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2. Moorfund von Groß=Dratow.
(Katalog=Nummer des Großh. Antiquariums B 245 - 258).

Die Peene fließt nach ihrem Ursprunge zwischen Kargow und Charlottenhof (bei Waren) durch mehrere sumpfige Wiesenthäler, welche auf beiden Seiten von Höhen begrenzt sind. Eine größere Fläche zieht sich von der "Wassermühle" bis zum Kl.=Plaster See hin, der als ihre Fortsetzung aufzufassen ist. Der südliche Theil davon gehört zu dem Gute Gr.=Dratow und wird zur Zeit zwecks Moorkultur drainiert; hierbei sind im Sommer 1888 die zu besprechenden Funde gemacht. Einer freundlichen Einladung des Herrn Gutsbesitzers E. Lemcke folgend, hat Verfasser im Oktober d. J. die Fundstätte in Augenschein genommen; die gefundenen Gegenstände selbst hat Herr Lemcke in dankenswerthester Weise dem Großherzoglichen Museum überwiesen.

Unter der Wiesenoberfläche steht Torf an, im allgemeinen 1,5 Meter tief, den Grund bildet sog. "Schindel" nirgends Sand. Der Schindel erhebt sich an mehreren Stellen zu inselartigen Erhöhungen bis unmittelbar unter den Wiesenboden. Eine solche Erhöhung befindet sich auch ziemlich in der Mitte der Wiese, ungefähr 8 Meter lang und 1 bis 2 Meter breit. Am Rande dieser

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Insel stieß man auf eine Steinpackung, kunstlos aus vier Seitenplatten und einer Deckplatte zusammengeschichtet, in welcher die Bronzen eng zusammengepackt lagen. Weiter hat sich nichts gefunden, obgleich zur Untersuchung Gräben an den Rändern der Insel entlang gezogen sind.

Die Gegenstände haben alle eine braune, bröckliche Oberfläche und sind meist verbogen oder zerbrochen, ohne Zweifel in diesem Zustande an ihrer Fundstelle geborgen.

Wir zählen sie im folgenden einzeln auf:

1) Fünf kleine Sicheln, von denen eine verbogen (abgebildet Tafel II. Fig. 5). Die Länge schwankt zwischen 8 und 12 cm. Die untere Seite ist, wie immer bei diesen Sicheln, ganz flach, der obere Rand erhöht, darunter ein oder zwei flache Rillen; am Griffende ein Dorn. Die Rückenkrümmung ist verschieden, einmal ganz flach, einmal fast Kreissegment. Wichtig ist die Krümmung der Spitze, die bei unseren Exemplaren immer nach oben gerichtet ist. (Den Unterschied zwischen den Exemplaren mit nach oben und mit nach unten gerichteter Spitze s. z. B. Mestorf, Vorgeschichtliche Alterthümer aus Schleswig=Holstein, Fig. 239 und 240. 1 ) Ich halte diese Form ganz wie bei den Messern für eine jüngere, vielleicht fremde und verweise auf die Ausführungen über das Messer von Vietlübbe, Jahrb. 51, S. 17; sie ist bei uns nicht häufig. Wir hatten sie bisher nur von drei Fundstellen, den Gräbern jüngster Bronzezeit von Sukow (s. Jahrb. 13, S. 367. 51, S. 17) einem jüngst in das Großherzogl. Museum übergegangenen Moorfunde aus der Lewitz und dem bekannten Gießerfunde von Ruthen, auf dessen Zusammenhang mit unserem Funde noch einzugehen sein wird. In Ruthen sind auch Exemplare mit Krümmung nach unten gefunden. Solche Stücke sind außerdem noch von sieben konstatirten Fundstellen (und in 6 Exemplaren unbekannten Fundorts) vorhanden, darunter der schöne Depotfund von Wieck, aber kein einziges stammt aus unseren großen Bronzegräbern, auf deren Inventar wir unsere Auffassung von der Blüthe der Bronzezeit basiren müssen. Diese Exemplare sind, wie die älteren Bronzen überhaupt, durchgängig größer und sorgsamer gearbeitet (s. Jahrb. 47, S. 294).

2) Eine Plattenfibel (abgebildet Tafel II, Fig. 6 und 7) beschädigt, wie auch die unten zu besprechende. Es sind zwei Nadeln dabei gefunden, doch läßt sich, zumal die Patina nicht gleich ist,


1) Ich wähle unter den verschiedenen Nachschlagewerken dieses, weil es die Typen einer uns archäologisch sehr nahestehenden Nachbarprovinz in mustergültiger Auswahl enthält.
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die Zugehörigkeit der Nadeln zu dem Rumpfe nicht mit Bestimmtheit behaupten. Die Scheiben unseres Exemplars sind mit dem Bügel zusammen gegossen, sie sind flach gewölbt, mit kleinen Buckeln, die, wie ihr Fehlen auf der Unterseite zeigt, mitgegossen sind, verziert und haben 5 und 5,5 cm Durchmesser; der Bügel halbrund, innen hohl ist 1 cm breit und seine Fuß=Enden 3,5 cm von einander entfernt.

Die eine der eben erwähnten Nadeln hat ein leierförmiges Ende mit umgebogener Spiral=Endung; ihre Länge (ohne das Ende) ist 6 cm.

In unserer Sammlung sind nur zwei entsprechende Exemplare, ein Prachtstück unbekannten Fundorts, welches auch eine Nadel mit leierförmigem Ende hat und an einer Stelle reparirt ist und ein ebenfalls zerbrochenes und reparirtes Exemplar in Ruthen.

3) Die Reste einer Plattenfibel (abgebildet Tafel II, Fig. 8). Die Scheibe ist platt gewölbt, hat etwas erhabene Ränder und einen kleinen Buckel, sie scheint nicht gegossen, sondern getrieben zu sein; Durchmesser 7,5 cm. Der Bügel ist oval, innen hohl, und mit erhabenem Rücken, 2 cm breit, die Fußenden 4 cm von einander.

Interessant ist, daß eine Scheibe auf der Unterseite einen Lappen mit eingezahnten Rändern hat, der nicht wie sehr oft sonst (s. darüber und zum Vergleich mit dem folgenden die gründliche Arbeit von Olshausen über die Technik alter Bronzen in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft, 1885, bes. S. 424 und 426) Reparatur ist, sondern zum Halten der Scheibe dient. Ich glaube, daß Bügel und Scheibe gesondert hergestellt sind, die Scheibe mit einem Loch; in dieses wurde der Bügel hineingesteckt, dann auf der Unterseite breit gehämmert und zur Befestigung der dreieckige Lappen darauf gelegt; die Auszahnung wurde dann zur besseren Befestigung des Metalls auf seiner Grundfläche vorgenommen.

Auch diese Form der Plattenfibel ist in Meklenburg selten; wir haben nur das eine schöne Exemplar von Hohen=Pritz. Ueber ihr sonstiges Vorkommen s. Undset, Etudes sur l'age de bronze de la Hongrie (fibules lunetti-formes) S. 96 flgd. mit zahlreichen Abbildungen und Montelius, Om tidsbestämning inom bronsåldern S. 70 (sein Typus G und H seiner vierten und fünften Periode) und Fig. 98, 126 - 129, auch Mestorf a. a. O. Fig. 344 aus einem Depotfunde von Nottmark, der durch Fundverhältnisse, Vorkommen von Pferdeschmuck (phalerae), Klapperblechen, Hohlcelten u. s. w. sich als zeitlich zusammengehörig mit unseren von Ruthen und Gr.=Dratow ausweist.

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Die Nadel (abgebildet Tafel II, Fig. 9) hat oben eine kleine Platte von 1,25 cm Durchmesser und schwebt in einem eben so großen Ringe.

4) Ein großer gedrehter Halsring mit umgebogenen Enden. Er ist von seinem Niederlegen verbogen, daher der Durchmesser nicht genau zu bestimmen; er wird ungefähr 24 resp. 20 cm betragen haben. Er ist aus vierkantigem, 3 mm breitem Drahte gedreht, nicht gegossen; die Riefeln sind flach, gleichlaufend, ungefähr 4 mm breit. Die Enden sind breit gehämmert und zu einer Oese von 1 cm Durchmesser nach außen umgebogen. - Geriefelte Halsringe mit umgebogenen Oesen haben wir nur aus einem schönen Grabfunde mit vielen Ringen von Ludwigslust und einem Grabfunde von Grabow; doch sind auch die Ludwigsluster Exemplare dem unsern nicht gleich, sondern gegossen oder wenigstens stark nachgefeilt. Zahlreiche gleiche Ringe sind z. B. in dem unserem Funde nahestehenden von Nassenheide in Pommern vorhanden, s. Baltische Studien 1885, Tafel 4. Ueber glatte Ringe mit umgebogenen Enden, eine Charakterform unserer Moorfunde ist bei Gelegenheit der Funde von Pölitz und Vielist in den Jahrb. 48, S. 330 und 52, S. 5 (dazu Tafel I, Fig. 2) gesprochen. Ich halte aus unserem Gebiete die glatten Ringe im allgemeinen für jünger als die geriefelten. Wie weit ihr Erscheinungsgebiet ist, beweist ein interessanter Fund aus der Herzegowina (besprochen von M. Much in den Mittheilungen der K. K. Centralcommission XIV, Wien 1888. S. 7) auf den unten behufs zeitlicher Bestimmung noch eingegangen werden soll.

5) Zwei Enden spiralig aufgewickelter Draht. Das eine Exemplar ist aus zwei Drähten gebildet, die an einander gewickelt sind. Da die Enden abgebrochen sind, läßt sich über Befestigung und Bestimmung nichts bestimmtes sagen; man hat sie gewöhnlich als Haarschmuck aufgefaßt. Aehnliche sind in dem nicht weit entfernten Sophienhof gefunden und auch in Rülow bei Neubrandenburg (s. Jahrb. VI B, S. 108 und VIII B, S. 54) und von Lisch dem Osten Meklenburgs zugewiesen, eine Zuweisung, die durch unseren und den verwandten Vielister Fund (s. u.) ihre Bekräftigung findet. Im Süden sind sie allgemein, und man neigt dort aus guten Gründen dazu, sie als Brustschmuck aufzufassen. S. Groß, les Protohelvètes 23, 12 und 21 aus Schweizer Pfahlbauten und besonders Naue, Die Hügelgräber zwischen Ammer= und Staffelsee, Tafel 18, Fig. 9 und 10; ähnliche auch in Mykenai aus Gold, s. Schliemann, Mycenä, S. 226. Die Anwendung solcher Spiralscheiben zur Verzierung war sicherlich eine sehr weitgehende; so

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erscheinen sie zur Verzierung von Armringen in Ungarn bei Hampel, Alterthümer der Bronzezeit 38, 1 und sonst.

6) Ein Spiralcylinder, aus 0,5 cm starkem, innen glattem, außen halbrundem Drahte gewunden, von 5,25 cm Durchmesser und 5 1/4 Windungen. Die Enden sind leider abgebrochen. Das Stück gleicht fast ganz dem von Vielist, Jahrb. 52, Tafel I, 1 abgebildeten. Die Analogie dieses und anderer Stücke macht wahrscheinlich, daß die Enden spitz zuliefen, nicht wie bei verwandten Formen breit gehämmert waren (Grabfunde von Blücherhof, Klink, Moorfunde von Sophienhof und Moltzow, s. Mestorf a. a. O. 323) oder sich spiralig umbogen (auf unserem Gebiete nur ein Moorfund von Lübbersdorf).

Montelius bildet diese Spiralen nicht in seinem grundlegenden Werke ab, wohl weil er ihnen südlichen Ursprung zuschreibt, und in der That sind sie in Süddeutschland (s. die Nachweise in Tröltsch Fundstatistik, S. 73) und Ungarn (s. Hampel, Alterthümer der Bronzezeit in Ungarn 116, Fig. 12, zusammen mit Torques, kleinem Spiralcylinder, Sicheln, also ganz wie unser Fund) allgemein verbreitet, doch finden sie sich auch im Norden (s. Rygh, Ant. Norv., Fig. 127) und zwar wie bei uns, in fast allen Perioden der Bronzezeit, allerdings mit einem wesentlichen Unterschiede. Die Exemplare älterer Bronzezeit nämlich, welche der zweiten und auch dritten Periode von Montelius entspricht und bei uns durch Grabfunde repräsentirt ist, sind stärker und haben überwiegend einen dreikantigen Durchschnitt (Grabfunde von Blücherhof, Retzow, Sarmsdorf, Teterow), die aus jüngerer, Montelius Periode vier und fünf entsprechenden Zeit, sind schwächer, wenn auch oft größer und haben meist einen ovalen Durchschnitt (Depotfunde von Wendhof, Ventschow und Vielist, Moorfund von Meteln). In Gräbern sind dem unsern gleiche nur zweimal gefunden, in Hohenfelde und Lübberstorf bei Neukloster (Friderico=Francisceum, S. 66), im letzteren zusammen mit einer Sichel und einem Handringe jüngerer Form.

7) Ein kleiner Spiralcylinder, lockenartig, von 3 mm Durchmesser, ähnlich aber kleiner als der von Vielist, Jahrb. 52, Tafel I, Fig. 4 abgebildete. In Friedrichsruhe ist viel derartiger Bronzedraht aus einer Sehne aufgewickelt auf der Hirnschale aufliegend gefunden und damit seine Erklärung als Kopf= resp. Haarschmuck gesichert. Zu den bei Besprechung des Friedrichsruher Fundes, Jahrb. 47, S. 283, gegebenen Nachweisungen s. noch Mestorf a. a. O. 327 (aus Gold), für Dänemark Aarbøger 1871, S. 24 und für den Kaukasus Virchow, Koban S. 38, wo viele

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Analoga, besonders auch aus Kurland, wo sie auch oft auf dem Schädel aufsitzend gefunden sind, angeführt werden. Dort reicht dieser Gebrauch tief in die Eisenzeit hinein, bei uns ist er nur für die Bronzezeit, allerdings noch nicht für die ältesten Perioden nachgewiesen.

Auch solche Spiralröhrchen sind in den südlichen Bronzefunden häufig und z. Th. noch in Lagen gefunden, die ihre allerdings von der oben gegebenen Erklärung abweichende Bestimmung erkennen läßt. So bilden sie in einem Grabhügel der Oberpfalz die Verbindungsstücke einer Halskette aus herzförmigen Berloques (s. Scheidemantel, Hügelgräberfunde bei Parsberg, Tafel 3, Fig. 7). Ueber ihre weitere Verbreitung in Süddeutschland u. s. w. s. die ausführlichen Nachweise bei Naue a. a. O. Text S. 105, dazu Abbildung Tafel 18, Fig. 3 und 6. Sie gehören übrigens zu den ältesten Formen der Metallzeit, da sie schon in der Periode, wo allein Kupfer bearbeitet wurde, auftreten, so im Neuenburger See, s. Antiqua 1885, S. 110, Tafel und Much, die Kupferzeit in Europa an mehreren Stellen.

Auch in der italischen Bronzezeit sind sie häufig und gehören in eine durch den Pfahlbau von Peschiera am besten charakterisirte Periode reiner Bronzezeit (darüber s. P. Orsi, la necropoli italica di Vadena 1883, S. 41); noch weiterführen die Funde von Mykenat (s. Schliemann, Mycenä S. 226), wo sie von Gold und in Verbindung mit kleinen Spiralscheiben gleich unserer Nr. 5 erscheinen und als "Haarlockenhalter" aufgefaßt werden; s. auch Helbig, das homerische Epos S. 167.

8) Handringe mit verstärkten Enden (abgebildet Tafel II. Fig. 10), zwei ganze Exemplare und mehrere Reste; Durchmesser 5 - 6 cm. Höhe 1 cm. Die Form ist schon besprochen bei Gelegenheit des Urnenfelds von Reutershof bei Stavenhagen, Jahrb. 47, S. 292 und über Herkunft u. s. w. s. Jahrb. 51, S. 26 (auch Mestorf a. a. O. Fig. 321). Die dort aufgezählten Exemplare stammten alle aus Gräbern jüngster Bronzezeit, deren Inventar, wie a. a. O. ausgeführt fast keinen Zusammenhang mit denen der älteren Perioden hat. Daß die hier klaffende Lücke der Entwickelung z. Th. durch Moor= und Erdfunde ausgefüllt ist, ist auch schon oft betont; und wir haben in unserem Ringe einen interessanten Beleg dazu. Es ist nämlich nicht das erste Mal, daß diese Ringform sich in Mooren findet; wir haben ein Stück, leider Einzelfund von Brusow und eins aus dem "Gießerfunde" von Holzendorf (s. Jahrb. 34, S. 223); letzteres ist besonders interessant dadurch, daß es unfertig ist und die Herstellungsmethode verfolgen läßt: noch sitzt ein Theil des Guß=

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zapfens an der einen Seite, und die beiden Erhöhungen sind noch nicht gleichgemacht; es zeigt sich dabei, daß der Ring in einer geschlossenen Form gegossen war, dann in heißem Zustande an seiner dicksten Stelle durchgeschnitten wurde und die Erhöhungen dann durch Drücken oder Hämmern geformt wurden. Da der Holzendorfer wie alle unsere Gießerfunde manches fremdartige Material enthält, giebt dieses Verhältniß noch kein Recht, die besprochene Ringform unsern nordischen Charakterformen zuzurechnen;

ich glaube, daß gerade die Gießerfunde wandernden fremden Bronzetechnikern angehören und sich so ihr recht heterogener Bestand erklärt. Die ungefähre Gleichzeitigkeit unserer jüngsten Grabfunde mit den erwähnten Moorfunden ist durch das Auftreten dieses Ringes in beiden jedenfalls bewiesen.

9) Handringe mit halbrund abschließenden Enden, ein Exemplar vollständiq, mehrere Reste; ganz einfach, Durchmesser 5 und 6,5 cm, Höhe 0,75 cm. Ganz ähnlich ist das Jahrb. 52, Tafel I, Fig. 3 abgebildete Stück aus Vielist. Auch sonst erscheinen sie oft in Gesellschaft der einfachen Spiralcylinder, z. B. in Ventschow oder des Torques mit umgebogenen Enden, wie in dem Depotfunde von Tundsdahl bei Blankenese (Mestorf, Fig. 330), der alle Typen des Vielister Fundes enthält.

10) Eine flachgewölbte Zierscheibe getriebener Arbeit von 14 cm Durchmesser, ganz gleich den Jahrb. 52, Tafel II, Fig. 4 abgebildeten, S. 12 besprochenen, von Karbow. Ueber ihre Bedeutung, Verbreitung u. s. w. ist dort gesprochen, nur nachzutragen, daß der dort zitirte Schleswigsche Gießerfund auch eine Fibel des oben Nr. 2 erwähnten Typus enthält.

11) Ein formloses Stück Bronze, mit Spuren des Feuers, früher vielleicht einen Ring bildend, dann zusammengehämmert und theilweise geschmolzen.

Wir gehen von der Besprechung der einzelnen Stücke zu der Erklärung des Fundes als Ganzes über. Ausgeschlossen ist bei den geschilderten Lagerungsverhältnissen eine Auffassung als Grabfund. Aber auch einer Ansiedlung im Wasser (Pfahlbau) kann der Fund nicht angehören, da er ganz isolirt ist und keine Reste einer Besiedelung des Moores, die mit ihm in Verbindung gebracht werden könnten, gefunden sind. Thierknochen fanden sich hier und da im Moore, aber in ganz verschiedenen Lagen und Altersverhältnissen, Baumstämme auch, aber regellos und ohne nachweisbare Bearbeitung. Es bleibt also nur die Möglichkeit einer beabsichtigten Bergung zu irgend einem Zwecke. Daß der Fund die Selbstausstattung für ein künftiges Leben, wie man solche "Depotfunde"

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wohl aufgefaßt hat (s. bes. Sophus Müller, die nordische Bronzezeit, S. 105) oder Votivgaben darstelle, ist bei dem Zustande der Fundstücke und ihrer Zusammenstellung nicht anzunehmen. Demnach bleibt nur die Auffassung als "Gießerfund" übrig, d. h. als Vorrath eines Bronzegießers, der seine Sachen hier im Wasser geborgen und, sei es absichtlich oder unabsichtlich, verlassen hat. Dafür spricht auch der Umstand, daß ein geschmolzenes Stück Bronze dabei war und die Analogie anderer Funde, derer von Ruthen, Holzendorf und Karbow, über die bei Behandlung des letzteren Jahrb. 52, S. 14 gesprochen ist. Im allgemeinen s. darüber auch Kühne, Baltische Studien 33 (1883), S. 334 flgd., gegen dessen weite Ausdehnung des Begriffes "Gießerfund" und die daran geknüpften Folgerungen ich mich aber verwahre.

Unser Fund ist aber den erwähnten nicht nur der Bestimmung, sondern auch der Zeit nach gleich. In dem ungleich reicheren von Ruthen fanden sich dieselben Fibeln, Sicheln, Hals= und Armringe, in Holzendorf derselbe Handring, in Karbow dieselbe Zierscheibe. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß in der Periode der Bronzezeit, welcher dieses Inventar angehört, eine Bearbeitung der Bronzen im Lande stattgefunden hat. Rechnet man aber dazu, daß erstens solche Depotfunde mit ganz gleicher Ausstattung und unter gleichen lokalen Verhältnissen in unseren Nachbarländern Pommern (s. Kühne a. a. O.) und Schleswig=Holstein (s. Mestorf a. a. O. zahlreiche Funde) gemacht sind, daß zweitens diese Funde viele Stücke enthalten, die im Süden (s. oben Nachweise aus Ungarn, Baiern, Schweiz) so viel häufiger sind als bei uns, daß man berechtigt ist von einer südlichen Herkunft zu sprechen, so ergiebt sich, daß es wandernde Händler resp. Gießer waren, welche in dieser Zeit die Bronzen hier zu Lande bearbeiteten. Vielleicht weist das so auffallend häufige Vorkommen dieser Funde in Pommern darauf hin, daß die Straße dieser Händler der Oderweg gewesen ist. Ob weiterhin der Weg von der Heimath aller Kultur über die östlichen Donauländer oder Italien geführt hat, ist eine Streitfrage, die in der Gegenwart lebhaft diskutirt wird. Während Virchow für Italien spricht (s. zuletzt Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Ethnologie u. s. w. 1887, S. 541), entscheiden sich östreichische Forscher (so M. Hörnes, s. Mittheilungen der anthrop. Gesellschaft in Wien 18, n. F. 8, S. 58 der Sitzungsberichte) für die Annahme eines Weges durch die Balkanhalbinsel, ein bisher archäologisch unerforschtes Gebiet. In diesem Zusammenhang gewinnt ein oben erwähnter Fund von Grebin=Gradac in der Herzegowina erhöhte Bedeutung (publizirt von M. Much in den Mit=

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theilungen der K. K. Centrallcommission XIV, 1888, S. 7). Dort wurden in einer Höhle, wahrscheinlich als Depotfund, Torques, ein Hohlcelt, Spiralcylinder, also genau das Inventar unserer Depotfunde entdeckt, dabei eine Fibel, welche als Verzierung das triquetrum mit gebogenen Enden enthielt und sich damit direkt an unsere Hängebecken jüngerer Bronzezeit, wie Jahrb. 52, Tafel I, Fig. 6 (s. Text S. 9) anschließt. Ich begnüge mich, auf diese Verwandschaft nordischer und südosteuropäischer Bronzekultur in einer jüngeren Periode der ersteren hinzuweisen, betone aber dabei, daß die Frage nach der Herkunft unserer älteren nordischen Bronzen hiervon gar nicht berührt wird.

Die zeitliche Einordnung unseres Fundes in die Entwickelung der nordischen Bronzezeit folgt aus der Fibelform, dem einzigen Stück, welches als rein nordisch angesprochen werden darf. Es ist die fünfte Periode nach Montelius Zählung (Om tidsbestämning inom bronsåldern Pl. 5); eine Periode, die, wie oben erwähnt, bei uns mit der vierten fast ebenso gemischt erscheint (s. die im Jahrb. 52 besprochenen Funde), wie anderseits die zweite und dritte sich zusammenschließen. Montelius glaubt diese Periode chronologisch etwa in die Zeit von 750 bis 550 v. Chr. verlegen zu können.


Zu der Tafel.

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1) Messer von Blücherhof.
2) Messer von Blücherhof.
3) Fibel von Blücherhof.
4) Handring von Blücherhof.
5) Sichel von Groß=Dratow.
6) Plattenfibel von Groß=Dratow.
7) Nadel zu einer Plattenfibel von Groß=Dratow.
8) Plattenfibel von Groß=Dratow.
9) Nadel zu einer Plattenfibel von Groß=Dratow.
10) Handring von Groß=Dratow.

 

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