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III.

Ueber den wendischen Götzen

und

die wendische Stadt Goderac,

von

G. C. F. Lisch.


A rnold von Lübeck erzählt in seinem Chron. Slav. cap. XXlV. (p. 426-427), nach dem Text der Ausgabe von Bangert, eine Geschichte von einer wendischen Gottheit Genedract in dem Sprengel des Bischofs von Schwerin: eine Geschichte, welche ganz isolirt dasteht und deren Wahrheit vielfältig bezweifelt ist. Er sagt nämlich:

"Hoc dierum circulo (1195) mortuus est dominus Berno, Suerinensis episcopus, primus eiusdem tituli antistes. - - Ille tamen per Christum confortatus, culturas demonum eliminavit, lucos succidit et pro Genedracto Godehardum episcopum venerari constituit ideoque bono fine cursum certaminis terminasse fidelibus placuit".

Diese so einfach und bestimmt erzählte Thatsache, daß der Bischof Berno von Schwerin bei Ausrottung des wendischen Waldcultus an die Stelle der Anbetung des Götzen Genedract die Verehrung des Bischofs St. Gotthard gesetzt habe, findet ihre Bestätigung in der Geschichte des Ortes, wo diese Gottheit muthmaßlich verehrt ward.

Als der Sachsenherzog Heinrich der Löwe im J. 1171 das Bisthum Schwerin dotirte, verlieh er demselben auch den Ort St. Gotthartsdorf, welcher früher Goderac geheißen hatte, mit den Worten:

"villa S. Godehardi, quae prius Goderac dicebatur - - et molendinum ex australi parte eiusdem villae",

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und der Papst Alexander III. bestätigte im J. 1177 diese Schenkung mit den Worten:

"de terra Pribislavi - - villam S. Godeardi, quae prius Goderach dicebatur".

Sehr bezeichnend ist es, daß der Herzog unter den wenigen einzelnen Ortschaften grade diesen Ort dem Bischofe Berno, dem Apostel der Westwenden, und seinen Nachfolgern schenkt, indem man sicher annehmen kann, daß unter den ersten Verleihungen an die Geistlichen in eben christianisirten Staaten mehrere in näherer Beziehung zu der Geschichte der Bekehrung standen 1 ). Und sowohl aus diesem Grunde, als auch aus der merkwürdigen Uebereinstimmung mit der Nachricht Arnolds darf man wohl annehmen, daß, wie der Name des Ortes Goderac bei der Bekehrung der Bewohner desselben in: Dorf des Heil. Godehard, umgetauft ward, es auch mit der Erzählung Arnolds seine vollkommene Richtigkeit habe und der Dienst des slavischen Götzen in die Verehrung des ähnlich klingenden Namens des christlichen Bischofs Godehard umgewandelt sei, wie dergleichen Unterschiebungen bekanntlich ja seit früher Zeit von den Heidenbekehrern nicht verschmäht wurden.

Auffallend müßte freilich die Form des Namens Genedract sein, die nicht wenig von den Formen Goderac und Godehard abweicht. Aber die durch die Urkunden über den Ort Goderac hervorgerufene Vermuthung, daß die Form Genedract in der Ausgabe des Arnold von Bangert eine schlechte Lesart sei, ist durch Vergleichung der Handschriften des alten Chronisten glänzend bestätigt worden. Es liest nämlich 2 ), statt der Form Genedract im Drucke:

1) die Böckel'sche Handschrift (vgl. Archiv der Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtskunde, VI, S. 577): Gudracco.

2) die alte havelberger Pergament=Handschrift, welche Riedel wieder ans Licht gezogen hat: Guddracco;

3) eine kopenhagener Papier=Handschrift vom J. 1579: Gutdraco;

4) die sehr gute lübecker Papier=Handschrift (vgl. Archiv


1) Man vgl. über den ähnlichen Fall bei Doberan Jahrb. II, S. 13 u. Note. Ein ähnliches Verfahren wandte Berno bei der Bekehrung der Rügier an, indem er den Sanct Vitus=Tag benutzte, um, nach dem Sturze des Swante=wit auf Arkona, das Volk zu taufen, nach der Urkunde des Kaisers Friederich vom J. 1170:
"maximo ydolo illorum Svantevit destructo in die beati (sancti) Viti martyris invitos ad baptismum coêgit".
2) Die folgenden Vergleichungen hat mir die freundliche Güte des Herrn Archivars Dr. Lappenberg zu Hamburg, des Bearbeiters des Arnold für die Mon. Germ. hist., mitgetheilt.
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a.a.O. S. 577), welche Bangert seiner Ausgabe zum Grunde legte: Guddracco, wofür auch Guddracto gelesen werden könnte; jedoch scheint Guddracco beabsichtigt zu sein;

5) die kopenhagener Pergament=Handschrift (vgl. a.a.O. S. 579), welche manchen Schnitzer hat und von allen bekannten Handschriften des Arnold den geringsten Werth zu besitzen scheint: Gridracco.

Der in der Chronik vorkommende Name 1 ) des Götzen, Gudrac, stimmt also mit dem urkundlichen Namen des Ortes, Goderac, wo derselbe verehrt ward, überein.

Dieser Ort Goderac lag nun in der Herrschaft Pribislavs im Lande Kissin. Der Papst Clemens III. bestätigt nämlich im J. 1189 dem Bisthum Schwerin:

"in terra Kytin duas villas: villam S. Godehardi scilicet et aliam huic adiacentem",

und der Papst Cölestin III. im J. 1191:

"Goderac in Kizin, Wotencha prope Dimin".

Der Kaiser Otto IV. nennt im J. 1211 in seiner Confirmation den Ort noch Goderac.

Der Ort lag also im Lande oder in der Provinz Kissin,

der Hauptprovinz des Pribislav, d.h. ohne Zweifel im Lande Rostock 2 ). Dies wird um so sicherer, da auch der Fürst Nicolaus im J. 1190 zu Rostock dem nahen Kloster Dobe=


1) Der Herr Dr. Burmeister zu Wismar hat über die Bedeutung des Namens Goderac folgende Ansicht: "Ist es nämlich Personenname,
"so ist es von god == Jahr, abzuleiten, bedeutet also: Jahresgott; bei den südlichen Slaven ist god == der Gereifte, der Taugliche. Ist es aber ein Ortsname, so weiß ich keine passendere Erklärung, als die aus dem serbischen gudura: enges Thal". - W. Hanka zu Prag berichtet dagegen: "Der Orts= und Götzenname Goderak, Goderac, Gudracco hat wirklich große Schwierigkeiten, weil die Corrumpirung solcher Namen über alle Begriffe geht. Ich habe die Frage auch Andern communicirt; ihre Meinung ist: Goderac, vielleicht Goderaz oder Godiraz, und dieses als Stadtname adjectivisch von Goderad, dem Namen der Herleitung nach russisch Goderaz (wie russ. Bezdez, böhm. Bezded); wenn aber Goderac oder gar Goderak zu lesen, so ist es schwer zu denken, höchstens im ersten Falle durch ein noch nicht genug belegtes raci (== dominus). Andere wollen Godracco mit dem litthauischen Swinterog im letzten Gliede vergleichen, daß =rog, rok, rak, mit dem alten Recke derselben Wurzel wäre, daher Goderog: opportunus heros, victor. Ich möchte es auch der Analogie nach mit Gadebusch im ersten Gliede vergleichen; so wie Jarobud eigentlich: das starke Wesen, von unserm alten Glossator über Demeter gesetzt wird, so würde Godebud: vis opportuna, heißen, wovon die adjectivischen Ortsnamen: Jarobuz, Godebuz wären".
2) Ganz in der Nähe von Rostock liegt noch das Kirchdorf Kessin, welches schon im J. 1219 als im neuen Lande Rostock liegend aufgeführt wird. Dieses Kessin ist ohne Zweifel das alte Kissin, da das alte Land Kessin in der Folge Land Rostock heißt.
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ran das benachbarte Dorf Wilsen und eine jährliche Hebung von 6 Mark aus dem Kruge in Goderac:

"taberna in Goderac"

schenkte, indem der Ort wohl nicht sehr weit von Rostock und Doberan gelegen haben muß. Dazu kommt, daß unter den Zeugen dieser zu Rostock ausgestellten Urkunde auch:

"Henricus capellanus de Goderac"

gegenwärtig war. Der Ort Goderac, im J. 1190 mit Krug und Kirche, war also gewiß ein Ort von Bedeutung in der Nähe von Rostock und Doberan. Bestärkt wird diese Ansicht noch dadurch, daß in der urkundlichen Aufzählung der bischöflichen Güter in der Reihenfolge 1 ) von W. gegen O. unmittelbar nach dem Orte Goderac die pommerschen Güter des Bischofs genannt werden, z.B.

"confirmamus - - Goderac in Kizin, Wotencha prope Dimin",

und der Ort Goderac zwischen Ilow bei Neu=Bukow und Demmin gesetzt wird; es geht hieraus wenigstens hervor, daß der Ort im nordöstlichen Meklenburg lag.

Großes Interesse erhalten diese Angaben durch die Ueberlieferungen der nordischen Knytlinga=Saga 2 ), welche die Warnow: Gudagersaa oder Gudakrsa 3 ) nennt und ungefähr also redet:

"Diesen Sommer (1159) zog König Valdemar wieder gen Vindland, und auf dieser Reise ward sein Drache beschädigt; aber der König segelte hinauf in den Gudagersaa und hielt da eine Schlacht mit einem vendischen Häuptlinge, welcher Mjuklat (Niclot) hieß. Dieses Sohn hieß Fridleif (Prizlav); er ward von den Dänen auf dem ersten Zuge gefangen und er war da bei dem Könige und war Christ geworden. Sie schlugen sich bei der Stadt Urle 4 ) (Werle); König Valdemar siegte, aber Mjuklat floh und fiel zuletzt. Die Dänen nahmen sein Haupt und steckten es auf einen Pfahl, außerhalb der Stadt. König Valdemar zog darauf zu seinen Schiffen".


1) Vgl. Jahrb. II, S. 103 flgd.
2) Vgl. Baltische Studien I, 1832, S. 44: "Die Kriege Valdemars und "Knuds gegen Rügen und Pommern aus der Knytlinga=Saga übersetzt und mit Anmerkungen versehen von G. Kombst".
3) Vgl. auch Petersen über die Züge der Dänen nach Wenden in Mém. de la soc. roy. des antiq. du Nord, 1836-1837, p. 94.
4) Die Knytlinga=Sage liest hier Urk, welches nach Petersen a.a.O. eine falsche Lesart für Urle, d.i. Wurle oder Werle, ist.
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Auch Saxo Grammaticus nennt die Warnow Gudacra in folgender Stelle (Lib. XIV, ed. Soroe, 1644, p. 294):

"Inde ad Gudacram amnem navigatione discessum. Cujus vadosus aditus 1 ) haudquamquam magnarum navium capax extabat, exiles duntaxat transmittere solitus. Itaque rex (Waldemarus) propter fauces fixa anchora sedem navigio conscivit. - - Quo (Absalone) autore eo loci perventum, ubi gurges ingentis stagni 2 ) diffussior speciem praeferebat. - - Vicorum quoque ripae junctorum incendia peraguntur. - - Sunonem binis instructum navigiis in longinquos paludis recessus praedatum mittit. Urbem quoque Rostock oppidanorum ignavia destitutam, nullo negotio perussit.

Da nun die Lage des Ortes Goderac im Allgemeinen annäherungsweise möglichst genau bestimmt ist, so steht nur noch zur Frage, ob sich nicht jetzt noch Spuren von demselben auffinden lassen.

Der Bischof erhielt den Ort Goderac mit einem angrenzenden Dorfe geschenkt. Der Ort erhielt zur Zeit der Schenkung den Namen: villa S. Godehardi; dieser Name kann nun deutsch nur Godhardsdorf oder plattdeutsch Godhardsdorp heißen. Ein Ort mit diesem ungeschwächten deutschen Namen kommt aber in der ganzen Urkundenzeit Meklenburgs nicht vor. Es fehlt freilich bekanntlich ein großer Theil der Urkunden des Bisthums Schwerin; dagegen sind noch regestenartige Verzeichnisse dieser Urkunden vorhanden. Nach diesen verpfändete am Dienstage nach Martini 1477 der Herzog Balthasar von Meklenburg als, "Verweser der Kirche und des Stifts Schwerin" den Kornzehnten aus dem Dorfe Gorstorp, welches im Jahr 1486 nach einer Urkunde im schweriner Archive Gurstorp genannt wird. Diesen Ort Gorstorp 3 ) halte ich nun unbedenklich für den Ort Godhardsdorp, d.h. für den alten Ort Goderac; Gortstorp


1) Die Mündung der Warnow ist noch heute sehr seicht und voll Sandbänke. Nach dem ältesten rostocker Stadtbuche von 1260 machte schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. Jemand dem Rathe der Stadt den Vorschlag, die Mündung des Flusses auf 12 Ellen zu vertiefen.
2) Kurz vor der Mündung erweitert sich die Warnow zu einem großen Landsee, der Breitling genannt. - Ueberhaupt stimmt Saxo's Schilderung ganz zu der heutigen Beschaffenheit des Flusses.
3) So wird aus Cunradesrode bald Curdsrade, jetzt Consrade bei Schwerin.
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ist aber das heutige Dorf Goorstorf nicht weit vom rechten Ufer der untern Warnow, an dem großen Busen desselben, welcher der Breitling heißt, nahe bei Toitenwinkel, Rostock schräge gegenüber.

Von Bedeutung ist hier der Ort Toitenwinkel oder Teutenwinkel, der allerdings einen auffallend klingenden Namen hat, aber nicht von den eindringenden Sachsen benannt sein kann, da in diesem Falle der Ort den Namen "Düdeschen Winkel" erhalten haben würde. Aber der Name, wie er jetzt lautet, entscheidet nichts. Das Gut hieß ursprünglich Totendorp 1 ) und war im Mittelalter ein Hauptgut der Familie Moltke 2 ). Schon im 13. Jahrhundert müssen die Moltken dazu alle diejenigen Dörfer am rechten Ufer der Warnow gewonnen haben, welche noch jetzt das großherzogliche Amt Toitenwinkel bilden: dies sind die Dörfer Totendorf (jetzt Toitenwinkel), Michaelisdorf oder Michelsdorf (seit dem 16. Jahrh. Cheelsdorf), Alt=Krummendorf (seit Anfang des 16. Jahrh. Oldendorf), Neu=Krummendorf (seit Anfang des 16. Jahrh. Krummendorf), Petznitze (1302) oder Petze (1361) (jetzt Peez), Lübbersdorf (schon im 16. Jahrh. untergegangen), Nienhagen, Hinrikesdorf, Hezekendorf (jetzt Häschendorf), Petersdorf und Goorsdorf. Schon im J. 1302 erhielt der Ritter Johann Molteke über die meisten dieser ihm eigenthümlichen Güter vom Könige Erich von Dänemark für geleistete Dienste (bei der Besitznahme von Rostock) Eigenthum, Gericht und Beden; der Herzog Albrecht vervollständigte im J. 1359 diese Schenkung durch Verleihung derselben Rechte von den Gütern Dierkow und Petersdorf an seinen Erben Johann Moltke. Seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts ward dieser Moltkesche Besitz als ein zusammenhangendes Ganze betrachtet und mit dem Namen "Winkel" (angulus) oder Totenwinkel, Totkenwinkel, Tutkenwinkel, belegt (wie die Gegend um Klütz der "Klützer Ort" heißt), namentlich sicher, als Johann Moltke im J. 1361 seinen ganzen Winkel mit den genannten Dörfern an die Stadt Rostock verkaufte. Diese Benennung für die Moltkeschen Güter in dem Vorsprunge zwischen der untern Warnow und der rostocker Haide blieb bis ins 16. Jahrh. 3 ).


1) Auch bei Tessin liegt ein Gut Totendorf oder Toitendorf, früher eine Pertinenz von Reppelin.
2) Ueber die im Folgenden dargestellten Verhältnisse vgl. Urk. Nr. III und VII.
3) z.B. im Anfange des 16. Jahrh.
"Dorffer im Tutken Winkel. Wenn de Herthoge bittet bede (  ...  )
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Aber schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts wird auch das Hauptgut Totendorf allein Totenwinkel genannt; dieses Schwanken dauert fast ein Jahrhundert. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts verschwindet der Name Toitenwinkel als Benennung einer Gegend und wird Name des Gutes Totendorf oder Toitendorf.

Das Gut Goorsdorf gehörte zum Toitenwinkel der Moltken. Wann und wie es aus dem Besitze des Bischofs von Schwerin gekommen sei, ist durchaus dunkel. Daß es aber seit dem 15. Jahrhundert stets und häufig Goorstorp oder Goorstorf genannt wird, ist keinem Zweifel unterworfen. Auffallend bleibt es allerdings, daß die beiden alten Moltkeschen Urkunden, welche sich freilich nur in Abschrift und Concept erhalten haben, das Dorf: Gerardestorp (1302) und Grastorp (1361) nennen; diese Verwechselung kann aber leicht statt gefunden haben, da der Name Gerard im Mittelalter in Meklenburg bei weitem geläufiger war, als der Name Godhard; überdies ist die Form Grastorp ganz ungewöhnlich, dagegen die Form Goorstorf für das Gut nicht selten.

Dennoch läßt sich eine Vermuthung darüber wagen, wie die Güter im Toitenwinkel aus dem Besitze des Bischofs von Schwerin gekommen seien. Der Bischof von Schwerin erwarb zwischen 1171 und 1178 das Schloß Bützow durch Tausch vom Fürsten Pribislav. Unter andern Gütern vertauschte 1 ) der Bischof auch einige im Neuen Lande (terra nova). Dieses neue Land lag nach der Aufeinanderfolge in der Aufzählung in den verschiedenen Confirmations=Urkunden im nordöstlichen Meklenburg und wahrscheinlich im Lande Kissin nicht weit von Rostock. Dies wird durch das Urkunden=Inventarium des Bisthums aus dem 16. Jahrh. bestätigt, nach welchem der Bischof Conrad am Montage nach Martini dem Rathe der Stadt Rostock 50 Mk. Sund. aus den Zehnten von dem "Nyenlande vor Rostock" für 1000 Mk. verpfändet. Wahrscheinlich war dies eine andere Benennung für den Toitenwinkel oder für eine Gegend in der Nähe desselben. Nach der Bulle des Papstes Cölestin III. vom J. 1191 besaß der Bischof damals zwar noch den Ort


(  ...  ) "auer den Winkell, so syndt dar LXII houen vnd XII katen vnd I kroch",
nämlich von denen Bede gegeben wird.
Im J. 1525 heißt es noch: "Hinrykestorpe in dem Toytewinkel belegen".
1) Vgl. Rudloff I, S. 151.
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Goderac, aber, was allerdings merkwürdig ist, ohne Pertinenzen, die sonst immer aufgeführt wurden. - Jedoch soll diese Meinung für nichts weiter als für eine Einleitung zu einer Untersuchung gelten, welcher die Zeit günstig sein kann.

Die Ortschaft

Goorstorf

ist aber das Dorf

Godhardstorp,

welches der Bischof Berno von Schwerin bei der Stiftung seines Bisthums geschenkt erhielt. Wahrscheinlich war die Feldmark von Goderac früher noch größer, indem mehrere angrenzende Dörfer deutsche Namen führen, wie Totendorf, (Mi)=chelsdorf, Heinrichsdorf und Krummendorf, Lübbertsdorf, Petersdorf und Häschendorf. Auf der großen schmettauschen Charte von Meklenburg ist zwischen Goorstorf und Petersdorf noch ein "Heidenholz" verzeichnet. Nahe bei der angrenzenden Waldung am östlichen Ufer des Breitlings soll nach neuern Mittheilungen noch ein Opferaltar mit eingehauenen Rillen und Löchern stehen. Und ganz in der Nähe von Goorstorf an dem Wege von der rostocker Fähre jenseit der Warnow nach Toitenwinkel (und Goorstorf) lag noch gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein großer Stein (der "Freistein") 1 ), an den sich sicher bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts das Asylrecht 2 ) knüpfte, ein Recht, welches


1) Zur weitern Nachricht finde hier eine Stelle aus Ouartal=Bericht I, 3 Platz, die nicht in die Jahrbücher übergegangen ist: "Auf Vortrag des Herrn Legationssecretairs Dr. Prosch zu Schwerin erlaubt sich der Ausschuß die Aufmerksamkeit der Mitglieder, insbesondere der in Rostock wohnenden, auf die Frage nach dem Ursprung, dem Zeitpunct und der nächsten Ursache des Erlöschens des jus asyli, welches glaubwürdigen ältern Notizen zufolge bis zur Mitte des 17. Jahrh. einem in der Nähe der Fähre bei Rostock gelegenen Platze, der damals den Namen "Friede"berg" führte, beigewohnt hat, und nach der eigentlichen Lage dieser Freistätte zu richten. Um die Mitte des 18. Jahrh. angestellte Nachforschungen bestätigten das frühere Vorhandensein einer solchen Freistätte und gaben die Nachweisung, daß dieselbe durch einen am Wege nach Toitenwinkel gelegenen Stein von ungewöhnlicher Größe ("de Frie"Steen") bezeichnet gewesen sein soll, welcher in den dreißiger Jahren des 18. Jahrh. nach Rostock gebracht und von dem dortigen Kaufmann Tarnow zum Bau eines neuen Speichers in der Harten Straße benutzt worden sei. Vielleicht ließen sich genauere Nachrichten im rostocker StadtArchiv und, da auch flüchtige Studenten sich die Freistätte zu Nutzen gemacht haben sollen, im Archiv der dortigen Universität entdecken".
2) Daß dieses Asylrecht ohne Zweifel vorhanden war, beweiset ein zu den Acten gebrachter Wunsch des rostocker Magistrats vom J. 1663:
"daß das Asylum bey der Fehr, der Friedeberg genant, mit fürstl. Consens dergestalt gehoben und abgeschaffet würde, daß nach geschloßenem vergleich an keine delinquenten auf Rostock alda frey geleit gestatet werden sollte".
(  ...  )
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in slavischen Ländern Residenzen und fürstlichen Burgstätten eigen war 1 ).



(  ...  ) Dies ist auch wohl das
"freie Geleit im Kruge zur Fehr"
bei Rostock, welches im J. 1609 Georg Moltke an Gebhard Moltke unter andern Gütern verkaufte.
1) Daß sich das Asylrecht an fürstliche Burgen und befestigte Städte knüpfte, ist nachgewiesen in Barthold Gesch. v. Rügen und Pommern I, S. 485 flgd.