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Ueber Bronzewagen.

Durch den zuerst zu Peccatel bei Schwerin in Meklenburg sicher in einem Kegelgrabe der Bronze=Periode im J. 1843 gefundenen Wagen aus Bronze (vgl. Jahrb. IX, S. 373) ist die Forschung über eine lange Reihe von Denkmälern eröffnet, von denen man bis dahin keine Ahnung hatte. Einige Jahre darauf ward bei Frankfurt a. O. ein ähnlicher, höchst interessanter Bronzewagen gefunden, welcher in die Sammlung des wail. Grafen v. Zieten auf Wustrau bei Ruppin kam und in unsern Jahrb. XVI, S. 261, beschrieben und abgebildet ist. Kurz vorher wurden bei Friesack zwei Bronzeräder, zusammen mit andern Bronzen, gefunden und ebenfalls von dem wail. Grafen v. Zieten erworben. Alle diese Wagen und Räder, so wie mehrere gravirte Wagen und Räder sind in unsern Jahrbüchern XVI, S. 261 flgd., beschrieben, untersucht und mit einander verglichen.

In den Jahrbüchern XVIII, S. 253, ist über die in Ungarn gefundenen, so wie über die in Frankreich vorhandenen Bronzeräder berichtet.

Hierauf ist eine höchst interessante Entdeckung in Steyermark bei Judenburg gemacht. Nicht weit von Judenburg ward auf einem alten Begräbnißplatze neben vielen Alterthümern auch ein Bronzewagen gefunden, welcher jedoch eine eigenthümliche Einrichtung hat; der Fund ist in den Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark, drittes Heft, Gratz, 1852, S. 67 flgd., beschrieben und auf den beigegebenen Tafeln abgebildet. Auf den Achsen des Wagens, der, wie der peccatelsche, vor= und rückwärts dieselbe Gestalt hat, ruht ein Bronzeblech; an den vier Ecken stehen kurze Thierköpfe, Pferdeköpfen ähnlich, welche wohl als Handhaben gedient haben; ähnliche Handhaben sind an den beiden schmalen Seiten des Wagens von Peccatel und ähnliche vogelartige Gestalten auf dem Wagen von Frankfurt. In der Mitte des Bleches oder Bodens steht eine hohe weibliche Figur, welche die Hände über den Kopf hält, um ein Gefäß zu tragen; gleiche Bestimmung hat auch der Wagen von Peccatel. Umher stehen viele Figuren. Neben der Hauptfigur in der Mitte stehen an jeder Seite zwei Reiter mit Schild und Speer. An den beiden Enden steht ein Hirsch, den zwei Männer am Geweih halten; dahinter stehe eine männliche Figur mit einem Beile in der Hand und eine

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weibliche Figur. Die Räder des Wagens sind achtspeichig, sonst ganz so groß und so gestaltet, wie die norddeutschen Bronzeräder. Neben dem Wagen wurden viele Alterthümer gefunden, Stücke von Urnen, eine Framea (Celt) mit Schaftloch, viele Bruchstücke von bronzenen Gefäßen, Gürtelblechen u. s. w., bronzene Ringe, eiserne Pferdegebisse und Lanzenspitzen, zwei Spiralfingerringe von doppelten, parallelen Golddräthen u. s. w. Nach allem diesem scheint dieser höchst merkwürdige Fund aus etwas jüngerer Zeit zu stammen, als die norddeutschen Wagen. Eine große Bronze=Schale, welche getrieben ist, mag die Figur aus dem Wagen getragen haben, wie auch der peccatelsche Wagen eine sehr große Bronze=Schale mit 4 Henkeln trägt. Die Bestimmung des Volkes und des Gebrauches dieses Wagens ist natürlich noch sehr dunkel, jedenfalls aber ist dieser Fund, in Vergleichung mit den übrigen ähnlichen Funden, von der größten Bedeutung. Nach vielen Bronzen, namentlich aber nach den goldenen Fingerringen zu schließen, welche denen der norddeutschen Bronzeperiode ganz gleich sind, möchte der Fund aus der Bronzeperiode stammen, d. h. von Celten oder Germanen. Das Vorkommen des Eisens in beschränktem Maaße dürfte in so südlicher Gegend nicht auffallend sein, da das Eisen im Süden früher auftritt, als im Norden.

Von dem höchsten Interesse ist eine neue Bekanntmachung in den Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark, Viertes Heft, Gratz, 1853, S. 235 flgd. Im Jahre 1830 ward aus der Ziegelei der Stadt Radkersburg ein sehr bedeutender Fund von Bronze=Alterthümern gemacht, von denen viele sich gegenwärtig im Besitze des Herrn Grafen v. Platz zu Freudenau befinden. Leider sind weder die Gegenstände des Fundes, noch die Verhältnisse, unter denen sie gefunden sind, gleich beschrieben, so daß die noch vorhandenen Bronzen selbst der alleinige Gegenstand der Forschung sein können. Unter den im Besitze des Herrn Grafen v. Platz befindlichen Alterthümern befinden sich nun auch die Reste eines Bronzewagens, dessen Hauptstücke in den steiermärkischen Mittheilungen a. a. O. abgebildet sind. Es wurden vier Räder gefunden, von denen zwei noch durch eine Achse verbunden sind; von der Verbindung zwischen den Vorder= und Hinterrädern ist keine Spur mehr vorhanden. Die Räder haben 5 1/3" Zoll im Durchmesser und sind, nach der Lithographie zu urtheilen, den in Norddeutschland gefundenen Rädern sehr ähnlich. Nach der Meinung des Berichterstatters in den steiermärkischen Mittheilungen, der die meklenburgischen Jahrbüchcr nicht gekannt zu haben scheint,

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"möchte der Wagen dazu gedient haben, irgend eine Schale oder Vase zum Trankopfer zu tragen; dafür sprechen die an den Achsen angenieteten gedreheten Bronzestäbe, welche die Bestimmung gehabt haben, das Geschirr zu unterstützen". - Außer diesen Rädern befindet sich unter den Bronzen dieses Fundes "noch ein merklich kleineres Rad, wodurch es sich herausstellt, daß hier zwei Wagen beisammen gewesen sind". - Diese Wagen gehören sicher der reinen Bronzeperiode an, da die mit denselben gefundenen Bronze=Alterthümer, namentlich ein kurzes Bronzeschwert mit kurzem Bronzegriff und eine Framea (oder Celt) mit Schaftloch, mehrere Lanzenspitzen u. a. m. für diese Periode reden. - Das unter Nr. 7 abgebildete Instrument gehört vielleicht zu dem Wagen und dürfte der Endbeschlag der hölzernen Deichsel sein, an welcher der Wagen geführt ward. Einen entfernt ähnlichen Beschlag hat auch der frankfurter Wagen.

Die Wagenräder von Radkersburg scheinen in der Technik und Größe ganz den norddeutschen Rädern gleich zu sein; nur sind die Räder von Radkersburg achtspeichig, wie die Räder des Wagens von Judenburg, während alle norddeutschen Räder vierspeichig sind. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß der ganze Fund der norddeutschen und skandinavischen reinen Bronzeperiode sehr ähnlich und in den Hauptsachen gleich ist; jedoch scheinen die norddeutschen Bronzen einfacher und älter zu sein.

Der Berichterstatter, Eduard Pratobevera, ist zweifelhaft, ob der Ort, wo die Antiken von Radkersburg gefunden wurden, eine Gießstätte oder ein Grabhügel gewesen sei. Ich möchte mich bestimmt für eine Begräbnißstätte entscheiden, vorzüglich weil das Schwert in drei Stücke zerbrochen ist, deren Enden oxydirt sind, so daß das Schwert schon zerbrochen der Erde übergeben sein muß. Der Berichterstatter wünscht Aufklärung darüber, ob man "die kostbarern Grabgeschenke absichtlich zerbrochen habe". Diese Frage kann wohl nur auf die Schwerter Anwendung finden, da nur diese vor der Beilegung zerbrochen sind. In Norddeutschland sind aber die in Gräbern gefundenen Schwerter immer zerbrochen, und die Zahl der sichern Funde geht in die Hunderte. Außerdem wurden "einige Fragmente von Gelenkköpfen langröhriger Knochen ohne Spur von Verbrennung" gefunden. - Dies Alles scheint darauf hinzudeuten, daß der Radkersburger Fund aus einer Begräbnisstätte stamme.

Was die Hauptsache betrifft, so scheint mir der Radkers=

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burger Fund nicht römisch 1 ) zu sein; alle Vergleichungen reden für einen heimischen Ursprung, mag man nun denselben für celtisch oder germanisch halten, was sich wohl jetzt noch nicht entscheiden läßt.

G. C. F. Lisch.     


1) Vgl. Ginzrot Die Wagen und Fuhrwerke der Griechen, Römer und anderer Völker, 2 Bände, mit vielen Kupfern, München, 1817.