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VII.

Die

Pfarre zu St. Petri in Rostock

in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
von

G. C. F. Lisch.


D ie Petripfarre hat in der Geschichte der Reformation in Meklenburg durch Slüters Auftreten und Untergang eine historische Bedeutsamkeit erlangt. Dennoch ist die Besetzung dieser Pfarre während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch völlig im Dunkeln, obgleich sie durchweg von Bedeutung ist. Die Geschichte der Pfarrbesetzung ward bei Gelegenheit der Nachforschungen über die Schweißsucht angeregt und trat dabei mit großer Wichtigkeit hervor; daher möge sie theils zur Ergänzung, theils ihrer eignen Bedeutsamkeit wegen hier Raum finden.

Die Pfarre zu St. Petri in Rostock war dem Canonicate und der Präbende der Cantorei des dortigen Domstiftes zu St. Jacobi incorporirt. Im Anfange des 16. Jahrh. besaß diese Pfründe der meklenburgische Canzler Brandanus von Schöneich 1 ). Nachdem derselbe im Anfange (vor dem 4ten) des Monats März 1507 gestorben war, verliehen die Herzoge Heinrich und Erich die Pfründe dem Domherrn Heinrich Bergmeier zu Ratzeburg, wofür derselbe sich am 29. Jun. d. J. verpflichtete, den Fürsten als Hofrath zu Rostock,


1) Derselbe hatte auch eine Präbende zu Schwerin und eine Vikarei zu Neustadt.
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Güstrow oder Schwerin zu dienen 1 ) und sich sonst innerhalb und außerhalb Landes in Geschäften gebrauchen zu lassen. Die Herzoge verbürgten ihm dagegen eine sichere jährliche Einnahme von 50 lüb. Mark nebst Zehrung ("Mahl"), Futter und Hofkleidern und liehen ihm zugleich, nach den Rechnungen aus dem J. 1508, hundert Gulden. Daß Bergmeier den Herzogen in der That als Rath gedient habe, geht aus manchen Verhältnissen klar hervor; so z. B. übernahm er mit Steffen von Bülow im Anfange des J. 1510 eine Gesandtschaftsreise nach Cassel. — Diese Rathsstelle erhielt Heinrich Bergmeier gewissermaaßen als Ersatz für die Stelle eines meklenburgischen Canzlers, welche die Fürsten ihm nach Brand von Schöneichs Tode angetragen hatten, er aber am 13. April 1507 ablehnte, seines Alters, seiner Dickleibigkeit (groten buekes) und seines geistlichen Amtes wegen, welches alles ihm bei den vielen Geschäften und Missionen eines Canzlers hinderlich sei.

Bergmeier ward im J. 1511 Bischof von Ratzeburg; da er sich bei seiner Confirmation den fernern Genuß seiner bisherigen Pfründen reservirt hatte, so behielt er auch die Petri=Pfarre. Bald liefen aber wiederholte Beschwerden von Rostock ein, daß die Pfarrgebäude im höchsten Grade baufällig seien und die Seelsorge durch einen Capellan höchst nachlässig betrieben und verabsäumt werde; ja es war ein Neubau der Pfarrgebäude (Wedem) nothwendig. Der Bischof verstand sich endlich im Spätjahre 1514 dazu, im folgenden Jahre nach Rostock zu reisen, um mit den Kirchenvorstehern den Bau zu berathen. Nach wiederholten Beschwerden gestaltete es sich so, daß der Bischof sich im Jahre 1515 zur Resignirung auf die Pfarre entschloß, welche "ihm die Fürsten geraume Zeit während seines Bischofsstandes gelassen hatten". Er sandte daher den Domherrn Hermann Rundeshorn ab, welcher die Resignation für den Bischof am 23. October 1515 beschaffte. In der Resignations=Urkunde hatte der Bischof selbst aber allerlei Clauseln gemacht und forderte namentlich sämmtliche Einkünfte der Pfarre für das Jahr 1515, hielt auch seine Resignation für "bedenklich" 2 ). Hierüber ward der Herzog Heinrich sehr


1) Heinrich Bergmeier war zu der Zeit auch Secretair der Herzoge von Sachsen=Lauenburg (vgl. Masch Gesch. des Bisthums Ratzeburg S. 409); noch im Jahre 1507 wird er in meklenburgischen Archiv=Acten des "hern van Sassen Scryuer Hinricus Barckmeyger" genannt.
2) In einem undatirten, jedoch von Nic. Marschalk concipirten und von C. von Schöneich revidirten fürstlichen Schreiben an den Bischof von Schwerin wird geklagt, daß, nach geheimen Berichten aus Rom, des Bischofs dortiger Factor Joachim Tessentz den fürstlichen
"cappellaen H. B. Cantoren vnd kerkhern to rostock"
aus diesem seinem Lehne für sich oder für einen andern zu verdrängen suche.
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aufgebracht; er warf dem Bischöfe vor, daß er "listiger Weise" Clauseln in die Resignations=Acte gebracht habe und Forderungen mache, deren Betrag besser zum Bau der ihm anvertrauten Pfarre zu verwenden gewesen wäre, der ihm obgelegen habe. Der Bischof ward spitz und erbot sich, dem Fürsten

das anstößige Wort "resigno" verdeutschen zu wollen; der Fürst zürnte, und so verhandelte man hin und her, bis der Herzog Heinrich am Ostermontage 1516 dem Bischofe schrieb: dieser habe "mit vielen weitschweifigen Anhängen und Handlungen sein Vornehmen geschmückt; er habe sich bei seiner Confirmation zwar den Genuß seiner Pfründen reservirt, aber dieser Pfarre resignirt und dennoch die Auseinandersetzung fast zwei Jahre hingehalten; er habe die Wedem verfallen lassen; er habe die Pfarre durch einen Capellan nur mit großer Versäumniß und mit Abbruch des Gottesdienstes verwaltet; er habe in die Resignations=Urkunde unnöthige und ungewöhnliche Limitationen und Clauseln zum Nachtheil der Fürsten eingeflickt"; u. s. w. Der Herzog warf ihm ernst den Verfall der Pfarre vor, zieh ihn der Undankbarkeit, verbat sich die "breiten Schreiben" und schickte deshalb seinen Rath Aschwin von Schwicheln mit dem Briefe ab, um die Sache endlich beizulegen.

Als der Bischof Heinrich Bergmeier Anstalten zur Resignation machte, dachten die Fürsten daran, die Pfründe einem Andern zuzuwenden; ihre Wahl fiel auf den Dr. med. Rhembertus Giltzheim 1 ), obgleich der Bischof von Lebus (Dietrich von Bülow) schon bei den beiden Verleihungen an Brand von Schöneich und Heinrich Bergmeier einen Joachim von Bülow dringend empfohlen hatte. Am 11. Januar 1515 dispensirte der Pabst den Dr. Rhembertus auf gewisse Zeit von der Priesterweihe, welche zur Uebernahme der Stelle nothwendig war, bestätigte jedoch seine Wahl im voraus, da er Clerikus der halberstädter Diöcese war. Hierauf resignirte der Bischof Heinrich am 23. October 1515 vor dem Herzoge Heinrich durch einen Bevollmächtigten zu Schwerin dem Canonicat und den damit verbundenen Stellen, wozu er sich bei seiner Rathsbestallung anheischig gemacht hatte, und am 4. November präsentirten die Landesherren den Dr. Rhembertus beim Capitel in Rostock, wogegen derselbe sich an demselben Tage zu Schwerin verpflichtete, binnen drei Jahren in den Priesterstand zu treten, sogleich päbstliche Dispensation von der Priesterweihe zu er=


1) Vergl. die Abhandlung Nr. VI. über die Schweißsucht.
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wirken, damit die Fürsten in ihrem Patronatrechte nicht gefährdet würden, ferner die Pfarrgebäude zu St. Petri auf seine Kosten und mit Hülfe der Kirche in baulichen Zustand zu bringen und die Zeit seines Lebens seinen Wohnsitz in der Cantorei zu Rostock zu behalten, um von dort den Fürsten und ihrem Hause und ihren Erben mit seiner "Kunst der Arzenei", ohne andere Vergütung, als die seiner Auslagen und Reisekosten, überall beizustehen. Am 27. November 1515 nahm das Kapitel die Installirung vor. Ein gelehrter Philolog Johannes Padus, der sich damals zu Rostock aufhielt, wünschte ihm zu der Pfarre Glück in einem Gedichte, welches uns noch erhalten ist 1 ): Humanissimo Viro Ramberto Hilsheimio illustrium Megapolitanorum Principum medico et consiliario vigilantissimo, ecclesiasticam Rostochii ad D. Petri praefecturam incunti Joh. Padus.

Non minus ex animo pellis quam corpore morbum,
   Efficitur totus te duce sanus homo.
Strenuus es pastor, curator strenuus idem,
   Magna tibi populi magnaque cura Dei.
Sancta regis sancti merito delubra Jacobi,
   Et primus tantum pastor ovile tenes.
Gratia principibus debetur maxima nostris,
   Quod te condigno constituere loco.
Gratia sit Mariae, summo sit gratia Christo,
   Quod constat talem te meruisse statum.

Zur Erlangung der Priesterweihe hatte Dr. Rhembertus vom Pabste eine Frist von sieben Jahren erlangt und die Vergünstigung, daß, wenn er in den ersten zwei Jahren Subdiakonus würde, er von den übrigen Graden dispensirt sein solle. Der Doctor scheint es aber mit der Priesterwürde nicht recht ernsthaft gemeint haben: am 13. Aug. 1516 schenkte ihm der Pabst noch ein Mal eine Frist von zwei Jahren zur Erlangung des Subdiakonats und wiederholte diese Gunst am 8. August 1519 2 ). Endlich bedurfte er der Dispensation nicht mehr: noch vor Ablauf der Frist heirathete


1) Vergl. (Mantzel) Meklenb. Gelehrten=Lexicon, VII, S. 17 flgd. und Krey die Rostockschen Humanisten, S. 39. — Das Fragezeichen, das Krey bei den Worten delubra Jacobi setzt, beantwortet sich leicht dahin, daß der Pastor zu St. Petri zugleich Canonicus am Collegiatstifte zu St. Petri war.
2) Hierüber reden außerdem noch die Rechnungen des fürstlichen Rentmeisters aus dem Jahre 1519:

"XX mark 1 pf. magister vonn retzen veranthwert vonn doctor rembertus weigen kegenn rome durch die wegßelbanck zw bestellen seins lehns halben zw Sanct peter zw Rostock, am dage Elisabeth."

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er am Sonntaae nach Johannis (30. Junius) 1521 eine Jungfrau aus Rostock ("quandam virginem sive puellam in Rostok.") und hatte dadurch die Pfarre verscherzt. Auch scheint er die Stelle unter obwaltenden Umständen gerne abgetreten zu haben, theils aus Abneigung gegen den geistlichen Stand, theils weil die Pfarre in schlechtem Baustande war und von den Fürsten stark geschatzt ward; (zur Cantorei des Rostocker Capitels gehörte das ganze Gut Papendorf bei Rostock mit allen Gerechtigkeiten). Er hatte daher schon am 6. März d. J. der Pfarre freiwillig entsagt. Zum vollen Besitz der eigentlichen Canonicatswürde scheint er, um so mehr, als er noch nicht ordinirt war, damals noch gar nicht gekommen zu sein, da diese erst ungefähr zu derselben Zeit durch den Tod des M. Heinrich von Retzen erledigt ward, und Giltzheim nur auf die Pfarre verzichtete, auch dieser zweifachen gleichzeitigen Eröffnung der sonst verbundenen Stellen im Jahr 1521 öfter gedacht wird.

Ehe die beiden Herzoge auf den denkwürdigen Reichstag nach Worms gingen, meldete am 8. April 1521, d. d. Lübz, der Herzog Albrecht seinem Bruder die Erledigung der Pfründe und schlug ihm zwei Candidaten, den M. Johann Lindenberg, Vikarius zu St. Marien in Rostock, und den Secretair M. Sebastian Schenk von Schweinsberg vor, empfahl aber den letzteren vorzüglich, weil er sein Diener sei und weiter zu studiren, auch die Pfarre zu bauen und zu bessern sich erboten habe. Der Herzog Heinrich empfahl den Antonius Schröder 1 ), Pleban zu St. Georg in Parchim. Darauf zogen die beiden Fürsten nach Worms und die Pfarrbesetzung ward bis zu ihrer Rückkehr aufgeschoben. In Worms war der Herzog Heinrich, zum Rath des Kaisers ernannt, mit dem Herzoge Bugeslav X. von Pommern am Hofe des Kaisers zurückgeblieben; beide langten erst am Abend vor Johannis in Meklenburg an. Der Herzog Albrecht war aber schon früher heimgekehrt und hatte den Dr. Rhembertus am 16. Junius zur feierlichen Resignation vor dem Official Detlev Dancquardi 2 ) vermocht und am 18. Junius den Probst


1) Antonius Schröder ward bei Johann Rieblings Anstellung im J. 1537 in den Ruhestand versetzt.
2) Detlev Dankquardi war rostockscher Dom=Thesaurarius, 1517 Official des Archidiakonats Rostock, seit 1526 Archidiakonus und bischöflicher Official zu Rostock (vgl. Rudloff III, S. 86), auch Pfarrherr von Kessin und "sonst rund mit Pfründen behängt". Sein Vikar Hermann Parchmann zu Kessin, den er vertrieb, sagt von ihm, ungefähr 1540, er sei

"bynnen Rostock eyn geweldigher und averbostiger official",

und im J. 1550 befahl der Herzog Johann Albrecht, diesen "Pfaffen ein= (  ...  )
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Johann Mues von Ratzeburg durch eine, in seinem und seines Bruders Namen, jedoch ohne dessen Wissen und Willen ausgestellte, besiegelte Urkunde präsentirt; am 25. Jun. installirte ihn der Official bei der Pfarre und noch an demselben Tage räumte ihm das Capitel Sitz im Chor und Capitel ein und bestätigte ihn feierlichst, — alles durch einen Bevollmächtigten des J. Mues. Die große Eile, welche das Capitel in diesem Geschäfte bezeigte und dazu in Grundlage einer Urkunde, die Herzog Heinrich nicht mit ausgestellt haben konnte, läßt sich nur aus dem bekannten papistischen Eifer des Capitels und des Officials, der die Sache noch dazu mit der größten Heimlichkeit betrieb, und aus der aus dem Papismus entspringenden Zuneigung zum Herzog Albrecht erklären. — Kaum hatte aber Herzog Heinrich das Land betreten und die Sache erfahren, als er gegen diese eigenmächtige Besetzung der Stelle (per quendam, qui debet esse non bene meritus de domino duce Hinrico), weil er der ältere Patron sei und sein Bruder keine Vollmacht von ihm gehabt habe, protestirte; er wandte sich dabei mit Vorstellungen an seinen Bruder, präsentirte demselben auch zuerst den früher vorgeschlagenen Antonius Schröder, aber Albrecht wies (am 30. Junius und 3. Julius) alle Vorschläge und Demonstrationen hartnäckig zurück. Da präsentirte Herzog Heinrich am 3. Julius durch eine Urkunde seinen Günstling Antonius von Preen, Tischgenossen des jungen Herzogs Magnus, Clerikus des schweriner Sprengels, (quendam alium sue gracie satis charum et dilectum, qui est bonus, nobilis vir, —— charissimi filii, ducis Magni, familiarem, continuum commensalem, ob virtutum suarum merita) dem Dr. Zutpheldus Wardenberg, als Administrator des Stifts Schwerin und Archidiakonus zu Rostock, zur Investitur und zur Empfehlung an das rostocker Capitel. Diese Präsentation überreichte A. von Preen am 8. Julius dem Administrator zu Bützow, welcher jedoch erklärte, er habe den Detlev Dancquardi als völlig Bevollmächtigten zu Rostock und wisse nicht, was derselbe gethan habe; er könne ohne Uebereinstimmung mit ihm nicht handeln, wolle er nicht die Würde der Kirche verletzen; er wolle jedoch eine Citation in Rostock und Bützow anschlagen lassen. In einem vertraulichen Schreiben an den Herzog Heinrich äußerte der Administrator, der es gut


(  ...  ) zufangen und peinlich zu richten", weil er den Fürsten vor fürstlichen Beamten, die nach Kessin beordert waren, hinter dem Rücken geschmähet hatte. Der darüber entstandene Proceß war noch im J. 1553 anhängig und man rieth dem Fürsten "Verzug und Aufhaltung, bis der Gegner aller Menschen Gang gehen werde".
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mit Heinrich meinte, seine Bedenklichkeiten, indem A. v. Preen erst 21 Jahre alt sei und noch nicht die Priesterweihe habe; es sei freilich für viel Geld Dispensation zu erhalten, aber damit gehe Zeit verloren; er rieth dem Herzoge, einstweilen die Sache geheim zu halten. Aber am 22. Julius meldete sich auf die Citation der Probst Johann Mues als Besitzer des Canonicats beim Administrator.

Ueber die Besetzung der Pfarre entstand nun ein großer Streit. Zunächst berührte er die Landesherren. Beide waren schon längere Zeit über die Landestheilung in Uneinigkeit gerathen: die eigenmächtige Besetzung der Pfarre zu St. Petri fiel grade in den Zeitraum, wo zwar eine Schlichtung des brüderlichen Streites nahe, aber auch die Aufregung am größten war. Dazu standen sich auch die fürstlichen Brüder in ihren religiösen Ansichten sehr ferne. Der Herzog Heinrich ließ daher d. d. Bützow 30 Julii 1521 in einem lateinischen Briefe (im Concept ohne Unterschrift) durch einen Geschäftsträger (vielleicht den Zutpheldus Wardenberg) seinen Procurator in Rom mit dem Stande der Sache bekannt machen, damit Besitz und Rechte der Pfründe bis zur Entscheidung des apostolischen Stuhls nicht gefährdet würden. — Von der andern Seite erhob sich ein zweiter Streit. Schon seit dem Jahre 1519 hatte der Dr. Joachim Plate, Probst zu Colberg, wahrscheinlich wegen Privatverhältnisse zum Dr. Rhembertus, gegen die Petri=Pfarre "Krieg bewegt und sie ohne Grund und Billigkeit turbirt". Die Sache war schon damals vor die päpstliche Kammer gebracht. Nach der Resignirung des Dr. Rhembertus trat auch Joachim Plate mit Ansprüchen an die Pfarre hervor und setzte jetzt seine Sache mit neuem Eifer fort; Giltzheim trat ihm nun collitigirend bei. Zwar war am 1. Julii 1522 zu Stralsund im Hause des Dr. Zutpheldus zwischen dem Antonius Preen und dem M. David Brunswik 1 ), Dechanten von Colberg, als Bevollmächtigten des Probstes J. Platen, ein Vergleich geschlossen mit Berücksichtigung der zu erwartenden päpstlichen Entscheidung über das Recht des Besitzes der Pfarre; es wurden alle Puncte für alle möglichen Fälle, daß der Eine oder der Andere im Besitze der Pfarre bleiben sollte, bestimmt. Nach Rom war auch der Priester Nicolaus Dalschen gekom=


1) Dieser M. D. Brunswik war am 1. Septbr. 1521 schon in Rom und Procurator des Herzogs Heinrich daselbst, als an diesem Tage der erwähnte Brief vom 30. Julii über Lübeck dort angekommen war. Am 29. März 1522 war Brunswik noch in Rom, am Ende des Jahres 1522 hielt er sich während der großen "Pestilentz" in Rom zu Bologna auf.
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men im Auftrage des Herzogs Heinrich mit Briefen desselben, d. d. Nürnberg d. 10. Octob., an Dr. Zutpheldus, der am Michelistage 1522 in Rom angelangt war; Dalschen sollte die Beendigung des Streites bewirken 1 ); am 21. Junii 1523 beschwerte sich J. Plate durch den Archidiakonus von Usedom, Hippolitus Stenwer, beim Herzoge Heinrich, daß sich Antonius Preen noch nicht mit ihm abgefunden habe, dagegen der vom Herzog Albrecht präsentirte Widerpart ihn oft angehe und ihm viel biete: aber noch am 12. März 1525 war die ganze Sache um keinen Schritt vorgerückt, indem ein damaliger Geschäftsträger 2 ) des Herzogs Heinrich von Rom aus um die ältere Resignations=Urkunde des Heinrich Bergmeier und um die Urkunden bat, durch welche Dr. Rhembertus in den Besitz der Pfarre gekommen war. Der Herzog Heinrich ließ nämlich bei dem Laufe der Dinge zunächst die Pfarre für den Dr. Rhembertus in Schutz nehmen. Dr. Zutpheldus war zwar mit dem Stande der Sache genau bekannt und hätte vollgültiges Zeugniß geben können: allein er schwieg, die Ungnade des Herzogs Albrecht fürchtend. Am 29. März 1526 erwartete er die persönliche Ankunft des Dr. Plate in Rom 3 ) und sprach gegen den Herzog Heinrich die Hoffnung aus, dort die Sache mit Plate zu Ende zu bringen.

Großes Interesse erhält dieser Pfarrbesetzungsstreit durch die Geschichte des ersten protestantischen Predigers in Meklenburg, des Joachim Slüter 4 ) zu Rostock. Slüter war nach den bisherigen sichern Nachrichten Prädikant an


1) Es kamen auch wirklich Briefe aus Rom, unter andern auch "die neue Provision mit der Dispensation für A. Preen"; leider ward aber der Bote von D. Brunswick aus Rom an Zutpheldus Wardenberg am 21. Dec. 1521 dicht vor seinem Ziele, 2½ Meilen vor Stralsund, in der Horst zwischen Hanshagen und Starkow am 21. Dec. überfallen und seiner Briefe beraubt, welche nicht wieder aufzutreiben waren.
2) Dies war wohl der M. David Brunswik, der sich 1525 "Cantor Zwerinensis" unterzeichnete, als er in dieser Angelegenheit aus Rom an Antonius Preen schrieb, er habe Compulsorialen über Lübeck nach Meklenburg gesandt, und um Betreibung der Sache bat.
3) Einige interessante Briefe aus dieser Zeit, sowohl über allgemeine europäische Verhältnisse, als auch über die Petri=Pfarre und die Unruhen zu Stralsund sind in der Briefsammlung Nr. 1, 3, 4 und 5 mitgetheilt. Man vgl. auch Jahrb. I, S. 24, und Fabricius Einführung der Kirchenverbesserung zu Stralsund, 1835.
4) Es wird durch diesen Streit die Art und Weise der Einführung der neuen Lehre klar. Bisher waren selbst die Personalien unbekannt. Im Rostocker "Etwas" vom J. 1740 wird S. 277, Not. 1, gesagt: "Wir wundern uns, daß es an St. Peterskirchen so balb zur Richtigkeit gediehen. — — haben denn die papistischen Prädicanten diese Kirche so leicht uns gutwillig fahren lassen, und wer sind sie gewesen ? Wir haben hievon biß dato noch nichts ausforschen können." — Krey fragt in Beitr. I, S. 358 bei Dr. Rhembertus Giltzheim: "Ist er Pleban zu St. Petri geworden? und vielleicht der (  ...  )
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der Petrikirche und predigte dort schon 1523, bald nach der Verheirathung und Resignation Remberts Gilzheim, lutherisch; allein die Pfarre war 1525 auf officiellem Wege noch nicht wieder besetzt. Vielleicht hatte er nur Erlaubniß zum Predigen in der Petrikirche vom Herzoge Heinrich erhalten, ohne auf die Pfarre angewiesen zu sein, wie auch in Güstrow 1532 und an andern Orten die Bürger, mit Hülfe des Herzogs, aus eigenen Mitteln einen "neuen Prediger" besoldeten, ohne durch diese Besoldung die bisherigen geistlichen Verhältnisse aufzuheben. Eine Vocation oder Präsentation für Slüter ist nicht vorhanden, wie überhaupt in den Urkunden und Acten des Rostocker Capitels von Slüter gar nicht die Rede ist; auch die ältern Historiker bekennen, daß sie nichts von einer Bestallung und Introduction Slüters wissen. So viel ist aus dem Pfarrbesetzungsstreit mit Sicherheit zu entnehmen, daß er nie die Pfarre besaß, also nie "rector ecclesiae, Pleban oder Kerkherr" war. Aus einer beiläufigen Aeußerung ergiebt sich jedoch, daß er vom Herzoge Heinrich, als ältestem Patron des Capitels, "zum Capellan bestellt" war, also zu einer der interimistischen untergeordneten Stellen an der Kirche, mit welchen mehr die eigentlichen Geschäfte unter den Gemeindegliedern, namentlich das Predigen, verbunden waren 1 ). Slüter nennt sich selbst "Prediger" (vgl.Arndt's Joachim Slüter, Lübeck 1832, S. 88 und 92, und Etwas 1742, S. 682), wird auch in einem im Original auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock befindlichen Rescripte des Herzogs Heinrich, d. d. Montag nach Convers. Pauli 1532, "Prediker tho sunte Peter" genannt (vgl. auch Arndt a. a. O. S. 94). Von papistischer Seite ward er nur als fürstlicher "Capellan" anerkannt. Dies beweiset zur Genüge ein Schreiben des bischöflichen Officials Joachim Michaelis an den Herzog Heinrich, welches im Auszuge, so viel es Slüter betrifft, also lautet:

"Dorchluchtige, hochgeborenn f. G. H. Jwer f. G. svnt myne vnderdanighe vorplychtige denste stedes


(  ...  ) "letzte vor Slüter gewesen?" - und in den Rostockschen Humanisten, S. 39 "Ist Hilsheim der letzte papistische Pastor oder Plebanus an St. Petri gewesen ?"
1) Vgl. Grautoff Histor. Schriften, I, S. 261 u. II, S. 29 u. 31. Es gab außer den Pfarrherren viele, nicht fest angestellte Geistliche, welche als Gehülfsgeistliche in den Kirchen mit den angestellten fungirten. Diese wurden auch Capellane genannt; Kapellane kommen im 16.Jahrh. in Meklenburg sehr häufig, auch ohne Pfarre, vor. Schlegel in Kirchengeschichte von Norddeutschland II, S. 59 sagt: "Die Pfarrer pflegten damals halbjährlich Prädicanten und Capellane anzunehmen, wie sie solche erlangen konnten, worunter manche heimlich dem Protestantismus zugethan gewesen sein mögen."
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"bereyt. Dewyle denne G. H. Jwe f. G. my bevalen, wore de Capellan her Joachim Sluter bauen vnd wedder de Inhibition ehm ghedan, wes vprorych predecerde, Jwer f. G. dat to vormeldende, Szo heeft he der Inhibition keyn acht ghehadt, men fluchkes honeth vnd schendet, dat to lanck were to seryuende: doch eyn weynich In der Inghelechte Zedele 1 ) beroret."
"De bure, dede vnder Jwer f. G. nycht beseten synt, de denken keynen byscoppes tegenden vthtoguende wente de Capellan, denne de furste suluest ghesettet heefft, secht dat de Biscope scholen predeken vnd dat doen see. nycht, Igitur etc."
—   —   —   —   —   —
—   —   —   —   —   —
"Raptim Rostock ao 1522 des Sondages nha XI M mrt."

"Jwer f. g.
     stedes gudtwyllige dener
               Joachim Mychaelis."

Das Datum dieses Schreibens (1522) muß aus innern Gründen falsch sein; der Empfang desselben ist vom Canzler C. v. Schöneich im J. 1525 auf der Rückseite notirt. In einem andern Schreiben aus dem J. 1525 (ohne Bezeichnung des Tages) sagt derselbe Official Michaelis:

"Im vorgangenen daghe hebben de quartermester vnd olderlude ghewest tho Rostock vor den Borghemesteren vnd begheret van dem Rade, dat prester, monneke vnd nunhen scholen in den Grauen ghaen vnd de karen vor ere dören senden, dar se myt vp den stadt wael foren scholen so wol alse de leygen doen mothen; dat kummet vth den prediken, dede de Capellan Jochim Sluther vppe de geystlycheyt alle wege deyt."

Noch im J. 1527 protestirte der Rostocker Magistrat gegen die eigenmächtigen Neuerungen des "Capellans" beim Herzoge, der ihm auch bis zur mündlichen Unterredung alle Neuerungen untersagte; vgl. einen Brief von Slüter hinüber vom 21. Aug.


1) Dieser Zettel ist leider nicht vorhanden.
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1528 im Etwas, 1742, S. 680. Slüter scheint aber den Warnungen seines fürstlichen Gönners nicht gefolgt zu sein.

Antonius Preen scheute sich wohl, die Pfarre in Besitz zu nehmen, um so mehr, da auch J. Plate sie angetreten und viel Geld auf sie hatte verwenden lassen. Dennoch hatte am 29. April 1524. "Anthonius Preen, ecclesie parrochialis sci. Petri Rostockcensis, Swerinensis dioc., plebanus", zu den, durch Resignation des Michael Dreger erledigten Marienzeiten dem Archidiakon Zutpheldus Wardenberg den Christian Hane präsentirt ("quia jus praesentandi ad me meosque in dicta ecclesia parrochiali successores spectat"). Der Herzog Heinrich konnte nicht eingreifen, wenn er nicht wie sein Bruder handeln wollte; der Probst J. Mues konnte die Pfarre nicht persönlich verwalten. Endlich mußten wohl alle Streitigkeiten dem Drange der Reformation weichen; bald ist von katholischen Prätendenten an St. Peter nicht weiter die Rede. Aber von den geistlichen Behörden ward Slüter selbst dem Namen nach ignorirt; nach 1527 wird in den Verhandlungen immer nur eines namenlosen Capellans gedacht. In dem angeführten Vergleiche vom 1. Julii 1522 beginnt der erste Paragraph folgendermaßen:

"Inth erste dath Doctor Jochim Plate wil vnnd schal vnder synem eygenenn nhamen de sake vp vorgemeltenn kerke, cantorien, canonicat vnnd provenn gegen itzigenn intrusum vnnd ock alle andere intrusos vnnd intrudendos tho ende vthuhorenn vnnd de kerke vredeszam maken."

Sollte unter diesem "intrusus" schon Slüter verstanden sein?

Die Entscheidung des Pfarrbesetzungsstreites zog sich sehr lange hin. Im J. 1528 bat Johann Garlepstorp um Verleihung der Pfarre; aber noch im J. 1534 klagt derselbe, daß er sie noch nicht erlangt habe. Bei der Kirchen=Visitation im J. 1534 ward bemerkt:

"disse Cantorie vacerde, ock wart ledich vnd loesz gefunden."

Erst am Tage St. Gallen 1549 bat A. Preen, der 1543 bei der Vermählung des Herzogs Magnus Amtmann und 1544 Stiftshauptmann zu Bützow (Rudloff III 1, S. 104) war, den Herzog Heinrich, die Präsentation durchzusetzen, da jetzt aller Streit beendigt sei; widrigenfalls trage er auf ein Schiedsgericht von drei Fürsten an. Darauf aber finden wir, daß er gegen den Herzog beim Reichskammergericht wegen der Pfarre einen Proceß erhoben hatte, der noch im März des Jahres 1552

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anhängig war. — Der Probst Mues war schon im J. 1529 gestorben 1 ).

Die neuern Vocations=Acten im Großherzogl. Archive beginnen erst mit dem Tode des Pastors Joachim Schröder, welcher 1533, bald nach dem Tode Slüters, wieder zum evangelischen Prediger angenommen ward und am 20. März 1564 starb 2 ).



1) Masch Bisth. Ratzb. S. 462.
2) Arndt Joachim Slüter u. s. w. S. 70 vgl. Nic. Gryse von dem Leben J. Slüters z. J. 1533.