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III.

Dr. Johann Kittel,

Professor der Theologie und Superintendent zu Rostock,
1561-1563.

Von

Karl Koppmann.

~~~~~~~~

D en Streitigkeiten, welche in Rostock aus dem Widerstand der Prediger gegen die Sonntagstrauungen hervorgegangen waren, hatte der Rath dadurch ein Ende machen zu können gemeint, daß er am 1. October 1557 den Dekan der theologischen Facultät, Dr. Johannes Draconites zum Superintendenten ernannte, am 9. October die beiden Hauptgegner Andreas Eggerdes und Tilemann Heshusius aus der Stadt ausweisen ließ, am 11. October dem Andreas Martinus seine Stellung kündigte und am 15. October ein Mandat veröffentlichte, in welchem den Bürgern und Einwohnern befohlen wurde, sich der Verbindung mit den auf den Rath schmähenden Predigern zu enthalten. Diese Hoffnung schlug aber fehl; die Prediger standen in ihrer Erbitterung fest zusammen, sowohl dem Dr. Draconites, den sie am 10. März 1559 als Superintendenten nicht anerkennen zu können erklärten, als auch dem Rathe gegenüber, und als am 18. Februar 1560 eine durch die Prediger veranlaßte herzogliche Commission in Rostock eingetroffen war, um in deren Streitsachen mit Draconites zu entscheiden, ertheilte der Rath an demselben Tage, an dem die Commission ihre Thätigkeit begann (19. Februar), dem Dr. Johannes Posselius den Auftrag, nach Wittenberg zu Melanchton zu ziehen und nach dessen Rath einen anderen Doctor der Theologie zum Professor und Prediger zu gewinnen, ließ also, um das von ihm beanspruchte Recht zur Ernennung

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eines Superintendenten besser bewahren zu können, die Person des bisherigen Superintendenten fallen. 1 )

Am 5. März bezeichnete Melanchton in einem Schreiben an den Rath 2 ), das auf seine Unterredung mit Posselius Bezug nimmt, Lukas Bacmeister, Johannes Posselius und Mathias Casselius als Männer, die für das betreffende Amt geeignet seien; des Weiteren machte er, vielleicht nur mündlich dem Posselius gegenüber, auch Christopher Stymmelius in Stettin und Johannes Kittelius in Brandenburg namhaft: "Philippus hefft 2 vorgeslagen up erforderen M. Posselii einen Stummelium, den andern Kittelium." 3 )

In einem undatirten Schreiben des Raths an Christopher Stymmelius 4 ) heißt es folgendermaßen: "da wi eines treffelichen Theologen, godtfruchtige to Gotzs ere und unsere gemente tom besten dath hillige Evangelion, mit frommeder lere unvorfelschlich, vortodragende, in dessenn swinden tiden hochnodich hadden," so habe er deshalb den Mag. Johannes Posselius mit einem Credenzbriefe ausgesandt, und von diesem sei ihm berichtet worden, daß er nicht abgeneigt sein würde, einer Vocation nach Rostock Folge zu leisten; er ersuche ihn deshalb, "up unser unkost an uns to kamende," "de gelegenheit hir bi uns allenthalven to vornemende und, so idt Got uthvorsehen hedde, dadt J. W. u. G. hir bi uns to blivende bedacht edder geneget, henfurder to beredende, wes J. G. und Werden in denn officio tho donde uperlecht werden solde." Darauf antwortete Stymmelius am 11. April, 5 ) zwar enthalte das Vocationsschreiben die drei Artikel nicht, die er mit Johannes Posselius besprochen und als nothwendig bezeichnet habe, doch sei er sich zum Rath alles Guten versehen und wolle in der Woche nach Jubilate (Mai 5) nach Rostock kommen, um die nöthigen Erkundigungen einzuziehen. Aber die Verhandlungen mit ihm zerschlugen sich: "Stummelius were bedacht (gewesen) (hirher tho thende, overst hefft gedrungen umb mehr besoldinge, de he (nicht) erlanget; derwegen he ock dar (in Stettin) gebleven." 6 )


1) Vergl. Wiggers, Tilemann Heshusius und Johann Draconites. Der Streit um die Sonntagsheiligung, die Verbindlichkeit des Gesetzes und die Uebung der Kirchenzucht (1557-1561) in: Mekl. Jahrb. 19, S. 65-137. Koppmann, Dr. Johannes Draconites, Professor der Theologie und Superintendent zu Rostock, in: Beiträge z. Gesch. d. Stadt Rostock 3, S. 1-14.
2) Rathsarchiv, Ecclesiastica II A Vol. IV. Krabbe, Die Universität Rostock im funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert S. 637-638.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562 (1561, December 17).
4) Rathsprotokoll von 1560. Neue wöchentl. Rost. Nachr. 1838, S. 253.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II A Vol. IV.
6) Rathsprotokoll von 1561-1562 (1561, December 17).
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Ueber Kittels Berufung erzählt dieser selbst am 26. Februar 1562 nach dem leider nicht ganz verständlichen Bericht des Rathsprotokolls folgendermaßen: Der Rath habe dem Posselius eine "fulmacht gegeven, einen gelerden man anthonemen; an Philippum gewisen worden; hatt Philippus gesecht, dat he so einen hir tho Wittenberch (nicht) wete, aber tho Nien=Brandenborch einen, Kittel, de dar duchtich tho were. Dar Possel gekamen, des Rades breve getoget etc. . etc. . Darna ein handel sich thogedragen, darmith hertoch Ulrich tho donde hebbe; hertoch Johan Albrecht kende ehn wol; item der Cantzler. Do se Rostock besehn, D. Roseler hedde ehn tho gaste geladen. Der borger Goldenisse tho ehm gekamen und ehn thom deinste gefordert. D. Kittel es nicht entlich angenamen, sondern der Radt und de gemeine solben Gott bitten; so es sein solde, konde es geschein. Darna einen boden geschicket. Item anderthalff Jahr up Simonis et Judae (October 28) hefft de Radt ehne thom 3. mall beropen thom Superintendenten und Professoren in der Universitett. Hefft gedacht, dath de Vocation christlich; den sonnavent na Simonis et Judae (November 2) alhir geprediget; darna sick vorgeliket der bestellinge."


Johannes Kittel war 1519 zu Jüterbogk geboren, hatte in Wittenberg studirt und war 1539 zum Baccalaureus der Philosophie promovirt worden. Pastor zu Brandenburg war er seit dem Jahre 1550. 1 ) Auf ein Schreiben des Raths zu Rostock, "darin sie mich zu einem Lectorn unnd professorn der heiligen gotlichen schrifft in ewer loblichen Universitet, deßgleichen auch zu einem Superattendenten ewer christlichen kirchen ordentlich vociren und beruffen," antwortete er am 21. October 1560, er habe sich entschlossen, binnen etwa 3 Wochen in Rostock zu erscheinen. 2 ) Am 2. November hielt er seine Probepredigt. Darauf bezieht es sich, daß Bacmeister berichtet, 3 ) er sei auf die Vocation des Rathes nach Rostock gekommen, habe sie non praemisso colloquio cum Ministerio angenommen und am Nachmittag des 3. November zu St. Marien die Kanzel bestiegen, wodurch das Ministerium schwer verletzt worden sei. Am 4. November wurde im Rath beschlossen, daß Johann Kittel pro superintendente angenommen werden solle. 4 ) Am 6. November


1) Krabbe S. 508 Anm. †.
2) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I. Krabbe S. 509 Anm. *.
3) v. Westphalen 1, Sp. 1582. Grapius S. 149. Etwas 1740, S. 724. Krabbe S. 510. Schirrmacher, Johann Albrecht I. 1, S. 422.
4) Rathsprotokoll von 1560. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 253.
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ertheilte ihm der Rath seine Bestallung zum Superintendenten, Professor und Lector in der h. Schrift, verpflichtete ihn zum sonntäglichen Predigen in der Marienkirche, versprach ihm ein von Ostern 1561 an zu zahlendes Gehalt und legte ihm die Bedingung auf, daß er in der Zwischenzeit in Wittenberg den theologischen Doctorgrad gewinne. 1 )

Um diese Bedingung zu erfüllen, hatte sich Kittel bereits nach Wittenberg begeben, als der Rath den Beschluß faßte, ihn nicht dort, sondern in Rostock promoviren zu lassen: "De Radt revocerede ehne; he solde hir promoveren mith D. David (Chyträus) und D. Simon (Pauli), denne wo he dar wurde promoveren, wolde men ehne nicht vor ful erkennen." 2 ) Am 2. März 1561 schrieb "Magister Johan Kittels eheliche Hausfraw" an Dr. Matthäus Röseler, 3 ) ihr Herr sei zur Zeit aus Gründen, die ihm wohl bekannt sein würden, in Wittenberg, doch wolle sie ihm das Schreiben, das ihr heute durch den Ueberbringer zugestellt worden sei, alsbald zuschicken, und am 12. März meldete Kittel dem Rath aus Brandenburg, er sei "unserer abredung und meiner Zusagung nach" Februar 26 nach Wittenberg gereist, um dort zum Doctor Theologiae zu promoviren; in Gemäßheit des ihm durch seine Hausfrau zugesandten Schreibens aber sei er unpromovirt nach Brandenburg zurückgekehrt und gedenke "auf beschehene verheißhung" in Rostock zu promoviren und am 5. Mai dorthin aufzubrechen. 4 ) Wegen des bevorstehenden Theologen=Convents zu Lüneburg, auf dem man sich wegen des Naumburger Abschiedes schlüssig machen wollte, wird aber der Rath auf eine frühere Abreise gedrungen haben, denn Kittel, der am 26. Februar erklärt hatte, er könne, wie er dem Rath schon mündlich gesagt, vor dem 5. Mai nicht abkommen, wurde bereits am 15. April als Joannes Kittelius Jutterbochiensis, magister artium, immatrikulirt 5 ) und am 29. April bei der ersten theologischen Promotion Rostocks seit der Reformation durch die Greifswalder Professoren Dr. Georg Venetus und Dr. Jakob Runge mit David Chyträus und Simon Pauli zusammen zum Doctor der Theologie promovirt. 6 ) Als Doctor und Professor der Theologie wurde er in das Concilium recipirt, 7 ) und Venetus und


1) Etwas 1738, S. 590. Krabbe S. 509 Anm. *.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562 (1561, December 19).
3) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
4) Daselbst.
5) Hofmeister, Matrikel 2, S. 142. Etwas 1788, S. 590-591; 1740, S. 203.
6) Hofmeister, Matrikel 2, S. 143. Etwas 1737, S. 625-627; 1738, S. 464-466.
7) Hofmeister, Matrikel 2, S. 142: doctor sacrae theologiae ejusdemque hic professor susceptus.
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Runge vermittelten es, daß er auch vom Ministerium, wenn auch nicht als Superintendent, recipirt wurde. 1 )

Ueber diese letztere Reception sagt Kittel am 26. Februar 1562 nach dem Rathsprotokoll: "D. Runge in Steinkamps huse, dar se vorordent: Sidt ji ock des gemotes, dath gi broderlich mith ehnen willen leven? Darup he geantwortet, ehm gefalle de anflach wol;. dat (he dat) ehnen mochte antogen und D. Venetum darbinemen. De prediger gesecht, dewile idt so widt gekamen, mostens geschen laten. Is tho unser leven frowen up de Wedeme gekamen, dosulvest ock M. Lucas (Randow) bii gewesen."

Bereits am 9. Mai (1561) schrieb oder sagte ihm der Rath, 2 ) man "wolde ehn geschicket hebben am vergangen Donnerdage (Mai 8)," aber es mangele noch an dem Sattelzeug, an Wagen und an 10 Pferden. Ohne Zweifel ist dies von der Zusammenkunft in Lüneburg zu verstehen, in Bezug auf welche der Rath am 3. August an Herzog Ulrich berichtete, "dath fast alle unsere perde tho Luneborch up der Stede dach und sunst uthgeschicket sindt." 3 ) An dieser Zusammenkunft nahm Kittel im Auftrage des Raths, inscio et inconsulto reliquo Ministerio, 4 ) als Superintendent theil und unterschrieb die vereinbarten Artikel 5 ) als Johannes Kittelius Sacrae Theologiae Doctor et Superintendens ecclesiae Christi Rostochiensis.

Das Ministerium hatte, erbittert darüber, daß es gar nicht befragt worden war, an Tilemann Heshusius, der als Superintendent zu Magdeburg an dem Convent theilnahm, am 25. Juli geschrieben, 6 ) Kittel sei nobiscum consiliis non communicatis nach Lüneburg gezogen, und Heshusius möge ihm, wenn er irgend etwas im Namen der Rostockischen Kirche, cujus statum ac conditionem parum novit, unterschreiben wolle, die Frage vorlegen, ob er auch die Zustimmung der übrigen Prediger habe, und ihn ernstlich ermahnen, ne deinceps in negotiis adeo arduis ita inconsiderate agat. Nach Kittels Rückkkehr wurde beschlossen, daß die Prediger zu St. Marien ihm die Absolution verweigern sollten, wenn er nicht einräumen wolle, dadurch Unrecht gethan zu haben, daß er die


1) Bacmeister Sp. 1585. Grapius S. 150. Etwas 1740, S. 724.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562: Donnerdages denn 9. dach Maji Der 9. Mai fiel aber auf einen Freitag. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254.
3) Daselbst.
4) Bacmeister Sp. 1586.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II A Vol. V.
6) Rathsprotokoll von 1561-1562. Bacmeister Sp. 1586.
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Kirche zu Brandenburg verlassen, das Predigtamt zu Rostock ohne Genehmigung des Ministeriums angetreten und ohne dessen Vorwissen am Lüneburger Convent theilgenommen und die Artikel als Superintendent der Rostockischen Kirche unterzeichnet habe. 1 ) Als Kittel am 16. August bei dem Diakonus Berthold Detharding seine Beichte ablegte, verfuhr dieser dem Beschlusse gemäß und verweigerte ihm die Absolution, 2 ) wie es ihm die Brüder befohlen hätten. "Die Brüder?" antwortete ihm Kittel, "die Buben!"

Am 18. August beschwerte sich Kittel beim Rath über die drei Punkte, "derwegen Her Bartoldus uth befele der anderen Mithbrodere de absolution nicht hefft spreken edder thom disch des Heren stadenn willenn." 3 ) Am 19. August standen Kittel und die Prediger vor dem Rath einander gegenüber und Kittel ließ sich zu den Ausdrücken Judasbrüder und Kainsbrüder hinreißen, was Dr. Simon Pauli, der Pastor zu St. Jakobi, für schlimmer erklärte, als wenn er sie Schelme und Diebe gescholten hätte. 3 ) Am 29. August erschien das Ministerium vor dem Rath und antwortete durch Simon Pauli auf die Anschuldigungen Kittels; es wurde der Brief verlesen, den die Prediger an Heshusius geschrieben hatten, und Berthold Detharding erklärte, er habe nicht gesagt, die Brüder hätten ihm befohlen, ihn vom Abendmahl abzuweisen, sondern ihn auf die drei Artikel zu befragen. 3 )

Am 4. September fragte Kittel beim Rathe an, ob er den Predigern antworten solle, und erklärte sich bereit dazu, die Superintendentur niederzulegen. 3 ) Der Rath fürchtete aber, daß eine Antwort Kittels die Uneinigkeit nur noch ärger machen würde, und ließ deshalb am 11. September den Predigern durch den Syndikus Dr. Röseler "des Rades meininge unnd Rathschlag" wegen eines Friedens zwischen ihnen und Kittel vorlesen. 4 ) Die drei Punkte, über die Kittel sich habe erklären sollen, insbesondere wegen der Reise nach Lüneburg, gingen den Rath an, und zur Erhaltung ihrer Gerechtigkeiten würden Rath und Bürgerschaft Kittel nicht in Stich lassen; die heftigen Worte Kittels möchten sie damit entschuldigen, daß es einem Manne, der so lange im Predigtamt gewesen sei, wohl habe weh thun müssen, "umb so liederliche zugenötigte ursachenn von einem jungen Sacristen vom Testament


1) Bacmeister Sp. 1586-1587.
2) Das. Sp. 1587.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254. Bacmeister Sp. 1587.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254. Bacmeister Sp. 1587.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254. Bacmeister Sp. 1587.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254. Bacmeister Sp. 1587.
4) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254.
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gewiesen" zu werden; Dr. Simon Pauli und andere, die daran unschuldig sein wollten, könnten sich durch die Worte Kittels nicht betroffen fühlen; die übrigen Prediger hätten jenen Beschluß nur deshalb gefaßt, weil sie es nicht leiden könnten, daß der Superintendent durch den Rath und nicht durch die Herzöge bestellt werde; der Rath aber gestehe das Recht, einen Superintendenten in Rostock einzusetzen, den Herzögen nicht zu und würde Alles eher leiden. 1 ) Am 2. October baten Simon Pauli, Joachim Schröder von St. Petri und Matthäus Flege, der Archidiakonus zu St. Marien, den Rath um Entschuldigung, daß sie auf Dr. Röselers Vortrag noch nicht geantwortet hätten, und theilten ihm mit, sie hätten den Lübischen Predigern erwidern müssen, daß sie die Lüneburger Artikel nicht unterschreiben könnten, weil Kittel dieselben als Superintendent unterzeichnet habe. 2 )

Am 22. October sollen einige fürstliche Räthe, vermuthlich dieselben, die am 16. October mit dem Rath wegen der Universität verhandelten, 3 ) von der Streitsache Kittels mit dem Ministerium Kenntniß genommen und beiden Parteien auferlegt haben, auf der Kanzel davon stillzuschweigen. 4 )

Im November bot sich der Professor Andreas Wesling dem Ministerium gegenüber zur Vermittelung an. Das Ministerium ging darauf ein, überreichte ihm fünf Artikel 5 ) und erklärte, wenn Kittel dieselben annehmen wolle, so sei es bereit, sich mit ihm auszusöhnen. 4 ) Davon wollte aber der Rath so wenig wissen, wie Kittel. Am 10. November hatte er Kittel und fünf räthliche Prediger vor sich: Hinrich Strevius von St. Jacobi, Matthäus Flege und Berthold Detharding von St. Marien, Joachim Bansow von St. Nicolai und Lukas Randow vom heil. Geist, und erklärte ihnen, er sähe es nicht für gut an, "artickelswise tho disputeren," sie möchten sich "ahne Disputation" mit Kittel vertragen, Simon Pauli "hedde sich mith dem Juramento ercleret, dath he unschuldich were der affwisinge vam Sacramente." Strevius erwiderte, ohne Vorwissen der übrigen Prediger könne er nichts vornehmen; Flege antwortete, er habe in der Sache nicht mehr gethan, als Dr. Simon, und wenn Kittel einräumen wolle, "dath he darin gesundiget, dat he na Luneborch gereiset,"


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.; undatirt.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 254. Vergl. Bacmeister Sp. 1587-1588.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 255.
4) Bacmeister Sp. 1588.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II A Vol. V.
4) Bacmeister Sp. 1588.
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so wolle man sich ebenso wohl mit ihm vertragen, wie Dr. Simon, und auch Detharding erklärte, was die Abweisung vom Sakrament belange, so "is der Doctor Simon jo so dep inn, alß de andern," und ihm sei befohlen worden, Kittel abzuweisen, wenn er nicht bekenne, "dath he sich in den dren puncten gesundiget;" Kittel seinerseits aber meinte: "bekent he sich, wo se begeren, so schrien se ehne uth, bekent he sich nicht, so erkennen und schrien se ehne uth alß einen hereticum, dath is der prediger vorhebbent." 1 )

Durch eine Predigt, die Kittel am 3. Advent (December 14) hielt, reizte er seine Gegner zu dem Beschlusse, am nächsten Sonntage den (Gegenstand ihrer Streitigkeit auf der Kanzel vorzutragen. Der Rath, der von Kittel die Nachricht erhalten hatte, "dath Flege den dach im Junckfrouwenkloster gesecht, de thovorer solden komen am thokamenden Sondage inn unser leven frouwen karcken, wolde he alles vam anfange beth thom ende ertellen," besprach sich darüber am 16. December mit Simon Pauli, der aus anderer Veranlassung zu ihm gekommen war, und Pauli sagte, von Kittel, dem er zum Stillschweigen gerathen, sei es unweise gewesen, dagegen zu handeln, "de Man is tho hefftich." Am 19. December forderte der Rath die Sechziger vor sich, ermahnte sie bei ihren Eiden, über das, was verhandelt werden solle, zu schweigen, und ließ ihnen, weil "de prediger up der Cantzel vormaninge gedahn, se solden am thokamenden sondage kamen, so wolden se alle ercleringe dohn," durch Dr. Röseler die Geschichte der Streitigkeit ausführlich berichten. 2 ) Am 20. December fanden lange Verhandlungen zwischen dem Rath, den Sechzigern und den Predigern statt. 2 ) Die Prediger begehrten zu wissen, ob der Rath und die Bürgerschaft sie für solche Leute hielten, wie sie von Kittel gescholten worden seien, oder für rechte Diener Christi, und zu Kittel "uth sinem egenwilligen koppe edder uth des Rades gehete gedahn." Der Rath antwortete, er halte sie für treue evangelische Prediger, könne aber auch Kittel nicht anders beurtheilen und vermöge dessen Abweisung vom Sakrament und die fünf Artikel nicht zu loben; von Kittels Schelten habe er vorher nichts gewußt und würde es andernfalls verhindert haben. Die Bürger erklärten, sie hielten die Prediger für ehrliche, aufrichtige, treue Diener Christi und ihre Seelsorger und bäten sie, des Festes wegen auf Kittels Schelten nicht einzugehen. Damit waren die Prediger nicht zufrieden, sondern verlangten, daß Kittel sich der


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 255.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 263.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 263.
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Kanzel enthalte, bis er für seine Behauptungen Beweise bringe, und die Bürger baten, daß der Rath darauf eingehe; der Rath erklärte aber nur, er wolle Kittel bei Verlust des Predigtstuhls Stillschweigen gebieten und begehre ernstlich, daß die Prediger entweder nach der Bitte des Raths und der Bürgerschaft von der Sache ganz stillschwiegen oder nur erklärten, sie seien Willens gewesen, ihre Unschuld darzulegen, aber Rath und Bürgerschaft hätten begehrt und gebeten, daß sie eine Zeitlang damit warteten. Die Prediger sperrten sich zuerst noch dagegen, gaben aber endlich dahin nach, daß sie sagen wollten, Rath und Bürgerschaft hätten sich des Handels angenommen und hätten anerkannt, daß sie tüchtige Personen und getreue Diener wären, sie hätten sich genugsam verantworten wollen, aber Rath und Bürgerschaft hätten sie gebeten, es nicht zu thun.

Im Januar 1562 1 ) müssen die Prediger auf die Sache zurückgekommen sein, denn der Rath antwortet ihnen Februar 4. durch Dr. Röseler: "Men hefft begeret ein stillestandt vor winachten; darna hebben de prediger anroginge gedahn, dath de sake mochte vorgenamen werden; wo de radt es nicht dohn wurde, wurden


1) Aus dieser Zeit stammt das von Krause 1875, Februar 17., als Gratulationsschrift des Gymnasiums zu Rostock herausgegebene Pasquill: Colloquium anonymi et Batti de perversitate et nequitia concionatorum Rostochii, qui superiorem nequaquam ferre, sed se fratres nominari volunt. Viri sancti si Diis placet. Schelcke unnd Boven in der Hueth. Als Gegner Kittels werden genannt: Georg Reiche von St. Nicolai (Est homo quem claro decoravit nomine Pluto, Plutonis stygii natus in arce Dei), Simon Pauli (Hunc Simon Magus sequitur qui plus sibi justo Saepius indulget, se superare putat Omnes qui claro doctorum nomine fulgent, Cum tantum constans sit levitate sua), Strevius (mit einer unverständlichen Anspielung: Qui se defunctum mentitur vivus oberrans Cum data defugeret foedera sancta thori), Flege, dessen lateinisirter Name Musca durch den Drucker seiner Disputation von 1561, April 29, in: Musa entstellt worben war (Musa miser, nudum nomen honoris habens), der Hervorder Detharding (Implet Westphalico cultissima templo boatu Et praeter nudum nil movet ille sonum) und Leunculus (Latrunculus ille ... Dum tulit indigno nomine munus Apis). Am 24. Januar steht im Rathsprotokoll von 1561-1562 die Federprobe: Musa miser nudum nomen honoris habens; am 30. Januar sagt Joachim Kerckhof: "De prediger werden eres amptes ... dorch nicht ungelerde lude, sonder gelerbe lude, dorch schelmesche smehebreve; bidden solches affthoschaffen," und Bürgermeister Bernt Pawel antwortet: "Van der prebiger halven hefft ein Rath des keinen gefallen; wen ein Rath erfore, willen es straffen;" Februar 3 heißt es: "Der Matheus Flege gefordert vor den Rath van wegen des Pasquilli, so jegen de prediger gestellet, dath de prediger etliche deß Concilii lithmaten anstaften van der Cantzel; begeren ernstlich, dath se nemande willen taxeren, sonber so se wene weten, de des schuldich, den wil der Rath, so he dem Rade underworpen, und der Rector, so idt ein gelerder, straffen; dath solle he den anderen prebigern antogen."
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se vororsaket, von der Cantzel sich tho entschuldigen." 1 ) Durch diese Drohung sah sich der Rath veranlaßt, den Rathmann Franz Quant zu Herzog Ulrich zu schicken und, wie es scheint, um Absendung von Kommissarien und ein Gebot des Stillschweigens anhalten zu lassen. Die Herzöge Johann Albrecht und Ulrich zogen aber bei den Predigern Erkundigung ein und wurden berichtet, daß Kittel sich "selber zu erhohenn unnd fur einenn Superintendenten eintzudrengen undernemen" solle und sich auch zu Lüneburg, obwohl er vorher gewarnt worden, als solcher unterzeichnet habe, und daß der Streit dadurch entstanden sei, daß Kittel "vorerst auf dem Cantzell außgefaren unnd unsere prediger Judasbrudere geschuldenn." Demgemäß erließen sie Januar 21 an den Rath den Befehl, 2 ) "das ihr demselbenn Kittelio aufferlegt unnd von unserntwegenn gebietett, das ehr sich hinfuro des predigamts und Cantzels inn unser Stadt Rostock enthalten solle." Darauf antwortete der Rath Januar 25, 3 ) Kittel sei von ihm zum Theologen und Lehrer an der Universität "unnd aver de predigernn allein, so wi in deinstbestellinge holdenn unnd besoldenn, nicht so J. F. G. ahne middel vorwant, Superintendenten edder upseher" angenommen worden, "darumb wi dan ock ehne als unsern overstenn prediger und Superintendentenn nach Luneborch geschicket unnd dat he sich darvor uthgevenn und schriven solde, befalenn;" was aber den Streit betreffe, so hätten die Prediger den Herzögen auch berichten sollen, "dath J. F. G. prediger thom andernn mahll ane alle billiche christliche orsakenn denn Doctor vam hochwerdigen Sacrament gewiset unnd dartho vele Sondage lange thovorne bemelten Doctor unverschuldet geschulden, vornichtet unnd, dem gemeinen Man vorstendichlich genoch, dath he darmit gemeint, taxeret;" auch sei es nicht wahr, daß Kittel sie Judasbrüder gescholten habe, sondern, wenn er sich verantworten könnte, "wurden J. F. G. des Doctors bescheidenheit und lanckwilige gedult jegen de prediger, ere overst tho em nodiginge, clarlich vormerckenn;" der Rath bitte deshalb die Herzöge, ihn mit dem ihm ertheilten Befehl zu verschonen, "unnd were wol der christlichen kerckenn alhir thodrechlicher, es gebode J. F. G. solches dem oldenn unruigen Magistro Georgio, 4 ) alßdann solde de uneinicheit der prediger balde gestillet sin."

Am 4. Februar beschwerten sich die Prediger beim Rath darüber, daß er sie bei den Herzögen verklagt und sich dadurch als


1) Rathsprotokoll von 1561-1562.
2) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Ecclesiastica II C Vol. I. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 300. Krabbe S. 511 Anm. **.
4) Georg Reiche.
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Partei gerirt habe, da er doch Richter in der Sache sein wolle, und Georg Reiche sprach von "duvelschen gedancken," die der Rath fahren lassen solle, und von "schandtbreven", die auf Kittel zurückgehen würden, da er allein darin gelobt, das ganze Predigtamt aber gelästert würde. 1 ) Darauf antwortete ihnen der Rath Februar 5 durch Dr. Röseler, er habe durch Franz Quant nur darum anhalten lassen, daß ihnen Stillschweigen bis zum Austrag der Sache auferlegt werde, das scharfe Schreiben der Herzöge aber sei durch sie veranlaßt worden. Dr. Simon Pauli entgegnete für sich und die übrigen Prediger, was Franz Quant ausgerichtet, ließen sie auf sich beruhen; von ihnen sei keiner "tho have gefordert," der Rath habe aber eine Gesandtschaft dorthin geschickt, "se willen den Radt laten judiceren, wol de orsake (des Schreibens) si, offt se idt sin, edder de Radt;" in seiner Antwort aber habe der Rath sie angeklagt und durch die Behauptung, Kittel sei ohne christliche Ursache vom Sakrament abgewiesen worden, bereits das Urtheil gesprochen; die Prediger wollten deshalb nicht ihn, sondern die Bürgerschaft zu Richtern haben. Die durch 16 Personen vertretene Bürgerschaft erklärte, daß der Rath um fürstliche Kommissarien gebeten habe, sei ihr sehr leid und mache ihn den Predigern verdächtig, und da die Prediger die Gemeinde als Richter gelten lassen wollten, so schlüge sie vor, die Sache durch einige Personen aus ihrer Mitte und einige andere gelehrte Leute entscheiden zu lassen. 2 ) Am 6. Februar erklärte der Rath, er könne sich von den Verhandlungen nicht ausschließen lassen; er wolle 5 bis 6 Rathsmitglieder dazu abordnen, die Bürgerschaft könne sich durch die 4 anwesenden und 6 weitere Personen vertreten lassen. Die anwesenden Bürger meinten, die Nichtbetheiligung an den Verhandlungen könne den Rath nicht kränken, da ihm ja die Bürger "mit Eiden verwandt" seien; im Uebrigen sähen sie es lieber, daß der ganze Rath daran theilnähme und sie mit der Sache verschont würden. Die Prediger erwiderten, wenn es ein freundlicher Handel sein solle, so sei die Betheiligung des Raths nicht nothwendig; "so Doctor Roseler darbi und de Mundt ehm thogebunden, wurde he se upriten;" zu Richtern aber wollten sie nicht den parteiischen Rath, sondern unparteiische Leute aus der Bürgerschaft. Schließlich wurde die Sache auf Wunsch der Prediger bis zur nächsten Woche vertagt. 3 )


1) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 300. S. oben S. 152 Anm. 1.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 263.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 264.
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Am 10. Februar antworteten die Herzöge auf das Schreiben des Raths von Januar 25, da ihnen das Patronatsrecht an allen Kirchen zuständig sei, so gezieme es dem Rath nicht, einen Superintendenten zu ernennen; er solle deshalb Kittel befehlen, sich bis zum Eintreffen der fürstlichen Räthe der angemaßten Superintendentur und der Kanzel zu enthalten. 1 ) Der Rath theilte Februar 13 Kittel dieses Schreiben mit, befahl ihm, mit der Predigt fortzufahren, des Scheltens jedoch sich zu enthalten, 2 ) und richtete Februar 14 ein Erwiderungsschreiben an die Herzöge, 3 ) in dem er darauf hinwies, daß sie in 40 Jahren - abgesehen von Dr. Venetus, den er mit gutem Rechte gehindert 4 ) - keinen Prediger an St. Marien bestellt hätten, und daß er auch Kittels Vorgänger Draconites zum Superintendenten ernannt habe, während "kein Minsche seggen kan edder gedencket, dath J. F. G. einen Superintendenten in Rostogk gesettet und verordent hebben."

Am 20. Februar erschienen die Prediger mit einer größeren Anzahl Bürger auf der Schreiberei. Der Rath erklärte ihnen zunächst, daß nach einer Beliebung der Bürgerschaft nicht mehr als neun Personen vor ihm aufzutreten hätten; die Prediger meinten zwar, es seien auch früher wohl mehr, wohl an sechzig Bürger zugegen gewesen, der Rath bedeutete sie aber, daß es seine Sache sei, viele oder wenige Personen vor sich zu fordern. Dann berichtete Simon Pauli, Kittel habe am vergangenen Sonntag gesagt, "de prediger wolden ein nie pabstthum anrichten," und da er dadurch das beiden Parteien auferlegte Verbot des Schmähens verletzt habe, so müßten die Prediger fordern, daß ihm die Kanzel verboten würde, oder ihrerseits die Predigt einstellen. 2 ) Am 21. Februar hatte der Rath etwa 60 Bürger auf der Schreiberei bei sich, denen er den Stand der Sache mittheilte, und die Bürger begehrten, daß Kittel sich vor ihnen über seine Worte vernehmen lasse, da ihm, wenn er sich rechtfertige, die Kanzel nicht verboten werden könne. Demgemäß erklärte Kittel, er habe gepredigt, daß das Predigtamt nicht verächtlich behandelt werden dürfe, daß man aber auch, wenn die Prediger eine neue Tirannei oder ein neues Papstthum errichten wollten, wissen müsse, die Fürsten seien von Gott verordnet. Die Bürger hielten diese Rechtfertigung für ausreichend, und die Prediger fügten sich darein,


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 264.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 300.
4) Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 3, S. 20.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 264.
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nahmen auch die Erklärung des Rathes an, daß die Entscheidung ihrer Streitsache Februar 25 oder 26 vor sich gehen sollte. 1 )

Am 26. Februar ging beim Rath ein Gutachten des Dr. David Chyträus ein, 2 ) in welchem er dringend davon abrieth, daß die Streitsache "vor einer solchen menge ungleicher und uneiniger Bürger" verhandelt werde, und es empfahl, daß jede Partei erkläre, sie sei zu Frieden und Einigkeit geneigt, wisse von der andern nichts als Gutes und wolle, wenn man sich wegen der Abweisung vom Abendmahl nicht einigen könne, sich vor dem Concilium vernehmen lassen, damit dieses einen Bericht aufnehme, der an die benachbarten Kirchen oder Universitäten versandt werden könne; eventuell sei es besser, die Kosten nicht zu scheuen und vornehme Männer aus den benachbarten Kirchen zur Entscheidung der Sache hierher kommen zu lassen, "denn das sie fur den Bürgern oder sunst in grösser weitleuffickeit gefüret würde." An demselben Tage aber kam die Sache wirklich zum Austrag. Der Rath hatte etwa 50 Bürger auf die Schreiberei fordern lassen, die Prediger brachten deren ebenfalls viele, vornehmlich Sechziger, mit sich; um die Leitung der Verhandlungen hatte der Rath den Licentiaten Paselich gebeten. Nachdem dieser eine Einleitungsrede gehalten, traten zunächst die Prediger vor und erklärten, sie seien durchaus bereit, sich, selbst in diesem Augenblick, mit Kittel zu vergleichen; die Uneinigkeit rühre aus zweien Ursachen her: erstens sei Kittel vom Abendmahl abgewiesen worden, zweitens habe er Schmähworte gegen sie gebraucht; wegen des Ersteren könne er, wenn er sich mit ihnen nicht gütlich vereinigen wolle, appelliren und wegen des Letzteren seien sie zur Versöhnung willig, wenn er nur sagen wolle, daß er sie für ehrliche, aufrichtige Leute halte, wozu auch sie in Bezug auf ihn bereit seien. Dann erklärte Kittel, nachdem er ausführlich die Geschichte seiner Berufung und seiner Streitigkeiten mit den Predigern vorgetragen, er hoffe die Abweisung vom Sakrament nicht verdient zu haben, wolle sie aber den Predigern nicht nachtragen, wenn sie dazu auch in Betreff der Injurien willens seien, die er justo dolore gegen sie ausgesprochen habe. Dann bekräftigten beide Parteien einander mit Handschlag, daß Alles vergeben sein solle, und versprachen, Gott auf der Kanzel für die Aussöhnung zu danken. Am Nachmittag aber verlas Licentiat Paselich einen Abschied, dem zufolge ein vom Rath besiegelter Vertrag beiden Parteien zugestellt und auf den Kanzeln verlesen werden, die Frage nach der Super=


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 264, 268-269.
2) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
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intendentur offen bleiben und Kittel in das Ministerium mit den Worten wieder eingeführt werden solle: Offerimus vobis fratrem, habete illum vobis commendatum. 1 )

Der Friede zwischen Kittel und dem Ministerium war damit vereinbart, die Frage nach der Superintendentur aber war offen und die herzoglichen Mandate von Januar 21 und Februar 10 waren wirkungslos geblieben.


Nach langen Verhandlungen über die Beisteuer, welche Rostock zu der auf dem Landtage zu Güstrow 1560, September 25, bewilligten Landeshülfe zur Abtragung der fürstlichen Schulden leisten sollte, hatte der Rath am 22. April 1561 eine Schuldverschreibung über 80000 Gulden ausgestellt. 2 ) Im Maimonat 1562 wurde Herzog Ulrich hinterbracht, daß Kittel über diese Angelegenheit unziemlich auf der Kanzel gesprochen habe. 3 ) Am 26. Mai 4 ) erließ er darauf zwei Schreiben an den Rath und an die gemeine Bürgerschaft mit den Sechzigern. Daß der Rath, heißt es in dem ersteren, 5 ) trotz seines Befehls Kittel auf der Kanzel gelassen, habe er in der Hoffnung dulden müssen, dereinst die Gelegenheit zu erhalten, ihn wiederum zu gebührlichem Gehorsam zu bringen, "darzu uns ungezweivelt der Almechtiger stercke und kreffte verleihen wirt, und werdet ihr gewißlich erfahren, daß unsere große gedult euch alsdhan desto beschwerlicher sein und furfallen werde." Neulich aber habe Kittel ihn und Herzog Johann Albrecht "mit ungeburlichen, unzimblichen, ehrenrurigen, schimpflichen und undienstlichen reden offentlich auf der Cantzel vergessentlich angegriffen," "derenthalben, das wir unsere underthenige gehorsame Landtschafft, davhon ihr auch ein gelid sein soldet, zu ablegung unser Lande und Furstenthumbe beschwerlichen Schulde, die wir doch nicht gemachet, sondern einstheils auf uns vererbet, einstheils der beschwerliche Zustandt deß gemeinen Vaterlandes Deutscher Nation negst verschiener Jare unumbgenglich verursachet." Da er nicht leiden könne, "daß derselbe unrichtiger, mutwilliger Man in unsernn landen und Furstenthumben lenger geduldet oder ihme zu


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 269.
2) Schirrmacher 1, S. 374-376; 2, Nr. 93.
3) Ueber die angeblich vorgebrachten Schmähungen f. Ungnaden S. 1047 bis 1048. Vergl. Schirrmacher 1, S. 424-425.
4) Die irrthümliche Angabe Schirrmachers (1, S. 425): Juni 24, geht auf Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S, 270 zurück; s. S. 158 Anm. 2.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
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unserm nachteill und verkleinerung einiger underschleiff von unsern underthanen gestattet werden solte," so gebiete er dem Rathe "bei vermeidung unser straff und hohesten ungnad, auch bei verlust aller Ewerer in unsern Furstenthumben und Landen, auch in unser Statt Rostogk habenden Privilegien und freiheiten," ihn binnen acht Tagen nach Empfang dieses Schreibens aus der Stadt zu verweisen; eventuell aber sei er entschlossen, "Ewere mitburger, unsere underthanen, und euch, auch ihre und ewere guetere in unsern Furstenthumben und Landen nach ausgange bestimbter zeit zu hemmen, zu arrestiren und anzuhalten, bissolange wir euch einsmaels zu schuldigem geburlichen gehorsam gebracht."

An die gemeine Bürgerschaft und die Sechziger sandte der Herzog eine Abschrift des Schreibens, damit "Ihr oder die gennigen, so Ihr zu der behueff aus Ewerm mittell verordenen mögen, gemelten Rath dahin vermugett, das sollichem unserm gebott unnd bevelich inn bestimbter Zeit wurckliche Folge geschehe." 1 )

Da der Rath dem Befehle keine Folge leistete, so wurde das herzogliche Schreiben an die Bürgerschaft und die Sechziger, das vorläufig zurückgehalten worden sein muß, abgesandt und am 23. Juni dem Valentin Niemann bei dessen Abwesenheit ins Haus gebracht. Am 25. Juni kamen die vornehmsten Bürger auf das Rathhaus und baten, nachdem ihnen der Rath das von ihm erhaltene herzogliche Schreiben hatte vorlesen lassen, um Zusammenberufung der ganzen Bürgerschaft; der Rath antwortete ihnen, Kittel werde sich rechtfertigen, und wenn der Herzog sich dadurch nicht zufriedenstellen lasse, so solle alsdann die Gemeinde versammelt werden; die Bürger beriefen sich aber darauf, daß das Schreiben an die ganze Bürgerschaft gerichtet sei, und der Rath versprach ihnen die verlangte Zusammenberufung. 2 ) Am folgenden Tage, Juni 26, kam die Bürgerschaft in der Marienkirche zusammen; als sie durch 20 Abgesandte die schon oft gestellte Forderung nach Bestätigung des Bürgerbriefes erneuerte, sah sich der Rath zum Nachgeben veranlaßt. 3 ) Am 27. Juni beriethen sich der Rath und die Sechziger, von denen aber nur 36 Personen erschienen waren, über die fürstlichen Schreiben. Valentin Niemann erklärte, die Bürger hielten dafür, daß es besser sei, Kittel zu entlassen, als die Stadt in Gefahr zu setzen; "solchen heren is


1) Rathsprotokoll von 1561-1562 (1562, Juni 27).
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270: Juni 24.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270. Schirrmacher 1, S. 425.
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ein dorp woll so leff, alß ein prediger, wowol he den fursten nicht wil tho na treden." Herr Thomas Gerdes antwortete, der Rath habe nicht erwartet, "dath men sich dorch solck ein schrivent solde vorferen laten," man wolle appelliren und protestiren, "dath solch schrivent wedder recht und alle billicheit is," "se sindt fursten und heren, moten dennoch Recht dohn," und Herr Hans von Herverden fügte hinzu: "wen men sich alletidt solde mith einem breve schrecken laten, wolde mehr inriten; men wodt sich up dat Recht lenenn; wen men jo wolde bitter wesen, werden se dennoch mith erenn Rederen radtschlagen unnd bedencken, dath se nicht mith eigener gewalt konen vorfaren; wen de Radt mith den Borgeren eins is, werden se, de fursten, sich wol bedencken." Alsdann wurde Appellation eingelegt. Die Sechziger erklärten, ihrerseits seien sie mit der Ansicht des Rathes einverstanden, hätten aber versprochen, ohne Vorwissen der Gemeinde nichts Beschwerliches zu unternehmen, und bäten deshalb, etwa hundert Bürger berufen zu lassen. Am Nachmittag begehrte Klaus Hamel, daß Kittel, nachdem man ihm die Briefe vorgelesen, sich in ihrer Gegenwart verantworte: "Wo he unschuldich befunden wurde, willen de Burgere vor ehne schriven und ehne entschuldigen." Demgemäß erschien Kittel und erklärte: "Was he geredet, wolde he wol vor dem gantzen Romischen Rike reden; de schulde sind gemaket, van den burgeren mith gudem willen angenamen; dath Gott der overcheit ock den Burgeren wille wisheit geven, dath de schulde (betalet werden); he disputeret nicht, wer de schulde gemaket;" "de overcheit solde mith eren stipendiis thofreden sin." Dann fragte Herr Thomas Gerdes die anwesenden Bürger, ob einer von ihnen etwas Anderes in Kittels Predigt gehört hätte; die Bürger antworteten, sie wüßten Kittel nicht zu beschuldigen, bäten aber, daß die beiden anwesenden Prediger sich darüber aussprächen. Demgemäß erklärte Lukas Bacmeister, Professor und Pastor zu St. Marien, es sei in der Predigt nichts Anderes geredet, als was billig und recht sei; wenn Kittel gesagt habe, Herren und Fürsten sollten bedenken: Estote contenti stipendiis vestris, so sei das im Allgemeinen und der ganzen Gemeine zum Besten geredet; Matthäus Flege, der bei der Predigt nicht zugegen gewesen war, bestätigte es, daß Lukas Bacmeister bei seinem Heimgange zu ihm gesagt habe, Kittel habe eine ernste, treue Ermahnung gethan, daß die Mittel gefunden werden möchten. Zum Schlusse - es war darüber 11 Uhr geworden - einigten sich der Rath und die Bürgerschaft dahin, daß von beiden Seiten an den Herzog geschrieben, daß das Schreiben der Bürgerschaft dem Rath und dessen Schreiben den Sechzigern mitgetheilt und daß beide Schreiben einem Boten anvertraut werden sollten,

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"de dar düchtich tho wehre, up dath es der Stadt nicht tho schaden kome." 1 )

Die alsdann an Herzog Ulrich erlassenen Schreiben sind uns leider nicht erhalten. 2 ) In demjenigen des Raths vom 29. Juni hatte dieser erklärt, er habe Kittel in Gegenwart von Bürgern vor sich gehabt und über das, was er gepredigt, eine Erklärung von ihm entgegengenommen, nach welcher die fürstliche Reputation durch seine Rede ungeschmälert geblieben sei; im Uebrigen berufe er sich den herzoglichen Drohungen gegenüber auf den Erbhuldigungsrevers und seinen vom Kaiser erhaltenen Geleitsbrief. Darauf erwiderte der Herzog am 7. Juli, 3 ) er habe dem Rath nicht befohlen, Kittel zu vernehmen, "viell wehniger euch zu richtern oder obmennern in sollicher unser sachen verordnett noch erwelett," und rühmlicher wäre es gewesen, wenn er seinem Befehle gehorcht hätte; was er zugesagt und verschrieben, habe er bisher gehalten und werde er halten; wenn aber der Rath meine, sich mittels des kaiserlichen Geleitsbriefes seinem schuldigen Gehorsam zu entziehen und sein eigener Herr zu sein, so solle ihm das "wills Gott, nicht gelingen, welches ir auf den fahll ewers beharrlichen ungehorsams ungezweifelt zu spuren haben werdet;" er wolle deshalb nochmals seine Befehle, "ehe wir die in denselben euch gedrawethe rechtmeßige straffe geburlich zu exequiren befehlen, hiemitt ernewertt, auch zu volziehung derselben euch abermals acht tage befristet haben, damitt unsere gemeine und ir zu spurenn, das wir euch zur ungepur zu ubereylenn nicht gemeynnt;" "unnd wollen wir auch hirauf keyner andern antwurdt oder wechsellschrift, dan alleyn ewers geburlichen gehorsams von euch gewertig seyn." In der gleichzeitigen Antwort des Herzogs an die Bürgerschaft und ganze Gemeine 4 ) heißt es, er habe zwar gern vernommen, daß nach einem löblichen Statut der Stadt Rostock Niemand ohne richterliches Erkenntniß beschwert werden dürfe, habe aber auch aus dem Vorgehen des Raths befunden, "zu den Zeiten, alß sie unsere christliche prediger unnd Kirchendiener Doctorenn Tilemannum Heshusium und M. Petrum Eggerdes ohne vorgehende rechtliche erkantnuß bei nechtlicher weile tyrannischer weise vonn ihrem weib


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270. Vergl. Schirrmacher 1, S. 425.
2) Concepte im Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. (Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 300.) Ueber dem Schreiben des Raths: "Ad principem Ulricum. Is nicht affgeferdiget," über dem der Bürger: "Iß ock dergestalt nicht affgeschicket."
3) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I; Schreibfehler: Juni 7.
4) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
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und kindern, haab unnd guttern, ja auch in der heiligen Nacht, von ihren betten durch ihre bottele und haschere auß unser Stadt Rostock hinwegkfuhren lassen," daß der Rath sich weniger nach den löblichen Statuten, als nach seiner eigenen Willkür richte; was zur Entschuldigung Kittels von ihnen angeführt werde, wolle er ihnen alß gut gemeint nicht verübeln, doch habe er über das, was Kittel geredet, so gründlichen Bericht erhalten, daß er sich mit ihm wegen einer Sache, an der er ebensowenig zweifeln könne, wie es zu leugnen sei, daß er alle Prediger in Rostock Judasbrüder gescholten habe, in langwierige Disputation nicht einlassen könne.

Am 9. Juli "hora 10. sundt avermals breve van den fursten gelesen worden van Dr. Kittels wegen, ein de Radt und 1 de gemeine Borgerschop." Die Sechziger waren zugegen. Herr Bernd Pawel erklärte, die Schreiben seien durch die Neider des Raths, insbesondere Dr. Boucke, veranlaßt; es handle sich dabei nicht um Dr. Kittel, sondern um das Patronatsrecht an der Marienkirche und um die Universität, und eine Zusammenberufung der Gemeine sei unnöthig, da die Sechziger von ihr bevollmächtigt worden seien. Die Sechziger erwiderten aber, die Sache sei zu wichtig, als daß sie sich allein darin zu handeln getrauten, und da sie darauf bestanden, daß die Gemeine versammelt werden müsse, so gab der Rath wenigstens soweit nach, daß er die vornehmsten Bürger zu berufen versprach. 1 ) Am folgenden Tage, Juli 10, erschienen "de vornemestenn unnd vormogenstenn Burgerenn" auf dem Rathhause, aber die Aelterleute der Aemter waren nicht gekommen, weil nicht alle Amtsbrüder gefordert worden seien, und die Anwesenden baten, daß der Rath die ganze Gemeine berufen möge. Am Nachmittag entsandte der Rath Herrn Henning Beselin und einen Rathssecretair zu den Sechzigern und ließ sie bitten, sich noch einige Tage zu gedulden, "do etliche gesecht, se weren darmith thofredenn, etliche woldenn idt bespreken; do under anderen Jochim Krakow uthgefarenn unnd gesecht van Dr. Kittel: Latet ehne lopen vor dusent Duvel, so werden wi siner quidt; welches he noch einmall repeteret." 1 ) Am 13. Juli erschienen Abgeordnete der Sechziger vor dem Rath und erklärten, wenn die Gemeine wegen des fürstlichen Schreibens nicht durch den Rath zusammenberufen würde, so müsse sie von sich aus zusammentreten; Bürgermeister Pawel erwiderte ihnen jedoch, da Herzog Ulrich nicht einheimisch sei, so habe die Sache keine große Eile, und der Rath, der auf das gemeine Beste verteidigt worden sei, werde Bedacht darauf


1) Rathsprotokoll von 1561-1652. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
1) Rathsprotokoll von 1561-1652. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
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nehmen, was der Stadt zum Besten gereiche, und als die Abgeordneten sich zwar damit entschuldigten, daß die Frist bald abgelaufen sei, aber auf der Zusammenberufung bestanden, bemerkte Dr. Röseler: "Desse heren mogen men upstahn und geven den Burgerenn dath Regiment." 1 ) Am folgenden Tage, Juli 14., trat die Bürgerschaft auf die Berufung der Sechziger hin zusammen; das herzogliche Schreiben wurde verlesen, und im Auftrage der Bürgerschaft kam Klaus Kröger mit andern Sechzigern zu Bürgermeister Hans von Herverden ins Haus und sagte ihm: "So der Stadt schade wedderfore dorch de vorsumenisse, dath de furste nicht beantwordet, wolden se entschuldiget sin und den schaden bi dem Rade wreken bi live und gude. 2 )

Während dessen hatte der Rath Gesandte an Herzog Johann Albrecht abgeordnet und um seine Vermittelung bei Herzog Ulrich bitten lassen. Am 15. Juli 3 ) schrieb der Herzog an seinen Bruder, 4 ) er erachte es für billig, daß Dr. Kittel vorher gehört werde, "damit sich niemandt uber uns mit billigkeit zu beclagen, allß soltenn wir unerhorter sachen Jemandt zur unbilligkeit beschweren, wie wir dann E. L. auch nicht zu thun gesinnet wissenn," und bitte ihn deshalb, den angedrohten Arrest auszusetzen bis zu einer Zusammenkunft ihrer beiderseitigen Räthe am 17. August zu Güstrow; "alßdann wollen wir samptlich Doctor Kittel vor uns bescheiden unnd seine entschuldiginge anhoren; do wir dieselb fur genugsam befinden, sol er sich in dieser Sachen derselbenn zu erfrewen haben; wo nicht, wollen wir zu E. L. tretten unnd die Sachen neben E. L. widder D. Kittel unnd diejenigen, so sich in seinem unbillichen furnhemen seiner annemen wurden."

Im Besitz einer Abschrift dieses Schreibens, ließ der Rath am 21. Juli die Sechziger vor sich kommen, warf ihnen vor, daß sie ohne seine Genehmigung die Bürgerschaft zusammenberufen und ihn durch Klaus Kröger hätten bedrohen lassen, und ließ ihnen, damit sie erführen, "dath mith allem flite dem dinge nagestanden," das herzogliche Schreiben vorlesen. Die Sechziger antworteten durch Johann Chriso, da Herzog Ulrich sein Schreiben an die ganze Gemeine gerichtet habe, so hätten sie diese damit bekannt machen müssen, und


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562.
3) Schirrmachers Angabe (1, S. 425): Juli 21, geht zurück auf Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270; s. S. 163 Anm. 1.
4) Rathsprotokoll von 1561-1562 (1562, Juli 21). Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
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was Klaus Kröger belange, so sei er damit nicht allein von ihnen, sondern von der ganzen Bürgerschaft beauftragt worden; wegen der Besendung Herzog Johann Albrechts aber und der Erwirkung seines Schreibens dankten sie dem Rath für dessen Fleiß. Der Rath erwiderte ihnen, die früheren Sechziger hätten auch wohl fürstliche Briefe erhalten, sie aber niemals erbrochen, sondern ihm übergeben; sie sollten bedenken, "dath solch schrivent men gereikt thom fuhr anstickende." 1 )

Dann ruhten die Verhandlungen wegen Kittels bis zum 10. September. Das von Herzog Johann Albrecht für den 17. August in Aussicht genommene Verhör war nicht zu Stande gekommen. Am 10. September aber ließ Herzog Ulrich die zum Jahrmarkt nach Güstrow gekommenen Rostocker Bürger praeter omnem exspectationem mit Arrest belegen. 2 ) - Am folgenden Tage, September 11, verhandelte der Rath mit den Sechzigern "van der Arresteringe der Kramer unnd Wandtschnider tho Gustrow wegen D. Kittels." Herr Hinrich Goldenisse erklärte, er wolle an Herzog Ulrich, der nach Bützow gereist sei, Gesandte abordnen; "men hedde sich wol verhopet, idt solde solches vorbleven sin; men hefft geschreven umb Geleide vor D. Kittel, hefft nichts erlangen konen; es iß jo nicht billich, dath solches vorgenamen werde; es iß nicht Kittel alleine, sondern der Stadt friheit daranne gelegen; wo de Borger und Radt nicht einich, wert der Stadt groth ungefall weddervaren; men wil sich erbeden, dath D. Kittel moge tho vorhoer kamen." Darauf antwortete im Auftrage der Sechziger Klaus Kröger, er habe Bürgermeister Hans von Herverden im Auftrage der Bürger gesagt, daß der Rath das herzogliche Schreiben nicht so leicht nehmen möge; sie hätten es gern gesehen, wenn die Sache beigelegt worden wäre; "wile idt nicht geschein, weten sich de Borger nicht in dessen handel intholaten; hebben se sich vorsumet, mogen sich daruth riten." 1 ) Am 12. September entgegnete Hinrich Goldenisse auf dieses Vorbringen, der Rath sei sich wohl eines bessern Trostes versehen gewesen; die arrestirten Güter ließen sich wohl befreien, wenn aber dabei der Stadt Gerechtigkeit Abbruch geschähe, "willen se vor Gott entschuldiget sin." Der Wortführer der Sechziger, Valentin Niemann, erwiderte aber, auch die Bürger seien sich von dem Rath eines Andern versehen gewesen; "es sindt breve gekamen van den fursten; de sindt ere erffheren; hebben ehnen gehuldiget und geschwaren; achtens darvor, dath he derwegen desulven der gemeine vorlesen moge; dath ein Radt nicht hefft gestaden willen,


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
2) Bacmeister Sp. 1595. Ungnaden S. 1048. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270. Schirrmacher 1, S. 425.
1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
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wowol sich de gemeine aller billicheit stedes verholden;" "es hebben de gemeine ein beschwer gehabt, dat se so geringe vam Rade geholden werden; verhopen, de Stadt werde middel finden, dath es desser Stadt ahne schaden und nachdeil geschege;" "so schade daruth wedderfaret, hefft ein Radt tho bedencken, dath des ein Radt orsake hefft." Als er endlich noch hinzusetzte, man sage, der Arrest sei dadurch verursacht, daß Kittel zu erscheinen aufgefordert und nicht erschienen, entgegnete ihm Bürgermeister Goldenisse, man habe auf Geleit gewartet, und als dann Niemann meinte, aus dem Ausbleiben desselben hätte man merken müssen, "dath es nicht gudt gemeint," sah sich Goldenisse veranlaßt, den Sechzigern "vortruweder wise" die Ansicht des Rathes über die Angelegenheit folgendermaßen darzulegen: "Wen D. Kittel schon vorloff krege, konde he angenamen werden van hertoch Johanß Albrecht, so sit he in der kercke, in concilio, in Universität und in dem Theologen=Huse." 1 )

Noch am 11. September hatte der Rath den Bürgermeister Thomas Gerdes, den Syndikus Dr. Kommer und den Rathsherrn Laurentius Breide an Herzog Ulrich abgeordnet. 2 ) Am 12. September schrieb er "an unsere gesanten, de an hertoch Ulrich affgeferdiget," er sei einverstanden mit dem von Bürgermeister Gerdes gemachten Vorschlage, "dath bi f. g. van wegen juwer overen unnd oldestenn ... in underdenicheit gebeden werde, dath up genochsame Caution unnd Borgeschop de guder uth der arrest gnedichlich loßgelaten werden mogen beth up wider Rechtes erorteringe." Am 13. September schrieben die Gesandten aus Güstrow, 3 ) bisher hätten sie sich vergeblich um Audienz bemüht; es scheine ihnen aber, daß durch die Bitterkeit, die man zeige, der Rath nur in Schrecken gesetzt werden solle, und es sei vielleicht gut, wenn die Bürgermeister einigen vornehmen Bürgern auf der Schreiberei eröffnen lasse, "weil die fursten der erbhuldungh, reverßen, keiserlichem geleit und anderen ewren privilegien, auch den gemeinen rechten hierin zuwidder handelten, daß ihr auch die zugesagte sum geldes ihnen zu halten und zu geben nicht schuldig weret, wollet auch den fursten und den edeleuten, so an euch vorwiesen, dieselbe widder auffsagen," denn wenn auch vielleicht die Bürger damit nicht einverstanden sein würden, so wäre es doch gut, daß das Gerücht davon, "dan die post von euch nicht


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
2) Bacmeister Sp. 1595. Die Instruction im Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 300. Ungnaden, S. 1048; vergl. Schirrmacher 1, S. 425.
3) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C. Vol. I.
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feyret," den Landesherren kund würde, damit sie erkennten, "daß E. E. W. so gar kleinmütig nicht weren und Ihr F. G. mit dem unbilligen dinghe bey euch nichts erhalten konnen;" eine Verstärkung der Erbitterung sei nicht zu befürchten, "dieweil sie nicht großer sein kan." Von demselben Tage datirt noch ein anderes Schreiben der Gesandten, 1 ) in dem sie berichten, der Stadtvogt habe heute 7 Uhr auf Befehl des Herzogs "die Faust von unß genommen," d. h. sich Einlager von ihnen versprechen lassen; 2 ) sie rathen deshalb, an der Gesandtschaft, die sie an Herzog Johann Albrecht abzuordnen empfehlen, weder einen Bürgermeister noch Dr. Röseler theilnehmen zu lassen, "dan sie gleichesvals mochten besatet werden, E. E. W. dadurch allen rath zu entzihen."

Am 14. September bat der Rath Herzog Ulrich, daß er Kittel mit Rücksicht auf seine schwangere Frau und seine kleinen Kinder gestatten wolle, bis Ostern in Rostock zu bleiben und mit Unterlassung der Predigt seine Lehrthätigkeit auszuüben. 3 ) An demselben Tage legte er wegen der Arrestirung seiner Gesandten Protest und Appellation an das Reichskammergericht ein. 3 ) Am 15. September warnte er die Sechziger wegen der Zuträgereien über die hiesigen Verhandlungen nach Güstrow und meldete Herzog Johann Albrecht das Geschehene. 4 ) Am 16. September antwortete der Herzog aus Ribnitz, 5 ) er habe Herzog Ulrich um Auskunft ersucht, ob er "allein des gemelten Doctor Kittels halbenn oder sonsten wegenn anderer ursachen die ewern arrestiren und zu Güstrow anhalten thut." Am 19. September dankte ihm der Rath und bat ihn, sich auch seiner verstrickten Gesandten, "de doch vermöge der Volcker Rechte sancti und in allen Historien sekerheit gehatt" und des arrestirten Bürgergutes annehmen zu wollen. 3 ) Am gleichen Tage übersandte er der Gemahlin Herzog Ulrichs, Elisabeth von Dänemark, eine Supplikation der Bürger, deren Gut arrestirt worden, und bat auch sie um ihre Verwendung. 3 ) Am 25. September dankte er Herzog Johann Albrecht für dessen Versprechen, "dath I. F. G. unsers Rades verwantenn und unser Borger guder bestrickinge unnd arresteringe tho Gustrow in gnadenn ingedenck sin willen." 3 )

Auf ein uns nicht erhaltenes Schreiben des Raths an Herzog Ulrich erwiderte dieser am 23. September aus Dargun. 5 ) es sei


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol I.
2) Schirrmachers Angabe (1, S. 425): October 2, geht zurück auf Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270; s. S. 167 Anm. 2.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
4) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
5) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
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unnöthig gewesen, "unß der gemeinen beschriebenen, viel weiniger der Volcker Rechte im selbigen fhall so gar geschicklich zu erinneren, dhan wir unß derselbigenn und waß uns denenn nach zu thuenn gepueren will, Godt lob, selbst woll wissen zu berichtenn;" der Rath hätte besser gethan, wenn er "auß den allegirten rechtenn einen andern subtileren verstanndt" gefaßt "und unns so groblich das jenne, waß euch als getreuwenn Unnderdhanen uns zu leisten gebuert, nicht hettet auffgeruckt;" er als Landesfürst und gebührliche Obrigkeit habe an den Rath "pilliche unnd gleichmeissige beveliche außgehen lassenn; wie dennselben aber vonn euch alß denn getreuwenn underthanen gehorsamet und nachgelebett, geben wir euch selber zu bedencken." An Herzog Johann Albrecht berichtete der Herzog am 28. September aus Dobbertin 1 ); "Daß wir furnemblich der ursachenn halbenn derselben Rostocker kramer und kauffleute gueter zu Gustrow angehalten, arrestiren unnd in kummer nemen lassen, daß der Rath unser Stadt Rostogk etliche unsere ernste und rechtmessige beveliche wegen der erlaubung D. Johan Kittels, ires Theologen, ein Zeitlang vorechtlich gehaltenn, unß auch etlich Silber und geldt, in unser Closter Dargun gehorig, dazu sie doch mit nichtenn befugtt, kurtz vorschiener Zeit in kummer genommen unnd uns dasselbig biß daher uff unsers Amptmans zu Dargun erfordern nichtt folgenn lassen wollen. Unnd obwoll gemelter Rath zu Rostogk denselben D. Kitteln vor E. L. und uns zu rechttlicher verhoer zu stellen sich erbotten, so achten wir doch derselbigen verhoer gantz und gar von unnöten sein, denn wir dermassen unparteiliche kundtschafftt und genugsamen beweiß uber seine, D. Kittels, wider E. L. unnd uns ausgegossene schmeewortt kurtzer tage durch unsern Rath Jochim Woperßnouw inn der Stadt Rostogk von furnemen Burgern, auch des Radts eigenen Professorn unnd andern auffnemen lassen, daß wir deß Kittels handlung numher fur notori und unzweiffelhafftich achten mussen." Dieses Schreiben sandte Herzog Johann Albrecht September 30. aus Dobbertin an den Rath, indem er schrieb 1 ): "Dieweill wir nun die sachenn unnd derselben umbstende dermaßen geschaffenn befundenn, daß wir darin allerdinge mit S. L. einig sein mussen, alß will die notturfft erfordern, sofer(n) ir wollett, daß sollicher Arrest widderumb solle cassiret unnd auffgehoben wherden, daß ir S. L. vorigen unnd itzigenn schreiben pariret."

Ein Schreiben des Raths an Herzog Ulrich vom 30. September ist uns wieder nicht erhalten. Etwa gleichzeitig meldete der Rath dem Professor Dr. David Chyträus, er habe fünf seiner Mitglieder dazu abgeordnet, die bisherigen Streitigkeiten mit den herzoglichen


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
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Professoren zu vergleichen und einen Vertrag zu vereinbaren, durch welchen die herzoglichen und die räthlichen Professoren Ein corpus würden, und bat ihn, dies den Herzögen mitzutheilen, sie um die Abordnung versöhnlich gestimmter Professoren zu ersuchen und sich bei ihnen für Dr. Kittel zu verwenden. 1 ) Am 2. October antwortete Herzog Ulrich, 2 ) sobald der Rath und Dr. Kittel seinen Befehlen parirt haben würden, so werde er sich des Arrestes wegen gebührlich erklären; er erwarte aber, daß der Rath es mit seinem Erbieten wegen der Universität ernstlich meine und die Sache nicht, wie bisher, nur hinhalte; auch sei es billig, daß der Arrest des Klostergutes, "mit wellichem arreste ir uns denn wegk zu unserm furgenommenen arrest gezeigett," ebenfalls aufgehoben werde, und was die Bitte um eine Verlängerung des Aufenthaltes für Kittel anlange, so solle dieser hiermit auf 14 Tage in sicheres Geleit genommen sein. Darauf antwortete der Rath October 3, da er aus des Herzogs Schreiben erkenne, "dath I. F. G. nicht anders tho bewegenn edder cho beweikenn, dann Doctor Kittel vann hir solle, so konenn J. F. G. in underdenicheit nicht vorentholdenn, dath desulve Doctor Kittel am negstvergangenn Donnerdage (October 1) umb soven Uhrenn fro in ein ander furstendohm verreiset unnd wechgetagenn is;" auch das Darguner Klostergut, das auf Begehren einiger Bürger, "denen de Monneke schuldhafftich," arretirt worden, solle hiermit freigegeben werden und "mith der Universitett handelinge in wedderkumpft D. Davidis willen wi vortfarenn."

Am 2. October begehrten die Sechziger zu wissen, ob der Rath geeignete Maßregeln wegen des Arrestes ergriffen habe; widrigenfalls müßten sie schreiben, da der Herzog ohne ihre Schuld auch auf sie erbittert sei. Der Rath antwortete Ihnen, "wath de unhulde des fursten belanget, se sollen sich wol vorsehen mith dem schrivende an de fursten;" die vorigen Sechziger hätten die fürstlichen Briefe niemals weder erbrochen, noch von sich aus beantwortet; "de 60 schriven, be Radt schrifft, daruth de fursten mercken, dath 2 Regimente in der Stadt sindt, dath de 60 regeren, item de Radt regeret ock; dardorch is es vorgenamen, dath sunst wol were nableven;" der Arrest sei ihm von Herzen leid und er habe nicht unterlassen, vor der Reise nach Güstrow zu warnen; Kittel sei jetzt fort, aber es sei zu befürchten, daß es nicht Kittel sei, um den es sich handele. 3 )


1) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
2) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
3) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270.
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Am 5. October schrieb Herzog Ulrich aus Dargun an den Rath, 1 ) sein Schreiben besage wohl, daß Dr. Kittel entfernt sei, enthalte aber keine Entschuldigung der bisherigen Nichtbefolgung seines Befehls, "fur wellichem unleugbarenn ungehorsamb unnd mutwillige wiedersetzung wir dann vonn euch geburlichenn abtrag habenn und wissenn wollenn;" auch wegen der Schmach, die ihm der Rath durch die Arrestirung des Darguner Klostergutes angethan, fordere er Buße, und was die Universität anbelange, so begehre er Auskunft darüber, "wie und wasgestalt ir zu unvorkurtzung unnd vorbehaltens darinn unser furstlichen habendenn gerechtigkeit zu vorfharenn bedacht." Am 9. October theilte der Rath den Sechzigern den Inhalt dieses Schreibens mit, indem er erklärte, er wolle sich darüber nicht allein, sondern mit ihnen und mit der ganzen Gemeinde berathen; "wenn einicheit were in der Stadt gewesen, were solches nicht geschein, und wurden mith der wise eigener, alße de buhr up dem dorpe." Die Sechziger antworteten, daß Kittel so lange hier behalten worden sei, habe der Rath zu verantworten, und die Arrestirung des Klostergutes sei nicht ihre Sache. Darauf erwiderte der Rath, er sähe es noch nicht für gut an, daß Kittel abgeschafft würde, sondern habe ihn nur des Friedens wegen verreisen lassen; es sei besser, daß das arrestirte Gut aus Stadtmitteln bezahlt werde, als daß man die Privilegien der Stadt kränken lasse; "dewile denne ein Radt keinen anderen trost bekamen kan, modt de Radt de gantze gemeine darumb thosamenforderen." 2 )

Am 11. October antwortete der Rath an Herzog Ulrich, 3 ) Kittels bisheriges Verbleiben in Rostock sei dadurch verursacht, daß derselbe, da der Herzog die verba formalia, durch die er sich beleidigt fühle, in sein Schreiben nicht aufgenommen, "vor dem sittenden Rath unnd umbstehendenn Borgerenn mith velenn wordenn ercleret, dath he keinem Burger edder Burenn nie sin leventlanck in ehre unnd gelimp mith sinem Redenn effte Predigenn, Gott loff, gegrepenn, vell weiniger dath he solches I. F. G. solde gedahnn hebbenn," daß er sich erboten habe, sich vor den Herzögen zu rechtfertigen und daß ihm von Herzog Johann Albrecht ein Verhör zugesagt worden sei; Abtrag oder andere Strafe sei der Rath deshalb ebenso wenig schuldig, wie Buße wegen des auf das Klostergut gelegten Arrestes, und was die Universität betreffe, so "willen wi nha geholdener besprake mit


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C. Vol. I.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 270-271.
3) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Eine andere Antwort auf das Schreiben von October 5., datirt von October 13, ebenda.
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unsern Borgern mitt I. F. G. Professorn up underhandelung des Concilii im Namen der hilligen drefalticheitt tho handeln unß undernhemen, mith der trostlickenn hopeninge, dadt Gott de Almechtige einmal sine gnade vorlenen werdt, darmith de saken ock tho godenn wegenn unnd mittel gerathen. Unnd dewile dann tho solckem lofflicken werck unsere angeholdene gesanten tho Gustrow deinstlich und hoch van noden, so bidden whi underthenig, I. F. G. willen desulven nicht lenger upholden unnd aldar up grotern unkosten liggen latenn, darmit de handell der Universitetten desto schluniger moge fohrgenamenn und gefordert werden."

Ebenfalls am 11. October schrieb Herzog Ulrich aus Dargun an die Sechziger und die ganze Gemeinde, 1 ) er habe in glaubwürdige Erfahrung gebracht, daß der Rath ihnen einbilden wolle, der von ihm verhängte Arrest bezwecke nicht die Abschaffung Kittels und die Wohlfahrt der Universität und der Kirchen, sondern die Unterdrückung der Jurisdiction und der Privilegien der Stadt; er wolle deren Privilegien und Freiheiten mit nichten schmälern, verlange aber, daß auch der Rath "unser gerechtigkeiten in dießen sachenn, sonderlich die Gottes Eere unnd der kirchenn unnd Universitet lobliche bestellung belangenn, mit nichten nemen, sonstenn werdenn wir unvorbeygenglich verursacht, den Ernst wider sie zu gebrauchenn."

Am 13. October war die Gemeinde versammelt. Der Rath berichtete ihr, "dath vergangen nacht were ingrepe geschein in der Stadt gudere," und daß man vermuthen müsse, die Stadtgüter sollten eingezogen werden; "dewile se nicht alle thosamen und vele nodige puncte van noden tho beradtschlagen, sal morgen de gantze Burgerschop thosamenkomen." Die Bürger begehrten eine andere Verwaltung der Stadtgüter, empfahlen bestimmte Maßregeln zu deren Schutze und baten, daß ihnen gestattet werde, durch eine Gesandtschaft bei den Fürsten Erkundigung darüber einziehen zu lassen, "worumb F. G. solche ungnade jegen de Stadt vorgenomen, up dath de ahne schaden mochte affgeschafft werden." 2 ) Am 14. October antwortete der Rath, die Abordnung einer Gesandtschaft könne er nicht für räthlich erachten. Die Bürgerschaft beharrte aber auf ihrer Ansicht; da man weitere Maßregeln befürchten müsse, "wen de handelung van der Universitet nicht vor sich ginge," so erachtete sie es für rathsam, "dath de Radt, ock de Borger, dartho huten desse Stunde ... erweledew, de de artikel mit den furstliken professoren under de handt nemen;" durch die


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 271. Schirrmacher 1, S. 426.
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Gesandtschaft sollte um eine Anordnung landesherrlicher Kommissarien nachgesucht werden. 1 ) Der Rath setzte darauf eine neue Versammlung auf den nächsten Tag an: "Den 15. dach Octobris de Borgere wedder thosamen geeschett, sindt nicht gekamenn; derwegen vorwiset beth up eine ander tidt." 2 )

Auf das Schreiben des Raths von October 11 antwortete Herzog Ulrich am 21. October, 3 ) er sei nicht gemeint, sich mit ihm in weitere Disputation einzulassen; über die verba formalia zu streiten, sei überflüssig, die realia, die er gegen ihn und Kittel anzuführen habe, seien die, daß Kittel die Prediger Judasbrüder gescholten und daß der Rath Heshusius und Eggerdes aus der Stadt habe weisen lassen; wenn der Rath ihm den gebührlichen Abtrag verweigere, so müsse er durch seinen Fiskal gegen ihn procediren lassen; daß der Rath die Arrestirung des Darguner Klostergutes vertheidigen wolle, könne ihn nicht genug verwundern, und wenn er den von ihm selbst angeordneten Arrest mit derselben in Beziehung bringen wolle, so lasse er sich darin Nichts vorschreiben, "ir werdett auch unßers verhoffens die negist kommende Jair umb eine gleicheit inn allenn dingenn mit unns nicht streiten, sondern unnß woll gutt sein lassenn, das wir ewere hern und ir unsere Underthanen seidt, und da ir gleich ein anders understehnn whurdet, whurde euch doch sollichs angehenn unnd einen bestandt habenn, alß wan sich der knecht uber seinen Heren oder demselben gleich zu setzen understehenn wolte;" wenn endlich der Rath sich wegen der Universität "ewer altenn gewonheitt nach zweiffelhafftich unnd dunckell erclerett, daß ir im namen der heiligen dreifaltigkeit solliche handtlung furnemen wellett, mussen wir also one ernennung einiger gewissen zeit im ungewissenn auf dießmal beruhen lassen;" die verstrickten Gesandten aber werde er nicht eher freigeben, bis "derselbige punct der Universitet halben der gepuer einsmhals von euch erledigt."

Der Empfang des Schreibens Herzog Johann Albrechts von September 30 wird die Ursache davon gewesen sein, daß Kittel Rostock zeitweilig verlassen hatte. Der Rath hatte ihm diesen Vorschlag gemacht, und von Kittels Anerbieten, die Stadt binnen 12 Tagen mit Frau und Kindern gänzlich zu verlassen, nichts wissen wollen; October 1 war er, curru senatus vectus, nach Greifswald gezogen und hatte bei Dr. Jakob Runge Aufnahme gefunden. 4 ) Auf seine


1) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 271. Schirrmacher 1, S. 429.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562.
3) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
4) Bacmeister Sp. 1596.
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Anzeige an den Rath, daß er am 10. November nach Rostock zurückzukehren gedenke, antwortete ihm dieser November 7 abrathend und mit dem Ersuchen, sich noch 14 Tage gedulden zu wollen. 1 ) Am 10. November aber traf Kittel dennoch in Rostock ein; der Rath ließ ihn durch Lucas Bacmeister ersuchen, sich auf 14 Tage nach Barth zurückzubegeben, Kittel aber antwortete, er habe seine schwangere Gattin nicht länger allein bleiben lassen können, wolle hier bleiben und, unschuldig wie er sei, alles Kommende Gott anheimgeben.

Eine längere Abwesenheit Kittels von Rostock hatte der Rath deshalb gewünscht, weil er hoffen durfte, in der Zwischenzeit die Streitsache wegen der Universität beilegen und dadurch Kittels Angelegenheit günstiger gestalten zu können. Da die Bürgerschaft am 15. October seiner Zusammenberufung keine Folge geleistet hatte, war er am 16. October mit den Professoren in Verhandlungen getreten 2 ) und hatte ihnen am 19. October einen Vergleichsentwurf überreichen lassen. 3 ) Am 21. October hatte er Kittel eine Abschrift dieses Entwurfs übersandt und ihn gebeten, sich noch eine Zeitlang zu gedulden und ohne sein Vorwissen nicht nach Rostock zu kommen; "wi vorsehen uns noch, Gott, dem Juwer Erwerden unschuldt, ok der gantzen Stadt, kundtbar, werdt Juwe Erwerden und uns bistahn und de sake entlich darhen wenden, dath der gerechte uth siner verleumbder andragent und vordruckinge erreddet und wedder upkamen werde." 4 ) In der That nahmen die Verhandlungen einen günstigen Verlauf: am 9. December konnte der Rath den Professoren versprechen, die vereinbarten Punkte zu besiegeln, sobald sie bei den Herzögen die Freigebung der Gesandten und des arrestirten Gutes, sowie auch die Aussöhnung mit Kittel bewirkt haben würden. 5 ) Vermuthlich an diesem Tage schrieb er "an unsere verstrickten gesandten tho Gustrow", 4 ) er habe den Bürgermeister Heinrich Goldenisse, den Syndikus Dr. Röseler und die Rathsherren Albrecht Dobbin und Franz Quant abgeordnet, um mit den fürstlichen Professoren wegen der Universität zu verhandeln, und diese seien bereit, das ihnen heute übergebene Concept eines Vertrages an Herzog Ulrich zu überbringen und ihn um die Freigebung der Gesandten und des arrestirten Gutes zu bitten.


1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
2) Rathsprotokoll von 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 271. Schirrmacher 1, S. 430.
3) Urkundliche Bestättigung S. 59. Schirrmacher 1, S. 430.
4) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
5) Urkundliche Bestättigung Nr.55: December 9. Schirrmacher 1, S. 431. Bacmeister Sp. 1600: December 17., wohl das Datum für Urkundliche Bestättigung Nr. 56.
4) Rathsarchiv, Missiven 1561-1562. Neue wöchentliche Rostockische Nachrichten 1838, S. 301.
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Der Vereinbarung gemäß reisten die Professoren David Chyträus, Johann Bouke und Johannes Bocerus zu Herzog Ulrich nach Güstrow, und die Gesandten wurden zeitweilig in Freiheit gesetzt; 1 ) da aber December 24 ein Schreiben des Herzogs Johann Albrecht in Güstrow eintraf, durch welches Herzog Ulrich um die Festhaltung der Gesandten bis zu seiner Ankunft ersucht wurde, so mußten sie von Neuem Einlager geloben, und nur der Syndikus Dr. Kommer wurde auf Bitten der Professoren freigegeben. 2 ) Ueber die Verhandlungen mit Herzog Ulrich wegen Kittels haben wir keine Nachricht; dahingegen wird uns berichtet, daß Herzog Johann Albrecht, zu dem Simon Pauli und Johannes Bocerus nach Schwerin reisten, auf deren Gesuch wegen Kittels sich nicht einließ. 3 ) Am 8. Januar 1563 wurden jedoch Bürgermeister Gerdes und Rathsherr Breide auf 14 Tage freigelassen, und am 3. Februar erklärten die Herzöge, 4 ) wenn Kittel entlassen sein und Rostock verlassen haben würde, so wären sie wegen der drei angehaltenen Rathspersonen und wegen des arrestirten Bürgergutes sich "alsodan ferner gebührlich in Gnaden zu erkleren geneigt" und wollten auch Kittel "auf sein Ansuchen einen ordentlichen Verhörtagk ansezen und ihm dasjenige, dazu er in Ausfund seiner berühmten Unschuld im Recht befugt, nicht weigern noch abschneiden."

Die Nichterfüllung der von ihm gemachten Vorbedingungen wird den Rath veranlaßt haben, mit der Ratifikation des Vertragsentwurfes hinzuhalten. Die Herzöge verlangten deshalb die Rückkehr des Bürgermeister Gerdes und des Rathsherrn Breide nach Güstrow; durch die Vermittelung der herzoglichen Professoren erlangten sie aber am 23. März ihre Entlassung, nachdem sie ihr Versprechen, auf Begehren zurückkehren zu wollen, durch die Bürgschaft von sechs Güstrowschen Bürgern hatten bekräftigen lassen müssen. 5 ) Gleichzeitig (März 23) aber forderten die Herzöge unter Androhung weiterer Maßregeln den Rath und die Bürgerschaft auf, die Universitätsangelegenheit binnen vierzehn Tagen zu erledigen. 6 )

Am Ostersonntage (April 11) traf ein Befehl der Herzöge ein, daß die Professoren den neuen Rektor aus der Zahl der herzoglichen


1) Bacmeister Sp. 1600: Gustrovium ... profecti sunt, ut peterent dimissionem legatorum captivorum, quam et impetrarunt. Sp. 1601: Impetraverant enim legati dimissionem a principe ad aliquod tempus, antequam ipse (Boukius) cum comitibus suis advenisset, quod ipsi molestum fuit.
2) Daselbst Sp. 1600-1601.
3) Daselbst Sp. 1601.
4) Urkundliche Bestättigung Nr. 57. Schirrmacher 1, S. 431.
5) Bacmeister Sp. 1617.
6) Urkundliche Bestättigung S. 60. Krabbe S. 577. Schirrmacher 1, S. 439.
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Professoren, und daß, falls dies nicht geschehe, die herzoglichen Professoren einen andern Rektor aus ihrer Mitte erwählen sollten. Simon Pauli und Johannes Bocerus überbrachten diesen Befehl dem Rektor Laurentius Kirchhof; der Rektor benachrichtigte den Rath, der Rath die Bürgerschaft, und das Concilium beschloß in Gegenwart von Abgeordneten beider Körperschaften, keine Neuwahl vorzunehmen, bevor nicht der Ausgleich vollzogen worden sei; der Rath aber versprach, die Bürgerschaft in der nächsten Woche in dieser Angelegenheit zusammenzuberufen. 1 )

Am 27. April erschienen außer den Sechzigern nur wenige Bürger, und es konnte nichts in der Universitätssache gethan werden. Zum 29. April wurde deshalb die Bürgerschaft bei ihrem Bürgereide und bei Androhung von Strafe zusammenberufen; als ihr aber der Rath anderweitige Forderungen abschlug, weigerte sie sich, wegen der Universität mit ihm zu verhandeln und forderte ihm die Schlüssel der Stadt ab. Am folgenden Tage, April 30, beschloß die Bürgerschaft, einen Vierundzwanziger=Ausschuß zu ernennen, der mit dem Rath zusammen der Stadt vorstehen sollte, die Ausführung des Beschlusses wurde aber durch die Gemäßigteren bis Mai 4. aufgeschoben. 2 ) Am 3. Mai wandten sich die Sechziger mit der gesammten Gemeinde durch Vermittelung der Professoren an die Herzöge, indem sie versicherten, die Verzögerung sei nicht von ihnen, sondern von dem Rathe verschuldet, und die Herzöge gewährten daraufhin nochmals eine Frist bis zum 12. Mai. 3 )

Am folgenden Tage, Mai 4, verhandelte die Bürgerschaft fruchtlos mit dem Rath über ihre früheren Forderungen; als sie nach dem Schlusse der Verhandlungen dem Syndikus Dr. Röseler Einlager ankündigte, erklärte ihr dieser, er stehe unter akademischer Gerichtsbarkeit, und kümmerte sich nicht um den Befehl. Am 5. Mai beschloß die Bürgerschaft aufs Neue die Einsetzung eines Vierundzwanziger=Ausschusses und verlangte vom Rath, daß er ihr einen neuen Bürgerbrief bestätige; der Rath forderte Mai 6 eine vierzehntägige Bedenkzeit, die Bürgerschaft gab ihm aber nur eine Frist bis zum 10. Mai. 4 ) Nach Ablauf derselben forderte die Bürgerschaft (Mai 10) die Anerkennung ihres Rechtes, Einlager über die Mitglieder des Raths zu verhängen, und als der Rath diese verweigerte, schlossen ihn die Bürger in der Schreiberei ein. 5 )


1) Bacmeister Sp. 1622.
2) Das. Sp. 1625-1628.
3) Ungnaden S. 1051. Schirrmacher S. 439-440 ohne Datum.
4) Bacmeister Sp. 1629-1632. Ungnaden S. 1052. Schirrmacher 1, S. 438.
5) Bacmeister Sp. 1629-1632. Ungnaden S. 1052. Schirrmacher 1, S. 438-439.
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Am folgenden Tage, Mai 11, baten die Sechziger zwei Gesandte des Raths zu Wismar, die Mai 9 nach Rostock gekommen waren, zu sich in die Marienkirche; um 11 Uhr wurden, nachdem der Rath hereingeführt worden und die fürstlichen Professoren erschienen waren, die wegen der Universität vereinbarten Artikel, die Formula Concordiae 1 ), von allen Seiten bestätigt, und die Professoren wurden sowohl vom Rath wie von der Bürgerschaft gebeten, sich wegen der arrestirten Güter, wegen der Gesandten und wegen Kittels bei den Herzögen zu verwenden; dann aber wurde der Rath wieder in die Schreiberei geführt und erst Nachmittags zwischen 5 und 6 Uhr in Freiheit gesetzt, 2 ) nachdem er in die von der Bürgerschaft verlangte Anerkennung ihres Rechtes zur Verhängung eines Hausarrestes, jedoch unter dem Vorbehalt seiner Zustimmung in jedem einzelnen Falle, hatte willigen müssen. 3 )

Vorher - wir wissen nicht wann - hatte Kittel auf Anrathen seiner Freunde die Gemahlin Herzog Ulrichs, Elisabeth von Dänemark, um ihre Vermittelung gebeten; sie hatte aber geantwortet, bei dem heftigen Unwillen ihres Gemahls über ihn vermöge sie Nichts in seiner Sache zu thun. 4 ) Jetzt, nach Bestätigung der Formula Concordiae, begab sich David Chyträus, da Herzog Ulrich nach Holstein zum König von Dänemark gereist war, zu Herzog Johann Albrecht, und dieser gestattete es, daß Kittel sich in Rostock aufhalten dürfe. 5 ) Kittel war damals gerade von Rostock abwesend und hielt sich einige Wochen in Berlin auf. Während dessen traf in Rostock ein Urtheil des Reichskammergerichts ein, daß die Herzöge mit Recht wegen Kittels Betheiligung an dem Lüneburger Theologen=Convent ihn aus der Stadt gewiesen und wegen des Ungehorsams des Raths die Güter arrestirt und die Gesandten verstrickt hätten. 6 ) Inzwischen wird aber Kitttel bereits eine anderweitige Stellung angenommen haben, denn als er nun auf Befehl des Königs von Dänemark durch dessen Hofprediger Mag. Paulus Noviomagus an die Universität zu Kopenhagen berufen wurde, lehnte er diesen Ruf ab. 7 )

Am 21. Mai hatte der Rath auf die Drohung der Sechziger hin, daß sie widrigenfalls die gemeine Bürgerschaft aufs Neue


1) Urkundliche Bestättigung Nr. 58.
2) Ungnaden S. 1052: "biß auf den Abend." Vergl. Schirrmacher 1, S. 439 Anm. 3.
3) Bacmeister Sp. 1639-1646. Schirrmacher 1, S. 440.
4) Bacmeister Sp. 1621.
5) Das. Sp. 1645, 1646.
6) Das. Sp. 1647, 1648.
7) Das. Sp. 1649, 1650.
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berufen müßten, die Bestätigung des neuen Bürgerbriefes wegen der Verhängung eines Hausarrestes etc. . annehmen müssen. 1 ) Am 28. Mai drangen die herzoglichen Professoren auf die Ausführung der Formula Concordiae; der Rath und die Bürgerschaft verlangten aber, daß ihnen vorher die arrestirten Güter und die Urkunden, welche Bürgermeister Gerdes, Syndikus Dr. Kommer und Rathsherr Breide hatten ausstellen müssen, zurückgegeben würden, und die Professoren erwiderten, Herzog Ulrich weigere sich dies zu thun, bevor nicht die Formula Concordiae ausgeführt und die herzoglichen Professoren in das Concilium aufgenommen sein würden. Am folgenden Tage, Mai 29, einigte man sich nach langen Verhandlungen dahin, daß der Rath und die Bürgerschaft die Formula Concordiae vollziehen, die Professoren aber sich ihnen verpflichten sollten, die Urkunden von Herzog Ulrich zu erwirken und sie nach ihrer Reception in das Concilium dem Rathe auszuliefern. Am 31. Mai reisten daraufhin David Chyträus und Bartholomäus Clinge nach Güstrow und erhielten von Herzog Ulrich die verlangten Urkunden. 2 )

Am 3. Juni trat endlich die Formula Concordiae dadurch in Wirksamkeit, daß die acht herzoglichen Professoren in das Concilium, das vorher, da die Professur der Medicin vakant war, nur aus sieben räthlichen Professoren, Kittel eingerechnet, bestanden hatte, aufgenommen wurden. "Da aber Kittel fortzugehen gedachte und Herzog Ulrichs Gnade nicht erlangen konnte," so wurde Lukas Bacmeister von Rath und Bürgerschaft an seine Stelle gesetzt und mit den herzoglichen Professoren zugleich recipirt. Der nunmehr zum Rektor erwählte David Chyträus trat dieses Amt als erster herzoglicher Professor am 7. Juni an. 3 )

Im Kampf mit den Herzögen auf der einen, mit der Bürgerschaft auf der andern Seite, war der Rath erlegen. Die Herzöge hatten die Gleichberechtigung ihrer Professoren mit den räthlichen erlangt, hatten die Befolgung ihrer Befehle durchgesetzt und hatten den Rath gezwungen, wenn auch nicht ausdrücklich auf das Recht zur Ernennung eines Superintendenten zu verzichten, so doch zum zweiten Male die Person des von ihm ernannten Superintendenten fallen zu lassen.


1) Bacmeister Sp. 1647, 1648. Die Urkunde von 1563, Mai 6, Schirrmacher 2, Nr. 94 ist dieser von Schirrmacher 1, S. 438 Anm. 2 vermißte neue Bürgerbrief, nicht eine Bestätigung des alten.
2) Bacmeister Sp. 1651, 1652.
3) Daselbst Sp. 1651-1656. Hofmeister, Matrikel 2, S. 149. Schirrmacher 1, S. 441.
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Am 10. Juni ersuchte der Rath Herzog Ulrich um sicheres Geleit für Dr. Kittel, seine Familie und sein Gesinde, "weill D. Johann Kittell von Rostoch in andere furstenthumb furderlichst seiner gelegenheit sich uffzumachen und mit weib und kindern anderswo sich wieder heuslich niederzusetzen gentzlich entschlossen." 1 ) Darauf antwortete Herzog Ulrich, 2 ) ein Geleitsbrief sei unnöthig, da Niemand von den Seinen Dr. Kittel schädigen werde.

Vignette

1) Rathsarchiv, Ecclesiastica II C Vol. I.
2) Daselbst; datirt von Juni 9.