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VII.

Ueber

das mittelalterliche Vogelschießen

namentlich in Wismar,

vom

Professor Dr. Crain zu Wismar.


W ie überhaupt Volksfeste, und zwar je älter sie sind, um so mehr im religiösen Leben der Völker wurzeln, so entsprang wahrscheinlich auch das Vogelschießen aus einem religiösen Gebrauche. In Vebindung ist es von den Geschichtsforschern bereits mit dem Pfingstfeste gesetzt worden, so wie der Vogel mit der Pfingsttaube (vgl, Augusti Denkwürdigkeiten d. christl. Archäologie Bd. 12, S. 351); auch ist dabei von ihnen der Pfingstmaien und Pfingsttänze gedacht, womit das Vogelschießen gleichfalls im Zusammenhange gestanden. Zu wenig ist jedoch gerade der letzte Umstand beachtet worden, weil man sonst leicht würde gefunden haben, daß das Vogelschießen nicht aus einem christlichen, sondern wie die Pfingstmaien und Pfingsttänze selbst aus einem altgermanischen religiösen Brauch hervorgegangen ist, oder vielleicht selbst schon vor der christlichen Zeit existirt hat, so viel es sich auch im Verlaufe der Jahrhunderte abänderte und den Ideen anbequemte, die der Fortschritt des Lebens überhaupt, und so auch die Einführung des Christenthums endlich mit sich brachte, denn wie früher Juden, Römer und Griechen bei ihrer Bekehrung manches Aeltere beizubehalten, mit Christlichem zu vereinen, oder in Christliches umzudeuten suchten, so auch die altgermanischen und slavischen Völker.

Um nun unsere Behauptung vom Ursprunge unsers Vogelschießens zu begründen und seinen Zusammenhang mit einem religiösen Feste der vorchristlichen Zeit Deutschlands, dem Frühlingsfeste, darzuthun, dürfen wir nur zunächst hören, was uns von dem Verlaufe der Feier desselben, wie diese noch im 14. Jahrhundert in Wismar bestand, erzahlt wird. "Es haben dermalen," heißt es in Schröders Kurtzer Beschreibung

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der Stadt und Herrschaft Wismar S. 134 flgd. "und zwar in der Pfingstwoche gemeiniglich alle Jahr die von der Papageien=Gesellschaft vor dem lübschen Thore dahin die Träger allemal die Vogelstange führen müssen, den Vogel abgeschossen. Wenn dieses geschehen sollen, haben die Gesellschaftere, neben dem ganzen Rath im Compagnie=Hause sich eingestellet und sich in folgender Ordnung nach dem Schießort begeben: 1) haben 2 Bürgermeister=Diener einen aufs beste geschmückten Knaben auf einem Pferde geführet; 2) haben die Herren Bürgermeister den König begleitet, hierauf ist 3) der ganze Rath gegangen, nach diesem zwene Schaffere, die den also genannten Maygraffen mitten inne gehabt, und hierauf haben 4) die gesamten Glieder der Gesellschaft den Schluß gemacht." - Ferner: "wenn man mit dem Schießen fertig gewesen, hat sich die ganze Gesellschaft nebst ihren Frauen in dem Compagnie Hause wieder eingefunden, und sind von dannen, erstlich die Männer (da die Bürgermeister abermahlen den neuen König geführet), hernach die Frauen, je einige Gesellen und Jungfern, nach dem Thiergarten vor dem Altwismarschen Thore gegangen. Alda haben zwei Jungfern dem neuen König den silbernen Becher präsentiret. Hierauf hat einer getanzet, da denn der neue König, nebst dem alten, samt 3 Bürgern und 4 Gesellen, nebst so vielen Frauen und Jungfrauen, den ersten Tanz gethan. Den andern Tanz hat der May=Graf mit seinen Zugeordenten gehalten". - Weiter: "des Tages nach dem Schießen hat der neue König seine Krde (oder Gasterei) geben müssen, welches 1379 nichts mehr gewesen, als eine Tonne Bier oder Mumme, und Kuchen mit Engefer" (Ingwer oder überhaupt Gewürz), - Endlich: "An dem Tage, wann der neue König tractiret, hat man einen neuen May=Grafen (wer der eigentlich gewesen, oder was er gethan, ist jetzund unbekannt) aufs folgende Jahr solenniter erwählet, der nach dem König allenthalben der vornehmste im Spiel gewesen.

So weit Schröder, welcher, wie wir sehen, über die Bedeutung des mehrerwähnten "May=Grafen" im Dunkeln ist. Nun wissen wir aber jetzt, besonders durch J. Grimms Forschungen belehrt (vgl, Deutsche Mythol. Göttingcn, 1835, S. 435 ff.), daß die altgermanischen Völker die Jahreszeiten nicht nur personifizirten, sondern die Erscheinung derselben, namentlich des Frühlings oder Sommers, überaus festlich begingen. Die ersten Blumen des Frühlings, die zurückkehrenden Zugvögel, der Storch, die Schwalbe, der Kukuk wurden als Herolde der schönen Jahreszeit feierlich begrüßt, und ihnen mit Gesang und Tanz gehuldiget. Festaufzüge wurden gehalten; Winter und Sommer traten

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dabei vermummt auf und kämpften so lange gegeneinander, bis der Sommer siegte. Strohpuppen, welche unter dem Namen des Todes symbolisch den Winter vorstellen sollten, wurden aus Städten und Dörfern hinausgetragen und hier verbrannt, dort ins Wasser geworfen und dergl. mehr. Dieses Fest des über den Winter siegenden Sommers ward bei den alten Deutschen am Rhein und in den südlicheren Gegenden insgemein im März, in der christlichen Zeit am Sonntag Lätare gefeiert. Auch die slavischen Völker trieben um dieselbe Zeit den Tod aus, wenn auch die Bedeutung, wie Grimm nachweist, eine verschiedene war; ein Zeitwechsel war aber jedensalls auch bei ihnen die Idee des Festes, da sie in dem genannten Monat ihr neues Jahr begannen, wenn vielleicht auch nicht eben von einer eigentlichen Frühlingsfeier die Rede sein kann, da in den meisten von ihnen bewohnten Ländern im März die Jahreszeit noch nicht so weit vorgerückt war, wie am Rhein und sonst im südlichen Deutschland. Mehr Uebereinkunft slavischer und deutscher Sitte aber findet Grimm in dem, in England, Scandinavien und Norddeutschland vorkommenden sogenannten Mairitt. Dieses Fest hatte mit der im südlichen Deutschland üblichen Feier des Kampfes zwischen Sommer und Winter die größte Aehnlichkeit, und bestand nach der, in dem genannten Grimmschen Werke (S. 448) aus Olaus Magnus (Hist. Gent. Septtr. 15, 4) angeführten Nachricht bei den Schweden und Gothen darin, "daß in den stätten die oberkeit den ersten tag meiens zwei geschwader reuter von starken jungen gesellen und männern versammeln läßt, nicht anders als wolt man zu einer gewaltigen Schlacht ziehen. Das ein geschwader hat einen rittmeister welcher unter dem namen des Winters mit viel pelzen und gefütterten kleidern angethan und mit einem winterspieß bewapnet ist: der reitet hoffertig hin und wieder, wirft schneeballen und eisschemeI von sich, als wolte er die kelte erlängern, macht sich ganz unnütz. Hergegen hat das ander geschwader auch einen rittmeister, den heißt man den Blumengrafen, der ist von grünem gezweig, laub und blumen bekleidet, auch mit andern sommerkleidern angethan und nicht fast werhaft, reitet mit sampt dem winterhauptmann in die stadt ein, doch ein jeder an seinem besondern ort und ordnung, halten alsdann ein offentlich stechen und turnier, in dem der Sommer den Winter überwindt und zu boden rennt. Der Winter und sein gefolge werfen um sich mit asche und funken, das sommerliche gesinde wehrt sich mit birkenmeien und ausgeschlagenen lindenruten; endlich wird dem Sommer von dem umstehenden volk der sieg zugesprochen". "Dieses Maireiten", fährt Grimm weiterhin

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fort, "war nun auch in Niedersachsen althergebracht, und Nachrichten über das Stattfinden der Maifeier finden sich unter andern Orten, z. B. von Cöln, von Greifswald, von Stralsund, von Hildesheim; sichere Spuren einer Frühlingsfeier, um der fabelhaften Walburgisnacht nicht zu gedenken, zeigen sich auch noch heut zu Tage außer an vielen Orten Deutschlands 1 ) in Polen, Rußland, England und Scandinavien. In Schweden ist namentlich der erste Mai ein allgemeines großes Volksfest." Solcher Spuren finden wir denn auch in Wismar. Noch heut zu Tage wird zu Rogate, an welchem Sonntage die sogenannte große Rathspredigt gehalten wird, und mit welcher Zeit oder zu Himmelfahrt früher auch ein eigentlicher Rathswechsel stattfand, und somit gleichsam ein neues Jahr städtischer Verwaltung begann, indem eine Anzahl Mitglieder aus, und eine andere wieder in den Rath trat, die Marienkirche mit frischgemähetem Gras und Blumen bestreut; früher wurden zum Pfingstfeste laut alter Rechnungen auf Kosten des kirchlichen Fonds ganze Wagen voll Maienzweige angefahren und Kirchen und Thüren damit geschmückt; in gleichem Schmucke prangte das Rathhaus, jeder Einwohner zierte Thür und Hausflur damit aus; die Schulknaben mußten gesetzlich den Lehrern einen Maistrauß bringen, der sich vielleicht nachher in die für sie empfindliche Birkenrute verwandelte, so wie die Lehrer auch aus den Kirchen, denen sie als Vorsteher des Chors zugewiesen waren, eine kleine Gratisfication unter der unter der Benennung Maigeld erhielten,

Nachzuweisen, wie der Brauch früherer Volkssitte kirchlich geworden, würde hier zu weit führen; wir erinnern nur an die allgemein erweisliche Thatsache, daß im Mittelalter das kirchliche Leben überhaupt im Volksleben sich abspiegelte, so wie dieses


1) In dem pommerschen Visitations=Receß, d. d. Wolgast 15. Febr. 1563 heißt es:

"Die Maigräfenfahrt in der Schole soll hinfort dergestalt gehalten werden. Der Schulmeister und seine Kollegen sollen im Maimonat auf einen gelegenen tag ferlich die Knaben,hinausfuren, nach alter gewonheit, ünd lassen einen idern neben,seinem essen ein flesschlein Bier mitnemen. Wollen die Schulgesellen, prediger oder andern, so inen durchs Jhar in Kirchen singen, helffen, mit hinaus bitten, das sol inen frei sein. Den mugen sie iegen abent einen Knaben zum Maigrafen erwelen, mit krenzen zciren, vnd mit erligen gesangen in die Stadt vmb den Markt vnd zu haus furen; den mugen die Eltern des Maigrafen dem Scholemeister, seinen gesellen vnd, wo sie wollten, den prediger vnd andere, so in den kirchen singen vnd figuriren helffen, ein Malzeit geben, oder folgenden tags laden, idoch daß nicht mehr als auf einen tisch angerichtet; Wo aber hirvber mißbrauch oder Steigerung wieder einreißen wollte, so soll die Maigrafschaft hirmit ganz abgeschaffet sein.

Vgl. (v. Medem) Geschichte der Einführung der evangel. Lehre im Herzogthum Pommern. Greifswald, 1837, S. 274.
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wiederum in jenem, und gehen nun dazu über darzuthun, daß unser Vogelschießen und das altgermanische Maifest und Frühlingsfeier mit einander verwandt waren.

Zuerst wird in den angeführten Nachrichten vom hiesigen Vogelschießen ein Maigraf ausdrücklich erwähnt, und erscheint "nach dem König allenthalben als die vornehmste Person im Spiel". Im Thiergarten, der wahrscheinlich mit dem sonst auch vorkommenden Rosengarten eins ist, also an einem vom jungen Frühling begrünten, mithin nicht ohne Sinn und Bedeutung gewählten Platze, führte er die eine Parthei der Tänzer an, so wie er auch beim Auszuge nach dem Schießplatz im Gegensatze zu dem den Vorderzug anführenden Knaben zu Pferde zu stehen scheint. Dieser Knabe war sicherlich auch symbolisch, und wäre nur zu wünschen, daß sein Kostüm, sein Amt oder Verrichtung beim Feste und dergl. näher angegeben wären, um mit größerer Sicherheit aus seine Bedeutung schließen zu können. Vermuthen dürfen wir nach dem oben angeführten wohl, daß er den fliehenden oder seine letzte Kraft gegen den siegreichen Frühling aufbietenden Winter repräsentirte.

Das Schießen selbst möchte wohl für mehr als bloße Waffenübung anzusehen sein, wenn auch dieser Zweck sich leicht damit verbinden ließ und später der alleinige blieb, als bei der Entwickelung des Städtelebens Vertheidigung gegen äußere Anfälle ein Hauptaugenmerk bürgerlicher Erziehung werden mußte. Früher war vielmehr der aufgestellte Vogel das feindliche Princip, das Symbol der abscheidenden Winterzeit, welches von dem freundlichern Princip, dem neu anbrechendem Sommer, verfolgt und besiegt wurde. Es war in der Bedeutung eins, die Winterpuppe zu verbrennen oder ins Wasser zu werfen, oder den als Winter vermummten von dem Sommer niederrennen zu lassen, oder aus ein Jagdsymbol, einen Vogel alle Pfeile der Vernichtung zu richten. Kurz, der unter einem, gleichviel welchem Symbol dargestellte Winter ward besiegt, der Sommer erhielt den Preis. Warum aber gerade ein Papagei zum Symbol ausersehen war, möchte Schwerer zu ermitteln sein. Der Umstand der Zusammensetzung des Wortes mit dem Worte Pape, Pfaffe (vgl. Bremisch=niedersächsisch Wörterbuch) scheint aus nichts zu leiten.

Wenn aber mit dem Namen Papegoi wrklich derjenige Vogel bezeichnet wurde, den die Naturgeschichte noch heut zu Tage so nennt, so dürfte man wohl fragen, ob vielleicht der aus nichts christlichen Ländern kommende Vogel an das besiegte Heidenthum erinnern sollte, dem die christliche Pfingsttaube symbolisch gegenüber stand, so wie man statt seiner späterhin den Adler, gleichfalls einen

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Feind der Taube, wählte, um das böse Princip zu bezeichnen. Wenn daß man heut zu Tage gar einen Adler mit Reichsapfel, Scepter und Krone aufstellt, darf nicht eingewandt und in Beziehung gebracht werden. Sobald die ursprüngliche Bedeutung des Vogels in Vergessenheit gerathen, erlaubte man sich auch Abänderungen, wie sie den Zwecken der Schießübungen entsprachen, da denn leicht einzusehen ist, daß die genannten Attribute des Reichsadlers für die Abstufungen der später beliebten vermehrten Preie bequem waren; in ältren Zeiten ist, wie wir gesehen haben, nur von einem Preise, dem silbernen Becher die Rede, der übrigens ohne Zweifel auch nicht zufälltg, sondern gleichfalls symbolisch sein mag. In Thüringen, irren wir nicht ganz, in Naumburg a. d. Saale, wurde vor 30 - 40 Jahren, wir können nicht sagen ob noch jetzt, nach dem Bilde eines Mannes, dem Vorgeben nach des Husittengenerals Prokopius, also auch nach dem Bilde eines diesen Gegenden empfindlich gewordenen Feindes, geschossen; der Schuß ins Herz brachte den Hauptgewinn. In andern Gegenden schoß man nach dem Bilde eines Hirsches, des Verwüsters der Saaten; kurz, überall war das Ziel ein Symbol feindlicher Gewalt, und so wird wahrscheinlich, daß auch der aus der Fremde stammende, unheimliche Papegoi nichts anderes gewesen.

Dem sei indeß wie ihm wolle, die oben geschilderte ältere Einrichtung des Vogelschießens, die Zeit, der Ort, die Personen des Festes, alles spricht deutlich für die Annahme, daß es ursprünglich ein Frühlingsfest gewesen und erst nach und nach zu einem mit dem ernsteren Zwecke kriegerischer Uebung verbundenen Spiel, und als auch dieser mit den veränderten Zeitumständen wieder in den Hintergrund trat, zu einem bloß allgemeiner Belustigung gewidmeten Volksfeste geworden, das daher auch nicht mehr an die Frühlingszeit gebunden, sondern meistens in den späteren Sommer verlegt ist. Die Beschreibung der in Zeit, Ort und andern Umständen veränderten Einrichtungen dieses Festes möge übrigens erlaubt sein zu übergehen; hier soll nur noch der, nach dem mehrgedachten Vogel genannten Gesellschaft, welche das Fest ursprünglich feierte, nämlich der Papegoiengesellschaft gedacht und näher angedeutet werden, aus welchen Mitgliedern dieselbe in den älteren Zeiten bestand.

Zwar wird bisweilen noch heut zu Tage die hier bestehende Verbindung der Kaufleute und Brauer die Papageien=Compagnie genannt, und in dem älteren Stadtsiegel führte Wismar außer mehreren Emblemen des kaufmännischen Gewerbes, dem Schiff, den Hopfenranken, den drei Fischen, auch den Papagei, auf dem Bogspreet des ersteren sitzend. Man würde jedoch

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sehr irren, wenn zu glauben wollte, daß die ältere Papegoiengesellschaft, als Schützengilde nur aus Kaufleuten und Brauern bestanden hätte. Es werden vielmehr als Mitglieder derselben in alten Nachrichten auch "Doctores, Syndici, Rathsverwandte, Bürgermeistere, Priester und Edelleute" aufgeführt, woraus abzunehmen, daß die Gesellschaft keine ausschließliche Kaufmanns=Compagnie, sondern eine, allen angesehenen Bewohnern der Stadt zugängliche Verbindung war, wenn gleich allerdings wahrscheinlich bleibt, daß bei dem bedeutenden Handel, den die Stadt in jener Zeit trieb, die meisten Mitglieder dem Kaufmannsstande angehörten, woraus denn freilich auch erklärlich wird, wie später der Name der Papageiengesellschaft auf die hiesigen Brauer und Kaufleute ausschließlich überging. Eine ähnliche allgemeine Ausdehnung fand übrigens auch in den in den Städten der Schweiz, am Rhein und sonst in Deutschland vorkommenden Papegoiengesellschaften statt.


Anhang.

Aus einer Handschrift des M. Dietr. Schröder: "Ausführliche Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar".

"Was Ao. 1379 die Papagojengesellschaft vor Leges gehabt, erhellet aus folgendem, welches aus einem gar alten Mscto. genommen ist":

Disse beddern lüde (i. e. die so zu der papagojengesellschaft gehoret) synt to rade worden, dat ine alle disse naschreven stücke eyn jewelyck by sick holden willen, ock scholen id holden alle dejennen, de in disser sellschop to kommen syn.

Vortmer so synt se des mit eendrecht tho rade worden, vnde hebben lovet, een den andern, welcker dode stervet, dat de andere, de mede in der sellschop is, eme schal nalesen laten dre seelmessen.

Vortmer schalen alle jar des neghesten vrydaghes na pynxten, des abendes vylie lesen, unde des sonnavends morghens seelmessen singhen, un dar scholen to wesen sös prestere un twe schölere, dat ghelt scholen utgeven von der einen selschop wegen. (ja alle dejenne de in disse selschop vor bröder angenahmen schol des andern jares also fort den schafferen gheven 2  un 4 ß . to wahsses.)

Vortmer, so enschal men nemende entfaen in dese vorschreven selschop ydt enzy mit endracht und willen

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der ganzen selschop, un den me derm entfenckt, de schal gheven den schafferen des vrydages to pynxten, als de konyngk syn krude gheven hefft, 3 mark lübsch, unde twe pundt wasses, und dem toseggere enen wytten, dat scholen de schaffere mcht langke stan laten.

Vortmer, welcke tydt dysse selschop thosamende synt, so schall nement den andern voreren (verunehren ?) mit worden edder mit daden by 6 pundt wasses.

Vortmer, wer et dat jement den andern slöge an unser selschop, dat Gott vorbede, de sall der selschop tovor entberen unde dar nicht mehr wedder inkomen.

Item, we den Papegojen affschüt de schal gheven der selschop des vriegdages to pinxten, wan de vylye ut ys, ene tunnen beers unde twyerlye krude, (alse backen krude unde enghweer) unde handelen se woll unde shal gheven den pipern 4 ß, unde dem thoseggere 3 schillinge to enem par scho; ock scholen de schaffere dem thoseggeren gheven to dersülven tydt - - penninge, vor synen denst overt jar.

Vortmer so scholen de schaffere recken des vrydages to pinxten, wenn de vylye ut is, unde so schal en jewelyck syn ghelt ut leggen, dat em bört, de in de selschop is, he kam dar edder nycht., yd enwere dat he utheymisch were, offte krankheyt beneme. Welckere de yd so nicht holden will, de magh des vordragh hebben, unde denn schal me schryven vthe der bröderschop, dat me dyt alles holde, dat ys geschehen myt vilbort der gantzen kumpanye unde myt gantzer eendracht der börgermeistere unde der radmanne, de yn der vorbenannten kumpanye synt.

Vortmer scholen wesen tho schafferen twe bedderue lüde, de desse kumpanye des papegoyen vorstaen, en jewelick twe jar, wen de öldeste afkümpt, so schal me enen andern bederven man schicken in syne stede, dem andern to hülpe, also dat ein jewelick blyve yo twe jar, also vore röret ys, unde de schaffer schalme kehren des mandages to pinxten, wan de papeyoje afgeschaten is, mit eendracht der gantzen kumpanye, unde weret ock, dat mank den beyden schafferen een were, de der kumpanye recht were, den se vortan wolden vor enen schaffer beholden, zo vakene alze se ys begehren, so schal he ydt der kumpanye nicht wegern. Hirüm so scholen de schaffere laten lesen desse vor bey rechtigheyt der kumpanye des vrydages, alse de

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konynck des papegoyen syn krude ghifft, yp dat ein jewelick wete, wo he yd holden schole.

Vortmer so schal nement beer laten halen ut desser zelschop, he zy vrowe effte man, alzo de selschop hefft eenghedreghen.

In einer andern Redaction der vorstehenden Gesetze (nach einem Msct. von demselben Jahre) kommen noch folgende Bestimmungen vor:

Vorthmeer, wenn disse selschop tho samende ist, ob een den andern verachtede, dat in synen hogesten geyt, vnd de jenne dat claget den schafferen., de so verachtet werd, vnd de andere nicht nabringen kan, so mögen de schaffer dat richten, so hoch als se willen; offte he de nicht hören will, so schölen de schaffere de gantze sellschop tho hülpe nehmen, dat he davor do glick, edder he schal de selschop nicht mehr wehrt wesen.

Wen der Meygreve gekaren werd, nemelicken am donnerstage, wen de könig sin krud gift, is von olders her gebrucklick gewesen, dat volgende personen sick darüm besprecket, erstlick twe radespersonon, de olde und nie konigk, de olde meygreve, twe olde schaffers, de eren denst letzt dan hebben, vnd de beyden schaffere, so thor sülven tidt schaffen, welchen schaffern gebühret, dat sie die von den öldesten börgeren nömen, vth welohen de meygreve von den sämtlichen personen soll gekaren werden.