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Wendischer Opferhain
oder
die Ravensburg 1 ) bei Neubrandenburg.

A. Entdeckungsgeschichte.

Vorläufiger Bericht des Herrn Pastors Boll zu Neubrandenburg und des Herrn Archivars Lisch zu Schwerin.

Als wir am 16. Sept. von Neubrandenburg nach Ihlenfeld fuhren, um die unterirdischen Gewölbe aufzudecken (vgl. oben: Mittelalt. Alterth. S. 84), nahmen wir unsern Weg über die sogenannte Ravensburg bei Neubrandenburg, nicht weit von Ihlenfeld. Die Ravensburg ist eine bedeutende Umwallung in einem uralten, feuchten Walde; die Sage meint, der Ritter Albert von Raven, der im J. 1248 mit der Erbauung der Stadt beauftragt war, habe hier seine Burg gehabt. Ganz abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, daß ein Mann, der eine so regelmäßige Stadt wie Neubranbenburg in einer so schönen und hügelreichen Gegend, in der unmittelbaren Nähe eines Klosters (Broda) anlegte, eine Stunde weit davon in einem feuchten Walde seinen Wohnsitz nahm, schien uns die große Ausdehnung und Mächtigkeit der Umwallungen für Privatkräfte viel zu bedeutend, auch die ganze Lage so eigenthümlich, daß wir gegenseitig die Ueberzeugung aussprachen, daß diese Umwallungen etwas ganz anderes als mittelalterliche Burgwälle seien. Zugleich berichtete uns der Stadtholzwärter Müller, daß er vor der Umwallung auf einer freiern Stelle, der Rosenplan genannt, beim Einsetzen von Birken Steinanhäufungen gefunden habe, welche eben aus der Erdoberfläche hervorragten und beräuchert zu sein schienen. Wir besahen die Stellen, fanden auch sogleich beim Ausbrechen mit der bloßen Hand einen kubisch, fast kugelförmig behauenen Granitstein von ungefähr 1/2' Durchmesser, wie Gideon Sponholz deren in seiner Sammlung hatte. Wir beschlossen mit gespannter Erwartung, zu einer andern Zeit Nachforschungen vorzunehmen.

Während ich, der Archivar Lisch, bei der Untersuchung der Runen=Denkmäler zu Neustrelitz die über dieselben vorhandenen Acten studirte, fand ich, daß auch Gideon Sponholz in der Ravensburg und im Rosenplan gegraben hatte, jedoch, wie es scheint, ohne Erfolg. Darin aber stimmten alle Berichte bei den Acten überein, daß die wendischen Begräbnisse, die G. Sponholz bei Neubrandenburg aufdeckte, unterirdische Stein=


1) Hiebei eine Lithographie, den Plan der Ravensburg darstellend.
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setzungen, nach dem stets vorkommenden wendischen Bestattungs-Ritus, gewesen waren. Dies bestärkte den Vorsatz, bei Neubrandenburg Nachgrabungen anzustellen. Während der Zeit erbat ich, der Pastor Boll, vom Magistrate der Stadt Neubrandenburg Erlaubniß zu Nachgrabungen, welche auch bereitwillig ertheilt ward.

Am 24. Sept. 1839 trafen wir in Neubrandenburg wieder zusammen und begannen sogleich unsere Nachforschungen, mit Hülfe des Studiosus Boll aus Neubrandenburg und der beiden Gymnasiasten Brückner aus Ludwigslust, und in freundlicher Gegenwart des Herrn Raths Dr. Brückner, des Herrn Raths=Secretärs Siemssen, Mitglieder des Vereins, und des Herrn Hauptmanns von Sprewitz.

Wir begannen die Nachgrabungen auf dem Rosenplan, wo wir die Steinlagen aufdeckten. Wir fanden behauene und gespaltene Steine und unter diesen auch gleich einen uralten seltenen Keil aus Hornblende (aus der Zeit der Hünengräber), dessen beide Enden abgeschlagen waren, der also schon zum Pflasterstein oder Werkstein behauen und benutzt war, daher eine jüngere Anwendung verrieth. Das Fragment, 4" lang, ist sehr regelmäßig bereitet und geschliffen. Trotz der größten Aufmerksamkeit, mit der wir überall nachgruben, wo sich Steine zeigten, fand sich doch nichts Alterthümliches.

Wir beschlossen daher, in der Ravensburg unser Glück zu versuchen. Freilich war bei der großen Ausdehnung der Umwallung die Aussicht auf einen Fund sehr entfernt: denn wo sollten wir die Wünschelruthe schlagen lassen? - Wir wählten die erste, beste freie Stelle gegen die Mitte der innern Umwallung und fanden sogleich Scherben von grobkörnigen Urnen mit Verzierungen, welche den bei Rülow gefundenen (vgl. oben S. 71 ff.) vollkommen glichen und allein der wendisch=heidnischen Zeit zuzuschreiben waren. Die Sage von der Ravensburg fiel und es entwickelte sich die Annahme eines heidnisch=wendischen Opfer= (Lager= oder Begräbniß=) Platzes.

Wir wählten eine zweite Stelle unmittelbar am innern Wallring, nicht weit von der Einfahrt. Auch hier traten uns sogleich kaum einen Fuß tief dieselben Erscheinungen entgegen: zahlreiche Scherben von heidnischen Urnen mit und ohne Verzierungen, mit Kiessand und Glimmer durchknetet, und schwarz berußt, so wie auch weiß calcinirte Feuersteinstücke. Auch fanden sich gespaltene rothe Sandsteine. Am interessantesten war jedoch die Auffindung vieler Fragmente von Lehmziegeln. Diese sind gelb und röthlich gebrannt und häufig von Rauch

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geschwärzt; sie sind sehr leicht und porös, mehr oder weniger stark mit Sand in der Masse gemischt; manche sind an einer Seite ausgehöhlt, als hätten sie zu Urnenmänteln gedient, andere sind ganz eben, überall von gleicher Dicke, und zeigen offenbar die Benutzung eines Streichholzes zur Verfertigung. Es sind dies die ersten wendischen Ziegel, welche in Meklenburg gefunden sind. Unter allen diesen Resten eines vorchristlichen Alterthums lagen mehrere Thierknochen, vollständig oder auch nur in Splittern und Bruchstücken, jedoch ohne alle Spuren von Brand; sie stammen also entweder von geschlachtetem oder von gestürztem Vieh. Die noch erkennbaren Gebeine sind 1 ): "der calcaneus (Fersenbein)" vom rechten Hinterfuße eines Rindes, ein noch nicht völlig entwickelter letzter Backenzahn eines Schweines mit einem Fragmente vom Unterkiefer und der größere Theil einer tibia (Röhrenknochens) wahrscheinlich ebenfalls von einem Schweine.

Diese Umwallung gleicht in jeder Beziehung dem oft besprochenen Opferplatze bei Schlieben 2 ). Eine weitere, gewissenhafte Forschung über diesen Platz, der seines gleichen bisher in Meklenburg noch nicht gefunden hat, dürfte unzweifelhaft zu interessanten Ergebnissen führen. Eine solche Forschung in den nächsten Jahren anzustellen, habe ich, der Pastor Boll, im Auftrage des Vereins mit Freuden übernommen.

B. Aufgrabungsbericht
des
Herrn Pastors Boll zu Neubrandenburg.

Den 25. September 1839 Nachmittags, am 1. October und den 19. October Nachmittags sind die mit dem Herrn Archivar Lisch in der Ravensburg begonnenen Nachgrabungen von mir fortgesetzt worden. Gewöhnlich begleiteten mich dabei mein Bruder (der Studiosus Boll), die beiden Gymnasiasten Brückner und der Holzwärter Müller. Außerdem sind mehrere Nachmittage mit Ausmessung und Aufnahme des Terrains zugebracht, und der darnach entworfene Plan am 15. Jan. 1840 unter günstigen Umständen verificirt worden.

I.

Das Gehölz, in welchem die unter dem Namen Ravensburg bekannte Umwallung sich befindet, ist fast 1/2 Meile von


1) Nach gütiger Bestimmung des Herrn Professors Stannius zu Rostock.
2) Vgl. Klemm germ. Alterthumskunde S. 344 statt weiterer Citate. - Aehnliche Resultate haben seitdem auch die Nachgrabungen auf dem "Mönch" bei Halberstadt gegeben; vgl. Neue Mitth. des thür.=sächs. Vereins IV, 4, 1840, S. 153 flgd.
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Neubrandenburg jenseit des Datze=Baches gelegen, und stößt an die Wiesen von Küssow und den ihlenfelder Busch. Es bestehet dem größten Theile nach aus sumpfigem Erlenbruch; nur die höher gelegenen Stellen sind Eichwald. Der Burgplatz selbst ist eine von Eichen und Gestrüpp dicht bewachsene Horst in einem tiefen Bruche, die zwar gegen Süden ziemlich nahe an den Eichwald reicht, von den übrigen Seiten aber durch den umgebenden Bruch in nasser Jahrszeit völlig unzugänglich wird. Die Horst wird von dem mittleren Walle (d b e) und dem nach außen gelegenen Theile des innern Walles (e f d) eingefaßt; die unregelmäßige Gestalt des Walles rührt lediglich daher, daß man bei Aufwerfung desselben der natürlichen Begrenzung der Horst nachging, so daß der mittlere Wall und der bezeichnete Theil des inneren Walles genau die Horst von dem Bruche scheiden.

Der mittlere, am Rande der Horst umlaufende Wall (d b e) hat eine Höhe von gegen 16 Fuß. Seine Länge beträgt 562 Schritte; von dem äußeren Walle ist er (a bis b) 60 Schritte, von dem innern (b bis c) 90 Schritte entfernt. Das Erdreich desselben ist von beiden Seiten her, vornehmlich aber von der äußeren Seite her aufgeworfen. Dadurch ist ein gegenwärtig noch deutlich erkennbarer, tiefer und breiter Graben gegen den Bruch hin entstanden. Aber auch an der innern Seite des Walles läuft eine starke Austiefung von gegen 2 Ruthen Breite umher, die bei hohem Wasserstande sich ebenfalls mit Wasser füllt, und durch die darin aufgeschlagenen Erlen und Schilf ganz das Ansehen eines verschlammten Wallgrabens darbietet.

Der innere Wall (d c e f) bildet einen nicht ganz regelmäßigen, aber geschlossenen Kreis von 294 Schritt im Umfange; sowohl von c bis f, als von d bis e hat er 83 Schritte im Durchmesser. Die Höhe des Walles ist aber ungleich: nämlich die nach dem Bruch zuliegende Hälfte (e f d) hat gleiche Höhe mit dem mittleren Walle und ist eben so wie dieser von beiden Seiten heraufgeworfen, mit dem breiten, tiefen Graben nach der Außenseite, und mit der von Erlengebüsch und Schilf gefüllten Vertiefung nach innen. Die andre, nach innen gekehrte Hälfte des Wallringes (d c e) ist bedeutend, wohl um gute Mannshöhe, niedriger, weil dieser Theil des Walles nur von einer und zwar von der äußern Seite her aufgeworfen ist. Um diese Seite läuft ein tiefer Graben, dessen Ränder noch deutlich zu erkennen sind, und der das Erdreich zu dem Walle geliefert hat; an der innern Seite aber ist keine Spur von Austiefung zu finden, so augenfällig diese auch bei der andern Hälfte des Ringes (d e f) hervortritt. Bei d

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und e reicht der mittlere Wall an den innern ganz nahe heran, und bleibt nur in der Breite des Grabens d c e von demselben entfernt, so daß dieser Graben ohne Zweifel mit dem um die Außenseite des mittleren Walles laufenden Graben hier in Verbindung stand. Spuren von Brücken, die vielleicht vom mittleren alle auf den inneren führten, habe ich nicht entdecken können.

Endlich der äußerste Wall (f a g), 513 Schritte lang, befindet sich mitten im Bruche. Größtentheils ist er sehr niedrig, so daß er sich an manchen Stellen kaum über den Bruch erhebt; an andern Stellen hat er Mannshöhe, an den höchsten wohl 8 Fuß. Allem Anscheine nach ist er nur von außen zu aufgeworfen. Bei g nähert er sich dem mittleren und bei f dem innern Walle, so daß er nur durch die hier befindlichen Gräben von ihnen getrennt wird. Der Bruch zwischen dem äußern und zwischen dem mittlern Walle und der Strecke d f des innern Walles liegt so niedrig, daß er im Frühjahr gewöhnlich einen Teich von gegen 2 Fuß Tiefe bildet.

Nach der großen Stadtkarte mißt der vom mittlern und innern Walle eingeschlossene Raum (die eigentliche Horst) 885 □Ruthen, der Raum aber zwischen dem äußern und mittlern Walle 706 □Ruthen.

II.

An der auf dem Plan bezeichneten Stelle innerhalb des inneren Walles, wo in Gegenwart des Herrn Archivars Lisch die Nachgrabungen begonnen waren, habe ich dieselben auch fortgesetzt; der aufgegrabene Raum am innern Rande des Walles hat 1 1/2 Ruthen Länge und geht bis auf Mannshöhe in das Erdreich des Walles hinein. An andern Stellen in größerer Entfernung sowohl vom innern als auch vom mittleren Walle habe ich mit einer eisernen Stange das Erdreich untersucht, bis jetzt aber noch nichts von Bedeutung auffinden können. Die aufgegrabene Stelle aber lieferte folgende bemerkenswerthe Gegenstände, die fast alle in dem Aufschutte des Walles selbst oder in dem Urboden unter dem Aufschutt sind gefunden worden:

1) Eine Menge bearbeiteter Feldsteine (besonders Granit und Sandstein) zum Theil zu kleinen Pflastern zusammengefügt, unter denen Urnen befindlich waren; ferner an beiden oder an einer Seite bearbeitete Steine von 1/2 bis 1 Fuß Länge (auf mehreren derselben standen Urnen); ferner ganz dünne Steinplatten, zwischen denen einzelne Knochen lagen, die der Herr Rath Kirchstein für Menschenknochen erkannte; endlich Bruchstücke von Sandsteinen, die das Ansehen

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Plan der Ravensburg bei Neu-Brandenburg
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von Schleifsteinen haben. Einer derselben scheint offenbar als Schleifstein benutzt zu sein.

2) Aus Lehm gebrannte Steine, sowohl von rother Ziegelstein=Masse, wie sie Herr Archivar Lisch oben beschrieben, als auch von sehr harter gelber und schwarzgrauer Masse; weniger gehärtete Lehmmassen scheinen zur Verkleidung der Urnen gedient zu haben.

3) Feuersteine in großer Menge, die größtentheils zum Feueranschlagen gedient zu haben scheinen; auch ein kleines Feuersteinmesser von 1 1/2 Zoll Länge, vielleicht nur Bruchstück eines größeren.

4) Holzkohlen und Asche in großer Menge, theils einzeln, theils in förmlichen Lagern. Bei einem großen Kohlenlager, 4 Fuß tief im Walle und 2 Fuß über dem Urboden, das sich, so weit es aufgedeckt ist, 6 Fuß in die Länge erstreckt, habe ich meine Nachgrabungen für das Jahr 1839 einstellen müssen. In diesem Kohlenlager fand sich das erste Metall, vom Roste gänzlich zerfressenes Eisen, ungefähr 1 Zoll breit und 8 Zoll lang, gebogen wie eine Sichel; es zerbrach mir unter den Händen. Desgleichen ein Stück Eisen in Form eines Schnallenbügels, an dem eine Seitenspange ausgebrochen.

5) Sowohl einzeln, als besonders in den Aschenlagern große Anhäufungen von Thierknochen. Ich habe die verschiedenen Gebisse und Zähne ausgesucht, und Herr Professor Wiegmann zu Berlin hat die Güte gehabt, dieselben zu bestimmen. Sie gehören Schweinen, Kälbern, Rindern, Rehen und Hirschen an; auch sind Zähne darunter, die wahrscheinlich einem Auerochsen angehörten. Herr Prof. Wiegmann bemerkt: "die genera sind gewiß nicht verfehlt; über die Arten kann nur Vergleichung mit Schädeln entscheiden".

6) Kleinere Urnenscherben finden sich in dem Aufschutt des Walles in großer Menge; den zum Theil sehr sorgfältig verzierten Rändern nach zu urtheilen, haben sie mehr als 100 verschiedenen Urnen angehört. Zum Theil sind sie von Feuer geschwärzt, zum Theil haben sie ihre natürliche braune Farbe. Sehr auffallend ist es mir gewesen, daß sich nur wenige Bruchstücke darunter finden, die einer und derselben Urne angehört haben. Zwei Bruchstücke eines Urnenrandes glaube ich noch besonders erwähnen zu müssen; sie passen im Bruche auf das genaueste zusammen; eins derselben aber ist gänzlich von Feuer geschwärzt, das andre hellbraun.

7) Ganze Urnen sind bis jetzt nur sechs gefunden. Sie standen im Aufschutte des Walles auf einer der unter l) beschriebenen Steinplatten, und waren von oben ebenfalls durch

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eine Steinplatte oder ein Pflaster von kleinen Steinen geschützt. Sie waren nur mit erdiger Asche angefüllt. Unzerbrochen sie zu Tage zu fördern war zwar nicht möglich, weil sie von Baumwurzeln fast gänzlich um= und durchwachsen waren. Von der größten habe ich jedoch einen bedeutenden Theil vermittelst gummi arabicum wieder zusammenfügen können; sie mißt einen Fuß am Rande im Durchmesser, ist auf einer Seite vom Feuer geschwärzt, auf der andern nicht.

III.

Die älteste schriftliche Nachricht über die sogenannte Ravensburg ertheilt im J. 1610 der damalige Rector der neubrandenburger Schule, Latomus, in seinem Genealochronico Megapolitano. Es heißt daselbst bei Westphal Tom. IV, pag. 225: "Des folgenden Jahres 1248 hat hochgedachter Markgraf von Brandenburg oder fünfte Kurfürst zu Landsberg Johannes I. seinen getreuen Lehnmann, Alberus Raven genannt, so in der Nähe in einem Morast und Holtzung, so noch heutiges Tags die Ravensburg genannt wird, und mit dreien unterschiedlichen Wällen zum Gedächtniß ansichtig ist, gewohnet hat, in Gnaden anbefohlen, eine neue Stadt auf der Grenze zu bauen, und sie nach der Hauptstadt in der Mark Brandenburg, Neuen Brandenburg zu nennen". - Diese Notiz ist von späteren Geschichtsschreibern, wie Klüver, von Behr u. a. ausgeschrieben worden. Erst von Hacke in seiner "Geschichte der Vorderstadt Neubrandenburg 1783" scheint wieder die Ravensburg aus eigener Anschauung zu erwähnen S. 5: "Sein (des Alberus von Raven) Rittersitz war schon vor Erbauung der Stadt die Ravensburg, ohngefähr eine Stunde von der Stadt Neubrandenburg bei dem Dorfe Ihlenfeld. Die Veste, wovon die Grundmauern noch zu sehen, ist mit 3 Wällen umgeben, und liegt mitten in einem morastigen Walde". Seine Bemerkung über die Grundmauern der Veste ist mir besonders deshalb auffallend, weil von Hacke in der genauesten Verbindung mit Gideon Sponholz stand 1 ), und wie seine Chronik S. 12 bezeugt, der Gefährte seiner Nachgrabungen gewesen ist.

Im Jahre 1817 wurde die Ravensburg Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung. Der Herr Rath B. Funk hieselbst stellte in den "Nützlichen Beiträgen zu den Neuen Strelitzischen


1) Seine Chronik von Neubrandenburg ist zunächst aus Sponholzens Sammlung von Urkunden entstanden und auf Sponholzens Kosten gedruckt worden.
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Anzeigen" No. 39 vom 24. September die Vermuthung auf, die Ravensburg sei ein ähnliches heidnisches Heiligthum gewesen, wie die sogenannte Herthaburg auf Rügen. Die Aehnlichkeit der Lage beider ist sein Hauptargument. Auch macht er auf die für eine Ritterburg ganz ungewöhnliche Lage der Ravensburg aufmerksam, und bemerkt ausdrücklich: "Von Steinhaufen, Fundamenten und irgend einigen Resten von Gebäuden ist nirgends die allergeringste Spur". - Mein Vater, damals Prediger zu Neubrandenburg, vertheidigte dagegen in No. 41 desselben Blattes vom 8. October die gewöhnliche Meinung über die Ravensburg, auf Latomus Zeugniß sich stützend; für die ungewöhnliche Lage derselben fand er hinreichende Veranlassung in der ungemeinen Festigkeit, welche diese Oertlichkeit ihr giebt. Seiner Ansicht pflichtete auch Herr Pastor Sponholz zu Rülow (damals Subrector an der hiesigen lateinischen Schule) in No. 43 und 44 vom 22. und 29. October bei, der unter anderm sagt: "In dem innern Raume konnte ich bei allem Suchen nur einige Stücke von Feldsteinen finden, deren eins aber ganz deutliche Spuren von bearbeiteten Seitenflächen verräth". Auch stellt er die Frage: "Ob denn aber in der Burg nicht ein Erdbohrer oder Nachgrabungen mehr vom Fundamente finden möchten, als meinen Stein, der eine bearbeitete Seitenfläche zeigt?" Nachgrabungen haben nun zwar begonnen, freilich ohne das Fundament einer Burg zu Tage zu fördern. Aber um ein entscheidendes Resultat herbeizuführen und gesicherte Aufschlüsse über diese Umwallung zu geben, bedarf es noch weit umfassenderer Untersuchungen, als bis jetzt haben statt finden können. Sobald es die Jahreszeit erlaubt, werde ich die Nachgrabungen mit allem Eifer fortsetzen.

Neubrandenburg, den 31. Januar 1840.

F. Boll.