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2.
Erklärung meklenburgischer Ortsnamen,

vom

Dr. Burmeister zu Wismar,

mit Beiträgen vom

wail. Pastor Mussäus zu Hansdorf.

Mehr als die Hälfte der Ortsnamen unsers Vaterlandes sind slavischen Ursprungs, welche auch zugleich die einzigen 1 ) Ueberreste der Sprache der Slaven oder Wenden sind. Die Erklärung derselben erscheint auf den ersten Augenblick sehr schwierig, da selbige nur durch Aufsuchung der Wurzelworte in allen slavischen Sprachen 2 ) mit Erfolg geschehen kann. Allein es ermangelt einerseits noch immer eines auf kritische Weise bearbeiten Lehrgebäudes aller slavischen Sprachen, andrerseits sind die Namen durch die von Jahrhundert zu Jahrhundert zunehmende Herrschaft der deutschen Sprache so verstümmelt, daß, wenn nicht ältere Urkunden den ächten slavischen Namen bewahrt hätten, man entweder an der Erklärung verzweifeln oder dieselbe doch schwankend hinstellen müßte. In einzelnen Fällen hat der Mund des Volks die Namen seit Jahrhunderten treu bewahrt.

Die Erklärung der slavischen Ortsnamen wird jedoch dadurch ungemein erleichtert, daß wir wissen, daß die Namen fast alle von wesentlichen Eigenschaften des Orts, von besonderer Lage an Flüssen, Seen, Wäldern, von dem häufigen Vorkommen von gewissen Baum=, Strauch= und Thierarten entlehnt sind. Für diese Ansicht haben wir das älteste Zeugniß des Ditmer von Merseburg, welcher die Namen in slavischer und deutscher oder lateinischer Sprache angiebt. In späterer Zeit ist diese Ansicht von Frenzel (bei Westphalen II, p. 2413 ff.) a.a.O. p. 2417 bei Ableitung des Namens Robel (slav. 1) robel: passer, 2) rebel, rjebel: scala, und 3) reblo:


1) Es kommen in den Urkunden auch oft slavische nomina appellativa vor. Man vgl. nur Mekl. Urk. 1. G. C. F. Lisch.
2) Vgl. W. Hanka in Jahrb. II, S. 176.
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castra) sehr bestimmt ausgesprochen: "secunda derivatio propter situm loci, ad quem Veneidi praecipue in de nominationibus respexerunt, videtur conveniens". Folgendes jedoch scheint noch weniger beachtet. Viele ältere slavische Namen sind später von den deutschen Einwanderern bloß übersetzt, einige haben auch einen dem frühern slavischen ganz entgegengesetzten deutschen Namen erhalten. So wird z.B. Tarnewitzerhagen von den Deutschen Wittenborgerhagen genannt. Nehmen wir die Endsylben weg, so haben wir Tarnewitz und die deutsche Uebersetzung Wittenborg. Daß die Endsylbe =witz, welche sonst nur: =dorf zu übersetzen ist, durch: =borg wiedergegeben ist, darf uns nicht befremden, da Helmold (Chron. Slav. I, 87, 11; I, 92, 10) Ilow in Ilinburg übersetzt. Außerdem giebt es noch viele Ortsnamen, welche aus beiden Sprachen gemischt sind, so daß man die eine Hälfte aus dem Slavischen, die andre aus dem Deutschen zu erklären hat.

Versuche, die meklenburgischen Ortsnamen zu erklären, sind mir in gedruckten Werken nicht aufgestoßen. Jedoch hat Herr Pastor Mussäus zu Hansdorf mir ein handschriftliches Verzeichniß von meklenburgischen Ortsnamen, mit Erklärungen aus dem Böhmischen, mitgetheilt, dessen Namen ich in den unten bezeichneten Proben durch M. bezeichnen werde.

Vergebens suchte ich in den slavischen Grammatiken eine genaue Unterscheidung der Endungen =ow, =itz, =nitz, =nik und =witz. Ich wage, nach manchen Zusammenstellungen die Behauptung: daß die Endsylbe =ow die weiteste Bedeutung hat, im Deutschen durch: =husen, =burg, =hof, =feld zu übersetzen ist; die Endung =witz bezeichnet: =dorf, mit Beziehung auf seine Lage; =in, =itz und =nitz einen einzelnen Ort in Beziehung auf die ihn umgebende Natur, und wird daher gern mit Substantiven und Adjectiven verbunden; =nik und =in: Stätte, nur daß =nik weitere Bedeutung hat und auch oft eine Person bedeutet (z.B. travnik: Grasstätte, dwornik: Hofmann); die Endsylbe =ow bedeutet in Personennamen, ähnlich dem polnischen =ky, unser: von, z.B. Krukow: von Raven, Butzekow: von Storch, etc. .

Bellin. Mussäus vom böhm. bylina: Kraut. Allein es ist gewiß von bel: weiß, schön, abzuleiten, also: Schönhof. Daß die Sylbe bel nicht bloß weiß, sondern auch schön übersetzt worden, bezeugt Ditmer von Merseburg (Ausgabe von Mader, Helmst. 1667, p. 153): belegori: pulcher mons, p. 234: beleknigini: pul=

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chra domina. Noch jetzt nennen fast alle Slaven das schöne Geschlecht: das weiße (poln. pleó biala). - (Dagegen: belgor: wittenberc, Mekl. Urkunden S. 74, 102. - Vgl. Siemssen unter belitz. G. C. F. Lisch.)

Bobitz, M. vom böhm. habicza: Großmutter, - wenn nicht von bob, welches fast bei allen Slaven: Bohne bedeutet (Bohnendorf). (Vgl. Siemssen unter Bobbin. G. C. F. Lisch.)

Doberan. Ob von dober: gut, oder von dub: die Eiche, dürfte wohl der Zweifel aufhören, da in einer Urkunde von 1190 (Westphalen III, p. 1470) terminus Dubimerihorca erwähnt wird, von dem es in einer folgenden von 1192 heißt (ib. p. 1472): "Et est terminus abbatie ad occidentem collis, qui lingua Slavica Dobimerihorca vocatur, et inde contra septentrionem usque ad mare protenditur. In parte autem orientali est terminus abbatie a quercu, quae sita est juxta viam in terminis, usque ad mare recto tramite (Eichplatz). - (Nach Hanka heißt Dobran: der Gütige. Vgl. Jahrb. II, S. 13. G. C. F. L.)

Drewitz, vom sorb. drew: Holz (Holzendorf).

Gammelin , im ratzeburg. Zehntregister Chemelin, von chmel, wendisch Schemigl: Hopfen (Hopfenort).

Granzin, vom serb. grana: Zweig, Kraut (Grasflur).

Gollwitz , vielleicht vom slowen. golob: Taube (Taubendorf).

Kuppentin, vom serb. kupina: Brombeerstrauch (Brombeerstatt). - (In Urkunden aus dem 13. Jahrhundert heißt das Dorf Kobandin. G. C. F. Lisch.)

Lischow, schon von M. von liss: Fuchs (Fuchshaagen).

Maslevitz, von masslo: Butter (Butterdorf).

Mulsow, entweder von mal: Motte, oder von mula: Schlamm, welcher durch Regen entstanden ist. Die Oertlichkeit soll noch jetzt für die letztere Erklärung stimmen.

Muchow, von mucha böhm. Fliege (Fliegendorf).

Priwall, vom böhm. priwotz: Ueberfahrt (Fährdorf).

Retschow, vom böhm. rez: Roggen (Roggendorf). (Vgl. Siemssen unter Rez. G. C. F. L.)

Roggow, vom böhm. rog: Horn (Hornsdorf).

Uelitz (M. von uhlj böhm: Kohlen); vielleicht auch von ul: Bienenstock (Bienendorf).

Userin, von osero, russ. See, poln. jeziero, da die Polen auch reka: Hand, statt ruka sagen: (Seestätte). Ist vielleicht Zuerin durch Vertauschung der ersten Buch=

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staben entstanden? Die Oertlichkeit stimmt außerordentlich. - (Nach Hanka heißt Zuerin: Thiergarten; vgl. Jahrb. II, S. 178 und V, S. 225. G. C. F. L.)

Wölzow, vom böhm. wolsse: Erle (Ellerndorf).

Zierow, M. von zir, böhm. Sklave; vielleicht von zjr: Eichelmast (Eicheldorf).

Zurow, vom poln. zurowy, eine Art Heidelbeere (Bickbeerdorf).