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II.

Das Amt der Zinngießer in Rostock.

Von

Professor Dr. Wilhelm Stieda

zu Rostock.


B ereits im dreizehnten Jahrhundert läßt sich in meklenburgischen Städten das Handwerk der Grapengießer nachweisen. Das Verzeichniß der Einkünfte der Wismarschen Kämmerei aus den Jahren 1274 - 1300 führt Kupferschmiede und Grapengießer (ollifices) auf, die von ihrer Verkaufsstätte jährlich 8 Schillinge zu entrichten hatten. 1 ) In Rostock wird im Jahre 1299 an Johann den Grapengießer (fusor ollarum) ein Erbe neben der Badstube zu St. Peter verkauft 2 ) und in Malchow wird im Jahre 1287 Tumarus, ein Grapengießer (fusor ollarum) als Zeuge bei einem Verkaufsgeschäft nahmhaft gemacht. 3 ) Gewerbetreibende, welche Zinn verarbeiten, stoßen in derselben Zeit nicht auf. Doch da gelegentlich - so z. B. im Jahre 1372 bei Aufzählung des Kriegsschadens, welchen Rostocker Raubfehder dem Kloster Doberan zugefügt haben 4 ) - auch zinnerne Töpfe (olla stanni) erwähnt werden, so wird es an Verfertigern derselben in Meklenburg kaum gefehlt haben.

Ob diese Grapengießer in der angegebenen Periode ein eigenes Amt bildeten, kann nicht mit Gewißheit behauptet werden. 5 ) Jedoch ist es wahrscheinlich, wenn man erwägt, daß sie schon um 1285 so zahlreich waren, daß in Rostock eine Straße nach ihnen


1) Meklenburgisches Urkundenbuch Bd. 2, Nr. 1264.
2) Mekl. Ub. Bd. 4, Nr. 2533.
3) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 1914.
4) Mekl. Ub. Bd. 5, Nr. 3520, S. 635.
5) Vergl. Nettelbladt, Histor.=Diplom. Abhandl. von dem Ursprunge der Stadt Rostock Gerechtsame, S. 147.
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benannt wurde (grapenghetere strate) 1 ) und sie im Jahre 1325 nach dem Rostocker Kämmereiregister von jeder Verkaufsstätte, die sie innehatten 2 ) - oder sind besondere Grapenhändler gemeint 3 ) - regelmäßig ein Jahreszins von acht Schillingen gefordert wurde.

Vom einem Amte der Kannen= und Grapengießer erfahren wir gelegentlich einer Vereinbarung der Seestädte Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund, Wismar, Greifswald und Stettin in den Jahren 1354 und 1361, welche die Metallmischung, aus welcher die Erzeugnisse genannter Handwerker hergestellt werden sollten, genau festzusetzen unternimmt. 4 ) Die ältesten uns erhaltenen Rollen stammen aus Hamburg vom Jahre 1375 (für Kannen= und Grapengießer zugleich) 5 ) und aus Wismar vom Jahre 1387 (gleichfalls für beide in einem Amte vereinigten Gewerbe). 6 ) Kannengießer werden im 14. Jahrhundert namhaft gemacht in Frankfurt a. M., Köln, Breslau und Nürnberg. 7 ) Dagegen scheint das Handwerk der Grapengießer eine Eigenthümlichkeit norddeutscher Städte zu sein.

Die Leistungen der letzteren bestanden in der Anfertigung von Kesseln, flachen Tiegeln und Grapen auf Füßen und mit Handgriffen versehen. Es scheint, daß solche Geräthe in keinem norddeutschen Haushalte fehlen durften. Man findet sie in den Küchen von Privatpersonen und den Klöstern. So ist 1284 in das Rostocker Stadtbuch ein Vertrag eingezeichnet, nach welchem die Stadt 2 »ollas« im Gewichte von 3 1/2 Schiffpfund übernahm. 8 ) Das Doberaner Kloster besaß im Jahre 1312 »unam magnam ollam« im Werthe von 24 Mark und »sex ollas mimutas«, zusammen im Werthe von 2 Mark 9 ) und in dem Vermächtniß einer gewissen Wobbe in Rostock an die Franziskaner daselbst sind »ollae majores et minores« namhaft gemacht. 10 ) Dietrich, der Pfarrer zu St. Peter in Rostock hinterläßt im Jahre 1345 seinem Nachfolger u. a. »1 ollam et unum caldarium auricalceum«. 11 ) Alle


1) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 1800.
2) Mekl. Ub. Bd. 7, Nr. 4608, S. 256.
3) Vergl. m. Aufsatz "Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe" in Hans. Geschichtsblätter, Jahrg. 1886.
4) Hanse=Recesse. I. Abtheil. Bd. 1, Nr. 188, 257.
5) Rüdiger, die ältesten Hamburgischen Zunftrollen S. 123.
6) Burmeister, Alterthümer des Wismarschen Stadtrechtes S. 52.
7) Vergl. m. Aufsatz in Hansische Geschichtsblätter, Jahrg. 1886.
8) Mekl. Ub. Bd. 10, Nr. 7199, S. 491.
9) Mekl. Ub. Bd. 3, Nr. 3520, S. 625.
10) Mekl. Ub. Bd. 9, Nr. 6148.
11) Mekl. Ub. Bd. 9, Nr. 6522.
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Fabrikate der Grapengießer wurden aus Kupfer unter einem Zusatz von Zinn, oder aus Eisen, hergestellt.

Die Kannengießer machten Flaschen, Schüsseln, Salzfässer, Waschbecken, Standen, Teller, Löffel u. dergl. m., theils aus reinem Zinn, theils aus einer Mischung von Zinn und Blei. Mit ihnen verwandt sind die Apengeter oder, wie sie nachher genannt werden, Rothgießer, die in Lübeck sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1 ) in Rostock und anderen norddeutschen Städten als besonderes Amt erst im 16. Jahrhundert nachweisen lassen 2 ) Ihr Arbeitsmaterial scheint die Composition von Zink und Kupfer gewesen zu sein, die später als Rothguß oder Tombak bekannt geworden ist. Wie Wehrmann annimmt 3 ) verarbeiteten sie rothes sprödes Metall im Gegensatz zu den Gelbgießern, die gelbes geschmeidiges Metall benutzten. Doch mögen sie sich nicht auf eine bestimmte Composition beschränkt, sondern auch Glockenmetall, Münzmetall, das später sogen. englische Metall (Messing und Zink) u. a. m. verarbeitet haben. 4 ) Da nicht einmal Gelbgießer neben ihnen erwähnt werden, so mögen sie selbst Messing benutzt haben. Messingschläger, d. h. Handwerker, die mit dem Hammer aus Messing Gegenstände herstellten, treten dagegen schon sehr früh in Lübeck, bereits im Jahre 1330, auf und zwar in der nicht geringen Anzahl von 14. 5 ) Nach der Rolle von 1400 bildeten sie in Lübeck ein besonderes Amt 6 )

Während des 14. und 15. Jahrhunderts scheint die Arbeit der Apengeter vorzugsweise in der Herstellung kleinerer Gegenstände bestanden zu haben, die sie sowohl in feinerer als auch in gröberer Ausführung boten, wie Fingerhüte, Leuchter, Hähne, Weihrauchfässer, Schalen u. m. 7 ) Indeß durften sie wenigstens in Lübeck auch Waschbecken (hantvate) gießen und sich mit der Flickarbeit kleinerer Grapen befassen. 8 ) Nach einer Erklärung des Stralsunder Rathes vom Jahre 1438 stand ihnen ausdrücklich das Recht zu, Grapen zu flicken und Füße und Griffe aufs Neue anzugießen, eine Arbeit, die ihnen nicht zur Unehre gereichen sollte


1) Rolle von 1432 bei Wehrmann, Lübeckische Zunftrollen, S. 157.
2) Rostock, Rolle von 1585. Rollenbuch des Gewetts im Rathsarchiv. Rüdiger, Gesellendokumente S. 44. Schanz, Gesellenverbände S. 273.
3) a. a. O. S. 157.
4) Siehe hierüber Sprengel, Handwerker und Künste Bd. 5, S. 5 u. 6.
5) Lübeckisches Urkundenbuch II, S. 474.
6) Wehrmann a. a. O. S. 330.
7) Wehrmann a. a. O. S. 158.
8) Wehrmann a. a. O. S. 228.
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(gr oe pene sch ue ghen, br oe kene v oe te, oe rde unde sch oe rde olden grapen wedder angheten). 1 ) In älterer Zeit mag man sich unter den Apengetern auch mitunter Stückgießer und Glockengießer vorzustellen haben, die ja nirgends so zahreich waren, daß sie ein eigenes Amt bildeten. Auch mögen die ansehnlichen Kirchenleuchter, die man noch jetzt in älteren Kirchen antrifft, aus der Werkstätte der Apengeter hervorgegangen sein. Wie denn in einer Lübecker Verordnung vom Jahre 1483 ihnen ausdrücklich zugestanden wird, messingene, eiserne, kupferne und blecherne Leuchter (handleuchten) anzufertigen, 2 ) was anzudeuten scheint, daß sie die Leuchterfabrikation überhaupt gern pflegten. Jedenfalls berührten sich ihre Leistungen eng mit denen der Grapengießer, so daß in Lübeck der Rath sich im Jahre 1439 veranlaßt sah, jedem der beiden Gewerbe die Arbeitsgrenzen genau vorzuschreiben. 3 ) In Hamburg schieden die Apengeter erst im Jahre 1577 aus dem Amte der Kannen= und Grapengießer aus, die vereinigt zurückblieben. 4 )

Wie diese verschiedenen Metall verarbeitenden Handwerker sich nebeneinander entwickelt haben und allmählich zur Errichtung selbständiger Aemter geschritten sind, entzieht sich gegenwärtig noch genauerer Feststellung. Am Ende des 16. Jahrhunderts erscheinen in Norddeutschland überall die Apengeter auf der einen, die Grapen= und Kannengießer auf der anderen Seite in getrennten Aemtern. In der Verbindung der letzteren sind dann die Grapengießer allmählich ausgestorben 5 ) - etwa durch die Kupferschmiede ersetzt - und später ist nur von Kannengießern die Rede, die seit dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts ihren Namen in "Zinngießer" umwandelten. In Süddeutschland ist die Organisation vielfach anders gewesen. In Nürnberg z. B. stehen im Jahre 1363 Kanelgießer in einer Zunft, Messingschmiede, Gürtler, Zinngießer und Spengler in einer anderen zusammen, 6 ) während in Frankfurt a. M. alle Feuerhandwerker zur Schmiedezunft gehören. 7 ) Die Arbeit der Apengeter - dieses Wort ist selbstverständlich niederdeutsch - fiel in Nürnberg den Rothschmieden, die der norddeutschen Gelbgießer und Messingschläger den Beckenschlägern, Messingschabern


1) Lübeckischer Urkundenbuch Bd. 7, S. 773.
2) Wehrmann a. a. O. S. 160.
3) Wehrmann a. a. O. S. 227.
4) Rüdiger a. a. O. S. 1.
5) In Lübeck gegen Ende d. 16. Jahrh. Wehrmann a. a. O. S. 225.
6) Hegel, Chroniken der deutschen Städte II, S. 507 fld.
7) Bücher, die Bevölkerung von Frankfurt a. M., S. 93.
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und Messingbrennern zu. An Stelle der Grapengeter giebt es Kupfer= und Pfannenschmiede. 1 )

In welchen Zeitpunkt die Bildung des für sich bestehenden Kannengießer=Amts in Rostock zu verlegen ist, läßt sich nicht genau angeben. Die älteste uns erhaltene Rolle 2 ) vom 16. Mai 1482 ist die der vereinigten Grapengießer und Kannengießer und das älteste Protokollbuch in der Lade, im Jahre 1575 angefangen, führt die Aufschrift »Kannengeter unde Grapengeter ehr boeck«. Dagegen heißt ein zweites Protokollbuch vom Jahre 1597 das Amtbuch der Rostocker Kannengeter und diese Benennung erfährt das Amt auch in dem Zusatz zu einer Copie der alten (1482er) Rolle vom Jahre 1678, während endlich auf dem Titel des dritten uns erhaltenen Protokollbuches aus dem gleichen Jahre steht »das löbliche Ambt der Zinnengiesser Buch«. Hiernach ist es wahrscheinlich, daß die Trennung der beiden Handwerke am Ende des 16. Jahrhunderts vor sich gegangen ist. Die Grapengießer scheinen damals vom Schauplatz abgetreten zu sein; wenigstens ist von ihrer Zugehörigkeit zum Amt nicht mehr die Rede.

Den Kannengießern, bei welchen es nach dem Absterben ihrer einstigen Genossen, der Grapengießer, noch 300 Jahre dauerte, bis auch ihr Stündlein schlug, passirte das Mißgeschick bei der großen verheerenden Feuersbrunst, welche im August 1677 Rostock heimsuchte, ihre Originalrolle und vermuthlich auch andere Papiere einzubüßen. Eine Abschrift ihres Statuts konnte ihnen aus dem großen Wette= und Rollenbuch im folgenden Jahre geliefert werden, wobei eine Uebersetzung des Niedersächsischen ins Hochdeutsche für angemessen erachtet wurde. 3 ) Die übrigen Documente waren natürlich unwiederbringlich dahin bis auf die bereits erwähnten Amtsbücher. Das Jahr 1678, das Jahr nach dem Brande, schien zu einem Wendepunkt in der Geschichte unseres Gewerbes ausersehen. Man begann ein neues Protokollbuch und legte sich einen neuen Namen bei. Indeß ist es zu einer regelrechten Benutzung des Buches nicht gekommen. Die hauptsächlich wichtigen Eintragungen über die aufgenommenen Meister und eingeschriebenen Lehrlinge bis auf die neueste Zeit finden sich in den älteren Bänden, die vielleicht in der Unruhe des Brandes verloren gegangen, sich später als gerettet herausstellten.


1) (Stockbauer, Nürnbergisches Handwerkerrecht des 16. Jahrhunderts, führt die obengenannten Handwerke in Nürnberg vorkommend an.
2) Die obige Darstellung gründet sich auf das in der Lade der Zinngieser vorhandene Urkunden= und Aktenmaterial (Rathsarchiv).
3) Anhang Nr. 6,
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Die Rolle von 1482 1 ) hat dem Amte bis zum letzten Augenblick seines Bestehens, nur verändert durch eine im Jahre 1585 getroffene Verordnung über die Feier von Meister=Essen und Aeltermanns=Mahlzeiten, welche für alle Handwerke in ganz Meklenburg galt, 2 ) gedient. Wohl fühlten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die ehrsamen Zinngießer das Bedürfniß nach einem den modernen Anforderungen gemäß umgestalteten Statut, »da die alte von 1482 herige Amptsrolle so sehr tunckel und nichts auf jetzigen Zeiten Passendes in sich enthält«. Es seien nun bald 300 Jahre, heben sie in dem Brouillon zu einer Eingabe an den Rath hervor, seit dem Erlaß der alten Rolle verflossen » in welcher Zeit die Weldt ganz andere Meinungen gefasset« und baten daher um eine neue Rolle, zu der sie einen Entwurf vorlegten. 3 ) Doch der Rath erhörte ihr Gesuch nicht und so behielt das alte Statut von 1482 bis 1880 für die Mitglieder des Amts bindende Kraft. Ein Unglück war das eben nicht, denn die neue Rolle von 1773 hatte es vorzugsweise auf die Regelung der ausschließenden Absatzverhältnisse und der Bedingungen des Meisterwerdens abgesehen, d. h. die bloß eigennützigen Absichten der damaligen Handwerker zum Ausdrucke gebracht.

Wann die »Neu-Revidirte und Renovirte Punctationes« entstanden sind, die im dritten Protokollbuche, scheinbar von einer Hand des 18. Jahrhunderts, stehen, läßt sich nicht bestimmen. 4 ) Sie weisen kein vollständiges Statut auf, sondern regeln nur einige Punkte und zwar namentlich die Bedingungen, welche für die Erlangung des Meisterrechtes zu erledigen waren. Die »Fernere gebreuchliche Ambtsaussgaben undt Nachrichten«, 5 ) von derselben Hand in demselben Protokollbuche eingetragen, also vermuthlich aus der gleichen Zeit wie die Punctationes, wollen ebenfalls nur einige, etwa zweifelhaft gewordene Observanzen ins Reine bringen und sind nicht als eine Rolle im gewöhnlichen Sinne anzusehen.

Uebrigens deutet dieses Festhalten an der alten Rolle nicht an, daß jede Weiterbildung des Sonderrechts aufgehört hatte. Vielmehr fand eine solche auf den Versammlungen statt, welche


1) Anhang Nr. 1.
2) Anhang Nr. 3.
3) Anhang. Nr. 11.
4) Anhang Nr. 9.
5) Anhang Nr. 10.
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Deputirte der verschiedenen Zinngießer = Aemter alle 7 Jahre in Lübeck abzuhalten pflegten. Wann diese zuerst begonnen haben, läßt sich zur Zeit nicht bestimmen. Bereits aus dem 15. Jahrhundert liegen Beschlüsse derartiger Vereinigungen vor. So z. B. von den Schmieden der wendischen Städte. 1 ) Die Kannengießer waren schon in den Jahren 1589, 1603 und 1617 in Lübeck zusammengekommen, wie aus dem Protokollbuche hervorgeht, ob damals, wie es den Anschein hat, in bestimmten Zeiträumen, etwa alle 14 Jahre, regelmäßig wiederkehrend, oder ad hoc, je nach Bedürfniß zusammentretend, entzieht sich unserer Kenntniß. Ebenso schickten die Rostocker Zinngießer Vertreter zu den Versammlungen in den Jahren 1640 und 1662. Recesse ihrer Zusammenkünfte haben sich aus den Jahren 1678, 2 ) 1705, 3 ) 1710, 1719 und 1729 erhalten. Wieviel Versammlungen außerdem in dieser Periode vorkamen, läßt sich natürlich nicht sagen. Es scheint aber, als ob dieselben überhaupt nicht in der ursprünglich festgesetzten Weise, alle 7 Jahre, veranstaltet wurden, sondern, weil die Kosten der Beschickung zu große wurden, in längeren Zwischenräumen. Auf der Tagfahrt von 1729 wurde ausdrücklich beschlossen, daß wenn nichts "Hauptsächliches" zur Sprache kommen sollte, die Einberufung der Deputirten 2 bis 3 Jahre über den 7jährigen Termin hinausgeschoben werden könnte. Daß die Kosten unter Umständen ein Hinderniß für die Beschickung werden konnten, ergiebt sich daraus, daß z. B. der Vertreter der Rostocker Zinngießer im Jahre 1640 30 Gulden, die beiden Meister aber, die im Jahre 1662 nach Lübeck reisten 61 Gulden und 10 Schillinge Reisespesen vergütet bekamen.

Die Verhandlungen, die hier geführt wurden, erstreckten sich zum Theil auf ganz untergeordnete Dinge. Es handelte sich z. B. um die Bestimmung darüber, welche Landstädte den Vororten zugezählt werden sollten oder welche Märkte den einzelnen Städten zu beschicken gestattet war. Jeder Stadt war der Umkreis, innerhalb dessen Zinnsachen zum Verkauf ausgeboten werden konnten, genau vorgezeichnet und man achtete nur darauf, daß dieser eingehalten wurde. So war der Parchimsche Markt den Wismarschen zugewiesen und nur zu Michaelis durften ihn die Schwerinschen Zinngießer beziehen. Schleswig hatte das Recht, die Märkte in Flensburg zu besenden. Neustadt, Oldenburg und Lütjenburg


1) Wehrmann a. a. O. S. 446 - 448.
2) Anhang Nr. 7.
3) Anhang Nr. 8.
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durften von den Lübeckern bezogen werden. Der Markt zu Gadebusch stand den Wismarschen, Lübeckern und Schwerinschen gleichmäßig zu. 1 ) Anklam und Greifswald sollten wohl den Markt zu Demmin, nicht aber den zu Stralsund besuchen dürfen.

Diese Grenzen wurden nicht selten überschritten, wie denn im Jahre 1710 bestimmt wurde, daß nicht die Wismarschen, sondern die Rostocker Zinngießer das Recht hätten, den Bernittschen Markt zu versorgen. Wegen des Besuches von Gabebusch war im Jahre 1667 zwischen Lübeck und Wismar ein Streit ausgebrochen.

Neben der Erledigung solcher Streitigkeiten wurden Fälle von Uebertretungen der Rollen zur Sprache gebracht. So hatte sich im Jahre 1719 ein Meister aus Wismar zu verantworten, weil er der Bestimmung sich mit einer Meisterswittwe oder Meisterstochter zu vermählen, nicht nachgekommen war. In solchen Fällen wurden Geldstrafen verhängt.

Endlich wurden manche neue Zusätze und Beliebungen zu den alten Rollen erörtert und beschlossen. Man baute das geltende Recht aus, zwar in dem Sinne der auf die Dauer engherzigen Zunftpolitik, fand immer neue Einschränkungen und Fesseln, ordnete aber dazwischen auch Treffliches und Gutes an. Zu den Neuerungen der ersteren Art gehörte z. B. der 1678 gefaßte Beschluß, daß ein Meister oder Geselle, der freien wollte, für seine Frau den Beweis ihrer ehelichen Geburt beibringen mußte, 2 ) der im Jahre 1710 dahin vervollständigt wurde, daß ein angehender Meister sich stets nur mit einer Meisterswittwe oder=Tochter verheirathen dürfe. Zu den letzteren dagegen möchten sich die Anordnungen, daß die Aelterleute 5 Mal im Jahre 3 ) durch Umgang in den Werkstätten sich von der Richtigkeit der Probe überzeugen sollten, daß die Verfertiger falscher Wein= und Biermaaße stets strenger Strafe unterworfen würden, 4 ) die mancherlei Verfügungen über die Behandlung der Gesellen - zu rechnen sein.

Eine zu große Vorstellung darf man sich allerdings von dieser Ergänzung und Vervollständigung der Statuten nicht machen. Im Allgemeinen war der Gewerbetreibende ein conservativer Mann und sah darauf, »dass alle vorige ertheilte undt geschlossene Beliebungen in ihrem Vigore undt Kräften verbleiben undt ge-


1) Anhang Nr. 7 § 8.
2) Anhang Nr. 7 § 5.
3) Anhang Nr. 7 § 3.
4) Anhang Nr. 7 § 4.
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halten werden. « 1 ) Auf den Versammlungen von 1710, 1719 und 1729 wurden daher größtentheils die alten Beschlüsse nur durchgesehen und mit relativ geringen Veränderungen bestätigt. Große Lebhaftigkeit sprach sich in den neuen Zuthaten nicht aus. Von diesen Verhältnissen auf die Zustände im Handwerk überhaupt zu schließen, wäre vielleicht insofern nicht ganz richtig, als wir in dem Zinngießer=Gewerbe des vorigen Jahrhunderts ein allmählicher Auflösung entgegengehendes Handwerk vor uns haben.

Nahe genug liegt die Frage, mit einem wie zahlreichen Amte man es bei den Zinngießern zu thun hat. Leider läßt sich das für die ältere Zeit nicht ermitteln. In Nürnberg lebten im Jahre 1363 14 Kanelgießer neben einer gewissen Zahl Zinngießer; 2 ) in Frankfurt a. M. lassen sich für das Jahr 1387 nur 5 Kannengießer nachweisen, für das Jahr 1440 nur 7. 3 ) Gewinnt man hieraus den Eindruck, daß es ein nur schwach besetztes Gewerbe war, so wird dieser bestätigt durch die Nachrichten, die uns über Rostock seit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts zur Verfügung stehen. Nach dem ältesten Protokollbuch gab es im Jahre 1575 zehn Meister; aber schon 20 Jahre später nach dem Ausscheiden der Grapengießer - 1597 - werden nur 4 Amtsbrüder namhaft gemacht. Im Jahre 1627 zählte das Amt 7, im Jahre 1633 5, im Jahre 1722 ebenfalls 5 Mitglieder. Auf einem undatirten Blatte, das nach der Handschrift in das Ende des vorigen Jahrhunderts zu setzen wäre, sind 4 Meister namhaft gemacht. Im 19. Jahrhundert scheinen nicht mehr als 3 Meister gleichzeitig neben einander gewirkt zu haben. Viele Jahre hindurch bestand das Amt nur aus einem Meister und mit dem Tode des letzten, Friedrich Carl Wulkop, im Jahre 1880, ging es ein. Mögen diese Angaben, die verschiedenen gelegentlichen Aufzeichnungen in der Lade des Zinngießer=Amts entnommen sind, mitunter ungenau sein - soviel ist sicher, um ein großes und ansehnliches Amt hat es sich in Rostock nicht gehandelt. Es ist dies um so auffälliger, als Jahrhunderte hindurch Zinngeschirre außerordentlich verbreitet waren. Die kleine Zahl der Gewerbetreibenden mag mit der großen Dauerhaftigkeit der Gefäße zusammenhängen. Das Zinngeschirr wurde bei der Begründung des Hausstandes fürs Leben, oft genug auch für die Nachkommenschaft eingekauft.


1) Anhang Nr. 7 § 1.
2) Hegel a. a. O.
3) Bücher a. a. O., S. 142, 216.
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Höchstens verlangte die Mode oder die Abnutzung von Zeit zu Zeit einen Umguß des veralteten oder schadhaft gewordenen Geräthes 1 ) oder gestattete spätere Behäbigkeit die allmähliche Vervollständigung des Vorraths fürs Haus. Erwägt man nun noch den Import von englischen Zinnsachen, 2 ) so begreift man, daß eine geringe Zahl dieser Gewerbetreibenden in der Lage war, das einheimische Bedürfniß zu befriedigen, das in unserer Zeit bekanntlich überhaupt ganz aufhörte.

Eine Zusammenstellung der in die Protokollbücher eingetragenen Meister=Namen nach den Jahren, in welchen das Amt die betreffenden Männer zu Meistern aufnahm, ergiebt, daß in dem langen Zeitraum von nahezu 300 Jahren von 1590 bis 1862 nur 45 Zinngießer in Rostock Meister wurden, die sich den Jahren nach, wie folgt, vertheilen. Es wurden in den Jahren

1590 - 1597 4 Jungmeister aufgenommen,
1600 - 1700 18 " "
1701 - 1800 19 " "
1801 - 1862 4 " "

Vielleicht enthalten die Eintragungen aus dem 17. Jahrhundert Lücken; sie vertragen sich indeß mit den landläufigen Vorstellungen über das Darniederliegen des Gewerbes während der Dauer des 30jährigen Krieges. Charakteristisch ist die Fortpflanzung des Handwerks vom Vater auf den Sohn. Die Schlüter, Voß und Gottespfenning sind derartige Familien, in denen von Generation zu Generation die Geschicklichkeit sich fortpflanzt. Die Westfals und Blawkogels aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mögen gleichfalls dazu zu rechnen sein. Ein Michel Westpfall kommt schon unter den Amtsgenossen im Jahre 1575 vor, freilich ohne daß sich der Zusammenhang mit den späteren Westfals nachweisen läßt.

Die Namen dieser Männer, die in den nebenstehend angegebenen Jahren Meister wurden, sind, so weit die Protokollbücher sie aufbewahrt haben, diese:


1) So wird für den Bedarf des Großkomthurs von der Königsberger Großschäfferei ein halbes Schiffpfund Zinn jedes zweite Jahr angesetzt. Sattler, Handelsrechnungen S. 169, 12.
2) In Danzig bereits im Jahre 1422 nachgewiesen. Hanse=Recesse 2. Abth. Bd. 1, Nr. 381 § 19. Vergl. m. Aufsatz "Hansische Vereinbarungen über städtisches Gewerbe" in Hansische Geschichtsblätter. Jahrg. 1886.
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1590.
1592.
1597.
1597.
1611.
1622.
1623.
  Jürgen Detloff.
Hans Meyer.
Jürgen Meyer.
Jochim Vycke.
Franz Kruding.
Heinrich Westfall.
Michel Westfall.
Vor 1627,  Jochim Bycke der Junge.
aber unbe= Hans Blawkogel.
stimmt Melcher Ertmann.
wann. Claus Hulsemann.
1633.
1638.
1640.
1657.
1660.
1671.
1673.
1673.
1675.
1677.
1687.
1701.
1702.
1705.
1708.
1714.
1717.
1717.
1728.
1732.
1745.
1746.
1747.
1747.
1749.
1776.
1780.
1788.
1791.
1799.
1832.
  Marcus Blawkogel.
Ulrich Schlüter.
Martin Blawkogel.
Hans Boyse.
Abraham Wordtmann.
Ulrich Schlüter.
Andreas Wösthoff.
Herman Möller.
Jacob Schlüter.
Michel Voß.
Hans Boyse.
Heinrich Schlüter.
Jürgen Weideman.
Jochim Voß.
Ulrich Wösthoff.
Hans Conrad Gottespfenning.
Jochim Schlüter.
Nicolaus Röhrdantz.
Christian Bartold Schacht.
Bartholomeos Henborg.
Joachim Voß junior.
Johan Christian Gottespfenning.
Benjamin Heinrich Gottespfenning.
Christian Schlüter.
Friderich Voß.
Johann Nicolaus Schacht.
Jochim Adam Hecht.
Jochim Daniel Gottespfenning.
August Friedrich Hassoldt.
Hans Christoph Reincke.
C. Gottespfenning.
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1846.
1846.
1862.
  J. Reincke.
P. Rahncke.
Friedrich Carl Wulkop.

Wo es so wenig Meister gab, konnte natürlich auch nur ein geringer Nachwuchs erwartet werden. Ueber die Zahl der Lehrlinge, die der einzelne Meister halten durfte, besagt die Rolle von 1482 nichts. Vermuthlich war es nicht erforderlich durch Beschränkungen dem Andrange wehren zu wollen. Selbst die Dauer der Lehrzeit wird nicht bestimmt. Sie scheint nach den in die Protokollbücher aufgenommenen Verträgen über 4 Jahre nicht hinausgegangen zu sein. Nur eheliche und deutsche Geburt war als Bedingung für den Beginn der Lehrzeit vorgesehen. (Art. 7 der Rolle von 1482.) Bei der Aufnahme in's Amt hatte der Lehrling 6 wendische Schilling, später 2 Gulden zu entrichten. Doch sollte man beim Einkassiren der letzteren nachsichtig sein. Den Namen der Lehrlinge und das Datum der Annahme, mehrfach auch den Geburtsort findet man in dem Protokollbuch seit 1610 aufgezeichnet. Die Aufnahme des letzten Lehrjungen fand im Jahre 1864 statt. Er hieß Johann Christian Julius Witt, gen. Wittenburg, und stammte aus Ribnitz.

Im Ganzen sind von 1610 - 1864 192 Lehrjungen angenommen worden. Ob sie alle vollständig ausgebildet wurden, ihren Cursus beendeten, kann nicht angegeben werden, da die controlirende Angabe über die Zahl der nach beendeter Lehrzeit Freigesprochenen fehlt. Vergleicht man die Lehrthätigkeit des Zinngießeramts mit dem des Hosenstrickeramts für welches die entsprechenden Daten aus dem 17. Jahrhundert vorliegen, 1 ) so erscheint die erstere bedeutend lebhafter. Bei den Zinngießern wurden von 1610 - 99 122 Lehrlinge eingeschrieben, bei den Hosenstrickern von 1614 - 99 nur 45. Im vorigen Jahrhundert ist dann von Jahr zu Jahr weniger Neigung zur Erlernung des Zinngießerhandwerks vorhanden. Mehrere Jahre verstreichen nach der Reihe, ohne daß ein einziger Junge eingeschrieben wird. Seit dem Jahr 1758 hat das Rostocker Zinngießeramt nie mehr als einen Lehrling gehabt, manches Jahrzehnt hindurch, z. B. von 1759 - 68, 1805 - 26, 1827 - 38, nicht eimnal einen. Man sieht recht deutlich, daß das Gewerbe auf den Aussterbe=Etat gesetzt ist.


1) Vergl. m. Aufsatz "Aus dem Rostocker Gewerbeleben des 17. Jahrhunderts" in der Rostocker Zeitung 1886, Nr. 195, 197, 199, 203.
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Ueber die Vertheilung der Lehrlinge auf die einzelnen Jahre der angegebenen Periode geben die beiden nachfolgenden Uebersichten Auskunft.

1. In der Periode 1610 - 1699 aufgenommene Lehrlinge:

Aufgenommene Lehrlinge
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2) Zahl der seit 1702 in's Zinngießeramt aufgenommenen Lehrlinge:

Lehrlinge im Zinngießeramt

Hinsichtlich der im Amte beschäftigten Gesellen geben die Urkunden, welche die Lade aufbewahrt, keine Auskunft. Nach der allgemeinen Sitte der Zeit bildeten die Gesellen eigene Bruderschaften oder Gesellenschaften und führten selbständig Bücher über die zuwandernden Gesellen, sowie über die aus dem Lehrlingsstand auf die höhere Stufe tretenden Junggesellen. Von den Rostocker Zinngießer - Gesellen haben sich derartige Nachweise bis jetzt nicht gefunden, sind möglicherweise bei der Kleinheit des Amts und da der Zufluß an einwandernden Gesellen wohl nie sehr lebhaft war, überhaupt nie geführt worden. Es wird die höchste Ziffer der Gesellen, die zu gleicher Zeit im Amte thätig waren, gewesen sein, wenn uns gemeldet wird, daß im Jahre 1617 14 Gesellen an dem von einem neu eintretenden auswärtigen Meister gezahlten Geld ihren Antheil bekamen (de alle ehren deel strafe hirvan untfangen). Im Jahre 1757 arbeitete in Rostock ein Geselle, der, wie er sich gelegentlich einer Klagesache gegen das Amt ausdrückte, geraume Zeit "der einzigste Geselle" gewesen war. Seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts ging das Zinngießergewerbe überhaupt zurück, so daß in anderen Städten nicht selten Mangel an Gesellen eintrat. Das ging so weit, daß man nach dem Receß von 1710 (Art. 22) bisweilen in Verlegenheit war, die zwei Gesellen zu beschaffen, die nach der Vorschrift nöthig waren, um einen Lehrling freisprechen und zum Gesellen machen lassen zu können.

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An den Beschlüssen der Kannengießer=Aemter der wendischen Städte zur Regelung des Gesellenwesens nehmen indeß unsere Rostocker Meister stets regen Antheil. Schon an denen des Jahres 1526, zu welchen Hamburg, Lübeck und Lüneburg sich vereinigen, sind die Rostocker betheiligt. 1 ) Ungefähr 50 Jahre später - 1573 - ist Rostock mit den genannten Städten und einigen andern zur Ausarbeitung einer neuen Gesellen - Ordnung zusammengetreten 2 ) und dieser folgen in gemeinsamer Aufstellung diejenigen von 1662 3 ) und 1729. Alle diese Statute lassen erkennen, daß man von den unbehaglichen Zuständen, wie sie der Uebermuth und die Unbotmäßigkeit der Gesellen überall erregten, in Rostock nicht verschont blieb; nur daß man sie hier nicht so drückend empfunden haben mag, wie an andern Orten, weil die Nachfrage nach Gewerbsprodukten größtentheils durch die Meister allein befriedigt werden konnte.

Allgemein interessant ist die Wahrnehmung wie stereotyp diese Ordnungen bleiben. Obwohl es sich um Regulirungen aus drei verschiedenen Jahrhunderten handelt - 1573, 1662, 1729 - so treten besondere Abweichungen nicht zu Tage. Abgesehen von dem Gebrauch des Hochdeutschen in den beiden letzten Erlassen gegenüber dem Niederdeutschen in den älteren, sind einschneidende Veränderungen nicht nachzuweisen. Ein merklicher Unterschied zeigt sich nur in den beiden Verordnungen aus dem 16. Jahrhundert.

Die Beschlüsse von 1526 charakterisiren sich als Festsetzungen über die Art und Weise, wie die Knechte selbständige Meister werden können. Es ist eine Art Präventivpolitik, die aus ihnen spricht. Um allen Zwistigkeiten, die entstanden sein mochten, weil keine festen Gesetze vorhanden waren, auf die man sich in streitigen Fällen berufen konnte, vorzubeugen, beschlossen die genannten Städte ihr Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Mancher Zank war zwischen Meistern und Gesellen entbrannt, weil das Recht vielleicht nicht immer gleichmäßig gehandhabt worden war. So beschließen die Meister nun fortan: »desse nabeschrevene bewilligung unde articuln ernstlick tho holden«. Anders verhält es sich mit der Vereinbarung von 1573. Sie tritt als eine Repressivmäßregel auf: »Na dem und also to dissen bösen tyden under unseres amptes gesellen vele unlust overdaent und mötwille dageliches


1) Rüdiger, Gesellendokumente, S. 32.
2) (Stieda in Conrad's Jahrbüchern für Nationalökonomie u. Statistik. Bd. 33, S. 336. Anhang Nr. 2.
3) Anhang Nr. 5.
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erwasset« sehen sich die Meister veranlaßt eine strenge Satzung aufzustellen. Die Gesellen, die widerspenstigen, trägen, liederlichen, zu Ausschreitungen jeder Art sofort bereitwilligen Bursche, sollen kurz gehalten und darüber belehrt werden, wessen sie sich zu gewärtigen haben, wenn sie nicht in den Grenzen des Hergebrachten bleiben. So freundlich und wohlwollend die Beschlüsse von 1526 klingen, so hart und rauh fällt die Vereinbarung von 1573 aus. Die Zeiten haben sich eben geändert. Keine einzige Freiheit wird den Knechten eingeräumt. Bündig erklären die gereizten Meister die schweren Bedingungen, unter welchen fortan gearbeitet werden soll. Der Wochenlohn wird ein für alle Male bestimmt (Art. 2), die tägliche Arbeitszeit auf nicht weniger als 16 Stunden angesetzt (Art 4), die früher reichliche Beköstigung wird beschränkt (Art. 6), das Freibier, das die Gesellen sich gegenseitig zu schenken pflegten, nur ausnahmsweise zugelassen (Art. 9), die Zahl der Krugtage, d. h. der Kneipgelage (Art. 10) vermindert und dergleichen mehr.

Auf diesem Standpunkte bleiben die späteren Beschlüsse dann stehen. Neuerungen fehlen natürlich nicht ganz, aber sie hauchen denselben Geist aus wie die oftmals wiederholten Bestimmungen der alten Recesse - den Geist kleinlicher Beschränkung der freiheitlichen Bewegung der Gesellen, dem gegenüber man nicht immer sicher ist, ob er wirklich nur dem Wunsche, bestehenden Ausschreitungen und Uebergriffen zu begegnen, entsprang. So wenn der abziehende Geselle nur von einem Genossen ans Stadtthor gebracht, zu Hause kein Tabak geraucht werden durfte und ohne Licht zu Bette gegangen werden mußte. Auf der anderen Seite werden freilich auch sehr verständige Maßregeln laut. So wird den Gesellen verboten, von der Arbeit in der Werkstatt weg, zur Bewillkommnung eines zuziehenden Gesellen in den Krug zu laufen, die Arbeit beliebig in der Woche für einen Tag oder einen halben niederzulegen, um spazieren zu gehen, den Meister in der Woche zu verlassen - nur am Sonntag sollen sie die Wanderschaft fortsetzen -, von den Lehrlingen, wenn sie dieselben zu Gesellen machen, nicht zu viel Geld zu fordern u. a. m.

Doch gehen die Meister in ihren Anforderungen weiter. Sie wollen nicht nur sich vor Schaden bewahren, der ihnen aus dem tölpelhaften Benehmen der Gesellen erwachsen könnte - sie erblicken in dem Gesellen den zukünftigen Konkurrenten und lassen ihn demgemäß ihre Macht fühlen. Die Zeit des dreißigjährigen Krieges war offenbar nicht dazu angethan, den Erwerb zu erleichtern. So sah man es ungern, wenn die Gesellen zahlreich kamen, weil man fürchtete, dermaleinst mit zu vielen das schmale

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Stücklein Brod theilen zu müssen. Demgemäß suchte man ihr Fortkommen eher zu hindern als zu befördern. Man bestrafte den Gesellen, der sich unterfing bei einem außerhalb der Beliebung stehenden Meister Arbeit zu nehmen. Man duldete nicht, daß die Gesellen außerhalb des Hauses ihrer Meister irgend welche Arbeit in Angriff namen. Man verlangte vor allen Dingen, daß der einwandernde Geselle, der sich schließlich in Rostock niederlassen wollte, die Tochter eines Meisters oder eine Meisterswittwe heirathen sollte. Man gestattete auch nicht, daß der zuziehende Geselle den Meister, bei welchem er arbeitete, sich auswählen konnte, sondern wies ihn dahin, wo gerade Bedarf an Arbeitskräften war, unabhängig davon, ob der Geselle sich in der betreffenden Werkstatt vervollkommnen konnte oder nicht.

Weiß man gegenüber diesen Verfügungen nicht, inwieweit sie in Rostock überhaupt nöthig waren oder die Meister sich vielleicht einfach den Beschlüssen der anderen Städte unterwarfen, so liegt uns doch auch eine Rostocker Local=Verordnung vor, allerdings erst vom Jahre 1775. 1 ) Meister und Gesellen des ganzen Zinngießer=Amts zusammen bestimmen in ihr für die "Oberlender Gesellen", wie es mit diesen gehalten werden soll. Wenn sie in Rostock eintreffen, soll der Schaffer (wohl der Altgesell), falls sie es verlangen, für sie um Arbeit sich umschauen und wenn sie wieder den Wanderstab weiter setzen, sollen sie ihren Fortgang bei dem Altgesellen anmelden.

Ergiebt sich aus der Zahl der Meister und Lehrlinge, daß es nur ein kleines Amt war, dessen Vergangenheit wir erforschen, so füllte dasselbe im städtischen Leben doch seinen Platz aus wie alle andern. Es war regelmäßig im zweiten Quartier vertreten, selbst dann, als zeitweilig nur ein Mitglied im Amte war und dieses sich selbst wählte, und es trug gleich den andern Aemtern, wenn es nöthig wurde, die communalen Lasten. So mußte es im siebenjährigen Kriege, in welchem Meklenburg, ohne an demselben thätigen Antheil zu nehmen, doch ein Tummelplatz der kämpfenden Preußen und Schweden war, 2 ) an das Königliche Preußische Feld=Kriegs=Commissariat die erhebliche Summe von 100 Thlr. zahlen. Die Quittung hierüber, aus welcher ersichtlich, daß in 4 Terminen, vom 7. April bis 13. Mai 1762, das Geld wirklich beschafft wurde, liegt unter den Papieren der Lade.


1) Anhang Nr. 15.
2) Boll, Mekl. Gesch. Bd. 2, S. 300.
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Daß die Herbeischaffung einer solchen Summe für das Amt die allergrößten Schwierigkeiten hatte, wird man gewahr, wenn man sich über den gewöhnlichen Stand ihrer Finanzen zu unterrichten sucht. Es liegt uns zwar nur eine einzige Amts=Rechnung vor, welche die Zeit vom 20. März 1721 bis 8. Februar 1723 umfaßt, doch dürfte dieselbe als typisch zu betrachten sein. In diesem Zeitraum von fast 2 Jahren betrugen die gesammten Einnahmen des Amts 61 Thlr. und 15 Schillinge, die Ausgaben 65 Thlr. 4 Schillinge und 6 Pfennige. Vermuthlich besaß das Amt außerdem einiges Vermögen. Wenigstens ist z. B. bis 1578 im Protokollbuch der Betrag einer Jahres=Rente von 4 Gulden nachgewiesen, welche der Rath für ihm geliehene 200 Mark Sund zahlte. Auch ein Privatmann steht mit einer Schuld von 100 Mark Sundisch, die er mit 2 Gulden jährlich zu verrenten hatte, in den Jahren 1569 - 1578 verzeichnet. Einmal machte das Amt (im Jahre 1603) sogar eine Erbschaft, indem eine Wittwe, vielleicht die Frau eines einstigen Genossen, ihm 100 Gulden Lübisch testamentarisch zugewiesen hatte. Die Summe wurde auf das Haus eines Amtsbruders, Michael Westfal, »bi dem water nedden in der grapengeter strate« eingetragen und mit 5 Prozent jährlich verzinst. Indeß weist das Protokollbuch aus späterer Zeit derartige Glücksfälle nicht mehr nach und es ist sehr zu fürchten, daß in der Bedrängniß des 30jährigen Krieges dieses kleine Vermögen aufgebraucht worden war, und während des 18. Jahrhunderts nur unvollkommen ersetzt wurde.

Abgesehen von diesen zufälligen Einnahmen war die Zunft angewiesen auf das sog. Stättegelt (Steydtegelt) der Meister, das jeder für seine Verkaufsstelle mit 2 Thlrn. zu entrichten hatte, die Gebühren für das Einschreiben der Lehrlinge. die Meister= und die Strafgelder. Daß in einem Amte von durchschnittlich 5 Meistern aus diesen Quellen für gewöhnlich keine großen Einnahmen zu verzeichnen waren, liegt auf der Hand. In dem genannten Rechnungsjahr war der Betrag höher als sonst gewesen, weil ein Amtsbruder eine Strafe von 20 Rthlrn. zu begleichen gehabt hatte.

Die Ausgaben der Zunft erstreckten sich einmal auf jährliche Bezahlung des sog. Rollgeldes, d. h. der Summe, welche das Gewett dafür empfing, daß es die Amtsrolle zur Verlesung brachte und die Aufrechterhaltung ihres Inhalts zu überwachen versprach. »Anno 1625, den 14. Januar« heißt es im Protokollbuch »des Amptes Rulle vor den geweddeherren verlesen unde confirmeret Ein erbar ampt darby tho beschutten im nahmen erbarn hochwisen rades sich vorpflichtet unde angelavet«. Diese

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Vorlesung kostete dem Amte ursprünglich jährlich 2 Gulden 14 Schillinge, in welchen Betrag sich der Gewettsherr, der Secretär und der Diener theilten. Zehn Jahre später findet man den Betrag auf 5 Gulden und 12 Schillinge erhöht, ohne daß ein Grund dafür angegeben werden kann. Im Protokollbuch heißt es darüber: »den 20. January 1625 heft Hartich Budeholt einen mitoldesten Frantz Kruding to sich forderen laten unde ehme dise 2 Fl. 14 Schill. wedder thogestellet unde hebben jederem weddeherren moten geven einen riksdaler, dem secretario einen halven riksdaler und dem dener twelf Lubs. schillinge, facit 5 Fl. 12 Schill.« In jener Amtsrechnung vom Jahre 1721 ist das Rollgeld mit 5 Thalern und 12 Schill. angesetzt. An die Verlesung der Rolle knüpfte sich ein Frühtrunk, der gleichfalls auf allgemeine Kosten veranstaltet zu sein scheint. Wenigstens ist einige Male dafür der Betrag von 2 bis 6 Gulden ins Protokollbuch eingetragen.

Eine weitere Ausgabe betraf die Morgensprachen, jene Versammlung der Amtsbrüder, die ein bis zwei Mal im Jahre stattfand und auf der alle gemeinsamen Angelegenheiten zur Sprache kamen, die Anmeldung zukünftiger Meister, die Rechenschaftsablegung des verflossenen Jahres, die Einschreibung neuer Lehrlinge u. s. w. Offenbar waren diese Zusammenkünfte mit gemeinsamen Mahlzeiten verknüpft. Die Kosten hierfür sind es wohl, die gelegentlich in den Jahren 1584 - 1627 im Protokollbuche nachgewiesen sind. Sie beliefen sich

Kosten

Angaben für die neuere Zeit fehlen.

Neben diesen Hauptposten gab es Unkosten für die Correspondenzen mit den benachbarten Städten, für die Abschrift von Privilegien, für die Gänge aufs Niedergericht, für die Abfassungen von »Conclusa und Decreta«, für Trink= und Bestellgelder an die

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Rathsdiener, für Honorare an die Rechtsgelehrten, deren Meinung in manchem Prozeß angesprochen wurde. Es scheint, daß diese Liebhaberei für gerichtliche Geltendmachung bestrittener Rechte dem Amte kein kleines Sümmchen kostete. Herr Professor Petersen liquidirte in den Jahren 1721/22 9 Thlr. 12 Schill. für Mitwirkung in einem Prozeß gegen den Goldschmied Schröder, der einen Eingriff in die Arbeitsgrenzen der Kannengießer gethan hatte. Hofrath Rönnberg, der im Jahre 1791 dafür sorgte, daß eine in Vergessenheit gerathene herzogliche Verordnung über die accisfreie Einfuhr von altem Zinn wieder in Kraft trat, 1 berechnete sich 7 Thlr. 7 Schill. (N2/3), nämlich 2 Thlr. Honorar für eine umständliche Conferenz mit dem Accise=Einnehmer und das Aufsetzen der Klage, den Rest für Porto, Abschriften u. dgl. m. Ein Prozeß mit den Brauern und Kaufleuten, die den Handwerkern das Recht zum Brauen eines Haustrunks und die Berechtigung zur Ausfuhr von Getreide streitig machten, am Anfang des vorigen Jahrhunderts, kostete dem Zinngießer=Amt auf seinen Theil die beträchtliche Summe von 104 Gulden. Man begreift es eigentlich nicht, wie das wenig zahlreiche Amt derartige Beträge, die mit dem ihm für gewöhnlich zur Verfügung stehenden Mittel nicht recht in Einklang standen, beschaffen konnte.

In seiner inneren Organisation bietet das Amt keine Abweichungen von dem gewöhnlichen Zuschnitte derartiger Korporationen und es hat daher kein Interesse bei ihren Einzelheiten zu verweilen. Ein Blick in die Rolle von 1482 belehrt uns, daß diese Zunft sich der gleichen Eigenthümlichkeiten erfreute und an denselben Uebelständen krankte wie alle anderen. Nur ein Punkt, der naturgemäß bei den einzelnen sich verschieden gestalten mußte und der zur Beurtheilung der Bedeutung der ganzen Zunftverfassung wichtig ist, sei hervorgehoben, nämlich die Bedingungen, unter welchen das Meisterrecht erworben werden konnte. Sie bestanden, abgesehen von der vorschriftsmäßigen Lehrlings =, Gesellen =, Wander= und der sog. Muthzeit (ein Ausdruck, der in Rostock nicht üblich gewesen zu sein scheint), d. h. einem ein=bis zweijährigen Dienst bei einem hiesigen Meister vor der Niederlassung, 1) in der Anfertigung eines Meisterstücks, 2) der Erlegung einer Geldsumme und 3) der Veranstaltung einer oder mehrerer Mahlzeiten. Doch ist hierbei zu unterscheiden zwischen denen, welche darum nachsuchten sich als Meister in Rostock niederlassen zu dürfen und


1) Anhang Nr. 14.
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denen, welche, obwohl in anderen Städten ansässig, dennoch Meister des Rostocker Amts werden wollten.

Nach einer Vereinbarung der Zinngießer=Aemter der Seestädte, deren Zeitpunkt sich nicht ermitteln läßt und die man auch bei anderen Aemtern findet, waren in unserem Handwerk einige Städte als Hauptort ausersehen. Dem in diesen bestehenden Amt schlossen sich die Meister der kleineren Städte an, ohne eine eigene Verbindung zu bilden. Bereits im Protokollbuche von 1597 sind unter dem Vermerk »wat wi van Rostock vor stede under uns tho strafen hebben« Malchin, Neubrandenburg, Friedland, Bützow und Teterow namhaft gemacht. Aus einer späteren Aufzeichnung erfährt man, daß zum Rostocker Amte die Zinngießer der Städte Güstrow, Plau, Malchin, Neubrandenburg, Wahren, Ribnitz, Bützow und Teterow gehörten. Ueber die Vertheilung der kleineren Städte unter die größeren scheint es dabei mitunter Streitigkeiten gesetzt zu haben. So werden die Schweriner Zinngießer ursprünglich nach Wismar, später nach Lübeck gewiesen, und noch im Jahre 1814 regelte eine großherzogliche Verordnung die Zugehörigkeit der kleineren Landstädte zu den Zinngießer=Aemtern in Güstrow, Schwerin u. s. w. Man nannte derartige Meister zuerst die »gestraften«, später die »incorporirten«. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts finden sich im Protokollbuche zwei Zinngießer aus Neubrandenburg genannt, die sich auf diese Weise von dem Amte in Rostock strafen ließen. Ich weiß den Ausdruck nicht besser zu erklären, als daß diese Meister sich der Jurisdiction der Rostocker, d. h. der etwa über sie zu verhängenden Strafen, unterwarfen. Solche Meister gab es nicht wenig: im Jahre 1721 beispielsweise 11. War ein derartiger Meister aufgenommen, so wurden die anderen verbündeten Städte davon in Kenntniß gesetzt. In der Lade der Rostocker Zinngießer finden sich mehrere derartige Briefe aus Lübeck, Wismar u. s. w., sowie Formulare für die jedesmal gleichlautenden, in solchen Fällen aufzusetzenden Anzeigen. Diese incorporirten Meister wurden, wenn ihre Papiere in Ordnung waren, ohne weiteres aufgenommen und hatten nur eine Geldgebühr zu entrichten, die im 17. Jahrhundert 8 Thlr. betrug, im vorigen auf 12 Thlr. sowie 40 Schillinge für das Aufgebot des Amts und die Ausstellung des Meisterbriefs erhöht wurde.

Was nun die Rostocker Meister anlangt, so interessirt uns von den ihnen auferlegten Bedingungen namentlich das Meisterstück. Die Rolle von 1482 sieht die Anfertigung eines solchen auf der Werkstube des Aeltermanns im 9. Artikel vor, giebt aber

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nicht an, worin es bestehen solle, sondern verlangt nur, daß drei Stücke gegossen werden sollen. Wie es scheint, waren dieselben nie fest bestimmt, sondern ihre Wahl dem Bewerber überlassen. Nach den Einträgen im Protokollbuch über die von den einzelnen Meistern seit dem Jahre 1701 angefertigten Stücke wechselten in bunter Reihenfolge Waschgefäße, Schüsseln, große Schalen, Weinkannen, halbstöfige Kannen, Bettpotte, Gelachskannen, Willkommen, Terrinen mit und ohne Deckel, u. a. m., je nach der Neigung und Geschicklichkeit des Kandidaten, mit einander ab. Eine hierbei namhaft gemachte »Volcks - Schahle«, im Gewichte von 5 bezw. 6 Pfund, weiß ich nicht zu deuten.

Die Formen zu seinen Güssen mußte der angehende Meister selbst herstellen. Sie wurden wohl meist aus weichem Sandstein gedreht, den der Steinmetz vorher nach Anweisung des Zinngießers bearbeiten mußte. Es kam darauf an, schon bei Verfertigung dieser Formen Geschicklichkeit zu beweisen. Messingformen, die wegen ihrer Dauerhaftigkeit vor allen den Vorzug verdienen, wurden in Rostock erst spät gebräuchlich und waren der größeren Kosten wegen wohl nie allgemein verbreitet. Nach einer Angabe in Sprengels Handwerken und Künsten (aus dem vorigen Jahrhundert) 1 ) konnte ein angehender Zinngießer, wenn er Messingformen anschaffen wollte, leicht dafür 2000 Rthlr. ausgeben. Dieser Aufwand nöthigte in größeren Städten die Zinngießer häufig zum gemeinschaftlichen Ankauf dieser Formen; in den kleineren Städten bedienten sich die Handwerker der steineren. Als im Jahre 1880 das Rostocker Amt sich auflöste, waren unter 21 Formen, die in seinem Besitze waren, nur 4 aus Messing - sämmtlich zur Anfertigung von Hähnen bestimmt - und 2 aus Gußeisen, alle übrigen aus Stein.

Das fertig gegossene Stück mußte, ehe es die Werkstätte verließ, mit dem »r« als dem Stadtzeichen und dem Handwerkszeichen des Erzeugers versehen werden. Das letztere findet sich in der Regel zwei Mal angebracht, vielleicht um für den Fall, daß die eine Marke sich verwischen sollte, aus der anderen den Meister in Erfahrung bringen zu können.

Ueber das zur Verwendung kommende Rohmaterial gab es im Statut keine eingehenden Vorschriften. Die älteste Rolle verlangte nur (Art. 2), daß Flaschen und Kannen aus so gutem Zinn gegossen werden sollten, wie es in den Seestädten gebraucht werde


1) Bd. 4, S. 99.
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und der Entwurf von 1773 1 ) schreibt vor, daß probemäßiges englisches Zinn oder Mankgut benutzt werde, übrigens auch schlechteres Zinn zur Verwendung kommen könne. Ueber das Maaß des erlaubten Bleizusatzes verlautet nichts. Im 14. Jahrhundert war die Feststellung der zur Anfertigung der Zinngefäße bestimmten Mischung von Zinn und Blei der Gegenstand mehrfacher Verhandlungen auf dem Hansetage. 2 ) Die Handwerker behaupteten, ohne die Beimischung von Blei das Zinn nicht mit Erfolg bearbeiten zu können. Ueberdies war Blei wohlfeiler als Zinn. Es lag daher nahe, daß mit dem Zusatz Mißbrauch getrieben wurde, und dem wollten die Obrigkeiten entgegenarbeiten. Man einigte sich auf der Versammlung von Stralsund im Jahre 1376, nachdem mehrere fruchtlose Besprechungen vorausgegangen waren, dahin, daß bei Kannen eine Mischung von drei Theilen Zinn und einem Theil Blei zu Grunde gelegt werden mußte, Standen, Flaschen, Schüsseln, Salzgefäße u. dgl. m. aber aus reinem Zinn gegossen werden sollten. Nach Sprengel 3 ) benutzte der Zinngießer des vorigen Jahrhunderts sein Metall überhaupt nie unvermischt, sondern jederzeit unter Zusatz eines andern Metalles oder Halbmetalles. Verarbeitet wurde in Rostock offenbar vorzugsweise englisches Zinn, dessen Transport zur See bequemer und billiger gewesen sein dürfte als der des böhmischen oder sächsischen Zinns. Ostindisches Zinn spielt erst seit dem vorigen Jahrhundert eine Rolle im Handel, doch war es bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts in Europa bekannt. 4 ) Australisches Zinn 5 ) ist wohl überhaupt erst in der Mitte unseres Jahrhunderts zur Geltung gekommen. Ueber die Bezugsquellen der Rostocker Zinngießer läßt sich zur Zeit nichts mittheilen.

Mit der Anfertigung des Meisterstücks allein war es nicht gethan. Eine Geld=Abgabe an das Amt und die Aelterleute kam hinzu. Die letztere Summe repräsentirte gleichsam eine Entschädigung für die Unbequemlichkeit, welche der angehende Meister dem Aeltermann verursachte, indem er in dessen Werkstätte arbeitete. Wie groß diese Summe im 15. Jahrhundert war, läßt sich leider nicht angeben, da die Rolle nur verfügt, daß der Betreffende thun soll »den oldirluden unde ampte, wes en na older lovelker wonheyt


1) Anhang Nr. 11, Art. 2.
2) Vergl. dazu m. Aufsatz in "Hansische Geschichtsblätter" a. a. O.
3) A. a. O. Bd. 4, S. 72.
4) Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen Bd. 4, S. 379.
5) Seubert, Handbuch der allgemeinen Waarenkunde S. 56.
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behort.« 1 ) Sie forderte übrigens den Nachweis eines Vermögens von 30 Mark und einen Betrag von einer Mark als sog. "Harnischgeld", d. h. zur Bestreitung der Unkosten, welche die kriegerische Ausrüstung einiger Genossen, die das Amt auf sich zu nehmen hatte, verursachte. Auch über die Höhe des im 16. Jahrhundert gezahlten Betrages kann man sich eine klare Vorstellung nicht entwerfen. Im Protokollbuch von 1575 heißt es, daß den Aelterleuten bei der ersten Einreichung des Gesuches um Zulassung zur Meisterschaft 4 Schillinge zu zahlen waren. Dieser Summe folgten, wenn das Meisterstück angefertigt worden war, 4 Mark Harnischgeld, 6 Gulden »vor dat stovenlach« (eine Abgabe, die wie es scheint, bei der Verheirathung zu zahlen war) und 12 Gulden für die Amtsköste, wobei sich nicht feststellen läßt, ob dieser letztere Betrag statt der Mahlzeit gezahlt wurde oder mit ihm das Essen angerichtet werden sollte. Im 17. Jahrhundert mußten 38 Gulden und 16 Schillinge entrichtet werden, nämlich 1 Gulden 8 Schillinge beim ersten Gesuch »weil das ambt darumb zusamenkumbt«, 2 Gulden jedem Aeltesten, deren das Amt zwei hatte und 33 Gulden 8 Schilling in die Amtskasse. Eine Erhöhung erfahren diese Beträge jeweilig dadurch, daß für nicht in Ordnung befindliche Papiere, für ein nicht zu voller Zufriedenheit ausfallendes Meisterstück u. s. w. Strafgelder gezahlt werden mußten. Dem entsprechend kostete einigen Meistern am Ende des 17. Jahrhunderts die Niederlassung 46, bezw. 52 Gulden.

Diese Summe wurde im vorigen Jahrhundert auf 35 Thlr. und 40 Schill. umgerechnet, nämlich 24 Schillinge für das Aufgebot des Amts, jedem Aeltesten 1 Thlr. und 33 Thlr. 16 Schill. in die Amtslade. Später scheint der Betrag auf 40 Rthlr. erhöht worden zu sein. Wenigstens antworten, als im Jahre 1813 ein herzogliches Rescript vom 4. März die Kosten des Meisterwerdens bei den einzelnen Gewerben festzuhalten wünscht, die Zinngießer am 26. April, wie folgt:

1) Dafür, daß ein angehender Meister sein Meisterstück in dem Hause des Aeltesten machen muß, dieser ihm seine Werkstatt, seine Geräthschaften zur Verfertigung des Meisterstücks liefert, muß derselbe an den Aeltesten bezahlen Rthlr. 6.

2) Bey dem Gutbefinden des verfertigten Meisterstücks muß derselbe die Hälfte des zu erlegenden Quantums von 34 Rthlr. N 2/3, nämlich 17 Rthlr. sogleich an die Amtskasse erlegen, die andere Hälfte aber jährlich mit 2 Rthlr. abtragen.


1) Anhang Nr. 1, Art. 9.
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Es ist nun ganz charakteristisch, daß diese Summen fast nie vollständig auf ein Mal von den angehenden Meistern bezahlt werden können. In den meisten Fällen überstiegen sie vermuthlich die materielle Leistungsfähigkeit der Betreffenden. Eine geringfügige Summe wurde gleichsam als Abschlagszahlung in der Lade niedergelegt und der Rest als Schuld betrachtet, die jährlich zu verzinsen und in kleineren Raten zu tilgen war. Jahre vergingen darüber, bis der Einzelne seinen Verpflichtungen genügt hatte und mancher starb hinweg, ohne daß ihm dieses gelungen war, so daß das Amt sich, wie in einem gegebenen Falle, an den vom Verstorbenen hinterlassenen Formen schadlos zu halten suchen mußte. Dabei war dieser Meister nicht etwa eines frühzeitigen Todes verblichen. Im Jahre 1687 Meister geworden, starb er 1722 und hatte demnach in 35 Jahren nicht die Summe von 33 Gulden abzutragen vermocht. Seit 1673 bis zum Jahre 1791, in welcher Zeit 23 Meister neu aufgenommen wurden, findet sich nicht ein einziger, der seinen Geldbetrag sofort baar entrichtet hätte. Vielmehr dauerte es, abgesehen von einem Meister, der schon nach 2 Jahren das Fehlende hatte beibringen können, in den günstigen Fällen 7 - 8 Jahre, in den weniger günstigen 12 - 17 Jahre und in den ungünstigsten 22 - 25 Jahre, bis alle Ansprüche des Amts befriedigt waren. Seitens des Amts war man auf diese Säumigkeit vollständig eingerichtet und scheint auch nicht das geringste Bedenken darin gefunden zu haben, wie der zweite Absatz der Antwort auf das herzogliche Rescript von 1813 beweist. Doch mag diese langwierige Verschleppung nicht immer Allen nach Wunsch gewesen sein. Wenigstens sieht der Entwurf von 1773 vor, daß die Hälfte der vorschriftsmäßigen Summe, also 16 Thlr. und 32 Schill, von vornherein baar entrichtet werden müsse und nur ein ebenso großer Rest gestundet werden könne.

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß in diesen hochgeschraubten Geldforderungen ein Hauptgrund für das Elend lag, in welchem das deutsche Handwerk seit dem 30jährigen Kriege schmachtete. Was hier von den Zinngießern genauer nachgewiesen werden kann, stellte sich in den anderen Gewerben durchaus nicht besser. Ueberall waren, um vom Eintritt in das Amt abzuschrecken, die Gebühren im Laufe der Jahre stark erhöht worden; die Klage darüber ist eine allgemeine. Wenn nun der mittellose Handwerker sein Geschäft, zu dessen erster Einrichtung er doch auch des Kapitals bedurfte, schon mit Schulden begann, so kann man sich denken, wie sehr ihm sein Vorwärtskommen erschwert war. Sich dem Amte zu entziehen, konnte er aber nicht wagen, weil er als Freimeister, von allen verfolgt

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und zurückgestoßen, ganz sicher eine kärgliche Existenz fristete, während er als Amtsgenosse, wenn das Glück ihm hold war, mehr verdienen zu können hoffen durfte. Darnach zu urtheilen, daß die Abtragung der Restzahlung so lange Zeit beanspruchte, müssen freilich solche Hoffnungen unserer Rostocker Zinngießer oft getäuscht worden sein.

Zu diesen Geldabgaben kamen schließlich noch die Unkosten für die zu veranstaltenden Mahlzeiten, die sog. Meister=Essen. Auf diese scheinen die meklenburgischen Gewerbetreibenden von jeher großes Gewicht gelegt zu haben, ließen sich wohl auch manche Uebertreibung zu Schulden kommen. Denn schon die ältesten Landespolizei=Ordnungen des 16. Jahrhunderts eifern gegen das Uebermaaß bei der Veranstaltung dieser »Kösten«. Das Protokollbuch von 1575 hat uns einen culturhistorisch nicht uninteressanten Speisezettel aufbewahrt, der bei Gelegenheit der Erlangung der Meisterschaft eingehalten zu werden pflegte. Er lautet:

"Hernach volget watt man vor gerichte spyset up datt vorbenomede ampt.

Thom ersten spiset he den olderluden und olderfrowens eine schincken unde droge flesch und grapenbrade myth mandelen unde rosinen und ein richte Honern myth bygot 1 ) und eine brade; darna botter unde kese.

Thom andern deith he de meisterkost und hefft dat gantze ampt, unde spiseth ehn alßden grapenbrad myth mandelen unde rosinen, darna lahmsfleisch, darna ryeß, darna braden und gebraden honer, darby entlichenn botter unde kese, und op den avendt even desulve gerichte und ein gericht heketh 2 ) darbeneven.

Thom dridden deith he den wynkosth, wen idt den olderluden geleveth, und spiset ehne grapenbrade myth mandelen unde rosinen, darna honer myth bygoet, darna lamfleisch, darna wyenmoeß, darna Lammesbraden myth gebraden honern, suletzt botter unde keeß, und schencket clareth 3 ) unde wyen; up dat afent en gerychte heket. 2 )"

Diese vielleicht weniger an sich schwelgerischen aber die Mittel unserer Handwerker in der Regel wohl übersteigenden Mahlzeiten wurden am Ende des 16. Jahrhunderts durch landesherrliche Verordnung eingeschränkt. In dem Güstrowschen Erbvertrag von 1585 wurde den Handwerkern die Abhaltung solcher Festlichkeiten bei Strafe von 50 Thlrn. ganz verboten. Statt der "Ambtsköste" sollte ein junger Amtsbruder jedem Aeltermann 1 Gulden, der


1) Sauce.
2) Hecht.
3) Würzwein.
2) Hecht.
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Amtsbüchse 10 Gulden und ebensoviel zum Ankauf von Silbergeschirr geben. 1 ) Obwohl nun diese Verfügung den Gewerbetreibenden sämmtlich mitgetheilt wurde, indem man sie den Rollen der einzelnen Aemter als Zusatz anfügte, scheint ihr Erfolg doch nur ein unbedeutender gewesen zu sein. Man nahm seit der Zeit von dem jungen Meister Geld (das ursprünglich als Abfindung für die Mahlzeit gedacht war), erhöhte diesen Betrag sogar allmählich und ließ ihn die "Köste" trotzdem veranstalten. Das einzige, wozu man sich bequemte, war größere Sparsamkeit in der Anordnung des Essens, wozu indeß vielleicht auch die Noth drängte. Die »Punctationes« 2 ) sprachen von einem Meister=Essen, das aus Braten, Fisch (Hecht oder Lachs), Käse und Butter, einer Kanne Rheinwein und Bier nach Bedarf bestand, und der Entwurf von 1773 3 ) sieht sogar die Möglichkeit vor, daß wegen der Mahlzeit "ein Billiges mit dem Amte accordiret werde".

Läßt die ganze Behandlung und Auffassung der Erlangung des Meisterrechts erkennen, daß mit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch die Blüthezeit des Zunftwesens ihr Ende erreicht hat, so tritt bei einer anderen Erscheinung gleichfalls hervor, daß es mit demselben bergab geht, nämlich bei den Streitigkeiten um die Arbeitsgrenzen. In weiterschreitender Arbeitstheilung waren Handwerker, die ursprünglich zu einem Amt gehört hatten, von einander getrennt worden und bildeten selbständige Korporationen. Diesen mußten nun von Obrigkeitswegen die Grenzen ihrer Thätigkeit genau gezogen werden. Was dem einen Amte erlaubt war, mußte dem andern verboten sein. Dies hatte von vornherein, wie leicht erklärlich, Anlaß zu Unzufriedenheit unter den Betheiligten gegeben. Bis ins 14. Jahrhundert reichen die Nachrichten über derartige Zunfthändel zurück. 4 ) In dem Maaße nun, als die Erwerbsgelegenheit stockte, als es den Mitgliedern der einzelnen Aemter schwer wurde, den nöthigen Lebensunterhalt zu verdienen, mehrten sich die Uebergriffe und die Klagen darüber. Man fragte nicht mehr, ob die Leistung, die verlangt wurde, zu liefern in der Rolle erlaubt war, oder ob sie eigentlich in einen andern Arbeitsbezirk fiel, man griff zu und war froh, überhaupt Beschäftigung zu finden. Bei den zur Vornahme der betreffenden Arbeit privilegirten Meistern erregte solches Vorgehen selbstverständlich böses Blut und


1) Anhang Nr. 3.
2) Anhang Nr. 9, Art. 13.
3) Anhang Nr. 11, Art. 7.
4) Vergl. m. Aufsatz "Zunfthändel im 16. Jahrhundert" in Maurenbrechers "Historisches Taschenbuch". Jahrgang 1885.
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nicht immer konnten sie sich dadurch helfen, daß sie ihrerseits Eingriffe in die Vorrechte anderer Aemter sich gestatteten. Die Beschwerden über Beeinträchtigung des Arbeitsgebietes rissen im vorigen Jahrhundert nicht ab und als erst die Fabriken in größerer Zahl entstanden, wurde der Jammer noch stärker. Die Handwerker kämpften einen aussichtslosen Kampf, wenn sie auf die Einhaltung des ihnen zugewiesenen Arbeitskreises pochten; aber sie waren unermüdlich darin und wurden es selbst nicht gewahr, daß sie damit eigenhändig einen Nagel mehr in den Sarg, der die alte Amtsherrlichkeit aufzunehmen bestimmt war, schlugen.

Die Kannen= und Grapengießer geriethen, wie bereits erwähnt, nur zu leicht in Konflict mit den Rothgießern. Unseren Rostockern wird daher in der Rolle von 1482 zugesichert, daß kein Apengeter oder Ketelböter (Kesselflicker) irgend eines ihrer Fabrikate stückweise verkaufen oder in das Fenster seines Hauses, d. h. zum Verkauf anbieten, setzen dürfe »deme vorgescreven ampte to vorfange«. Aber nicht nur gegen andere Gewerbetreibende, auch gegen andere Bürger, d. h. offenbar gegen Kaufleute, die mit den Erzeugnissen der Grapen= und Kannengießer Handel zu treiben wünschten, wurden die letzteren in Schutz genommen. Mehrere Artikel (§§. 15 - 18) schreiben vor, daß Bürger mit rothen und weißen Kesseln, mit Becken, selbst mit dem Rohstoff, Stahl und Eisen, keinen Detailhandel treiben sollten.

Wie diese Bestimmungen während des 16. Jahrhunderts gehandhabt wurden, ist nicht bekannt. Aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts haben wir ein sicheres Anzeichen, daß die Handwerker ängstlich auf ihre Ausführung gewacht haben werden. Wenigstens lassen sich die Zinngießer im Jahre 1625 von einem Kupferschmied dafür, daß er während des Pfingstmarktes seine Verkaufsstätte unter den ihrigen aufschlagen darf, eine Entschädigung von einem Gulden bezahlen. 1 ) Der Pfingstmarkt war unseren Gewerbetreibenden überhaupt nicht angenehm. Für die Dauer desselben waren alle Privilegien aufgehoben und auf diese Weise erwuchs ihnen eine empfindliche Concurrenz. Diese abzuschwächen, erwirkten sie im Jahre 1718 das Verbot für die Löffelgießer, mit ihren Waaren während des Pfingstmarktes in der Stadt zu hausieren. Dieselben durften mit ihren Erzeugnissen nur ausstehen. Später, in den Jahren 1767 und 1768 suchten sie darum nach, daß der Verkauf von auswärts zubereitetem und verarbeitetem Zinn auf dem Pfingstmarkte nicht erlaubt sein sollte. Doch dürfte


1) Anhang Nr. 4.
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der Rath hierauf kaum eingegangen sein. Eine Antwort auf diese Eingabe ist in den Akten nicht vorhanden.

Einen Goldschmied verklagte das Zinngießer=Amt im Jahre 1728 vor dem Wettgericht, weil derselbe zinnerne Arbeit mache »in Zieraht, in Schildern, an Särgen und sonsten«. Insbesondere die Anfertigung von Zinnsärgen, die er wiederholt vorgenommen hatte, zuletzt für einen verstorbenen Schwedischen Bürgermeister, verdroß, wohl wegen des ansehnlichen Gewinnes, der hierbei erzielt worden war. Der Goldschmied erwiderte, daß kein Zinngießer so wohlfeil arbeite, wie er, daß keiner an Geschicklichkeit es ihm gleich thue und solche verlangte feine Arbeit zu liefern im Stande sei, endlich daß durch seine Thätigkeit verschiedene Einwohner in der Stadt Vortheile zögen. Ob der Rath sich durch diese Argumentation bewegen ließ, dem Goldschmied die Fortsetzung seiner Arbeit zu gestatten oder den Zinngießern Recht gab, ist unbekannt.

Mit einigen angesehenen Kaufleuten kamen die Zinngießer im Jahre 1768 aneinander. Diese nämlich ließen englische Zinnfabrikate kommen und kündigten den Verkauf derselben in den öffentlichen Blättern an. Einer von ihnen verkaufte auch irdene Krüge mit zinnernen Deckeln und Füßen. Auch ein Gelbgießer gab Veranlassung zur Beschwerde, weil er zinnerne Patronen zu Sargbeschlägen angefertigt hatte. Mit dem Hinweis auf die Verfügung in der Rolle von 1482, 1 ) daß kein Rothgießer oder Kesselflicker Zinnwerk Stückweise verkaufen oder ins Schaufenster setzen dürfe, glaubten sie eine Eingabe an den Rath, in welcher sie baten jenen solchen Handel zu verbieten, stützen zu können. Die Kaufleute vertheidigten sich damit, daß die Rostocker Meister, weil sie keine messingene Formen besäßen, nicht so gute Erzeugnisse wie die englischen liefern könnten. Im Uebrigen dürfte ein Kaufmann mit allen Waaren so lange Handlung treiben "biß daß derjenige, welcher ihm in Ansehung einer gewissen Species, Contradiction machet, ein ihm dieserhalb zustehendes jus prohibendi dargethan und erwiesen habe". Dieses »jus prohibendi« könnte das Amt aus seiner Rolle augenscheinlich nicht erweisen.

Hierbei wird es sein Bewenden gehabt haben und den Kaufleuten der Handel unverwehrt geblieben sein, denn in den »Gravamina« der Zinngießer vom Jahre 1773 spielt die Klage über Beeinträchtigung durch die Kaufmannschaft noch immer eine große Rolle. Dieselbe begnügte sich nicht damit, die englischen Erzeugnisse in ihren Läden zu verkaufen, einzelne Mitglieder derselben schickten


1) Art. 19.
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- horribile dictu - selbst alte Weiber mit Löffeln hausieren. Es kann damals, nach dieser Beschwerde zu urtheilen, mit den Rostocker Zinngießern nicht zum Besten ausgesehen haben. Die Einheimischen ließen aus nicht näher bekannten Ursachen viel in Wismar und in Lübeck arbeiten. Selbst die Hagel=Fabrikation, mit der die Zinngießer sich gleichfalls befaßten, war eingegangen. »Wo hierin nicht baldt ein. Wandel geschicht«, so schließen die »Gravamina«, »dass entweder eine schwere Accise darauf geleget oder durch sonstige Mittel uns geholffen werde, so wirdt unser Ampt in kurtzen ausgehen müssen.«

Man darf diese Bestrebungen, sich den bisherigen Absatzkreis ungeschmälert zu erhalten, den Zinngießern nicht übel deuten. Seit Anfang des Jahrhunderts ging es augenscheinlich mit dem Gewerbe rückwärts. Der Absatz stockte und speculirende Köpfe waren bereits auf den Gedanken gekommen, auf den Jahrmärkten das sonst unverkäufliche Zinngeschirr mit Würfeln ausspielen zu lassen. Das Verbot, für Kaufleute zu arbeiten, die mit Neu=Zinn handeln, hatte der Receß von 1710 schon ausgesprochen, sowie damals auch daran festgehalten wurde, daß man den herumziehenden Kesselträgern keine Zinnsachen verkaufen sollte, um die Absatzmöglichkeit nicht noch mehr einzuschränken. Bei derartigen Zuständen werden die Kämpfe unserer Rostocker Zinngießer erklärlich.

An einen Verzicht auf ihre Privilegien dachten die Zinngießer weniger als je und noch im Jahre 1854, nachdem kurz vorher ein Klempner, der verschiedene Gußwaaren, wie zinnerne Knöpfe, Senkblei u. dgl. m. angefertigt hatte, verklagt worden war, mußte das Gewett auf Antrag des Zinngießer=Amts bekannt machen, daß "demselben das ausschließliche Recht auf die Anfertigung und den Verkauf zinnerner und bleierner Gußwaaren, soweit nicht in der Amtsrolle Beschränkungen enthalten und andere Innungen oder Concessionisten gleichberechtigt sind, zusteht."

Die Landesregierung hatte für die Nothlage unserer Handwerker stets ein williges Ohr. Im Jahre 1710 hatte Herzog Friedrich Wilhelm alle fremden Zinngießer, die im Lande herum vagiren und mit Gieß= und Verfertigung allerhand Zinnengeschirres den Einheimischen ihr Brod und Nahrung entwenden, aus dem Lande entfernt. 1 ) Herzog Friedrich begünstigte die Zinngießer, indem er ihnen durch Decret vom 3. Octbr. 1776 2 ) zugestand, altes Zinn accisefrei in Rostock einzuführen. Auf diese Weise konnten


1) Gesetzsamml. f. d. Mekl.=Schwer. Lande, Bd. 5, Nr. 1450.
2) Anhang Nr. 12, 13.
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die Rostocker Meister altes Zinn auf dem Lande aufkaufen oder sich alte Stücke zum Umguß auf Bestellung schicken lassen, sahen also ihren Kundenkreis erweitert. Später scheint diese Verfügung in Vergessenheit gerathen zu sein. Aber es bedurfte nur einer Beschwerde des Amts, um Herzog Friedrich Franz I. zu veranlassen, durch Decret vom 31. August 1791 die Accise=Freiheit für altes Zinn, aber wohlverstanden nur für die Zinngießer, aufrecht zu erhalten. 1 )

Achteten die Amtsgenossen darauf, daß ihre Privilegien nach außen hin keine Beschneidung erfuhren, so wachten sie gleichzeitig nicht minder über die Aufrechterhaltung der Statuten im Innern. Uebertretungen derselben wurden verfolgt und wenn hierbei mitunter Neid und Mißgunst im Spiel zu sein schienen, so hatte diese Strenge nach einer anderen Richtung wieder etwas unleugbar Gutes. Einige Beispiele mögen das zum Schluß erweisen. So wurde im Jahre 1597 ein Meister zur Verantwortung gezogen, weil er auf einem "Junckerhofe" statt in seiner Werkstätte gearbeitet hatte, d. h. daß er statt die Bestellung des Adeligen zu Hause zu erledigen, auf dessen Gut sich begeben hatte, was sich wohl mit der Meisterwürde nicht vertrug. Viel Verdruß hatten unsere Kannengießer im Jahre 1672. Ein angehender Meister, der allen Anforderungen sonst zu entsprechen in der Lage war, weigerte sich, die ihm herkömmlich zugedachte Meisterstochter zu heirathen. Das Amt wollte ihn deshalb nicht zur Meisterwürde zulassen, Michel Voß - so hieß der Mann - wußte aber den Rath für sich zu gewinnen und dieser machte dem Sträuben der Handwerker gegenüber kurzen Prozeß. Er nahm dem Amte seine Lade, sein Petschaft und seine Rolle weg. Trotzdem gab dieses zunächst nicht nach und es vergingen einige Jahre, bis es einem Amtsgenossen, der den Widerspruch des Michel Voß für völlig angemessen hielt, gelang, das Amt zum Nachgeben zu bewegen. Michel Voß erklärte sich bereit, die mittlerweile in der Streitsache aufgelaufenen Gerichtskosten zu tragen. Ins Protokollbuch aber, in welchem der Fall ausführlich beschrieben wurde, trug man ein, daß dasselbe nicht als Präjudiz für die Zukunft angesehen werden solle. Den Meisterstöchtern blieben ihre Aussichten ungeschmälert!

Einen besseren Eindruck machen zwei andere Klagesachen, die eine aus dem 17., die andere aus dem 18. Jahrhundert, weil sie


1) Anhang Nr. 14.
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Zeugniß davon ablegen, daß der Begriff der alten Handwerksehre, die auf untadelige sorgfältige Arbeit achtete, in unsern Zinngießern nie unterging. Es handelte sich in beiden Fällen um nicht probemäßiges Zinn. Im Jahre 1611 klagten die Aelterleute gegen Hans Meyer vor dem Gewette, weil er kein probehaltiges Zinn verarbeite. So oft sie bei ihm Umschau hielten, weise er nur gutes Zinn auf; wenn sie aber weg wären, fertige er nur "geringes guth" an. Schon vor 5 bis 6 Jahren deshalb zur Rede gestellt, entschuldigte sich Meyer damit, daß er längere Zeit außerhalb des Hauses beschäftigt gewesen sei und seine Werkstätte nicht habe beaufsichtigen können. Er versprach, daß schlechte Arbeit aus derselben nicht mehr hervorgehen sollte. Aber er hielt das Versprechen nicht und bald lagen neue Stücke vor, die ihn abermals der Fälschung ziehen. Da man das entdeckte, änderte man seinen Stempel und setzte dem »r« »zwei Punctlein dabey, auff dass sie dasjenige guth, so darunter gemacht, van vorigen seinem gemachten Zeuge unterscheiden möchten«. Der hartnäckige Meyer aber feilte das eine "Tüttelken" flugs wieder ab, wurde natürlich bald darüber ertappt und nun vor das Gewett gebracht. Hier vertheidigte er sich abermals damit, daß das nicht probemäßige Zinn ohne sein Wissen in seiner Werkstätte gegossen sei. Das »ein pünctlein bey seiner marcke« aber habe er abgeschafft »weil es ihm ein gross schimpff und verkleinerung gewesen«. Das Gericht ließ sich durch diese Einwände nicht irre machen, sondern verurtheilte ihn zu einer Geldstrafe. Im Stempel aber behielt das »r« allerdings nur den einen Punkt.

Ein ähnlicher Fall spielte mehr als 100 Jahre später. Im Jahre 1718 wurde Meister Jochim Voß belangt, weil er viele Stücke angefertigt hatte die nicht mit der rechten Probe übereinstimmten. Auch er mußte seinen Stempel ändern und zu seinem Namen die Zahl 18 setzen, damit man unterscheiden könnte, was er vorher und nachher gemacht habe. Fände man ein mit dem neuen Stempel gezeichnetes Stück, das nicht die richtige Probe hielte, so drohte ihm Ausschluß aus dem Amte. Außerdem mußte sich Jochim Voss zur Deckung aller Gerichtskosten verstehen und verpflichten, alle seine schlechten Stücke, falls sie ihm präsentirt würden, unentgeltlich umzugießen, ja sogar 40 Gulden in der Amtskasse deponiren, damit auch nach seinem Tode das aus seiner Werkstatt stammende falsche Zinn verbessert werden könnte. Trotz dieser harten, wenn auch gerechten Strafe, verfiel Meister Voß nicht lange in den gleichen Fehler. Im Jahre 1723 steht er unter derselben Anklage vor dem Gewett. Seine Strafe bestand u. a. in einer

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neuen Veränderung seines Stempels, in dem man in der Mitte "zum Andenken einen großen Punkt" machte. Kannen mit diesem Stempel sind noch mehrfach in Rostock anzutreffen, z. B. in der Sammlung von Zinngeschirren des Museums Rostocker Alterthümer und auch im Privatbesitz.


Anhang. 1 )

1.

Rolle der Kannengießer und Grapengießer in Rostock.
1482, Mai 16.

Wytlick sy dat nha der bort Christi unses heren dusent verhundert dar nha yn deme twe unde achtentigesten yare umme trent unses heren hemelvart de ersamen manne heren borgermeistere unde ratmanne der stadt Rozstock deme almechtigen gode to love umme vorbeteringe wille dersulven erer stadt bestantnisse unde endracht des amptes der grapengeter unde kannegeter darsulves na ripeme rade unde wolbedachten můde hebben angherůmet, gůnd unde irlovet den olderluden unde gemenen broderen dessulven amptes alle puncte stucke unde artikele hyr na begrepen unde gescreven jedoch sich beholdende vulkammene macht sodane puncte


1) Der Abdruck der nachstehend mitgetheilten Stücke erfolgt getreu nach dem Original unter Befolgung der von Koppmann in den Hanse=Recessen, Bd. 1, aufgestellten Editions=Grundsätze für die ersten Stücke. Die jüngeren Stücke, von Nr. 4 an, sind mit allen Eigenthümlichkeiten der Original=Schreibweise wiedergegeben. Die Paragraphirung ist bei den Stücken, wo die Zahlen eingeklammert sind, vom Herausgeber hinzugefügt worden, Sämmtliche Stücke befinden sich im Rathsarchiv zu Rostock.
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stucke unde artikele na vorlope der tyt to corrigernde, to vorbeternde, to vormerende unde to vormynrende, zo vakene alze en dat duncket nutte sin unde van noden.

(1) Int irste myt den nyen grapen to ghetende, scholen unde wil wy dat holden alze dat unse nabere helden yn anderen bybelegen steden, alze mit namen to Lubeke, tor Wismer, tom Stralsunde etc., so dat nůgafftige grapengheten, dar de kopman unde andere vrame lude ane vorwart sindt; weme anders funde, dat scholen de olderlude vorkundigen den weddeheren, tor tyt wesende, den umme en sodans to straffende alze borlick yss.

(2) Item schal eyn yderman de kannen maken by sick unde vlasschen unde vathe schalme maken van gudeme tynne alzo men de maket yn andern guden steden by der ze belegen; wert dat sick yennich amptbroder hyrane vornickede unde de olderlude des amptes dat so by ene befunden, so schal he dat wedden deme rade dat stucke teyn schillinge, unde dat gud schal he wedder vorsmelten sunder yennigerleye insage edder geverde.

(3) Item welck man de van desseme vorgescreven ampte ketele koft van buten tho, de hyr yn de stadt gekamen sindt, de schal he beden ynt ampt, wat baven eynen syntener yss.

(4) Item welck kannengeter des vorgescreven amptes bynnen Rozstok kofft tyn effte blye, dat baven viff litzpunden unde myn iss, dat schal he delen yn dat ampt, weme dat ampt des nicht wil beloven, de schalt deme kopmanne vornůghen.

(5) Item welck grapengheter bynnen Rozstock kofft eyn halff schippund koppers, des schal he syneme nabere mede to hebbende nicht weygern, so verne de kopman kopman (!) mede vornughen kan.

(6) Item schal nemand des vorgescreven amptes deme anderen sine knechte entmeden, dewile dat ze yn sineme brode sind, sunder orloff eres meisters, we dar enbovene dede, de breckt deme rade dre mark sulvers.

(7) Item welck man effte meyster entpfenget enen leeryunghen an dat vorgescreven ampt, de schal den entpfanghen vor den olderluden dessulven amptes unde schal tughen, dat

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he echte unde rechte gebooren ys van guden Dudesschen luden unde schal gheven den olderluden zos Sundische schilling.

(8) Item stervet eyner vrouwen des vorgescreven amptes ere man aff, unde de man leth achter sick na synem dode enen sone, so mach ze des amptes vortahn brůken, men hefft ze nenen zone, so schal ze des amptes nicht lengher bruken wen yar unde dach, sunder willen des amptes unde broke des rades.

(9) Item welck man, de yn desseme vorscreven ampte sines sulves wil werden, de schal tovorne spreken myt den oldirluden unde denne mit eneme meystere synes amptes twe yar langk sunder myddel denen, so dat em de meyster, den he hefft gedenet, gutliken bedancke, unde schal maken dre stucke synes amptes uppe der oldirlude werckstede, de deme ampte nůghaftich sind, dar to schal he hebben 30 mark; ock schal he gheven ene mark to harnesche, don den oldirluden unde ampte, wes en na older lovelker wonheyt behort unde vorborghen deme ampte na to donde, alze olden hebben vorgehen gedan.

(10) Item wanner denne dat vorgescreven ampt van des radess wegen vorbadet wert, we denne mcht enkummet to klockentyt, de schal breken teyn schillinge Sundisch.

(11) Item wert dar ock we vorbadet van des amptes weghen, de nicht kummet to klockentyt, alze he vorbadet yss, de brecket enen witten; ghifft he den witten nicht uth, so mach me ene panden. Isset denne dat he de pande weygerde, dat schal he betern den weddeheren mit teyn schillingen Sundisch.

(12) Item ys beramet welckere de tom latesten yn dyt vorbenompde effte vorgescreven ampt kummet, de schal dat ampt, wen des ys to donde, vorbaden, beth so lange eyn anderer nye kummet, de ene darvon vorlosset.

(13) Item ys beramet, dat de ene des vorscreven amptes den anderen uthe syner waninge nicht schul hůren; ock schal de ene deme anderen syne koplude nicht entwennen edder entheen sunder brok des rades.

(14) Item efft yemende van dessen vorgescreven ampten yennich driftich gudt tor handt qweme, dar em ane mysduchte, dat schal he toven up enen warsaghen; mach he den

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nicht hebben, so schal me dat averantwerden den weddeheren up eyn recht.

(15) Item mach eyn yslick borgher kopen effte smeden laten ketele, zellende by schippunden effte halven schippunden efft vyf lytzpunden; wert, dat we darneddene zellede, dat ys deme ampte to na, unde de rath hefft dar broke ane. Ock schal me sodane ketele nicht up dat vinster setten edder to lande verkopen, men allene tor zewart.

(16) Item eyn iewelick borgher mach kopen witte ketel, rode ketele unde beckene, men he schal ze nicht myn wedder vorkopen wen by syntenern unde halven syntenern, by des rades broke. Ock schal he ze nicht uppe dat vinster setten edder to lande vorkopen men allene to der zewart.

(17) Item mach eyn yslik borgher kopen yssere by schocken unde mach dat wedder uthsellen by schocken, halven schocken unde by verden delen, alle wegheyseren nicht myn to vorkopende wen by schippunden unde verndelen, unde schal dat ock nicht upt vinsteren setten.

(18) Item eyn yewelck borgher mach kopen eggestael unde osemunt by vůllen vathen unde mach dat ock by vullen vaten wedder vorkopen unde schal ock den osemund by stucken nicht wedder utsellen men by viftigen, dat van oldinges ys geheten eyn hundert unde nicht myn, by dren marken zulvers, unde ock dat eggestal dergeliken. Ock schal me dat nicht uppet vinster setten.

(19) Item schal nen apengeter edder ketelboter yennigerleye werck by stuckentale vorkopen effte uppt vinster setten deme vorgescreven ampte to vorfange.

(20) Item nen man, frauwe, knecht edder yemandes anders under dessen vorgescrevenen ampte beslagen, schal den anderen beswaren mit yenigerleye rechte, he vorsoke unde vorvolge dat ersten vor den olderluden; wer dar baven deyt, de schal dat beteren den weddeheren unde an yewelcken olderman dre mark sulvers.

Rostocker Stadtarchiv. Liber arbitriorum. S. XXVI - XXVII.


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2.

Beschlüsse der Kannengießer=Aemter von Lübeck, Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock, Stralsund, Greifswald, Anclam, Stettin, Bremen, Stade, Itzehoe, Kiel, Brandenburg und Schwerin gegen die Gesellen.

1573, März 30.

Abgedruckt Conrads Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 33, S. 336 - 339.


3.

Landesherrliche Verfügung über die Veranstaltung von Amts= und Aeltermanns=Kösten.

1585.

Anno 1585 im September ist mit diesem Ambte auff dem iüngst getroffenen Güstrowschen Erbvertrag dahin geschlossen, dass die Ambt und Aeltermanskoste solten gentzlich eingestellet sein; theten sie dawieder, solten sie der Stadt funffzig Thaler Straffe geben; es solte aber ein jungk Alterman an stat seiner Altermansköste dem Ambte geben eine thonne bieres und achte gülden in des Ambts büchse, und durchauss nichtes mehr womit beschwehret werden. Ein iungk Ambtbruder soll geben an stat der Ambtköste für's erste einem jeden der Aelterleute, wan er dass Amt eschet, einen gülden, dem Ambte eine thonne bier, in des Ambts büchse zehn gulden, davon dem Ambte und der Stad zu ehren ein thaler zu harnische soll gegeben werden und überdass noch zehen gülden zum

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silbern becher und nirgends womit mehr beschwehret werden, alles bey zuvor angedeuteter straffe, welche von demselben, so hiewieder zu handeln ursache gegeben, soll genommen werden.

(Als Zusatz zur Rolle von 1482 auf einer Abschrift derselben von 1678.)


4.

Bescheinigung über die Zahlung des Kupferschmieds Hans Garke an das Zinngießeramt zu Rostock für die Vergünstigung einen Platz unter ihren Verkaufsständen auf dem Pfingstmarkte einnehmen zu dürfen.

1625.

Anno 1625 den 17. Januarij gaf Hans Garken der kopperschmit unsem ampte 1 fl. darfor, dat ehme vorgunt wort van dem ambte, dat he sinen kram up unse steden den vorgangen pingstmarcket buwen mochte, soferne he achter da staen wil unde ein Erbar ampt eem solches wil vorlofen, modt he des amptes willen darfor maken.

Eintrag im 2. Protokollbuch, das im Jahre 1597 angefangen ist.


5.

Beschlüsse der Kannengießer=Aemter der wendischen Städte gegen die Gesellen.

1662, April 27.

In Gottes Nahmen Amen. Wissent sey hirmit allen den diese Schrifft vorkömpt insonderheit den Aeltisten und Meistern des Kannengiesser - Ambts. Unsere Liebe Ambtsbrüder und

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Ambtsverwandten, so itziger Zeit leben und könfftig zukommende, daz nachdehm vornemlich zu diesen itzigen bösen zeiten unter eins Ambts gesellen viel unlust wie auch viel Muthwillen täglich erwachset, damit nun diesen allen vorzukommen, also daz erstlich Gott gefürchtet, die Obrigkeit geehret, wie auch unser Löbliches Ambt in Ehren müge gehalten werden, damit wir in unser Vocation und Beruff uns mögen mit Gott und Ehren ernehren. Diesem nach sollen nachbeschriebene Meister folgende Puncte und Articulen bey angehengter Poene, wie hernach folget, und einhellig beliebet, zu halten verbunden sein, jedoch aber einer jeden Stadt Obrigkeit, Gerichtsgewalt und Herrlichkeit ohnverfenglich.

(1) Zum Ersten werden wir aus Gottes Wohrt vermahnet Gottes Reich und seine Gerechtigkeit erstlich zu suchen. Also sollen alle Meister ein gottsäliges Leben und Wandel führen und in allen Tugenden und guthen Exempeln ihren Gesellen und gesinde fürgehen, und darzu reitzen und anmahnen, wie solches einen Christlichen Haussvater wohl anstehet und zu thunde gebühret.

(2) Zum Andern welcher Gesell unsers Ambts Arbeit vollenkommen weis zu verrichten, soll sechs Schilling Lüb. Machelohn haben, darjegen die Bereder fünff Schilling, wofern er die verdienen kann.

(3) Zum Dritten soll kein Meister mehr als drei Gesellen halten und zwey Jungen, welche nach alten Gebrauch drey Jahr lernen sollen, komt aber ein Gesell wandern und wird von einem Meister angenommen, so soll der Meister einen andern Gesellen nach verlauff viertzehn Tagen wieder wandern lassen, wan auch einer von erwehnte zwey Jungens zwey Jahr hat gelernet, mach der Meister einen Jungen in den dritten Jahr zu lehren annehmen.

(4) Zum Vierten soll ein jeder Gesell des Montages Morgens zu fünff uhr auf der Werckstelle sein und arbeiten biss Neüne; und also die andern Tage nach alter Gewohnheit, aber des Donnerstages und Sonnabends zu Sechs Feyrabend haben, und wofern sie Montag machen, soll solches Ihnen abgerechnet werden. Wan dan vorfallen möchte, daz ein Meister einen Gesellen hierüber und sonsten andre Gebrechen halber vorklagen würde, so sollen die Aeltesten und die beyden Schaffers solches vertragen und straffen, auch von der Gesellen Straffe den Gesellen den dritten Pfennig zukommen lassen.

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(5) Ferner so ein Gesell von Einem Meister wandern würde ohn beweiss, soll er nicht gefodert werden, und soll solches beweiss mit des Ambts Pittschafft versiegelt werden.

(6) Ferner soll sich kein Gesell unterstehen in Kriegesleufften sich zu begeben, es geschehe dan zu behuff und Nothturfft der sechs Wendischen Städten oder sonsten der andern Ehrbaren Hänsestädte. Darzu ist es Ihnen erlaubet und frey gegeben. Würde sich aber ein Gesell unsers Ambtes bey frembde Heren und Fürsten in erwehnte Händel gebrauchen lassen, der soll seine Straffe nicht wissen, sondern nach erkantnus des Ambts in Straffe genommen werden.

(7) Ferner so soll ein Meister des andern seinen Gesellen nach alter gewohnheit und einhalt der Rollen nicht abspändig machen.

(8) Würde sich ein Gesell unterstehen Einen Meister unsers Ambts einen Jungen abspändig zu machen, imgleichen auch einen Gesellen aufzufodern, soll auf erkäntnus des Ambts Ernstlich gestraffet werden.

(9) Ferner sollen die Gesellen von keinen Gesellen mehr vor daz Tohr begleitet werden, als nur von einen, dehme soll es frey stehen; würde Jemand darwieder thun, soll vom Ambte gestraffet werden mit 1 mr. Lüb.

(10) Es soll auch kein Gesell macht haben, wan ein Gesell wandern komt von seines Meisters Werckstede aufzustehen, und mit demselbigen nach dem Kruge zu lauffen; imgleichen soll kein Gesell dem andern, von seines Meisters Werckstelle und Arbeit auffodern bey Ernstlicher Straffe.

(11) Ferner sollen die Gesellen vor 10 Uhr in des Meisters Hausse sein und da einer nach Elff Uhr kommen würde, demselbigen soll die Tühre mcht eröffnet werden, bey Poene ernstlicher Straffe.

(12) Ferner soll sich kein Gesell unternehmen oder verdriessen in des Meisters Hausse, es sey, wan es wolle, vornemlich, wan er des Abends einkomt, einige Schlägerey, Gezanck, Unlust und Ungebühr anzurichten oder zu erregen, auss welchem Schade und unglück leichtlich erwachsen kan; der daz thut, soll von den Meistern nach gestalt der Sachen gestraffet werden mit 3 Mr. Lüb.

(13) Ferner sollen die Gesellen bei Leicht anheben zu arbeiten, vier Wochen vor Michaeli biss auf mitfasten und soll Ihnen kein Biehr über die Mahlzeit gegeben werden.

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(14) Ferner wan unser Gesellen würden betroffen werden, daz sie sich ausserhalb oder in dem Kruge würden haartogen, schlagen und bluthwunden, die sollen von unsern Ambte kein beweiss erlangen, sie haben dan vorhin in der Stadt, da solches geschehen, vor die Hern abgewettet, und sich mit Ihnen vergleichet.

(15) Ferner, wan sich begeben möchte daz Haader oder Zwist zwischen Meister und Gesellen vorfiele, soll solches darselbst in der Stadt vor dem Ampt vortragen werden oder vor die Herrn der Wette (wofern ein Ambt solches nicht beylegen kan) solches kommen und erkennen lassen; würde aber einer hirgegen handeln und solches vor einer andern Stadt hinterbringen und klagen, der soll als ein verächter der Obrigkeit und des Ambts in straffe genommen werden.

(16) Ferner so ein Gesell befunden würde, der Unzucht in seines Meisters Hausse triebe und also des Meisters Brodt schendete, der soll des Ambts gantz verlüstig sein.

(17) Ferner so Einer unser Handwerck lehren will, sol niemand solches geweegert werden, wofern Er von Ehrlichen Aeltern gebohren ist.

(18) Ferner weillen auch Klage eingekommen und fast die erfahrung bey allen giebet, daz bisshero sich die Gesellen haben gelüsten lassen jede Woche an welchem Tage sie gewolt ausspatziren zu gehen und von der Arbeit zu bleiben, soll solches gäntzlich abgeschaffet und verboten sein bey Poene; so offt sich einer solches unternimbt, soll er in des Ambtes Straffe verfallen sein.

(19) Dieweil auch in erfahrung gebracht wird, daz eintheils Gesellen sich unternommen bey ungestrafften Meistern, die ausserhalb unser beliebung sein, zu arbeiten, so lange sie wollen, den sämbtlichen Ehrbahren Städten zu merklichen Schaden und nachtheil, wer nun solches weiss oder erfähret, und gleichwoll solche Straffbrüchige Gesellen nicht anmeldet, der oder dieselbigen, sie sein Meister oder Gesellen, sollen ohn unterscheid Ernstlich gestraffet werden.

(20) Es sollen auch kein Amtsbruder sich unternehmen Ihre fürgesetzte Aeltisten mit Unhöfflichen Schimpffworten anzufahren; so einer sich solches würde unterwinden, der soll nach gestalt der Sachen vom Ambte gestraffet werden.

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(21) Ferner ist beliebet, daz wan sich ein Gesell unternehmen würde bey einen ungestrafften Meister zu arbeiten lenger als 14 Tage, und der Meister sich hernach Straffen liess, so soll doch der Gesell nach gestalt der Zeit, so er bey Ihm gearbeitet hat, eben woll Straff geben oder er soll nicht geehret werden.

(22) Würden sich aber die Gesellen Jeden oder allen vorgeschriebenen Puncten und Articulen zugegen setzen, und darvonreisen, und an einen andern Ohrte sich begeben, und sonsten in einer Landstadt sich niedersetzen, die selbigen sollen als verächter und verfolger unsers Ambts geachtet und gehalten werden, darzu von diesen Kreiss und unsers Ambtsverwandten nebenst dero nachkommen miemahln geehret, noch gefodert werden, Es sey dan daz sie auss Gnaden nach vollkommener Ausssühnung wieder angenommen werden.

(23) Wie auch im gleichen alle nachbeschriebene alhier versamblete Meisters, so in diese beliebung mit bewilliget (weiln es unsern Ambte zum besten geschehen) und gleichwoll diese Ordnung brechen würden, und mit allen Ernst darüber nicht halten, die selbigen sollen von aller Vorwand - und Bruderschaft unsers Ambts abgeschieden sein, und wer dieselbigen Ehret oder fodert, sollen vorberührte gleich geachtet und gehalten werden, so lange biss sie solches Vollenkommen vor die Obrigkeit oder dem Ambt nach gelegenheit der Uebertretung abgesühnet haben.

24) Ueber diese beliebung und bewilligung aller vorbeschriebenen Puncten und Articulen (so Anno 1573 aufgerichtet und biss Anno 62 gehalten und vollenzogen worden) seind gewesen die Ehrsahme und bescheidene Meisters Alterleute des Ambts der Kannengiesser aus die sex Wendischen Städte, wie auch alle diejenigen, so zu unsern Bundsverwanten gehören, wie ein Jeder Nahme und untergesetzte Pittschaften unter Jeder beliebung aussweiset, so Gegeben in Lübeck Anno 1662. Cantate.

Original auf Papier mit dem Siegel des Lübecker Kannengießer=Amtes. Unterschriften und andere Siegel überhaupt nicht vorhanden gewesen.


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6.

Mittheilung über eine im Jahre 1678 vorgenommene Abschrift der Zinngießer=Rolle.

Anno 1678, den 21. Februar auff Anordnung des präsidirenden Wetteherren Herrn Jacobi Schlorffen und der hiesigen lobsamen Kannengiesser Anhalten, nachdem voriges Jahrs bey der am 11. Augusti entstandenen jämmerlichen Fewersbrunst und damaliger grosser Confusion gemelter Kannen - und Grapengiesser - Rolle hinweggekommen, habe dieselbe ich niedenbenahmter auss dem Rostocker Wette - und Rollenbuch hinwieder extrahiret, zugleich auch auss dem Niedersäschsischen ins Hochdeutsche vorsetzet und auf diess pergamen gebracht, welche dan dem doselbst befindlichen Exemplar allerdings conform und zustimmig.

Georg Amsel     
Secretarius m. pr.  

Schlußbemerkung auf der Pergament=Rolle aus dem genannten Jahr, die mit der von 1482 vollkommen übereinstimmt mit dem Unterschiede, daß sie hochdeutsch, die ältere niederdeutsch abgefaßt ist.


7.

Receß der Kannengießer=Aemter von Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Lüneburg, Bremen, Schwerin und Mölln.

1678, Juni 9.

Anno 1678 den 9 Tags Junij seind abermahl laut löblicher Anordnung undt Beliebung der lieben Gottseeligen Voralten, der ehrbahren sechs wendischen unndt dehren mittvereinigten undt verbundenen Städte Abgesandten dess löblichen Ambts der Kannengiesser, in dero Kayserlichen freyen undt dess heiligen Reiches Stadt Lübeck auff dero Citation beysammen gewesen, dehren Nahmen zu Ende gezeichnet, undt

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haben, in Gottes Nahmen ihren Anfang hiemit gemacht, dass sie einen jeden unsers Ambts genossen ermahnet, dass er Gott fürchte, die Obrigkeit ehre, ihre Gesetze undt Ordnungen nicht verachte, unser Ambt in Ehren undt Würden halten undt ein Jeder in sein Vocation undt Beruff mit Gott und Ehren sich ernehre. Negest diesen ist aller Zwist undt Hader, so vor diesem wie auch bey gestriger Beysammenkunft, möchte fürgefallen sein, in Grund ausgehoben.

Darneben einhellig beliebet unserer Voralten, wie auch jetziger Zeit wollgemeinte Beliebung in guter, steiffer undt fester Obacht zu nehmen undt festiglich zu halten.

1. Und sollen für's Erste alle vorige ertheilte undt geschlossene Beliebungen in ihrem Vigore undt Kräften verbleiben undt gehalten werden, wie auch sonderlich der ander Articul, so Anno 1589 beliebet undt geschlossen worden, nemblich, dass auff der ehrbahren Meister von Lübeck Citation - Schreiben, die ehrbahren Wändische undt darzu gehörige Städte alle sieben Jahr durch ihre Abgesandten gutwillig erscheinen sollen; hiebey erklären sich die von Lübeck, dass sie 4 Wochen vorhero an einen guten Freundt dess Ambts in Hamburg und Wismar solches wollen kundt thun.

2. Zum Andern so seyn die alten wie auch die neuen Beliebungen nochmals mit Fleiss durchgesehen, undt bleiben selbige allesampt in ihren Kräfften undt Würden.

3. Es sollen 2 Aeltesten alle Jahr 4 und 5 mahl ummegehen undt ihr Zinn proben, undt so es solte falsch befunden werden, der soll in ernstliche Straffe für dem Ambt gezogen werden.

4. So einer wurde befunden, der falsche Wein - und Bier - Maasse würde machen, der soll ernstlich von dem Ambt gestraffet werden; wurde er zum andermahl betroffen, so soll er von der Obrigkeit gestraffett werden.

5. Wann ein Meister oder Gesell wirdt freyen, es sey in einer Stadt oder Landstadt, so soll die Frau ein ehrlich Beweiss ihrer ehrlichen Gebuhrt beybringen.

6. Solle sich über Verhoffen einer auffwerffen, undt wolte sich ohne Consens des Ambts, in einer Stadt niedersetzen mit Uhrlaub dess Rahtes, der soll als ein Verächter dess Ambts, er undt sein Volck, nirgend geehret noch gefodert werden,

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sondern von unsern Kreiss ausgeschlossen undt nimmer wieder angenommen werden.

7. Wenn einer sich in Schwerin will niedersetzen, der soll sich zu Lübeck angeben undt dem Ambte zu Lübeck achte Reichsthaler zustellen, wovon die von Lübeck 1 Rthlr. sollen behalten, undt die übrigen 7 an das Ambt zur Wismar senden.

8. Das Gadebuscher Marckt sollen die von Lübeck, Wismar undt Schwerin beziehen.

9. Wegen Oldenburg wollen die Ehrbahren von Hamburg wie auch von Bremen umb 4 Wochen ihre ältiste Beweisthümer durch einen geschwornen Notarium vidimirt, nach Lübeck senden, undt der den ältisten Beweisthumb hat, dem ist Oldenburg zuerkannt.

10. Wann ein Geselle hat 14 Tage bey seinen Meister gearbeitet, so soll der Meister ihn fragen, ob er will Bier auff die Mahlzeit haben oder Geldt; will er kein Bier haben, so soll er 12 sl. haben, will er Bier haben, so soll er 6 sl. Wochenlohn haben.

11. Ferner ist beliebet, es sollen die Gesellen nach altem Gebrauch dess Montags Morgen wie auch alle Morgen umb 5 Uhr auff der Wörckstädte sein undt arbeiten, dess Montags, Dornnerstags undt Sonnabends biss 6 Uhr, dess Dingstages, Mitwochens undt Freytages biss 9 Uhr, aber vier Wochen vor Michaeli biss Fastelabend soll angefangen werden zu arbeiten alle Tage dess Morgens von 5 Uhr nnd alle Abendt biss 7 Uhr.

12. Es sollen die Gesellen dess Abends vor 10 Uhr in ihres Meisters Hause sein undt soll ihme nach 10 Uhr die Thür nicht geöffnet werden bey 1 Rthlr. Straffe.

13. Es sollen die Gesellen hinfüro in keiner Stadt, es sey an was Ohrt es wolle, keine vier Wochen, sondern nur alle viertel Jahr ihr Geschenk, undt ihre Wanderzeit halten.

Bey dieser Beliebung undt Zusammenkunfft seindt gewesen die ehrbahre vernünfftige und wollgeachte Alterleute und Meistere dess Kannengiesserambts, als nemlich:

Von Lübeck: Gerdt Pohle, Jacob Petersen, Berendt Timmerman undt Hans Kempe, Alterleute.

Von Hamburch: Gerdt Blohme, Bertold Wolters, Alterleute.

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Von Wismar: Peter vom Felde, Alterman; Christian Schlüter Gevollmächtiger.

Von Rostock: Andreas Woesthoff undt Michell Foss, Aelterleute.

Von Lüneburg: Hans Strep, Alterman; Hinrich Witt, Gevollmächtiger.

Von Bremen: Elerdt Meyer, Gevollmächtiger.

Von Schwerin: Marius Pohlman, Alterman; Robbert Simerling undt Berendt Timmerman, Gevollmächtige.

Von Mölln: Johann Pollheidt.

Original auf Papier mit dem Siegel des Rostocker Kannengießer=Amts.


8.

Receß der Kannengießer=Aemter von Hamburg, Rostock, Wismar, Stralsund und Lüneburg.

1705, August 17.

(1) Auff Anordnung und Beliebung der Zinnengiesser in den unten benandten fünff Wendischen Städten ist durch ihre Deputirte alhie in Hamburg Anno 1705 den 17. Augusti eine extraordinaire Zusammenkunff gehalten worden, allwo von ihnen festgeschlossen worden, dass die uhralte Gerechtigkeit möge conservirt und erhalten werden, nemlich, dass wenn einige Zinnengiessere in einer Stadt sich mit uns vereinigen wollen, so sollen sie bey der ihnen negst belegenen Wendischen Stadt sich angeben und verbleiben.

(2) Sodann soll die im Jahre 1640 auffgerichtete Ordnung dem Ambt zu Stralsund mitgetheilet werden und in ihren Würden und Kräfften bleiben.

(3) Ferner so soll derselbe, welcher in einem oder andern einer Wendischen Stadt Eingriff thun würde, mit hoher Straffe angesehen werden.

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Dieses ist, um Ruhe Friede und Einigkeit zu erhalten, also beeidet worden.

Zu Festerhaltung dessen sind 5 Exemplaria hievon aussgefertiget und unter jedes fünff Siegel gedruckt. Geschehen in Hamburg, den 17. August Anno 1705.

Original auf Papier mit 5 darauf gedrückten Siegeln. Die Unterschriften fehlen, doch

ergeben sich aus den Siegeln die Namen der Städte.


9.

Neu=Revidirte und Renovirte Punctationes.

o. J. Etwa erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts.

1. Ess soll keinen Ehrlichen Gesellen dass Zinnengiesserambt gewehret werden, der ess redlich gelernet undt ehrlich nach getrachtet hatt.

2. Er sol aber nach alten löblichen gebrauch, so Anno 1500 geschlossen, eine Witwe oder Meisterstochter freyen, damit nicht die Witwen undt ambtsskinder verstossen werden.

3. Will ein geselle nicht ins ambt freyen, soll er das ambt ohn eintziges wiedersprechen lossdienen bey einem Meister 5 Jahr, undt soll ihm gesellenlohn gegeben werden, wie sichss gebühret. Er soll aber alle abendt ümb 9 Uhr inss meisters hause sein bey poen 8 Schill. Lübsch, undt wo er unlust ins meisters hauss anrichtet, soll er nach recht vor dem ambte gestraffet werden, so aber der Geselle über seinen meister klaget, dass er ihm nicht sein gebühr thuet, und der meister überwiesen wirdt, mach er sich einen andern Meister wehlen, undt muss ihm die vorige Zeit gerechnet werden. So auch aber der geselle wolte einen Meister Viel unlust machen, also daz er gedächte damit looss zu kommen, undt der meister ihm on hass überweisen kan, soll er von vorn wieder anfangen undt die vorige zeit nichtss gerechnet werden oder, darnach die sache, dass ambt gantz verlüstig sein.

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4. Wan dan ein geselle anfoderung thuet, dass er will meister werden, soll er zum ersten seinen gebuhrts brieff auffweisen, wen er ein frembder ist, undt nicht ehe angenomen werden, biss er ihm hatt dem Ambte gereichet, ob er auch gueth ist.

5. Wen ein geselle zum ersten mahl das Ambt fodert, soll er soforth zum Antrit geben, weil dass Ambt darum zusammenkombt 1 fl. 8 sl. und jedem Aeltesten 2 fl. Ist aber nur ein Aeltester, krigt er 4 fl.

6. Wen den ein geselle auffs meisterstück gewiesen wirdt, soll er wieder dem Ambte geben 2 fl.

7. Undt soll er dass Meisterstück in eines Aeltesten hause machen, undt sich selber Lehm undt Stein verschaffen; ess soll ihm aber vor gelt Keiner etwas wehren im ambt, den ess bleiben ambtsform.

8. Ess soll dass meisterstück von Stein undt Lehm gemachet werden alss 3 form, wen ess ein ehrbar ambt begehret, undt soll in einer jeden form ein Stück Zinn fertig machen, undt alles in 14 Tagen.

9. Ess sollen die Eltesten den Ellften in den Viertzehn Tagen hingehen, wen er Sie gefodert, undt alssdan in einer jeden form ein Stück giessen lassen, undt sollen die Eltesten vor ihrer mühe den haben ein jeder ein pott wein.

10. So aber nur ein Aeltester ist, soll er einen andern Meister auss dem ambte mitnehmen, damitt ess recht zugehet; soll aber nur ein meister in der Stadt sein, kan er ess allein thuen, weil ess noth ist, doch auff recht.

11. Ess soll dass Meisterwerck den nechst folgenden Montagk vor dem gantzen ambt auffgewiesen werden, und darauff erkant werden, wass darauff felt.

12. Ess soll aber bey dem auffweisen des meisterstücks von dem jungen Meister in der Ambtsladen gegeben werden 33 fl. 8 sch. Dass übrige als 33 fl. 8 sl. soll ihm auf Termin gesetzet werden, alss den andern Termin dess nechstfolgenden undt nach auffweisung des Meisterwercks geendigten Vierteljahres 16 fl. 16 sl., zum dritten undt letzten Termin, alss gleichfallss ein Vierteljahr hernach, 16 Fl. 16 sl.

13. So soll er auch bey dem auffweisen speisen die Meister, undt soll darzu haben einen guten braten, ein gericht

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hecht oder saltzen Lachss, Käss undt Butter, Ein Kan Reinschen Wein undt so viel Bier als vertruncken wirdt.

Wann dieses alles geschehen, soll er unverhindert sein handtwerk treiben nebest andern meistern.

Drittes Protollbuch des Zinngießeramts, S. 12 - 14.


10.

Fernere gebräuchliche Amtsausgaben und Nachrichten.

o. J. Wohl wie die vorhergehende Nummer zu datiren.

1. Wan ein Eltester gewehlet wirdt, soll ess mit Consens dess ambtss geschehen, damit einer erwehlet werde, so unthadelhafft ist.

2. Wan dan ein Eltester erwehlet ist, derselbe soll seinen miteltesten geben 2 fl.

3. Er soll auch eine Aeltermanss - Köste thuen 2 Tage, undt dabey die Frawen und Kinder haben.

4. Ess sollen die Eltesten dem ambte alle Jahr auff Fastnacht Rechnung ablegen; der gesellen lade aber undt geschirr bleibet bey den Eltesten, so lange er lebet.

5. Ess sollen die Eltesten alle Jahr drei Mahlen Visitation halten mit Zinnproben, undt den dass ambt forth zusammenfordern undt vortragen wass vorgefallen ist.

6. Wan auch einen Meister im ambte seine Fraw solte absterben, undt er sich wieder befreyen wolte, soll er vor seine wieder genommene Fraw dem ambte geben alle mahl eine Tonne Bier.

7. Heurahtet er ausserhalb der Stadt, so soll er schüldig sein der freyenden person ihren Echtbrieff dem ambte vorzuzeigen, ob sie auch ehrlich geboren ist, undt in einem unbefleckten Ehebette gezeuget.

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8. Wan ein Meister einen Jungen annimbt, so soll er darhin sehen, dass er von ehrlichen Leuten ist.

9. Ess soll ein Junge vor dem Ambte angenommen werden, undt inss ambtbuch geschrieben werden, wie lange er lernen soll, nicht unter 4 Jahr, und soll der Junge dem Ambte geben 2 fl., der ess hatt, so aber nicht, soll die billigkeit gebrauchet werden.

10. Ess muss der Jüngste Meister die Jüngstschafft verwalten, biss er von einem andern abgelöset wirdt, der nach ihm kömbt.

Drittes Protokollbuch, S. 20 - 21.


11.

Entwurf zu einer Zinngießer=Rolle.

1773.

Da die alte von 1482 herige Zinngiesser - Amptsrolle so sehr tunckel, und nichts auf jetzigen Zeiten Passendes m sich enthält, so hat E. E. Raht der Stadt Rostock auf Ansuchung E. E. Ampts der Zinngiesser nicht ermangeln wollen ihnen mit einer neuen unzerbrüchlichen Rolle an die Handt zu gehen, und folgende Artickeln zu bestätigen und zu confirmiren.

Art. 1. Sollen alle, so zu diesem Ampte gehörig, Godt vor allen Dingen ehren, fürchten und lieben, darnach ihrer vorgesetzten Obrigkeit in Ehren halten, Ihnen in Aufrichtigkeit, Treue und Gehorsam zu leisten schuldig.

Art. 2. Soll und kompt einen jeglichen Amptsmeister alleine zu in Englischem ordinären Zinn und Manckguht, auch schlechteren Zinn, wie es sich in der Probe befindet, zu arbeiten und von englischem ordinären Zinn auch Manckguth zu machen und zu verfertigen, Flaschen, Kannen, Schüssel, Teller, Schalen, Cofe - et Teekan, Spielkum, Leuchter, Saltz-

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fässer, Leffel, zinnerne Särge und Sargen - Beschläge und alles was Nahmen haben mag und von Zinn ist und von Zinn verfertiget werden mag, und sol es bei sich selbst in seinen eigenen Hause verfertigen und nicht umher vagieren, und sol auch wass er verfertiget an englischem ordinären Zin, auch Manckguht, nach guter und richtiger Probe verarbeiten und mit seinen Stempel bezeichnen, wie in andern guten Städten, so an der See belegen. Wäre es, das ein Amptsbruder dawieder handelte und vom ampte überführet würde, das er falsche Probe verarbeitet hätte, so sol er das erste mahl von E. E. Ampte mit 10 Rthalern und Enderung seines Stempels bestraffet werden; würde er aber zum zweiten mahl überführet, so soll er von E. Ehrb. Gewedt bestrafet werden mit ? Rthlrn., von welcher Strafe jedennoch dem Ampte den dritten Teil verbleibet; würde dieses noch nicht helffen und er würde zum dritten mahl überführet, so sol er des Amptes gäntzlich verlustig sein und niemahlen den ampte Eingriff zu tuhn erlaubet, so lang er lebet.

Art. 3. Auch stehe es einen jeglichen Amptsmeister zu in Bley zu arbeiten und davon zu verfertigen bleyerne Röhren, Tabacksdosen, Hagel, Tindtefässer und was sonsten Nahmen haben mag und von Bley verfertiget werden kan; und sol Keiner ausser vorbeschriebenen ampte, es sei unter was Vorwandt es immer wolle oder sein möge, von aussen zu, was von hiesigen Ampte an Zin und Bley verfertiget werden kan, nicht eingebracht werden, bei Straffe der Confiscation. Auch solte sich in oder ausser der Stadt Jemandt finden, der vorbeschriebenen Ampte Eingriff auf einigerlei Art und Weise in Zin und Bley duhn wolte, sol ihm nicht allein sein Geräht, womit er Eingriff duhn wollen, sondern auch das verfertigte Guht selber, confisciret sein. Beide Fälle, wo selbige existiren, fält die Helffte dem Weisenhause, das übrige dem Ampte anheim.

Art. 4. Und damit auf die richtige Zinprobe möge gehalten werden, so ist der, oder die Eltesten schuldig wenigstens alle Jahr ein mahl bei jeglichen Amptsmeister mit der Zinnprobe zu gehen und nachzusehen, das er richtige Probe arbeite. Vor die Bemühung bekompt er acht Schillinge.

Art. 5. Welcher Amptsmeister oder Gesel oder dem Ampte zugehörig seinen vorgesetzten Eltesten mit unhöfflichen Worten ankommen würde, der sol nach Befinden bestrafet werden.

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Art. 6. Wan ein Meister einen Jungen in die Lehre nimpt, so sol er ihn nach einvierteljähriger Haltung vorm Ampte einschreiben lassen und durch einen Schein beweisen, das der Junge echt und recht gebohren sei von guten ehrlichen Eltern, und sol dafür erlegen 24 Schill. und mag ihn auf 4 oder mehrere Jahre annehmen zu erlernen, und, wan seine Lehrjahre verflossen ihn wiederum vor den Ampt ausschreiben lassen, und erleget auch davor 24 Schill.

Art. 7. Wan ein Gesel Meister werden wil, so muss er zuvor wenigstens 14 Tage bei einen Meister alhier in Arbeit gestanden haben, und alsdann sich gebührendt melden bey den wordthabenden Altermann, das er Meister werden wil, welcher darauf das Ampt fodern lässt, wofür er bezahlet 24 Schill. Ist der Gesell ein Frembder und kein hiesiger Meisterssohn, so muss er vorm Ampte die Witwe oder Meisterstochter, womit er sich versprochen zu heuraten, anzeigen und wirdt ihnen eine kurtze Bedenkzeit von etlichen Tagen aufgegeben. Nach Verfliessung selbiger wirdt er abermahlen vorn Ampte gefodert und bezahlet vor die Gebühr 24 Schill., und wirdt ihn alsdan nach guten ehrlichen Zeugnuss und Vorlegung des Lehrbrieffes, das Meisterstück zu machen aufgegeben. Selbiges bestehet in drey dem Ampte nützliche Formen, beide Teile von Steinen, und in jeglichen Formen ein Stück von Zin verfertiget, und muss in 14 Tagen in des Worthabenden Eltesten Hause verfertiget sein; die Formen bleiben dem Ampte gemein, das Zin aber den Jungmeister und giebt einen jeden Eltesten 1 Rthlr., in der Amptslade an bahren gelde 33 Rthlr. 16 Sch. und dem Ampte eine Mahlzeit oder anstat dessen accordiret er ein Billiges und verhält sich so wie seine Vorgänger getahn haben. Solte er die 33 Rthlr. 16 Sch. an E. E. Ambt nicht gleich auszahlen können, und er sich dieser wegen bei E. E. Ampte beschwert, so mach ihn, jedoch muss er wenigstens die Helffte von vorstehender Summe sogleich erlegen, mit den übrigen Nachsicht gegeben werden, jedennoch mit dem Beding, das er järlich bei Aufnahme der Amptsrechnung wenigstens 2 Rthlr. davon abtrage. Solte aber ein solcher junger Meister mit Tode abgehen, ehe er den vorgeschriebenen Rest an E. E. Ampt abgetragen, so hat E. E. Ampt auf das noch Restirende an seinen Nachlass das Vorrecht.

Art. 8. Der jüngste Meister im Ampte ist schuldig, wan der Elteste von Ampts wegen zu ihm schicket, ohnweigerlich

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zu kommen, das Ampt zu verbotten, so lange bis ein anderer kömpt und Jüngster im Ampte ist, ihn davon ablöset.

Art. 9. Wan das Ampt verbodt ist, und wer dan nicht kömpt zur gesetzten Zeit, der ist in 4 sl. Straffe verfallen, wer aber gahr vorsetzlich ausbleiben solte, der bricht 8 Sch. Strafe.

Art. 10. So sol auch ein Meister den andern nicht aus ihrer Wohnung heuren, auch nicht einer den andern seine Kaufleute entziehen oder abspenstig machen bei Straffe.

Art. 11. Wan ein Amptsmeister verstirbet und die Witwe gedencket die Profession vortzusetzen, und hätte keinen Gesellen, es befünde sich aber alhie ein gesel bei einem Meister in Arbeit, der ihre Arbeit vorstehen könte, und sie verlanget ihn in ihrer Arbeit, so soll der Meister schuldig sein selbigen Gesellen an ihr sofort zu überlassen, wolte aber der Gesel nicht folgen, so ist er schuldig und verbunden zu reisen.

Art. 12. Wan aber ein Gesel, so bei einer Witwen arbeitet, Abschied nehmen und reisen wil, so ist er schuldig und verbunden ihr solches 4 Wochen vorhero anzuzeigen, damit sie sich kan in die Zeit nach einem andern Gesellen umsehen.

Art. 13. Solte jemandt verdächtig Zinn zu Handen kommen, so mag er es an sich halten bis auf Nachfragen, und solte sobaldt keine Nachfrage erfolgen, so mag er es verwahrlich aufbehalten.

Art. 14. Kein Meister, Witwe oder Gesel oder sonsten diesen Ampte zugetahn, sol den Andern beschweren mit einigerlei Recht, er versuche es den erstlich vor das Ampt. Wer da wieder tuht, sol in Straffe des Amptes sein.

Art. 15. Wan ein Meister von E. E. Raht zum Eltesten bestellet wirdt, so gibt er an seinen Herrn Collegen 1 Rthlr. und dem Ambte eine Eltesten - Köste, so wie seine Vorfahren getahn haben, und sol weiter vom Ampte mit nichts mehr beschweret werden.

Art. 16. Wan einer aus einer kleineren Stadt sich bei E. Z. Ampte eincorporiren wil, so ist er zwar frei von Verfertigung eines Meisterstückes, bezahlet aber an einen E. Ampte accordmässig, wan er vorhero vor ein Amptsverbot 24. Sch. erleget hat, doch nicht über 12 Rthlr.

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Art. 17. Und damit ein solcher eincorporirter Meister auch sein verfertigendes Zin nach richtiger Probe arbeite, so soll ihn von den wordthabenden Eltesten bei seiner Aufnahme in Ampte die richtige Zinprobe benebst einen Meisterbrief zugestellet werden, wofür er an den Eltesten bezahlet 1 Rth. 16 Sch. und solte er nach Befinden nicht nach der Probe arbeiten, so sol mit ihm, also wie der Art. 2 besaget, verfahren werden.

Art. 18. Und solte ein solcher eincorporirter Meister sich einfallen lassen von seinen Ohrte alwo er gewohnet sich weg zu begeben und in Rostock bei uns einzuziehen, und die Profession neben uns zu gebrauchen, so kan solches geschen, allein erstlich mus er sein Meisterstück verfertigen und dem Ampte im Uebrigen so genügen, wie der Art. 7 zeiget.

Art. 19. Auch ist selbiger schuldig den 8. Artikel dieser Rolle sich gehorsam zu erzeigen und jung Meister so lange zu bleiben bis ein anderer kömpt, der ihn davon ablöset.

Art. 20. Ein eincorporirter Meister in einer kleineren Stadt bezahlet zur Unterstützung der jährlichen Onera des Amptes nach Beispiel anderer Aempter jährlich 24 Sch. und selbige 24 Sch. schicket er jährlich an E. E. Ampte franco ein; solte aber einer oder anderer sich hierinnen seumig finden lassen, so soll ihme, wan er Jungens ein - oder ausszuschreiben hätte, nicht eher darinnen gewilfähret werden, er habe dan das restirende richtig abgetragen.

Art. 21. Auch ist ein solcher eincorporirter Meister schuldig, wan er einen Jungen in die Lehre nimbt, das er ihn nach Art. 6 beim E. Ampte einschreiben lässet, doch bleibet ihnen frey, wan er den Echtschein nebst die 24. Schill. franco einschicket, durch ein Schreiben genüget, gleichergestalt auch, wan seine Lehrjahre verflossen, mit der Ausschreibung auch also verfähret.

Art. 22. Wan des Lehrburschen seine Lehrjahre verflossen und befinden sich 2 Gesellen bei ihnen, so kam er ihn bei sich zum Gesellen machen lassen, ist aber nur 1 Gesel aldorten, so kan er sich 1 Gesellen von uns dazu verschreiben, wan er ihn wil bei sich zu Geselle machen lassen; ist aber gahr kein Gesel bei ihnen, so schicket er den Burschen 4 Wochen vor die Schenkzeit über, welche 4 Wochen über er bei den hiesigen Eltesten arbeitet, und dan zum Gesellen gemachet wirdt.

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Art. 23. Auch muss ein solcher wan er sich beim Ampt eincorporiren wil, seinen Lehrbrief produciren und ist schuldig und verbunden nach allen vorstehenden Artikeln und Clausulen als ein Ampts Mitmeister sich zu achten und sie genau zu erfüllen.


12.

Herzogliche Verordnung über die accisfreie Einfuhr von altem Zinn in Rostock.

1776, Octbr. 7.

Friedrich von Gottes Gnaden, Herzog zu Mecklenburg. Liebe getreue! Wir geben Euch auf Euer unterthänigstes Gesuch in Betreff der accisefreyen Einpassirung des alten Zinns hiemit zu vernehmen, das Wier unter heutigen Dato Unsern Acciserath Eschenbach alldort gnädigst aufgegeben haben, das alte Zin bis auf weitere Unsre Verordnung accisefrey einpassieren zu lassen, wornach ihr Eüch zu richten. Datum auf Unsere Vestung Suerin den 7. October 1776. Ad Mandatum Serenissimi proprium Herzogl. Mecklenburg. zur Regierung Verordnete Praesident, Geheime - und Räthe, A. G. Bassewitz.


13.

Anweisung des Acciseraths Danckwarth an die Accise=Einnehmer über die steuerfreie Durchfuhr von altem Zinn.

1777, November 26.

Zum Unterricht der Zeicheneinnehmer das von Lande einkommende alte Zinn betreffend, wird der hohe Herzogl.

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Befehl bis auf Höchst Dero weiteren Verordnung hiedurch bekandt gemacht;

Dass dasjenige alte Zinn, welches Landtwerts in den Thören komt, von den Zeicheneinnehmern mit einem Zettel zu versehen, und die Einbringer gehörig Pfandt zu setzen haben: wann aber dieser Zettel zurückekomt und von einen hiesigen Amtsmeister der Zinngiesser, das er dieses zum Umgiessen empfangen oder auch selbst gekauffet hat, bescheiniget seyn wird, so kan ohne weitere Umstände und ohne dass der Zettel auf der Herzogl. Accisebude unterschrieben worden, das Pfandt wieder zurückgegeben werden, weil ihro Herzogl. Durchlaucht gnädigst befohlen haben, dass die hiesigen Zingiesser für altes Zinn, so sie vom Lande kauffen, oder zum Umgiessen erhalten, keine Accise erlegen sollen.

Alle sonstige hiesige Einwohner aber müssen von altes Zinn, was sie entweder selbst auf dem Lande gekauft haben, oder zum Verkauf an sie eingebracht wird, dasselbige gehörig frey machen und die ordentliche Accise dafür erlegen.

Rostock den 26ten Novbr. 1777. Joh. Danckwarth, Sm. Acciserath.


14.

Herzogliche Verfügung an den Acciserath Danckwarth in Rostock über die Accise für altes Zinn.

1791, August 31.

Auf unterthänigste Vorstellung des dortigen Amts der Zinngiesser befehlen Wir euch hiemit gnädigst: Es zu verfügen, dass

1) alles alte von dortigen Zinngiessern auf dem Lande gekaufte und mit dem Rostocker Stempel bezeichnete Zinn zwar accisefrei sei, jedoch am Thore ein Pfand hierfür gesetzet, sodann selbiges Zinn mit einem Thorzettel ans Neue Haus

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gewiesen, daselbst nachgesehen und dann beim richtigen Befund der Thorzettel von den Accise - Einnehmern unterschrieben, das Pfand aber wieder zurückgegeben werde, dass

2) alles geräthschaftliche Zinn ohne Rostocker Stempel, welches von den Landleuten zum Umgiessen hereingebracht wird, ebenfalls am Thore mit genugsamer Pfandsetzung versehen werden müsse, und wenn sodann es dort verarbeitet, nach dem Neuen Hause mit dem Schein des Amtsmeisters geliefert, der Thorzettel von dem Neuen Haus - Inspector unterzeichnet und darauf auf der Accisestube zur Unterschrift produciret worden, selbiges gleichfalls für accisefrei erkläret, und sodann das Pfand ebenmässig zurückgegeben werde. Schwerin den 31. Aug. 1791.


15.

Beliebung des Rostocker Zinngießer=Amts über die zuwandernden "Oderlender" Gesellen.

1795, Mai 11.

In Betreff der Oberlender Gesellen wegen alle Unordnung zu vermeiden, so ist von Amtswegen mit Zustimmung der Gesellen beschlossen und vestgesetzet worden.

Erstens. Wen ein oberlender Gesell zugereist komt und den Schaffer um die Schau anspricht, so soll der Schaffer schuldig seyn, wen es der Fremder begehret, sogleich ihnen umzuschauen.

Zweitens. Ist der oberlender Gesell auch schuldig und verbunden, wan er alhier in arbeit stehet und Abschied nimt oder Abschied bekomt, sich sogleich bey den altgessellen als Frembder zu melden; wer dieses nicht thut, bekomt keine Kundschaft.

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Dieses ist von Meisters und Gesellen unterschrieben und mit Amts - Siegel besiegelt. Rostock den 11ten May 1795.

Altermann Jochim Adam Hecht und semtliche Amts - Meister hieselbst.

Altgesell Nicolaus Hamm.

Original; grobes Papierblatt mit einem schwarzen Abdruck des Amts=Sieges.

 

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