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Ueber
die Bau=Perioden des Domes zu Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


Die Bestimmung der Bau=Perioden des Domes zu Schwerin, dieses erhabensten Bauwerkes Meklenburgs, ist im höchsten Grade wichtig, um einen bedeutenden Mittelpunkt in der Geschichte der alten Baukunst Meklenburgs zu gewinnen.

Ich habe in den Jahrbüchern diesen wichtigen Gegenstand wiederholt aufgenommen, namentlich X, S. 306, und XIII, S. 147 flgd., und immer im Allgemeinen die Meinung ausgesprochen, daß der Dom in seiner jetzigen Gestalt wesentlich ein Werk des 14. Jahrhunderts sei, - im Besondern, daß der Chor der ältere Theil und vielleicht im Anfange des 14. Jahrhunderts, der Chorumgang und die Seitenschiffe in der Zeit 1365-1375, das Schiff noch später, etwa im Anfange des 15. Jahrh., erbauet sei. Bedeutende Architekten haben mir mündlich und Lübcke in seiner Beschreibung des schweriner Domes im Deutschen Kunstblatt, Berlin, 1852, Nr. 35, öffentlich beigestimmt. Eine in neuern Zeiten gemachte Entdeckung über die Erbauung des Chores löset nun alle Zweifel und giebt einen sichern Ausgangspunct in der Bestimmung der Bau=Perioden.

1171, am 9. Septbr., ward das Bisthum und der Dom zu Schwerin von dem Herzoge Heinrich dem Löwen gegründet (in dedicatione ecclesiae). Von diesem ersten Bau, welcher ohne Zweifel im romanischen Style ausgeführt gewesen ist, ist wohl nichts weiter übrig als einige romanisirende Basen und Kapitäler aus Kalkstein, welche in der Nähe des Domes aufgefunden sind und im Antiquarium zu Schwerin aufbewahrt werden; das alte Kapitelsiegel (Jahrb. VIII, Lithogr. T. 1. Fig. 3) giebt ein ungefähres Bild von dieser alten Kirche, welche der Anlage nach der jetzigen gleich war. Möglich ist es, daß der untere Theil des Thurmes noch aus dieser Zeit stammt; jedoch ist alles so sehr durchbauet und durchbrochen, daß sich schwerlich etwas bestimmen lassen wird. Die Erhöhung des Thurmes stammt aus der Zeit des zweiten Baues.

Bezeichnend für den alten Bau ist, daß das alte Thurmgebäude nebst den Abseiten noch keinen Granitsockel hat.

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1248, am 15. Junii, ward der Dom geweihet (consecratum). Dieser zweite Bau ist sicher im Uebergangsstyle ausgeführt gewesen, ohne Zweifel von geringer Höhe. Von diesem Bau ist noch das Thurmgebäude, gewiß in den obern Theilen, übrig, wie dessen ganze Construction im Aeußern und stellenweise im Innern der Kirche beweiset. Der Thurm hatte eine Pforte im Rundbogenstyle und darüber zwei Fenster im Uebergangsstyle, wie es scheint; diese sind zwar ausgebrochen und durch eine spitzbogige Construction ersetzt, aber die angegebenen ursprünglichen Constructionen lassen sich noch an den Ueberbleibseln im Mauerwerke erkennen. Vollständig erhaltene Ueberreste dieses alten Baues sind noch vorhanden in dem Rundbogenfries, in den untern Fenstern oberhalb der Pforte, in den Schallluken im Uebergangsstyle, in der antik geformten alten Thurmspitze und den im senkrechten Zickzack aufgemauerten Ziegeln in den Giebeln derselben.


Das ganze Kirchengebäude, wie es jetzt da steht, ist in jüngern Zeiten im Spitzbogenstyle des 14. Jahrhunderts ausgeführt. Man fing mit diesem dritten Bau im Osten an und schritt damit während eines ganzen Jahrhunderts gegen Westen bis zum Thurmgebäude fort, wie der etwas unregelmäßige Abschluß im Westen am Thurme beweiset, wo man bei der neuen Construction nicht mit einem regelmäßigen Anschluß auskommen konnte.

1327 war der Chor eben fertig geworden. Dies wird durch ein Notariats=Instrument in Angelegenheiten des Dom=Capitels bewiesen, welches am 27. März 1327 "zu Schwerin vor der Pforte 1 ) des neuen Chores", welche in der Südwand dem Markte gegenüber liegt, aufgenommen ward:

"Actum Zwerin ante hostium (d. i. ostium) "noui choro", anno natiuitatis domini MCCCXXVII, Martii die XXVII".

Dieses für die in Frage stehende Zeitbestimmung neu entdeckte Instrument ist in Schröder's Pap. Meckl. II, S. 3038


1) Diese Pforte des Chores ist sehr wichtig, da sie eine der wenigen im Lande ist, welche noch die alte Einrichtung der Pforten der Ziegelkirchen bewahrt hat und daher zum Muster dienen kann. Die Pforte ist, wie die übrigen, schräge eingehend mit Rippen verziert und wahrscheinlich bei dem Umbau 1365-75 so verziert. Die Einrichtung ist aber alt. Zur Aufnahme der viereckigen Thürflügel sind an den Seiten Granitpfosten (Monolithen) eingebracht, welche einen Thürsturz von Granit tragen. Das Bogenfeld über dem Sturz ist zugemauert, früher gewiß bemalt gewesen und mit einer kräftigen Verzierung von Laubwerk eingefaßt.
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gedruckt und im Originale im großherzogl. Archive zu Schwerin vorhanden. Dieser Bau ward wahrscheinlich unter dem Bischofe Gottfried I. von Bülow (1292-1314) im Anfange des 14. Jahrhunderts begonnen und der Vollendung nahe gebracht, da der alte päpstliche Ablaß für die Heilige Bluts=Kapelle im Chore des Domes am 22 Junii 1301 erneuert und diesem Bischofe späterhin eine Grabtafel von Messingschnitt im Chore nachgelegt ward. Zu Ende geführt ward dieser Bau wohl unter dem Bischofe Hermann II. Maltzan (1314-1322). Daß der Bau nicht lange vor dem J. 1327 fertig geworden ist, beweiset das angeführte Notariats=Instrument unwiderleglich, da man bei der Datirung einer Urkunde eine Oertlichkeit nicht besonders hervorgehoben haben würde, wenn sie nicht ungewöhnlich merkwürdig gewesen wäre. Den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme giebt der Bau selbst, indem der über den Umgang hervorragende hohe Chor (denn nur von diesem ist die Rede) in den Fenstern eine viel ernstere und einfachere Construction hat, namentlich in den einfach und glatt eingehenden Laibungen, als alle andern Theile des Domes, und noch frei von Strebebogen ist, statt deren er noch Lissenen zwischen den Fenstern hat. Mit dieser Nachricht stimmt eine andere urkundliche Angabe vortrefflich überein, indem

1328, am 26. Junii, das Domkapitel das Kalkhaus (nördlich) neben dem Dome (der Pforte des neuen Chores gegenüber) so lange verkäuflich abstand, bis es den Platz zum Bau eines Schlafhauses oder Refectoriums ("dormitorium seu refectorium") wieder zurückkaufen würde (vgl. Jahrb. XIII, S. 157 u. 325). Für alle großen Bauten errichtete man im Mittelalter auf oder unmittelbar neben der Baustätte immer ein Kalkhaus, in welchem der Kalk gebrannt, gelöscht, aufbewahrt und zubereitet ward. Das Kalkhaus für den hohen Chor des Domes stand nun neben demselben, auf demselben Platze, welchen das Dom=Capitel später zurückkaufte und mit dem Refectorium bebauete, welches jetzt das Gymnasium enthält. In den zugemauerten Souterrains unter den Zimmern des Gymnasiums sind noch jetzt die Ueberreste des alten Kalkofens sichtbar. Mit der Vollendung des hohen Chores war nun dieses Kalkhaus entbehrlich geworden und man konnte es einstweilen anderweitig benutzen.

Das Refectorium konnte aber nicht eher angebauet werden, als bis der Chorumgang vollendet war.

Mit der Anlage des neuen Chores ward aber ohne Zweifel der Grundplan der ganzen neuen Spitzbogenkirche entworfen, da dieser viel zu regelmäßig ist und zu viel Einheit

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hat, als daß er sich nach und nach von selbst gemacht haben könnte.

1365 - 1375, unter dem Bischofe Friedrich II. v. Bülow, wurden der Chorumgang und das südliche Seitenschiff gebauet. Dies ergiebt sich nicht nur aus dem höchst interessanten Bau, indem ein niedriger Kranz von fünf aus den Umfangsmauern erweiterten sechsseitigen Kapellen den hohen Chor umgiebt, sondern auch aus den messingenen Wappenschilden mit dem von bülowschen Wappen, als Dedicationszeichen des Bauherrn, die über den beiden in den genannten Theilen stehenden Pforten angebracht sind. Derselbe Chorumgang mit denselben messingenen Wappenschilden findet sich auch an des schweriner Bischofs Dom=Collegiat=Kirche zu Bützow, deren Chor nach Urkunden unter dem Bischofe Friederich II. v. Bülow (1365-1375) vollendet ward (vgl. Jahrb. X, S. 305 und 307). Unter demselben Bischofe ward auch die gleich construirte Abteikirche zu Doberan vollendet.

Aus diesem Bau stammt ohne Zweifel die bedeutende Rechnung des Steinhauers Daniel vom J. 1380 auf die große Summe von 231 Mark lüb. Pf., da der aus Ziegeln erbauete Dom keine andere Steinhauerarbeit zeigt, als die behauenen Granitsockel des Chorumganges und der Seiten= und Kreuzschiffe (vgl. Jahrb. XIII, S. 156, Not. 1).

1392 ward an der Stelle des Kalkhauses von dem Domherrn Bernhard v. Plessen das Refectorium, d. h. derjenige Theil des Kreuzganges, welcher an die Nordseite des Chorumganges angebauet ist und jetzt die Classenzimmer des Gymnasiums enthält, vollendet. Bernhard v. Plessen starb im J. 1414 und ward neben der Pforte vom Chor zum Refectorium begraben, dort wo jetzt die Gruft des Herzogs Christoph ist (vgl. Jahrb. XIII, S. 157-158), bei deren Bau der Stein gehoben ward. Das Refectorium ward am passendsten angebauet, als der Chorumgang vollendet war; und so stimmen auch die Zeiten dieser Bauten im Fortschreiten zu einander. - Unter demselben Bernhard von Plessen wurden die Wandgemälde in der Heil. Bluts=Kapelle in dem Chorumgange hinter dem Hochaltare ausgeführt; vgl. Jahrb. XIII, S. 159 flgd. - An die Südseite des Chorumganges ward unter dem Bischofe Friederich II. auch das Dom=Archiv oder das Capitelhaus angebauet.

1396 wurden wahrscheinlich die Kreuzflügel begonnen. In diesem Jahre erhielt der Dom ein Stück vom Kreuze Christi und einen Ablaß (vgl. Jahrb. XIII, S. 154, Not. 4), welcher immer auf einen großen Bau hinzudeuten pflegt. Die Pforten haben keine Wappenschilde erhalten, was ohne Zweifel geschehen

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wäre, wenn die Kreuzschiffe noch unter dem Bischofe Friederich II. vollendet worden wären. Die Entwertung des Planes wird unter seiner Regierung vollendet sein, da die meisten großen Kirchenanlagen Meklenburgs um jene Zeit entworfen oder ausgeführt wurden.

Mit dem Bau des Schiffes ging es langsamer von statten. Wahrscheinlich ist dasselbe in jungem Zeiten nur auf einem alten Bau erhöhet, da schon 1365 - 1375 das südliche Seitenschiff vollendet ward, und nach dem Grundplane des ganzen, neuen Spitzbogenbaues ausgeführt.

1412-1430 ward das Schiff gebauet. Im J. 1412 wird schon der Anfang gemacht worden sein, da die Marienkapelle Ablaß erhielt (vgl. Jahrb. XIII, S. 148, Not.). Um das J. 1430 mußten die Stralsunder zur Lösung aus dem Banne für die in einem Aufruhr im J. 1407 verbrannten Priester der schweriner Diöcese das Schiff wölben (vgl. Jahrb. XIII, S. 158). Dies beweiset nicht allein eine ausdrückliche Inschrift auf diesen Bau, sondern noch mehr der - stralsundische Styl derselben, indem die Fenster nicht im Spitzbogen, sondern im flachen Dreieck überwölbt sind, in der unschönen Weise, welche sonst in Meklenburg nicht, dagegen in der Jacobi= und Marien=Kirche in Stralsund vorkommt. Es soll hiemit nicht gesagt sein, als wenn die Stralsunder auch an den Ringmauern gebauet hätten. Diese waren im J. 1430 gewiß schon längst fertig. Aber wahrscheinlich paßten die schon fertigen Fenster nicht zu der Wölbung und daher mußte beim Bau der Gewölbe die Ueberwölbung der Fenster eingebrochen werden und ward in der stralsunder Weise so construirt, wie sie noch heute steht. Dies geht mit Sicherheit daraus hervor, daß die Wulste, welche die Fenster des Schiffes, eben so wie alle andern Fenster der Seitenschiffe, einfassen, bei der Wölbung plötzlich aufhören und die dreiseitige Wölbung glatt überputzt ist.

Uebereinstimmend hiemit ist wieder der Umstand, daß

1463-1473 der westliche Theil des Kreuzganges, welcher sich an das nördliche Seitenschiff lehnt und jetzt den Hörsaal des Gymnasiums enthält, gebauet ward, indem der Bischof Werner (1458-1473) im J. 1463 dem Domkapitel, welches "einen Umgang (Kreuzgang) an der Kirche zu bauen angefangen", einen Ablaß zur Vollendung desselben verlieh.

1482-1503, unter dem Bischofe Conrad Loste, wurden die beiden fertigen Flügel des Kreuzganges durch den nördlichen Straßengang mit einander verbunden, da an einer Verbindungsthür in diesem Theile dieses Bischofes in Stein gehauenes Wappen eingemauert ist. Ob Bischof Conrad diesen Theil neu bauen,

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oder nur ein Geschoß oben aufsetzen ließ und damit den ganzen Dombau vollendete, ist ungewiß. Man möchte sich für das Letztere entscheiden, da der gewölbte Gang einen für den Ausgang des 15. Jahrh. viel zu edlen, hohen Styl hat. Man möchte glauben, dieser Theil sei auch schon am Ende des 14. Jahrh. erbauet und vom Bischofe Conrad Loste nur in einem kümmerlichen Style erhöhet worden.

Durch diese Darstellung werden sich nun die verschiedenen Bau=Perioden des Domes klar verfolgen lassen.