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VIII.

Aus der Jugend des Schauspieldirectors
Conrad Ernst Ackermann.

Von

Archivrath Dr. Grotefend.

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E s ist eine fable convenue, daß Ackermann, der als Charakterdarsteller wie als Bühnenleiter gleich bekannte Gatte der Mutter Friedrich Ludwig Schröder's, ebenso wie letzterer in Schwerin geboren sei. Diese Thatsache des gleichen Geburtsortes der beiden stand von jeher so fest, daß sogar Ludwig Brunier auf ihr seine schwungvolle Einleitung zum Schröderschen Lebensbilde gründete, die in dem Gedanken ihren Ausgangspunkt sucht, daß der Ort, an dem die Wiege großer und bedeutender Männer gestanden, "niemals ein zufälliger", sondern ein "von der Vorsehung sinnbildlich und vorbedeutend ausgewählter" sei.

Ein gelegentlicher Fund in dem ältesten Kirchenbuche der Gemeinde Jabel, jetzt Alt=Jabel genannt, im Amte Dömitz, wirft dieses ganze Raisonnement über den Haufen, soweit es sich auf die Gleichheit des Geburtsortes der beiden Schauspielheroen bezieht, denn wir lernen daraus, daß Conrad Ernst Ackermann zu Jabel am 4. Februar 1712 in den Schooß der christlichen Kirche auf genommen wurde. Das Geburtsdatum läßt sich nach der Anlage der älteren Kirchenbücher, die nur das Taufdatum enthalten, nicht feststellen, wird aber nach damaligem Gebrauche nur wenige Tage vor dem Taufdatum fallen.

Ackermanns Vater, Jochim Heinrich, war bei der Geburt des Sohnes Landmann, nämlich Pächter, oder, wie sie schon damals genannt wurden, Pensionarius eines den Herren von Pentz vom Herzog Friedrich Wilhelm abgekauften Antheils von Redefin,

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einschließlich des benachbarten, später in Redefin aufgegangenen Hofes Altena. Ursprünglich aber war er gelernter Forstmann, und kommt als Holzförster noch 1699 bei Gelegenheit des Ankaufs des Redefiner Antheils vor. Schon 1701 aber hatte er die Pachtung bereits angetreten, ohne jedoch die Forsterei aufzugeben. Noch 1704 wenigstens wird er als Holzförster aufgeführt. Nach dem Beichtkinderverzeichniß vom Sommer 1704 war damals er 30 Jahre, seine Frau 26 Jahre alt. Er wird daher wohl kaum vor dem Jahre 1698 geheirathet haben, also im Alter von 24 Jahren eine Zwanzigjährige. Das muthmaßlich erste Kind dieser Ehe wurde am 29. Juli 1699 getauft, ein Sohn Jacob Heinrich Dietrich. Eine im Jahre 1700 geborene Tochter starb nach wenig Wochen. Drei Töchter Abel Catharina (geb. 1701), Charlotte (geb. 1703) und Anna Catharina (geb. 1704) entschädigten die durch den Verlust betrübten Eltern. Einem im Jahre 1706 todt geborenen Kinde folgte im Jahre 1707 ein zweiter Sohn Georg Gabriel Otto, der, am 3. Dec. getauft, seiner Mutter das Leben kostete. Sie ward am 22. Dec. 1707 beerdigt. Ihren Namen meldet das Kirchenbuch nicht. ihre Herkunft ist uns aber durch ein anderes Actenstück aufbewahrt Jacob Lefers, herzoglicher Forstmeister zu Zarrentin, verwendet sich darin für seinen Schwiegersohn Ackermann, der mit Hülfe seiner Bürgschaft die Höfe in Redefin und Altena gepachtet hatte, 1701 beim Herzog, um den Verkäufer des Redefiner Hofes, Herrn von Pentz, zur richtigen Leistung des im Kaufcontract Zugesagten zu bewegen. Aus Kirchenbuchs=Einzeichnungen als Taufpathen erfahren wir, daß die Mutter Ackermann's (die alte Ackermann'sche) 1705 bei ihm lebte, wie auch ein vermuthlich jüngerer Bruder Hermann, der im Jahre 1706 zweimal, das zweite Mal als Monsieur erwähnt wird. Diese Bezeichnung wurde nach dem damaligen Sprachgebrauch jungen, unverheiratheten Männern der wohlhabenderen Stände beigelegt.

Ueber die sonstigen Lebensumstände des Vaters Ackermann läßt sich nicht viel beibringen. Seine Wirthschaft war zuerst nur klein, 1704 besorgt er sie noch mit Hülfe eines Knechts, eines Jungen und zweier Mägde. Später konnte er auch Neu=Krenzlin, das der Herzog gleichfalls von den von Pentz gekauft hatte, hinzupachten.

Während die Taufpaten seines ersten Kindes der Müller zu Redefin und dessen Frau, sowie der Küster waren, sind die Taufpathen der nächsten Kinder aus der Zahl der umwohnenden Pastoren, Pensionarien, dann sogar der adligen Gutsbesitzer gewählt. Er war also nach und nach in die Gegend seiner Thätigkeit hinein=

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gewachsen. Im Jahre 1710 meldet das Kirchenbuch die Geburt einer spuria, als deren Vater er sich bekannte, und bald darauf seine Verheirathung mit Frau Sophia Metta Theloni, vermuthlich der ungenannten Mutter jenes Kindes.

Dieser Ehe entsproß nun unser Conrad Ernst. Seine Taufpathen waren "der Herr Cantor von Stapel, Herr Kruße Pensionarius zum Suderhoff, Herrn Stammers Pensionarii zu Golnitz filia". Die Geburt dieses Kindes war das letzte Familienereigniß, von dem das Kirchenbuch meldet. Schon am 1. Mai 1712 mußte Jochim Hinrich Ackermann seine Pachtung räumen, da die Höfe zur Stuterei geschlagen wurden. Neu=Krenzlin war nach Ablauf der dreijährigen Pachtzeit Ackermanns 1709 anderweitig verpachtet worden, so daß ihn nichts mehr an die Scholle fesselte.

Anscheinend hat er sich zuerst nach Zahrenstorf bei Boizenburg gewendet, wo ein für einen herzoglichen Haidereuter früher gebautes Haus 1712 und 1713 von einem Ackermann bewohnt wurde. Dann ist er nach Boizenburg gezogen, von wo er am 7. März 1715 meldete, daß er zu dem ihm angesetzten Termine in Rostock nicht erscheinen könne, da eines seiner Kinder gestorben sei. Leider enthält das ältere Boizenburger Kirchenbuch keine Eintragungen Gestorbener oder Begrabener, so daß wir nicht wissen, welches der Kinder er verloren hatte und ob er etwa selber dort verstorben ist.

Vielleicht bringt ein weiterer Zufall mehr an den Tag.

Nachfolgende Episode, die wir nicht anders können, als auf den späteren Schauspieler Conrad Ernst Ackermann beziehen, möge hier noch Platz finden. Das cholerische Temperament Ackermanns ist ebenso bekannt, wie es seine Rodomontaden mit Bezug auf seine russische Kriegsthätigkeit und seine Stärke sind. Beides aber finden wir in dem actenmäßigen Falle bestätigt.

Ein kaiserlich russischer Lieutenant Conrad Ackermann, der sich in Wismar aufhielt, berichtet über einen Streit, den er im Wirthshause von Peter Leusmann hatte. Ein Thurmdecker Eck, mit dem Ackermann "eine gewisse Aventure im Neuen Hause" gehabt hatte, hätte kaum mit ihm Händel angefangen, als sich ein herzoglicher Kammerlakai Schäffer, ein Begleiter des Eck, hereingemischt habe, "fing an zu calumniiren, injuriiren, und hieß dem Wirthe, mich als eine Canaille aus der Thür zu schmeißen, weil ich ein Hundsfott und Canaille wäre. Als ich hierauf wegen dem mit Eck gehabten Rencontre hinausging und mir das Blut im Gesichte abgewaschen, und bei Hereintretung mich vorm Tische stellte, sagend gegen Schäffer, der unterthänigste Respect gegen S. Hf. Durchlaucht hielte mich nur zurück, sondten würde ich ihm auf seine herbe, wider mich aus=

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gestoßene Jnjurien eine wohlverdiente Antwort geben, antwortete Schäffer hierauf, ich wäre eine Canaille und Pasquillant, hätte auch keine Ehre zu sprechen, griff mich in Gegenwart Advocat Crollen, Kahl Herrn Lieutenant Bartels, den Stallmeister Herrn Francken, Herrn Cammerrath Paulsen Sohn, welche alle ihre Freude hierüber bezeugten, an, schlug mir ins Angesicht und warf mich zu Boden; nachdem ich mich nun hülflos sahe und die Unterlage von Schäffer leiden mußte, und des Schlagens und Jnjuriirens kein Ende hatte, der Wirth selbsten auch wieder meinen agressorem mich nicht schützen wollte, vielmehr sich herausließ, als wollte er mich zur Stube herausschmeißen, so mußte ich nur bei Zeiten die Thüre suchen und davon gehen.

Wenn nun E. Hf. Durchl. ex hac specie facti klärlich sehen werden, wie Schäffer meine Ehre angegriffen mit diesen schimpflichen Anzeigen: Wer mich zum Lieutenant gemacht? Er - (salva venia) auf solchen Lieutenant!

Nun heißt es im Rechten:

Vita et fama pari passu ambulant. Wenn nun Jhre russisch=kaiserliche Majestät mir diesen Charakter wegen meine getreuen Dienste (welches ich mit einem Testimonio zu bescheinigen mich offerire) allergnedigst beigelegt, dieser mein Charakter schimpflich angegriffen, in specie aber Jhre kaiserliche Majestät consequenter angegriffen, dessen hohe Autorität geschmälert und ein crimen laesae Majestatis begangen wordene mithin mich unverdienter Weise als einen Pasquillanten tractiret und mir einen gar großen Schaden an meiner Kleidung und Wäsche, so er, Schäffer, in der Bosheit zerrissen, zugefüget," bittet Supplicant um Bestrafung des Schäffer wegen des crimen laesae majestatis und um Schadenersatz für die Kleidung, sowie "wegen der mir falsch beschuldigten Anschlagung der neulich geschehenen Pasquillen" um Anwendung der Strafe, die "ein Pasquillant werth ist" auf Schäffer "et quidem ex jure retorsionis, welches ich mich zwar selbsten nicht de facto anmaßen, vielmehr fußfällig ausbitten will."

Herzog Carl Leopold, der damals in Wismar sich aufhielt, und an welchen die Bitte gerichtet war, verfügte die Vernehmlassung Schäffers über die Angelegenheit, verlangte aber gleichzeitig von Ackermann den Nachweis, daß er in fremden Militairdiensten als Officier wirklich stehe. Inzwischen lief beim Herzog auch eine Species facti ein von Seiten eines alten Cornets des Herzogs Carl Leopold, Nicolaus Jürgs, der mit Lieutenant Kreitlau Zeuge des Vorfalls gewesen war, und selber eingegriffen hatte.

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Nach dieser, wohl glaubwürdigeren Darstellung hatte der Streit mit dem Thurmdecker in einer schweren Beleidigung desselben durch Ackermann seinen Ursprung. Eck unterliegt und Ackermann will ihn gerade mit den Füßen bearbeiten, als Lieutenant Kreitlen ihn zurückriß und von weiteren Mißhandlungen des Daliegenden abhielt.

Der Streit und die Balgerei ging aber fort, und als die beiden Officiere Nachmittags wieder kamen, um ihre Pfeife Tabak dort zu rauchen, brach Ackermann während einer Gefechtspause in die Worte aus: Hätte er nur drei von denen bei sich, so er haben wolle, so sollten allesammt, so in die Stube wären, an ihrem Leben verzogen. Auf diese Rodomontade fragte Jürgs, wie man das verstehen sollte "und gab," wie er weiter erzählte, "dem Ackermann auf seine wiederholte ausverschämte Prahlereien einige Maulschellen. Bei dieser Begebenheit gedachte Schäffer: das heißt: fange mit alten Officieren an! welchem der Ackermann sogleich die Antwort mit Ungestüm ertheilte: Jung, halte dein Maul! worauf sich Schäffer entrüstet, sagend: Was, bin ich ein Jung, fährt also nun auch auf selben (Ackermann) los, giebt ihm einige Streiche mit der Faust und wirft ihn zur Erde. Hiermit war die Tragödie zu Ende, und wurde Ackermann, ich weiß nicht von wem, hinweg geführt."

Aus diesem Bericht ersehen wir, daß Ackermanns Darstellung eine im hohen Grade schonfärberische war, daß er durch seine leeren Prahlereien und Streitsucht die ihm widerfahrenen Thätlichkeiten sich selber zugezogen hatte, und auch nach damaligen Begriffen nicht als Ehrenmann oder honnête homme gehandelt hatte. Als Schäffcr ihm dies auf offenem Markte nach kurzer Frist vorhielt, supplicirte Ackermann wiederum gegen ihn beim Herzoge, aber wir werden es ohne Zweifel nur als gerecht empfinden, wenn ihm, wie es der Fall war, gar keine Antwort zu Theil wurde. Den Beweis der russischen Lieutenantswürde hat er aber niemals angetreten, also auch wohl anzutreten nicht vermocht.

Weshalb wir aber dieses alles hier so ausführlich erzählt haben? Einfach deshalb, weil die Renommisterei Ackermanns mit seinen Kriegsthaten unter den Augen des Feldmarschalls Münnich, die Prahlereien mit seiner persönlichen Tapferkeit und Stärke ein Lieblingsthema des späteren Schauspieldirectors waren, und weil wir - die unbezweifelbare Identität der beiden vorausgesetzt - hier einmal eine actenmäßige Probe davon geben können, daß diese Ruhmredigkeit wenig oder gar keinen thatsächlichen Hintergrund hatte.

 

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