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e. Vorchristliche Alterthümer auswärtiger Völker.

Römische Thonmaske von Friedrichsdorf

bei Bukow.

Zu Friedrichsdorf bei Bukow, Pfarre Drevskirchen, ward in einer Mergelgrube ein merkwürdiges Thongebilde gefunden und dem Vereine von dem Herrn Hülfsprediger Born zu Neukloster geschenkt, welcher es von dem Besitzer des Gutes, Herrn Koch, geschenkt erhalten hatte. Auf angestellte weitere Forschungen hat auch Herr Koch gütigst berichtet, daß die Terracotta in einer Mergelgrube zu Friedrichsdorf, etwa eine Stunde vom Strande der Ostsee, von einem Tagelöhner gefunden sei. Der Fund ist also sicher constatirt.

Die Terracotta ist ein Reliefgesicht aus gebranntem, röthlichen Thon, unten abgebrochen und grade bis unter das Kinn reichend. Das Ganze ist 1 3/4 " hoch. Das Gesicht, gut 1 " hoch, ist ein fein gearbeitetes Mädchengesicht, mit jugendlichen, runden, heitern und kräftigen Zügen, auf dessen Stirn horizontal und an dessen Schläfen hinab ein faltiger Schleier liegt. Das Haupt umgiebt ganz, gegen 3/4 " breit, eine Bildung, wie eine Glorie, von 4 parallel laufenden, erhabenen Zickzacklinien.

Die Erklärung des Ursprunges und der Bedeutung dieser seltenen und schönen Terracotta ist äußerst schwierig. Es sind kundigen Kreisen in Berlin Gipsabgüsse vorgelegt, ohne jedoch eine bestimmte Ansicht oder auch nur eine Andeutung über die Heimath gewinnen zu können. Im königlichen Antiquarium zu Berlin befinden sich einige ähnliche Bildungen, namentlich eine, welche in Panofka Terracotten des königlichen Museums zu Berlin, Taf. 62, Nr. 3, abgebildet ist; aber Panofka giebt auch keine Auskunft und räth auf eine Meduse oder Selene, freilich ohne Begründung und Wahrscheinlichkeit, um so weniger, da auf dem berliner Kopfe die Hauptumgebung wirklich wellenförmig, nicht gezackt ist. Am meisten scheint die Ansicht des Herrn Dr. B. Köhne zuzutreffen, nachdem er im Herbste 1844 von einer Reise nach Italien heimgekehrt war; dieser schreibt: "Mittelalterlich ist der Kopf nicht; dagegen spricht sein Styl durchaus. Römisch ist der Kopf aber auch nicht; dafür ist der Styl zu strenge. Ich finde den Kopf sehr ähnlich den Bildungen griechischer Terrakotten der mittelitalienischen Niederlassungen. Namentlich habe ich gesehen und besitze selbst verschiedene im alten Pästum gefundene Terracotten ganz desselben Styls und möchte ich den

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in Meklenburg gefundenen Kopf für ein Werk der unter griechischem Einfluß ausgebildeten Kunst der in der Gegend Campaniens wohnenden sabellischen Völker halten; namentlich hat eine meiner Terracottenfiguren fast genau denselben Ausdruck. Die Verzierung, welche den Kopf umgiebt, ist sehr sonderbar: sie scheint aus Strahlen zu bestehen; jedoch scheint mir der Kopf ein weiblicher, kein Helios zu sein. Die Verzierung scheint mir hier zum Kopfputze zu gehören und ist vielleicht ein mit Tänien (Haarbinden) verzierter Kalathos (Kopfaufsatz aus Flechtwerk), welcher ohne Bänder häufig die Köpfe der pästanischen Terracotten schmückt. Denn für den pästanischen Ursprung dieses interessanten Stückes möchte ich mich auch ferner erklären. Die Frage, wie dieses Stück nach Meklenburg gekommen, ist nicht schwer zu beantworten. Pästum, am Meere gelegen, verdankte seinen alten Reichthum seinen Handelsverbindungen. Pästanische Kaufleute können zur Ostsee gekommen sein, und sollte es mich wundern, wenn Meklenburg nicht noch mehr Stücke besäße, in denen sich pästanischer Ursprung wieder erkennen läßt. Unser Kopf ist zwischen 250 und 150 v. Chr. angefertigt."

G. C. F. Lisch.