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Begräbnißplatz von Parchim.

Auf dem Stadtfelde von Parchim ward auf der ehemaligen Feldmark des untergegangenen Dorfes Bicher, nicht sehr weit von der "Dorfstätte", ein Begräbnißplatz entdeckt, welcher der Eisenzeit angehört. Die Urnen mit zerbrannten Menschengebeinen waren in den flachen Erdboden ohne Hügel eingegraben. Der Verein verdankt die Erhaltung und Einsendung dem Herrn Senator Beyer zu Parchim.

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Es wurden folgende Urnen entweder unversehrt, oder doch in solchem Zustande, daß sie wieder zusammengesetzt werden konnten, gerettet:

1) eine große hellbraune Urne, mit 2 kleinen Henkeln, mit einfachen graden Linien verziert, 8" hoch, 12" weit im Bauche und 9" im Rande; in dieser Urne fanden sich unter den übrig gebliebenen, noch nicht verschütteten zerbrannten menschlichen Gebeinen:

zwei Pferdezähne , Backenzähne, nach der Bestimmung des großherzogl. Ober=Roßarztes Viereck zu Schwerin, welcher zugleich erklärte, daß diese Zähne einem zwar schon ausgewachsenen, aber ungewöhnlich kleinen Pferde angehört haben müssen; diese Zähne sind wohl die ersten Ueberreste von Pferden, welche in Urnen der Eisenzeit aufgefunden sind;

2) eine große, hellbraune Urne, mit einfachen graden Linien verziert, 11" hoch, 10 1/2" weit im Bauche und 8" im Rande.

In dieser Urne fand sich unter den zerbrannten menschlichen Gebeinen ein Bruchstück von einem knöchernen Kamme.

In dieser größern Urne stand

3) eine kleine hellbraune Urne, am Bauchrande mit horizontalen Parallellinien und unter diesen mit herunterhangenden Bogen verziert, 4 1/2" hoch, 7" weit im Bauche und 6" weit im Rande.

Ohne Zweifel war diese Urne eine Kinderurne, und wir haben also hier auch in der Eisenperiode ein Beispiel von der Bestattung einer Mutter mit ihrem Kinde; vgl. unten S. 188.

4) eine große hellbraune Urne reich mit parallelen graden und Zickzack=Linien verziert, 6 1/2 hoch, 11" weit im Bauche und 9 1/2" weit im Rande; diese Urne ist der zum Jahresber. II. Lithogr. Taf. I, Fig. 1 abgebildeten, bei Malchin gefundenen Urne sehr ähnlich;

5) eine große. schwarze Urne, von derselben Form und Größe, wie die vorhergehende Nr. 4, mit einem großen Henkel, mit einfachen Linien verziert;

6) eine kleinere, hellbraune Urne, mit einfachen Linien verziert, 5" hoch, 8" weit im Bauche und 7" im Rande.

In den auf diesem Begräbnißplatze gefundenen Urnen, theils in den vorstehend beschriebenen, theils in den zerbrochenen, wurden folgende Alterthümer gefunden, von denen sich jedoch nicht sagen läßt, in welcher Urne sie gelegen haben:

7) eine Heftel aus Bronze und

8) eine Heftel aus Bronze, beide vollständig erhalten;

9) eine Heftel aus Bronze, zerbrochen;

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10) eine Heftel aus Bronze, Bruchstück;

11) eine Heftel aus Bronze, Bruchstück;

diese Hefteln sind alle sehr klein und fein gearbeitet;

12) eine Heftel aus Eisen, Bruchstück;

13) eine Heftel aus Eisen, Bruchstück;

14) eine Schnalle aus Eisen;

15) eine Gürtelspange aus Bronze;

16) ein Doppelknopf aus Bronze;

17) eine Nähnadel aus Bronze;

18) ein dünner cylindrischer Beschlag aus Bronze, 1 3/4" lang;

19) ein Messer aus Eisen, in der Klinge 4" lang, wohl erhalten;

20) ein Messer aus Eisen, in der Klinge 3" lang;

21) ein Messer aus Eisen, rückwärts gebogen, in der Klinge 3" lang;

22) ein Messer aus Eisen, Bruchstück;

23) ein sehr kleines Messer aus Eisen, vollständig erhalten, in der Klinge nur 1 1/4" lang; an der kleinen Griffzunge sind noch Reste des hölzernen Griffes zu erkennen; dieses ist wohl das kleinste Messer der heidnischen Zeit, welches bisher beobachtet ist;

24) eine Sichel aus Eisen, Bruchstück;

25) ein eiserner Messergriff (?), am Ende mit Bronze beschlagen;

26) Bruchstücke von mehrern eisernen Messern;

27) eine eiserne Stange mit einem gebogenen Ringe am Ende;

28) ein Kamm aus Knochen, Bruchstück, welches in der Urne Nr. 2 lag;

29) ein Schleifstein (?) aus grauem Thonstein, 3" lang, 1" breit, 5/8" dick, auf allen Flächen und auch auf den abgekanteten Ecken glatt geschliffen; es ist die Frage, ob dieser Stein zum Schleifen von Werkzeugen bestimmt gewesen ist, da sich nirgends eine Spur von einer Vertiefung findet.


Nach diesen Alterthümern zu urteilen, wird dieser Begräbnißplatz der jüngern heidnischen Periode angehören, also wirklich ein "Wendenkirchhof" 1 ) gewesen sein. Die Alter=


1)

Wenn Prof. Petersen in den neuesten Zeiten (Schlesw. Holst. Bericht XXIII, S. 9) sagt, daß "man wohl ein flaches Feld mit Urnen in größerer Zahl einen Wendenkirchhof genannt habe, diese Benennung aber einen Irrthum fortpflanze, dem entschieden

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thümer sind den bei Malchin gefundenen, im Jahresbericht II, 1837, S. 69 flgd. beschriebenen und dazu auf Lithogr. Taf. I abgebildeten völlig gleich und fallen mit diesen ohne Zweifel in dieselbe Zeit. Namentlich sind die Urnen, besonders Nr. 4, an Form, Verzierung und Farbe, der Kamm, die kleinen Hefteln den Malchinern fast ganz gleich. Eben so sind die zahlreichen Urnen aus dem Wendenkirchhofe von Pritzier (Jahrb. VIII, B, S. 58 flgd.) den Parchimschen Urnen gleich.


Wahrscheinlich waren in der Nähe des Begräbnißplatzes Wohnungen, denn es fanden sich daselbst

30) zwei Thürsteine, ungefähr kopfgroße Granitstücke, in denen an einer Seite auf der abgeglätteten Fläche ein rundes, nicht durchgehendes Loch eingeschliffen ist, in welchem sich der stehende Thürpfosten oder die Angel drehte.


Einige Ruthen von dem Begräbnißplatze mit den verbrannten Leichen entfernt ward

31) das Gerippe eines jungen Menschen gefunden, von welchem der Schädel, mit gesunden Zähnen, und die Beinknochen noch ziemlich erhalten sind. Wahrscheinlich wiederholt sich auch hier die zu Bartelsdorf bei Rostock beobachtete Sitte, in der ersten Zeit des Christenthums die Leichen neben dem Brandkirchhofe zu begraben; vgl. Jahrb. XXVIII. S. 301, und oben S. 177 flgd.


Sehr merkwürdig ist, daß sich auf dem Begräbnißplatze mit den Urnen, noch

32) ein breiter, voll gegossener, gravirter Armring aus Bronze, und


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widersprochen werden müsse, da sich solche Plätze in norddeutschen Gegenden finden, in denen nie Wenden gewohnt haben", so beruht dieser sein Widerspruch auch wohl nur auf einem Irrthume, da dieser noch im Munde des Volkes lebende Ausdruck von Forschern nur auf die ostelbischen Gegenden angewandt ist, in denen in der jüngern heidnischen Zeit bekanntlich nur Wenden gewohnt haben. Andere mögen dergleichen Plätze in andern Gegenden anders benennen. Allerdings sind nicht alle flachen Todtenfelder in Deutschland "Wendenkirchhöfe; aber in den ehemaligen Wendenländern sind solche Begräbnißplätze in der Nähe der Dörfer mit wendischen Namen, wann sie die Zeichen einer jüngern Zeit tragen, ohne Zweifel wendische Begräbnißplätze.

G. C. F. Lisch.

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33) ein runder, dünner Armring aus Bronze, beide zerbrochen und nicht mehr vollständig, mit edlem Roste bedeckt, fanden,

welche ohne allen Zweifel der Bronze=Periode angehören und daher den Beweis geben, daß hier schon lange vor der Eisenperiode ein Begräbniß war. Wir haben auf diesem Platze also Begräbnisse aus den verschiedensten Zeiten.