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9.
Strafe auf Bigamie nach lübischem Rechte.

Nach manchen ältern nordischen Rechten stand auf Bigamie Todesstrafe. Diese galt in den größern Ostseestädten noch im J. 1259, indem es in den Hauptartikeln der verbündeten wendischen Hansestädte (im ältesten wismarschen Rathsbuche) heißt, der Theil der Ehegatten, welcher der Bigamie überführt sei, solle durch das Schwert hingerichtet werden:

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Si quis habuerit legitimam mulierem et illa dimissa ducit aliam et si prima hoc probare potest per testes ydoneos, quod sua sit legitima, illi viro debet apputari caput pro suo excessu, et similiter eciam de muliere.

Vgl. Burmeister Alterthümer des wismarschen Stadtrechts S. 22.

Das lübische Recht milderte jedoch bald die Todesstrafe in Geldstrafe oder in Verbannung. In der ältern, lateinischen Recension des lübischen Rechts aus dem Anfange des 13. Jahrh. heißt es nämlich Art. 57 (vgl. Dreyer Samml. I, S. 460 und Hach Das alte lüb. Recht, S. 203), der Mann solle zur Strafe für die Bigamie 10 Mark Silbers zahlen oder verbannt werden:

Si quispiam legitimam uxorem hic duxerit et alias legitimam uxorem habuerit et ipsam reliquerit, si convictus fuerit, posteriori renunciabit, et ipsam sui ipsius, cum qua ad consortium viri declinavit, excipiet substantiam et insuper medietatem substantiae viri percipiet. Vir autem ob nequitiam facti sui X marc. argenti judici et civitati componet; quod si facere nequiverit, praecipitabitur,

wie auch die etwas jüngere niederdeutsche Recension (§. IX, Hach a.a.O. S. 250) noch die Wedde für die Todesstrafe festhält:

"he schal dat wedden vnde beteren mit sime hoghesten".

Burmeister a.a.O. meint mit andern Erklärern (vgl. Hach a.a.O. S. 78), freilich "praecipitare" bedeute: "hinrichten", wenn auch neuere Schriftsteller das Wort auf Verbannung beziehen wollten. Daß der Sinn des Rechts aber nur auf Verbannung gehe, beweisen nicht nur mehrere Varianten der ältesten niederdeutschen Recension (vgl. Hach a.a.O. S. 250), sondern auch dieselbe, in niederdeutscher Sprache abgefaßte Rechtsbestimmung in einem Codex des lübischen Rechts, der im J. 1240 der Stadt Herforden mitgetheilt sein soll und noch im J. 1509 für den vollständigsten gehalten und in Rostock gedruckt ward (Codex Diezianus); dieser sagt Art. XXVII:

Nympt een man eyn echte wyff vnde he een ander echte wyff tovorn hefft, wert he des vorwunnen, he schal der lesten vortygenn unde se syner, men de frouwe schal nemen tovoren alle dat gud, dat se to em brochte. Vortmer schal

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se nemen de helfte des mannes gudes, unde der man schal beteren der stat unde deme rechte de boszheyt mit X mark suluers, hefft he der nicht, men schal ene werpen in den schupstoel.

Der Ausdruck "auf den Schubstuhl setzen" wird noch heute für: "ausschließen, verbannen", gebraucht und auch in dem eben erwähnten niederdeutschen Codex Art. XIX erläutert:

De jenne de - des nicht mach fullenkomen, de schal wedden der stat X mark suluers. Heft he der nicht, so schal ene ene setten up den stuppe stoel 1 ) unde schal ene werpen uth der stat.

Hierauf hat Professor Dr. Kämmerer 2 ) den Gegenstand in einem Aufsatze über die "Stupe" beiläufig berührt und dabei Hach's Meinung zur Kritik gezogen. Kämmerer beweist allerdings, daß "stupa, Stupe" mit "Kaak", Pranger gleichbedeutend sei. Aber weder Kämmerer, noch Hach scheinen in allen Stücken Recht zu haben, indem dieser "Schupestoel" mit "Stupestoel" für gleichbedeutend hält, jener diese beiden verschiedenen Ausdrücke mit "Kaak" oder "Pranger" für gleichen Inhalts zu nehmen scheint. Abgesehen von der etymologisch gewiß verschiedenen Bedeutung von "schupestoel" und "stupa", ist die Verwechselung zwischen beiden sicher durch die oft ganz gleiche Schreibart des c und des t in den alten Handschriften gekommen. Meiner Meinung nach ist

1) schupestoel (Schiebstuhl, von "schieben", auswerfen), eine Bühne, auf welcher der Verfestete vor dem Exil erst zur Schau gestellt ward;

2) stupa (Stäupe, von "stäupen") ein Pfahl mit Halseisen, an welchem der Verbrecher gezüchtigt und vor der Züchtigung ausgestellt ward.


1) stuppestoel ist ohne Zweifel ein Lesefehler für scuppestoel: Schuppstuhl. - Schupfen (wohl von: schieben) heißt: auswerfen, ausstoßen, ejicere; vgl. Grimm Rechtsalt. II, S. 726 und Frisch T. L. Wb. unter schupfen. Auch Hach a.a.O. S. 79, Not. scheint sich hiefür zu entscheiden, indem er sogar ein alterthümliches offenes Gebäude, ein auf Pfeilern ruhendes Dach anf dem Markte zu Lübeck nachweiset, auf welchem Verfestete ausgestellt wurden. Vielleicht ist daher der "Schuppstuhl" ein "Stuhl", eine Tribune, auf welcher diejenigen erst ausgestellt wurden, welche aus der Stadt "geschoben, geschupt" werden (projici) sollten, da nach altem Gebrauche den Criminalstrafen in vielen Fällen erst eine Prostitution voraufging.
2) Vgl. Neue wöchentl. Rostock. Nachr. 1839, Nr. 52.
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Waren auch der Schubstuhl und die Stäupe örtlich mit einander verbunden, so waren sie doch gewiß dem Wesen nach verschieden.

Nach jüngerm, landesüblichem Criminal=Rechte in Meklenburg stand Todesstrafe auf Bigamie. Noch im J. 1680 ward ein Lieutenant Reimar Blücher zu Schwerin wegen Bigamie enthauptet.

G. C. F. Lisch.