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IX.

Nachricht

von

einem überaus seltenen, in Stralsund geschriebenen und zu Rostock gedruckten Buche von J. Crützeberch, vom Jahre 1526 , theologischen Inhalts.

Von

Dr. Gottl. Mohnike,
Consistorial= und Schulrathe und Superintendenten der Stadt Stralsund.


D as Buch, von welchem ich hier eine Beschreibung nebst einigen Stellen mittheilen will, gehört ohne alle Frage zu den allerseltensten Ueberresten aus dem Reformationsjahrhunderte, und sieht man auf den Ort, wo es geschrieben worden ist, so wird diese Seltenheit noch gesteigert. Die größten Litteratoren und Bibliographen haben es nicht gekannt: - weder Maittaire noch Panzer gedenken desselben; alle Sammler von Nachrichten über die Reformationsgeschichte schweigen, so viel ich weiß, davon; nur der einzige Hermann von der Hardt führt es in dem von ihm angefertigten Verzeichnisse der auf der Bibliothek zu Wolfenbüttel vorhandenen Autographen Luthers und seiner Zeitgenossen an 1 ), und das von diesem angeführte Exemplar ist es, dessen Beschreibung hier geliefert werden soll. Scheller in seiner Bücherkunde der Sässisch=Niederdeutschen Sprache 2 ) theilt nach eben diesem Exemplar den Titel mit und fügt hinzu: es finde sich wahrscheinlich noch ein Exemplar des Buches auf der akademischen Bibliothek zu Helmstädt. Im Jahr 1831 war das Büchlein feil in der Versteigerung der von dem Professor


1) Autographa Lutheri et Coaetaneorum ab A. 1517 usque ad A. 1546. T. III. Helmest. 1693. 8. p. 143.
2) Bücherkunde der Sassisch=Niederdeutschen Sprache, hauptsächlich nach den Schriftwerken auf der Bibliothek zu Wolfenbüttel, von Karl Scheller. Halberst. 1826. 8. S. 179.
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Dr. Kaulfuß zu Halle und von einigen Andern hinterlassenen Bibliotheken 1 ), und wie ich erfahren, hat der Herr Präsident von Meusebach zu Berlin es für die bedeutende Summe von funfzehn Thalern erstanden; es muß also dieser große Kenner von Büchern aus dem sechszehnten Jahrhundert auf die kleine Schrift einen großen Werth setzen. Zwei Exemplare sind demnach, so viel ich weiß, zur Zeit nur bekannt; daß ich das wolfenbüttelsche hier beschreiben kann, verdanke ich dem gegen alle Gelehrte, auch wenn sie ihm persönlich nicht bekannt sind, höchst gefälligen Herrn Bibliothekar Schönemann zu Wolfenbüttel.

Um mit dem Verfasser des Büchleins, eines asketisch= und didaktisch=polemischen Gedichts gegen die Papisten und überhaupt gegen die Gegner der Reformation, besonders hier in Stralsund, zu beginnen, so kann ich von diesem nichts Bestimmtes sagen. Der Name Crutzeberg oder Kreuzberg, eigentlich kein anderer als der, den Luthers Freund und College Cruciger führte, ist mir in den pommerschen Chronikanten und in Nachrichten aus jener Zeit nicht vorgekommen. Ein Stralsunder muß dieser Johann Crutzeberch gewesen sein, ein eifriger Anhänger der Reformation; und doch gedenken seiner weder Johann Berkmann und Bartholomäus Sastrow, noch die andern Berichterstatter über die Einführung der Reformation hier in Stralsund; die alten Spottlieder gegen die Prediger der neuen Lehre hieselbst schweigen von ihm 2 ) - in den Acten des Magistrats und des Ministeriums ist Alles stille über ihn - kein pommerscher Prediger jener Zeit, kein Lehrer auf der Hochschule zu Greifswald hat Crutzeberg geheißen - auch findet sich dieser Name nicht in dem Album der greifswalder Universität 3 ), auch nicht in denen der Hochschulen zu Rostock 4 ) und vormals zu Wittenberg 5 ). Es liegt daher sehr nahe, bei diesem Namen an einen Pseudonymus zu denken, und es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß unter demselben ein damaliger Stralsundischer Geistlicher verborgen ist, von denen mehrere den Vornamen Johannes führten 6 ). Eine solche Verschleierung des wirklichen Namens lag ganz in dem Sinn und der Weise jener Zeit: in dem Büchlein sollte aber eben gelehrt werden, wie ein


1) Katalog dieser Bibliotheken, Halle, 1831. S. 347. Nr. 8775.
2) Sie stehen abgedruckt in der Ausgabe der Berkmannschen Chronik von mir und Zober. Stralsund, 1833.
3) Ich habe es sorgfältig durchsucht.
4) Wenigstens nicht in den Auszügen aus demselben in dem Rostocker Etwas.
5) Jüngst herausgegeben von dem fleißigen und verdienten Förstemann zu Halle.
6) Johann Küreke, Johann Knipstro, Johann Berkmann, Johann Nigeman.
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Christ das Kreuz tragen soll. Sollte nicht Johann Aepinus, nachheriger Superintendent zu Hamburg, unter diesen Namen sich versteckt haben? Dieser war 1525 Vorsteher einer Schule hier in Stralsund, nahm an den Reformationsbewegungen eifrigen Antheil, stand mit den angesehensten Stimmgebern in der Stadt in freundschaftlichen Verbindungen, ja wurde von diesen mit solchem Vertrauen beschenkt, daß er mit der Abfassung der ersten stralsundischen Kirchenordnung und gerade im Jahr 1525 beauftragt wurde. Und sicher war Johann Aepinus auch der gebildetste und gelehrteste unter den damaligen Theologen in der Stadt. In jedem Fall wird die Zahl der pommerschen und namentlich der stralsundischen Dichter des sechszehnten Jahrhunderts durch unsern Johann Crutzeberg vermehrt, und wir Stralsunder brauchen uns seiner nicht zu schämen. Mit der letzten Sylbe des Namens steht der Geschlechtsname des Johannes Aepinus, Höck oder Hoch (αιπεινός), wenigstens in einer Sinnverwandtschaft.

Bekannter als unser Dichter ist mir der Freund, dem er sein Buch zugeschrieben hat, Ludewig, oder wie er in Urkunden und bei Chronikanten jener Zeit heißt, Ladewig oder Ladewich Vischer. Dieser Mann war einer der eifrigsten Anhänger der Reformation in unserer Stadt, ein genauer Freund von Franz Wessel, dem eigentlichen Begründer der Reformation hier in Stralsund 1 ), und hat in den stürmischen Auftritten, mit welchen die Kirchenverbesserung hier in Stralsund begann, eine sehr wichtige Rolle gespielt; man sehe Berkmann (S. 35), die Spottlieder (ebendaselbst S. 244) und Sastrow (1, 37). Mitglied des Raths, wie sein Freund Franz Wessel, ist Ladewig Vischer nie gewesen, obgleich auch er mit unter denen war, welche das Regiment der Acht und vierzig gegen den Rath aufrichteten 2 ); als erstes Mitglied der Kirchen=Admicnistration zu St. Nicolai wird er aber in dem Anhange zu einer Rathsverordnung vom Jahr 1527 genannt 3 ). Mehr als dieses weiß ich denn freilich auch nicht von ihm.


1) Sein Leben von Gerd Dröge (Rostock durch Stephan Möllemann gedruckt 1570), abgedruckt in der Ausgabe des Sastrow Th. 3 S. 279 u. s. w. und nach Dröge von E. H. Zober in der Wochenschrift "Sundine" 1837, Nr. 99 - 104. Man vgl. auch Zobers Ausgabe von Franz Wessels Schilderung des katholischen Gottesdienstes seiner Zeit in Stralsund. Stralsund 1837. 4.
2) M. s. "die Acht und vierzig oder die Einführung der Kirchenverbesserung in Stralsund" von Dr. Carl Ferdinand Fabricius. Stralsund, 1835. Ein treffliches Buch, voll tüchtiger und gründlicher Forschung.
3) M. s. das Vorwort zu der Ausgabe von Berkmanns Chronik. In der Rathsverordnung heißt Vischer auch Ladewig.
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Der Druckort des Büchleins ist Rostock, Stralsund und Greifswald erhielten ihre ersten Pressen erst zur Zeit des dreißigjährigen Krieges 1 ). Ludewig Dietz, gebürtig aus Speier, spielt in der ältesten Buchdruckergeschichte Rostocks eine wichtige Rolle; seine Officin hatte er schon im Jahr 1510 daselbst angelegt. In dem "Etwas von gelehrten Rostocker Sachen" Jahrg. 4 (1740) wird viel von ihm gesprochen; von Seite 567 an wird auch ein Verzeichniß der bei ihm erschienenen Bücher geliefert - doch Crutzebergs Gedicht sucht man auch hier vergebens. Es wird sich also auch wohl nicht in Rostock finden. Druck und Papier machen der Officin des Ludewig Dietz alle Ehre.

Das Gedicht zeichnet sich durch Inhalt und Sprache aus, und verdient ohne Frage bekannter zu werden, als es bisher gewesen ist; es kann mehreren Gedichten von Hans Sachs an die Seite gestellt werden, auch erinnert es an manche deutsche Poesien von Ulrich von Hutten. Trotz des ernsten Inhalts geht doch ein humoristischer Zug durch das ganze Gedicht; die Polemik kleidet sich nicht selten in scharfen Witz. Das Niederdeutsche oder Sassische ist vortrefflich - der Dichter ist seiner Sprache Meister gewesen 2 ); er versificirt und reimt ungezwungen und leicht, nur sehr selten ist der Reim mangelhaft; die dialogische Einkleidung war eine der poetischen Lieblingsformen jener Zeit, und für den Inhalt des Gedichts und den Zweck des Dichters paßte sie hier sehr gut. Das ganze Büchlein verdiente in sprachlicher Hinsicht einen Abdruck. Aus den hier mitgetheilten Proben ist ein Schluß zu machen auf das Ganze. Die Interpunction weicht von der unsrigen sehr ab; in den Versen auf dem Titel, in welchen das Büchlein selbst redend aufgeführt wird, habe ich sie als Probe beibehalten. Oft steht hinter jedem Verse ein Punct.

In dem Jahre, in welchem das Gedicht geschrieben wurde, 1525, hatte die Stadt Stralsund, völlig unabhängig von den Fürsten von Pommern, als welche noch bis 1534 sich zu der alten Lehre bekannten, die Reformation bei sich eingeführt, sich, wie oben gesagt, durch Johann Aepinus eine eigene Kirchen= und Schulordnung anfertigen lassen und überhaupt das kirchliche Wesen regulirt. Ein Theil des Magistrats und viele Bürger waren aber noch der alten Lehre zugethan; die aus der Stadt


1) Geschichte der Buchdruckereien in Stralsund. Strals. 1833.
2) Daß Aepinus seine Sprache verstand, geht aus seinen trefflichen niederdeutschen Briefen an den Magistrat zu Stralsund hervor, in denen er diesem von Hamburg aus den Johann Frederus empfahl. Johannes Frederus Th. 1, S. 16.
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verjagten, oder vielmehr aus Unmuth freiwillig fortgezogenen katholischen Geistlichen, so wie diejenigen, welche zurückgeblieben waren, ließen es an allerlei Machinationen nicht fehlen, und belangten die Stadt sowohl bei den Landesfürsten, als auch bei dem Reichskammergerichte; die Fürsten waren der Stadt, ihres Ansehens und ihrer Privilegien wegen, überhaupt nicht gewogen; der eine von den beiden, Georg, ein Pflegling von Luthers Feinde Herzog Georg von Sachsen, war ein eifriger Katholik. Das Büchlein war also recht ein Werk zu seiner Zeit.

Das Buch besteht aus neunzehn Blättern in Ouart, ohne Blatt= oder Seitenzahlen, jedoch mit Signaturen. Nach Eiij folgt noch ein Blatt. Duernen. Die Custoden fehlen. Marginalien sind ziemlich häufig, fast nur Angaben von Bibelstellen. Die Titeleinfassung ist außerordentlich schön: eine der schönsten, die ich aus jener Zeit kenne.

Die Schlußzeilen, in gereimten Versen, nennen Jahr und Tag, den Druckort aber nicht. Sie lauten:

Dusent vyffhundert na Christi geborth,
Dar na jm soßvnndetwyntygeste y ae r also vorth.
Des teyenden dages Januarij,
Hefft Ludwych Dietz gedr ue cket my.

Hier der Titel des Buches, nebst der Anrede desselben an den Leser, und die Vorrede an Ludwig oder Ladwig Vischer - vollständig:

Eyne korte berych=
tynge vnd vnderwysinge wedder de,
so Gades wort hören ock beleuen, vn
dat Crütze nicht wyllen dreghen, vth
Godliker schryfft jn düdesche versche
voruatet, eynem yderen Christ=
gelöuygen Mynschen gantz
noth thoweten.
~ Dyth b oe ckßken secht thom Leser. ~

Schal yck dy korth bescheyt geuen?
Worumme yck sy gheschreuen.
Wultu Gade recht vortruwen.
Up em holden vnde buwen.
So mostu wedderstal 1 ) lyden.


1) Widerstand, Feindschaft und Verfolgung.
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Myt den falschen Christen stryden.
Ume Chrystus wyllen spoth dragen,
Ja lyff vnde gudt dartho waghen.
So dy Godt det Cr ue tze beschert,
Des wes 1 ) berychtet vnde gelerth.
Wem dyth geuelth 2 ) mach my kopen,
Deme nicht, mag van my lopen.
Nemant segal 3 ) my don vornichten,
Sunder he k oe ne my beth thorichten 4 ).
                     M. D. XXvj.

Dem Ersamen Ludwich Vischer

Mynem Christliken gunre vnde patron, Gnade und frede
jn Christo, Amen.

Gunstyge gunre vnde broder jn Christo, jw ys nicht vorborge, jn wat d ue sternysse des erdoms wy langhe yaer vme vnser sunde vnde vorachtynge wyllen des Godliken wordes ghelegen hebben, ßo dath wy dorch Gades vnh ue lde jn den vnuorstandt vnde blyntheyt der vormaledyunge geuallen, welcker Esaias van den, de erer heyms oe kynge nicht wachten, jm vefften beschrifft. Na desser wyse. We den, de seggen dat b oe se gudt, vnde dat gude b oe se, de d ue sternysse setten jnth licht, vnde dat licht jn d ue sternysse, de dat bytter jnth ß oe te, vnde dat sote inth bytter setten. Dyth tho beweren 5 ) ys nicht noth, de wyle wy der werlde, vnde flesches wollust vor gudt, vnde dat Cr ue tze b oe se geschattet. Mynschen lere de rechte d ue sternysse, bauen dat licht, dat godlike wort gheholden, yck swyge geerth vnd ghefr ue chtet, der mynschen h ue lpe, vnde trost der Creatur, bauen den h oe pen jn Godt 6 ) erhauen vnd gepryset hebben. Ja yck wolde leuer dat yck l oe gen, gelick Mycheas jm 2 secht, geredet hedde, ju deme wy yd 7 )myt vnsem groten schaden jn der wahrheyt ßo befunden. Auer God eyn vader der Barmherticheyth, de nicht wyl dath ghestotte v oe r, Also Esaie jm 42. steyt, thobreken, hefft vns nu weddergesenth syn gnadenryke vnde d ue rbar wort, vp dath he vns noch van der blyntheyt errede vnde vorluchte. Welck nu dechlick by vns (Gade sy Dauck) gelert vnde ghepreddyket werth, deme gy sampt anderen framen Christen, vth Gades gnaden, synth tho ged ae n vnde gantz geneget 8 ). Der haluen gy van den Gadeslastereren nicht ane spot vnd voruolgent blyuen werden, ya jn deme yd eyn wort des Cr ue tzes, 1. Corin. 1. von Paulo gen oe met wert,


1) sei.
2) gef ae llt.
3) soll. Segal wohl Druckfehler für schal.
4) Niemand soll mich eher vernichten, erkönne mich denn besser machen.
5) Hier wohl: Dieses zu beweisen, wie es in dem Gedicht einigemal vorkommt. Das plattdeutsche beweren hat gar vielerlei Bedeutungen.
6) weit, ue berm ae ßig, hoch ue ber Gott.
7) es.
8) geneigt.
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dat cr ue tze vp jw laden ßo gewysse gy dem Euangelio volghen. Wolan, jn deme yd Gade ßo geuelth schal nement vortzagen, also wedderu oe re eme ychteßwath seltzens 1 ); Vnse here Christus hefft yo ßzo ghespraken, Marci 8. Wol 2 ) my wyl nauolghen, de vorsake 3 ) syck suluest, vnde neme syn cr ue tze vp syck, vnd volge my na, wente wol syn leuent wyl beholden, de wert yd vorlesen 4 ), vn wol syn leuent vorl ue st, vmme mynen vn vme des Euangelij wyllen, de wert yd beholden. So moth yd myt den Christgel ae uige gan vnde nicht anders, wyllen se Gades ryke besjtten, dar tho ys dat cr ue tze dat vns God vplecht de alder eddelste frucht, dar dorch vnse geloue mach bewert, ge oe uet, vn gestercket werden. De hylge Paulus hefft nicht ane orßake 2. Timo. 3. geschreuen. Alle de godßzalighen wyllen leuen jn Christo Jesu, m oe ten voruolgjnge lyden. Schal de b oe sewycht Sathan, eyn Forste der werldt, Johan. 14. syn ryke vorlesen, ßzo werth he ane twyuel nicht slapen, men Baals presterschop, ere anhagers ya alle godlosen, syne ledemate 5 ) regen vn wedder de Christe erwecken. Auer wat werden se alle vpyagen vnde vthrichten. De jn vns ys, de ys groter alse de jn der werld ys, Johan. 4 etc. .

Myt korte, dyt ys de orsake, yck dyt Boeckske jn d ue deßke verscke na mynem vorstande, hebbe thohope ghebracht, jn den dr ue ck dorch frunde bede 6 ) gestellet, vnde jw thogeschreuen (nicht dath yck der menynge sy jw tholere, edder gy myner vnderwysyinge, de kleyn ys, beh oe uen 7 ), men vme der swackm oe dygen vn sympele wille, de syck noch vor nyger tydinge vu erdichteden fabelen der godlosen lichtlyck laten vorschrecken, vnd alse Paulus Ephe. 4. secht, weyge vor allerleye wynde der lere. Dat se yo Christo vast vertruwen, synem worde gel oe uen, vor dem cr ue tze fr oe lick blyue bestan, wente yd ga wo yd ga 8 ), alle dynck moth den, de God leuen.(wedder der b oe sen wyllen) thom besten denen. Roma. 8. Bydde gy wyllen dessen kleynen arbeyth 9 ) van my Christlick annemen, so lange God eynen beteren gyfft, vn nicht vorsmaden 10 ), des yck my tho jw vast vnde wysse vorsee. God geue vns syne gnade. Dat. Stralsundt des 3. dages Januarij. Anno 1526.

Joannes Cr ue tzeberch.

Das Gedicht ist, wie gesagt, in dialogischer Form; Meister und Schüler unterreden sich. Der Meister hebt klagend an:

Ach tr oe ste God desse elenden noth,
Wo ys der mynschen kumer ßzo groth.


1) irgend etwas Seltenes, Seltsames.
2) wer.
3) verleugne.
4) verlieren.
5) Mitglieder.
6) um Freundesbitten gestellet und euch zugeschrieben.
7) oder daß ihr meiner Unterweisung - - bed ue rfet.
8) denn es gehe, wie es gehe.
9) Das Wort Arbeit kommt im Altplattdeutschen oft als ein Masculinum vor.
10) verschmähen
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und beschwert sich über das Elend der Zeit, besonders über den Abfall von Christo und dem rechten Glauben, welches überhaupt das Thema des ganzen Buches ist. Der Schüler geht auf die Sache ein , und sagt unter andern:

Ick besorge my des vorw ae r sere,
Dat gantz sw ae r de valsche lere
Werde vthgeradet, vnde vordreuen,
Sunder God moste vns synen geyst geuen;
Wente se hebben de ae uerhanth genamen,
Dat se jn den bruck synth ghekamen.
Vnde men nu nicht anders vorsteyth,
Jd sy de rechte luttere w ae rheyth.
Dar vp h oe lth de dre ghekr oe nde Affgodt,
Des deyt em byual all syn bescharen roth 1 ).
Sampt den hucheleren vnde Sophisten,
Allen valschen vnde b oe sen Christen.
Ja de Gades worth ock dechlick h oe ren,
Laten syck noch apen vnde bed oe ren,
Dat se stercken allen valsche lere
Dat maket gelth vnde tydlike ere.
Dath ys vorw ae r eyn groth vngeual,
Ick fr ue chte yd ganz sw ae r werden schal.
De warheyt vor den ghemeynen man r ue cken
Vnde alle valsche lere vnder thodr ue cken.

Der Meister sagt in der Folge:

Mercke dyth wert syck gheb oe ren
Me moth myt spreken nicht vph oe ren.
Tho rouwe mothme de sake nicht geuen 2 ),
De wyle me hyr vp erden ys leuen 3 ).
Me moth hogen flyth ankeren,
Dem volcke eren erdom tholeren
Dat se syck vth den valschen werken teen,
Leren den louen vnde leue 4 ) anseen.
S ue lck geboth hefft vns God ghegeuen,
Also dorch Esaiem ys geschreuen.
S oe ne, h oe re recht vnde nym bescheyt,
Wo dat Capittel jm Propheten angeyt.
Dar vns God dyth gebot gaff,
Schrye, lath myth ropen nicht aff.


1) Seine ganze geschorene Rotte - die Priester; von der Tonsur.
2) Zur Ruhe geben, aufgeben muß man die Sache nicht.
3) Me - ys leuen. Man - lebendig, am Leben ist.
4) Liebe.
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Alse eyne Bassune (h oe r s oe ne myn)
Schaltu erh oe gen den stemmen dyn 1 ).

Der Schüler schildert die Verhetzungen der Gläubigen so:

Men wyl syck myth gewalth thor stunth
Vorded yn gen an 2 ) aller schryffte grunth.
Gades w oe rde m oe ten stede valsck syn,
Jegen alle warheyt vnde rechten schyn
Valscke lere beschermet me myth blocken 3 ),
Der wahrheyt lerer deyth me stocken 4 ).
Myth f ue r vnde water kan me antwordt geuen,
De rechten preddeker bryngen vam leuen.
Ja de Phariseer vnde ghelerden,
De billick heten de vorkerden,
Glysener, h ue cheler vnde de schryuers.
Der warheyt bespotters vnde vordryuers.
Nemen syck flytich an desser nacht,
Anleggende de forsten dach vnde nacht
Dat se de truwen preddeker verdryuen,
Frame herden nergen laten blyuen 5 ),
De de rytende wulue straffen,
Welcker ere egen nuth schaffen 6 ).

Auf sieben Artikel oder Puncte reducirt nun der Meister das Uebel und die Heilmittel gegen dasselbe, und in sieben Abschnitte zerfällt demnach außer der Einleitung das ganze Buch. In dem ersten Punct oder Artikel:

N oe mlick, dat de kloken vnde werldwysen,
Groth de d oe rynnen ee re vornufft prysen.
(De nicht h oe rt noch schryfft edderwort 7 ),
Man schelt vnde ropt stede morth)
Ock verdr ue cken de warheyt gantz seer
Vorbernen 8 ) de b oe ker der Godliken leer.

Von der Werkheiligkeit heißt es:

Desse anderen lopen thom holte vnde steyne.
Holden kleder, dage, spyse, vnreyne
Wyllen vp God nicht recht buwen,


1) Deine Stimme. Den Stemme - als Masculinum.
2) ohne.
3) Mit aller Gewalt, mit vieler Anstrengung und Arbeit ( Bremisch=niedersächsisches Wörterbuch 1, S. 103), oder auch: mit Blöken : mit vielem Geschrei.
4) fügt ihnen Verdruß und Kränkung zu, oder, wofür ich mich des Folgenden wegen erkl ae re: wirft sie in Bande und Gefängniß.
5) Fromme Hirten nirgends bleiben lassen.
6) Welche ihren eigenen Nutzen schaffen.
7) redet, von dem alten Zeitwort: worten für reden, das sich in antworten noch erhalten hat.
8) Verbrennen.
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Eer herte kan em nichts vertruwen.
Styfften kl oe ster, capellen vnde kl ue ße 1 ),
Alt ae r, vigilien, selemyssen, vnde grote h ue ße.
Setten ee r vortruwen jn vasten vnde syngen,
Laten myt schalle de klocken klyngen.
Plegen Cappen vnde grote platten dragen,
Dat se yo Gade wyllen behagen.
Hangen vast an der mynschen lere,
Synth stolt bauen ander L ue de sere.
Na dem fleske klock, wijß, vernufftich,
Scharpsynnich, vorstendich, vnde mechtig,
Dat Paulus thon R oe meren gewyß
Jegen God, doth vnde vyentschop n oe men ys 2 ).

Der andere Punct führt die Wahrheit aus:

Dat Christus ys dyn h oe ueth 3 ) vnde here
Na des hylgen Apostels Pauli lere.

und die Lehre:

S oe ne, du most den Adam styllen
Darumme wultu recht h oe ren my So vorsla allen fr ue chten 4 ) van dy.

Der Schüler sagt:

Ick l oe ue des vorwar dyner rede schon.
Men yd hefft wor 5 ) by vyff yaren ghestan,
Dat de frede g ae r ys vnder gheg ae n.
S ue nd der tydt de Marterer weren leuen
Hefft syck yo gudt frede begeuen 6 ).
Id hefft ghestan stylle vnde ftedesam,
So dat me neynen hader vornam.
Nu auer jn dessen korten yaren
Is desse grote twydracht ghebaren.

Der Meister:

Nummer stoeth beth de Christenheyt 7 )
Men, wen se wedderstalleyth.
Auer se hefft oe uel ghest ae n alstrede,
Wen se rowsam sath jm frede.


1) Klausen.
2) Bloß für nennt; analog mit dem oben vorkommenden: leuen ys für lebt.
3) Haupt.
4) Alle Furcht.
5) Etwa.
6) Seid der Zeit, daß die Märtyrer lebten. Am Rande steht: So redet dat flesck - Fleisch. Der Dichter bezieht sich hinsichtlich dieser Zeitbestimmung nicht sowohl auf Stralsund, als auf die ersten Zeiten der Reformation überhaupt, besonders in Pommern,wo im Jahr 1521 zuerst die reine Lehre geprediegt wurde.
7) Niemals steht es besser mit der Christenheit.
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In wedderstalkan se syck nergen keren,
Men anropen alleyne Christum den heren.
Auer jm fr ee de s oe cht me nicht mehre,
Men gunst vnde tydtlicke ere.
Ock den truwen noth ue lper Nummum
Ja Grossum, Florinum vnde Ducatum.

Der dritte, oder wie der alte Dichter sagt, das dritte Punct:

Js God vor uns, wol kan wedder vns syn
Dat vorsta also, leue s oe ne myn
Wedder de werldt noch de ewyge doth,
Nicht de d ue uel mag vns bringen jn noth.
Se k oe nen vns nicht schaden dat ys meer,
Wente God ys alle desser dynge eyn heer.

Im vierten Punct verweiset der Meister auf die Auserwählten:

Du most de vthuorwelden anseen,
Wo yd myth eu ys geg ae n vnde scheen
In watterleye wege se alletsamen
Jn de rouwe, dorch God, synth gekamen.

Nun werden mehrere Beispiele aus der Schrift angeführt.

Der fünfte Punct entwickelt:

De yenne, de wyl Euangelisck syn
Moth syck neynes voruolgens schemen
Men van den l oe uygen eyn exempel nemen.

Der Schüler sagt zuletzt:

Ja de kleyne Euangelische hoep
Hefft groten anual vnde auerloep
Van b oe sen mynschen vnde anuechtynge,
Dem ys noth desser berychtynge.
Denne dat voruolgent ys groth vnde lanck,
Dat vele werden m oe de vnde kranck.

Der Lehrer tröstet den Schüler im sechsten Artikel mit den Worten:

Dyth mostu, leue s oe ne, wol vorst ae n,
Den God beleuet 1 ) plecht he tho sl ae n.

Der Schüler sagt:

Ick hebbe jn gelounen vacken 2 ) gehort,
Wo dat sy eyn gemeyne spryckworth.
Vor der sm ee de kan me am besten besl ae n,
Dat lere yck nu, leyder, spade vorst ae n.


1) Den Gott lieb hat.
2) In Wahrheit oft.
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Were yck desser schryfft so berychtet wesen
Edder hedde se myth vorstande gelesen,
Ja eynen k oe ker myth solcken pylen gedregen,
Ick wolde vele ard oe me regen.
Wolde beth hebben geschaten vnde drapen
Monneke, Nunnen, Leyen vnde Papen
Ene bescheeth gegeuen g ae r sympel vnde slycht,
De van sodanen saken weten nichtes nicht.
Ja den ock wol de munth jn korth styllen,
De dar nicht van weten wyllen.

Wie nun der Meister den Schüler auf Christum verweiset, dankt ihm dieser

Ick dancke Gade, dath yck dyth weyth,
Mester, du sechst kl ae r vnde gude bescheyth.
In dessen soß puncten hebbe yck spyse entfagen,
Dar my lange tydt na dede vorlangen.
Se hebben my kraft vnde stercke geuen,
Denen g ae r veel thom christliken leuen.
Sod ae n 1 ) geystlick broth deneth wol tho spysen
Alse de schryfft vaken deyth vthwysen.

Der Anfang des siebenten und letzten Puntctes lautet:

Leue s oe ne, lath de werldt murren,
Beyde den d ue wel vnde syne lede 2 ) kurren.
L ae th God wolden vnde stedes raden,
Id ga tho profyte edder tho schaden.
Volge myth flyte vnde mercke recht,
Dem spr oe ke den de hylge Dauid secht:
Werp dyne sorge vp den heren,
He werth dy vorsorgen vnde neren.

Und gegen das Ende:

Wultu nu meer getr oe stet wesen,
Machst vorder de Biblia lesen
- - - - - - - - - - -
Leß dat bock der Godliken wijßheyt
Dat secht dy van solcken euent ue re,
Ghelick dat golt jn dem v ue re
Werth gedreuen vnde proberth,
Dat vns God so vors oe cht vnde tribulerth.
Wat wylle wy danne noch fruchten,
God plecht de synen alstede tho tuchten.


1) Solches.
2) Glieder, Mitglieder
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Der Schüler bricht hierauf in folgendes Gebet aus:

God van hemmel geue vns allen
Na synem Godliken geuallen
In vnses herten rechten grunth,
Dat nicht alleyne spreke de munth.
Welck ytzunth van dy ys geredet,
Sunder dath wy yo so werden geßedet.
Idt tho donde myth d ae th vnde 1 ) wercken,
Dar tho m oe te vns Christus stercken.

Alles hierauf Folgende ist der Mittheilung werth:

          Meyster.
De dyth myth vns begeren allentsamen,
Spreken nu van rechtem herten Amen.
          Sch oe ler.
Adde, yck mach nicht lenger blyuen,
Desse stucke don my sere dryuen.
Ick gedencke desse pyle vorscheten,
Scholde yd ock velen vordreten.
Ja Sophisten vnde alle Papisten,
Dar tho de h ue chelerer vnde bose Christen.
          Meyster.
Dyth byn yck ock alleyne begeren,
Me moth God meer alse de mynschen eren.
Gade meer gehorsam syn, ys yo recht,
Alse de hylge Apostel Petrus secht.
          Sch oe ler.
Ick gedencke, wyl God, wedder kamen,
Dy tho berichten, wat yck hebbe vornamen,
Vnde seggen wo yd my hefft geg ae n,
Offt 2 ) yck ock nu kan wol best ae n.
Wedder de beschoren Mouneke vnde Papen,
De vns myt seenden ogen holden vor apen.
          Meyster.
Leue s oe ne, ga jn Gades frede,
Kumpstu so brynck yo bure mede.
Arme fruwen, vnde den gemeinen man,
Dyth arme proy 3 ) nympt Gades wort an,
Alse de godlosen vnde Phariseer reden *) 4 ),


1) ande, bloßer Druckfehler. Die Type a ist auch schief gesetzt worden.
2) Ob.
3) Das französische proye. Auch der Holländer sagt prooy. Wir sagen: Das arme Pack.
4) *) Randbemerkung: So sede se ock Joannis 7.
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Doch se don na eren olden seden,
Der haluen synth se des d ue uels gewyß,
Allent wath na Christum fragende ys,
L ae th jm Fr ee de tho my her kamen,
Beyde junck vnde olth thosamen.
Ich wyl en so vele yck kan bescheet geuen,
De wyle my 1 ) God frysteth dat leuen.
Wat yck nicht weyth dencke yck tho leren 2 ),
Dat wy alle dat ryke Gades vormeren.
Sch oe ler.
Amen, Amen, God mach dy bewaren,
Ick moth nu hasttich vorden varen.
          ~ Gade sy alleyne loff. ~

Nun folgen die oben mitgetheilten gereimten Zeilen des Buchdruckers.

 



1) In dem alten Drucke steht wy: wohl nur Druckfehler.
2) lernen.