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Begräbnißplatz von Gr. Flotow.

Am 14., einem weichen Tage des Novembers 1839, begab ich mich in diejenige Gegend der Gr. Flotow'schen Feldmark, die seit Menschengedenken "die Hünengräber" geheißen, um unter Mitwirkung und in Anwesenheit des Herrn Inspectors Kosmack von Gr. Flotow mit gutsherrschaftlicher Genehmigung jenen als antiquarisch bedeutsam erscheinenden Boden zu durchforschen.

Von Gr. Flotow nordöstlich, von Gr. Lukow nördlich erhebt sich, von Süden nordwärts gestreckt, rings allmählig steigend, ein die sonst ziemlich ebene Gegend überragender Hügel, mit einzelnen dichten Dorngestrüppen nesterartig bestanden. Der Hügel senkt sich nach Osten bis zu einer nicht breiten, aber langgedehnten Wiesenfläche hinab, deren ehemaliges Bruchholz mit den weiten Buchwaldhügeln im Westen zusammengelaufen sein muß. Diese Wiese, welche den Grenzpunct der eng zusammenstoßenden Ländereien von Gr. Flotow, Gr. Helle und der Meierei Karlstein befaßt, heißt das "Bärenbruch", und soll, nach hier allbekannter Sage, der Aufenthalt eines in der neueren Zeit hier erlegten Bären gewesen sein. Im Uebrigen senkt sich der betreffende Hügel, welchen wohl lange schon die Pflugschaar überzog, und dessen Westende eine Mergelgrube aushöhlte, in's Kornfeld hinab, und hat am Fuße einen Umfang von etwa 330 Schritt. Nach dem Augenschein und den bereits von mir gemachten Versuchen ist aber der Sammelplatz vorchristlicher Leichenbestattungen nur die südwärts gekehrte Hälfte des Hügels, von welcher allein, in der Ausdehnung von Osten nach Westen, die Ergebnisse der hienächst beschriebenen Aufgrabungen entnommen worden.

I.

Am sprechendsten zog auf der ziemlich breiten Fläche der

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Kuppe ein 19 Fuß von Osten nach Westen gezogenes, und fast eben so breites, rundliches, für sich abgeschlossenes Steinlager an, welches halb zu Tage stand. Die Abräumung geschah von Osten aus nach Westen. Die Steine alle roh, nicht einmal gesprengt, meistens von der Größe, daß ein Mann sie bequem wälzen kann, lagerten dicht gedrängt in einfacher Schichte neben einander, und es bedurfte, mit geringer Hülfe der Schaufel zum Abgraben der Erde zwischen dem Gestein, meistens nur der eisernen Brechstange, um auf den unten befindlichen Mergelgrund zu gelangen. In diesem fand sich keine weitere Spur von Steinen, ein erleichtertes Graben glaubte man bis in die Tiefe von 1 oder 1 1/2 Fuß wahrzunehmen, bis wo man an dem Urboden auf eine mehr und minder, jedoch dem Mittelpuncte zu am meisten, unterscheidbare und continuirlich werdende, einige Zoll starke Bodenschicht von auffallender Eigenthümlichkeit traf. Eine weiße Erde nämlich gab, zumal sich keine natürlich weiter fortlaufende Sandstrahlen im Boden zeigten, dieser Stelle das Ansehen, als sei sie mit einem schönweißen Sande übertragen worden. Zugleich erschienen aber auch sehr häufige Mengestellen in Schwarz, deren nähere Untersuchung (scheinbar Tannen=) Kohlen=Graus und Kohlenerde zu erkennen gab. Die von der Erdmasse selbstständig zu scheidenden Kohlen zergingen theils, theils waren sie fest, und glimmten am Feuer entzündet uoch in eigener Kraft. Jene helle, mehr sandweiße als aschgraue Bodenschicht schien mir nicht sowohl bloße Asche, als vielmehr vorherrschend feiner Sand (vielleicht als Zuthat zur feierlichen Leichenbestattung?). Knochenstücke, und zwar 1) 2 kleine und feine, nach des Herrn Doctors Betcke in Penzlin sicherm Dafürhalten von einem Kinde der obere Theil des Schenkelbeins mit dem Schenkelkopfe und dem Trochanter (major), und das dazu gehörige Stück des Hüftsbeins mit der darin befindlichen Gelenkhöhle, 2) ein kolbenförmiges von einem scheinbar größeren Körper, welches, so wie 3) ein dünnschaliges, auf beiden Seiten plattes, schädelähnliches Bruchstück, kein sicheres Urtheil zuläßt, - sind das Einzige, was sonst aus diesem als Leichenbrandstätte nicht zu verkennenden Boden hervorkam.

Weiter, etwa 25 Schritte, nordwärts neben Nr. I. erhob sich ein spitz zulaufender Erdhügel mit Dornen überwachsen, und mit mittelgroßen Steinen, jedoch lückenhaft, eingefaßt, dessen Entstehen aber vielleicht nur dem Umstande zuzuschreiben ist, daß von den Ackernden etwa im Wege liegende Steine dahin gewälzt wurden, und daß bei fortgesetzter vieljähriger Bearbeitung der Boden um dieselben allmälig niedergeackert und so den Dornen Raum gelassen wurde, mit der Zeit den innerhalb

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der Steine nun in seiner anfänglichen Höhe unberührt nachgebliebenen Hügelrücken einzunehmen. Es fand sich wenigstens auf den ersten leichten Versuch unter diesem Hügel durchaus kein Zeichen von einer besondern Bedeutung desselben.

II.

Von No. I. 18 Schritte westlich, etwas am Abhange ließ ich, weil auf der Oberfläche aus den ordnungslos zerstreuten Steinen kein Plan zu erkennen war, auf gut Glück, was innerhalb dieser in ursprünglicher Verbindung von mir gedachten Steine mehrfach schon erfolglos geschehen war, einige halb zu Tage liegende Steine ausbrechen, welche in ihrer Neigung gegen einander einen auch von Außen hinein durch eine kleine Oeffnung ersichtlichen inneren Raum beschlossen. Auf weiteres Nachgraben in dem Boden, welcher von der Beschaffenheit der umliegenden Ackerfläche war, fanden sich unverkennbare Zeichen einer beabsichtigten Steinsetzung. Nämlich 1 Fuß tiefer als der angrenzende Boden ragte aus der Erde eine Anzahl kleinerer, nicht über 2 Spannen reichender Steinplatten von ungleicher und roher Form, die alle aber mit scharf abgesprungenen Rändern von einer auf die Spaltung derselben gewandten Absicht und Anstrengung zeugten, und als Stücke eines und desselben rothen (Sand=?) Steinblockes kenntlich waren. Sie standen sämmtlich auf der hohen Kante, mit ihrer keilförmigen Spitze steil aufwärts, unten fest im Boden, und dieser war etwa 2 □Fuß mit einem Damm von kleinen Pflastersteinen belegt, über welchem jene spitz nach oben zusammenlaufenden Platten eine Behausung zu schließen schienen. Hier ergaben sich in gemischter Erde mit einigen weiß verglaseten Feuersteinen zu Grunde liegend geringe Knochenreste und Scherben von Gefäßen, welcher letzteren nach Stärke der Masse, besonders aber nach Art der Randbiegung an der Mündung der Gefäße und nach den durchaus von einander abweichenden Verzierungen wenigstens 4 verschiedene gewesen. Eine Unterscheidung des Standortes derselben und ihrer besonderen Umgebung ließ sich nicht finden; auch lag Alles in einer nicht neuen Zerstörung und Verwirrung. Die Scherben selbst waren so fest, daß sie nicht allein keineswegs von selbst zerbrachen, sondern später auch in heißes Wasser gelegt und damit abgerieben nicht zerweichten. Zweifelsfrei sind sie gebrannt, doch haben sie im Neubruch nicht bloß eine frischere, sondern überhaupt auch eine andere Farbe als auf der Oberfläche, in der Weise, daß sie fast alle an der convexen Außenwand einen hellfarbigeren Ueberzug tragen, und dann auf der concaven Seite tief von Innen heraus schwarz gebrannt erscheinen. Nur sehr wenige Stücke haben auch nach der ein=

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wärts gekehrten Seite des Gefäßes den hellen, ziegelfarbenen Ueberzug. Die Bodenstücke der Gefäße sind besonders dick, bis auf 3/4 Zoll, und im Fuße gar nicht, oder aber nicht beträchtlich ausgehöhlt. Außer den platten Scherben fanden sich gereifelte, aber sehr wenige; Henkel daran gar nicht. Durch die sehr rohe und grobe Thonmasse, welche mit Glimmer=Pünctchen und Blättern, auch mit selbstständig sich darstellenden Granittheilen durchknetet ist, und nach Verschiedenheit der Gefäße und einzelner Theile derselben sich auch in den Seitenwänden 1/4 bis 1/2 Zoll stark verarbeitet findet; durch rauhe, unpolirte Oberfläche, durch unmittelbare Einfachheit und Unbedeutendheit der flach eingedrückten Verzierungen, die den kunstlosesten Handgriffen ihre Zeichnung verdanken, charakterisiren sich diese Ueberreste als Erzeugnisse eines sehr niedrigen, längst verschwundenen Culturzustandes. Daß diese Urnen aus freier Hand geformt wurden, ist wohl kaum anzunehmen. Gab es hier leider nur Brocken, so sind unter diesen doch auch Einzelnheiten, die für die Beschreibung und die Vergleichung mit andern Funden dieser Art sich eignen. Was sich von den hier angetroffenen Thonbildungen sagen läßt, ist, daß sie sich theilen in feinkörnigere, mit dünneren Wänden, feinerem Rande und gewundener Halsbiegung, auch geschmackvollerer Verzierung, und in massivere, plumprandige und schwerfällig geformte, deren Bauch= und Halsweite zu einer gebildeteren Proportion nicht geschieden ist, und deren zum Theil wunderlich grobes Material unter der Hand des Fabricanten hätte, wie es scheint, auseinander fallen müssen. Die eingedrückten oder eingegrabenen Verzierungen der vier verschiedenen Randscherben sind:

1) ein dicht unter dem etwas auswärts und dann aufwärts gebogenen Rande um den Hals laufender 1/2 Zoll breiter Zickzack 1 ), dessen Zacken aus vier oder fünf von unten etwas nach der rechten Seite aufwärts gezogenen parallelen Strichen bestehen, die mit ihren obern Enden in einen rechts schräge nach unten geführten Querstrich auslaufen; worauf eben dieser Querstrich in weiterem Fortgange niederwärts die Parallelstriche auch der nächstfolgenden Zacke nach unten begrenzt, und das Band ist, an dem das ganze Geschlinge sich fortwindet. Dem Zickzack fehlt die Schärfe der Winkel, daher es ein mehr wellenartiges Ansehen hat. Die Arbeit kann durch ein vier= oder


1) Die meisten Scherben verrathen offenbar eine junge Zeit und gehören ohne Zweifel der jüngern wendischen Periode an, wie dergleichen auf alten Burgstellen etc. gefunden werden; einige scheinen älter zu sein.
Anmerkung des Herrn Archivars Lisch.
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fünffach gezahntes Geräth ausgeführt sein, und hat eine gewisse fließende Leichtigkeit und zwanglose Bewegung, wenn ich sie vergleiche mit den beiden nächstfolgenden, nämlich:

2) einer Randscherbe, deren Zeichnung freilich durch ungünstigeren Bruch nicht so genau erkannt werden kann. Sie zeigt 3/4 Zoll unterwärts des umgekrempten, beinahe in einem rechten Winkel halbzöllig über den Hals liegenden, dann schwach der Mündung zugebogenen Randes einen vorspringenden Reif, der nach oben schräge, aber vielleicht zufällige Einschnitte hat, und darunter mit flachen, horizontalen Rillen versehen ist, welche mit jenen oberen Einschnitten sehr spitzige, liegende und oben nach der linken Seite offene Winkel bilden würden.

Diese beiden Scherben sind dunkel von Farbe, dem ungebrannten Töpferthone nicht unähnlich.

3) Im Zierrath nicht sehr unterschieden ist ein Scherbenstück von sonst freilich wesentlicher Verschiedenheit an gröberer Masse, größerer Dicke, hellerer Farbe und scheinbar schwerfälligerer Bildung. Es trägt 5/4 Zoll unter dem kurz übergebogenen kleinen Rande einen aufliegenden Gurt von sehr deutlicher, derber Arbeit. Auf diesem reihen sich tiefe Kerben von der Länge eines halben Zolles von der Linken zur Rechten schräge aufwärts laufend dicht an einander; darunter liegt eine gegen 1/2 Zoll breite glatte Fläche, an welche sich parallel, so weit das Bruchstück reicht, vier bis fünf Rillen, tief und eng gezogen, anschließen. Dieses und das vorhergehende Scherbenstück möchte wohl flachen Schalen angehört haben können.

4) Eine vierte sehr feinschalige Randscherbe hat keinen umgekrempten, überhängenden Rand, ist vielmehr kurzhalsig abgeschnitten, und der scharfe Schnitt der von der Mündung aufwärts stehenden Kante hat seine Schärfe verloren durch eine Kette kleiner, perlartig geformter Eindrücke, denen es aber an gleichmäßiger Abtheilung und regelmäßigem Zusammenhange gebricht. Diese und die vorige sind, mehr roth oder mehr gelb, ganz nach der Farbe alter gebrannter Ziegel.

III.

Von Nr. I. 10 Schritte etwas nordwestlich, unten fast am Fuße des Erdrückens, lag von Osten nach Westen eine 33 Fuß lange, 18 Fuß breite Grabstätte mit ungefähr 24 Ringsteinen, welche besonders an der westlichen Seite die anliegende Ackerfläche, auch selbst den Erdaufwurf des Grabes überragten, im länglichten Viereck eingefaßt. Unter diesen letzteren ist einer der mächtigsten schon vor Alters mit dem oberen Theile feldwärts übergesunken, und lehnt stark auf die Seite. Von Decksteinen sieht man nichts, auch verräth innerhalb des Steinringes das

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tief eingelassene Fühleisen nirgends einen Widerstand. Eine Abtheilung des innern Raumes durch Steinwände wurde also eben so wenig bemerklich, und so weit stellenweise von oben hinein Nachgrabungen geschahen, durchschnitt man, bevor man in der Tiefe von l 1/2 Fuß den Urboden erreichte, bald unter der cultivirten Erdoberfläche überall eine hohe Schichte von schwarzgemischter oder schwarzer Erde mit häufigen Kohlenstücken. Darunter auch in der Mitte des Steinringes zwei kleine Scherben, auswendig ziegelroth, inwendig schwarzgebrannt aus gröbster, mit Granitkörnern durchkneteter Masse. Außerdem nichts. Dieser Platz schien ein förmlicher Heerd großer Brände gewesen zu sein.

IV.

Von Nr. I. 24 Schritte südöstlich an der Senkung des Hügels lagen 6 unbearbeitete, mittelgroße Merksteine, halb über den Boden heraus, zu dreien von Süden nach Norden dicht an einander gereihet, unter denen, sehr flach mit Erde bedeckt und in einer kesselartigen kleinen Vertiefung von Pflastersteinen, sich ein Geringes von Kohlen und Kohlenstaub ergab. Diese kleine, wenige Fuß lange Brandstelle schien mir vereinzelt für sich zu gehören, lag jedoch 3 Fuß ostwärts von einem aus der Erde stehenden bedeutenden Steinringe, der sich nach einem Ende in einer undurchsehbaren Wildniß von Dornen verliert, und den zu durchforschen bis auf gelegnere Zeit vorbehalten bleiben mußte.

Bemerkungen.

Wenn schwerlich nach seinem ganzen Umfang und Inhalt dieser große Todtenacker durch vorbeschriebene Forschungen und Funde erschöpft sein dürfte, so möchte eine weitere Nachsuchung vielleicht noch belohnend sein können. In Betreff des bisherigen Befundes kann ich die Fragen nicht abweisen:

A. Da alle bis dahin angetroffene Scherbenstücken hier, wie an anderswo durchforschten Leichenbrandstätten, noch eine verhältnißmäßig ausgezeichnete Stärke und Festigkeit zeigten: "woraus ist die Zertrümmerung der Grabgefäße zu erklären?"

B. Da aus allem beisammen Gefundenen hier, wie oft anderswo, doch kein Ganzes wieder zu construiren, bei der bisherigen Ausdauer des Gefundenen aber keine Verwitterung des daneben Vermißten anzunehmen, auch eine solche an den Fundorten nicht zu spüren ist: "wo sind die fehlenden Theile der zerstückelten Grabgefäße geblieben?"

Die Annahme einer beabsichtigten oder zufälligen Rührung dieser überall schatz= und kunstarmen, dazu ursprünglich tief und mühselig verwahrten Gräber zu einer früheren Zeit, welcher

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ausgedehntere Forschungen dieser Art nicht eben eigen waren, befriedigt hier nicht 1 ).

Gr. Lukow, December 23, 1839.

Ambr. Eberhard, Pastor.     


1)

Zertrümmerte Grabgefäße kommen sehr häufig vor. Die Zertrümmerung geschieht durch die deckenden Steinlasten, durch Ackercultur, Holzwuchs und viele Zufälligkeiten; nicht selten sind Aufgrabungen in frühern Zeiten voraufgegangen, nach welchen die Leichenhügel wieder aufgeschüttet sind, wie sichere Beispiele gelehrt haben.

Anmerkung des Herrn Archivars Lisch.