zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 361 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

I. Zur Alterthumskunde


im engern Sinne.

1. Vorchristliche Zeit.

a. Im Allgemeinen.


Die heidnischen Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg.

N achdem wir in Meklenburg zu einer klaren und bestimmten Ansicht der heidnischen Alterthümer dieses Landes gekommen sind, ist es unser eifriges Bemühen gewesen, zu erforschen, wie weit die hier ausgeprägte Cultur über die Nachbarländer reicht. Es ergeben sich aus dieser Vergleichung sehr interessante Resultate, und die Urgeschichte Deutschlands wird erst dann eine sichere Grundlage erhalten, wenn die heimischen Alterthümer weit genug gegen Süden und Osten durchforscht sind. Die heidnischen Alterthümer Norddeutschlands erhalten dadurch eine so große Bedeutung, daß sie frei sind von fremden Einflüssen und sich in den Perioden ihrer Entwickelung klar herausstellen, während z. B. in Süddeutschland die Forscher mit der mühsamen Ausscheidung des Fremden noch vollauf zu thun haben. Die norddeutschen Alterthümer werden daher aus diesem Grunde vorzüglich den Maaßstab geben müssen für das, was deutsch oder nicht deutsch ist, und für den Unterschied der Cultur der einzelnen Völkerschaften Deutschlands unter sich.

Wenn man von einer Gleichheit der Alterthümer redet, so muß man darunter eine völlige Identität und Congruenz verstehen. Aehnlichkeiten, auffallende Aehnlichkeiten, ja selbst Identität in einzelnen Stücken finden sich überall und aus allen Zeiten; so sind z. B. die Feuersteinkeile der Urbewohner des germanischen Nordens und der heutigen Bewohner Australiens in Material und Form identisch, aber die meisten andern

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 362 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Geräthe dieser Völker sind von einander abweichend. Die Bedürfnisse der Völker auf ihren verschiedenen Culturstufen sind gleich; wir finden daher durchschnittlich immer dieselben Geräthe wieder, freilich aus sehr verschiedenen Zeiten; die oft bedeutsamen Abweichungen bestehen oft nur in einer geringen Abweichung der Umrißlinien der Geräthe oder ihrer Verzierung

Betrachten wir die Alterthümer des germanischen Nordens, so finden wir, daß die Alterthümer aus den beiden ältesten Perioden, der Steinperiode und der Bronzeperiode, in Meklenburg, Vorpommern, Rügen, Prignitz, Kurmark, Altmark, Lauenburg, Holstein und ganz Dänemark völlig gleich sind. Die Alterthümer der Eisenperiode, welche ohne Zweifel slavisch ist, läßt sich bis jetzt eben so klar verfolgen; der jüngere Abschnitt derselben charakterisirt sich in Meklenburg vorzüglich durch die großen, schalenförmigen Urnen, welche mit fortlaufenden, aus scharfen, viereckigen (durch ein laufendes, gezahntes Rad hervorgebrachten ?) Punkten gebildeten Linien in Mäander = und Hammerformen verziert sind und eine tiefe, gleichmäßig kohlschwarze Farbe auf der Außenfläche haben. Diese Urnen mit der ganzen Cultur ihrer Zeit finden sich in Dänemark nicht; sie finden sich dagegen bestimmt in Mecklenburg = Schwerin, im hamburgischen Gebiete, in Holstein nur bis nach Wagrien hinein, in den nördlichen Gegenden der Prignitz und Mittelmark und in der Altmark: sind also ein bestimmtes, charakteristisches Zeichen des westlichsten Wendenvolkes.

Die Alterthümer des wichtigen Fürstenthums Lüneburg waren bisher noch nicht klar erkannt, weil in den nördlichen überelbischen Ländern häufig die unter einander oft sehr verschiedenen Alterthümer aus allen Theilen des jetzigen Königreichs Hannover zusammengebracht werden. Es wird jetzt aber möglich sein, eine bestimmte Ansicht zu gewinnen.

Der Herr Baumeister und Eisengießereibesitzer Wellenkamp zu Lüneburg, ein ungewöhnlich glücklicher, einsichtsvoller und vorurtheilsfreier Sammler, besitzt eine vortreffliche, reiche Sammlung heidnischer Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg. Er ist so glücklich gewesen, hinreichendes Material aus allen 3 Hauptperioden der heidnischen Vorzeit zusammenzubringen und hat dabei die verständige Vorsicht gebraucht, den Inhalt der einzelnen Funde zusammenzuhalten. Aus dem Inhalte dieser seltenen Sammlung ergiebt sich nun, daß die heidnischen Alterthümer des Fürstenthums Lüneburg aus allen 3 Perioden, der Stein =, Bronze = und Eisenperiode, mit den heidnischen Alterthümern Meklenburgs völlig gleich sind

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 363 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

es finden sich dort, wie hier, zu allen Zeiten dieselben Geräthe, dieselben Materiallen, dieselben Formen. Auch die mit Punktlinien verzierten Urnen der Eisenperiode werden im Lüneburgischen gefunden, freilich läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit angeben, wie weit gegen Westen hin. - Dieses aus dem Studium einer Sammlung und der Belehrung des Sammlers gewonnene Resultat hier niederzulegen, ist der Hauptzweck dieser Zeilen.

G. C. F. Lisch.