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1.

Der söndervissingsche Runenstein,

nach P. G. Thorsen's Abbildung,

auf folgender Seite.

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Der söndervissingsche Runenstein
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2.

Der Söndervissing=Stein,

von

Carl Christian Rafn.

S. 289.

Söndervissing liegt im District Tyrsting, Amt Skanderborg, 2 3/4 Meilen westlich von Skanderborg und wenig weiter nordwestlich von Horsens.

Im Jahre 1838 ward hier ein früher unbekannter Runenstein in der Ostseite des Kirchhofsdammes, an der Pforte zum Kirchhofe gefunden, deren einen Seitenstein er ausmachte. Dahin ist er wahrscheinlich von einem Grabe in Egnen gebracht, wo er ursprünglich errichtet gewesen. Nachdem die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieses Steines gelenkt war 1 ), ist er unter Dach gebracht und steht jetzt in weiterer sicherer Verwahrung im Waffenhaus (Vaabenhuus )) der Kirche.

Der Landprediger in Söndervissing und der Meierei Voer, Herr J. L. Tommerup, hat mir in Betreff dieses merkwürdigen Runensteins weitere Auskunft gegeben, die zu fernerer Orientirung dient. Er ist von grauem Granit, 8 Fuß hoch, 4 Fuß breit und 7 Zoll dick. Die Inschrift ist in drei vollen Zeilen mit einer vierten Supplirungs= oder Schlußzeile angebracht. Zwischen den beiden ersten und den beiden letzten Zeilen ist ein Abstand ungefähr von der Breite einer der anderen Zeilen. Die Runen sind von einer recht ansehnlichen Höhe von 5 3/4 Zoll, doch sind die in der vierten Zeile einen halben Zoll niedriger; sie sind zwischen Strichen angebracht, die zu Anfang der ersten Zeile mit einem Zirkelschlag und bei den anderen Zeilen mit einem graden Strich verbunden sind. Am Schlusse der Zeilen sieht man keine solche Verbindung, allein am Schlusse der ersten oben den Anfang zu einer solchen, oder wahrscheinlicher ein Trennungszeichen; an

S. 290.

dem Schlusse der anderen Zeilen ist kein Trennungszeichen wahrzunehmen. Dagegen sieht man am Schlusse der dritten eine Verzierung von der angedeuteten Figur, welche wahrschein=


1) Besonders durch eine 1839 einzeln herausgegebene Beschreibung und Erklärung dieses Steines von P. G. Thorsen; S. 10 wird hier eine gute Abbildung mitgetheilt, welche die verschiedenen Formen der Runen Rune und Rune zeigt.
†) Vaabenhuus kann Waffen= und Wappenhaus bedeuten. D. Uebers.
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lich andeuten soll, daß das in der vierten Zeile angebrachte Schlußwort mit dem vorhergehenden zu verbinden sei.

Die Inschrift ist folgende:

Inschrift

Das in der vierten Zeile ergänzte Wort hat den Verbindungsstrich zwischen den Linien vorne und hinten, und das Schlußwort in derselben Zeile hat vorne eine Hinweisungsklammer und hinten ein Schlußzeichen für die ganze Inschrift.

Mit lateinischen Versalien bezeichnet werden sie folgendermaßen gelesen:
TUFA : LET : GAURVA : KU M BL : MISTIVIS : DUT T IR : UFT : MUÞUR : SINA : KUNA : HARA L DS : HINS : GUÞA :GURMS-SUNAR.
und mit der üblichen isländischen Rechtschreibung:

Tôfa lêt görva kumbl: Tofa ließ machen das Grab:
Mistivis dôttir Mistivis Tochter
eft ir môdhur sîna, Nach ihrer Mutter,
(kona) Hara l ds hins gôdha Haralds des guten
Gormssunar Gormssons Weib.

Tofa war also Harald Gormssons Weib.

Nach dem ersten Satze folgt hier eine alliterirte * ) Halbstrophe, worin kona mehr des Sinnes als des Versmaaßes wegen später zugefügt ist. Das Verhältniß ist hier dasselbe, wie auf den Aspa= und Kjulasteinen (L. 868, B. 807; L. 979, B. 753), wo nach der Lesart, die ich vorschlagen will 1 ), auf den ersten Satz eine achtzeilige volle Strophe folgt.


*) Die Inschrift steht nach den Originalzeilen auf dem Steine also:
   tufa let gaurva kumbl
   mistivis duttir uft mudhur
 
   sina haralds hins gudha gurms
          kuna          sunar
Rafn theilt diese Inschrift richtig in alliterirende Verse und fügt das auf dem Steine untergeschriebene Wort kuna vor dem Worte haralds (  ...  )
1) Vgl. Mémoires des Antiquaires du Nord, 1845 - 1849, p. 338 - 339, 344.
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S. 291.

Tufa. Der Frauenname Tufa, Tôfa, wie der Mannsname Tôfi, kommt oft in des Nordens, besonders Dänemarks älterer Geschichte vor, ebenso auf verschiedenen Runensteinen, immer wie auf diesem geschrieben, z. B. auf dem Komstad=Stein in Njudingen (L. 1241); auf dem Valkärra=Stein in Schonen (L. 1444); auf dem einen Hjermind=Stein im Amte Wiborg (L. 1512, W, addit. 24); auf dem Gröndal=Stein im Kirchspiel Ulstrup, ebenfalls im Amte Wiborg (L. 1528, W, 305); auf dem einen Gunderup=Stein in der Herrschaft Fleskum, Amt Aalborg, kommt die Gegenstandsform Runen vor.

In der ältesten Recension der Hervarar=Saga, die in einem vortrefflichen Hauksbók 1 ) aufbewahrt ist, heißt des Helden Angantyrs Weib, eine Tochter des Iarl Bjartmar von Aldeiguborg, Tofa, welche die spätere Recension Svafa nennt. In den historischen Quellen kommt dieser Name ebenfalls vor, wiewohl nicht sehr gewöhnlich. Es führte denselben auch im zehnten Jahrhundert eine Tochter des Iarl Strutharald in Schonen oder Seeland, welche mit dem einen Sohne des Häuptlings Vesete auf Bornholm, Sigurd Kapa, vermählt ward, der nach seinem Vater auf dieser Insel mit seinem Weibe Tofa wohnte und daselbst ein ansehnliches Geschlecht hinterließ 2 ). Eine Tochter des unter Olaf dem Heiligen bekannten Sighvat Skjald, welche der König und seine Tochter Astrid zur Taufe hielten, erhielt ebenfalls diesen Namen 3 ), den man ebenso im 11. Jahrhundert auf Island angewendet sieht 4 ). Im zwölften findet man Stig Hvitaleder, der wahrscheinlich von Skjalm Hvides Geschlecht war, mit einer Tove 5 ) vermählt, und in der Geschichte Waldemar's I. Geliebte dieses Namens erwähnt, die Mutter Herzog Christoph's, der für seinen Vater starb.


(  ...  ) ein. Ein gelehrter Freund des Vereins hält aber das Wort kuna für das letzte Wort der ganzen Inschrift und stellt die beiden letzten Verse so:
   haralds hins gudha         Haralds des guten
   gurmssunar kuna.          Gormssohns Weib.
Schon der Schlußstrich hinter kuna auf dem Steine scheint anzudeuten, daß kuna ursprünglich das letzte Wort der Inschrift sein sollte. Wenn nachträglich ein Wort eingehauen ist, so ist es das untergestellte Wort sunar, welches im Nothfall auch fehlen konnte. - D. Red.
1) Arn. Magn. Nr. 544 in Quart, s. meine Ausgaben der Saga in Fornaldar Sögur Nordrlanda I, p. 519, und in Antiquités Russes et Orientales I, p. 121. -
2) Fornmanna Sögur I, p. 155; II, p. 77, 87-88, 115, 157. -
3) Das. 5, p. 177. -
4) Landn. V, 10. Islendînga Sögur I, p. 304. -
5) Beide zufolge des Danske Atlas in der Effenbeker Klosterkirche begraben, s. Suhms Hist. af Danmark, VI, p. 93, vgl. V, p. 573.
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S. 292.

Vor allen lebt aber in Sagen und Volksweisen die schöne Tofa, gewöhnlich Tovelille genannt, mit welcher Waldemar Atterdag in Liebesverhältniß stand und welche den Sagen zufolge theils zu Hjortholm bei Fursö, theils auf dem anmuthigen Gurre im Kirchspiel Tikjöb wohnte 1 ); man nimmt an, sie sei von Rügen und vom Geschlecht der Podebusk, die von den alten rügenschen Fürsten abstammten.

Man hat den Namen Tofa von dûfa (Taube) ableiten wollen 2 ) und gemeint, daß Tovelille dasselbe sei wie Dyveke, von dem man annimmt, es bedeute Dyfken (Täubchen), oder ihn, so wie auch den Mannsnamen Tofi, durch "rauhe, zottige" erklären 3 ), womit man das Isländische Rune ôfi (eine wollene Decke) und Rune ûfa, schwedisch tufva (eine Bülte) zusammenstellte. Nach den oben angeführten Citaten scheint, wenn nicht den ersten aus der mythischen Zeit, doch den letzten der genannten Personen aus dem 14. Jahrhundert, eine slavische Herkunft zuzuschreiben zu sein; und ungeachtet der Name, soweit mir bekannt, in slavischen Quellen nicht vorkommt, könnte er wohl einen slavischen Ursprung haben, vielleicht in der Bedeutung: "gut, bequem, zur Zeit passend", vom russischen doba: Zeit, rechte Zeit, oder von dem böhmischen djewa: ein Mädchen, oder divá: die Wilde, Fremde.

Mistivis. In der eben citirten Monographie über den Söndervissing=Stein wird dieses Wort Mistiris als Genitiv von "einem Eigennamen Mistirir oder Mistiris, welcher anderswoher nicht bekannt ist", angesehen, wobei wir jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, "daß die sechste Rune gern, wie die Abbildung auch ausweist, ein Rune (v) sein kann". Pastor Tommerup bemerkt, daß diese Rune, "welche für ein Rune (r) angesehen worden, größere Gleichheit mit einem Rune (v) hat; sie ist ziemlich schmal und hat eine, aber höchst unbedeutende Biegung an dem hinteren Strich". Er bemerkt dabei, daß über der siebenten Rune ein, jedoch ziemlich seiner Querstrich ( Rune )

S. 293.

und über der zweiten Rune "ein sehr deutlicher", in derselben Richtung, ist, welche doch kaum etwas anderes sein können, als zufällige Ritzen, und in der Abbildung des Steins auch nicht wiedergegeben sind.


1) Siehe Nachrichten über Hjortholm und Gurre und den Theil von Waldemar Atterdags Sagengeschichte, welcher sein Verhältniß zu Tovelille angeht, bei Vedel Simonsen, Annaler for nord. Oldkyndighed, 1838 - 1839, S. 261 - 319, 337 - 341. -
2) Vedel Simonsen a. a. O. S. 269. -
3) U. W. Dieterich, Runen=Wörterbuch S. 314 - 315.
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Den Namen muß man unzweifelhaft Mistivis lesen, Genitiv von Mistivi, welcher große Aehnlichkeit mit dem wendischen Namen Mistui hat, welcher einem Fürsten zugehörte, der über die Bodrizen oder Obodriten in Meklenburg von 960 - 985 herrschte, mit vielen seiner Unterthanen Christ ward, aber später vom Christenthume wieder abfiel, und der, nachdem er früher vermählt gewesen, im Jahre 973 eine zweite Ehe mit einer Schwester des Bischofs Wago von Starigard oder Oldenborg einging, die ihm die Tochter Hodica gab, welche Aebtissin in dem in Meklenburg errichteten Jungfrauenkloster ward. Der Name dieses obodritischen Fürsten wird von älteren Schriftstellern auf verschiedene Weise geschrieben: Thietmar von Merseburg 1 ) nennt ihn Mistui; bei anderen Schriftstellern kommen folgende Schreibweisen dieses Namens vor: Mistowi 2 ), Mistav 3 ), Mistiwoi 4 ), Mistowoi 5 ), Mistuwoj, Mystuwoi, Mistuuoi, Mistuiuoi, Mistuvuoi 6 ), Mistavus, Mistivojus 7 ), Mistobogius 8 ).

Abweichend von diesen verschiedenen Schreibweisen nennt Schafarik 9 ) ihn Mestiwoj I. und ebenso seinen Enkel Mestiwoj II. Der ausgezeichnete slavische Linguist und Archäolog hat sicher Recht darin, diesen beiden obodritischen Fürsten ** ) einen und denselben Namen beizulegen und nicht, wie Rudloff und andere, ihnen verschiedene Namen zu geben: Mistui

S. 294.

oder Mistav (Billug), und Mistewoy. Des Namens Ableitung und ursprüngliche Bedeutung zu bestimmen, muß ich slavischen Sprachforschern überlassen. Auch in dieser Hinsicht dürfte wohl die Schreibweise des Namens auf dem Runenstein eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, da sie sicher älter ist als die bekannten Quellenschriften, und uns dabei zeigt, wie die Dänen den Namen geschrieben und ausgesprochen haben.


1) L. II, c. 9; vgl. L. IV, c. 2, Monum. Germ. histor. ed. Pertz T. V, p. 748, 768. -
2) Annalista Saxo, Corpus historicum medii aevi, ed. J. G. Eccard T. I, col. 305, 336, 337, 342. -
3) Widukindi res gestae Saxon. ed. D. G. Waitz, Mon. Germ. histor. T. V, p. 463. Annalista Saxo 1. c. col. 313. -
4) Georg. Fabricii Orig. Saxon. L. II, fol. 313. -
5) Chronicon Magdeburgense. -
6) Thietm. Merseb. chron. L. III, c. II. 1. c. p. 764, 765. -
7) Chronica Slavorum Helmoldi et Arnoldi, ed. H. Bangertus, Lubecae 1659, p. 39, 51; Dubravii Hist. Bohem., L. 3, p. 100, 101. -
8) Abrah. Frencel, in Westphalen Mon. rer. Germ. T. II, col. 2411. -
9) Slawische Alterthümer, B. II, S. 531 - 533.
**) F. Boll hat in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburg. (Geschichte etc. . XVIII, S. 160 flgd. nachgewiesen, daß die beiden früher angenommenen Obotritenfürsten Mistewoi I. und II. eine und dieselbe Person (vor 967 bis nach 1000) sind. - Ueber Mistewoi und den söndervissingschen Runenstein vgl. man auch meine Bemerkungen in Jahrb. XVI, S. 173 und 203.
                   G. C. F. Lisch.
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Jünger als der Runenstein ist ohne Zweifel der Hauptscribent Thietmar von Merseburg, aber er kommt doch dem Zeitalter des erstgenannten Mistui sehr nahe und war jedenfalls vor dessen Tode geboren (976). Hiezu kam, daß dieser hinsichtlich der wendischen Verhältnisse so gut unterrichtete Schriftsteller einen Gewährsmann hat, welchen er bei einem einzigen, gerade diesen Mistui betreffenden Berichte nennt, nämlich Avico, welcher mit diesem selben Fürsten genau bekannt sein mußte, da er früher sein Capellan gewesen war, aber später Thietmars geistlicher Bruder ward. Von ihm hat er gewiß auch den Namen des Fürsten schriftlich erhalten. Der Name bei Thietmar, Mistui oder Mistivi, stimmt ziemlich überein mit der Schreibweise des dänischen Runensteins Mistivi.

Ein slavischer Sprachforscher muß die ursprüngliche Bedeutung des Namens entscheiden, ob man ihn vielleicht ableiten kann von dem wendischen mest, böhmisch msta, russisch miestj: Rache, oder von dem wendischen und böhmischen mjesto, misto, russisch miesto, polnisch miasto: Ort, Stadt, Hauptstadt; ob man in diesem Falle denken könnte an die Adjectiva mstiwy, rachsüchtig, oder mjestowy, mistowy, localis , dem Orte, der Stadt oder dem Platze zugehörig, was der Schreibweise des Runensteins und Thietmars am nächsten käme; ob man, was doch kaum wahrscheinlich ist, sich einen Mannsnamen davon gebildet denken könnte; oder, wenn das Wort zusammengesetzt ist, ob das letzte Wort in der Zusammensetzung an Bedeutung entsprechen könnte dem polnischen bóy, russisch boi, ganz das griechische βοή , Kampf, clamor, pugna, oder dem russischen voi, Geschrei, oder vôi, ein Heer. Unter der Form Mistobog hat man vielleicht sich den Namen von

S. 295.

dem polnischen bóg, russisch bog'', Gott, gebildet gedacht, ebenfalls entweder einen Gott des Ortes, den man an einer gewissen Stätte verehrte, oder auch einen, der an Gottes Stelle war, bedeutend. Mistobog müßte dann in der Aussprache übergegangen sein in Mistovoj, Mistwoi, Mistivi oder Mistvi, nach dem gewöhnlichen Uebergangsgesetz in der slavischen Sprache von o in i, b in w oder v, und g in j oder i. Am wahrscheinlichsten ist wohl mittlerweile anzunehmen, der letzte Theil der Zusammensetzung bezeichne einen Krieger, und die Bedeutung des Namens sei: der (Missethaten) rächende Krieger.

Kuna. Dieses ausgelassene Wort ist in der Supplirungszeile an der Stelle angebracht, wo es einzusetzen ist. Da das Wort Nominativ ist (kuna und nicht kunu), so geht es auf Tufa, und nicht aus mudhur.

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Harads muß man Haralds lesen; es ist unzweifelhaft kein Schreibfehler, sondern entweder eine Ligatur, so daß der Runenhauer nämlich die beiden Runen Rune und Rune zu dem einen Runencharakter Rune verbunden hat; oder auch, was wahrscheinlicher ist, die Liquida ist nach dem Schreibbrauch jener Zeit ausgelassen und muß man sie hinzugefügt denken, wovon man mehrere Beispiele hat, z. B. auf dem einen Husby=Stein (L. 608): Runen , d. i. Jûtla n di; auf dem Bekke=Stein Runen , d. i. ga r thu; auf den Jellinge=Steinen Runen , d. i. konû n gr; Rune , d. i. ku m bl.

Harald Gormsson ist sicher Harald Blaatand. Da nicht konûngs hinzugefügt ist, so muß man die Inschrift abgefaßt annehmen, bevor er nach des Vaters Tode die Regierung antrat, und von der Inschrift lernen wir, was man sonst nicht wußte, daß er hinn godhi benannt gewesen, wie sein Bruder Knud den Beinamen Danaâst führte. Haralds Schwiegermutter hat sich wahrscheinlich hier in Dänemark aufgehalten und ist (daselbst) gestorben, und hat die Tochter Tofa ein Denkmal (kumbl) ihrer Mutter aufführen lassen, oder einen Grabhügel, worauf dieser Gedenkstein errichtet ward.

Nehmen wir an, der auf dem Runenstein genannte Haraldr hinn godhi sei Harald blâtönn, und die Inschrift abgefaßt, bevor er König ward, so kann sein genannter Schwie=


***) Die bisherige Erklärung der ganzen Inschrift beruhet vorzüglich auf der Erklärung des Wortes uft (efter) = nach. Man übersetzt nun: "Tufa, Mistives Tochter, nach ihrer Mutter, Haralds des guten Gormssohns Frau, ließ diesen Hügel machen", und erklärt dann, daß dies nach dem Tode der Mutter, also zum Andenken derselben, geschehen sei. Der oben erwähnte Freund unsers Vereins findet es aber, wohl mit Recht, sehr auffallend, daß der Name der Mutter, welcher die Inschrift gesetzt sein soll, nicht genannt ist, während alle andern Namen der Betheiligten ausgedrückt sind. Er erklärt daher, nach dem Vorgange der althochdeutschen Sprache, das Wort uft (efter) = nach, nicht durch: später (post), wie bisher, sondern durch: in Gemäßheit (secundum). Dann ist der Sinn: Tufa, Tochter des Mistivi von ihrer Mutter u. s. w. Dies ist freilich auch auffallend, da es dem Sinne nach überflüssig ist; aber es war wegen der dichterischen Form der Alliteration nothwendig. Nimmt man dies an, so fehlt freilich die Bezeichnung der Person, welcher zu Ehren der Stein gesetzt ward, und zugleich liegt dann in der Inschrift nicht der Beweis, das Tufa's Mutter unter dem Steine begraben war. Man muß dann zu der Annahme greifen, daß ein zweiter Stein, welcher die Fortsetzung der Inschrift enthielt, bis jetzt nicht aufgefunden ist.
Wenn nun auch das Begräbniß der Mutter Tufa's ungewiß ist, so leidet es doch jetzt wohl keinen Zweifel mehr, daß "Tufa Mistivis Tochter und Haralds Gormssohns Frau" war.- D. Red.

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S. 296.

gervater nicht, wie einige gewollt haben 1 ), der Fürst der Obodriten Mistui oder Mestiwoj I, dessen Regierungszeit von 960 - 985 gerechnet wird, und noch minder sein Enkel desselben Namens sein, welcher von 1018 - 1025 regierte. Der erstgenannte Mistui kann kaum viel früher als 920 geboren sein. Setzt man Harald Blauzahns Todesjahr auf 985, so muß er, da er 50 Jahr regierte, 935 König geworden sein; er ist vor der Zeit 15 Jahre (einige Quellen geben jedoch 30 Jahre an) Mitregent des Vaters gewesen; sein Geburtsjahr kann deshalb nicht wohl später, als etwa 900 gesetzt werden, was auch Bekräftigung zu finden scheint, wenn man seinen älteren Bruder Knud Danaâst um 889 geboren annimmt, da ein größerer Unterschied zwischen dem Alter der beiden leiblichen Brüder kaum wahrscheinlich ist. Wir müssen also an einen älteren Mistui denken, sicher von demselben Geschlecht und ebenso Obodritenfürst. Auf den erstgenannten Mistui, den ersten dieses Namens, in dem eigentlich historischen Zeitalter, folgte in der Regierung sein Sohn erster Ehe Mitzlaf oder Metschislav (985 - 1018), und diesem folgte wieder dessen Sohn Mistui oder Mestiwoj II. (1018 - 1025). Der Name, sieht man also, hat mehreren derselben Familie 2 ) angehört, und so wie des erstgenannten Mistui's Enkel ihn trug, so hat sicher auch sein Vater oder wahrscheinlicher sein Großvater ihn getragen und ist ebenso Fürst der Obodriten gewesen vor der Zeit, von welcher die Quellen zuverlässige Nachrichten mittheilen. War des erstgenannten Mistui's Großvater 870 ge=

S. 297.

boren, so kann die Tofa des Runensteins sehr wohl seine Tochter, und zwar eine Reihe von Jahren nach Harald Blaatand geboren sein.

Wir kennen nur wenige der Namen der obodritischen Fürsten, welche vor dem Mistui regierten, der 960 die Regierung antrat. Ein Jahrhundert früher, 862, wird Tabamvizil genannt, den König Ludwig der Deutsche damals bezwang, aber diese Unterwerfung war doch nicht von Dauer, und Ludwig der jüngere sandte wiederholte Male Truppen gegen die Obodriten, ohne sich wesentliche Vortheile erkämpfen zu können. Auch Arnulf, der nach dem Abgange der Karolinger zum deut=


1) Jahrbücher des Vereins für Meklenb. Gesch. etc. . XII, S. 124, 135, und XVI, S. 173 - 174, 203. -
2) Dieser Name hat sich auch in der folgenden Zeit erhalten. Helmold (Cap. 37) erwähnt einen Mistue, einen Sohn Heinrichs, Gottschalks jüngern Sohns, welcher im J. 1116 an der Spitze eines vereinigten sächsisch=wendischen Heeres die Linonen dem obodritischen Scepter unterwarf. Der Fürst, der im J. 1210 als Herr von Pomerellen genannt wird, heißt in Chron. Dan. (Langebek scr. rer. Dan. III, p. 259) Mistwi oder Mistvin; in den andern nordischen Annalen ist der Name falsch geschrieben, s. Antiquités Russes et Orient., II., p. 375.
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schen Könige gewählt ward, machte 889 mit einem großen Heere einen Zug gegen sie, der einen sehr unglücklichen Ausgang hatte, da das Heer zerstreut und vollständig in die Flucht geschlagen ward. Dies hatte zur Folge, daß die Angriffe der Deutschen auf die Obodriten für sehr lange Zeit aufhörten. Selbst hatte dieses Volk keine Scribenten, und bei den deutschen Annalisten findet man lange nichts weiter von ihnen aufgezeichnet, als daß sie mit Hülfe der Dänen anfingen, selbst die Sachsen auf beiden Seiten der Elbe zu beunruhigen 1 ). Nachdem Heinrich I, der Sachse, 931 mehrere slavische Volksstämme, namentlich in Brandenburg und Pommern, bezwungen hatte, wandte er sich gegen die Obodriten, und, wie mehrere Annalen berichten 2 ), bekehrte er sowohl deren König, als auch den König der Dänen zum Christenthume. In einer Anmerkung zu Helmolds Chronik zu Leibnitz's Ausgabe wird dieser Obodritenkönig Micisla 3 ) genannt, was unzweifelhaft derselbe Name als Mitzlaf ist. Die Quelle dieser Angabe des

S. 298.

Namens kenne ich nicht, aber es ist höchst wahrscheinlich, daß des erstgenannten Mistui Vater in jener Zeit regiert und diesen Namen getragen hat, so daß sein Sohn nach seinem Großvater benannt ist, und wir haben gleichfalls allen Grund anzunehmen, daß dieses Micislavs oder Mitzlafs Vaters Name, wie der seines Sohnes, ebenfalls Mistui gewesen.

Vignette

1) Lambert. Schafnaburgensis v. J. 902. Pistorii Scr. rer. Germ. I, p. 313. Adami Brem. hist. eccl. L. I, c. 48.. S. Rudloffs Meklenb. Gesch. I, S. 23 ff. -
2) "Henricus rex regem Abodritorum et regem Danorum efficit Christianos"; so Cont. Reginonis nach Annales Augienses, welcher jedoch für "regem Danorum" "regem Nordmannorum" hat. -
3) Kramer (bei Eccard II, p. 523) hat wohl diese Anmerkung zum Helmold benutzt, schreibt den Namen aber fälschlich Mirilla anstatt Micisla, d. i. Micislav; vgl. Jahrbücher des deutschen Reichs unter dem sächsischen Hause, herausg. von L. Ranke, I, S. 164.