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d. Alterthümer anderer europäischer Völker.

Römische Alterthümer im nördlichen Norwegen.

Herr Ingvald Undset, Studiosus der Philologie zu Christiania, hat im J. 1873 im nördlichen Norwegen einen (auch für Meklenburg) höchst merkwürdigen Fund von römischen Alterthümern gemacht und denselben in den norwegischen Vereinsschriften beschrieben, mir auch in freundlicher Theilnahme außer der Beschreibung, einer sehr verdienstlichen und einflußreichen Arbeit, eine Photographie der gefundenen Alterthümer gesandt.

Der Fund ward auf der Lines=Insel (Linaesöe) an der Küste von Norwegen nördlich von Drontheim, nördlich vom 64. Grad nördlicher Breite (64 ° 1') gemacht, also nicht sehr weit vom nördlichen Polarkreise.

Die Lines=Insel wird so genannt nach den auf ihrem nördlichen Ende liegenden Höfen dieses Namens; im Volksmunde heißt sie allgemein Voks=Insel, und dies mag wohl der ursprüngliche Name sein. Auf der nördlichen Spitze der Insel findet sich eine Anzahl langer und runder Sandhügel. Höher hinauf liegen mehrere Steinhaufen. Auf dem Hofe Sörgård finden sich mehrere Steinhaufen. In einem derselben, welcher vor einigen Jahren beim Urbarmachen eines Ackerstückes ausgebrochen ward, fand der Besitzer des Gutes Nils Hansen auf dem Grunde eine Lage von Kohlen und Asche und ziemlich in der Mitte unter einigen großen Steinen folgende römische Alterthümer: einen "Krater" (Kessel oder Eimer mit Fuß), eine Kelle und ein Sieb, alle von Bronze. Glücklicherweise waren diese Sachen in einem Bootschuppen verwahrt, wo sie Herr Undset fand und erwarb.

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Auf die Erkenntniß und Bestimmung dieser Alterthümer hat die Entdeckung der Römergräber von Häven in Meklenburg, dargestellt in unseren Jahrbüchern XXXV, S. 100 flgd., welche Herr Undset kannte, entscheidenden Einfluß gehabt.

Der "Krater" ohne Henkel, war, wie häufig, zerbrochen; fast der ganze Rand und der Fuß sind jedoch erhalten, so daß die ursprüngliche Größe und Form zu erkennen sind. Die Mündung hat 14 1/2" im Durchmesser. Der Rand hat eine nach innen vorspringende Kante; inwendig unter der Kante sind einige Linien eingedreht. Auf dem Fuße sind mehrere Kreise abgedrehet. Dieser Krater stimmt also an Größe, Form und Bearbeitung völlig über ein mit dem zu Häven in Meklenburg in einem Römergrabe gefundenen und in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 2, abgebildeten Krater, und mit dem Krater in Worsaae Nordiske Oldsager, Tab. 74, Nr. 302.

Die Kelle hat unter dem Rande und auf dem Boden eingedrehete Kreise. Sie gleicht der bei Häven gefundenen, abgebildet in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 4.

Das Sieb paßt genau in die Kelle, so daß die Ränder sich decken. Der Griff ist abgebrochen. Die Löcher im Boden bilden eine Rosette, an den Seiten zwei paar Kreise, durch Schrägestriche verbunden.

Bei der Auffindung lag das Sieb in der Kelle, und beide zusammen lagen umgestülpt in dem Krater. Die Fundgegenstände gleichen also ganz den bei Häven entdeckten.

Dieser Fund ist dadurch außerordentlich wichtig, daß er der nördlichste Fund römischer Alterhümer 1 ) in den drei nordischen Reichen ist, und wieder einen Beweis liefert, wie stark der vom Römischen Reiche ausgehende "Kulturstrom" gewesen ist.

Wenn Herr Undset in seinem Briefe meint, es sei nicht unwahrscheinlich, zu vermuthen, daß der Fund von der Lines=Insel auf eine römische Handelsfactorei in Meklenburg hinweise, so möchte ich, obwohl voll Eifer für die Sache, so kühn nicht sein.

Schwerin.                                                                                           G. C. F. Lisch.


1) Ueber die nicht selten in Norwegen gefundenen Römischen Alterthümer vgl. A. Lorange: Om Spor af romersk Kultur i Norges aeldre Jernalder, in: Christiania Videnskabs-Selsk. Forhandlinger for 1873, auch im Separat=Abdruck.