zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 146 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Kachel= Form von Wismar.

In der Stadt Wismar ward in einem Keller eine Kachelform gefunden und in das städtische Museum gegeben, und der Herr Dr. Crull schenkte dem Verein einen Gypsausguß aus der Form. Die Form, welche wie gewöhnlich die Kachelformen der Töpfer aus Thon besteht, ist die Form zu einer langen Kachel, mehr hoch als breit, 12 Zoll (29 Centim) hoch und 8 Zoll (19 Centim.) breit. Die Kachel ist eine "Bildkachel" 1 ). Sie stellt das Bild der Herzogin Anna Sophia (1555 † 1591), Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg († 1576) dar. Das Bild der Herzogin (en face), fast Kniestück mit beiden Armen und Händen, steht unter einem auf zwei Säulen ruhenden schönen Bogen im Renaissance=Baustyl, als sähe sie aus einem Fenster. Auf einer Brüstung unter dem Bilde steht:

ANNA . SOPHIA.
H. ZV. MEKELN.

Die Arbeit ist sehr gut und sorgfältig. Es ist die Frage, welcher Zeit die Kachel angehört. Sie wird in der letzten Zeit des Lebens der Herzogin oder nach ihrem Tode zum Andenken gemacht sein. Die Tracht ist völlig abweichend von der gewöhnlichen strenge landschaftlichen Tracht der Fürstin in den ersten Zeiten ihrer Ehe, von welcher noch mehrere Original=Bilder vorhanden sind. Die Tracht ist vielmehr freier und moderner und erinnert stark an die Tracht der Königin Elisabeth von England. Die Kachel wird also frühestens in das letzte Viertheil des 16. Jahrhunderts fallen.

Die ganze Darstellung und Architektur, sowie die ungewöhnliche Höhe der schmalen Kachel, auch die starke Umrahmung lassen vermuthen, daß sie in ihrer jetzigen Gestalt nicht zu Oefen, sondern zur Einmauerung in die Wand eines Gebäudes zum Andenken bestimmt gewesen ist, wie sich ähnliche eingemauerte Kacheln in alten Städten Norddeutschlands, z. B. in Rostock, noch finden.

Vielleicht sind aber einzelne Theile der Urform zur Benutzung zu Ofenkacheln eingerichtet gewesen. Durch die Mitte der Figur, durch den linken Ellenbogen und den Gürtel, geht nämlich eine feine Fuge, so daß die Urform,


1) Ueber Bildkacheln, besonders von Wismar, vgl. Jahrb. XXXIX, S. 172 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 147 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vielleicht aus Holz, aus mehreren Stücken zusammengesetzt gewesen ist. Man hat also die obere Hälfte mit dem Brustbilde der Figur auch zu den herkömmlichen viereckigen Ofenkacheln benutzen können. Jedoch ist es nicht unmöglich, daß auch die ganze Kachel zu obern Abtheilungen von Oefen benutzt worden ist.

Auf der Rückseite der Form ist HW mit Bogen und eine Hausmarke eingeritzt, wahrscheinlich die Zeichen des Töpfers. Ein Töpfer mit diesen Anfangsbuchstaben seines Namens hat sich aber durch den kundigen Herrn Dr. Crull in den Papieren der Stadt nicht ermitteln lassen.

Kachelformen dieser Art sind außerordentlich selten; in Meklenburg giebt es wohl kein zweites Stück, obgleich alte Kacheln, ganz und in Bruchstücken, in großen Mengen gefunden sind.

Herr Bankier Salomon Cohn zu Lübek, ein gewiegter Münzforscher, besitzt aber zehn Stück aus gebranntem Thon, wohl erhalten, welche nach dessen Bericht im Jahre 1875 in der Stadt Lübek beim Umbau eines Hauses gefunden wurden, wo früher vermuthlich eine Töpferei gewesen ist. Die Kacheln sind, nach dem ausführlichen Berichte des Herrn Cohn, alle kleine Bildkacheln von quadratischer Form durchschnittlich ungefähr 17 Centim. (7 Zoll) im Quadrat groß. Die Kacheln enthalten theils symbolische Darstellungen, theils menschliche Brustbilder. Einige Kacheln enthalten auch historische Portraits in Brustbildern, so z. B. eine Kachel mit der Inschrift: HERZOG HANS FRIDERICH KORFVRST (von Sachsen, † 1554) und eine andere mit der Inschrift: SIBILLA (Gemahlin des Kurfürsten, † 1554), beide mit gleicher Einfassung. Die Sammlungen zu Schwerin besitzen auch glasurte Kacheln mit denselben Darstellungen und von gleicher Größe, aus der Stadt Wismar, z. B. eine fast ganz erhaltene Kachel mit einem männlichen, bärtigen Brustbilde und der Inschrift: H . IOHAN . CHVRFVR[ST] († 1532) ohne Verzierungen, gelb, weiß und dunkel= und hellblau auf gelbem Grunde malerisch glasurt. Ein Bruchstück derselben Kachel ist ganz grün. Diese Wismarsche Kachel stimmt nicht ganz mit der Lübekischen überein.

Auf der Rückseite einer Form stehen die Buchstaben F. S. zu beiden Seiten einer Hausmarke, welche von der Wismarschen abweicht.

Herr Cohn setzt die Entstehung dieser Formen in die Zeit um das Jahr 1550 und vermuthet, daß diese Kunst

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 148 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

aus Wismar gekommen sei, da erweislich Baukünstler und Bildner um die Mitte des 16. Jahrhunderts von den Schloßbauten in Wismar und Schwerin nach Lübek gingen. Vorherrschend scheinen die Bilder der Fürsten aus der Zeit der Reformation, namentlich der sächsischen Fürsten, zu sein.

Herr Cohn erinnert sich bis jetzt nur im Gewerbe=Museum zu Berlin Bildkacheln dieser Art in kleiner Anzahl gesehen zu haben, unter Andern auch Kachelformen mit den Brustbildern von Johann Friedrich und Sibilla, jedoch von geringerem künstlerischen Werthe.

G. C. F. Lisch.