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2. Der Taufstein aus der Döpe bei Hohen=Vicheln.

Im vorigen Jahrgange S. 33-35 ward eines aus der Döpe bei Hohen=Vicheln hervorgeholten, jetzt angeblich im Pfarrgarten dieses Dorfes befindlichen alten Taufsteins Erwähnung gethan, und gleichzeitig der mit diesem Steine in Verbindung gesetzten Sage von einer gewaltsamen Wendentaufe im Schweriner See oder in der Döpe gedacht. Ueber die verschiedenen Seiten dieses Gegenstandes sind nun neuerdings weitere Mittheilungen gemacht worden. Von diesen legen wir aber diejenigen, welche den ehemaligen Zusammenhang der Döpe mit dem Schweriner See und die Frage über die Richtigkeit der erwähnten Sage betreffen, einstweilen zurück, da ein geehrtes Mitglied eine Abhandlung über die Burg Dobbin vorbereitet, bei welcher Gelegenheit jene Punkte mit berührt und jene Materialien passender ihre Benutzung finden werden. Hier möge nur dasjenige angefüllt werden, was sich auf die Geschichte des in den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus der Döpe wirklich hervorgeholten Taufsteins, namentlich seine Schicksale seit der Zeit seiner Auffindung und seine Identität mit dem im Pfarrgarten zu Hohen=Vicheln noch jetzt befindlichen bezieht.

Hierüber giebt Herr Hülfsprediger Günther zu Neuenkirchen einige sehr schätzenswerthe Notizen, welche sein Vater, der wail. Pastor Günther zu Hohen=Vicheln, Nachfolger und einige Zeit Hülfsprediger jenes Pastors Friederici, zu dessen Zeit die Hervorholung des Steins erfolgte, aus dessen eigenem Munde gehört zu haben versicherte. "In der Döpe 1 ), so erzählte Friederici, nicht fern von einem sehr breiten Graben, der von der ventschower Scheide in die Döpe hineinläuft (dieser Graben ist, freilich nur noch sehr schmal, auch heute noch


1) In der Volkssprache heißt übrigens der See nicht eigentlich "Döpe", sondern "de Döhw", wie der Herausgeber durch eigenes Hören sich überzeugt hat.
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sichtbar und bekannt unter der Benennung "drei Graben"), lag, in bedeutender Tiefe des Wassers, ein Stein, von welchem die Sage ging, daß dieser ein Taufstein sein solle, aus welchem ehemals Heiden getauft wurden. Ursprünglich solle derselbe in dem genannten Graben aufgestellt gewesen sein; in diesen solle eine Menge von Heiden hineingetrieben und eben hier auch ihre Taufe verrichtet worden sein. Allein nachdem die Heiden, voll Haß gegen die Christen, diese erschlagen, sei der Stein von ihnen ins Wasser geworfen. - - Hier lag er nun den hohenvichelnschen Fischern zum großen Hinderniß. Sehr oft, wenn man mit der sogenannten großen Wade fischte, kam diese in Berührung mit dem Steine, und selbst die der Oertlichkeit Kundigsten verwickelten nicht selten ihre Netze an demselben. So erging es auch dem Fischer Prignitz zu Hohen=Vicheln. Derselbe hatte eine neue Wade angekauft, und gleich beim ersten Zuge mit derselben gerieth diese an den Taufstein. Aegerlich darüber, befahl der Fischer seinen Leuten, die Wade anzuziehen, und es gelang ihnen, den Stein aus der Tiefe des Wassers dem Ufer näher zu bringen. Darauf ließ der Pastor Friederici ihn anholen und in die Kirche zu Hohen=Vicheln stellen. Späterhin erbat sich die rostocker Universität denselben. Demzufolge wurde der Stein nach Rostock transportirt und im dortigen Museum aufgestellt". Stimmt nun diese Erzählung, soweit sie die Emporholung des Steins aus der Döpe betrifft, im Wesentlichen mit dem Bericht des Herrn Präpositus Müller im vorigen Jahrgang überein, so weicht sie von des Letzteren Angaben desto entschiedener in der Nachricht ab, daß der aus der Döpe hervorgezogene Stein nach Rostock gebracht sei, während er nach jenen noch heute im Pfarrgarten zu Hohen=Vicheln sich befinden sollte. Bei dieser Angabe des Herrn Hülfspredigers Günther erinnerte sich der Herr Archivar Lisch, bei einem Besuche der Alterthumssammlung der Universität Rostock im Sommer 1836 in einem eingebundenen Hefte alter Kataloge und Nachrichten auch eine Nachricht über jenen Taufstein gefunden zu haben. Herr Professor Strempel zu Rostock hatte die Güte, die folgende genaue Abschrift dieser Nachricht aus den Museums=Akten mitzutheilen.

" P. M.

Ein See bei Hohen=Vicheln, welcher nur durch einen Ausfluß mit dem großen Schweriner=See zusammenhängt, führt von Alters her den Namen der Döpe, und die Tradition unter den dasigen Bauern besagt, daß in diesem See eine Menge Wenden getauft worden, so, daß sie in das Wasser

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hätten hineingehen müssen, und sodann von Geistlichen, die in einem Kahn, wo sie einen Taufstein mit Weihwasser bei sich gehabt, unter ihnen herumgefahren, getauft worden wären. Eben diese Tradition aber sagte auch, diese Wenden wären nachher vom Christenthum wieder abgefallen, hätten ihre Geistlichen verjagt, den Taufstein aber gewaltsam zerschmissen, und das größte Stück davon in die Döpe versenkt. Da von Vater auf Sohn fort im Winter bei hellem Eise es auch immer geheißen hatte, man könne an einem gewissen Orte der Döpe, nach der ventschower Seite hin, den Döpelstein sehen, so betrieb es endlich vor etwa 12 Jahren zu einer solchen Winterzeit der jetzige Herr Pastor Friederici zu Hohen=Vicheln, daß ein Versuch gemacht wurde, diesen vermeintlich in die Augen scheinenden Stein herauszuholen, welches auch in Gegenwart verschiedener distinguirter Personen, von 6 bis 7 Arbeitsleuten mit Hacken bewerkstelligt wurde, ob derselbe gleich auf 6 Klafter tief lag. Die Beschaffenheit des Steins, der zwar nicht zierlich behauen, aber doch offenbar zu einem Wasserbehälter ausgehauen gewesen ist, dient der Tradition ganz wohl zur Bestätigung, und die bis dahin fortgelaufene Tradition läßt, bei dieser Beschaffenheit des Steins, nicht wohl zweifeln, daß derselbe bei der Taufe jener Wenden als ein Taufstein gebraucht worden sei. Und so ist derselbe als eine Antiquität mit hieher auf die Bibliothek geschafft worden, nachdem längst vorher Se. Wohlgeboren Herr Hofrath Tychsen sich bereit erklärt hatte, ihn aufzunehmen.

Bützow, den 2. Junii 1787.

Dr. J. P. A. Müller". 1      

Dieses aktenmäßige Zeugniß stimmt mit der oben angeführten Erzählung des Pastors Günther nach mündlichen Aeußerungen des Pastors Friederici in der Hauptsache so gut überein, daß wohl als unzweifelhafte Tatsache angesehen werden kann,

1) es sei etwa um's Jahr 1775 aus der Döpe bei Hohen=Vicheln ein alter taufsteinartiger Stein hervorgezogen,

2) und dieser sei an das Museum der damaligen Universität zu Bützow 2 ) abgeliefert worden.


1) Dieser Dr. Johann Peter Andreas Müller war nach dem Staatskalender von 1787 zu der Zeit Consistorialrath und außerordentlicher Professor in der theologischen Facultät zu Bützow.
2) Wenn in der vom Herrn Hülfsprediger Günther gegebenen Erzählung des Pastors Friederici die Universität Rostock als die Empfängerin bezeichnet wird, so ist das wohl nur eine Verwechslung, die, wenn sie von Friederici selber herrührt, leicht daraus sich erklären ließe, daß, als dieser seinem (  ...  )
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Auch Herr Präpositus Müller gesteht in einem späteren Schreiben, auf den Grund jener Zeugnisse, die größere Wahrscheinlichkeit der letzteren Annahme zu, und fügt als Bekräftigung eine weitere Angabe des Fischers Prignitz (eines Sohnes des bei der Auffindung des Steins betheiligten) bei, "wie er sich erinnere, daß vor langer Zeit ein Taufstein von Hohen=Vicheln nach Rostock oder nach Bützow gebracht worden; doch wisse er nicht, ob dieses der in der Döpe gefundene oder ein anderer gewesen sei".

Es fragt sich jetzt nur noch: was ist aus dem in der Döpe gefundenen, an die Universität zu Bützow abgelieferten Steine geworden? Die am nächsten liegende Annahme scheint die zu sein, daß er bei der Verlegung der Universität ebenfalls nach Rostock gebracht worden sei. Hier aber hat er, nach der Versicherung des Herrn Professors Strempel, bis jetzt noch nirgends aufgefunden werden können. Herr Archivar Lisch fand im dortigen Museum allerdings ein Stück eines alten Taufsteins aus rothem Granit mit einem darauf ausgehauenen Gesicht, welches etwas stark und fast thierisch ist: sollte das vielleicht ein Rest des bei unbekannter Veranlassung zertrümmerten sein? Einem vom Herrn Hülfsprediger Günther mitgetheilten, jedoch von ihm selbst bezweifelten Gerüchte zufolge wäre der alte hohenvichelnsche Stein in neuerer Zeit beim Anbau an dem "weißen Collegium" zu Rostock als Fundamentstein verwendet worden. - Möglich wäre es auch, daß derselbe, vielleicht des lästigen Transports wegen, gar nicht mit nach Rostock gekommen, sondern in Bützow zurückgeblieben wäre. Dann aber müßte in letzterem Orte seine Spur doch aufzufinden sein, und der Herausgeber hat dieserhalb ein geehrtes Mitglied in Bützow um Nachforschungen gebeten, ist indessen bis jetzt noch von dem Erfolge nicht in Kenntniß gesetzt worden. Und somit darf dieser Gegenstand noch zu weiteren Erkundigungen den rostocker und den bützower Mitgliedern empfohlen werden.

Was endlich den im Pfarrgarten zu Hohen=Vicheln befindlichen Stein betrifft, so enthält der Bericht des Herrn Hülfs=


(  ...  ) Hülfsprediger Günther hievon erzählte, mit der Zurückverlegung der Universität Bützow nach Rostock auch der Stein schon nach letzterem Orte gelangt sein mochte. Denn Friederici war nach dem Staatskalender bis 1791 Prediger in Hohen=Vicheln; einige Jahre war Günther, später sein Nachfolger, sein Gehülfe, und 1789 ging die Versetzung der Universität nach Rostock vor sich. Jedenfalls wird Friederici, auf einer Pfarre herzogl. Patronats sich befindend, den aus herzogl. Grund und Boden gefundenen Stein nicht an die städtische Universität zu Rostock, sondern an die herzogl., damals (seit 1760) zu Bützow, abgeliefert haben.
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predigers Günther darüber Folgendes: "Dieser Stein, wie zwei ähnliche Exemplare, welche außerdem noch zu Hohen=Vicheln vorhanden sein werden, diente in katholischer Zeit wahrscheinlich als Weihkessel. Zwei derselben sollen aus der ehemaligen Kirche zu Rubow stammen, von welchen der eine früher im Pfarrgarten und der andere auf dem Pfarrhofe stand. Der dritte Stein gehörte wohl von jeher der Kirche zu Hohen=Vicheln an, und wird dieser auch jetzt noch im Kirchengebäude seinen Stand haben, woselbst aber die zwei rubowschen Steine nie aufgestellt waren". Herr Präpositus Müller dagegen weiß, außer dem im Pfarrgarten befindlichen, nur noch "von einem am obern Rande sehr beschädigten Kelche eines ehemaligen Taufsteins oder Weihkessels, welcher schon seit undenklicher Zeit unten in der hiesigen Kirche gelegen haben soll, und vielleicht, als er noch ganz war, auf dem bei dem ersten Pfeiler der Kirche, Eingangs rechts, befindlichen, fast 1 Fuß hohen steinernen Postament gestanden hat". Der Herausgeber nahm vor Kurzem beide Steine selbst in Augenschein, und fand den im Pfarrgarten stehenden ganz der Beschreibung entsprechend, welche Herr Präpositus Müller von demselben geliefert hat; der andere, in zwei Stücke zerbrochene (denn das vom Herrn P. Müller erwähnte "Postament" gehört offenbar als Fuß zu dem zweiten Bruchstücke, dem Kelche), der in der Kirche liegt, ist ebenfalls von Granit und auch sonst, an Größe und Gestalt, jenem ersten ziemlich gleich, nur daß die roh ausgehauenen vier Gesichter des letzteren, überhaupt alle Verzierungen, ihm fehlen. Dieser mag wohl der alte hohenvichelnsche, und jener im Garten der (oder einer der?) aus der rubowschen Kirche sein. Beide können übrigens, ihrer Form nach, eben sowohl zu Taufsteinen, als zu Weihkesseln gedient haben: die Stellung des einen in der Kirche befindlichen, nämlich gleich am Eingange an einem Pfeiler (wenn anders diese seine jetzige Stellung seine ursprüngliche ist), scheint allerdings mehr die zweite Bestimmung anzudeuten.