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Die Kirche zu Bützow.

Die Kirche des ehemaligen bischöflich=schwerinschen Collegiatstifts zu Bützow ist als ein ausgezeichnetes Bauwerk schon in Jahresber. III, S. 137 und 162 flgd. und Jahrb. VIII, S. 1 flgd. zur Sprache gebracht, hat auch sonst in architectonischer

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Hinsicht so viel Aufmerksamkeit erregt, daß sie die genauere Prüfung verdient, welcher sie wiederholt unterworfen ist. Hiezu forderte besonders eine glückliche Entdeckung, nämlich die Entdeckung einer oben Nr. XIV, S. 226, abgedruckten Urkunde vom 26. Aug. 1364 auf, in welcher ausdrücklich von der Erbauung eines neuen Chores die Rede ist. Hiedurch aufmerksam gemacht, mußte das in Jahresber. III, S. 165 angeführte von bülowsche Wappen an der Außenwand des Chors eine strengere Beobachtung veranlassen, welche Aussicht zur Gewinnung anderweitiger Ergebnisse verhieß.

Die Stadt Bützow stand schon vor dem Jahre 1229 und hatte natürlich seit der Erbauung eine Kirche (vgl. Jahrb. VIII, S. 5). Das Dom=Collegiat=Stift ward im J. 1248 gegründet. Der jetzt stehende hohe Chor ward nach der Urkunde vom 26. Aug. 1364 gegründet und in der nächsten Zeit darauf erbauet. Hiernach ist auch die Kirche zu Bützow, wie sie jetzt steht, aus drei zu vermiedenen Zeiten gebaueten Theilen zusammengesetzt. Die Kirche besteht aus Chor, Schiff und Thurm; das Schiff besteht aber offenbar aus zwei zu verschiedenen Zeiten erbaueten Theilen, aus dem zunächst an den Chor grenzenden mittlern Theile und dem westlichen Theile mit dem Thurme.

Der dem Chore zunächst liegende östliche Theil des Schiffes ist ohne Zweifel der älteste Theil der Kirche, und zwar der Chor der alten Kirche oder der alte Chor. Der Raum ist zwei Gewölbe groß. Die Gestalt der alten Kirche muß eine ganz andere gewesen sein. Die Pfeiler der frühern Kirche stehen noch: sie sind nur halb so hoch, als die jetzige Kirche. In der Mitte der Höhe der Kirche stehen noch die Kapitäler der alten Pfeiler, schön mit Weinlaub verziert. Als der westliche Theil des Schiffes in viel höherm Maaßstabe angelegt ward, wurden diese Pfeiler erhöhet und auf die Kapitäler sehr rohe Verlängerungen aus schlichtem Mauerwerk aufgesetzt, um die Gewölbe zu tragen. Der alte Scheidebogen steht noch jetzt an der westlichen Grenze dieses alten Chors, jetzt innerhalb des Schiffes. Auch von außen ist dieser Theil der Kirche als der älteste zu erkennen. Er hat noch nicht die dem Spitzbogenstyl eigenthümlichen Strebepfeiler. Die äußerst niedrige, im strengen Spitzbogenstyl aufgeführte Pforte in diesem Theile des Schiffes ist freilich durch Aufschüttung des Kirchhofes etwas in die Tiefe gebracht; aber sie ist auch an und für sich niedrig und stimmt ganz zu der ursprünglichen Höhe des alten Chors, ist auch ebenso mit Weinlaub verziert, wie die Kapitaler im Innern. Dieser ehemalige alte Chor stammt also ohne Zweifel

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aus der Zeit der Gründung der Kirche und der Stadt, aus dem ersten Viertheil des 13. Jahrhunderts.

An den alten Chor schließt sich im Westen das alte Schiff von 3 Gewölben Länge oder jetzt der westlich e Theil de s Schiffes. In diesem ruhen die Gewölbe auf zierlichen Säulenbündeln mit Kapitälern aus allerlei humoristischen Menschen= und Thier=Gestalten. Dieser Theil der Kirche, mit einer höhern, schlanken Pforte und mit Strebepfeilern, ist ohne Zweifel in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zugleich mit dem Thurme, erbauet und bei der Stiftung des Dom=Collegiat=Stifts im J. 1248 gegründet.

Der jetzt stehende Chor aber ist kurz vor dem J. 1364 gegründet und in der Zeit von 1365-1375 vollendet. Man sicht von außen und innen sehr deutlich die Anfügung. Der ganze Bau ist auch in einem ganz andern Style gehalten, als die übrigen Theile der Kirche. Der innere Chor ist von einem Gewölbe überdeckt, welches hohe, schlanke Pfeiler halten; der Umgang hinter demselben ist aber zu 3 großen Kapellen weit über die Ringmauern der Kirche hinausgerückt. Im Aeußern trägt dieser Bau ganz den Charakter der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wie die Kirchen der wendischen Hansestädte, etwa wie die Marien=Kirche zu Rostock. Das Mauerwerk ist glatt und tüchtig und zierlich; die vielen Strebepfeiler sind gut geordnet; die Gesimse haben durchbrochene Ziegelarbeit; die weiten Fenster sind hoch und schlank. Besonders charakteristisch ist es für große Chorbauten aus dieser Zeit, daß oft enge Winkel zwischen nahe stehenden Strebepfeilern an der Außenseite überwölbt sind. Ueberdies wird der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ausgeführte Bau noch durch eine besondere Urkunde verbürgt. Die oben angeführte Urkunde vom 26. Aug. 1364 sagt ausdrücklich, daß der Senior Dietrich von Bülow und das Capitel des Collegiatstiftes Bützow dem Thesaurarius des schweriner Doms, Vicke von Bülow, dem nachmaligen Bischofe Friederich II. von Bülow, welcher schon 1363 vom Dom=Capitel gewählt war, wegen seiner Verdienste um das Stift Bützow, und nachfolgend allen und jeden aus dem Geschlechte von Bülow

den obern, östlichen Theil des neuen Chores der Kirche zu Bützow, in welchem der Bau einer Capelle begonnen und ein Altar errichtet war,

   (locum superiorem novi chori in parte orientali in summo, in quo jam inceptum est capellae aedificium et altere erectum)

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mit 2 dazu gestifteten Vicareien verleihen Im J. 1364 war also der Bau noch nicht vollendet, der unter dem bützowschen Senior Dietrich von Bülow und unter dem schwerinschen Thesaurarius Vicke, dem nachmaligen Bischofe Friederich von Bülow begonnen war. In der Zeit von 1365 bis 1375 war dieser Friederich von Bülow Bischof zu Schwerin; nach langen und harten Leiden, welche das Bisthum Schwerin, vorzüglich in Folge der Regierung der von Bülow, fast ein Jahrhundert hindurch erduldet hatte, ward es durch den Bischof Friederich von Bülow und seine Verwandten in kurzer Zeit wieder gehoben und zur Blüthe gebracht. Man findet daher überall Spuren von einer angestrengten, tüchtigen Thätigkeit aus der Zeit des Regiments dieses Bischofes, welcher in mancher Hinsicht eine bedeutende Person in der Geschichte unsers Vaterlandes ist. Unter ihm ist der neue Chor der bützowschen Kirche vollendet und geweihet; denn nicht an einem Pfeiler, sondern an allen 5 Pfeilern des neuen Chors ist an der Außenseite das von bülowsche Wappen angebracht welches ohne Zweifel die Vollendung durch einen Bischof von Schwerin aus dem Hause von Bülow bezeichnet; der letzte Bischof aus diesem Haufe und zugleich der erste, welcher sein Familienwappen in Amtsgeschäften geltend machte (vgl. Jahrb. VIII, S. 18), war aber Friederich II., 1365-1375. Die Strebepfeiler an der Verbindung des alten und des neuen Chors haben kein Wappen, weil sie nicht allein den neuen Bau berühren.

Die Kirche zu Bützow ist dem Dom zu Lübeck in der Geschichte des Baues am ähnlichsten. Der Dom zu Lübeck ist bekanntlich eine Stiftung des 12. Jahrhunderts. Von dem alten Gebäude steht aber nur noch das Schiff im Rundbogenstyl mit seinen alten Gewölben und vielleicht das Thurmgebäude; die Seitenschiffe sind schon jünger. Der Chor ist der jüngste Theil und dadurch für die Geschichte der Baukunst wichtig, daß er dem Chor der Kirche zu Bützow auffallend gleich und in einer historisch zu bestimmenden Zeit erbauet, nämlich von dem Bischofe Heinrich von Bokholt (1317-1341) gebauet und ungefähr im J. 1335 vollendet ist. Seine Grabschrift auf dem aus Erz gegossenen Leichensteine mit seiner liegenden Bildsäule im Chore des Domes, deren so wie der folgenden Nachrichten Mitteilung ich dem Herrn Dr. Deecke zu Lübeck verdanke, sagt dies ausdrücklich:

Anno domini MCCCXLI, kalendis Marcii, obiit dominus Hinricus cognominatus de Bocholte, huius ecclesie episcopus duodecimus. Orate

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pro eo dominum Jhesum Christum. Iste fuit magister in artibus et in medicina, deinde huius ecclesie decanus, postea prepositus, ad ultimum episcopus, qui fecit construi hunc chorum et instauravit tres prebendas et sex vicarias in ista ecclesia multisque redditibus et bonis ditavit eandem, quam eciam in episcopatu rexit fere viginti quatuor annis.

Man vgl. dazu Alberti Krummendyk chron. ep. Lub. bei Meibom Script. Germ. II, p. 398; Alb. Krantz Metrop. IX, c. 13, p. 243; des Minoriten=Lesemeisters Chronik zum J. 1341. Besonders sagt der "Codex Eglensis" (vgl. Archiv für Staats= und Kirchengeschichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein, Lauenburg, II, S. 253 flgd.):

Item anno episcopatus sui XIII, cum dictus episcopus vidisset opus chori ecclesie sue maioris circa sexaginta annos inceptum et omni spe perfectionis seu consummacionis destitutum, confidens de adiutorio diuino, operarios conduxit et dictum opus anno pontificatus sui XVIII cum ambone, fenestris, pauimento, sedilibus et aliis necessariis consummavit, cui operi impendit vltra duo milia marcarum et quadringentas marcas denariorum lubicensium, ac in circuitu eiusdem chori noui fundauit vnam prebendam etc.

Sind diese Beobachtungen schon für die Geschichte der Kirche zu Bützow interessant, so führen sie doch noch weiter und gestatten Schlüsse auf andere wichtige Bauwerke, namentlich auf den Dom zu Schwerin.

G. C. F. Lisch.