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d. Vorchristliche Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker.

Ueber die Hausurnen,

besonders

über die Hausurnen vom Albaner=Gebirge,

vom

Archivrath Dr. Lisch .

In sehr fernen Zeiten ging ohne Zweifel dieselbe Cultur durch alle europäischen Länder, wie noch heute der Bildungsstand der sogenannten wilden Völker sehr ähnlich ist, selbst wenn sie in Zeit und Raum sehr weit von einander entfernt sind. Ja, es hat sich manche Eigenthümlichkeit aus dem grauesten Alterthume bis heute erhalten; so werden z. B. auf manchen Inseln an der Küste Dalmatiens die Thongefäße noch heute auf dieselbe Weise verfertigt, wie sie vor mehrern tausend Jahren allgemein in Europa und noch heute von den Flachschädeln an der Westküste Amerikas gemacht werden. Erst mit der größern Ausbildung der Bronzecultur, namentlich seit der Erfindung des Hohlgusses, und der Anwendung des Eisens erheben sich manche Völker zu einer eigenthümlichen Bildung und auf eine höhere Stufe, welche durch eine höhere Ausbildung in den Künsten, namentlich in der Baukunst, bezeichnet wird. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß in sehr ferner Zeit, die ich das epische Zeitalter nennen will, die Völker Griechenlands und Italiens ganz dieselbe Bildung hatten, welche wir bei allen andern nördlicher wohnenden Völkern Europas treffen. Leider ist uns von diesem Bildungsstande bis jetzt sehr wenig bekannt geworden; die Untersuchungen über die Alterthümer der Griechen und Italier bewegen sich fast ausschließlich um jene Zeit, aus welcher die Bau= und Schriftwerke jener Völker stammen. Einzelne Formen und Eigenthümlichkeiten von Geräthen jener ältesten Völker erhalten sich sehr lange, selbst bis in die römische Kaiserzeit hinein, während

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in Norddeutschland die Cultur der Bronzeperiode bis zu ihrem Untergange ganz ungetrübt bleibt. Daher ist in Griechenland und Italien das ganz Alte oft sehr schwer von dem Jüngern zu unterscheiden; bei der großen Cultur, welche einst in diesen Ländern geherrscht hat, mag auch sehr wenig Altes übrig geblieben sein. Und doch werden und müssen sich bei genauerer Forschung in Griechenland und Italien Alterthümer finden, welche denen der mittlern und nördlichen Länder Europas gleich und älter sind, als der Anfang der Baukunst und des Schriftenthums. Es ist bekannt, daß an den Ufern des Hellespontus auf der Ebene von Troja dieselben kegelförmigen Grabhügel stehen, wie auf den Ebenen Norddeutschlands an den Gestaden der Ostsee. In der Privatsammlung des hochseligen Königs Christian VIII. von Dänemark in Kopenhagen sah ich einst mehrere alte italische Graburnen, welche Derselbe mit großer Anstrengung und tiefem Blicke in Italien gesammelt hatte und welche genau dieselbe Gestalt und Größe hatten, wie die (in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, Jahrgang XI, 1846, S. 357, abgebildeten) Graburnen der Bronzeperiode im nördlichen Deutschland, nur mit dem Unterschiede, daß sie aus rothem Thon bestanden, während die norddeutschen immer eine braune Farbe haben. In unsern Museen findet man oft ein Bronzegeräth aus uralter Zeit Italiens neben jüngern Erzeugnissen der Kunst, und eben so oft daneben ein aus einem norddeutschen Bronzegrabe stammendes Stück "ungewissen Fundortes", welches vor längerer Zeit in eine Sammlung römischer Alterthümer gelegt ward, weil man damals die deutschen Alterthümer noch nicht kannte.

Es ist von großer Wichtigkeit, die wenigen Spuren zu verfolgen, welche zu einer tiefern Kenntniß des griechischen und italischen Alterthums im eigentlichen Sinne des Wortes, d. h. der ältesten Zeiten, leiten können. Und hiezu geben die "hüttenförmigen Aschengefäße" vom Albanergebirge die beste Veranlassung, wenn man sie mit den "Hausurnen" des Nordens vergleicht.


Um einen klaren Blick in diese interessante Angelegenheit thun zu können, ist es nöthig, die Geschichte der nordischen Hausurnen zu verfolgen.

Im J. 1826 hatte der Sächsische Verein zur Erforschung und Bewahrung vaterländischer Alterthümer zu Leipzig (vgl.

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dessen zweiten Bericht, 1826, S. 30) die erste Urne dieser Art erhalten, welche zu Burg=Chemnitz in Thüringen gefunden und Fig. V zu dem erwähnten Berichte und hier wieder abgebildet ist.

Urne

Die Urne ist cylinderförmig, 12 1/2 Zoll hoch, ganz geschlossen und aus Einem Stücke, und ist oben mit einem kegelförmigen Dache bedeckt, in welchem sich eine viereckige Oeffnung von 3 1/2 Zoll im Quadrat befindet; diese Oeffnung war mit einem Deckel (einer Thür) zugedeckt, der in den die Oeffnung umgebenden Falz paßte und durch Riegel verschlossen werden konnte, welche durch zwei Oehren geschoben werden konnten, die an beiden Seiten der Oeffnung sitzen. Diese Urne ist nach den Abbildungen der nächstfolgenden, bei Rönne gefundenen Urne "völlig gleich und daher hat auch derselbe Holzschnitt zur Abbildung beider benutzt werden können.

- Leider ist nicht gesagt, in welcher Art von Gräbern diese Urne gefunden ist; jedoch mag die Bemerkung, daß durch ein Oehr ein "dünner metallener Drath gezogen" sei, zu der Vermuthung leiten, daß dieser Drath von Bronze war, weil sonst wohl gesagt worden wäre, daß der Drath aus Eisen bestehe, in diesem Falle aber wohl schon verrostet gewesen sein würde. In dem leipziger Bericht ist noch keine Vermuthung über die Gestalt dieser Urne ausgesprochen. Auch Klemm in seinem Handbuch der germanischen Alterthumskunde, 1836, S. 186, welcher diese Urne auf Taf. XIV, Fig. 13 wieder abbildet, hat noch keine andere Ansicht, als daß er sie unter den "Seltenheiten und Curiosis" aufführt und sie eine "sehr seltsame Erscheinung" nennt. - Ich wiederhole vorläufig ausdrücklich, daß diese Urne die Thür im Dache hat.

Im Sommer des J. 1833 leitete Se. Majestät der jetzt regierende König Frederik VII. von Dänemark während Seines Aufenthaltes auf der Insel Bornholm die Aufdeckung mehrerer Grabhügel und fand in der Haide Robbedale unweit Rönne in einem Hügel eine Urne, welche der bei Burg=Chemnitz gefundenen an Gestalt völlig gleich ist und auch noch die

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Urne

Thür in dem Dache hat. Diese Urne, welche 11 Zoll in der Höhe und 8 1/2 Zoll im größten Durchmesser hat, ist abgebildet in den Historisch=antiquarischen Mittheilungen der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde, Kopenhagen, 1835, S. 100, und darauf in dem Leitfaden für Nordische Alterthumskunde, herausgegeben von derselben Gesellschaft, Kopenhagen, 1837, S. 40, so wie in der englischen Uebersetzung desselben: Guide to northern archaeology etc., edited for the use of english readers by the earl of Ellesmere, London, 1848, p. 44. - Auch diese Gesellschaft spricht sich nicht weiter über diese Urne aus, als daß sie "in ihrer Art einzig" und zum Verschließen eingerichtet worden sei, "um die Gebeine vor jedem Berühren noch mehr sicher zu stellen". Auch Sorterup sagt in Kort udsigt over museet for nordiske oldsager, Kjöbenhavn, 1846, p. 34, nichts weiter, als daß die Urne die Oeffnung an der "Seite" habe. Worsaae setzt diese Urne in seinen Afbildninger fra det kongelige Museum for nordiske old-sager i Kjöbenhavn, 1854, p. 54, Fig. 222, mit Recht in die Bronzezeit.

Im Sommer des J. 1837 entdeckte der jetzige Herr Archiv=Secretair Dr. Beyer in einem Kegelgrabe aus der Bronzeperiode zu Kiekindemark bei Parchim eine gleich gestaltete Urne (vgl. Jahresbericht des meklenburg. Vereins III, S. 59), welche in den Jahrbüchern des meklenburg. Vereins XI, 1846, und XIV, 1849, S. 313, und hieneben wiederholt abgebildet

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Urne

ist. Diese Urne, welche 10 1/2 Zoll hoch ist und 12 Zoll im Durchmesser hat, stammt ganz sicher aus der Bronze= Periode, da der Grabhügel die Gestalt der Gräber aus dieser Periode hatte und in demselben noch ein sicher der Bronze=Periode angehöriges, kleines, schönes Henkelgefäß und etwas Bronze gefunden ward. Auch ich hatte damals noch keine tiefere Einsicht in die Bedeutung dieser Urne und erklärte sie 1846 a. a. O. nur für eine "bienenkorbförmige Urne", den Deckel zu der Oeffnung aber für eine "Thür". Zu bemerken ist, daß diese Urne die Thür schon in der Seitenwand, jedoch noch ein rundes, kuppelförmiges Dach hat.

Darauf ward in einem heidnischen Grabe bei Aschersleben die in den meklenburg. Jahrbüchern XIV, 1849, S. 312, und hier wieder abgebildete Urne entdeckt, welche in das königliche Museum zu Berlin kam und durch den Herrn General=Director von Olfers in Gypsabgüssen an mehrere Museen verschenkt ward. Diese Urne, von viereckiger Gestalt, 16 Zoll hoch, mit der Nachbildung eines hohen Strohdaches und mit einer Thür an einer Seite, erkannte jeder sogleich für die Nachbildung eines Hauses. - Nach der Masse der Urne ist sie ohne

Urne
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Zweifel heidnischen Ursprunges und nach der Farbe und Bereitungsweise stammt sie anscheinend aus der letzten Zeit der Bronzeperiode.

Durch Vergleichung mit dieser viereckigen Urne von Aschersleben geleitet, erklärte ich in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte etc. . XIV, 1849, S. 313, auch jene runden Urnen mit kuppelförmigem Zeltdache und mit einer Thür an der Seite, ohne Fenster oder Andeutung derselben, für Nachbildungen der jedesmaligen Wohnhäuser und erkannte in den verschiedenen Formen die fortschreitende Entwickelung der Wohnhäuser in alter Zeit.

Im Herbste des J. 1853 machte der bekannte englische Alterthumsforscher Kemble, damals zu Hannover, längere Zeit umfängliche antiquarische Studien in den Museen zu Berlin und Schwerin und nahm die hier erworbenen Erfahrungen mit nach Hannover, als grade die gräflich von Münstersche Sammlung für das dortige Museum erworben ward.

Urne

In dieser Sammlung befand sich eine fünfte Urne ähnlicher Art, welche zu Klus in der Nähe von Halberstadt gefunden ist. Diese von Kemble in der Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen, Jahrgang 1851, zweites Doppelheft, Hannover 1854, S. 391, beschriebene, in Holzschnitt dargestellte und hier wieder abgebildete Urne, 12 Zoll hoch, hat mehr eine ovale Urnengestalt, ähnlich den bei Gallentin in Meklenburg in mehrern Kegelgräbern der Bronze=Periode (nach den Jahrbüchern des Vereins für meklenb. Geschichte etc. . XI, S. 365) gefundenen, hieneben zur Vergleichung wieder abgebildeten Urnen, hat einen einfassenden und überragenden, ebenfalls kuppelförmig gewölbten, aber beweglichen Deckel und eine viereckige Thür hoch in der Seitenwand, wenn auch nicht mehr im Dache.

Urne
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Neben der hannoverschen Urne ward die Hälfte eines gleichen, mit Einritzungen bezeichneten Deckels einer zweiten Urne gefunden, so daß im Ganzen jetzt sechs Hausurnen bekannt geworden sind, und zwar alle aus nördlichen Gegenden.

Kemble wiederholt bei der Bekanntmachung dieses Fundes in der hannoverschen Zeitschrift a. a. O. meine Forschungen aus den Jahrbüchern des Vereins für meklenburg. Geschichte XIV, S. 312 flgd., meint jedoch, "die Form, eben so wie die sehr gewöhnliche (?) Thonmasse führe zu der Meinung, diese Urne (von Klus) wenigstens gehöre einer durchaus spätern Zeit an, als der Bronzeperiode". Dieser Ansicht meines geehrten Freundes muß ich jedoch mit Bestimmtheit widersprechen, da die Urnen von Rönne und Kiekindemark sicher in kegelförmigen Hügeln der Bronzeperiode gefunden sind und grade die cylindrische Form dieser Art von Urnen bestimmt für die Bronzeperiode redet. Eben so wenig kann ich Kemble beipflichten, wenn er meint, daß, "da drei von den sechs bekannten Gefäßen dieser Art in der Nähe von Halberstadt gefunden seien, dies eher auf die Laune (?) eines einzelnen Töpfers, als auf eine weit (?) verbreitete Sitte zu deuten sei, und es sich allerdings denken lasse, daß die andern ähnlichen vielleicht ursprünglich aus derselben Quelle (?) gekommen seien". Freilich sind diese Urnen nicht sehr verbreitet, d. h. sie sind nicht häufig, aber schon aus diesen 6 Urnen ergiebt sich, daß die Form doch so weit verbreitet war, daß an eine Herstammung, wenn auch nur der Sitte, aus derselben Quelle wohl schwerlich zu denken ist; diese Urnen finden sich nämlich auf dem ziemlich großen Raume vom thüringer Walde bis zur Insel Bornholm und von der Ostsee bis zum Harzgebirge.

Die weiter unten folgenden italischen Forschungen werden meine Ansichten noch mehr bestätigen, wenn die gegenwärtigen nicht in sich selbst Haltung genug haben sollten.

Wirft man einen vergleichenden Blick auf die Gestalt aller dieser Urnen, so drängt es sich unwillkürlich auf, daß sie die Entwickelung des alten Wohnhauses darstellen. Die Völker, die in einem von der modernen Bildung entfernten Zustande leben, pflegen in der Regel runde Häuser mit einem kuppelförmigen Zeltdache zu haben; das Haus war eine Nachbildung des Zeltes. So haben noch jetzt viele Völker Afrika's runde Hütten mit kegelförmigem Dache (vgl. Weiß Kostümkunde, Stuttgart, 1855, I, S. 18, auch mit Abbildungen). Die älteste Form des Hauses geben ohne Zweifel die Urnen von Burg=Chemnitz und Rönne, welche die Thür im Dache haben, wie die Wohnungen ungebildeter Völker oft die Thür im Dache haben, zum Schutze gegen wilde Thiere; man stieg auf Leitern

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hinein, welche man nach sich zog, und so war man durch die steilen, glatten Wände mehr gesichert. Jünger sind sicher diejenigen runden Häuser, wie die Urnen von Kiekindemark und Klus, welche die Thür in der Seitenwand haben. Das jüngste Haus wird wohl durch die Urne von Aschersleben dargestellt; dieses Haus war viereckig, mit hohem, steilem Strohdache, ein überraschendes Vorbild der jetzigen geringen Landhäuser.

Da alle runden Urnen dieser Art entweder bestimmt aus nordischen Gräbern der Bronzeperiode stammen, oder durch Vergleichung in diese verwiesen werden müssen, so läßt sich wohl mit Sicherheit annehmen, daß sie Abbildungen der Häuser der Germanen sind.

Nimmt man dies als wahrscheinlich an, so scheint es auch nicht unwahrscheinlich zu sein, daß selbst die Gräber der Bronzeperiode, welche stets kegelförmige Rasenhügel bilden, gleich den Decken der Hausurnen, eine Nachbildung des kegelförmigen Hausdaches sind. Auch giebt die zur Zeit der Bronzeperiode allgemein übliche Zudeckung der beigesetzten Urnen mit umgestülpten flachen Schalen diesen Urnen ein den Hausurnen ähnliches Ansehen, wenn auch gerade kein besonderes Gewicht auf diesen Gebrauch zu legen ist.

Ueberraschend ist die Aehnlichkeit der auf der Antoninssäule dargestellten germanischen Häuser mit den hier geschilderten Hausurnen; auf diese Aehnlichkeit haben auch Müllenhoff im Vierzehnten Bericht der schleswig=holstein=lauenburgischen Gesellschaft für die Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer, Kiel, 1849, S. 2, und Kemble in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen a. a. O. aufmerksam gemacht. Montfaucon L'Antiquité expliquée Suppl. I, pl. XXV, p. 63, sagt: "In eadem Antoniniana columna aedes "conspicimus ex lignis paleisque confectas rotundasque, quarum cacumen fornicis instar rotundum est et in conum desinit: sunt tamen illae non inconcinne structae. In casas porro nonnisi ab ostio lux ingrediebatur: quod ostium praealtum est et in nonnullis ad tectum usque aperitur. Eodem quoque modo veteres Galli aedes struebant suas". Die Schilderung dieser Tugurien stimmen ganz zu den Hausurnen; Columella schildert sie noch mit einem runden Dache ("testudineato tecto"). Mein Freund Müllenhoff irrt jedoch, wenn er die viereckige Hausurne von Aschersleben gradezu zur Vergleichung zieht und drückt sich etwas unbestimmt aus, wenn er sagt: Dies Stück (die viereckige Urne von Aschersleben), gewis eine Seltenheit, die ihres Gleichen sucht, stellt in der That das altgermanische, fast (?) quadratische oder

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runde (?) Haus dar, das die Römer mit Recht ein tugurium nennen konnten, mit seinem hohen spitzen (?) Strohdach" u. s. w.; es ist hier offenbar die Schilderung der Alten und die Darstellung auf der Antoninssäule in die viereckige Urne hineingetragen, welche zwar das Bild eines Hauses giebt, aber nicht die Eigenthümlichkeiten der ältesten Urnen dieser Art hat. - Eben so wenig kann ich meinem Freunde Kemble darin beistimmen, wenn er sagt: "Eben aus der Form (?) dieser Tuguria (auf der Antoninssäule) geht auch hervor, daß diese Urnen nicht der Bronze=, sondern der Eisenzeit angehören". Wir dürfen nicht vergessen, daß sich in Norddeutschland und Skandinavien die Bronzeperiode viel (wohl tausend Jahre) länger rein und unvermischt erhält, als in Südeuropa, und erst spät (vielleicht erst gegen die Zeit der Völkerwanderung) plötzlich und ohne Uebergang (nach der Bronzeperiode hin) in die Eisenzeit übergeht, - und daß die Gestalt der Häuser sich noch länger halten konnte, als die unvermischte Anwendung der Bronze, wie sich denn, nach den Schilderungen der römischen Schriftsteller, in Italien die runden Häuser oder Tugurien auf dem Lande auch viel länger gehalten haben, als die reine Bronzeperiode, aus der die Hausurnen stammen. - Für das Alter der Hausurnen können nur die Form der Gräber und die Beigaben entscheidend sein.


Es gab gewiß einst eine Zeit, welche ich die Zeit der reinen Bronzeperiode nennen will, in welcher alle Völker Europa's und die asiatischen Völker der Küsten des Mittelmeeres dieselbe Cultur hatten. Zwar ist, wie oben bemerkt, in den südlichen Ländern von dieser Cultur bisher sehr wenig bekannt geworden; aber sie wird sich nach und nach aus einzelnen Zügen herausstellen lassen. Einen überraschenden Anhaltspunct bilden die oben geschilderten Hausurnen.

Im J. 1817 wurden im Albanergebirge, an dem Wege von Castel Gandolfo nach Marino, ungefähr 13 englische Meilen von Rom, viele Hausurnen in einer Felsspalte gefunden, welche von neu angewachsener Felsbildung überdeckt gewesen sein soll. Es läßt sich jetzt wohl schwerlich ermitteln, ob das Letztere gegründet ist, oder überhaupt nur wahrscheinlich sein kann, wenn man nicht etwa annehmen will, daß in jenen vulkanischen Gegenden die Felsschichten durch vulkanische Gewalten in jüngern Zeiten verschoben worden seien; es wird sich jetzt schwerlich ermitteln lassen, ob die Bedeckung des Felsspaltes, wenn sie wirklich vorhanden gewesen ist, vor oder nach der Beisetzung

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der Urnen, durch Natur oder Kunst geschehen sei. Jedoch hängt von der Ermittelung dieses Umstandes für die Bestimmung der Urnen nicht viel ab. Es ist wahrscheinlich, daß das Volk, welches diese Urnen beisetzte, in dem felsigen Boden einen geschützten Felsspalt zur Beisetzung der Asche ihrer Todten benutzte.

Die zahlreichen Urnen dieses Fundes wurden weit zerstreut. Im J. 1846 kaufte der Herr Professor Dr. Gerhard zu Berlin in Rom im Kunsthandel ein Exemplar für das Museum zu Berlin, welches in der Terracottensammlung dieses Museums Nr. 5026 oder nach Gerhard's Leitfaden vom Jahr 1851 als Nr. 32 a aufgestellt ist. Ich fand sie hier im Herbste des J. 1855 und erkannte in derselben eine überraschende Aehnlichkeit mit den Hausurnen des Nordens. Die Urne vom Albanergebirge, welche 12 Zoll hoch ist, hat ebenfalls eine runde Basis, eine cylinderförmige Gestalt oder runde Wand, welche jedoch nach oben hin ein wenig zugespitzt ist, ein rundes, festes Dach und eine viereckige Thür in der Seitenwand. Diese Urne hat jedoch

Urne
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einige Verzierungen, welche den nordischen Urnen fehlen, diese Urnen aber noch mehr als die Nachbildung eines Hauses erscheinen lassen. An jeder Seite der Thür sind zwei etwas erhöhete Rippen, welche wohl Pilaster oder Pfeiler zum Tragen eines Vordaches bezeichnen sollen. Auf dem kuppel= oder kegelförmigen Dache, welches jedoch ein wenig länglich gedrückt ist, liegt in der Mitte, in dem senkrechten Durchmesser der Thür, ebenfalls eine Rippe zur Bezeichnung des Firstbalkens. Zu diesem Firstbalken laufen an jeder Seite 4 Rippen, zur Bezeichnung der Sparren, hinauf, welche oben am Firstbalken hervorstehende Köpfe haben. Die beiden Enden des Firstbalkens laufen in eine kleine Figur von erhöheten Rippen in der Form Figur aus, vielleicht zur Bezeichnung eines Giebelornaments über der Thür oder eines Balkenwerkes zur Befestigung der Enden des Firstbalkens. - Hier haben wir ein vollständiges Bild eines altitalischen Hauses, mit den Eigenthümlichkeiten der südlichen Häuser, mit 4 Pfeilern vor der Thür, den ersten Anfängen einer Säulenhalle.

Die Masse und die Art der Verfertigung dieser Albanerurne stimmt ganz mit der der nordischen Urnen des Heidenthums, und überhaupt mit der charakteristischen Eigenthümlichkeit der Thongefäße aller sogenannten "wilden" Völker, d. h. wenn man so sagen soll, derjenigen Völker, welche noch keine Brennöfen kennen, überein; mit dem Brennofen, der zuerst immer mit der Cultur vorzurücken scheint, beginnt die höhere gewerbliche Bildung, erst nach dem Schmieden des Eisens. Die Albanerurne besteht im Innern der Wände aus grobkörniger, felsiger Masse, d. h. aus Thon mit zerstampfter Felsmasse durchknetet, und unterscheidet sich von den nordischen Urnen nur dadurch, daß die Masse, wie zahllose italische Gefäße, eine röthlich =braune Farbe hat, während die nordischen Gefäße aus braunem Thon bestehen, der mit (geröstetem? und) zerstampftem dunklen Granit durchknetet ist. Die ursprünglich rauhe Außenfläche der Albanerurne ist schließlich mit fein geschlämmtem, braunem Thon überzogen und geglättet. Die Verfertigungsweise dieser Urne ist also ganz dieselbe, wie bei den Thongefäßen aller andern alten, heidnischen Völker, welche noch nicht im Besitze der Wissenschaft und Kunst sind. Es ergiebt sich also aus der Form und der Verfertigungsweise der Albanerurne, daß in Italien einst dieselbe Cultur herrschte, wie im mittlern und nördlichen Europa.

Aber nicht nur Form und Verfertigungsweise der Albanerurne machen auf eine gewisse Stelle in der Geschichte der menschlichen Kunstentwickelung Anspruch; auch der Inhalt der Urne,

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den ich in Berlin genau untersucht habe, redet für eine bestimmte Zeit, wenn man in diesem Falle einstweilen auch nur nach Perioden oder Jahrtausenden rechnen kann. Auf dem Boden lag noch etwas von dem Inhalte, das sich durch die ziemlich verschlossene Form der Urne darin erhalten hatte. Es liegen in der Urne: in kleine Stücke zerbrannte Menschengebeine und ein Blatt von einem thönernen Löffel; zwischen den Menschengebeinen fand ich ein kleines Ringelchen von Bronze und ein ungefähr einen Quadratzoll großes, dünnes, stark gerostetes Bruchstück von einem getriebenen oder gehämmerten Gefäße aus Bronze, welches mit zwei Reihen ganz kleiner, von innen heraus getriebener Buckel verziert ist, ganz auf dieselbe Weise, wie so viele dünne, nicht gegossene Gefäße aus Bronzeblech aus den Gräbern Norddeutschlands ans Licht gezogen werden. Solche norddeutsche Gefäße sind z. B. die bronzenen Schalen von Dahmen und Kl. Lukow, wie sie in den meklenburg. Jahrbüchern X, S. 283, und XIII, S. 376, von mir in Abbildungen dargestellt sind, ferner das Gefäß und die Nadel von Sparow, welche in Schröter und Lisch Friderico - Francisceum Tab. XII, Fig. 2, und Tab. XXIV, Fig. 20, abgebildet sind (vgl. auch die Abbildung der Nadel in den Jahrbüchern IX, S. 332).

Diese Entdeckung verweiset die Albanerurne bestimmt in die Zeit der ausgebildeten Bronzeperiode, und man kann wohl mit Bestimmtheit das Ergebniß der Forschung aussprechen, daß zu irgend einer Zeit die Bildung und der Geschmack bei den altitalischen und den norddeutschen und nordischen Völkern in vielfacher Hinsicht ganz dieselbe war, ja daß sie so weit ging, daß sich selbst seltene Formen bei beiden wiederholten, wobei jedoch scharf zu berücksichtigen ist, daß die Völker ihre Eigenthümlichkeiten neben der gemeinsamen Cultur ausdrückten, wie z. B. die Albanerurne ein Vordach oder eine Säulenhalle vor dem Hause andeutet, welche in den südlichen Ländern sehr verbreitet und ein Bestandtheil des Baustyls ward, in den norddeutschen Ländern aber nicht zur Anwendung kam.

Ueber diese Albanerurnen ist zur Zeit ihrer Entdeckung auch wiederholt geschrieben. Der Herr Professor Gerhard theilt mir mit, daß Alessandro Visconti (oder auch dessen Bruder Filippo) eine kleine Schrift über diesen Fund herausgegeben habe, in welcher er diese Urnen für antidiluvianisch (!?) erkläre, daß aber sein öfteres Bemühen um diese Schrift bis jetzt vergeblich gewesen sei; das Giornale Arcadico des Jahres 1817 und der folgenden Jahre würden aber wohl Nachweisung geben. Da aber einem mit Italien vertrauten Manne, wie dem Herrn Professor Gerhard, diese Schrift unzugänglich geblieben ist, so wird mir mein Bemühen viel weniger gelingen.

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Dieser Auffassung und der angeblichen Art der Auffindung in einem von jüngerem Gestein überwachsenen Felsspalt mißtrauend, ist denn Gerhard (im Archäologischen Anzeiger, 1832, S. 172) eher der Meinung beigetreten, daß "jene seltsame "Hüttenform als eine für rhätische Soldaten der Kaiserzeit mit Erinnerung an ihre heimathlichen Formen gewählte Abweichung von der Form sonstiger Aschengefäße" zu betrachten sei. - Aber so sinnreich diese Erklärung auch sein mag, so scheint ihr doch der gesammte Fund zu widersprechen, da man alle Umstände in Erwägung ziehen muß, wie die Verfertigungsweise der Urne, die in derselben gefundenen Bronzen, u. s. w.; ja selbst die Form der Urne mit den vier Pfeilern an der Thür, welche keinen nördlichen Charakter haben, redet dagegen. Es ist nicht glaublich, daß rhätische Soldaten sich die Mühe sollten gegeben haben, auf eine ganz veraltete und sehr schwierige Weise ihre Urnen aus freier Hand zu machen und am offenen Feuer zu dörren, während sie sich jede beliebige Form bei zahlreichen Töpfern um ein Billiges bestellen konnten; es ist nicht glaublich, daß rhätische Soldaten feine Geschirre öder Schmuckgefäße von Bronzeblech sollten mit in fremde Länder genommen und ihren Todten mitgegeben haben, während sie zahlreiche Gegenstände anderer Art römischen Ursprunges gewiß im Besitze hatten.

Den rechten Punct in der Erklärung scheinen mir die englischen Forscher getroffen zu haben. Durch Canova erhielt A. W. Hamilton ein auch noch mit Gebeinen gefülltes Exemplar der Albanerurnen, und Hamilton gab sie an das Britische Museum, wo sie Nr. 1 bildet, zum Zeichen, daß man sie dort für sehr alt hält. In dem Katalog des Britischen Museums wird gesagt: die Urne sei eine Vase von grober, brauner Waare, "in der Gestalt eines tugurium oder einer ländlichen Wohnung der ältesten Bewohner Italiens und ein Stück der ältesten italischen Töpferkunst". Der Catalogue of the greek and etruscan vases, Vol. I., London, 1851, sagt: "Nr. 1. Oval vase. Hight 13 in., Length 15 in. Coarse brown ware. In the form of the Tugurium or rustic cottage of the early inhabitants of Italy. At one end is a moveable door flanked by perpendicular ridges and grooves, which perhaps represented fluted pilasters. On each side of the roof are five ribs meeting at the top of the ridge, and at each end under a pointed projection is an object like an Zeichen inverted thus Zeichen . The surface of the vase appears to have been pointed, as traces of a rude meander pattern remain in several places. The inferior is filled

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with burnt bones. This interesting specimen of the earliest italian fictile art was found in 1817 in the Monte Albano near the road from Castel Gandolfo to Marino, about 13 miles from Rome."

Daß die Hausform der Graburnen nicht bloß vereinzelte "Töpferlaune" sei, beweisen zur Genüge auch die etruskischen Grabkisten, welche oft Fortsetzung dieser Hausurnen und Erinnerung an dieselben sind. Die etruskischen Todtenkisten aus Stein oder gebranntem Thon haben häufig die Form eines Hauses mit Dach und Thüren, oft nur mit Andeutung von Thüren, ohne Durchbrechung der Wände. Beweisende Stücke sind z. B. Nr. 505 und 547 der etruskischen Denkmäler in der Sammlung der antiken Bildhauerwerke des Museums zu Berlin (nach dem Kataloge, Dreißigste Auflage, 1855). Besonders merkwürdig ist die etruskische Todtenkiste, Nr. 539, von dem "sogenannten Grabmale des Porsenna", dessen Deckel "ein Haus mit Eingangsthüren an den Seiten und einer vorragenden Bedachung darstellt" (einem sogenannten Schweizerhause ähnlich); das Dach ist weit vorspringend und die Thüren sind klein und viereckig. Diese etruskischen Grabkisten, als Fortbildung der altitalischen Hausurnen, scheinen mir den sichersten Beweis dafür zu geben, daß alle alten Völker Europa's die Todten gerne in der Nachbildung ihres Hauses beisetzten, wenn sie auch nur den Grabhügel in der Form des kegelförmigen Hauses nachahmen konnten.

Die Zeit der Hausurnen, wenn nicht Entdeckungen in Italien oder Griechenland etwas Bestimmtes ans Licht bringen sollten, scheint spätestens in die Zeit der römischen Könige zu fallen oder noch weiter zurückzureichen. Jedoch soll diese Vermuthung für nichts weiter gelten, als für eine Vermuthung.