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Begräbnisse der Steinzeit von Dargun.

Bei Dargun liegt rechts am Wege von der Darguner "Neubaute" nach Lehnenhof auf Darguner Feldmark eine Anhöhe, in welcher eine Sandgrube ist. Bei Gelegenheit von Sandgraben fand Herr Landdrost von Pressentin zu Dargun im April 1875 Reste von menschlichen Gebeinen, namentlich zuerst eine Schädeldecke, welche durch flache Scheitelbeine und niedrige Stirn auffiel. In der Sandgrube und in dem ausgefahrenen Sande wurden trotz der sorgfältigsten Nachsuchungen keine von Menschenhand gefertigten Geräthe und keine Spur von menschlicher Thätigkeit gefunden. Jedoch fand Herr v. Pressentin im Juni noch mehrere Bruchstücke von dem Schädel, namentlich Kiefer, und andere zerbrochene menschliche Knochen, auch einige unbedeutende Kohlenbrocken. Deutlich war zu erkennen, daß an zwei Stellen in der Grube "kein ungerührter Urboden" war.

Nach der ganzen Beschaffenheit und Farbe der Knochen weise ich diesen Schädel der Steinzeit zu. Er scheint einem Menschen von mittlerem Lebensalter angehört zu haben. Die Zähne sind klein, ziemlich abgeschliffen und schon etwas morsch.

Zur bessern Erkenntniß sandte ich die Schädeldecke an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin, welcher darüber folgende wissenschaftliche Beschreibung und Beurtheilung giebt.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.


Die leider sehr zertrümmerten Stücke des Schädeldaches bestehen eigentlich nur aus Stirnbein, beiden Scheitelbeinen und dem größern Theile der Hinterhauptsschuppe; kleine Ueberreste der Nasenwurzel sitzen noch am Stirnbein an. Alle Urtheile sind daher von sehr zweifelhaftem Werthe.

Die Knochen machen den Eindruck eines nicht allzuhohen Alters (d. h. nach dem Tode des Individuums). Das äußere Knochenblatt löst sich überall in Form gelber Häute, welche sich umrollen, also noch eine gewisse Elastizität haben. Auch kleben diese Theile wenig an der Zunge. Nur die tiefern Schichten der Diploë sehen weiß und brüchig aus. Auch die innere Tafel hat eine gelbbraune Farbe.

Das Individuum war offenbar ein noch jugendliches. Dafür spricht die Dünnheit der sämmtlichen Knochen, die Glätte ihrer Oberfläche und der Mangel tieferer Eindrücke

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an der inneren Tafel. Indeß kann es nicht zu jung gewesen sein. Abgesehen von dem Umfange, welcher für einen völlig ausgewachsenen Zustand Zeugniß ablegt, besteht eine vollständige Verknöcherung der innern Theile der Nähte.

Wahrscheinlich war es ein junges Weib. Die niedrige, aber volle Stirn, deren vordere Fläche sehr steil und gegen den hintern Abschnitt des Stirnbeins in einen fast rechten Winkel gestellt ist, die flachen Curven der Scheitellinien, der Mangel ausgesprochener Höcker sind Merkmale des weiblichen Schädels.

Die äußern Nähte sind sehr gezackt, die geöffnete Stirnhöhle groß, jedoch fehlt jede stärkere Vermittlung der Stirn= oder Orbitalwulste. Der Nasenansatz ist voll. Alle Formen machen den Eindruck der Weichheit.

Größte Länge 181 Millimeter.
Größte Entfernung der Stirnwölbung von der größten Verwölbung des Hinterhauptes 122 Millimeter.
Sagittalumfang des Stirnbeins 123 Millimeter.
Länge der Pfeilnaht 126 Millimeter.
Unterer Frontaldurchmesser 82 Millimeter.

Die Breite läßt sich nicht sicher bestimmen, da die Knochen in der betreffenden Gegend sehr zerbrochen und zugleich stark verbogen sind.

Aller Wahrscheinlichkeit nach war jedoch der Schädel mehr lang und von relativer Niedrigkeit, also im allgemeinen von germanischer Form.

Berlin im Juli 1875.

R. Virchow.


In der ersten Hälfte des Monats Juli ward in derselben Grube noch ein Menschenschädel gefunden, über welchen Herr Landdrost von Pressentin in dem Oeffentlichen Anzeiger für die Aemter Dargun, Gnoien u. s. w. 1875, Nr. 58, 21. Juli, Folgendes berichtet:

"In voriger Woche ist in derselben Sandgrube wieder ein Menschen=Schädel gefunden, aber trotz des sorgfältigsten, wiederholten Suchens weiter nichts von menschlichen Gebeinen und kein von menschlicher Hand gefertigter Gegenstand. Dieser Schädel ist ebenfalls der eines Erwachsenen (über Stirn und Hinterkopf gemessen hat er 51 Centimeter Umfang) und an demselben gleichfalls eine niedrige, flache Stirn (von 29 Millimeter Höhe) und eine geringe Scheitel=

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höhe (62 Millimeter) bemerkenswerth. Wir sind geneigt, diese Schädel den allerältesten Bewohnern unseres Landes, von welchen Spuren bis auf unsere Zeit gekommen sind, zuzuschreiben. -- Aus dem Gefundenen sind indessen sichere Ergebnisse noch nicht zu ziehen, erst wenn noch mehr gefunden werden sollte, besonders Gegenstände menschlicher Kunstfertigkeit, lassen sich sichere Angaben machen über die gefundenen Gebeine."

Dargun.

C. v. Pressentin.