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Nachtrag

zum

Pfahlbau von Wismar,

von

G. C. F. Lisch.

Bei der Vollendung des Drucks der voraufgehenden Beschreibung des Pfahlbaues von Wismar (S. 1-82) sind aus diesem Pfahlbau von einer besonders ergiebigen Stelle noch viele Stücke eingegangen, welche theils die früher gefundenen Stücke ergänzen, theils bisher unbekannt geblieben waren und für die Erkenntniß des Pfahlbaues und für die Vervollständigung der bisher gefundenen Sachen zum Theil von sehr großer Wichtigkeit sind und daher eine nachträgliche Beschreibung verdienen. Außer mehreren gewöhnlichen Thierknochen und Topfscherben sind noch folgende Gegenstände gefunden.

Geräthe aus Stein. (Zu Abschnitt 6).

Keile (S. 23).

1 Arbeitskeil aus Feuerstein, schwarzbraun, am Bahnende sehr zerschlagen;

1 Arbeitskeil aus Feuerstein, schwarzbraun, zerschlagen und nur im Beilende vorhanden;

1 Arbeitskeil aus Feuerstein, gelbbraun, an allen vier Seiten geschliffen, ohne Brüche, am Bahnende noch mit der Kreidelage der Umhüllung der Feuersteinknolle, also wenig gebraucht;

1 Schmalmeißel aus Feuerstein, ockergelb, ganz vollständig.

Feuersteinscheiben (S. 33).

1 Feuersteinscheibe, grau, abgeschlagen, jedoch regelmäßig dreiteilig, an allen Seiten stark abgenutzt.

Feuersteinspäne (S. 34).

4 Feuersteinspäne, weißlich, davon zwei zerbrochen.

Feuersteinsägen (S. 36).

1 halbmondförmige Feuersteinsäge, grau, an den Schneiden fertig, aber auf den Flächen noch nicht ganz vollendet,

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deshalb beachtenswerth, weil auch aus diesem Stück hervorgeht, daß die Steingeräthe in den Pfahlbauwohnungen gemacht wurden;

1 halbmondförmige Feuersteinsäge, bräunlich, ganz fertig, groß, 6 1/2 Zoll lang; in der Mitte sind kleine Kreideknollen eingesprengt, welche aber beim Schlagen, wie gewöhnlich, sehr geschont sind, wahrscheinlich weil die Kreide mürbe ist und sich beim Bearbeiten nicht regelrecht absprengen läßt, also Fehlschläge veranlassen kann.

Feuersteindolche.

1 Dolch aus hellgrauem Feuerstein, nur kurz, gegen 6 Zoll lang, ganz unverletzt. Bisher waren in dem Pfahlbau von Wismar noch keine feuersteinerne Dolche gefunden. In dem Pfahlbau von Gägelow fanden sich zwei feuersteinerne Dolche (vgl. oben S. 91). Dolche gehören zu den seltenern Alterthümern der Steinzeit.

Streitäxte (S. 38).

In dem Pfahlbau von Wismar ward noch eine Streitaxt aus Diorit mit Schaftloch und zugespitzter Bahn gefunden. Dieselbe ist, wenn auch um ein Drittheil kleiner, doch ganz genau so geformt, wie die auf S. 38 unten abgebildete Streitaxt mit zugespitzter Bahn. Diese zweite Streitaxt bietet eine überraschende Bestätigung der oben S. 38-39 aufgestellten Ansicht, daß diese Form der Streitäxte, welche überhaupt in Pfahlbauten selten sind, einer bestimmten Zeit, in welcher die Pfahlbauten von Wismar untergingen, eigenthümlich ist. Dieses Stück hat also hiedurch einen großen Werth, da die fortgesetzten Aufgrabungen die ersten Funde und die Ansichten darüber bestätigen.

Reibsteine (S. 41).

1 Reibstein aus ganz weißem, altem Sandstein, völlig kugelförmig;

1 Reibstein aus Gneis, viel abgeschliffen, etwas flach, unregelmäßig.

Geräthe aus Knochen und Horn.

(Zu Abschnitt 8).

1 langer Kamm aus Knochen, wie Abbildung S. 54 oben, 5 1/2 Zoll lang, 3 Zoll breit, 1/2 Zoll dick, mit 7 Zähnen, grade und platt gearbeitet, durchgebrannt, kalkfarbig, zerbrochen.

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1 langer hier abgebildeter Kamm aus Knochen, eben so, 5 1/2 Zoll lang, 3 Zoll breit, 1/4 Zoll dick, mit 6 Zähnen, durchgebrannt, kalkfarbig, ganz zerbrochen, in der Oberfläche mit der natürlichen, rundlichen Biegung des Knochens, auf dem Griffe mit einer eingeschnittenen, kreuzförmigen Verzierung, ganz wie die des Kammes S. 53 oben, jedoch größer. Diese langen "Nestkämme" sind jetzt ganz sicher zusammengebracht und zu erkennen, wie die Abbildung zeigt.

Kamm

Dagegen wird das auf S. 54 abgebildete Geräth kein Kamm, sondern eine sogenannte "Filetnadel" oder "Gaffel" zum künstlichen Knoten von Schnüren, wie dergleichen wohl noch heute im Gebrauche sind, sein sollen, da an der Stelle des in der Zeichnung ergänzten mittlern Zahns am Original ursprünglich kein Zahn gesessen zu haben scheint. Auch wird das auf S. 53 abgebildete Bruchstück kein Bruchstück eines Kammgriffes sein, da eine daran passende schmalere Verlängerung von glattem

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Knochen ohne Verzierungen gefunden ist. Vielleicht war es eine Art Messer oder Spachtel.

1 gespaltener Knochen, Bruchstück, zur Verfertigung eines Kammes vorbereitet, ungefähr 4 Zoll lang, mit der natürlichen, runden Wölbung des Knochens auf der Oberfläche, an einem Ende mit einer glatten Sägefläche, durchgebrannt, kalkfarbig, zerbrochen, ähnlich wie S. 55 unten.

1 Falzbein (Netzstricknadel?) aus Knochen, wie Abbildung S. 54 unten links, 5 1/2 Zoll lang, nicht angebrannt, von der schwarzbraunen Farbe der Pfahlbauknochen.

1 Falzbein, eben so groß, ebenfalls nicht angebrannt, von schwarzbrauner Farbe.

1 Falzbein, eben so, gegen 10 Zoll lang, durchgebrannt, kalkfarbig, zerbrochen.

1 Falzbein, eben so, durchgebrannt, kalkfarbig, Bruchstück; das obere Ende fehlt, die vorhandene Spitze ist noch 7 Zoll lang.

1 Taschenbügel aus Horn. In dem Pfahlbau von Wismar ist ein Bruchstück einer langen, schmalen, verzierten Platte aus Horn, von 7 1/2 Zoll Länge, gefunden, welche ich für einen Taschenbügel erklärt habe; dieses Bruchstück ist S. 55 unten und hier wieder abgebildet und beschrieben und

Taschenbügel

S. 104 flgd. weiter erklärt. An derselben Stelle ist nun noch das Gegenstück gefunden, welches zwar auch durchgebrannt und zerbrochen, aber vollständig wieder zusammengebracht

Taschenbügel

ist. Dieser Bügel ist im Ganzen 12 Zoll (28 Centimetres) lang, und eben so breit und eben so verziert, wie das auf S. 55 und hier oben wieder abgebildete Bruchstück. Das vollständige Stück hat 19 eingeschnittene, runde Verzierungen; an jedem Ende ist aber eine Strecke 1 1/4 Zoll lang nicht verziert, sondern mit einem runden Loche in der Mitte der Strecke, zum Anheften,

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durchbohrt. Wir haben hier also zwei Bügel, welche offenbar zusammen gehören und den Schluß einer Tasche gebildet haben, in der vielleicht die kleinen Knochengeräthe aufbewahrt waren.

Nachdem diese Entdeckung gemacht ist, kann ein früherer Fund hiedurch seine Erklärung finden und wieder eine Erläuterung zu dem Funde im Pfahlbau abgeben. Im J. 1849 wurden zu Klaber bei Teterow in einem Moderloche 16 Fuß tief zwei gleiche, auf einander passende und an den Enden und auch an einigen Stellen an den Rändern durchbohrte Hirschhornplatten gefunden, welche in Jahrbüchern XIV, S. 341 abgebildet und beschrieben und hier wieder abgebildet sind.

Taschenbügel

Diese vollständigen Platten, welche nicht angebrannt sind und die Farbe der Pfahlbauknochen haben, sind nur 7 1/2 Zoll lang; die Ränder sind sehr glatt abgegriffen. Ich habe diese beiden Platten in den Jahrbüchern a. a. O. für einen Griff erklärt, in welchen steinerne Geräthe eingebunden gewesen sein könnten; ich zweifle jetzt aber keinen Augenblick daran, daß sie zu Taschenbügeln gedient haben.

Diese Ansicht erhält durch das

Leder (zu Abschnitt 9),

welches in dem Pfahlbau von Wismar gefunden ist, überraschende Bestätigung. Es ist oben S. 56 sehr regelmäßig durch Pressungen verziertes Leder beschrieben und auf der beigegebenen Steindrucktafel III. abgebildet. An derselben Stelle ist nun noch mehr von demselben feinen, verkohlten und stark berußten Leder gefunden. Ich halte diese Bruchstücke jetzt für die Ueberreste der Tasche, zu welcher die oben erwähnten Taschenbügel gehört haben. Wir hätten dann aus sehr alter Zeit die in den neuesten Zeiten wieder - erfundene Ledertasche, freilich ohne Schloß und Stahlbügel.

Pflanzenreste. (Zu Abschnitt 10).

Während und nach dem Druck dieses Bogens sind endlich auch sehr wichtige, verkohlte Feld= und Baumfrüchte zwischen den Bruchstücken der knöchernen Geräthe tief auf dem Grunde gefunden, und zwar nach den Bestimmungen des Herrn Professors Heer zu Zürich folgende.

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Gewöhnlicher Waizen (Triticum vulgare),

der gewöhnliche, große Waizen, wie er auch in den Pfahlbauten der Schweiz vorkommt, über 1000 Körner.

Kleiner Pfahlbau-Waizen,

kleine rundliche Körner.

Gerste (Hordeum),

in wenig Körnern, deren Art nicht zu erkennen ist, (ob H. hexastichon oder H. vulgare).

Hafer (Avena sativa),

in mehrern Körnern, unzweifelhafte Früchte, einige noch von den Spelzen umgeben. Ist neu für alle Pfahlbauten und von großem Interesse.

Zu noch größerm Beweise ist dabei unzweifelhaft auch

Brot

in schwarz verkohltem Zustande gefunden. Das Brot besteht aus verkohlten Stücken von Fladen, welche ungefähr 1 Zoll hoch sind, auf der Oberfläche aufgetrieben und glänzend erscheinen und auf einer graden Platte gebacken sind. Das Mehl ist fein zerrieben gewesen und es zeigen sich keine gequetschten Körner. Im äußern Ansehen ist das Brot von Wismar ganz dem von Wangen, welches vor mir liegt, gleich (vgl. Keller III, S. 107).

Wilde Aepfel (Pyrus Malus),

kleine Früchte, verkohlt, 5/8 Zoll im Durchmesser, wie noch jetzt die wilden Aepfel in Meklenburg um Johannis.

Thierknochen. (Zu Abschnitt 11).

Fische.

Stör (Acipenser sturio).

Vom gemeinen Stör, und zwar von einem recht großen Exemplar, wurden viele angebrannte und zerbrochene Knöchelchen gefunden, namentlich ziemlich wohl erhaltene Rückenschilder und auch Gesichtsknochen (nach Rütimeier).