene Hünengräber und eine sehr beträchtliche Menge von Einzelfunden jeder Art sind als Denkmäler einer starken Besiedelung der Steinzeit geblieben, und auch die Bronzezeit hat in stattlichen Einzelgräbern (Kegelgräber von Rakow, Roggow, Westhof, Wendelstorf, Kagsdorf) und vielen schönen Einzelfunden dauernde Spuren ihrer Bedeutung hinterlassen. Merkwürdiger Weise treten die folgenden vorgeschichtlichen Perioden, schon die jüngere Bronzezeit, sodann die ganze Eisenzeit und die wendische Periode ganz bedeutend hinter diesen älteren Funden zurück; auch da, wo man ein aufmerksames Auge auf die vorgeschichtlichen Bodenschätze gehabt hat. Diese Aufmerksamkeit ist besonders auch dem Gebiete von Blengow zu Theil geworden, wo Herr Berthold Beste († Januar 1902) seit Jahren auf alle hierher gehörigen Vorkommnisse geachtet und eine schöne Sammlung zusammengebracht hat, die als Schenkung des Herrn Anton Beste sich jetzt im Großherzoglichen Museum befindet. Ein Theil davon, die Steinzeit umfassend, ist bereits Jahrb. 66, S. 126 und 138 beschrieben; andere Stücke gehören hierher. Diese entstammen einem Kegelgrabe, das im Herbst 1894 und 1895 und Ostern 1897 zum Theil vom Verfasser, zum Theil von Herrn Syndikus Lisch in Schwerin, auch unter Mitwirkung des Herrn Dr. Beste in Nauheim, stets mit freundlichster Unterstützung des Herrn Anton Beste auf Blengow, ausgegraben ist.

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Das Grab lag 1 km nordöstlich vom Hofe auf ansteigendem Gelände; die Anhöhe hieß der "Kahle Berg", weil sie früher nicht beackert wurde und gewährt einen weiten Rundblick, auch über die etwa 3 km entfernte See. Der die Bearbeitung erschwerende Hügel wurde im Herbst 1894 abgefahren. Man stieß dabei auf mehrere Steinringe aus Dammsteinen, bei denen weiter nichts beobachtet wurde; als etwa 1,5 m Erde abgetragen waren, wurde der Boden

Lageskizze

locker, und bei Sondirungen ergab sich eine Steinschichtung, in der ein Grab vermuthet wurde; die Ausgrabung hat dieses bestätigt. Wir geben im folgenden deren Ergebnisse, wie sie am Schluß sich herausgestellt haben. Eine natürliche Höhe aus schwerem Lehm ist zu einem kegelförmigen Hügel, dessen Höhe nicht mehr genau bestimmbar ist, aber annähernd 2,25 m betragen haben mag, aufgehöht. Um den Hügel herum lief ein Kranz von Steinblöcken (etwa 70 cm hoch, 30 cm breit, ein besonders hoher

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stand genau im Südwesten), den wir nur an einigen Stellen. unversehrt antrafen, sodaß der Durchmesser sich nicht genau bestimmen läßt, die weitesten Abstände betrugen 28 m. In der Nähe des Steinkranzes lagen verstreut Urnenscherben. Innerhalb des durch den Steinkranz gebildeten Raumes sind drei Gräber frei gelegt, im Zentrum und am östlichen Ende.

Grab I. Das bei Weitem wichtigste Grab lag ziemlich genau im Centrum des Hügels. Die beistehende Abbildung giebt ein schematisches Bild. Im Urboden war eine Grube von etwa 2 m Länge auf dem Grunde mit schräg ansteigenden Seiten

Querschnitt

gegraben, der Grund bestand aus festem Lehm und einem schwachen Steindamm, darauf lagen zerbrannte Gebeine und stand der Eichensarg, zu dessen Seiten und über dem beträchtliche Massen von Seegras (zostera marina) lagen; der Deckel des Sarges war mit einigen mächtigen Steinen beschwert und darüber geschichtet war eine Steinhäufung, die 4,75 m Länge (nordsüdlich) und 4,20 m Breite zeigte, in der Mitte eingesunken, etwa 1,15 m hoch. Die Holzspuren, die die Grube durchzogen, am östlichen und westlichen Ende stark genug, um die Richtung der Holzfasern erkennen zu lassen, genügten, um die Lagerung des Sarges zu bestimmen, der, wie nach den in Dänemark und Schleswig=Holstein gemachten Erfahrungen anzunehmen ist, nichts Anderes als ein ausgehöhlter Eichenstamm gewesen sein kann; er stand genau westöstlich. In ihm war ein Leichnam bestattet, von dem ebenfalls genügend körperliche Reste erhalten waren, um wenigstens

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die Lage des Kopfs, im Westen, bestimmen zu können und den Beigaben ihren Platz anzuweisen. Diese waren: Ein bronzenes Schwert mit Resten der hölzernen Scheide und des Horngriffes, daran auch Reste eines wollenen Gewebes, von dem es aber fraglich bleiben muß, ob sie zur Umhüllung des Schwertes gehören oder von der Bekleidung des Beerdigten stammen. Das Schwert lag an der rechten Seite und zwar am Oberkörper. Daneben ein goldener Handring, dessen hohe Lage sich am besten wohl so erklärt, daß der Todte mit über der Brust gekreuzten Armen bestattet ist; auf der Brust eine goldene Fibel ohne Nadel; in der Gürtelgegend ein bronzener Doppelknopf, offenbar zum Zusammenhalten des Gürtels; zu Füßen ein Thongefäß.

Merkwürdig war nun, daß unter dem Sarge und auch an seinem Fußende eine große Menge zerbrannter Gebeine sich fanden, zu klein, um ihren Charakter genau bestimmen zu können, überwiegend menschliche, aber ein Schädelstück scheint einem kleinen Vierfüßler anzugehören. Die Erklärung ist wohl darin zu suchen, daß dem Todten zu Ehren in der Grube, die seinen Sarg bergen sollte, ein Todtenopfer stattfand, dessen Reste man hier liegen ließ als man den Sarg einsenkte. Aehnliche Erscheinungen sind auch sonst beobachtet; so lag in einem Grabe der Periode M. I von Schülp bei Rendsburg die Leiche auf einer Schicht verbranter Knochen (Splieth, S. 17). Vielleicht sind auch die "zerbrannten Knochen" des Schwarzen Bergs von Gönnebeck bei Segeberg (Mitth. d. anthrop. Ver. in Schleswig=Holstein IV, S. 6) eines Grabes, welche sehr an das Blengower erinnert so zu erklären.

Grab II. Südöstlich von I, etwa 11 m (Mitte von Mitte gemessen) entfernt, auf dem Urboden; hufeisenförmig, aus niedrigen Steinmauern (40 cm hoch), westöstlich gerichtet, 4,50 m lang, 4 m breit, der innere Raum 3,20 m lang, 1,40 m breit, innen mit einer dreifachen Schicht Steine abgedämmt. Auf diesem Damme war der Todte unverbrannt beigesetzt und mit einer einfachen Steinschicht überdeckt. Er lag, wie Knochenspuren zeigten, nicht in der Mitte, sondern am südlichen Ende, nach Osten gerichtet. Auch Holzreste sind beobachtet, aber zu wenig, um eine Deutung zuzulassen, und Spuren von Wollenzeug. Die einzige Beigabe aber war ein stark vergangener Doppelknopf in der Gürtelgegend.

Grab III. Nordöstlich von I, etwa gleich weit entfernt von diesem wie 2; nordsüdlich gerichtete Steinsetzung im Charakter

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von 2, aber weniger deutlich, 4 m lang, 2,50 m breit; darin Asche und Kohlen, ferner Knochenreste, die der Beobachter (Herr Syndikus Lisch) für verbrannte hielt.

Im westlichen und südlichen Theile des Hügels sind keine Gräber gefunden, wohl aber einige unregelmäßige kleinere Steinsetzungen und schwarze Erde, wohl von Ceremonialfeuern stammend; auch einige Thongefäßscherben lagen dabei.

Ueber die Bestattungsart ergiebt sich aus dem Gesagten folgendes Bild. Auf der Höhe eines natürlichen Hügels ist das Hauptgrab so angelegt, daß eine Grube gegraben und in dieser dem zu Ehrenden ein Todtenopfer, bestehend in Verbrennung von Thieren und Menschen, dargebracht ist. Der Todte ist bestattet in einem ausgehöhlten Eichenstamm, dessen Deckel mit größeren Steinen beschwert ist; Schichten von Seegras schützen den Sarg. Er ist beigesetzt nach Osten blickend, in einem wollenen Gewande, das Schwert zur Rechten an oder auf dem Oberkörper, die Arme gekreuzt, mit goldenem Handring, das Gewand auf der Brust durch eine goldene Gewandnadel, am Gürtel durch einen Bronzeknopf zusammengehalten, zu Füßen ein Thongefäß, wohl mit Speisen. Die Grube ist dann mit einem Steinhaufen geschlossen und überdeckt.

An dieses Hauptgrab schließen sich östlich zwei Nebengräber an, das eine (Nr. 2) mit einem beerdigten, wohl männlichen Leichnam (der Gürtelknopf gehört mehr zur männlichen Tracht), das andere (Nr. 3) mit einem wahrscheinlich verbrannten Leichnam. Da in einer Anzahl von Fällen die Beisetzung eines verbrannten Weibes neben dem beerdigten Manne sicher gestellt ist, darf man vielleicht auch hier mehr auf ein Frauengrab schließen. Im westlichen Theile haben Feuer gebrannt. Ueber dem ganzen zu den Bestattungsfeierlichkeiten gebrauchten Raume ist dann ein Erdhügel aufgetragen, der die an sich schon hoch gelegene Stelle noch weiter, auch über die See hin, sichtbar gemacht und zu einem Denkmale gestaltet hat.

Wenn in den Darstellungen der Vorgeschichte solche Erscheinungen besprochen werden, pflegt man wohl an die Worte des Beowulfliedes zu erinnern:

Einen Hügel heißt mir die Helden erbauen,
Ueber den Bühl blinken an der Brandungsklippe,
. . . . , mir zum Gedächtnißmal . . . . . . . . .

Worte, die vielleicht zwei Jahrtausende jünger sind als der Blengower Hügel und seine Verwandten; aber der Gedanke ist uralt und auch schon in Zeiten ausgesprochen, die, auch nach

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ihrer Kultur, sich von her Periode her nordischen bronzezeitlichen Hügelgräber so sehr nicht entfernen, wenn z. B. in der Odyssee (II, 75) der Schatten des vergessenen Elpenor bittet:

Schütte ein Grabmal mir auf am Strande des schäumenden Meeres,
Des unseligen Mannes, auch künftigem Volke zur Kunde.

Wie üblich, schloß dann ein Steinkranz den Raum nach außen ab.

Ueber die in den Gräbern gefundenen Gegenstände ist noch zu bemerken:

Aus Grab I:

1. Griff zungenschwert; stark, sehr stark vergangen, in einer hölzernen, mit Leber überkleideten Scheibe. Der Griff wird gebildet durch eine flache Griffzunge mit aufgehöhten Rändern; Reste der aus Horn (oder Knochen?) bestehenden Griffbekleidung sind erhalten, auch drei Nieten, diese auffallend dünn, 2 cm lang. Die Klinge hat einen breiten, flachen Mittelgrat und verbreitert sich nach unten zu etwas, endet dann aber schlank und spitz; die ganze Länge wird ursprünglich etwa 65 cm betragen haben; eine Länge, die das gewöhnliche Maaß dieser Schwerter ein wenig überschreitet. Die Form ist die oben (S. 108, 172) mehfach besprochene Hauptform der Schwerter unserer älteren Bronzezeit. Bei dem Erhaltungszustande des Schwertes ist eine Einordnung in den vorauszusetzenden Entwicklungsgang des Typus nicht möglich; nur die Ausladung der Klinge läßt es relativ jung erscheinen (vgl. darüber Naue, Bronzezeit S. 87 und 88, wo das unter Fig. 18 abgebildete dänische Stück dem besprochenen am meisten gleichen dürfte).

2. Doppelknopf; zerbrochen, die obere Platte flach gewölbt, mit einem in Folge der starken Patina im einzelnen nicht erkennbaren Sternmuster. Höhe etwa 1, Durchmesser der Platten 2 cm. Nach den bei S. Müller a. a. O. zu 75 flgd. gegebenen Zahlen (genauer Aarbøger 1891), womit die schleswig=holsteinschen Beobachtungen stimmen (Splieth 88), gehört die Form ganz überwiegend in Männergräber M. III; ebendahin führen die in Meklenburg gemachten Erfahrungen.

3. Handring ans rothem Golde; gedreht und zwar anscheinend aus mehreren Fäden, die an den Enden zusammengehämmert und scharf abgeschnitten sind. Die Furchen sind sehr ungleich stark; Gewicht 13 Gramm, Durchmesser 6 und 5 cm.

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Es ist das erste Mal, daß ein Goldring von dieser Form in Meklenburg gefunden ist, während sonst goldene Hand= und Fingerringe eine ganz gewöhnliche Erscheinung in Kegelgräbern sind. In Dänemark sind an die zwanzig Stücke gefunden (S. Müller 66) und zwar fast ausschließlich in Männergräbern der dritten Periode; so in dem schon mehrmals herangezogenen Grabe von Skallerup (Seeland), wo der Ring zusammen mit einem Kesselwagen im Charakter des Peckateler gefunden ist (Mémoires 1896, S. 73, Abb. 3); ähnlich liegen die Verhältnisse in Schleswig=Holstein (Splieth 85), auch Montelius 61 setzt sie in seine dritte Periode.

Goldring

4. Fibel aus Gold ohne Nadel; der Bügel mit leichten, die Tordirung nachahmenden Einkerbungen; die Scheiben sind spiralig, aber die äußerste Windung enthält ornamentale Einkerbungen. Gewicht 6 Gramm; ganze Länge 6,75 cm, Durchmesser der Scheiben 1 cm. Es ist die erste goldene Fibel, die in Meklenburg bekannt geworden ist; der Typus scheint der oben S. 95 besprochene. Sicher gehört dieser M. III an, und

Fibel

diese Fibeln sind ein Bestandtheil der männlichen Tracht. Merkwürdig, daß sowohl in Dänemark wie in Schleswig=Holstein, wo je drei solcher goldenen Fibeln gefunden sind, stets die Nadeln fehlen (S. Müller 70-71. Mitth. d. anthropol. Vereins in Schleswig=Holstein IV, S. 6; VII, S. 14).

5. Thongefäß. Leicht ausgebaucht mit schwachem Bauchrande; hoher, etwas sich verjüngender Hals, gerade Standfläche; zwei Henkel an der Stelle der größten Ausbauchung. Farbe

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glänzend schwarzbraun. Höhe 19,5 cm, größter Umfang (9,5 cm von unten) 58 cm, Durchmesser oben 13, unten 9 cm. Die Form unterscheidet sich etwas von den sonst aus Gräbern dieser Zeit bekannten größeren Thongefäßen und erinnert mehr an die kleinen Beigefäße von Basedow), Liepen (S. 156) u. s. w., sowie an jungbronzezeitliche Formen, hat aber dieselbe glänzende Färbung wie andere Thongefäße der dritten Periode (Ruchow, Friedrichsruhe).

Tongefäß

Aus Grab II:

6. Reste eines Doppelknopfes im Charakter des oben unter Nr. 3 beschriebenen, sehr vergangen und nicht genauer erkennbar.

Das Hauptgrab von Blengow ist nach dem Gesagten ein durch bisher nicht beobachtete Erscheinungen der Grabanlage und Ausstattung (Goldfibel) ausgezeichneter Vertreter einer männlichen Bestattung M. III.