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V.

Ueber

das Wappen und die Siegel der alten

Grafen von Schwerin,

von

Dr. G. C. F. Lisch , Geheimen Archivrath.


S eit einer langen Reihe von Jahren hatte ich reichen Stoff zu einer verbesserten Darstellung der Genealogie und Heraldik der alten Grafen von Schwerin gesammelt, und beabsichtigt, denselben in günstiger Zeit zu bearbeiten. Da aber in den neuern Zeiten von andern verschiedenen Seiten her derselbe Gegenstand zu wiederholten Malen in größern und kleinern Abhandlungen der Forschung mit Glück unterworfen ist, woran ich häufig lebhaften Antheil genommen habe, so ist meine Ausführung, so weit sie die historische Darlegung betreffen sollte, jetzt überflüssig geworden. Ich kann mich aber nicht enthalten, da einmal die Sache oft in Anregung gebracht ist, meine allgemeinen "Ansichten" über die "Bedeutung" der Siegelbilder und des Wappens der Grafen von Schwerin aus dem Geschlechte der Edlen von Hagen zur Prüfung durch Andere im kurzen jetzt mitzuteilen, um den hauptsächlichsten Stoff zusammen zu halten.

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Siegel der Grafen von Schwerin            Siegel der Grafen von Schwerin

Die Grafen von Schwerin führten auf ihren Siegeln, so weit sie erhalten sind, in den ältesten Zeiten "zwei Lindwürmer am Baume", immer im Schilde, darauf auch daneben ein ungesatteltes schreitendes Roß, immer auf runden Siegeln, wie die beiden hieneben abgebildetenausgebildeten Siegel des Grafen Helmold vom J. 1270 (M. U.=B. II, Nr. 1185) und vom 28. Septbr. 1270, (Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1201) zeigen, - endlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrh., solange das Grafenhaus noch bestand, einen quer getheilten Schild, unten golden, oben roth (oder leer und schraffirt).

Bekanntlich ist ein großer Unterschied zwischen Siegeln und Wappen; vgl. des Fürsten Friedrich Karl von Hohenlohe=

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Waldenburg Sphragistik, in den Hohenloheschen Siegeln des Mittelalters, 1857. Ein Siegel kann immer auch ein anderes Bild enthalten, als das zuständige Wappen derselben Person, z. B. das eigene Bild des Besiegelers, seine Hausmarke, ein "redendes" oder irgend sonst beliebig gewähltes Zeichen u. s. w. Das Wappen ist aber dem Besitzer und seinem Geschlechte eigenthümliches und beständiges Wahrzeichen, und braucht nicht immer allein auf dem Siegel zu stehen. Ich halte nun die gräflich schwerinschen Siegel mit den Lindwürmern und dem Roß gar nicht für Wappensiegel sondern nur für symbolische Bildsiegel einzelner gräflicher Personen, welche gewöhnlich älter zu sein pflegen, als die Wappensiegel, oder für früher sogenannte "redende Wappen", und zwar gewissermaßen für Uebersetzungen der Namen der Grafen, nämlich die Lindwürmer für eine sehr nahe liegende Symbolisirung 1 ) des deutschen Namens Hagen (Hain, Gehölz), und das Roß für eine Symbolisirung des wendischen Namens Schwerin (Thiergarten, Lusthain, Wildpark). Wiederum werden die Wörter Hagen und Schwerin ungefähr dasselbe bedeuten, so daß das wendische Wort Schwerin gewissermaßen eine Uebersetzung des deutschen Wortes Hagen ist. Vorzüglich werde ich in dieser Ansicht durch das sichere geschichtliche Ergebniß bestärkt, daß sich kein Siegel findet, auf welchem zugleich ein Helm zum Lindwurm oder Roß dargestellt wäre, was allein schon zu der Ansicht führen könnte, daß beide nur Symbolisirungen, aber keine Wappen sind. Es müßte auch wunderbar zugehen, wenn in einem so langen Zeiträume kein Helm vorkommen sollte, wenn einer da gewesen wäre. Ein Wappen besteht aber immer aus Schild und Helm.

Das Wappen der Grafen von Schwerin scheint mir der quer getheilte Schild zu sein, weil er herrschend geblieben ist, häufig mit einem Helme vorkommt und nach dem Aufhören der Grafenregierung in den Meklenburgischen Landen als damals gewiß noch verständliches Wappen in das Wappen der Fürsten von Meklenburg überging, die Lindwürmer und das Roß aber ganz verschwinden, auch überhaupt nie als Wappen angewandt erscheinen. Für meine ganze Ansicht scheint auch ein urkundlicher Beweis zu reden. In der von mir entdeckten und in den Jahrb. XXIV mitgetheilten Verkaufsurkunde über die Graf=


1) Man denke an die Nibelungensage mit dem Ritter Hagen und dem Lindwurm.
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schaft Schwerin vom 7. Decbr. 1358 wird den Grafen von Tecklenburg das Recht eingeräumt, daß sie "môgen brûken der wapene der greueschop von Zwerin nâ alse vôre". Hier ist also offenbar von dem "Wappen" der Grafen, oder richtiger der Grafschaft, die Rede, d. h. von dem damals allein noch geltenden quer getheilten Schilde, welchen noch die letzten Grafen als Grafen von Schwerin führten und die Herzoge von Meklenburg sogleich aufnahmen. - Auch die Bischöfe von Schwerin führten ungefähr seit derselben Zeit als Bisthumswappen diesen quer getheilten Schild, mit zwei Bischofsstäben belegt (vgl. Jahrb. VIII, S. 17 und 19). Zur Aufklärung der Herkunft und des Geschlechts der Grafen von Schwerin muß also nach meiner Ueberzeugung dieses Wappen, Schild und Helm Gegenstand fernerer Forschungen sein. Für die beiden andern Siegelbilder wird sich wohl kein Anknüpfungspunkt zur Vergleichung mehr finden lassen.

Zur Beleuchtung entgegenstehender Ansichten und zur weitern Ausführung habe ich keine Veranlassung.

 


 

Nachtrag.


Schon hatte ich die vorstehenden Zeilen in die Druckerei gegeben, als mir am 20. Decbr. 1868 die Annales de la Société archéologique de Namur, T. IX, Livr. 4, Namur, 1867, zu Händen kamen und mir durch die französische Uebersetzung einer Abhandlung, betitelt:

De la couronne de la cathédrale de Namur et son écrin, par M. Ernst aus'm Werth,

die deutsche Original=Abhandlung

Krone und Kronbehälter, wahrscheinlich der beiden ersten lateinischen Kaiser flandrischen Hauses, im Dome zu Namur, von Ernst aus'm Werth,

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in den

Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, Heft XXXVII, Bonn, 1864, S. 169 flgd.,

wieder ins Gedächtniß brachte.

Der Domschatz zu Namur besitzt nämlich eine prachtvolle goldene, reich verzierte Krone aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts, welche der Professor Ernst aus'm Werth den beiden ersten lateinischen Kaisern zu Constantinopel aus dem Grafenhause Flandern, Balduin I. (VI.), 1204, und Heinrich, 1204-1218, zuschreibt.

Dieser seltene Schmuck wird in einem Kronenkasten ("Truhe, Casette") aufbewahrt, welcher ohne Zweifel gleichen Alters und gleichen Ursprungs mit der Krone ist. Dieser Kronenkasten, mit der Krone und den Verzierungen abgebildet in den Rheinländischen Jahrbüchern a. a. O. Taf.VI und in den Namurschen Annalen a. a. O. Taf. I, von achteckiger Form, besteht aus Holz und ist mit einer Art von bräunlichem Glanzleder sorgfältig überzogen, welches durch vergoldete Kopfnägel umrandet und befestigt wird. Dieser Ueberzug ist an den 8 Seiten durch je 2, auf dem Deckel durch 9 Medaillons verziert, welche gegen 4 1/2 Centimetres oder 2 Zoll im Durchmesser halten und in natürlicher Größe ebenfalls zu beiden Abhandlungen abgebildet find. "In einem Rund von erhöheter blauer Email ("émail champlevé") zeigen sich in diesen Medaillons vergoldete und gravirte Figuren, die, ohne eine bestimmte Beziehung zum Gegenstande oder einen heraldischen Bezug zum Besitzer augenfällig zu machen, der allgemeinen Ornamentik des 13. Jahrhunderts entsprechend, zumeist Bestiarien darstellen".

Mit Ausnahme eines Schlangenbändigers, eines Löwen und eines Adlers, bestehen diese Bestien aus Drachen oder Lindwürmern, d. h. aus phantastischen Thieren mit Schlangenleibern und immer nur mit zwei Füßen, theils mit Flügeln, theils ohne Flügel. Ein Medaillon Fig. 2c. aber gleicht ganz der Darstellung auf den alten Siegeln der Grafen von Schwerin (vgl. oben S. 102): an einem Baumstamme oder Pfahle stehen zwei Lindwürmer, mit zwei Beinen, jedoch ohne Flügel, mit den Rücken gegen einander gekehrt und mit den Köpfen rückwärts gewendet und sich anschauend. Dies ist ganz die Darstellung auf den alten Siegeln der Grafen von Schwerin.

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Ich bin aber weit entfernt, aus diesen Symbolisirungen auf einen genealogischen oder heraldischen Zusammenhang des ehemaligen Besitzers des Kronenkastens mit den Grafen von Schwerin zu schließen; ich habe nur ein Beispiel geben wollen, daß in einer so fernen Zeit, in welcher das Wappenwesen auf Siegeln noch in den Windeln lag, dergleichen symbolische Darstellungen sehr weit und vielfach verbreitet waren. Eher kann man daraus schließen, daß solche Darstellungen keine Wappen waren. Auch Professor E. aus'm Werth sagt: "Bei der Unsicherheit, die in der mittelalterlichen Thiersymbolik noch herrscht, kann es nicht am Orte sein, zu der etwanigen Bedeutung der einzelnen Bilder überzugehen. Wir lassen es vorläufig ganz dahingestellt, ob diese Drachen als Schatzhüter zu deuten, oder ob Tugenden und Laster in den Unholden symbolisirt sein sollen. - Alle diese Figuren kommen in typischer Wiederholung beziehungslos an den verschiedensten Reliquiarien vor, von denen zwei ebenfalls zu den erwähnten Abhandlungen abgebildet sind, und wird man ihnen deshalb keine heraldische Bedeutung zuerkennen dürfen".

Diese Darstellungen von Bestien aller Art, namentlich von zweien Rücken gegen Rücken ab= und mit den Köpfen zu einander gewendet, waren alte Mode im deutschen Reiche. So z. B. sind sie zahlreich auf der gemusterten Seiden=Tunica des Kaisers Heinrich II. (Anfang des 11. Jahrh.) zu sehen; vgl. Bock's Kleinodien des Heiligen Römischen Reichs, Wien, 1864, S. 189, und Prospectus, S. 6.

 

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