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Plattdeutsches Volksgedicht

aus

dem ersten Viertel des sechszehnten Jahrhunderts,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch.


Das Archiv der Stadt Röbel bewahrt ein Gildebuch des Wollenweberamtes zu Röbel, welches der Herr Candidat Hänselmann aus Braunschweig im J. 1859 im Stadt=Archive. zu Röbel entdeckte. Dieses Gildebuch, welches einen starken Octavband Papier bildet, umfaßt die Zeit von 1520 bis 1704 in kurzen, jedesmal gleichzeitigen Eintragungen von verschiedenem Inhalt. Das erste Drittheil des Buches enthält die Jahresrechnungsablegungen, auch Capitalaufzeichnungen, Mitgliederaufnahmen und Geschäftsnachrichten der "Knapengilde" des Wollenweberamtes vom Anfange des 16.Jahrh. bis zum J. 1704. Daher wird das Buch im 17. Jahrh. auch das Gildebuch des Wollenweberamtes genannt, z. B. in dem trüben Jahre

1637

"Zu gedencken, das das gildebock domahlen nicht vorhanden gewesen, als ans Blanck seinen lesten,etting entrichtet heft, als eft das noch mals geschen

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müssen in Thomas Fischers behusung als nemblich Anno 1637".

Die nachfolgenden Mittheilungen sind durch das Studium des Gildebuches selbst gewonnen; die Acten des schweriner Archivs enthalten nichts über das Wollenweberamt und besonders über die Knapengilde, deren Name nicht einmal vorkommt.

Das Wollenweberamt zu Röbel war ein großes und altes Amt, und schon von dem Fürsten Nicolaus I. von Werle (also zwischen 1237 und 1277) gestiftet Schon im Jahre 1291 bestätigte der Fürst Nicolaus II. von Werle die Privilegien, namentlich das Recht des Tuchausschnitts nach der Elle, also das Recht der sogenannten Wandschneider, d. h. Tuchhändler (vgl. Jahrb. XIIl, S. 340), und im 1463 errichteten der Rath der Stadt und die Amtsmeister eine neue Zunftrolle (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 351); beide Urkunden sind noch im Originale vorhanden.

Der letzte, größere Theil des Buches ist das Gildebuch des Wollenweberamtes ("gildemester und olderlude der "wullenwefer", auch "wullenampl", auch 1616 und 1681 "Tuchmacheramt"), und enthält die Berichte über die festgesetzten Versammlungen des Amtes, Rechnungsablagen, Meisteraufnahmen, Ein= und Ausschreiben der Lehrjungen, neue Verabredungen und Satzungen u. s. w. Das Wollenweberamt hielt jährlich 2 Male, 14 Tage nach Ostern und 14 Tage nach Michaelis, eine feststehende, beschlußfähige Versammlung oder "Ettingesdag"; auf dem Oster=Etting wurden die Gildemeister gekoren u. s. w. Am Dienstag oder Mittwoch in den Pfingsten ward allgemeine Festversammlung oder Gilde gehalten.

Das erste Drittheil des Buches ist das Gildebuch der Knapengilde des Wollenweberamts. Neben der Meister gilde der Wollenweber bestand eine damit verbundene "Knapengilde". Diese Gilde wird sehr häufig "knapengilde", auch "wullenknapengilde", und die Mitglieder werden "broder der knapengilde", auch "meisterknapen, proprie de "wullenknapen" genannt. Diese Gilde hielt mit dem ganzen Wollenweberamt am Dienstag oder Mittwoch in den Pfingsten Gilde, auf welcher vor dem Wollenweberamte Rechnung abgelegt ward, z. B.

"1568 hebben de gildemester in iegenwardicheit des gantzen ampts und gildebroder rekenschop wegen der knapengilde gedhan"

und

"1566 in kegenwardicheit des gantzen amptes rekenschop gedhan von der knapengilde".

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Die Aufzeichnungen enthalten die Rechnungsablagen, Verzeichnisse der Mitglieder mit ihren Geldbeiträgen, Verzeichnisse des Besitzes und der Zinsen und Miethen der Gilde, welche auch Capitalien und liegende Gründe besaß.

Es ist die Frage, was der in Meklenburg äußerst selten vorkommende Ausdruck " Knape" bedeutet. Er bezeichnet ohne Zweifel die untergeordneten Arbeiter und Knechte des Amtes, auch wohl Gesellen. Der Ausdruck ist bekanntlich von den Bergknappen bekannt, ward in Süddeutschland aber auch bei den Wollenwebern angewandt; dort gab es auch wohl Tuchknappen. Die Wollenwebermeister waren ohne Zweifel umsichtigere, vornehmere, reichere Leute, welche neben dem Handwerk auch Wollhandel und Tuchhandel trieben, also kleine Fabrikanten und Kaufleute waren. Diese bedurften aber wieder untergeordneter Kräfte zum Sortiren, Reinigen und Spinnen der Wolle, zum Färben und Scheeren des Tuches u. s. w. Alle diese Arbeiter, zu denen auch wohl die Gesellen gerechnet wurden, hießen Knappen und bildeten eine eigene Gilde unter der Leitung des Wollenweberamtes. Die Knappen waren oft verheirathet und ließen sich mit ihren Frauen und Kindern in die Gilde aufnehmen, z. B. 1528:

"Anno XXVIII.

Des middewekens in deme pinxsten heffth gewunnen Achim Schomaker myth syner vrowen vnde sineme sanen merthen der knapen gilde vnde vor den wynsth hefft gelauet Kersten Zarnow. - In deme sulffthen jare vnde dage helft ock Jochim Volckmer gewunnen de knapen gilde, vor den wynsth hefft gelauet syn vad er Volck mer Regendantz vnde Achim Tithke de wullenwever. - Ock in deme suluen jare vnde dage hefft Peter Branth myth syner vrowen de knapen gilde gewunnen in Clawes Lepsowen husze, vor den winsth hefft gelauet Achim Tithke."

Auch die Wollenwebermeister mußten sich besonders in die Knappengilde aufnehmen lassen, z. B. 1587:

"Zu gedencken.

Dieweilen bishero Amptsgebrauch gewesen, dass jeder Meister im anfanck seines Ampts 4 s. vor 1  . wachs vor sich vnd 4 s. vor ein  . wachs vor seine frowe, desgleichen auch 4 s. vor 1  . wachs, wenn ehr die Knapengilde gewinnen wullen, hat geben mussen, Also hatt

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das Ampt heutt den Dingstagk im heiligen Pfingsten Anno 87 beschlossen, dass ieder Meister in bewerbung der Knapengilde auch im Anfangk seines Ampts vor sich vnd seine frowe geben soll hinfurd vor 2  . wachs 4 s. lubisch vnd soll das dritte  . nachgelassen sein."

Er konnten aber auch unverheirathete Gesellen aufgenommen werden oder Knappen als Gesellen wandern, z. B. 1616:

"Anno 1616 auf dem Ettinges dach also auf Michaelis heft ein gantz Ampt des Tuchmachers Handtwercks alhir zu Röbel besloszen ihn Jochim Blancken behausinge, wen ein Knape wandern kunne vnd von dem werckmeister ihm ein Zeddel gegeuen worde zu einem Meister, der Meister aber den Knapen nicht ahnnehmen wil, sol dem gantzen Ampte ein klein verleken beier zur strafe geuen".

Mit dieser Aufzeichnung scheinen die Nachrichten über die Knappengilde zu schließen, welche im dreißigjährigen Kriege untergegangen zu sein scheint.

Vor diesem Buche sind zwei Blätter eingeheftet, welche, auf den vier Seiten voll geschrieben, ein plattdeutsches Gedicht enthalten, welches ohne Zweifel ein Scherzgedicht der Wollenweberknappen ist. Es scheint von einer der Hände geschrieben zu sein, welche die ersten Aufzeichnungen eingetragen haben, also ungefähr aus dem Jahre 1520 zu stammen, wofür auch die Handschrift spricht. Auch kommt in den Mitgliederverzeichnissen in den ersten Zeiten ein Achim Sten vor, während in dem Gedichte ein Curd Sten auftritt. Das Format des Papiers ist ursprünglich etwas länger gewesen, als das Gildebuch, und es sind daher unten einige Zeilen abgeschnitten, wodurch das Gedicht unvollständig geworden ist. Auch sind die Seitenränder etwas abgegriffen und vermodert.

Die Anlage des Gedichts scheint die zu sein, daß an einem "Heck'' ("postis") zwei Partheien, durch das Heck getrennt, stehen, von denen die erste Parthei aus Wollenweberknappen besteht, welche gutes Bier haben, die zweite Parthei aus Bauern besteht, welche schlechtes Bier haben und sich darnach speien müssen; das Ziel des Gedichts scheint zu sein, daß die besser gestellten "Knappen" sich über die Rohheit und Dummheit der Bauern lustig machen. Das Ganze ist allerdings sehr platt, aber eine Art von rohem Volksdrama oder Bauernspiel, eine Art Volkskomödie. Ganz klar ist das Gedicht nicht, da es nicht vollständig ist, vielleicht gar viel daran fehlt.

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Das Gedicht lautet folgendermaßen:

Grote Ludeke.

     Tzoyle, Janeke szone, Tzoyle,
wy willen drincken na dessen spalc.
Janeke szone, du schalth schenken
vnde my to ersthen bedenchen
vnde brinck my her de schale,
szo wil vy dri[n]cken al [to male].
          Filius ad ipsum veniens cum cereuisia in aliquo
               vase grosso et dicit.
     Ja wader, dath schal dy wol behagen,
Hyr bringe ick dy guth ber dragen,
drinck vnde giffh Ren (?)pest (?) Talen,
ick wil vns noch mer hal[en].
          Et sic bibunt ordinarie, Symon Storm
               postmodum, Iterum chorysant vtrumque.
     Horsthu vol, Korth Stenen,
wo de bure beginnen to . . . . ,
se pypen vnde liren,
se dantzen vnde hofferen,
myth Volbeken vnde Lyseken,
myth Thehaleken vnde Ky . . . . . . ,
vy hebben gebrwet gudth ber,
dath drincken se . . . .
dath water uth den beken
de wat heyth . . . . .
      Se drinken dath ber in eren koph
vnde richten ere sterte hoch uph
vnde byssen alse de k oe d oe th,
wen er de bromse deth grote n oe th,
sze lopen auer stock vnde auer steyn
vnde thobreken arm vnde ben.
     Groth morth hir affh schege,
dath he sych beth wat szege,
don he dessen rath vanth, de scholde me ene vor dath heckh hebben geszant,
men voldesthu dy hebben man licken,
szo wolde wy vor (?) dath hecke stricken.

Curdth Stenen

Szo wil wy vor dath - - -
vnde wynnen g - - - wyllen lopen
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Henneke Bertolth.

     Ick hete Henneke Berthen,
my ysz also wellich bynnen herten
vnde in mynem buche also we,
ick volde, dath ick hadde gedruncken van deme sne,
don ick deth bosze ber dranck,
szo ver ick nicht szo kranck,
[w]ente ick segge dath vph myne trwen,
[da]th ber ys nicht recht gebrwen.

Tzabertzien.

     Ich hethe Szabertzien,
ick mach wol auer dath ber scrigen,
dath is my an deme koppe gesteken,
dath ick schyr de spyse moth breken
vnde modth begynnen to gholken,
alse de koge bolken.

Olde Hans Bysterwelth.

     Ghy heren, summe myner moder szele,
dath maket de schulte eyn dell,
he heffth vns gekoffth dath bosze ber,
dat vy affspyen so ser.
Ick olde Hans Bysterwelth
ick noch nen verle vor myn gelth
also bose ber gedruncken,
dath heffth my vth dem halse stunken
also brandich alse eyn hunth,
dath ber is rechte vnsunth.

Sabertzien.

     Ich hethe Sabertzyen,
dat ber vil my vth deme hemde syen
[m]y ys an m - - - - -
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[Jakel Wagelscutte.]

     Ick hethe Jakel Wagelscutte.
Eya vo rechte vnnutte
vorthere wy vnse gelth,
so sy ick nicht eyn fram hel[t].

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Is iny nicht szo we yn myneme liue,
dath ick nicht veth, vor yck scal bliuen,
dath my uth deme halse schaten.
Vy hebben vns al bedoren laten.
               Et facit, vt alii.

Henneke Jacob Truden.

     Ick hete Henneke Jacob Truden,
ick volde, dath ick vore vth den luden,
ick uolde spyen vth myneme grande,
dath men dath myth neneme sande
ko[n]de behuden edder bestrowen.
De vlate begunnet my tho nowen.
               Et sic facit vomitum.
Ick o moth spyen, summe goth,
ver id ock schon eyn heren verboth.

Kundige Gerolth.

     Ick hete Kundige Gerolth.
Deth ber is truen altho solth,
dath vns de schulte heffth laten halen,
dath mothe wy allyke dur betalen.
He rekent dath vor eyn punth,
noch ys dath lyke ungesunth,
dath yck nu an eyneme szuke velle,
szo vere ick nicht eyn gudth geselle.
Ick volde en de vorscho bedropen,
he scolde uns wol mer gudth byr kopen.
               Et facit etc.

Jurgen Dryuentolle.

     Ick hete Jurgen Driuentolle.
Ick sta hyr alsze eyn stadthbulle,
also eyn badet ganszekuken
. . . . . . tho male we m vnseme . . . ken
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[g]hy hebben dath starke ber gheszapen
vnde stan edder ghy uolden slapen.

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Nu moth men jw jagen [w]e de herzen,
vppe dath ghy nicht en bersthen,
Bisset var ick wil jw jagen,
de leste verth trwen geslagen.
          Et omnes currunt per postem et Symon Storm
               et Kurth Stenen stant ante postem et manent
               ibi cum Taleken et quasi ex potu ad
               terram cadentes ipsis adhu[c] non permanendo dicit.
          Symo Storm clamando.
     Tho Joduthe, tho judute auer herzeleyth.
Curdt Sthenen, nu bewisz dine manheyth
vnde griph an deth heck menliken.
Sze, wo de bure her sliken
          Et sic adiuuat Curdth Stenen.
               Tezel dicit ad Taleken consolando et cum ea
               ibi perseuerans.
     Eya Taleke, eyn schone mageth,
vo rechte auel ys my deth vorhaget.
Settet jw hir nedder uph desse banck,
ick vil lopen, vnde sumen nicht lanck,
vnde vil th[o] den burenluden,
[e]ffte ick se anders kunde beduden.
          Et pulsat.

Prefectus.

     Vol uph ghy here vnde syth boreth,
horeth, vo vnse klocke geyth.
[sz]e brummet alsze de klocke van Lunden,
. . heffth eyn nigen rath gefunden
. . . dath nu tho den buren ludeth
. . villen horen, vath dath bedudet
. . . ghy wyser sin ven ick
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