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I.

Ueber die

meklenburgische Hauptlandestheilung

vom Jahre 1229

und

den Regierungsantritt der vier Söhne des Fürsten Heinrich Borwin II. von Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


E ine der wichtigsten Begebenheiten in der meklenburgischen Geschichte ist die Hauptlandestheilung in die Herrschaften Mecklenburg, Werle, Rostock und Parchim=Richenberg unter die vier Söhne des Fürsten Heinrich Borwin II. in dem zweiten Viertheil des 13. Jahrhunderts, wie überhaupt ungefähr um diese Zeit die genauere Geschichte mancher norddeutscher Staaten mit der Theilung größerer Ländergebiete beginnt. Obgleich diese meklenburgische Hauptlandestheilung die Grundlage aller politischen Eintheilungen (und theilweise Veranlassung zu Titel und Wappen der Landesherren) bis auf den heutigen Tag geworden ist, so gehört sie doch noch zu den dunkelsten Theilen unserer Geschichte und ist in den letzten Jahrhunderten vorzüglich nur durch den Bericht von Chemnitz verbürgt und im Allgemeinen dadurch unterstützt, daß die verschiedenen Fürsten zu verschiedenen Zeiten sich Namen von verschiedenen und besondern Ländertheilen beilegen. Die Stellen in Chemnitz handschriftlicher Chronik, oder vielmehr Urkunden=Relation, aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts lauten also:

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"Anno Christi 1229 haben Herr Johannes Theologus vnd seine Herrn Brüder die semptliche Lande in zwey gleiche Theile von einander gesetzet, also das der eine theil das Land zu Meckelnburg vnd der ander das Land zu Rostock, wie vor, genennet worden, vnd darumb geloset, da ist Herrn Johanni vnd seinen jungsten Brudern Herrn Pribislao dem dritten das Land zu Meckelnburg, Herrn Nicolao dem fünften aber vnd Herrn Henrico Burwino dem dritten das Land zu Rostock gefallen, haben dahero in gemeinen brieffen diesen titul geführet: Johannes et Pribislaus de Magnopoli, Nicolaus et Henricus de Rostoc fratres et domini.
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Weil nun nichts desto weniger vnter diesen herrn wegen der getheilten lande einige misverstande vorfiehlen, als haben sie Anno Christi 1234 die Theilung des Landes anderweit vorgenommen," u. s. w.

Einige eigene Betrachtungen abgerechnet, wird Chemnitz diese Erzählungen zum Theil aus Beobachtung der Urkunden=Eingänge construirt haben. Außerdem scheint er aber auch eine andere archivalische Quelle benutzt zu haben, welche bis auf die neuesten Zeiten vernachlässigt ist; dies ist die doberaner Genealogie 1 ) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts in dem Copialbuche des Klosters Doberan. Diese berichtet ebenfalls eine zweimalige Landestheilung, wie Chemnitz, jedoch ohne Zeitangaben, in folgenden Worten:

"Post hec iste Hinricus iunior accepta vxore genuit qatuor filios: Johannem, Nicolaum, Hinricum, qui et Burwinus dictus est, mutato fortassis proprio nomine in confirmacione, et Pribizlaum. Isti - - principatum seu dominium paternum primo sic diuiserunt, quod Johannes et Pribizlaus in Magnopoli, Hinricus vero et Nicolaus in Rozstok dominium tenuerunt. Postremo vero aliter diuidendo ordinauerunt, quod Johannes in Magnopoli et Mychelenhorgh, qui et knese Janeke est dictus, Hinricus,


1) Vergl. Jahrb. II, S. 9-10.
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qui et Burwinus, in Rozstok, Nicolaus in Gustrowe, scribens titulum dominii sui de castro Werle, et Pribizlaus, qui de castro Rychenberg, quod exstruxerat, titulum dominii sui accepit".

Dies ist die älteste, heimische chronistische Nachricht über die Landestheilung, nicht viel über hundert Jahre älter, als die Theilung selbst. Leider giebt sie keine Jahreszahlen. Ihr scheint Kirchberg in seiner Reimchronik aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. gefolgt zu sein, wenn er Cap. CXXVI sagt:

Do man nach godes geburt schreib gar
czwelfhundert eyn vnd driszig iar,
-----------------
-----------------
dy sone Hinrich Burwini
den waz grosze czwitracht by,
daz sy sich hattin geteylet schire
irs vatir wendische rich in vire
nach irs vatir tode gar.
Iglicher namsyns teyles war,
so daz Johan der eldiste kurg
hielt furstentum zu Mekilnburg;
du wart Gustrow also
sinem brudere Nycolao;
syme dritten brudere Burwyn
wart Rodestock vnd Kyssyn;
du wart dem vierden Pribisla
Richenberg zu teile da;
iglich teyl sunder schande
hielt gliche vil der lande.

Alle diese Angaben, so richtig sie in der Hauptsache sein mögen, ermangeln doch bisher einer urkundlichen Begründung und einer festen Zeitbestimmung; es ist daher nöthig, sämmtliche Beweise zusammenzustellen und neue Entdeckungen zu Hülfe zu rufen.

Der letzte Wendenkönig Pribislav starb am 30. Dec. 1178 1 ). Der alleinige Erbe seines Reiches war nach einiger Zeit sein Sohn Borwin I. Gegen das Ende seiner fast funfzigjährigen Regierung, welche die letzten Kämpfe mit der wendischen Bevölkerung und die sichere Begründung des christlich= germanischen Zustandes umfaßt, räumte er (um das Jahr


1) Vergl. Jahrb. II, S. 18-20.
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1218) seinen beiden Söhnen Heinrich, auch Borwin (II.) zugenannt, und Nicolaus Theile seines Reiches zur Verwaltung ein, und Heinrich nannte sich Herr von Rostock oder Werle und Nicolaus Herr von Gabebusch 1 ). Der ältere Sohn Heinrich Borwin II. starb noch vor dem Vater am 4. Jun. 1226 2 ) und der jüngere Nicolaus war nicht lange vorher seinem Bruder vorangegangen 3 ). Auch der alte Borwin I. trug den Schmerz über den traurigen Verlust nicht lange: er starb am 28. Januar 1227 4 ). Mit dem Tode dieses alten Kämpfers ging sein Reich auf seine vier Enkel, Kinder seines ältern Sohnes Heinrich Borwin II., über, auf die Fürsten Johann, Nicolaus, Heinrich und Pribislav, welche von der Hauptburg des Landes Herren von Meklenburg genannt wurden (fratres domini Magnopolenses). Am 3. Dec. 1227 besaßen sie das ganze Erbe ihrer Vorfahren zur ungetheilten Herrschaft:

"tota iurisdictio ac hereditas progenitorum nostrorum ad nos deuenit" 5 ).

Es ist nun die Frage, wie dieses dunkle Verhältniß der gemeinschaftlichen Regierung der vier Söhne Heinrich Borwins II. gedacht werden müsse, wie die Regierung geführt worden sei und welche Gründe die Landestheilung veranlaßt haben. Volles Licht hierüber giebt die Entdeckung einer Urkunde des Klosters Dargun vom 22. Februar 1261 6 ), welche ganz neue Ansichten in die älteste Geschichte Meklenburgs einführt, nämlich:

die vier Fürsten der meklenburgischen Länder: Johann, Nicolaus, Heinrich und Pribislav, waren bei dem Tode ihres Großvaters und ihres Vaters, im J. 1227, noch minderjährig und standen unter Vormundschaft.

In der erwähnten Urkunde, vom 22. Februar 1261, sagt nämlich der Fürst Nicolaus von Werle: als er, mit seinen


1) Vergl. Lisch Geschichte und Urkunden des Geschlechts Hahn, I. A, S. 7 flgd.
2) Vergl. Jahrb. III, S. 35, und I, S. 434. Zwar wird in der Bestätigungsurkunde des Fürsten Borwin I. über den Dom zu Güstrow vom 10. Aug. 1226 (in Franck's A. u. N. M. IV, S. 99) der Fürst Heinrich Borwin II. als noch lebend erwähnt; aber wahrscheinlich ist diese Urkunde früher geschrieben und erst später ausgefertigt, da sie datirt ist: "Acta sunt hec anno domini MCCXXVI. Datum in Rozstock IIII. iduum Augusti".
3) Vergl. Jahrb. I, S. 134.
4) Vergl. Jahrb. III, S. 35.
5) Vergl. Mirowsche Urkunde vom 3. Dec. 1227 im Jahrb. II, S. 214.
6) Abgedruckt in Lisch Meklenburgischen Urkunden I, S. 117, Nr. LIII.
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Brüdern, im Jünglingsalter unter Vormündern gestanden habe,

"nos una cum fratribus in juvenili etate sub tutoribus constituti",

sei dem Kloster Dargun, nach dem Rathe ihres vormundschaftlichen Beistandes,

"ex quorundam sapientum nostrorum consilio",

von dem Gute Gilow, welches dem Kloster am 5. Aug. 1228, unter Beistimmung des Herzogs Wartislav von Pommern, von dem Ritter Jeneke von Verchen geschenkt 1 ) und am 12. Aug. 1240 von ihm, dem Fürsten Nicolaus von Werle, bestätigt war 2 ), ein Theil abgerissen und aus diesem das Dorf Moyzle gebildet; nachdem er aber zu seinen männlichen Jahren gekommen sei:

"cum ad virilem venissemus etatem",

so erkenne er, auf Bitten des Klosters und auf Nachforschung der Großen seines Landes,

"ex inquisitione seniorum terre nostre",

seinen Irrthum, bereue den unrechtmäßig und gewaltsam erlangten Besitz und restituire dem Kloster das entwehrte Eigenthum.

Dieses Bekenntniß läßt keinen Zweifel über die Art der Landesverwaltung in den ersten Jahren nach dem Tode der Borwine übrig:

das Land ward während der Minderjährigkeit der meklenburgischen Fürsten durch einen Rath von Weisen und von Großen oder Edlen 3 ) des Reichs regiert;

denn nobiles (Edle), majores (Große), seniores (seigneurs, Herren), sapientes (Weise), alles gleichbedeutende Ausdrücke, bezeichnen Edle aus alten Geschlechtern oder Dynasten 4 ). Dies ist zugleich das erste Beispiel einer Vormundschaft im meklenburgischen Fürstenhause. Die


1) Vergl. Lisch Mekl. Urk. I, Nr. XIII.
2) Vergl. daselbst I, Nr. XXVI. Der Fürst Nicolaus bestätigte diese Schenkung am 12. Aug. 1240, nachdem das Land Malchin an ihn gekommen war (cum terra Malchin ad nos devenisset). Vergl. Lisch Urk. des Geschl. Hahn I. B, Nr. I. u. II.
3) Auf ähnliche Weise redet der Bischof Brunward in einer Urkunde vom 5. Aug. 1236 über die Erlangung der Zehnten von dem Lande Tribsees:
"nobilis dominus Johannes Magnopolensis zelo iusticie ductus et a senioribus terre sue et scriptis nostris sufficienter instructus".
Vergl. Lisch Urk. des Geschlechts Maltzan I, Nr. IV, und Geschichte und Urk. des Geschlechts Hahn, I. B, Nr. VI.
4) Vergl. Lisch Geschichte des Geschlechts Hahn, I. A, S. 10 flgd. und S. 95 flgd.
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Vormundschaft wird während ihrer Dauer zwar nirgends besonders und ausdrücklich erwähnt, jedoch läßt sie sich aus den Zeugen der während der vormundschaftlichen Regierung ausgestellten Urkunden erkennen, da die Zeugen immer ungefähr dieselben und eben die Vormünder sind. Nach den Datirungen der Urkunden war der Sitz der Vormundschaft die Stadt Güstrow, die neue, vorzüglichste Residenz des Landes Werle, und zwar um so passender, als es ja Söhne eines Fürsten von Werle waren, für die gesorgt werden sollte. Nach den aufgeführten Zeugen waren Mitglieder der Vormundschaft vorzüglich werlesche Hofbeamte und Burgmänner zu Güstrow und Prälaten des Landes, und namentlich vorzüglich der Truchseß Heinrich Gamm 1 ), der nachmalige Truchseß Conrad und die Ritter Heinrich Grube, Barold und Jordan, neben welchen außerdem noch die Ritter Gotemar und Johann von Havelberg genannt werden; von dem Stande der Prälaten sind gewöhnlich die Domherren von Güstrow und auch der Propst von Dobbertin und der Abt von Doberan gegenwärtig; der Geschäftsführer war der alte Hofschreiber und Notar Magister Conrad zu Güstrow.

Diese Entdeckung wird durch eine zweite im Felde der wichtigen Siegelkunde kräftig unterstützt:

die Vormundschaft führt nämlich während der Zeit ihrer Regierung über das ganze Land, oder über einige Theile desselben nach der Volljährigkeit der ältern Fürsten, ein eigenes Vormundschaftssiegel,

aus dessen Gebrauch allein die Dauer ihres Regiments zu erkennen ist 2 ). Von dem Stammvater Pribislav ist keine Urkunde und kein Siegel bekannt; die beiden Borwine führten den Greifen, das allgemeine und uralte Symbol slavischer Herrschaft 3 ), in einem großen Siegel. Auch die Vor=


1) Die Gamm besaßen das Dorf Glin bei Güstrow, welches im J. 1375 zur Feldmark der Stadt Güstrow gelegt ward; vergl. Franck A. u. N. M. VI, S. 301.
2) Ein ähnlicher, für die Landesgeschichte ebenfalls höchst wichtiger Fall fand hundert Jahre später während der Vormundschaft für den Fürsten Albrecht (1329 bis 1336) statt; vergl. Jahrb. VII, S. 1 flgd.
3) Die pommerschen Herzöge, ebenfalls Herren Slaviens, führen auch einen Greifen im Wappen, so auch die Ritter von Slawe (von deer Stadt Slawe oder Schlage in Pommern?). Slava heißt, nach Hanka's Mittheilung, Ruhm, von slovu: ich bin berühmt. Nicolaus von Meklenburg, Heinrich Borwin's Bruder, führt zuerst einen Stierkopf im Siegel, und von diesem scheint der Stierkopf in die Siegel der meklenburgischen Landesherren, mit Ausnahme der Fürsten von Rostock, welche den Greifen beibehielten, übergegangen zu sein.
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mundschaft führte in einem Siegel, welches kleiner ist, als gewöhnlich die fürstlichen Siegel aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, den Greifen

Siegel

mit der Umschrift:

Umschrift

d. i. sigillum fra[trum] dominorum magnopolensium.
= Siegel der Brüder Herren von Meklenburg.

Daß die Ergänzung des Wortes FR A TRVM richtig sei, beweiset nicht nur der in den Urkunden selbst gebrauchte, mit der Siegelumschrift übereinstimmende Titel, sondern auch eine Aeußerung des Archivars Samuel Fabricius aus dem Ende des 16. Jahrhunderts: "Die beiden Brüder Johannes et Nicolaus haben in irem sigel gefurt ein aufgerichten greif mit diser Umschrift: Sigillum fratrum dnorum Magnopolensium".

Allen von der Vormundschaft ausgestellten Urkunden ist immer nur ein und dasselbe Siegel, und zwar das eben beschriebene Vormundschaftssiegel mit dem Greifen, ein oder zwei Male, je nach der vorgenommenen Theilung, angehängt.

Nimmt man hiezu noch die Eingangsformeln und die Aussteller der Urkunden unmittelbar nach dem Tode der Borwine in Ueberlegung, so wird sich der Zusammenhang der Sache leicht finden lassen.

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In den ersten Jahren der Vormundschaft sind die Urkunden ausgestellt unter dem Titel der vier minderjährigen Söhne Heinrich Borwins:

Johannes, Nicolaus, Hinricus et Pribizlaus fratres domini Magnopolenses.

Von Originalurkunden aus dieser Zeit ist bisher nur eine bekannt geworden:

1227. Dec. 3. Bestätigung der Johanniter=Comthurei Mirow 1 ),

deren Original im königlich preußischen Geheimen Staats= und Cabinets= Archive zu Berlin aufbewahrt wird; das Siegel war bei der Hervorholung der Urkunde aus dem alten Sonnenburger Archive und bei der Entfaltung derselben im J. 1834 zwar zerfallen, jedoch hing an derselben nur ein einziges kleines Siegel von der beschriebenen Form, auch waren nicht mehr Siegel angehängt gewesen, obgleich die Urkunde von allen vier Brüdern ausgestellt ist.

Viele Schwierigkeiten hat die Feststellung der von den drei Brüdern Johann, Nicolaus und Heinrich ("Johannes, Nycolaus, Hinricus, fratres, domini de Rozstoch")

1226. Febr. 15. der Stadt Lübeck ertheilten Zollfreiheit gemacht. Die Urkunde ist in Ungnaden Amoenitates, S. 659, abgedruckt und hier vom J. 1226 (MCCXXVI. XV kal. Mart.) datirt. Andere Abschriften haben bald das Jahr 1223, bald das Jahr 1227; das Jahr 1227 ist im Durchschnitt im Allgemeinen angenommen 2 ), weil die beiden Borwine am 15. Febr. 1226 noch lebten und man die Ausstellung der Urkunde durch die drei Brüder bei Lebzeiten des Großvaters und Vaters nicht für wahrscheinlich hielt und weil der Graf Heinrich von Schwerin den Lübeckern ein ähnliches Privilegium ertheilte, welches nicht datirt ist, jedoch auch die willkürlich angenommene Jahreszahl 1227 erhalten hat 3 ). Der neue Abdruck der Urkunde nach dem Originale im Urkundenbuche der Stadt Lübeck I, Nr. XXXIII, hat das Jahr 1226; in einer Note wird gesagt, daß die letzte Ziffer der Jahreszahl als III oder als VI gelesen werden könne; da jedoch die Söhne Borwins II. erst nach dem Tode ihres Vaters im J. 1226 zur Regierung gelangt seien, so müsse die Urkunde in dieses Jahr gesetzt werden. Heinrich Borwin starb nun zwar im J. 1226,


1) Gedruckt und beschrieben in Jahrb. II, S. 213.
2) Vergl. Rudloff Mekl. Gesch. I, S. 222.
3) Vergl. Ungnaden Amoen., S. 659, und Urkundenbuch der Stadt Lübeck I, S. 53.
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lebte aber noch am 15. Febr. 1226. Noch mehr verdunkelt wird diese Erläuterung durch die ausnahmsweise hinzugefügte, nicht ausreichende Siegelbeschreibung: "mit wohlerhaltenem Siegel Heinrichs" (des dritten der drei jungen Fürsten?!)

Zur wichtigen und einflußreichen Lösung dieser Räthsel bot unser wackerer Freund Deecke freundlich und mit wissenschaftlichem ernste die Hand und durchforschte nicht nur unter fortgesetzter Correspondenz, welche alle Zweifel löste, das Original und die beglaubigten Abschriften, sondern verglich auch nach ihm gesandten Zeichnungen das Siegel und schaffte einen Abdruck, desselben nach dem Originale.

Das Ergebniß dieser Forschungen ist Folgendes.

Die lübecker Zollfreiheit ist ohne Zweifel vom 15. Febr. 1226 ( M°.CC° XXVI°.XV° kal. Marcii ) datirt.

Oberflächlich betrachtet, sehen die beiden letzten. Ziffern der Jahreszahl wie III aus; daher hat auch ein Transsumt aus der Zeit 1260-1263 die Jahreszahl 1223, welche sonst in Lübeck durch Dreyer angenommen war. Aber genau angesehen, steht unzweifelhaft die Jahreszahl 1226 ( m°cc°xxvj ) da. Die völlige Entscheidung mußte das Siegel geben.

Das der Urkunde angehängte Siegel ist ohne Zweifel das Siegel des Fürsten Heinrich Borwins II., des Vaters der drei ausstellenden jungen Fürsten.

Siegel

Das Siegel ist nämlich, nach Vergleichung der Originale, dasselbe Siegel des Fürsten Heinrich Borwin II., welches

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an der Stiftungsurkunde der Stadt Parchim 1 ) (ungefähr vom J. 1218) hängt.

Die Umschrift lautet:

Umschrift

Schon diese Umschrift beweiset, daß das Siegel keinem anderen, als dem Fürsten Heinrich Borwin I. angehören kann.

Die geschichtliche Folgerung hieraus ist:

daß die vier jungen wendischen Fürsten schon bei Lebzeiten ihres Vaters und ihres Großvaters, über ein Vierteljahr vor ihres Vaters und fast ein Jahr vor ihres Großvaters Tode, unter Leitung der fürstlichen Räthe, welche später die Vormundschaft übernahmen, Staatsurkunden ausstellten und mit ihres Vaters Siegel besiegelten, daß im Anfange des J. 1226 die beiden Borwine wohl schon so schwach waren, daß sie ihre Söhne und Räthe zu Staatsverhandlungen aussenden mußten,

da die Urkunde vom 15. Febr. 1226 vor Lübeck ("apud Lubeke") ausgestellt ist. Der jüngste Bruder Pribislav war wohl noch so jung, daß man ihn noch nicht auf Reisen schicken konnte, wenigstens noch nicht zeugenfähig, d. h. 12 Jahr alt; daher hat er auch die Urkunde nicht mit ausgestellt.

An alten Abschriften von Urkunden aus der Zeit von 1227 bis 1229 findet sich noch

1228. Oct. 25. Bestätigung der Verleihung des schwerinschen Rechts an die Stadt Güstrow durch die vier Brüder 2 )

("ego Johannes, ego Nicolaus, ego Hinricus et Pribislaus fratres Magnopolenses, - - cum progenitorum nostrorum totius hereditatis nostre ac feudi nostra plena jurisdictio ad nos deuenerit hereditaria successione"), nach einer Bestätigungsurkunde des Fürsten Nicolaus von Werle vom J. 1305.

Eine Urkunde vom Jahre

1229 über die Gründung der Kirche zu Dreveskirchen ist vom Bischofe Brunward, dem Fürsten "Johannes und dessen Brüdern"

ausgestellt gewesen 3 ).


1) Vergl. Clemann's Gesch. der Vorderstadt Parchim, S. 94.
2) Gedruckt in Besser's Beitr. zur Geschichte der Vorderstadt Güstrow, S. 243.
3) Vergl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 77.
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Mittlerweile waren die beiden älteren Brüder Johann und Nicolaus mündig geworden 1 ), wenn sie auch noch nicht zu ihren männlichen oder "vollkommenen Jahren" gekommen, d. h. volljährig geworden sein mochten.

Johann und Nicolaus theilten daher (im J. 1229) die ganze Herrschaft Meklenburg in zwei Theile,

so daß der ältere Johann den jüngsten seiner Brüder, Pribislav, Nicolaus seinen zunächst auf ihn folgenden Bruder Heinrich zu sich nahm. Die Theilung geschah so, wie der alte Heinrich Borwin I. sie für seine beiden Söhne gemacht hatte: in die Herrschaften Meklenburg und Rostock.

Johann nannte sich Herr von Meklenburg,
Nicolaus nannte sich Herr von Rostock.

Es steht also den Angaben der älteren meklenburgischen Historiker, daß die durch die ältesten doberaner Chroniken verbürgte erste Theilung im J. 1229 geschehen sei, urkundlich nichts entgegen; im Gegentheil reden alle urkundlichen Zeugnisse dafür, daß eine solche Theilung wirklich stattgefunden habe. Schon im J. 1229 stellte der Fürst Johann von Meklenburg den Bürgern von Wismar eine Urkunde über die Verleihung eines Landgebietes aus und bekräftigte dies zugleich für seinen Bruder Pribislav 2 ); und nach einem im Archive zu Schwerin aufbewahrten alten Urkunden=Inventarium des Stifts Schwerin schenkten im Schlosse Gadebusch am 29. April 1230 "Johannes und Pribezlaus Hern zu Mekelnburg dem Bischof zu Zwerin die Helffte des Zehenden im Lande Warnow an beiden seiten der Eldene und im lande "Brenitz 3 )". Von der andern Seite verliehen am 1. Junii 1229 die beiden Brüder Nicolaus und Heinrich, Herren von Rostock (domini dicti de Rostock), jedoch unter Zustimmung ihrer Brüder Johannes und Pribislaus, dem Kloster Michelstein die Dörfer Rosin bei Güstrow, nach einer Urkunde im Archive zu Schwerin.

In den nächsten Jahren sind alle Urkunden so ausgestellt, daß fortan immer die Namen der Brüder paarweise, Johann und Pribislav, Nicolaus und Heinrich, an der Spitze derselben stehen:


1) Schon im März 1233 war der Fürst Nicolaus vermählt, als er dem Kloster Amelungsborn den Hof Dranse schenkte: "de Pleno consensu et uoluntate uxoris mee Jutte ac fratrum meorum Johannis videlicet et Heinrici ac Pribizlai"; vergl. Riedel Codex dipl. Brandenb. I, S. 446.
2) Gedruckt in Schröder's Wismar. Erstlingen S. 69.
3) Vergl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 78.
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Johannes et Pribizlaus de Magnopoli, Nicolaus et Heinricus de Rozstoc, fratres et domini,

oder

Johannes de Magnopoli et Pribezslaus, Nicolaus et Hinricus de Rozstoch, principes et fratres,

oder eines von diesen Paaren allein, oder eines der beiden älteren Brüder, Johann oder Heinrich, unter Zustimmung der übrigen drei oder des ihm anvertraueten einen Bruders. Der glänzendste Beweis hiefür ist, daß sich die Vormundschaft im Interesse der jüngeren minderjährigen Fürsten ihres Rechtes nicht begab und, ungeachtet der Volljährigkeit der älteren Brüder, noch eine Zeit lang die Urkunden mit dem alten Vormundschaftssiegel beiegelte, und zwar mit Einem Siegel, wenn die Urkunden von einem, mit zwei Abdrücken desselben Siegels, wenn die Urkunden von zwei Brüderpaaren herstammen. Eigene Siegel der volljährigen Fürsten erscheinen erst einige Jahre später.

Von Original=Urkunden, welche in diesen Zeitraum von 1229-1231 fallen, sind folgende bekannt geworden:

1230. Oct. 30. Friedens=, Grenz= und Vermählungsvertrag der beiden älteren Brüder Johann und Nicolaus mit dem Grafen Guncelin von Schwerin 1 ),

(inter nobiles uiros dominum Johannem Magnopolensem, dominum Nicolaum de Roztoch et fratres eorum, ex una parte, et Guncelinum comitem de Zuerin, ex altera), dessen Original im großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrt wird und dasselbe Vormundschaftssiegel zwei Male trägt, wahrscheinlich in Folge der ersten Theilung, durch welche das Land in zwei Theile getheilt ward.

1231. April 29. Verleihung des Dorfes Nakenstors an das Kloster Sonnenkamp (Neukloster) durch die Fürsten Johann und Pribislav 2 ),

("Johannes et Pribezlaus domini Magnopolenses"), dessen Original im großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrt wird und das Vormundschaftssiegel ein Mal trägt, weil es eine Güterverleihung in dem einen Hauptlandestheile betrifft.

1231. Oct. 29. Bestätigung der Privilegien des Klosters Doberan durch die beiden Brüderpaare


1) Gedruckt und beschrieben in Lisch Geschichte und Urkunden des Geschlechts Hahn I. B., Nr. IV, und gedruckt in Rudloff Urk. Lief. Nr. Va.
2) Gedruckt und beschrieben in Lisch Mekl. Urk., II, Nr. III.
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("Johannes et Pribizlaus de Magnopoli, Nicoles et Heinricus de Roztoc fratres et domini"), dessen Original im großherzoglichen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrt wird; leider sind die Siegel von dieser Urkunde abgefallen, aber nach den noch vorhandenen Siegelbändern ist die Urkunde überhaupt nur durch zwei Siegel bekräftigt gewesen.

Außer diesen Original=Urkunden giebt es noch mehrere Urkundenabschriften und Auszüge, welche mit der Fassung der Originalurkunden übereinstimmen und die Zeitabschnitte genauer begrenzen helfen können, z. B.

(1229.) Junii 20. Bestätigung des Dorfes Wargentin an das Kloster Arendsee durch die beiden mittleren Brüder,

("Nicolaus et Heinricus fratres et domini de Rozstoch"), nach einer gleichzeitigen beglaubigten Abschrift 1 ).

1230. April 29. Ueberlassung der Hälfte der Zehnten von den Ländern Warnow und Brenz an den Bischof von Schwerin

durch Johannes und Pribislav hern zu Mekelnburgk 2 ).

1230. Oct. 18. Privilegium des Bischofs Brunward für das Kloster Doberan

unter Anführung der beiden Brüderpaare als Zeugen ("Johannes de Magnopoli et Pribizlaus, Nicolaus et Hinricus de Rozstoch principes et fratres").

So viel ist daher gewiß, daß

bis gegen die Mitte des Jahres 1231 die Vormundschaft für die jüngeren Brüder bestanden

hat und in ihrer Wirksamkeit über das ganze Land sehr einflußreich gewesen ist; bis dahin reicht auch sicher

die erste Theilung des Landes vom J. 1229 in zwei Theile.

Es wird nun aber auch eine politisch noch heute wirksame zweite Tbeilung des Landes in die vier Länder Me=


1) Gedruckt und beschrieben in Lisch Gesch. u. Urk. des Geschlechts Hahn I. B., Nr. I und II. Die Urkunde, welche dort für eine Originalurkunde gehalten ist, ist ohne Zweifel eine von dem Kloster und dem Magistrat zu Salzwedel, welcher Mitvorsteher des Klosters war, nicht lange nach der Ausstellung angefertigte beglaubigte Abschrift (vergl. daselbst I, A, S. 100). Aus inneren Gründen kann das Jahr der Urkunde 1219 nicht richtig sein, da sie von den beiden mittleren Söhnen Heinrich Borwin's unter Zeugenschaft der bekannten Vormünder und zwar in der erst 1222 gestifteten Stadt Güstrow ausgestellt ist. Es ist daher ohne Bedenken 1229 (MCCXXIX, statt MCCXIX) zu lesen, obgleich dann auch die Indiction noch nicht richtig ist.
2) Nach einer Regeste, im Archive zu Schwerin, gedruckt in Lisch Mekl. Urk. III, S. 78.
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klenburg, Werle (oder Wenden), Rostock und Richenberg (oder Parchim) angenommen. Wann sie geschehen sei, ist bisher noch dunkel geblieben. Die doberaner Genealogie giebt kein Jahr an; Kirchberg datirt sie vom J. 1231, Chemnitz vom J. 1234, ohne daß diese ihre Quellen angeben. Es ist aber noch die Frage, ob überhaupt eine zweite Landestheilung vorgenommen ist. Es ist nicht einmal wahrscheinlich, daß in so kurzer Zeit ein so wichtiges Geschäft, wie eine Landestheilung, zwei Mal geschehen sei, und es läßt sich kein bestimmter Grund und keine urkundliche Thatsache dafür angeben.

Es ist vielmehr wahrscheinlich und wohl gewiß, daß es

nur Eine Landestheilung vom J. 1229 giebt,

ferner daß

bei dieser die einzelnen Landestheile abgegrenzt und bestimmt und einstweilen in zwei Hauptgruppen verwaltet wurden,

endlich daß seit dem J. 1231

die einzelnen fürstlichen Brüder sich zur eigenen Regierung der ihnen bestimmten Landestheile nach und nach von der gemeinschaftlichen Verwaltung abzweigten, so wie sie volljährig wurden,

ohne daß man deshalb neue Landestheilungen anzunehmen braucht.

Diese Abzweigung aus dem gemeinsamen Verbande wird sich aus dem selbstständigen Auftreten der einzelnen Fürsten, aus ihrer Titulatur und ihren Siegeln 1 ) erkennen lassen und es wird dadurch vielleicht möglich sein, annäherungsweise ihre Volljährigkeit und ihren selbstständigen Regierungsantritt in den ihnen zugefallenen Landestheilen zu bestimmen. Es wird daher am passendsten sein, die Curialien der vier Brüder einzeln zu beleuchten.

I. Der Fürst Johann tritt in dem J. 1229 als Herr von Meklenburg selbstständig für sich und im Namen seines Bruders auf, für den jedoch die Vormundschaft noch zwei Jahre ihren Einfluß, im Namen des jüngsten Bruders Pribislav, in gemeinschaftlicher Regierung geltend machte. Bald tritt jedoch Johann allein mit einem eigenen Siegel auf:


1) Die Erforschung dieser Verhältnisse und die Abbildung der Siegel ist deshalb von so großer Wichtigkeit, weil die ältesten Siegel, welche allein Kunde von inneren Verhältnissen geben, nur noch in Einem, höchstens in einigen Exemplaren vorhanden und dem Untergange nahe sind. Zugleich sind diese Siegel die einzigen Kunstdenkmäler jener Zeit außer den Bauwerken.
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mit einem großen runden Siegel mit einem vorwärts schauenden Stierkopfe, welcher zwei abwärts gerichtete, hauerartige Verzierungen am Maule hat 1 ),

Siegel

mit der Umschrift:

Umschrift

1) Diese feste Einführung und Ausbildung der Wappenzeichen für die verschiedenen Landestheile geschieht unter den ersten Fürsten nach der Landestheilung. Von dem Stammvater Pribislav existirt keine Urkunde und kein Siegel. Sein Neffe Nicolaus ("princeps Slavorum") zu Rostock führt ein Reitersiegel, das einzige Reitersiegel, das in der Heraldik der meklenburgischen Fürsten vorkommt. Pribislavs Sohn Borwin I. führt einen Greifen und dessen älterer Sohn Heinrich oder Borwin II. von Rostock, so wie die Vormundschaftsregierung seiner Söhne ebenfalls einen Greifen im Siegel, als allgemein wendisches Sinnbild. Borwins I. jüngerer Sohn Nicolaus von Meklenburg führt einen Stierkopf (jedoch ohne weitere Abzeichen, als mit einem einfachen Reifen um die Stirne), als obotritisches, vielleicht germanische Symbol. Der Greif blieb bei der Landestheilung Wappenzeichen des Hauses Rostock: Borwin III., Waldemar und Nicolaus führen alle einen Greifen von derselben Gestalt. Die anderen drei Brüder nahmen den Stierkopf. Pribislav I. von Richenberg setzte aber bald seine eigne thronende Gestalt ins Siegel; ihm ahmte darin sein Sohn Pribislav II. nach, der die Linie beschloß. Die beiden älteren Brüder Johann I. von Meklenburg und Nicolaus I. von Werle wählten den Stierkopf; Johann fügte hauerähnliche Verzierungen hinzu. Auch der Stierkopf auf des Fürsten Nicolaus Siegel hat, was bisher noch nicht bemerkt ist, dieselben Verzierungen, so lange er sich noch Herr von Rostock nennt. In seinem neuen (  ...  )
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Dieses Siegel erscheint zuerst an der Originalurkunde des Klosters Dobbertin über die Verleihung des Patronats der Kirche zu Goldberg, vom 9. Julii 1231 1 ), und bald darauf an einer neuklosterschen Original=Urkunde vom 11. Februar 1232 2 ), und an den zunächst folgenden Urkunden bis zum J. 1246 3 ). Noch am 29. April 1231 siegelte die Vormundschaft mit ihrem Siegel. Nach diesen Thatsachen, nach welchen der Fürst Johann etwa um Pfingsten des J. 1231 (etwa beim Ritterschlage an dem großen Feste?) selbstständig ward, scheinen die früheren Historiker das Jahr der zweiten Landestheilung in das J. 1231 gesetzt zu haben. Schon im Februar 1235 belehnte der Kaiser den Herrn Johann von Meklenburg mit Land und Leuten 4 ).

II. Der Fürst Nicolaus nannte sich seit der Landestheilung im J. 1229 Herr von Rostock. Von dieser Theilung bis zur selbstständigen Abtrennung der Herrschaft Meklenburg von dem ganzen Lande im J. 1231 tritt er nicht allein, sondern nur in Gemeinschaft mit einem oder mehreren seiner Brüder auf, siegelt auch nicht mit einem eigenen Siegel. Im J. 1232 scheint aber auch er volljährig geworden zu sein. Nach einer alten Regeste einer nicht mehr vorhandenen Urkunde des Bisthums Schwerin, d. d. Güstrow d. 27. März 1232, traten die Herren Nicolaus und Heinrich von Rostock noch gemeinschaftlich dem Bisthum ihre Rechte an das Land Bützow ab 5 ). Am 10. März 1233 trat er schon allein und selbstständig auf und war schon vermählt 6 ) und im J. 1235 erscheint von ihm an einer Urkunde des Klosters Sonnenkamp


(  ...  ) Siegel, welches er sich als Herr von Werle nach der Abzweigung von seinem Bruder Borwin stechen ließ, sind die Hauer fortgelassen. Das Wappenzeichen der Linie Werle blieb von nun an unverändert ein vorwärts schauender, gekrönter Stierkopf, ohne Halsfell, Nasenring und aufgerissenes Maul, etwa mit ausgeschlagener Zunge im Verlaufe der Zeit. Johann von Meklenburg ließ auf einem jüngern Siegel auch die Hauer weg und führte ebenfalls einen nackten Stierkopf, eben so sein Sohn Heinrich der Pilger in den ersten Zeiten seiner Regierung; am Ende seines Lebens führte dieser einen Stierkopf mit dem Halsfell. Sein Sohn Heinrich der Löwe führte ein ganz ähnliches Siegel mit einem Stierkopfe mit Halsfell und unter der Vormundschaft seines Sohnes Albrecht (1329-1336) ward der Stierkopf mit Halsfell u. s. w. so ausbildet (vergl. Jahrb. VII, Lithograpie), wie er bis auf den heutigen Tag geführt ist. Die ausgeschlagene Zunge ist an allen Stierköpfen mit dem Anfange des 14. Jahrh. allgemein geworden.
1) Gedruckt und beschrieben in Lisch Gesch. u. Urk. des Geschl. Hahn, I. B, Nr. V, und gedruckt in Rudloff Urk. Lief. Nr. VI.
2) Gedruckt und beschrieben in Lisch Mekl. Urk. II, Nr. V.
3) Dieses Siegel führt der Fürst Johann bis ins J. 1246. Bald darauf kommen auch andere Siegel von ihm vor.
4) Vergl. Rudloff Urk. Lief. Nr. VII.
5) Vergl. Lisch Mekl. Urk. III, Nr. XXV.
6) Vergl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, p. 446.
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das erste Siegel: ein schildförmiges Siegel mit einem vorwärts schauenden Stierkopfe, ebenfalls mit Hauern,

Siegel

mit der Umschrift: 1 )

Umschrift

Dieses Siegel allein ist entscheidend; denn er nennt sich zwar bis zur Selbstständigkeit seines Bruders Heinrich im J. 1236 vorherrschend und häufig noch Herr von Rostock (Nicolaus dominus de Rozstok), aber es kommen auch Fälle vor, daß er sich während dieser Zeit Herr von Werle (dominus de Werle), und nach dieser Zeit, als er Herr von Werle und Güstrow war, wieder Herr von Rostock nennt, ein Schwanken, welches auch in der Titulatur seines Vaters bemerkt wird. Grade in der erwähnten ersten Urkunde, welche er mit seinem Siegel als Herr von Rostock besiegelte, nennt er sich: dominus de Werle, und als sicher sein Bruder Heinrich schon als Herr von Rostock siegelte, in den Jahren 1240 und 1241, nennt er sich noch: dominus de Rozstok 2 ). Er stellte in diesem Zeiträume mehrere Urkunden


1) Vergl. Lisch Mekl. Urk. II, Nr. VIII.
2) Vgl. die mirowschen Urkunden Nr. II und III in Jahrb. II, S. 216 flgd.
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in seinem Namen aus, zu denen sein Bruder Heinrich oder auch einige seiner Brüder nur ihre Einwilligung gaben oder als Zeugen hinzutraten.

Nachdem Nicolaus sich mit seinem Bruder Heinrich auseinander gesetzt hatte, nannte er sich vorherrschend Herr von Werle oder Güstrow (dominus de Werle, dominus de Guzstrowe) und siegelte mit einem neuen Siegel, dem frühern fast ganz gleich,

Siegel

jedoch mit der Umschrift 1 ):

Umschrift

Das Siegel als Herr von Rostock führte er noch im Juli 1238 2 ) das Siegel als Herr von Werle im August 1240 3 ).

III. Der Fürst Heinrich oder Borwin war in den ersten Jahren nach der ersten Landestheilung seinem nächst ältesten Bruder Nicolaus anvertraut und trat bis zum Antritt


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, Nr. XXI, XXVI, XLIV und XLV, und Zusätze und Verbesserungen.
2) Vgl. daselbst Nr. XXI.
3) Vgl. daselbst Nr. XXVI. Merkwürdig ist, daß das Original der in Besser's Beitr. zur Gesch. der Vorderstadt Güstrow S. 122 gedruckten Urkunde vom J. 1248 noch mit dem ersten Siegel mit der Umschrift: Sigillum domini Nicolai de Rozthok, besiegelt ist. Vgl. unten Urk.=Sammlung.
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einer Regierung nur in Gemeinschaft mit demselben oder mit allen seinen Brüdern auf. Mit seiner Confirmation ("mutato fortassis proprio nomine in confirmacione"-nach der doberaner Genealogie) nahm er den Namen Borwin an, und hiemit ist ein Hülfsmittel mehr zur Erkennung seines Regierungsantrittes gegeben. Im J. 1235 bei Ausstellung des Privilegiums der Stadt Plau tritt er, in Gemeinschaft aller seiner Brüder, dominorum de Werle, noch mit dem Namen Heinrich auf (vgl. Westph. Mon. ined. IV, p. 928). Er erhielt in der Theilung die Herrschaft Rostock und nannte sich seitdem: Borwinus dominus de Rozstok. Schon am Anfange des J. 1236 1 ) erscheint er unter diesem Namen und Titel, wenn sich auch sein Bruder Nicolaus noch fernerhin Herr von Rostock nennt; am 15. Februar 1237 besiegelte er schon selbstständig auftretend eine (unten in der Abhandlung über die Fürstin Sophie von Rostock mitgetheilte) doberaner Urkunde mit seinem großen, runden Siegel, welches er fortan beständig führte: mit einem rechts hin schreitenden Greifen

Siegel

und der Umschrift:

Umschrift

1) Dies ist eine bisher unbekannte, unten in der Urk.=Sammlung mitgetheilte Urkunde des Klosters Rehna v. 12. Mai 1236 von "Johannes Magnopolensis (  ...  )
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Zeugen dieser Urkunde sind: "domini Johannes Magnopolensis et Nicolaus de Werle". Zu derselben Zeit war er schon sicher mit seiner Gemahlin Sophia, welche am 24. April 1241 nicht mehr lebte, vermählt, wie unten 1 ) klar dargethan werden wird. Mit dem J. 1240 ist die Selbstständigkeit seiner Regierung völlig geordnet und außer allem Zweifel 2 ). - Es scheint hiernach, daß er, nach der Tradition, ungefähr im J. 1234 oder 1235 mündig geworden sei und seine Regierung in dieser Zeit angetreten habe, da einige ältere Geschichtschreiber die zweite Landestheilung in das Jahr 1234 setzen; dies würde aber vielmehr eine dritte Theilung, nämlich die Auseinandersetzung der Fürsten Nicolaus und Heinrich (oder Borwin) sein.

IV. Der Fürst Pribislav, der jüngste der vier Brüder, welcher zuerst dem ältesten seiner Brüder, dem Fürsten Johann, anvertraut war, kommt in den Urkunden am wenigsten vor. Nachdem die Vormundschaft nach den Landestheilungen und Verwaltungen aufgehört hatte, erscheinen zwar die drei Brüder Johann, Nicolaus und Borwin öfter bei einander, z. B. im J. 1236 bei der Stiftung des Klosters Rehna und im J. 1237 bei einer Verleihung an das Kloster Doberan; aber der Fürst Pribislav scheint von seinen Brüdern immer entfernt gehalten zu sein. In der Theilung erhielt er die Herrschaft Parchim oder die mittlern Länder des südlichen Theiles des Landes, namentlich das Land Warnow bis an den Bogen der obern Warnow, zu welchem noch Sternberg gehörte, und nannte sich deshalb seit seiner Volljährigkeit Herr von Parchim (dominus de Parchim). Urkundlich erscheint er als solcher, als er im J. 1238 zu Parchim die Privilegien dieser Stadt confirmirte 3 ), in demselben Jahre, als auch die Fürsten Johann und Nicolaus dem Kloster Dargun Verleihungen erteilten 4 ), und im J. 1240, als er der Stadt Parchim die Gerichtsbarkeit über das Dorf Bicher schenkte 5 ). An


(  ...  ) dominus", in welcher als Zeugen auftreten: "dominus Nicolaus de Werle, Boruwinus de Roztoc". In der bischöflichen (Confirmation des Klosters Rehna vom 26. Dec. 1237 (vgl. Lisch Gesch. des Geschl. Hahn I. B, S. 23) werden, als einziges Beispiel, die vier Brüder noch: "nobiles domini de Slavia, domini Johannes, Nicolaus, Heinricus, Pribizlaus fratres" genannt. Die Canzlei des Bischofs Ludolph von Ratzeburg war mit den neuen Verhältnissen des Landes Meklenburg wohl noch nicht ganz vertraut. - Auch in dem Vertrage des Bischofs Brunward mit dem Fürsten von Rostock über die pommerschen Zehnten vom 5. Februar 1236 (in Lisch Mekl. Urk. III, S. 81) wird er schon "dominus Borewinus de "Rozstok" genannt.
1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, Nr. XXX.
2) Vgl. daselbst Nr. XXVII.
3) Gedruckt in Cleemann's Chronik von Parchim, S. 101.
4) Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, Nr. XX und XXI.
5) Vgl. Cleemann's Parch. Chron., S. 221.
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der Verleihungsurkunde, welche das Kloster Dargun im J. 1241 von ihm erhielt, hängt sein erstes, von ihm bekanntes Siegel, welches ohne Zweifel einen Stierkopf mit einem Ringe zwischen den Hörnern als Wappenzeichen führte 1 ).

Siegel

Später, sicher seit dem J. 1249, nannte er sich nach der von ihm an der Warnow bei Kleefeld und Kritzow erbaueten Burg Richenberg: Herr von Richenberg, und seit dieser Zeit führte er auch ein neues Siegel, ein Majestätssiegel, mit seiner eigenen thronenden Person im Bilde 2 ).

Siegel

1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. I, Nr. XXVIII.
2) Ueber die Siegel der Pribislave von Richenberg vgl. die folgende besondere Abhandlung Nr. II.
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Wann er zur Volljährigkeit und Regierung gelangt sei, läßt sich schwer bestimmen. Möglich, ja wahrscheinlich ist es, daß er bei der letzten Landestheilung oder vielmehr bei der Thronbesteigung des Fürsten Heinrich oder Borwin von Rostock sein Erbtheil angewiesen erhielt; denn es existirt im großherzoglichen Archive zu Schwerin in Abschrift eine von dem Fürsten Heinrich von Meklenburg im J. 1256 transsumirte, bisher unbekannte Urkunde über die Kirchen= und Pfarrgüter von Raden vom 25. Jun. 1234, in welcher er sich schon Herr von Richenberg (Pribislaus dei gratia dominus in Richenberch) nennt, wenn es anders mit dem Datum ("Acta sunt hec in Sterneberg anno domini millesimo ducentesimo tricesimo quarto, in crastino Johannis baptiste") seine Richtigkeit hat, wogegen jedoch mit Grund nichts vorgebracht werden kann.


Aus dem Vorgetragenen ergiebt sich nun im Allgemeinen, daß

die vier Söhne des Fürsten Heinrich Borwin II: Johann, Nicolaus, Heinrich oder Borwin und Pribislav, bei dem Tode ihres Vaters, 1226, und Großvaters, 1227, minderjährig waren,

daß

während der Minderjährigkeit das Land von einer Vormundschaft von Prälaten und Edlen des Landes verwaltet,

daß

im Anfange des J. 1229 das ganze Land in die vier Herrschaften Meklenburg, Werle, Rostock und Parchim=Richenberg für die vier Brüder getheilt ward,

daß

der Fürst Johann von Meklenburg im J. 1231,
der Fürst Nicolaus von Werle im J. 1232,
der Fürst Borwin von Rostock im J. 1234,
der Fürst Pribislav von Richenberg nach dem J. 1234
die Regierung selbstständig antraten.

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