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VII.

Ueber

den Ursprung und den Umfang der

Lieferung der Pachtgerste

aus Russow,

von

G. W. Dittmer , b. R. Dr.
zu Lübeck.


D ie im Großherzogthume Meklenburg=Schwerin belegenen Güter (villae) Rakow, Russow und Altbukow sind zusammen im Jahre 1308 dem Heil. Geist=Hospitale zu Lübeck vom Fürsten Heinrich von Meklenburg für 1360 Mk. Lüb. Pf. verkauft, und ist dabei - außer den auch bei anderen Verkäufen liegender Gründe im Meklenburgischen vorkommenden Reservaten der Besteuerung (der Beden) und des Ertrages von zwei Dritttheilen des höchsten Gerichts - nur der Rückkauf vorbehalten worden. Jene Reservate gingen demnächst, wie aus einer Urkunde des Fürsten Albrecht von Meklenburg vom Jahre 1340 erhellet, auf die Familien von Preen, von Plessen und von Stralendorf über, wurden aber in dem letztgedachten Jahre gleichfalls, gegen eine Zahlung von 300 Mk. Lüb. Pf. und mit Consens des Fürsten Albrecht, dem Heil. Geist=Hospitale abgetreten.

Auf diese Weise, und da auch von dem vorbehaltenen Rückkaufe kein Gebrauch gemacht ward, hatte denn das Hospital ein in aller Hinsicht unbeschränktes Eigenthum an jenen drei Dörfern erworben. Es bezog aber daraus nur eine ähnliche Nutzung, wie aus seinen andern entfernt liegenden Dorfschaften, nämlich, mit Uebergehung einer kleinen Geldabgabe, lediglich das allenthalben eingeführte Pachtkorn (Korn vor de Hure), welches die Eingesessenen unter sich zusammen bringen und auf ihre Kosten nach Altbukow schaffen mußten, wo der Hospital

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beamte dasselbe entgegennahm und dessen Absendung nach Lübeck besorgte, in welcher Beziehung die fürstlichen Urkunden dem Hospitale die freie Kornausfuhr zugesichert hatten.

Nach Inhalt eines im Hospital=Archive aufbewahrten Hebungsregisters, welches freilich ohne Jahreszahl ist, aber, der Schrift nach, dem 14. oder doch dem Anfange des 15. Jahrhunderts angehören dürfte, war das Pachtkorn über die Russower Eingesessenen also vertheilt. Es hatte zu liefern:

Marquard, von 3 Hufen:
3 Drömt 3 3/4 Scheffel Roggen,
- - 15 3/4 - Gerste,
2 - 5 1/4 - Hafer;
Conrad, von 2 Hufen:
14 Scheffel Hartkorn,
2 - Hafer;
Hinrich Nygebur Wittwe, von einer Dreiviertelhufe:
11 1/4 Scheffel Roggen,
5 1/4 - Gerste,
9 3/4 - Hafer;

Welcher Maaßstab hiebei zum Grunde lag, darüber finden sich keine weitere Aufschlüsse vor, und eben so wenig darüber, wie der Gesammt=Ertrag des Pachtkorns aus Russow, welches in eben demselben Hebungsregister auf jährlich 4 Last 19 Scheffel angegeben wird, sich so hoch belaufen konnte, weshalb denn jene specielle Repartition mit dieser Summe nicht gut in Einklang zu bringen ist.

Ein späteres Hebungsregister, welches die Jahre 1571 - 1580 umfaßt, stellt indessen ziemlich übereinstimmend damit, obgleich ohne alle Specification, den Gesammtertrag des Pachtkorns auf 14 Drömt Gerste und 15 Drömt Hafer, also 3 Last 60 Scheffel, wobei die Differenz zu der Totalsumme in dem älteren Hebungsregister sich vielleicht aus Veränderungen, welche mittlerweile an den Landstellen eingetreten sein werden, erklären ließe.

Dennoch muß es für sehr zweifelhaft gehalten werden, ob das Hospital sich dieser Nutzung je in ihrem vollen Umfange erfreut habe, wenigstens in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wo die Stiftung gerade mit so manchen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte.

Schon um das Jahr 1566 nämlich ließ Herzog Johann Albrecht von Meklenburg die sämmtlichen Hospitalgüter, Altbukow, Rakow, Russow, Wendelstorf, so wie die Pölschen Dörfer Seedorf, Weitendorf, Wangern und Brandenhusen occupiren, unter dem Vorwande, daß die Stadt Lübeck den Land=

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frieden gebrochen, den herzoglichen Hafen "die Gollnitz" mit Kriegsschiffen und Kriegsvolk besetzt, dort ein bremisches Schiff gewaltsam überfallen und dessen Güter abgeführt habe. Gleichzeitig ließ er nicht nur eine ansehnliche Zahl lübeckischer Handelsleute, welche mit ihren Waaren und Bedienten den rostocker Pfingstmarkt besuchten, festnehmen und deren Effecten confisciren, sondern auch den Eingesessenen der Hospitalsdörfer den Befehl zugehen, die bisher an das Hospital entrichteten Gefälle hinfort an das herzogliche Amt Neubukow abzuliefern. Auf hiergegen von den Vorstehern des Heil. Geist=Hospitals bei dem Herzoge gemachte Remonstration entgegnete dieser, daß die genannten Dorfschaften weder der Stadt Lübeck, noch dem Heil. Geist=Hospitale zuständig seien, sondern vielmehr ihm, dem Herzoge, und daß dem Hospitale, mit Ausnahme "etlicher weniger Pächte", keine Gerechtigkeit daran gebühre, eben diese Kornpacht aber eingezogen worden sei, um auch dadurch die Lübecker zur Entschädigung wegen des Landfriedensbruches zu zwingen, und sei er wohl berechtiget, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.

Es gelang indessen, unterm 31. Julius 1566 beim Reichskammergerichte zu Speier ein mandatum restitutorium zu erwirken, in dessen Befolgung Herzog Johann Albrecht am 28. Mai 1567 seinen Amtshauptmann von Preen zu Neubukow dahin instruirte, das Hospital fördersamst in die demelben entzogenen Güter und Einkünfte plenarie einzuweisen und demselben die einbehaltenen Hebungen zu restituiren. Diese letzteren wurden später liquidirt: an Gelde auf 126 Mk. 9 1/2 ßl., und an Korn auf 10 Last 1 Drömt 4 Scheffel Gerste und 21 Drömt 1 Scheffel Hafer.

Kaum waren indessen zehn Jahre verflossen, so gab die Behauptung, daß das Hospital verbunden sei, für seine Güter und Einkünfte im Meklenburgischen eine Beisteuer zur Abtragung der Landesschuld zu leisten, einen neuen Vorwand, um dem Hospitale, welches solche Beisteuer ablehnte, die Natural= und Geldgefälle aus den Dörfern vorzuenthalten. Da überdies die Eingesessenen der Hospitaldörfer zu mancherlei Hofdiensten angehalten worden waren, welche der damalige Herzog Ulrich als herkömmlich ansprach, so gedieh wegen dieser, so wie auch wegen einiger connexer Beschwerden, z. B. der eigenmächtigen Ernennung der Dorfschulzen in den Hospitaldörfern durch den Herzog, die Sache im Jahre 1578 abermals an das Reichskammergericht.

Von meklenburgischer Seite ward hier hervorgehoben, daß der Herzog nichts weiter angeordnet habe, als wozu derselbe vermöge des ihm zuständigen Eigenthums an besagten Gütern,

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in welchem das Hospital "lediglich etliche Pächte, hingegen keine possessio vel quasi" anzusprechen habe, befugt sei; die früher dem Hospitale ertheilten reichsgerichtlichen Mandate ständen auch dabei nicht entgegen, indem ihnen vom Herzoge vollständig parirt und darin überhaupt nichts weiter verfügt sei, als die Relaxation der sequestrirten Güter, so wie die Rückgabe der eingezogenen Hebungen.

Hierauf erkannte das Reichskammergericht, freilich erst am 29. April 1583, daß der herzoglich meklenburgische Anwalt die Pfandungs=Ursache binnen 4 Monaten, sub poena praeclusi, anzugeben schuldig sei. Indessen ward das weitere Verfahren durch einen per commissarios unterm 7. October 1583 abgeschlossenen Vergleich erledigt, in Folge dessen Herzog Ulrich auf die mehrgedachten Dörfer und die darin angesprochenen Gerechtsame unbedingt verzichtete und dieselben dem Hospitale neuerdings mit allen Rechten und Gerechtigkeiten übertrug. Der Punct wegen Entschädigung des Hospitals für die von Seiten der Eingesessenen dem Herzoge Ulrich während der Dauer des Streites geleisteten Hofdienste blieb einer Separatvereinbarung vorbehalten. Diese kam demnächst dahin zu Stande, daß der Herzog eine Aversionalsumme von 1000 Gulden zahlte und überdies 12 Last Korn zurücklieferte.

Endlich gedenken die Acten noch einer dritten Sequestration der Einkünfte des Hospitals aus den meklenburgischen Dorfschaften, welche dadurch veranlaßt ward, daß meklenburgischerseits im Jahre 1585 ein Anspruch auf Holzfuhren, Ablagergeld und Beitrag zur Landsteuer begehrt ward, gegen welchen Anspruch wiederum beschwerende Anzeige an das Reichskammergericht gelangte. Die Unterhandlungen hierüber erstrecken sich bis in den Ausgang des 16.Jahrhunderts, ohne daß eine endliche Entscheidung erfolgt wäre, was wohl in dem Umstande seinen Grund gehabt hat, daß nunmehr der große welthistorische Kampf begann, welcher in seiner 30jährigen Dauer unsägliches Elend über Deutschland verbreitete und sich erst im Jahre 1648 mit dem westphälischen Frieden endigte.

So siegreich übrigens auch bisher das Hospital in den Differenzen mit den Herzogen zu Meklenburg sein Eigenthum an den erwähnten Dorfschaften bewahrt hatte, so ist doch nicht zu verkennen, daß jenes auf die Erhebung des sogenannten Pachtkorns beschränkt worden ist und das Eigenthum an Grund und Boden von Rakow und Russow factisch verloren hat. Schon im Anfange des 16. Jahrhunderts befand sich die Familie von Oertzen auf Roggow im Besitze des Dorfes Russow, und bezog das Hospital durch Vermittelung des Eigenthümers

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von Roggow das Pachtkorn aus Russow, in dem Jaspar von Oertzen um das Jahr 1511 es übernommen hatte, dahin angewandt zu sein: "dat jehrlichs demsulvigen Gadeshuse wes uth dem Dorpe eigenet, na desser Tydt moge werden". Gleichwohl ist nicht anzunehmen, daß das Hospital schon damals von seinem gutsherrlichen Eigenthume zu Gunsten des Jaspar von Oertzen habe zurücktreten wollen, da es eben dieses Eigenthum gegen die meklenburgischen Herzoge noch bis gegen das Ende des 16. Jahrhunderts aufrecht zu erhalten bemüht war; weshalb denn die Begründung und Befestigung des gegenwärtigen Zustandes, dessen Beginn in den Anfang des 30jährigen Krieges fällt, mehr den Folgen desselben und dem passiven Verhalten des Hospitals beigemessen werden muß.

In diesem Kriege ward bekanntlich auch Meklenburg arg heimgesucht, das Dorf Russow aber fast verwüstet und von den Bewohnern verlassen. Während eines Zeitraums von mehr als 10 Jahren mußte das Hospital des Pachtkorns aus Russow ganz entbehren, weil dort fast nichts gebaut ward. Erst im Jahre 1645 gelang es, von Jaspar von Oertzen auf Roggow die Zusicherung zu erwirken, statt des Rückstandes "zwei Jahrespächte" zu entrichten. Aus seinem Handschreiben geht ferner hervor, daß damals in Russow fünf Baustellen bewohnt, bei vier anderen hingegen die Bewohner noch nicht zurückgekehrt und drei bereits zu einer Meierei niedergelegt waren, und daß das gewöhnliche Pachtkorn von allen Baustellen, sobald dieselben wieder besetzt sein würden, entrichtet werden sollte.

Unter solchen Umständen erklärt sich eine Abnahme des Ertrages an Pachtkorn hinlänglich. Das Hospital war schon froh, wenn nur theilweise geliefert ward, und begnügte sich wegen des Rückstandes mit bloßen Mahnschreiben. Wiewohl es nun später, wo der Friedenszustand wieder hergestellt worden war und die Landstellen wieder ihre Anbauer gefunden hatten, zu verhältnißmäßig erhöhten Kornabgaben hätte zurückkehren dürfen, so ist dies doch nicht geschehen, vielmehr die Quantität, welche sich durch den Einfluß der Kriegsereignisse bildete, zur festen Norm für alle Zukunft geworden.

In einem Verzeichnisse des rückständigen Pachtkorns aus den meklenburgischen Hospitaldörfern, welches den Zeitraum von 1628 - 1637 umfaßt, wird angeführt, daß das Hospital aus Russow jährlich zu erheben habe: 14 Scheffel Gerste und 30 Scheffel (2 Drömt 6 Sch.) Hafer, und daß es gestattet gewesen sei, für 3 Scheffel Hafer 1 Scheffel Gerste zu liefern, woraus sich denn eine Gesammtquantität von 24 Scheffeln Gerste (die jetzige Prästation) herausstellt. Eben dieselbe ergiebt sich,

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wenn man mit dem damaligen Hospitalvogte - auf den Grund der Aussage sowohl des Jaspar von Oertzen, als auch einiger von dessen Hausleuten - das von Russow zu liefernde Pachtkorn zu 1 Drömt Gerste und 3 Drömt Hafer annimmt, weil die 3 Drömt Hafer nach der obigen Reduction 1 Drömt Gerste geben, folglich wieder 2 Drömt oder 24 Scheffel Gerste herauskommen.

In neuerer Zeit hat die Quantität zu keiner besondern Beschwerde Anlaß gegeben, sondern nur die Qualität der gelieferten Gerste eine Beschwerde, welcher gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch Verwandlung der Naturalabgabe in eine Geldleistung begegnet worden ist. Es gilt dabei derjenige Marktpreis der Gerste, welcher in Wismar, zur Zeit der Lieferung des Pachtkorns, durchgängig bezahlt wird.