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Die Kirche und das Antipendium
zu Dänschenburg.

Die Kirche zu Dänschenburg

bei Marlow ist in der Baugeschichte dadurch wichtig, daß die Urkunde über die Stiftung derselben noch vorhanden ist. Nachdem der Fürst Borwin von Rostock 1247 und 1248 das Dorf Dänschenburg dem Kloster Doberan geschenkt hatte, bauete das Kloster in dem Dorfe eine Kirche; am 14. October 1256 weihte der Bischof Rudolph von Schwerin den Kirchhof, bestätigte die Dotation und bestimmte den Sprengel der Kirche, indem er die "Dörfer Utessendorf, Vriholt und Wendisch Repelin" dazu legte; die Original=Urkunde ist noch im schweriner Archive vorhanden und in Westphalen Mon. ined. III, p. 1499 gedruckt.

Wir verdanken die Entdeckung dieser Kirche und ihrer Eigenthümlichkeiten dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow, welchem ich selbst im März 1859 in Dänschenburg an Ort und Stelle, mit freundlicher Unterstützung des Herrn Pastors Steinfaß, nachgeforscht habe.

Die Kirche bildet im Grundrisse ein Oblongum von zwei Gewölben Länge und hat im Westen ein gleich breites Thurmgebäude. Sie ist, mit Ausschluß des Chorgiebels, welcher aus Ziegeln aufgeführt ist, ganz aus Feldsteinen gebauet.

Die Kirche ist aus zwei Gewölbe angelegt, welche jedoch nicht zur Ausführung gekommen sind; statt deren hat sie jetzt eine Bretterdecke. Im Innern stehen an jeder Seite zwei Gewölbeansätze oder Leisten von der Breite eines halben Ziegels in zwei großen, tief hinabgehenden, halbkreisförmigen Bogen, welche auf Platten ruhen, welche für den Fall der Wölbung eingemauert sind. Die Kirche hat unter jedem Gewölbebogen, auch an der Altarseite, zwei Fenster, welche paarweise beisammen stehen und je zwei durch einen Bogen verbunden sind, die Kirche hat also im Ganzen 10 Fenster in 5 Paaren. Die Fenster sind noch im Uebergangsstyle construirt; eben so

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die Bogen, welche sie verbinden und einen alten Spitzbogen zeigen; die Fenster der Nordwand sind noch erhalten, die Fenster der Südwand dagegen theils zugemauert, theils erweitert. Die Nordwand hat zwei im strengen Spitzbogen= oder Uebergangsstyle aufgeführte Pforten, von denen die größere zum Chor jetzt zugemauert ist. Der Thurm hat nach außen und nach innen rundbogige Eingänge.

Der östliche Giebel der Kirche ist von Ziegeln aufgeführt und hat fünf hohe, schmale, weiß getünchte Blenden, welche im Uebergangsstyle construirt und spitz gewölbt sind. Das Dach ist ungewöhnlich hoch und steil und hat sicher noch die ursprüngliche Construction, während die Dächer wohl der meisten Kirchen des Landes in neuern Zeiten gesenkt sind. Daher sind auch noch die Blenden und Leisten des Giebels unberührt.

Aus dieser Darstellung ergiebt sich, daß im J. 1256 noch der Uebergangsstyl zur Anwendung kam; vielleicht aber liegt die Kirche zu Dänschenburg schon in den letzten Grenzen dieses Styls.

Uebrigens ist die Kirche grade nicht vorzüglich gebauet und erhalten.

Von großem Interesse ist mancher Gegenstand in der innern Ausstattung der Kirche.

In der Nordwand der Kirche neben dem Altare ist ein Tabernakel in Form eines Schrankes mit einem halben gothischen Thurme, der sich an die Wand lehnt, angebracht. Der durchbrochene Thurm ist im gothischen Style aus Eichenholz geschnitzt, ziemlich gut gearbeitet und stammt ungefähr aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die weiß getünchte Wand hinter diesem Thurme ist noch mit alten Arabesken bemalt. Es wiederholt sich auch hier, daß die Kirchen der Abtei Doberan Tabernakel hatten.

Der Altar, welcher eine schlechte Arbeit des Zopfstyls ist, enthält eine schlecht gemalte Kreuzigung und in der Predelle ein Abendmahl, beide ohne Werth. - Von alten Altarbildern ist nichts weiter übrig, als ein gut geschnitztes Bild der Heil. Anna aus Eichenholz.

Dagegen ist das vor dem Altartische angebrachte, auf Holz gemalte Antipendium , welches der Herr Dr. Hüen entdeckt hat, von großer Bedeutung für unsere Kunstgeschichte und wird unten in einem eigenen Anhange zu diesen Nachrichten beschrieben und gewürdigt werden.

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Die Glocke ist sehr hübsch und mit vielen Verzierungen geschmückt und trägt die Inschrift:

Inschrift

Nach der von dem Herrn Pastor Steinfaß mitgetheilten Sage soll unter der Kanzel eine Quelle von wunderthätiger Wirkung gewesen sein und die grünlich gefärbten Ziegel im Fußboden noch für den feuchten Untergrund zeugen. Die Gegend von Dänschenburg hat viel Raseneisenstein oder Morasteisen und daher ist das Wasser wohl oft eisenhaltig.

G. C. F. Lisch.

Das Antipendium von Dänschenburg.

Die Vorderseite des Altartisches in der Kirche zu Dänschenburg ist mit einem auf Holz gemalten Antipendium bekleidet, welches wohl seit einigen Jahrhunderten von der herabhangenden Altardecke verdeckt gewesen und daher noch recht gut erhalten ist. Mit Bildwerk geschmückte Bekleidungen des Altartisches aus Metall oder Holz waren im Mittelalter wohl nicht sehr selten; jedoch ist diese Art von Antipendien in den nördlichen Gegenden jetzt so selten geworden, daß das Erscheinen eines Exemplares zu den größten Seltenheiten gehört. So viel ist gewiß, daß bis jetzt in Meklenburg kein anderes Antipendium aus Metall oder Holz bekannt geworden ist, als dieses Antipendium von Dänschenburg; überhaupt scheint im nördöstlichen Deutschland bis jetzt kein anderes Antipendium dieser Art bekannt geworden zu sein. Bekannt ist jenseit der Elbe das werthvolle, auch auf Holz gemalte Antipendium aus dem 13. Jahrhundert vor dem Altare der Kirche zu Lüne, welches in den "Alterthümern der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne", 4. Lieferung, Lüneburg, 1857, herausgegeben ist. Gewirkte oder gestickte Antipendien oder Altardecken waren häufiger und sind ganz oder in Ueberresten noch zu finden.

Das hölzerne Antipendium von Dänschenburg ist grade so groß, wie die Vorderseite des steinernen Altartisches, 3 Fuß lang und 1 1/2 Fuß hoch, und von einem schmalen hölzernen Rahmen eingefaßt, welcher jedoch in neuern Zeiten erneuert oder übermalt ist. Die Tafel wird ganz von einem Oelgemälde gefüllt, welches den Tod der Jungfrau Maria darstellt. Unter einem grünen Thronhimmel mit zurückgebun=

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denen Vorhängen liegt die sterbende Maria auf dem Bette mit dem Oberleibe halb aufgerichtet. Johannes, zu ihrer Linken hinter dem Bette, hält sie in dieser Lage. Neben ihm steht Petrus, welcher mit seiner rechten Hand der Maria das Licht in den Händen hält und mit seiner linken Hand den Weihwedel in das Weihbecken taucht. Die übrigen zehn Apostel stehen hinter dem Bette und am Fuße desselben hinter einander in die Länge gruppirt, um die lange Tafel zu füllen, während sie sich sonst auf Altarbildern gewöhnlich dicht um das Bett drängen. Zur vordern Seite des Bettes, zur Rechten der Maria, knieet betend vor der Maria eine Frau mit weißem Kopfschleier. Zu dem Haupte der Maria sitzt eine Jungfrau mit einer Mütze bekleidet. Dieses Bild ist ohne Zweifel für den Zweck eines Antipendii gemalt, gut erhalten und noch nicht übermalt. Die Verhältnisse und Stellungen der Figuren passen zu den Verhältnissen des Altartisches.

Wichtig für dieses Bild ist die Zeit, in der es gemalt ist. Und da muß ich bekennen, daß es zwar noch katholisch, aber nicht sehr alt ist, sondern der alterletzten Zeit des Katholicismus und zwar der Mitte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehört. Hiefür redet nicht nur der Styl der Malerei, sondern auch und besonders der architektonische Hintergrund. Der ganze Hintergrund stellt gequadertes graues Mauerwerk dar. An jedem Ende steht ein grauer Pilaster, welcher einen nach innen gekehrten halben Rundbogen trägt, und in der Mitte des Hintergrundes stehen noch zwei Pilaster; diese Pilaster und Bogen sind ganz und genau der Architektur des nördlichen Renaissance=Baustyls nachgebildet und mit den charakteristischen Verzierungen desselben Styls grau in grau geschmückt. Diese ganze Architektur ist dem frühesten Ziegelrenaissancestyl des nordöstlichen Deutschlands, jedoch in grauen Farben, getreu nachgebildet. Auch die Malerei der Figuren spricht für die angegebene Zeit, sowohl im Allgemeinen, als im Einzelnen, z. B. der Styl der gekräuselten Haare und Bärte, welcher an die Zeit des Albrecht Dürer erinnert. Endlich ist die graue Farbe des Hintergrundes, statt eines Goldgrundes, schon ein Zeichen neuerer Zeit. Auch die Composition hat schon Abweichungen vom alten, strengen kirchlichen Styl, z. B. darin, daß der Apostel Petrus Licht und Weihwedel hält, während sonst gewöhnlich Johannes das Licht und Petrus den Weihwedel hält. Dagegen ist der Gegenstand der Darstellung, Mariens Tod, und die Auffassung derselben im Allgemeinen noch katholisch.

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Man wird daher nicht fehl greifen, wenn man dieses Antipendium in die allerletzte Zeit des Katholicismus und in den ersten Anfang des Renaissancestyls in Meklenburg setzt und man das Jahr 1520 als das Jahr der Verfertigung annimmt. Die Schwankung kann höchstens wenige Jahre betragen. Im ersten Jahrzehend des 16. Jahrhunderts herrscht in Meklenburg nach datirten Kunstwerken noch der gothische Styl mit Goldgrund; im vierten Jahrzehend ward in Meklenburg gewiß kein katholisches Kunstwerk mehr gemacht. Der weiteste Zeitraum, in welchen dieses Antipendium fallen kann, ist also die Zeit von 1510 bis 1530; ich möchte den Raum auf die Zeit von 1520 bis 1530 beschränken.

Was den Werth des Gemäldes betrifft, so ist dasselbe ziemlich gut zu nennen; einige Köpfe sind sogar recht gut. Der Kopf der sterbenden Maria ist zwar nur unbedeutend, dagegen ist der Ausdruck im Kopfe des Johannes gefühlt und sehr gut; auch die Köpfe einiger andern Apostel sind recht gut, andere Gesichter haben noch die Eigenthümlichkeiten der alten Zeit.

Das Antipendium scheint noch seine ursprüngliche Größe zu haben. Die Länge ist gewiß noch die alte, da die beiden Pilaster mit den beiden einwärts gehenden Bogen noch die beiden äußersten Seiten begrenzen. Oben scheinen die beiden Bogen abgeschnitten zu sein; ob dies nun die ursprüngliche Art der Malerei ist, welche die Bogen an den Seiten nur andeuten und verlaufen lassen wollte, oder ob oben in jüngern Zeiten von der Tafel etwas abgenommen ist, läßt sich wohl nicht mehr bestimmen; es ist jedoch gewiß, daß die Verhältnisse des Ganzen noch gut sind und daß nichts zu fehlen scheint, auch daß sich in der ursprünglichen Malerei die Bogen nicht auf die beiden Pilaster in der Mitte des Gemäldes fortsetzen. Es scheint also, daß ursprünglich nur eine Andeutung einer Halle durch zwei sich verlaufende Bogen hat gegeben werden sollen.

Jedenfalls scheint es sicher zu sein, daß die Bekleidung der Vorderseite des Altartisches der Kirche zu Dänschenburg ein Antipendium ungefähr vom Jahre 1520 ist.

G. C. F. Lisch.

Vignette
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