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Nachtrag.


Römergräber,

von

Dr. G. C. F. Lisch.

Nachtrag zu S. 99 flgd.


Grab von Varpelev auf Seeland.

In meiner oben mitgeteilten Abhandlung über die neu entdeckten "Romergräber in Meklenburg" zu Häven habe ich oft ausgesprochen, daß ähnliche, ja selbst gleiche römische Alterthümer auf den dänischen Inseln oft, jedoch nie in einem Grabe oder mit menschlichen Skeletten zusammen, gefunden seien. Meine forschenden Freunde in Dänemark schreiben diese römischen Geräthe dem von ihnen gewiß richtig festgestellten "ältern Eisenalter" zu und meinen, daß die "Grabfunde" aus diesem Zeitalter "allemal einige römische Sachen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung" enthalten. Ich meine jetzt aber, daß umgekehrt solche Grabfunde ebenfalls Römergräbern angehören, welche zugleich auch etwas heimisches Geräth aus der ältern Eisenzeit enthalten.

Den vollen Beweis scheint mir der Fund von Varpelev zu geben, der mit den Gräbern von Häven und auch mit den Funden von Grabow, Heddernheim und andern vollkommen übereinstimmt. Der Varpelev=Fund ist schon im J. 1865 bekannt gemacht: "Varpelev Fundet, beskrevet af C. E. Herbst", in den "Annaler for Nordisk Oldkyndighed, 1861, p. 305-322", auch in einem Separat=Abdrucke "Kjöbenhavn, 1865", mit 3 Tafeln Abbildungen. Ich habe diese äußerst wichtige und merkwürdige Abhandlung leider bisher übersehen, beeile mich aber, da ich eine deutsche Uebersetzung gewonnen habe, den Hauptinhalt hier zur Vergleichung nachträglich mitzutheilen.

Im Junii 1861 ging bei dem nordischen Alterthumsmuseum zu Kopenhagen die Nachricht ein, daß auf dem Acker eines Hüfners im Kirchspiel Varpelev auf Seeland, in der Harde Stevens, im Amte Praestö, also südlich von Kopen=

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hagen, nicht weit von dem Meere und der Insel Moen, eine Anzahl merkwürdiger Alterthümer entdeckt, die Fundstelle aber noch nicht ganz aufgedeckt sei. Alsbald eilte der Kammerrath Strunk, Aufseher des Museums, dahin, um den Fund völlig aufzunehmen und nach allen Seiten hin festzustellen, wie der Kammerrath Herbst ihn in der oben angeführten Abhandlung in der richtigen Ansicht beschrieben hat, daß vor allen Dingen nur gesammte und verbürgte Funde der Wissenschaft helfen können. Die Fundstelle zeigte keine Spur von einem Hügel und ward nur dadurch entdeckt, daß man beim Pflügen öfter auf einen Stein gestoßen war, den man jetzt entfernen wollte. Beim völligen Ausgraben zeigte sich, daß in gleicher Höhe 6 Steine auf Kiesaufschüttung lagen, die ein in dem festen Lehmboden ausgegrabenes und mit Kies ausgefülltes Grab deckten, dessen Boden ungefähr 4 Ellen (2, 51 metres) tief unter der Erdoberfläche lag. In diesem Grabe lag das Skelet eines ausgewachsenen, ungewöhnlich hohen Mannes. Neben dem Skelet lagen, zum größten Theile an der rechten Seite, folgende Alterthümer:

1) Ein einfacher Spiralring von dickem Golddrath, von 2 1/2 Windungen (1 3/4 Loth schwer, abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 1) correspondirend mit dem dicken Goldringe von Grabow oben S. 105.

2-3) Eine bronzene Schöpfkelle mit einem darein passenden Sieb (abgebildet bei Herbst Taf. III, Fig. 2), genau so wie die Kellen und Siebe von Häven; vgl. oben S. 114 flgd. und Taf. I, Fig. 3 und 4.

4) Ein bronzener Krater ("Bronze=Vase") (abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 3), genau dem Krater von Häven S. 112 und Taf. II, Fig. 17, und auch dem charakteristischen Henkel desselben Fig. 17 a. gleich.

5) Der Bronzebeschlag eines hölzernen Eimers (abgebildet bei Herbst, Taf. III, Fig. 4) ganz dem Beschlage der hölzernen Eimer von Häven S. 118 und 130 und Taf. II, Fig. 16, gleich, auch in der Art der Verzierung durch Austreibung kleiner "Puncte" oder Halbkugeln.

6-8) Drei höchst merkwürdige Glasgefäße mit eingebrannten farbigen Figuren auf der Außenfläche (abgebildet bei Herbst, Taf. I und II und Holzschnitt im Texte), vielleicht Kunstwerke ohne gleichen. Auch zu Häven ward ein Becher von weißem Glase von derselben Größe gefunden, vgl. S. 114 und Taf. II, Fig. 20, welcher jedoch mit eingeschliffenen Halbkugeln und Strichen verziert ist, wie die übrigen in Dänemark gefundenen römischen Glasgefäße.

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9) Einige Bruchstücke von einem Gefäße aus gebranntem Thon mit eingeritzten Schrägestrichen verziert, also ähnlich wie zu Häven, S. 122 und 123.

10) Dreizehn Stück runde Steine zum Brettspiel, von verschiedenen Farben, ungefähr 1 Zoll (2, 6 Centim.) im Durchmesser, unten stach, oben schwach gewölbt, also genau so, wie die Steine aus dem merkwürdigen römischen Funde von Gr.=Kelle in Meklenburg, abgebildet in Jahrb. V, Lithogr. Fig. 10.

11) Einige Thierknochen, welche Professor Steenstrup der Graugans und dem Schwein zuschreibt, also wohl Reste der dem Todten mitgegebenen Fleischspeise.

Man sieht aus dieser Beschreibung, daß hier fast genau dasselbe Grab vorliegt, wie die Gräber zu Häven, und daß alle Alterthümer wohl sicher römische sind. Und dazu stimmt auch der bei Herbst in drei verschiedenen Ansichten durch Holzschnitt in dem Text unter Professor Steenstrup's Leitung abgebildete Schädel, welcher den Männerschädeln von Häven (vgl. oben S. 141) völlig gleich, also auch wohl römischen Ursprunges ist. Ich kann daher nicht glauben, daß diese seltenen Kunstwerke der "ältern Eisenzeit hier im Lande gearbeitet" seien, sondern muß annehmen, daß das Grab von Varpelev auch ein Römergrab ist. Ganz ähnlich ist auch der oben oft verglichene schöne römische Fund von Himlingöie, welches "nur eine halbe Meile von Varpelev" liegt.

Ich muß daher zu dem Glauben gelangen, daß die von mir angenommene römische Handelsstraße von Nassau her über die jetzigen Häfen von Lübek, Wismar, Rostock und Stralsund zur See weiter nach dem Sunde an die Ostküste von Seeland ging, um so mehr, da die dänischen Inseln diesen Häfen so sehr nahe sind, indem man z. B. von dem Kreidevorgebirge Arkona die hohen Kreideufer von Moens=Klint mit bloßen Augen sehen kann. Schifffahrt auf kleinen Fahrzeugen ist auf diesem Wege gewiß seit uralter Zeit getrieben, da dieselbe zur heidnischen Zeit der Wenden geschichtlich verbürgt ist, und damals bauete man sicher noch nicht große Schiffe; man wird aber wohl nicht weite Fahrten unternommen, sondern immer nur die nächsten Küsten aufgesucht haben.

 

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