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II.

Geschichte des Schweriner Hoftheaters 1855-1882

von

Dr. Helene Tank=Mirow.

Vignette
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Intendanz Friedrich von Flotow 1855-1863 1 ).

N ach dem plötzlichen Tode des Intendanten Zöllner trat ein kurzes Jnterimistikum in der Tbeaterleitung ein, währenddessen die beiden RegifSeure Schmale und Beckmann, unterstützt vom Rendanten Stocks, die Leitung des Theaterbetriebes hatten. Bei außerordentlichen Fällen griff das Ministerium unmittelbar ein. Jnzwischen waren auf Befehl des Großherzogs Verhandlungen mit Friedrich von Flotow 2 ) angeknüpft worden. Dieser entstammte einem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht und hatte -mit sechs seiner Opern bereits in Schwerin die Bühne erobert. Bei der Leitung der Erstaufführung der Oper "Stradella" war er dem Hof und dem Schweriner Publikum schon persönlich bekannt geworden. Der Großherzog glaubte in ihm den geeigneten Mann für die Theaterleitung gefunden zu haben, zumal ihm bekannt war, daß Flotow während seines langjährigen Aufenthalts in Paris in enger Beziehung zu den dortigen Theatern gestanden hatte. So trat denn Friedrich von Flotow am 8. Dezember 1855 sein Amt als Hoftheaterintendant an und wurde am 11. Dezember 1855 zum Kammerherrn ernannt. Auf Friedrich Franz II. Wunsch, der bei der Neugestaltung der Theaterverhältnisse erst weitere Erfahrungen sammeln wollte, wurde Flotow zunächst nur auf ein Jahr verpflichtet; am 6. November 1856 erfolgte dann die feste Anstellung, aus der er im Frühling 1863 wieder schied. Die


1) Fortsetzung zu Jahrbuch 87, S. 106.
2) Geb. 26. April 1812 als Sohn des Rittmeisters Wilhelm von Flotow auf Teutendorf bei Tessin. Seinen früh sich zeigenden musikalischen Neigungen folgend, studierte er seit 1828 in Paris Musik. Er fand dort gute Lehrmeister und befruchtende Anregung, besonders durch die Vorstellungen der "Opera comique", die auf seine eigenen Kompositionen von nachhaltiger Wirkung waren. Mit den bekanntesten Musikern jener Zeit, wie Auber, Meyerbeer, Rossini, Gounod, Chopin u. a., trat er in Verbindung und auch teilweise in Wettbewerb um die Pariser Bühne. Nach seiner Schweriner Zeit ging er zunächst nach Paris und lebte dann seit 1868 auf einem Landgut bei Wien; er starb am 24. Januar 1883 in Darmstadt. Den letzten größeren Erfolg erlebte er 1869 in Paris mit seiner Oper "L'ombre", die aber in Deutschland als "Sein Schatten" nicht sehr gefiel.
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Stellung des neuen Intendanten erfuhr insofern eine große Veränderung, als ein großer Teil seiner Pflichten auf den seit 1. Okt. 1855 angestellten technischen Direktor und Oberregisseur Steiner übertragen wurde. In einem Brief des Staatsrats von Schroetter ist die Stellung des neuen Intendanten so formuliert: "Dem Intendanten soll die oberste Leitung aller administrativen Seiten des Hoftheaters unmittelbar unter dem Ministerium, Abteilung für Kunst, und die unmittelbare Vermittelung zwischen Seiner Königlichen Hoheit und dem Theater zustehen." Aus Flotows eigenen Aufzeichnungen 3 ) geht dann hervor, daß das Ministerium sich außer bei der jährlichen Abrechnung wenig um das Theater kümmerte, der Großherzog Friedrich Franz II. selbst aber reges Interesse für das Kunstinstitut zeigte und mit sichtlichem Vergnügen auf die Vorschläge des Intendanten einging. Diese bezogen sich zunächst und hauptsächlich auf die Reorganisation des Orchesters, wobei die Heranziehung des Musikdirektors Alois Schmitt für die Schweriner Oper von der größten Bedeutung wurde. Auf diesem Gebiet beruhte Flotows größtes Verdienst für das Hoftheater. Wie weit er in den Theaterbetrieb persönlich eingriff, läßt sich aus Mangel an Material schlecht beurteilen. Die Zeitungskritik erlaubte sich hierüber kein Urteil, und Akten für diese Zeit fehlen fast ganz. Karl Sontag äußert sich nicht gerade sehr günstig über ihn 4 ); danach enttäuschte er die auf sein künstlerisches Wirken gesetzten Erwartungen, kümmerte sich wenig um seine Schauspieler und überließ alles Steiner. Er komponierte viel und ging zu Aufführungen seiner neuen Sachen oft lange auf Urlaub, bis er schließlich sein Amt ganz niederlegte. Vorher schlug er dem Großherzog den ihm befreundeten Gustav zu Putlitz als seinen Nachfolger vor. Während seiner Amtstätigkeit komponierte er außer einigen kleineren Opern und Zwischenaktmusiken auch Konzert- und Kammermusikstücke, deren Manuskripte bei dem Brand verloren gegangen sind.

Regie.

Wie schon erwähnt, lag die technische Leitung seit 1. Okt. 1855 in den Händen von Julius August Wilhelm Steiner 5 ), der ebenso wie Flotow zunächst nur auf ein Jahr verpflichtet wurde


3) Friedrich von Flotows Leben, von seiner Witwe, Leipzig 1892 S. 126.
4) A. a. O. S. 168.
5) Seit 1841 war Steiner bei der Bühne, zehn Jahre Schauspieler und Regisseur, in Nürnberg, Magdeburg, Riga und Bremen. 1844 war er in Luxemburg, 1849/50 in Lübeck Theaterdirektor, 1853 - 55 in Dessau technischer Direktor. Gest. in Schwerin am 5. Juni 1889.
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mit einem Gehalt von 800 Tlr. 1856 wurde auf Flotows Anraten der Kontrakt bei 1000 Tlr. Gehalt auf fünf Jahre verlängert und nach nochmaliger Verlängerung 1861 erhielt er am 9. April 1863 unter Ernennung zum Hoftheaterdirektor eine feste Anstellung, in der er bis zu seiner Pensionierung am 1. Juli 1883 verblieb. Auf Grund seiner Schrift "Zur Reorganisation der Theaterverhältnisse" 6 ), Bremen 1849, in der er seine Theatererfahrungen niedergelegt hatte, und nach eingehenden Erkundigungen in Dessau, wo er zuletzt als technischer Direktor tätig gewesen war, war seine Anstellung erfolgt. Sein Kontrakt verpflichtete ihn zur artistischen und technischen Leitung, d. h. er hatte das Repertoire zu entwerfen, Regisseure anzustellen, als Oberregisseur die Proben zu leiten und daneben für alle wirtschaftlichen und finanziellen Fragen in weitestem Umfange zu sorgen, auch Engagementsreisen zu unternehmen und das Theater auf seinen Reisen nach Doberan und Wismar zu begleiten. Danach fiel ihm tatsächlich der Hauptanteil an der Leitung zu, die ihm außerhalb Schwerins und während der längeren Urlaubsreisen des Intendanten ganz überlassen wurde. Als Regisseure unterstützten ihn im Schauspiel der alte Schmale. Für den Lustspiel- und Opernregisseur Beckmann trat 1856 - 59 Emil Pohl ein, der, selbst Verfasser von kleinen Lustspielen und Possen, für die Inszenierung befähigter war als der alternde Beckmann. Von 1861 ab wird Anton Feltscher als Lustspiel-regisseur genannt, daneben Ernst Schnabel von 1861 - 87. In der Opernregie betätigte sich 1858/59 Gliemann und, als dieser starb, der Bassist Hinze 1859-68.

Repertoire.

Die ganze Periode der Flotowschen Leitung ist gekennzeichnet durch die Vorliebe für französische Musik, sowie auch für französische Übersetzungen, die in allen möglichen Bearbeitungen die deutschen Bühnen überschwemmten. Doch kamen daneben auch klassische Autoren verhältnismäßig oft zu Wort, am häufigsten von allen Shakespeare mit 54 Aufführungen. Außer den in Schwerin schon bekannten Werken erschienen neu auf dem Spielplan "Julius Cäsar" am 6. April 1856 mit Carl Sontag als "Antonius" und Gliemann als "Brutus". Die Gesamtleistung kann nicht bedeutend genannt werden. Als Festaufführung am 28. Februar 1860 wurde unter großem Beifall "Ein Wintermärchen" in der Dingelstedtschen


6) Seine Ausführungen stimmen im wesentlichen überein mit Eduard Devrients Gedanken in seiner Schrift "Über Verhältnisse der Theater zweiten und dritten Ranges". Beide fordern künstlerische Leitung unter Oberaufsicht der Regierung.
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Bearbeitung gegeben; die dazu nötige Musik komponierte Flotow selbst. Es konnte in derselben Saison noch fünfmal gegeben werden. Der 20. Februar 1861 brachte den "Coriolan" mit Feltscher in der Titelrolle, und am 24. April 1861 machten die Schweriner zum erstenmal die Bekanntschaft mit "Richard III.", den "Bogumil Dawison" sehr wuchtig zum Ausdruck brachte. Das ganze Stück war aber sehr beschnitten, so daß nur die Gestalt Richards III. zur Wirkung kam und das Werk an Tiefe verlor. Im April 1862 erschien ferner noch "Macbeth" in der Dingelstedtschen Fassung, während die Schillersche Übertragung schon 1852 einmal über die Schweriner Bühne gegangen war. Im Mai 1862 "König Heinrich IV." in Laubes Bearbeitung. - An zweiter Stelle war Goethe mit 33 Aufführungen seiner Werke vertreten, davon erlebten "Egmont", "Faust" und "Iphigenie" die meisten Aufführungen, letztere am 28. Februar 1856 zum erstenmal gespielt. Während Carl Sontags Engagement bis 1859 wurde auch "Tasso" einige Male gegeben. Seine Nachfolger schienen sich weniger dafür zu eignen. Das "Gretchen" im "Faust" fand in Wilhelmine Seebach eine gute Darstellerin; auch ihre berühmte Schwester Marie trat in dieser Rolle im Februar 1858 mit großem Erfolg in Schwerin auf. Außer der "Iphigenie" ist als neu im Spielplan nur die von Eduard Devrient szenisch eingerichtete "Erste Walpurgisnacht" zu verzeichnen, die mit Musik von Mendelssohn am 20. April 1863 unter lebhaftem Beifall über die Bühne ging. - Schillersche Dramen kamen in 31 Aufführungen zu Gehör. Neu war seine Übertragung von Gozzis "Turandot, Prinzessin von China" im Januar 1857 und von Picards "Parasit" im Mai 1856. In der Saison 1857/58 "Wallensteins Lager" und die "Piccolomini". Zu Schillers hundertstem Geburtstag 1859 wurde ein von Halm verfaßtes Festspiel und das szenisch eingerichtete "Lied von der Glocke" mit Musik von Lindpaintner aufgeführt. Eine ausgezeichnete Aufführung von der "Braut von Messina" fand im Dezember 1860 statt und "Don Carlos" wurde im Dezember 1858 mit Carl Sontag als "Marquis Posá" neu einstudiert. - Großer Beliebtheit erfreute sich Robert' Benedix, der mit 46 Aufführungen den fremdländischen Lustspielen gegenüber eine achtungswerte Stellung einnahm. Von den vier neuen Lustspielen "Der Weiberfeind", "Die Dienstboten", "Die Schuldbewußten" und "Der Störenfried" wurden die Dienstboten ein sehr beliebtes Repertoirestück durch die vortreffliche Wiedergabe der Köchin Christine durch Frau Lafrenz. - Charlotte Birch-Pfeiffers Stücke kamen 27mal zur Aufführung. Die im März 1857 neu erschienene "Grille" war sehr beliebt, ebenfalls "Ein

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Kind des Glücks" im Februar 1861. An sie reihen sich ferner Töpfer mit 23 Aufführungen, Carl Blum mit 22, Putlitz mit 19, Lessing mit 14, Bauernfeld und Gutzkow mit 12, Raupach und Rosenthal mit 10 und Laube mit 7. Demgegenüber erschienen Übersetzungen fremder Stücke etwa in 100 Aufführungen, darunter "Der Geizige" von Molière im Januar 1859. - Von Putlitz waren neu "Das Testament des Großen Kurfürsten" 7 ), Februar 1859. Ferner zur Feier des 25jährigen Bestehens des Hoftheaters am 17. Januar 1861 "Don Juan de Austria" 8 ) mit Musik vom Schweriner Musiker Härtel und im Oktober 1861 "Wilhelm von Oranien in Whitehall", das unter Anwesenheit des Dichters hier seine Uraufführung erlebte. Flotow hatte die Zwischenaktsmusik dazu komponiert und Putlitz war schon bei den Proben anwesend gewesen. Zum 28. Februar 1863 wurde sein "Waldemar" 9 ) als Festaufführung gewählt, dem nur eine kurze Bühnenlaufbahn beschieden war. - In derselben Saison wurden noch Werke von drei bedeutenden Dramatikern in Schwerin zum erstenmal gespielt, und zwar im Dezember 1862 die ersten beiden Teile der Hebbelschen Nibelungen-Trilogie "Der gehörnte Siegfried" und "Siegfrieds Tod", für die das Publikum wenigstens soviel Interesse zeigte, daß sie im März wiederholt werden konnten. Am 8. März 1863 Grillparzers "Medea" mit der berühmten Tragödin Fanny Janauschek, zu deren bevorzugtesten Rollen die "Medea" gehörte. Sie verfehlte auch auf das dicht besetzte Haus in Schwerin nicht ihre Wirkung. Hebbel sowie Grillparzer erschienen sonst nicht im Repertoire. Als dritte bedeutende Neuerscheinung wurde im November 1863 der "Prinz von Homburg" von Kleist gegeben, von dem außerdem nur im Dezember 1860 eine verunglückte Aufführung vom "Käthchen von Heilbronn" zu verzeichnen ist. - Von den vielen neuen Lustspielen und Schwänken von Hersch, Pohl, Conradi, Kalisch, Lederer, Räder usw. erfreute sich das historische Lustspiel die "Anna Lise" von Hersch und die Posse "Robert und Bertram" ganz besonderer Beliebtheit beim Publikum und hielten sich lange auf dem Spielplan, während die übrigen mehr oder weniger schnell wieder verschwanden. Vom Schweriner Dichter Hobein, der zu festlichen Gelegenheiten oft Prologe dichtete, wurde im Dezember 1858 ein


7) Uraufführung 1858 in Breslau mit Julie Rettich und Josef Wagner.
8) Uraufführung 1860 in Leipzig.
9) Uraufführung im Linzer Sommertheater mit Julie Rettich, darauf sechsmal in Berlin, dann von der Bühne verschwunden.
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Lustspiel "Mazarins Pate" mit Erfolg uraufgeführt, doch kam es über eine lokale Bedeutung desselben nicht hinaus.

Das Opern repertoire der Jahre 1855 - 63 bringt an neuen Opern wenig Bedeutendes. Von den schon bekannten Opern wurden viele neu einstudiert und erschienen unter der sorgfältigen und einsichtsvollen Leitung des neuen Kapellmeisters Schmitt in verbesserter Aufführung. Durch eine zweckmäßige Umgruppierung im Orchester, durch Neubesetzung einzelner Instrumente und besonders durch verständnisvolle Einstudierung gelang es ihm, die einzelnen Werke viel feiner zu Gehör zu bringen und damit das künstlerische Niveau der Oper bedeutend zu heben. Die Wagnerschen Opern traten im allgemeinen gegenüber den vorhergehenden Jahren mehr zurück; es sind im ganzen 16 Aufführungen zu verzeichnen, an denen "Tannhäuser" den größten Anteil hatte und außer 1862/63 in jeder Saison mindestens einmal gespielt wurde. Die beste "Tannhäuser" -Aufführung soll am 22. November 1859 stattgefunden haben mit dem neuen Tenor Arnold (1859-66) als "Tannhäuser". Im Februar 1860 erschien "Lohengrin" nach längerer Ruhepause neu einstudiert und ausgestattet auf der Bühne und erzielte noch weit mehr Beifall als beim ersten Erscheinen in Schwerin. - Friedrich von Flotow selbst kam während seiner Intendanz mit größeren und kleineren Kompositionen 48mal zu Gehör. Neben den beiden beliebten Opern "Martha" und "Stradella" war neu im März 1856 "Albin oder Pflegesohn", Oper in 3 Akten, die kurz vorher in Wien die erste Aufführung erlebte. In Schwerin wurde sie nur viermal aufgeführt und vermochte sich auch in der späteren Umarbeitung als "Müller von Meran" nicht durchzusetzen. Am 26. Mai 1857 wurde als Galavorstellung zur Einweihung des Schweriner Schlosses die eigens zu diesem Zweck komponierte Oper "Johann Albrecht", später "Andreas Mylius" genannt, aufgeführt. Über eine lokale Bedeutung kam die Oper jedoch nicht hinaus. Auch "Indra" wurde wieder hervorgeholt, ließ aber das Publikum ziemlich kalt. An kleineren Kompositionen sind zu nennen: im Dezember 1857 die einaktige Operette "Pianella" als Uraufführung und am 10. Januar 1862 die "Witwe Grapin"; außerdem die Musik zu zwei Balletten, zu Shakespeares "Wintermärchen" und zu "Wilhelm von Oranien in Whitehall" von Putlitz. - Die zunächst größte Anzahl von Aufführungen erreichten Mozarts Opern mit 38. "Don Juan" und "Figaro" fehlten in keiner Saison und übten immer wieder gleiche Anziehungskraft aus. Ebenso die "Zauberflöte" und die im Februar 1858 neu einstudierte "Entführung aus dem Serail". Ganz neu war für die Schweriner

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seine Oper "Titus" am 27. Februar 1859, die jedoch nur zweimal gespielt wurde. - Es folgten Weber und Meyerbeer mit je 33 Aufführungen, von letzterem neu die "Dinorah" als Festoper am 28. Februar 1861; Auber mit 29, Rossini und Donizetti mit je 24, Bellini mit 17, Halévy mit 10, Boieldieu mit 8 usw. Beethovens "Fidelio", unter Schmitt neu einstudiert, gelangte zwölfmal zur Aufführung, in der Titelrolle besonders gut besetzt durch Frl. Bianchi (1856-61). Die übrigen deutschen Komponisten traten weit dahinter zurück. Lortzing ist mit vier Opern in nur 7 Aufführungen vertreten, Marschner in 5, Kreutzer in 4 und Spohr ganz vom Spielplan verschwunden. Als neu dagegen tauchte Nikolai auf mit seiner beliebten Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" am 26. Dezember 1855, die bis 1863 achtmal gespielt wurde. Bisher in Schwerin noch nicht bekannt waren Verdi und Maillart; von ersterem erschien "Rigoletto" im Dezember 1860 auf dem Spielplan, von letzterem "Das Glöckchen des Eremiten" im November 1862. - Mit Offenbachs "Verlobung bei der Laterne" kam am 25. Dezember 1859 auch die von ihm eigentlich erst geschaffene Gattung der Operette nach Schwerin. Hier wie überall fand die leichte Unterhaltungsmusik viel Gefallen, besonders "Orpheus in der Hölle" am 26. November 1861 sagte dem schaulustigen Publikum sehr zu. - Von dem guten Ruf, den die Schweriner Oper auch außerhalb Schwerins genoß, zeugt eine Einladung des gesamten Opernpersonals zur Einweihung des neuerbauten Stadttheaters in Lübeck im März 1858. Mit drei Opern von Weber, Mozart und Flotow wurde dem neuen Hause die Weihe gegeben, am 3. März eröffnete der "Freischütz" die Bühne. Es folgte am 5. "Figaros Hochzeit" und am 7. "Martha". Die Aufführungen unter Schmitts Leitung übertrafen alle auf sie gesetzten Erwartungen und legten ein schönes Zeugnis ab für die Leistungen der Schweriner Oper im allgemeinen 10 ).

Personal des Schauspiels.

Im männlichen Schauspielpersonal trat zunächst mit der neuen Intendanz keine Veränderung ein. Die ersten Heldenrollen waren mit Carl Sontag und, als dieser sich immer mehr den Charakterrollen zuwandte, mit Adolf Bethge besetzt, der, seit 1850 engagiert, sich allmählich zu einem bedeutenden Schauspieler entwickelte; er gehörte bis 1882 der Bühne an. Für den 1859


10) Mecklb. Ztg. März 1858.
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scheidenden Carl Sontag trat Anton Feltscher ein 11 ); 1861 wurde er zum Lustspielregisseur ernannt. Im tragischen Fach leistete er als "Faust" und in Shakespearerollen Bedeutendes bis 1870. In einer Schrift "Zur Erkenntnis deutscher Theaterzustände" 1869 legt er feines Verständnis für die Schauspielkunst und regen Eifer um ihre Hebung an den Tag. Er betont besonders die Wichtigkeit der Proben und eine Vertiefung der Tätigkeit eines Regisseurs. - Für den 1859 verstorbenen Gliemann trat 1860 Friedrich Keller 12 ) in das Fach der ersten Väter und älteren Helden ein, das er bis 1869 bei stets wachsendem Erfolg innehatte. Die Rollen des 1860 scheidenden Ellmenreich wurden ebenfalls von Feltscher und Keller mit übernommen. Als erster Komiker erfreute noch während dieser ganzen Periode Josef Peters die Schweriner mit seinem köstlichen, derben Humor und seinem ungewöhnlichen Improvisationstalent. Zweite komische Rollen spielten von 1856 - 59 Emil Pohl und der zugleich auch als zweiter Liebhaber in der Oper beschäftigte Gustav Hübsch 1852 - 65. Neben ihm sind noch von Prosky 1859 - 61 und Potonay 1861 - 63 als Liebhaber erwähnenswert. - Mehr Wechsel ist im weiblichen Personal des Schauspiels zu beobachten, in dem nur Frau Lafrenz für die Rollen der komischen Alten noch bis 1866 blieb. Als erste Liebhaberin und tragische Heldin folgte auf Frl. Harke Elise Truhn 1856 - 58, die spätere Frau Bethge, die sich auch bühnenschriftstellerisch betätigte. Ihr folgte 1858/59 Laura Ernst. 1859 - 61 war dieses Fach mit Wilhelmine Seebach 13 ) besonders gut besetzt. In diesen Jahren standen die klassischen Aufführungen auf einer verhältnismäßig hohen Stufe. Ihr folgte 1861/62 Frl. Sänger und im gleichen Jahr trat Frau Rosa Otto-Martineck 14 ) in


11) Geb. 15. Februar ? in Riga, nahm dramatischen Unterricht bei Carl Töpfer, war 1849 - 52 in Weimar, 52 - 56 in Cassel, 56 - 59 in Braunschweig, 59 - 70 in Schwerin engagiert. Danach als Oberregisseur in Cöln, Freiburg und Prag. Gest. 14. Juli 1886.
12) Geb. 7. Mai 1823 in Hannover, gest. während seines zweiten Schweriner Engagements (1882 - 85) auf der Bühne am 16. März 1885 als "Cajetan" in der "Braut von Messina".
13) Als Tochter des Volkskomikers Wilhelm Seebach in Berlin geboren, wurde sie in Cöln zur Soubrette ausgebildet und nahm dann in Hamburg bei Frau Peroni - Glasbrenner dramatischen Unterricht. Als tragische Liebhaberin wirkte sie in Mannheim, Cöln, Coburg und Schwerin 1859 - 61. Während dieser Zeit wurde sie von Laube als Gast ans Burgtheater geladen. 1861 -84 trat sie in Meiningen, 1884 - 94 in Königsberg auf.
14) Geb. 10. Mai 1836 in Magdeburg, kam 1855 nach Königsberg, dann nach Mannheim und wirkte 1861 - 96 in Schwerin, wo sie 1897 zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Als erste Liebhaberin, Heldin und[fnpage] Heldenmutter bestand sie siegreich neben ersten Bühnengrößen; in Klassik und in Konversationsstücken war sie hervorragend. Als besonderer Vorzug wurde es ihr angerechnet, daß sie es stets verschmähte, sozusagen auf Wirkung zu spielen, um dadurch dem Publikum den betreffenden Charakter zugänglich zu machen. (Trotz glänzender Angebote von außerhalb blieb sie der Schweriner Bühne treu.
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den Verband der Hofbühne ein. Mit ihr gewann das Hoftheater eine bedeutende Kraft, die in der Entfaltung ihrer Fähigkeiten, besonders unter Wolzogens Intendanz, eine Zierde der Bühne wurde. - Als jugendliche Liebhaberin waren engagiert: Frl. Butze 1855 - 58, Frl. Ramler 1858/59, Frl. Steffen 1859/60, Frl. Preßburg 1861/62; für naive Rollen: Frl. Schunke 1855/56, Frl. von Schultzendorf 1856-59, Frl. Dietz 1860/61, Frl. Philippine Brand 1861 - 72, die, zunächst nur in kleinen Rollen auftretend, sich zu einer hochbegabten und beliebten Schauspielerin entwickelte. - Das seit 1850 mit Frau Fischer besetzte Fach der Heldenmütter blieb bei deren Fortgang 1856 einige Jahre unbesetzt. Es wurde zeitweise durch Christine Gollmann 1854 - 1900 vertreten, deren eigentliche Rollen damals die der komischen Mütter in Lustspiel und Oper waren, und die erst später in jenes Rollenfach hineinwuchs. 1858 - 60 war Frau Mittel - Weißbach engagiert, und 1860 - 62 fanden diese Rollen in Franziska Ritter - Wagner 15 ) eine würdige Vertreterin. Sie spielte daneben auch noch tragische Heldinnen. - Im Opernpersonal waren unverändert besetzt: die Baritonrollen durch André 1854 - 71, der neben dem Parrod noch bis 1859 tätig war, und die Baßpartien durch Hinze 1841 - 76 und Rossi 1845 - 76. Als erster Tenor war 1855 - 59 Rafter engagiert, dem 1859 - 66 Arnold folgte. Dieser war besonders als "Tannhäuser" sehr geschätzt, mit seinem Eintritt machte sich eine Belebung der Oper bemerkbar. Zweite Tenoristen waren Eckert 1854 - 57, Seyffart 1857 - 59, Frey 1859 - 61, Waldmann 1861 - 64. Als erste dramatische Sängerin wurde für Frau Oswald Frl. Bianchi verpflichtet 1856 - 61, Natalie Haenisch 1861-63. Für Koloraturpartien waren 1854 - 56 Frl. Mayerhöfer, 1856 - 61 Frl. Ubrich, spätere Königl. Hannöversche Kammersängerin, 1861/62 Frl. Weyringer und 1862/63 Frau Roll-Mayerhöfer.

Gäste.

Als hervorragende Gäste im Schauspiel sind zu nennen: Emil Devrient, der schon Ende der 30er Jahre in Schwerin auf-


15) Vgl. Jahrbuch 87, S. 96.
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getreten war. Er spielte vom 8. bis 23. Mai 1856 unter anderem den "Marquis Posa", "Hamlet", "Tasso" und verschiedene Lustspielrollen; vom 27. April bis 15. Mai 1857 trat er in 9 Rollen auf. Am 23. und 25. März 1858 in Gutzkows "Werner" und in "Stille Wasser sind tief", beide Vorstellungen für den Pensionsfonds. Am 11. und 12. Dezember 1859 nochmals in zwei Gastrollen. - Marie Seebach 16 ), die unvergeßliche große Tragödin, kam 1858/59 aus ihrem Engagement in Hannover nach Schwerin und trat vom 26. Februar bis 3. März an vier Abenden bei aufgehobenem Abonnement und erhöhten Preisen unter großem Zuspruch des Publikums auf. Besonders ihr "Gretchen" im "Faust" und ihre "Julia" entzückten die Schauspieler. - Bogumil Dawison, Emil Devrients Rivale in Dresden, trat zum erstenmal in Schwerin vom 19. bis 30. April 1861 in vier klassischen Rollen und in zwei Lustspielen auf als "Hamlet", "Mephisto", "Richard II." und "Shylock". Er gab seinen Rollen stets ein eigenes Gepräge, ohne der traditionellen Auffassung zu folgen, und erzielte damit auch in Schwerin großen Beifall. - Vom 8. bis 11. März trat die als "deutsche Rachel" bekannte Fanny Janauscheck in drei Rollen auf, von denen die "Medea" den größten Eindruck hinterließ. - An Operngästen erschienen: der Tenorist Theodor Formes aus Berlin, 1857 als "Tannhäuser" und "Masaniello" und im Mai desselben Jahres als "Andreas Mylius" bei der ersten Aufführung von Flotows "Johann Albrecht". Ferner der in Schwerin schon bekannte Tichatschek, der vom 25. März bis 1. April 1859 zweimal den "Eleazar", "Robert den Teufel" und "Tannhäuser" sang. - Désirée Artôt, die berühmte Schülerin der Viardot-Garcia, entzückte die Schweriner vom 13. bis 18. Dezember 1861 als "Regimentstochter", "Rosine" im "Figaro" und als "Amine" in Bellinis "Nachtwandlerin". In derselben Saison sang Luise Köster-Schlegel am 28. Februar 1862 noch einmal ihre Lieblingsrolle "Fidelio". Vom 26. Januar bis 1. Februar schließlich sang der "König der Tenore" Theodor Wachtel an 5 Abenden in Schwerin. Seine Glanzrolle, den Chapelou" im "Postillion von Lonjumeau", mußte er wiederholen. Die Begeisterung im Publikum schlug hohe Wellen. Man bewunderte sowohl seine schöne Stimme als auch seine schauspielerischen Leistungen. In seiner Anfängerzeit war Wachtel


16) Geb. 24. Februar 1830 in Riga. Sie ging zunächst zur Oper, nahm dann dramatischen Unterricht bei Benedix. Im Sommer 1849 trat sie als Soubrette und jugendliche Liebhaberin in Doberan auf. 1866 - 68 gab sie Gastspiele, 1887 - 89 wirkte sie in Berlin. Gest. 3. August 1897.
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1849 - 50 in Schwerin engagiert gewesen, ohne jedoch damals besonders hervorzutreten. - Die Gastspiele zweier berühmter Tänzerinnen: Miß Lydia Thompson aus London und Victorine Legrain aus Paris, sollten für das in dieser Zeit schlecht besetzte Ballett entschädigen.

Kapellmeister und Orchester.

Das wichtigste, was der Intendant von Flotow für das Schweriner Hoftheater geleistet hat, ist die Aufbesserung des Orchesters. In erster Linie erfolgte auf sein Anraten die Heranziehung des Kapellmeisters Alois Schmitt 17 ), mit dessen Namen der Aufschwung des Schweriner Musiklebens eng verknüpft ist. Am 1. Oktober 1856 trat er als Hofkapellmeister ein und hat bis zum 1. Oktober 1892 in unermüdlicher Tätigkeit gewirkt. Sein Hauptinteresse galt zunächst dem Orchester, wobei er vom Intendanten wirksam unterstützt wurde. Er verstand es wie kein anderer, tüchtige Kräfte zu finden und zu fesseln. Unter seiner Leitung bildete sich bald ein Stamm gutgeschulter Musiker heran, mit denen er es unternehmen konnte, große Orchesterwerke zur Aufführung zu bringen. Unter den bis 1863 neugewonnenen Orchesterkräften sind besonders zu nennen: Hugo Zahn 1857 - 93, der sich als Konzertmeister einen Namen gemacht hat; Gustav Härtl 18 ) 1858 - 63, er gehörte als Violinist dem ersten Schweriner Streichquartett an und trat auch als Komponist mit mehreren Kompositionen an die Öffentlichkeit; ferner der Waldhornist Fritz Becker 1859 - 92 und der Bratschist Eduard Kupfer 1860 - 97, der sich ebenfalls als Komponist betätigte. Die Kapelle bestand aus 24 ordentlichen Mitgliedern, von denen 10 Hofmusiker und 14 Kapellisten waren, und aus 22 - 26 dem Hoftheater kontraktlich verpflichteten Hoboisten als Hilfsmusikern. Dazu außer dem Kapellmeister A. Schmitt ein Musikdirektor: von 1856 - 63 Johann Adolf Schmiedekampf; 1861/62 berief Flotow zur Vertretung des erkrankten Schmitt den als Operettenkomponisten bekannten Richard Genée. Der Chor Stand nach wie vor unter der fein-


17) Geb. 2. Februar 1827 in Hannover, erhielt Klavierunterricht beim Vater und machte als Pianist mehrere Jahre lang Kunstreisen durch Deutschland, Belgien, Frankreich usw. Darauf wirkte er als Theaterkapellmeister in Aachen und Frankfurt a. M., wo er seine Jugendoper "Tritby" auf die Bühne brachte. 1856 war er bereits mit dem Großherzog von Baden Verpflichtungen für Karlsruhe eingegangen; diese wurden durch Friedrich Franz II. persönliches Eingreifen wieder rückgängig gemacht.
18) 1865 - 73 war H. in Schwerin Musikdirektor und Dirigent des Balletts.
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sinnigen Leitung von Stocks, der in der Heranbildung neuer Kräfte unermüdlich tätig war. - Durch den Eintritt Schmitts war nicht nur neues Leben in die Oper gebracht worden, sondern es begann damit zugleich eine rege Konzerttätigkeit. Die 1850/51 bereits versuchsweise eingeführten Orchester-Abonnementskonzerte wurden auf sein Betreiben wieder eingerichtet und seit 1856 regelmäßig ausgeführt, und zwar vier Konzerte während einer Saison. Dazu kamen seit 1859 die "Soireen für Salon- und Kammermusik", die auch viermal stattfanden; außerdem gelegentliche Wohltätigkeitskonzerte. Schmitt selbst beteiligte sich dabei oft als Pianist, Mitglieder des Opernpersonals und des Orchesters traten als Solisten auf, und namhafte auswärtige Künstler wurden dazu gewonnen. Die nur teilweise erhaltenen Konzertprogramme bezeugen das feine musikalische Verständnis des Kapellmeisters und sein Bemühen, das Schweriner Publikum zum Verständnis und Genuß klassischer Musik zu erziehen. Am 22. März 1859 konnte zum erstenmal in Schwerin Beethovens 9. Symphonie gespielt werden. Auch außerhalb des Theaters zeigte sich Schmitts Wirksamkeit 19 ).

Die Finanzen.

Mit der Neubesetzung der Leitung 1855 durch zwei Kräfte und durch sonstige Änderungen im Betrieb trat ein Mehraufwand von etwa 4000 Tlr. ein. Der Zuschuß betrug rund 44 000 Tlr. und wuchs bis 1863 auf etwa 50 000 Tlr. an. Das Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben stellte sich nach wie vor, abgesehen von einigen Schwankungen, auf 1 : 3. 1861/62 scheint ein besonders ungünstiges Jahr gewesen zu sein. Es standen 19 877 Tlr. Einnahmen 70 527 Tlr. Ausgaben gegenüber. Mit den stets vermehrten Ausgaben konnten die Einnahmen nicht in gleicher Weise steigen, da die Eintrittspreise, abgesehen von einer geringen Erhöhung des Abonnements, auf der gleichen Stufe blieben. Die bisher üblichen Dutzendbilletts wurden aufgehoben, da diese gewöhnlich durch Unterhändler vertrieben wurden. Akten über Gagenzahlungen fehlen für diese Zeit ganz. - In diese Periode fällt auch die Gründung eines Pensionsfonds als eines Gliedes der "Prosperantia", die 1857 durch Louis Schneider in Berlin begründet wurde, sich jedoch nach einigen Jahren wieder auflösen mußte. Für Schwerin traten die Statuten erst vom 1. Juli 1861 in Kraft. Es wurde jährlich mindestens eine Vorstellung zugunsten dieses Fonds veranstaltet.


19) Vgl. Clemens Meyer, Gesch. d. M. - Schw. Hofkapelle, S. 206 ff.
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Publikum.

Über das Publikum läßt sich wenig sagen, was für diese Epoche besonders charakteristisch wäre. Flotow selbst äußert sich darüber folgendermaßen 20 ): "Ein liebenswürdiges Publikum, das Gebotene, wenn es ihm gut schien, freundlich aufnehmend, das weniger Gute mit Stillschweigen übergehend und das Langweilige durch leere Häuser zurückweisend. Die Kritik war so friedliebend, als wäre sie im Salon des Intendanten verfaßt . . ." Durchweg waren Lustspiel und Oper am besuchtesten, doch bei berühmten Gastspielen waren auch die Schauspiele sehr besetzt. Im Januar 1861 klagt die Kritik über geringes Interesse des gebildeten Publikums für Faustaufführungen; im übrigen finden sich jedoch wenig diesbezügliche Bemerkungen.

Intendanz Gustav Gans Edler Herr zu Putlitz
1863 - 1867.

Auf Flotows Vorschlag übertrug Großherzog Friedrich Franz II. den Intendantenposten an Gustav Heinrich zu Putlitz 21 ), einen Edelmann aus der Priegnitz, der als dramatischer Schriftsteller für die Bühne großes Interesse hegte. In Schwerin war er nicht mehr unbekannt, mehrere seiner Werke waren schon über die Bühne des Hoftheaters gegangen und bei der Einstudierung seines "Wilhelm von Oranien in Whitehall" war er 1861 in Schwerin selbst zugegen gewesen. Er nahm den ihm übertra-


20) Fr. von Flotows Leben, a. a. O., S. 126.
21) Gustav Heinrich Gans Edler Herr zu Putlitz, geb. 20. März 1821 auf dem väterlichen Gut Retzin in der Priegnitz. Nach juristischem Studium in Berlin trat er in die diplomatische Laufbahn ein, aus der er 1848 schied, um sich teils der Bewirtschaftung seines Gutes, teils seinen dichterischen Interessen zu widmen. Als Student in Berlin mit allen Theatern vertraut, machte er Bekanntschaft mit den Bühnengrößen und -Schriftstellern in jener Zeit. Besonders durch die Aufführungen des französischen Theaters in Berlin wurde er zu eigenem Schaffen angeregt. Ein längerer Aufenthalt in Paris 1849 - 50 ermöglichte ihm die genaue Kenntnisnahme des dortigen musterhaften Theaterbetriebs und des Verhältnisses der dramatischen Schriftsteller zur Bühne, was nachhaltigen Eindruck auf ihn machte. Mit Friedrich von Flotow war er seit 1850 bekannt und arbeitete 1852 mit ihm an "Indra". Charlotte Birch - Pfeiffer und Friedrich Halm hatten auf sein dichterisches Schaffen unmittelbaren Einfluß. Am Tage der Ernennung zum Hoftheater-Intendanten wurde ihm auch die Kammerherrnwürde verliehen. Am 1.Mai 1864 wurde P. zum General - Intendanten ernannt. 1873 übernahm er dasselbe Amt in Karlsruhe. Kurze Zeit war er Hofmarschall beim Kronprinzen von Preußen. Gest. Retzin 5. September 1890.
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genen Posten um so lieber an, als er gerade in jener Zeit in den Erfolgen seiner letzten Bühnenwerke ziemlich enttäuscht worden war. Seine Stellung gab ihm Gelegenheit, der Bühne auf andere Weise zu dienen und zugleich für sein eigenes Schaffen reiche Erfahrung zu sammeln. Am 17. März 1863 verpflichtete er sich zunächst auf drei Jahre, denen noch ein weiteres folgte, so daß er von 1863-67 die Leitung in Händen hatte. Das Ziel, das er dabei im Auge hatte, drückt er selbst folgendermaßen aus: "Der dramatischen Literatur gegenüber wollte ich jede edlere Bestrebung fördern, unterstützen, die Darstellung durch sorgfältiges Ensemble zu möglichster Vollendung bringen, den Geschmack des Publikums vom Unedlen, Frivolen, nur die Unterhaltung des Augenblicks Fördernden ablenken und ihn durch vorsichtiges Hinführen zu den poetischen Schätzen unserer dramatischen Literatur zu bilden suchen, dem ganzen Schauspielerstande aber wollte ich eine geachtete Stellung in der Gesellschaft erringen und ihm gegenüber manches Vorurteil besiegen 22 )." Diese Absichten zu verwirklichen, schien ihm nach der aktenmäßig festgelegten Stellung des Intendanten zunächst unmöglich 23 ). Danach hatte sich einerseits das Ministerium jegliche Entscheidung bei Engagements und Anschaffungen und in der Verwaltung vorbehalten, andererseits waren Steiner weitgehende Befugnisse eingeräumt, so daß in der Theorie ein Intendant überflüssig erschien. Minister von Schrötter räumte ihm jedoch auf eine diesbezügliche Anfrage hin völlige Machtvollkommenheit ein. Mit Direktor Steiner und Kapellmeister Schmitt, die beide zum Vorstand gehörten, einigte er sich bald über die Abgrenzung des Tätigkeitsfeldes. Der Großherzog ließ sich allwöchentlich vom Intendanten Vortrag halten, wobei er feines Verständnis und auch eigene Ansichten zeigte; er ließ im übrigen Putlitz freie Hand und schenkte ihm unumschränktes Vertrauen, was dieser in seinen Erinnerungen dankbarst anerkennt. Putlitz' Hauptinteresse lag auf dem Gebiet des Schauspiels; die Oper war bei Alois Schmitt in guten Händen, und der Intendant kümmerte sich nur, wenn nötig, um deren dramatische Seite und Inszenierung. Vor allem legte er Wert auf Harmonie in der Gesamtdarstellung eines Bühnenwerkes und hielt es für seine allereigenste Aufgabe, darüber zu wachen, daß nichts aus dem Rahmen eines Kunstwerkes herausfalle. Dabei kamen ihm seine Erfahrungen als dramatischer Schriftsteller sehr zu statten, ebenfalls seine Bekanntschaft mit vielen Bühnen. Folgende Theorie stellte er sich für


22) G. zu Putlitz, Theatererinnerungen, Berlin 1875, Bd. II, S. 2.
23) Diese Akten selbst müssen verloren gegangen sein, es fanden sich nur Bestimmungen für Steiner.
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seine Tätigkeit auf: "Ich wollte die Stücke, die dessen bedurften, dramatisch bearbeiten oder einrichten und dann abwartend den Proben assistieren, jeden Darsteller sich selbst entwickeln lassen und nur dann mit Rat und Besprechung eingreifen, wenn die Einzelleistung mir aus der Idee des Stückes herauszulenken schien 24 )." Dem gesteckten Ziel konnte er mit den vorhandenen Mitteln und Kräften im Lustspiel und Konversationsstück am nächsten kommen; deshalb wurde auch letzteres hauptsächlich gepflegt. Auf diesem Gebiet erreichte die Schweriner Bühne unter seiner Leitung einen hohen Grad von Vollkommenheit, so daß sie sich mit größeren Bühnen darin messen konnte. Das Streben des Intendanten nach künstlerischer Vollendung der Aufführungen und seine rege Anteilnahme an der Entwicklung der einzelnen Schauspieler in ihren Fähigkeiten wirkte belebend auf das ganze Institut. Dazu kam sein freundliches persönliches Verhältnis zu den Mitgliedern und Angestellten, deren bester Anwalt er stets auch nach außen hin war. Die soziale Stellung der Schauspieler suchte er nach Kräften zu heben. Für die Hebung ihrer wirtschaftlichen Lage sorgte er durch Neugründung eines Pensionsfonds. Als Putlitz 1867 nach vierjähriger reger Tätigkeit aus Familienrücksichten Schwerin verließ, bedauerte man allgemein sein Scheiden. Der Großherzog verlieh ihm aus Anerkennung das Großkomturkreuz des Hausordens der wendischen Krone und das Hoftheaterpersonal überreichte seinem gütigen und einsichtsvollen Leiter ein sinnreiches Abschiedsgeschenk. Er hat das Theater um ein Bedeutendes gehoben, wenn auch das Hauptgewicht der Leistungen auf einem Gebiet lag, das noch nicht den Höhepunkt dramatischer Kunst ausmacht. Jedenfalls hat er eine gute Grundlage gelegt, auf der sein Nachfolger erfolgreich weiter bauen konnte.

Regie.

Wie oben bereits erwähnt, führte der Intendant die oberste Regie selbst; er fehlte fast bei keiner Probe und verfuhr dabei nach den ihn leitenden Grundsätzen. Neben der reichen Anregung, die er zu geben vermochte, lernte er dabei auch für sein eigenes dramatisches Schaffen; sagte er doch selbst, daß er die praktische Kenntnis, Rollen zu schreiben, erst bei seiner vierjährigen praktischen Tätigkeit in Schwerin gelernt habe. Die geschäftliche und technische Leitung überließ er in der Hauptsache Julius Steiner, der auch während der Doberaner Spielzeit das Theater begleitete. Die Opernregie führte der Bassist Hinze gemeinsam mit Alois Schmitt bis 1868. In der Regie des Schauspiels wirkte seit 1861


24) Putlitz a. a. O. Bd. II, S. 26 f.
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Anton Feltscher und von 1865 ab auch der als Komiker engagierte Leopold Günther. In Feltscher fand Putlitz gute Unterstützung beim Einstudieren des Konversationsstückes, das er für die beste Schule der Schauspieler hielt. Das Zusammenspiel in diesem Stück war bereits am Ende der ersten Saison so gut, daß am 6. März 1864 das Scribesche "Glas Wasser" ohne Souffleur gespielt werden konnte, ein Wagnis, das nur nach sorgfältigem Studium möglich ist.

Repertoire.

Bei der Vorliebe des Intendanten für das Konversationsstück ist es erklärlich, daß dieses im Repertoire den größten Raum einnahm. Da es nun an abendfüllenden Stücken oft fehlte, waren die Lustspielabende sehr häufig durch zwei, drei, auch vier Bühnenwerkchen ausgefüllt. Daneben fehlte es nicht an ernsten Dramen, von denen manche Aufführung durch Anwesenheit bedeutender Gäste zu einem künstlerischen Ereignis wurde. Die Bekanntschaft des Intendanten mit verschiedenen Dichtern führte zu mehreren Uraufführungen; Putlitz war nämlich bemüht, den Dichtern ihre schwierige Stellung zur Bühne, die er selbst oft hemmend empfunden hatte, dadurch zu erleichtern, daß er ihnen Gelegenheit bot, ihre Werke zur Aufführung zu bringen. Auch die Oper brachte während der vier Jahre manche bedeutende Neuigkeit im Spielplan. Alle möglichen festlichen Begebenheiten am Hofe, wie auch Gedenktage für Dichter und Komponisten wurden mit Festaufführungen gefeiert, zu denen meist der Intendant selbst einen Prolog dichtete.

Schauspiel . Von den klassischen Dichtern stand Shakespeare an erster Stelle mit 24 Aufführungen, und zwar im besonderen mit seinen Lustspielen. Der "Sommernachtstraum", den die Schweriner, wie Putlitz behauptet, nicht leiden konnten, wurde am 26. [Syymbol]ktober 1863 als Festaufführung zur Verlobungsfeier des Großherzogs mit Prinzessin Anna von Hessen gegeben. Besonders die neuartige Auffassung der Rolle des "Puck" durch Frl. Röckel und später durch Frl. Brand brachte dem Publikum das Stück näher. Die Feier des 300jährigen Geburtstags Shakespeares veranlaßte Putlitz zu einer Bearbeitung des schon 1855 in der Schlegelschen Fassung gegebenen Lustspiels "Was ihr wollt", das er durch geschickte Inszenierung auf drei Akte beschränkte. Die dazu gehörige Musik komponierte ein Kapellmeister André; vorauf ging ein von Friedrich Halm gedichtetes Festspiel "Ein Abend in Titschfield", das Szenen aus Shakespeares Werken am Hofe der Königin Elisabeth darstellte. Das Lustspiel gefiel in Schwerin sehr. Es

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wurde am 18. und 28. März 1864 gespielt, im Mai darauf auch unter Beifall in Berlin bei einem Gesamtgastspiel der Schweriner Kräfte. Nicht ganz so gefiel das im April 1866 neu aufgeführte "Wie es euch gefällt" in einer szenischen Bearbeitung von Pabst. Neben diesen neuen Lustspielen waren im Repertoire vertreten "Viel Lärm um nichts", "Kaufmann von Venedig", "Romeo und Julia", besonders beliebt mit Frl. Röckel als "Julia"; im Januar 1866 "Richard III." mit Dawison und im März 1867 "Heinrich IV." mit Theodor Döring als "Falstaff". - Neben Shakespeare kam Schiller in 22 Aufführungen zum Gehör. Neu war darunter am 8. Dezember 1865 seine Bearbeitung eines französischen Stoffes in "Der Neffe als Onkel", außerdem die von Lindpaintner mit Musik versehene Ballade "Hero und Leander", die Julie Rettich am 30. März 1864 während ihres Gastspiels sprach. Am 29. März spielte sie in der neueinstudierten "Braut von Messina" die Rolle der "Isabella"; diese Aufführung gehörte zu den besten klassischen Aufführungen dieser Jahre überhaupt. - Goethes Dramen erreichten nur 14 Aufführungen. Der "Egmont" wurde am 13. Oktober 1864 unverkürzt gegeben mit Frau Otto - Martineck als "Fürstin von Parma", für deren Rolle früher keine geeignete Vertreterin vorhanden war. 1865/66 wurde "Faust" mit Frl. Röckel als "Gretchen" zweimal gespielt; "Iphigenie" 1864/65 mit Frau Ritter-Wagner und 1865/66 mit Fanny Janauscheck als Gast. - Lessings "Nathan" hatte Putlitz für die erste Vorstellung unter seiner Leitung in Schwerin gewählt, da aber das Publikum sich sehr ablehnend verhielt, erschien er nicht wieder auf dem Spielplan. Von Lessings anderen Werken wurde nur noch "Minna von Barnhelm" gespielt, und zwar am 22. Januar 1867 zur Feier seines Geburtstages. - Von Kleist kam nur "Käthchen von Heilbronn" einmal im Februar 1866 zur Aufführung und von Grillparzer nur "Medea" 1867 mit der Janausckeck. - Hebbels "Siegfrieds Tod" wurde im Februar 1864 aufgeführt und durch einen von Putlitz gedichteten Gedenkspruch zu einer Totenfeier für den im Dezember 1863 verstorbenen Dichter gestempelt. - Iffland, Kotzebue, Raupach, Gutzkow und Laube sind nur mit ein bis zwei Aufführungen vertreten. Durch die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Putlitz und Friedrich Halm kam am 30. November 1863 die Uraufführung seines Dramas "Wildfeuer" zustande, das durch die Vertreterin der Titelrolle, Frl. Röckel 25 ), während ihres Engagements in Schwerin


25) In ihrem Wiener Engagement 1866 - 71 und 1879 - 96 sowie auf Gastspielreisen trat Frl. Röckel oft in dieser Rolle, die zu ihren besten zählte, auf und errang dem Stück damit überall großen Beifall.
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zu einem beliebten Repertoirestück wurde und nur ihr den Erfolg zu danken hatte. In Frankfurt a. M. und Mannheim, wo es darauf in anderer Besetzung gespielt wurde, wies das Publikum es mit Entrüstung zurück. Der etwas bedenkliche Stoff konnte nur mit einer besonders dafür geeigneten Schauspielerin wirken. - Noch zwei Uraufführungen bot die erste Saison: am 2. Februar 1864 G. von Vinckes Erstlingswerk "Im Feuer", Lustspiel in 3 Akten, und am 28. Februar "Andreas Hofer" von Carl Immermann in der Bearbeitung von Putlitz. Der Beifall war zunächst groß. Auf allgemeines Verlangen wurde es im März wiederholt, aber schon bei einer dritten Aufführung zeigte das Publikum nur noch geringes Interesse. - Am 29. Januar 1865 brachte Putlitz das kurz vorher entstandene Schauspiel "Prinzessin von Montpensier" von Brachvogel als Uraufführung mit viel Erfolg auf die Bühne. Bis 1867 wurde das Stück noch achtmal aufgeführt und setzte sich auch auf anderen Bühnen durch. - Als letztes von Putlitz selbst eingeübtes Stück kam am 5. April 1867 Geibels "Sophonisbe" in einer Uraufführung auf die Schweriner Bühne, nachdem es unter Beisein des Dichters sorgfältig einstudiert worden war. Frau Otto - Martineck war eine gute Vertreterin der "Sophonisbe" und erzielte für die an sich undramatische Tragödie Geibels in Schwerin lebhaften Erfolg. Ähnlich galt bei einer früheren Aufführung seiner "Brunhilde" am 2. März 1866 der reiche Beifall weniger dem Stück als der vortrefflichen Leistung der Janauscheck als "Brunhilde". - In die Reihe der Uraufführungen gehört noch Charlotte Birch - Pfeiffers Schauspiel "Eine Sylvesternacht" am 31. Oktober 1864, das vom Publikum kühl aufgenommen wurde. Ihre Werke kamen mit 21 Aufführungen im ganzen verhältnismäßig oft auf den Spielplan. -

Von den Lustspieldichtern war der bevorzugteste Benedix. Er erreichte mit 29 Aufführungen von allen Autoren überhaupt die höchste Ziffer. Neu waren von ihm "Der Dritte", einaktiges Lustspiel, im Dezember 1863 und einige kleinere Lustspiele. Am meisten kamen "Die Dienstboten" zur Aufführung. Neben ihm waren vertreten Töpfer mit 11 Aufführungen, Pohl mit 7, Blum und Bauernfeld mit 6, Nestroy mit 2, Freytag mit nur einer. Eine Posse von Kalisch und Pohl "Namenlos" war beim Publikum ausnehmend beliebt. - Von den ausländischen Dichtern war Scribe am häufigsten vertreten. Sein "Glas Wasser" zog noch immer. Neu waren die fünfaktigen Lustspiele "Feenhände" im November 1864, "Gönnerschaften" im November 1866 und die "Verleumdung" im Februar 1867. - Als Abschluß

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der Betrachtung des Schauspielrepertoires sei noch von den Bühnenwerken des Intendanten selbst die Rede. Es fanden während der vier Jahre 21 Aufführungen davon statt; die erste Saison brachte außer der Bearbeitung von "Was ihr wollt" nur zwei kleine Einakter "Liebe und Arrest" und "Der Brockenstrauß". Zu den nach Abschluß der Saison im Mai 1864 stattfindenden Vermählungsfeierlichkeiten des Großherzogs dichtete Putlitz ein Festspiel "Maienzauber", zu dem Alois Schmitt passende Musik komponierte. Das Spiel brachte in sinnvoller Fassung lebende Bilder aus der mecklenburgischen Geschichte, von denen besonders die Bekränzung von Paul Friedrichs Standbild vom Publikum jubelnd begrüßt wurde. Die Saison 1864/65 brachte zwei neue Lustspiele:

Der Einakter "Zeichen der Liebe" erschien am 14. November 1864 anonym unter großem Beifall, das dreiaktige Lustspiel "Um die Krone" am 2. April 1865, beide als Uraufführungen. Das letztere erregte in dem dichtbesetzten Hause einen wahren Beifallssturm, der zum größten Teil jedenfalls der Person des Dichters galt. Das Interesse am Stück erlahmte denn auch bald, und auf anderen Bühnen hat es auch kein sonderliches Glück gemacht. 1865/66 kam nur ein kleines Weihnachtsspiel für Kinder mit Musik von Schmitt heraus und in der letzten Saison 1866/67 ein dreiaktiges Lustspiel "Spielt nicht mit dem Feuer", das fast auf allen deutschen Bühnen eine Zeitlang heimisch geworden ist.

Oper . Bei der Entwerfung des Opernrepertoires kam es zwischen Putlitz und Schmitt zuweilen zu Meinungsverschiedenheiten 26 ). Der Intendant hielt es für angebracht, im Interesse seiner Theaterkasse dem Geschmack des Publikums möglichst entgegenzukommen, während der Kapellmeister mehr die idealere Richtung durchzusetzen bemüht war. Dem öfteren Sieg der Putlitzschen Ansicht ist es daher zuzuschreiben, wenn Wagner und Mozart hinter anderen zurücktreten. Meyerbeer erstritt mit 27 Vorstellungen den Vorrang; den Hauptanteil hatte daran die am 19. Januar 1866 zum erstenmal gespielte "Afrikanerin", die noch in derselben Saison achtmal bei stets vollem Hause wiederholt wurde, eine für Schwerin seltene Erscheinung. Nächst Meyerbeer steht Lortzing mit 19 Aufführungen. Die am 23. Oktober 1865 in reicher Ausstattung auf die Bühne gebrachte "Undine", ebenso wie der "Waffenschmied" waren beliebte Zugstücke. - Ebenfalls Gounods "Margarethe", die zum erstenmal am 30. Januar 1864 erschien, fand viel Beifall und erlebte bis 1867 17 Aufführungen. Es folgen Weber mit 17, Mozart und Flotow mit je 15


26) Putlitz a. a. O. Bd. II, S. 7.
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und Auber mit 12 Aufführungen. Wagners "Tannhäuser" und "Lohengrin" kamen dagegen nur achtmal zur Aufführung; seine Bearbeitung der Gluckschen "Iphigenie" zweimal. Von Verdis neun Aufführungen gehörten die meisten dem am 14. Januar 1864 zum erstenmal gespielten "Troubadour", Donizetti und Rossini sind ebenfalls mit 9 Aufführungen vertreten, Bellini mit 8, Méhul mit 6, Halévy mit 5, Beethoven mit 3, Hérold und Offenbach mit je 2. Außer den schon genannten Neuerscheinungen im Opernrepertoire ist noch die Uraufführung von Härtels "Carabiniers" am 8. November 1866 zu verzeichnen, sie fand unter persönlicher Leitung des Komponisten, eines Mitgliedes der Kapelle, statt. Nach einmaliger Wiederholung verschwand sie wieder vom Spielplan.

Personal.

Schauspiel. Die ersten Herrenrollen im Schauspiel wurden, außer der des ersten Komikers, während dieser vier Jahre nicht neu besetzt. Am 27. April 1865 starb der vielbeliebte Komiker Peters, mit dem die Bühne eine bedeutende Kraft verlor. Am 11. Februar 1864 hatte er sein 24jähriges Jubiläum an der Schweriner Bühne gefeiert; während seiner langen Tätigkeit war er mit dem Schweriner Publikum eng verwachsen, so daß sein Nachfolger keine leichte Stellung hatte. Als solcher wurde Leopold Günther 27 ) gewonnen, der sich als Bearbeiter französischer Stücke und älterer Singspiele bereits einen Namen gemacht hatte. Bei vielseitiger Begabung gewann er bald die Gunst des Publikums. Sein Musikverständnis ermöglichte ihm auch die Mitwirkung in Singspiel und Oper. Für kleinere Rollen wurde 1863 Wilhelm von Horax engagiert 28 ), der als jugendlicher Liebhaber bald eine tüchtige Stütze des Lustspiels wurde, so daß er auch an den Gesamtgastspielen teilnehmen konnte. - Die ersten Heldinnen spielte Frau Otto - Martineck; jugendliche Liebhaberin war von 1863 - 66 Louisabeth Röckel 29 ), die sich beson-


27) Geb. 28. April 1825 in Berlin, 1837 - 43 Chorknabe am Königstädtischen Theater, dann engagiert in Hamburg, Lübeck, Bremen usw. Gründete 1853 mit van Lier in Amsterdam das Deutsche Theater und leitete es bis 1856, darauf in Braunschweig, Nürnberg und Berlin tätig. 1856 - 98 in Schwerin, seit 1868 Regisseur der Posse, des Singspiels und der großen Oper, 1894 zum Oberregisseur ernannt.
28) Sohn des Augsburger Theaterdirektors Maximilian von Horax.
29) Geb. 30. Oktober 1841 in Weimar als Tochter des Musikdirektors August Röckel. Erstes Auftreten 1858 als "Käthchen" auf der Weimarer Bühne, dort bis 1868 engagiert, 1863 - 66 in Schwerin, 1866 - 71 und 1879 - 96 in Wien, dazwischen Gastreisen, 1898 - 1900 am Schillertheater in Berlin.
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ders durch ihre Rolle als "René, genannt Wildfeuer", in Halbes Schauspiel einen Namen in der Bühnenwelt erworben hat. In Schwerin begann sie auch das Studium klassischer Rollen und hatte besonders als "Gretchen", "Julia", "Klärchen" und "Cordelia" viel Erfolg. 1866 - 68 trat an ihre Stelle Hermine Delia vom Berliner Schauspielhaus, eine besonders fürs Konversationsfach sehr begabte Darstellerin. Die Rollen der komischen Alten spielte bis 1866 noch Frau Lafrenz, bei ihrem Abgang wurde Amalie Schramm 30 ) engagiert, die bis 1872 in Schwerin blieb. Vortrefflich war sie als "Marthe" im "Faust" und als "Irmentraut" im "Waffenschmied".

Oper. Im Opernpersonal trat für den ersten Tenor Arnold 1866 Braun aus Königsberg ein, nachdem er im April 1865 als "Tannhäuser" mit Erfolg gastiert hatte; den zweiten Tenor Waldmann löste 1864 - 67 Schüller ab. Der Bassist Hinze feierte am 2. April 1866 sein 25jähriges Jubiläum. Als Benefizvorstellung für ihn wurde "Fidelio" gegeben. Als junger Bariton neben André war 1864/65 Carl Otto und 1865 - 68 Roschlau engagiert. - Erste dramatische Sängerin war von 1863 - 77 Frl. Barn, für Koloraturpartien 1863/64 Frl. Fließ und 1864 - 67 Frl. Anna Reiß,die als "Elsa" in "Lohengrin" 1864 zum erstenmal auftrat und bald in Schwerin sehr beliebt wurde. Für die Soubrette Frl. Mejo trat 1864/65 Frl. Anstensen ein, 1865/66 Frl. Bußler und 1866 - 69 Frl. Murjahn.

Gäste.

Über den Grundsatz, der den Intendanten beim Abschluß von Gastspielen leitete, schreibt er selbst folgendes: "So viel als möglich und im Interesse des Theaters und des Publikums zu liegen schien, versuchte ich es, durch Gastspiele dem Repertoire Abwechselung zu schaffen, das Interesse zu beleben und auch den Mitgliedern neue Anregung und gute Vorbilder zu geben. . . .Gern habe ich den Gastspielen die Hand geboten, die mir Vorstellungen ermöglichten, namentlich einzelner klassischer Werke, die eigene Kräfte allein nicht überwältigt hätten, und die vorzuführen selbst in vereinzelter Darstellung mir wünschenswert erschien, so "Richard III.", selbst "Wallenstein" mit Bogumil Dawison, "Die Braut von Messina" mit Julie Rettich u. a. m. Hier liegt wahrhaft künstlerischer Gewinn für Bühne und Publikum: die möglichst vollkommene Darstellung eines Meisterwerkes der Literatur, und in


30) Geb. 31. Oktober 1826 in Memel. Zunächst Koloratursängerin in Berlin. 1855 verlor sie ihre Stimme und ging zum Schauspiel über.
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dieser Rücksicht wird ein Gastspiel durchaus gerechtfertigt 31 ). Diesem Grundsatze folgend, zog er in den vier Jahren eine Reihe hervorragender Künstler zu Gastspielen heran: Auguste von Bärndorf, Meisterin im Konversationstück, aus Hannover gab vom 9. bis 16. November 1863 fünf Gastrollen, u. a. die "Donna Diana" von Moreto - West. Julie Rettich 32 ), persönlich mit Putlitz und seiner Familie von Wien her befreundet, spielte im März 1864 die "Isabella" in der "Braut von Messina" und die "Dorothea von Holstein" im "Testament des Großen Kurfürsten" von Putlitz. Minona Frib - Blumauer, die von 1854 - 86 in Berlin als gefeierte Schauspielerin besonders komische Charakterrollen spielte, trat vom 1. bis 5. April 1864 in sechs kleineren Lustspielen auf. Carl Sontag aus Hannover spielte vom 16. bis 23. Oktober 1864 einige Lustspielrollen, worauf er sich in seinen späteren Jahren immer mehr beschränkte. Hermann Hendrichs, den Putlitz den "letzten Romantiker auf der Bühne" nannte, gab vom 27. bis 31. Oktober 1864 fünf Gastrollen, u. a. als "Struensee", "Tell", "Dr. Robin"; besonders als "Tell" gefiel er den Schwerinern sehr gut. Der bekannte Friedrich Haase trat vom 4. bis 7. April 1865 zum erstenmal in Schwerin auf; als "Chevalier von Rocheferrier" erregte er in dem bis aufs Orchester ausverkauften Hause einen wahren Beifallssturm, während seine Art, den "Bonjour" in "Wiener in Paris" zu spielen, das Schweriner Publikum "chokierte". In derselben Saison trat Franziska Ritter - Wagner vom Januar bis 1. März in elf Rollen auf, unter denen besonders die "Iphigenie" hervorragte. Bogumil Dawison gab vom 27. Januar bis 11. Februar 1866 neun Gastrollen, u. a. als "Mephisto", "Richard III." und "Wallenstein". Den "Narcis" von Brachvogel spielte er zugunsten des Pensionsfonds. Fanny Janauscheck trat vom 21. Februar bis 2. März 1861 als "Königin Elisabeth" in Laubes "Graf Essex", als "Iphigenie" und als "Brunhild" in Geibels Tragödie auf. Das Haus war bei ihren Gastvorstellungen dicht besetzt. Im nächsten Jahr kam sie noch einmal und bot den Schwerinern vom 26. Januar bis 6. Februar in fünf Rollen große künstlerische Genüsse. Als letzter in der Reihe ist Theodor Döring zu nennen, der Nachfolger Seydelmanns in Berlin von 1845 - 78. Er spielte vom 24. bis 29. März 1867 an vier Abenden in Schwerin außer verschiedenen Lustspielrollen den "Falstaff" in Shakespeares "Heinrich IV."


31) Putlitz a. a. O. Bd. II, S. 193 f. und S. 196.
32) Geb. Gley aus Neustrelitz, wo ihre Eltern engagiert waren. Sie trat 1825 in Dresden zum erstenmal auf und wurde dort bis 1830 engagiert. 1835 - 66 war sie in Wien Nachfolgerin der Sofie Müller.
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In allen Rollen gefiel er mit seinem urgemütlichen und zu wahrer Herzensheiterkeit hinreißenden Humor den Schwerinern sehr; seine Darstellung des "Falstaff" soll nach zeitgenössischen Urteilen eine der hervorragendsten Leistung in der Schauspielkunst gewesen sein 33 ). - Die Gäste in der Oper sind weniger zahlreich. Der in Schwerin schon bekannte Tichatscheck sang am 20. und 23. Dezember 1863 den "Tannhäuser" und "Masaniello". Vom 18. bis 23. Januar 1864 gab die italienische Operngesellschaft Morelli drei Vorstellungen von italienischen Opern, und vom 22. bis 26. Februar desselben Jahres sang Leonore Deahna die Rolle des "Romeo" in Bellinis "Montechi und Capuletti", "Don Pedro" in der neuen Oper "Claudine" von Franz und die "Gräfin" im "Figaro". Der berühmte Stuttgarter Tenor Sontheim sang vom 15. bis 23. März 1866 in vier Gastrollen zum erstenmal in Schwerin. Im folgenden Jahr vom 3. bis 13. Januar in fünf Rollen. Er wurde zu den bedeutendsten Tenoristen seiner Zeit gerechnet und soll seine Stimme bis ins hohe Greisenalter in seltener Klangschönheit behalten haben. Die hannöversche Kammersängerin Asminde Ubrich, 1856 - 61 in Schwerin, sang vom 18. bis 26. November 1866 in drei Gastrollen die "Margarethe", "Rosine" im "Barbier von Sevilla" und "Die Lady Harriet" in Flotows "Martha".

Kapellmeister und Orchester.

Das Orchester machte auch während dieser vier Jahre unter Alois Schmitts kunstverständiger Leitung weitere Fortschritte. Während bei der Festsetzung des Opernrepertoires Intendant und Kapellmeister zusammenwirkten, wobei ersterer die Rücksichten auf die Theaterkasse besonders geltend zu machen suchte, hatte Schmitt in der Gestaltung der Konzerte völlig freie Hand und konnte hier ganz seinen künstlerischen Neigungen folgen, die besonders auf klassische Musik gerichtet waren. In dem Rendanten und Chordirektor Stocks, der ein durchgebildeter Musiker war, fand er wirksame Unterstützung in seinen Bestrebungen. Für den Chor bildete Stocks unermüdlich neue Kräfte heran; bei der Wahl der Mitglieder achtete er sowohl auf musikalische Begabung als auch auf die Unbescholtenheit der Privatverhältnisse und legte damit "das Fundament zu einem sittlichen Ton beim Theater, der weitergreifend die glücklichsten Folgen hatte". - Die Stelle des zweiten Musikdirektors war nach Schmiedekampfs Tod im Februar 1864 eine Zeitlang nicht besetzt. 1865 - 73 war der schon früher als Hofmusiker im Orchester beschäftigte Gustav Härtel als Musik-


33) Vgl. Monty Jakobs "Deutsche Schauspielkunst".
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direktor und Dirigent des Balletts tätig. In den Abonnementskonzerten und Kammermusikabenden wirkten die Mitglieder der Oper und die ersten Orchesterkräfte als Solisten mit; an hervorragenden auswärtigen Künstlern wurden herangezogen: 1864/65 die Gebrüder Müller, das Hofquartet aus Sachsen - Meiningen, die Pianistin Frau Clara Schumann, die Hofopernsängerin aus Dresden, Frau Krebs - Michalesi, und der Konzertsänger Julius Stockhausen. 1865/66 der Violinvirtuose Ludwig Strauß, Hans von Bülow und der gefeierte Violinmeister Joseph Joachim, der am 13. Januar 1866 das Beethovenkonzert zum erstenmal in Schwerin zu Gehör brachte. 1866/67 die Pianistin Alide Topp und der später in Schwerin engagierte Sänger Carl Hill, der am 11. Dezember 1866 bei einer Aufführung des Eliasoratoriums durch den Schweriner Gesangverein auch den "Elias" sang.

Die Finanzen.

Bei der Übergabe der Intendantur an Putlitz 1863/64 wurde der Zuschuß um etwa 10 000 Tlr. erhöht. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, den in den letzten Jahren vernachlässigten Fundus wieder aufzubessern und den Gagenetat zu erhöhen. Um etwas freiere Handhabung in der finanziellen Leitung zu haben, schlug Putlitz eine Reformierung der Finanzverhältnisse vor, wobei ihm das Ministerium vertrauensvoll entgegenkam. Es wurde im April 1865 ein fester Zuschuß von 62 000 Tlr. bewilligt, der im äußersten Fall 63 000 Tlr. betragen durfte. Die vom Publikum durch erhöhte Eintrittspreise erzielten Mehreinnahmen wollte Putlitz dem Theater und somit dem Publikum selbst wieder zugute kommen lassen. Er hoffte, dadurch regeres Interesse beim Publikum zu wecken, das sich sonst ganz auf die fürstliche Unterstützung verließ. So konnte er auch im Oktober 1864 eine Erhöhung der Eintrittspreise wagen, ohne auf allzugroßen Widerstand zu stoßen. Allerdings war die Erhöhung 34 ) auch keine sehr bedeutende. Die

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Abonnementspreise wurden um 5 Sch. für jede Vorstellung erhöht. Über den Gagenetat bemerkt Putlitz in einem Schreiben ans Ministerium 35 ), daß Bühnen wie Berlin, Wien, Dresden und größere Stadttheater das Zwei- und Dreifache an Gage zahlten. In Schwerin schwankte der Gagenetat in diesen Jahren zwischen 45 000 und 49 000 Tlr., davon ging bei der Anhäufung älterer Kräfte etwa ein Drittel an solche, die nicht mehr gebraucht werden konnten. Daher trat Putlitz schon während des ersten Jahres seiner Intendanz energisch für Gründung des Pensionsfonds ein, der später für diese Schwierigkeit wenigstens teilweise eine Lösung bringen sollte. Gleichzeitig damit wird auch der Beitritt zum Bühnenkartellverband erfolgt sein. 1866 nahm Putlitz jedenfalls an der in Frankfurt tagenden Intendantenversammlung teil, genau ist der Zeitpunkt des Beitritts nicht nach den Akten festzustellen.

Publikum.

Dem Publikum suchte Putlitz bei seiner Leitung möglichst entgegenzukommen, was ihm jedoch nicht immer leicht wurde. Er schildert sein Verhältnis zum Publikum wie einen fast beständigen Kampf. Das Repertoire mußte stets abwechslungsreich sein. Es wurden viele Stücke mit einer Aufführung abgetan, im allgemeinen ein- bis zwei-, höchstens dreimal wiederholt. Nur bei außergewöhnlich ansprechenden Stücken, wie z. B. Meyerbeers "Afrikanerin", überstieg die Zahl der Aufführungen die gewöhnliche Grenze. Im November 1863 schreibt Putlitz an Guisbert von Vincke: "Das Publikum ist am schwierigsten, viel unzufrieden, Feind alles Klassischen, Shakespeare wird gehaßt, Schiller und Goethe mit Nasenrümpfen behandelt. Wiederholt wird höchstens einmal wegen des Abonnements," und in seinen Erinnerungen heißt es: "Das Publikum zeigt große Nachsicht gegen die Schauspieler, die ihm durch die Gewohnheit lieb geworden waren, übertriebene Treue für die, welche fortgingen, sogar für die, welche vor Jahrzehnten der Tod oder ein anderes Engagement ihm entführt hatte, verglich fortwährend, hatte Mißtrauen gegen alles Neue und Unbekannte, Abneigung gegen Neuerungen, Vorurteile gegen Künstler, die erst ins Engagement traten, und scheute jede sichtbare Hingabe, jedes Zeichen, hingerissen, gerührt oder erheitert zu sein" 36 ). Andererseits aber erkannte er willig Vorzüge des


35) Akten des Geh. u. Haupt-Archivs.
36) Putlitz a. a. O. Bd. II, S. 32.
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Publikums an, deren einer z. B. in der Ablehnung alles Unnatürlichen, Frivolen und Unsittlichen lag.

Intendanz Alfred von Wolzogen 1867 - 1882.

Bevor Putlitz aus Schwerin schied, schlug er dem Großherzog zur Neubesetzung des Intendantenpostens einen Mann vor, dem er mit gutem Gewissen und vollem Vertrauen in seine Fähigkeiten die Leitung des ihm liebgewordenen Kunstinstituts überlassen zu können glaubte. Dieser Mann war Alfred von Wolzogen 37 ), königlich preußischer Regierungsrat in Breslau, der durch kunstkritische und kunstphilosophische Schriften sein reges Interesse an der Kunst bereits öffentlich gezeigt hatte. Im besonderen zog es ihn zur Schauspielkunst, und schon 1858 hatte er sich in München und 1867 in Dresden um den freigewordenen Intendantenposten beworben, um mit der Kunst selbst in nähere Berührung zu kommen. So ging er bereitwillig auf das Schweriner Angebot ein und wurde, nachdem er sich im Januar 1867 dem Großherzog persönlich vorgestellt hatte, zum 1. Oktober des Jahres vorläufig auf ein Jahr als Intendant verpflichtet. Am 28. Februar 1868 erfolgte seine Ernennung zum Kammerherrn, das Patent als Hoftheaterintendant wurde ihm dann endgültig am 31. März 1868 verliehen. Dieses Amt, dem er von nun ab seine ganze Lebenskraft widmete, versah er in unermüdlicher Tätigkeit und unter wachsendem Erfolg bis zu einer im März 1882 eintretenden Krankheit, von der ein sanfter Tod ihn am 13. Januar 1883 in San Remo erlöste.

Die 15 Jahre seiner Leitung bedeuten für das Schweriner Hoftheater eine Zeit hoher Blüte. Der auf Ausübung edler klassischer Kunst bedachte Intendant war ehrlich bestrebt, mit den verfügbaren Mitteln auf allen Gebieten das Höchstmögliche zu er-


37) Carl August Alfred Freiherr von Wolzogen, geb. am 27. April 1823 in Frankfurt a. M., besuchte 1836 - 40 das Pädagogium in Halle, 1840/41 die Klosterschule zu Roßleben und widmete sich dann in Berlin dem juristischem Studium. Während dieser Zeit stand er in lebhafter Beziehung zur Theaterwelt; aus diesen Jahren stammt auch die Freundschaft mit Putlitz, den gleiche Liebe zur Kunst mit ihm verband. Nach Abschluß seiner Studien trat er 1853 in Berlin in Staatsdienste, wurde aber 1854 einer politischen Schrift wegen nach Breslau versetzt. Hier widmete er sich neben seinem Beruf einer regen schriftstellerischen Tätigkeit. 1859/60 schrieb er für die Breslauer Zeitungen Theaterkritiken, die sich durch Begründung auf streng künstlerische Prinzipien auszeichneten und daher der Theaterdirektion bald unbequem wurden.
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reichen. Vor allem galt seine Sorgfalt dem Studium klassischer Dramen, die er in guter Darstellung dem Publikum nahe zu bringen suchte. Die von ihm bald erkannte Notwendigkeit, "daß ein möglichst nach idealen Prinzipien geleitetes kleineres Hoftheater, um auf eigenen Füßen zu stehen, sich in seiner ernsteren Richtung auf den Charakter einer gründlichen ,Schule' zur Heranbildung junger Talente auf dem Fundamente eines edlen Stiles und in künstlerisch anständiger Gemeinsamkeit beschränken müsse", veranlaßte ihn, sich vornehmlich dieser Schulung zu widmen. Seine eigene Begabung für dramatische Deklamation wandte er mit viel Geschick und Erfolg in der Belehrung berufener schauspielerischer Talente an; eine Reihe bedeutender Bühnenkünstler sind aus seiner Schule hervorgegangen. In diesem direkten bildenden Verkehr mit der lebendigen Kunst lag recht eigentlich die ganze künstlerische, ja geistige Begabung seiner allseitig gleich rezeptiven wie anregenden Natur 38 ). Sein Bestreben bei der Schulung der Schauspieler ging stets darauf hinaus, aus dem natürlichen Sprechtone heraus eine gleichmäßig rein und prägnant ausgearbeitete Kunstsprache zu bilden, während er die eigentlich schauspielerischen Leistungen der einzelnen durch sorgsam mitgeteiltes Verständnis zu heben suchte. Auch außerhalb des Theaters stand er in lebhafter Verbindung mit seinen Mitgliedern und wirkte im gesellschaftlichen Verkehr in vieler Beziehung befruchtend. Ältere Schweriner erinnern sich noch heute gern an den anregenden Umgang in seinem Hause. Nach außen vertrat Wolzogen das Theater als Mitglied des Bühnenkartellvereins; 1871 wurde er in die Fünferkommission gewählt, die zur Bühnenreform Stellung nehmen sollte. 1873 trat er in der Generalversammlung der Deutschen Bühnengenossenschaft 39 ) als Vertreter der Mitglieder des Schweriner Hoftheaters für das Wohl der Schauspieler und gegen die Tyrannei der Theateragenten ein. Bei all seinen Reden und Schriften betonte er immer wieder die hohe künstlerische Aufgabe eines Theaters. - In dieser Beziehung hatte er in Schwerin keinen schweren Stand, da der Großherzog gerade echte und gute Kunst liebte und schützte, andererseits fand er in Alois Schmitt einen treuen, begeisterten Mitkämpfer. Schwieriger dagegen war seine Stellung zum Publikum, das zum größten Teil mehr Gefallen an leichterer Kost fand und erst nach und nach durch die immer besser gelungenen Aufführungen gewonnen wurde. Von 1874/75 ab führte der


38) Vgl. H. P. von Wolzogen, Carl August Alfred von Wolzogen, biograph. Erinnerungsbild 1883.
39) Gegründet 1871 von Ludwig Barnay, Ernst Possart u. a.
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Intendant Volksvorstellungen klassischer Dramen zu halben Preisen ein, um einerseits Gelegenheit zu öfteren Wiederholungen zu geben, andererseits um in der großen Menge Interesse und Liebe für die Werke unserer großen Dichter zu wecken und lebendig zu erhalten. Wenn das auch nicht immer gelang, und der Intendant aus pekuniären Gründen zuweilen auf den Geschmack des Publikums Rücksicht nehmen mußte, so erreichte er es doch, das Hoftheater im großen und ganzen auf ein höheres künstlerisches Niveau zu erheben, das den Vergleich mit andern Theatern gleichen Ranges nicht zu scheuen brauchte und manche sogar weit überragte.

Regie.

Die Regie des Schauspiels führte im wesentlichen der Intendant selbst mit kundiger Hand. Mit jungen Kräften übte er deren Rollen ein und achtete bei allen Aufführungen auf Wahrung eines guten Gesamteindrucks. Die Bedeutung des Oberregisseurs Steiner trat mehr in den Hintergrund, seine Tätigkeit beschränkte sich immer mehr auf das Geschäftliche. Seit 1868 war Leopold Günther, der seit 1865 engagierte erste Komiker, Regisseur der Posse, des Singspiels und der großen Oper. Er machte sich besonders bei der schwierigen Inszenierung der großen Wagneropern verdient. Als Regisseur des Lustspiels wirkte von 1861 - 87 Ernst Schnabel, der nebenher nur in kleineren Rollen beschäftigt wurde.

Repertoire.

Ein Blick aufs Repertoire zeigt das Streben der Intendanz nach Veredelung des Geschmackes. Deutsche Kunst steht im Schauspiel wie in der Oper im Vordergrund. Die Gestaltung der Spielabende wurde im ganzen einfacher gehalten; die Zusammensetzung von Konzerten und Lustspielen hörte auf, die Zwischenaktsmusiken wurden bei klassischen Stücken eingestellt und der musikalische Teil auf eine den Abend einleitende Ouverture beschränkt oder auch ganz weggelassen. Das Ballett wurde immer mehr eingeschränkt und schließlich ganz abgeschafft, um Mittel für Verbesserung der Sologesangskräfte zu ersparen.

Das Schauspiel repertoire weist verhältnismäßig sehr viele klassische Stücke auf, von denen Wolzogen selbst viele bearbeitete. Sein Vorgänger hatte besonders das Konversationsstück gepflegt, daher waren die vorhandenen Kräfte auch weniger fürs ernste Drama geeignet, mit Ausnahme von Frau Otto - Martineck und Keller, die den Stamm bildeten für das von nun an unter persön-

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licher Leitung des Intendanten gepflegte klassische Drama. Unter den während dieser 15 Jahre zur Aufführung gelangten klassischen Autoren steht Shakespeare mit 107 Aufführungen weit voran, Schiller ist mit 76 vertreten, Goethe mit 61, Lessing mit 26 und Kleist mit 20. - Von Shakespeare kamen von den in Schwerin bereits bekannten Stücken "Hamlet" und "Der Kaufmann von Venedig" fast in jeder Saison auf die Bühne, im Februar 1869 wurde "Hamlet" mit Feltscher in der Titelrolle neu einstudiert, im Dezember 1870 spielte Friedrich Haase als Gast den "Hamlet"; dabei gefiel ihm die vom Intendanten geschulte Hermine Bland als "Ophelia" so gut, daß er sie im nächsten Jahr nach Leipzig engagierte. Auch "Romeo und Julia", "Othello" usw. wurden häufig gespielt. 1872/73 brachte der Intendant zwei von ihm selbst für die deutsche Bühne eingerichtete Schauspiele heraus: am 18. Oktober "Cymbelin" und am 4. Dezember "Maß für Maß". Ersteres wurde wie auch kurz vorher in Leipzig mit warmer Teilnahme aufgenommen, es war von Wolzogen geschickt deutscher Sitte angepaßt. 1874/75 unternahm der Intendant es sodann, die bis auf "Richard III." und "Heinrich IV." in Schwerin noch nicht gegebenen englischen Königsdramen in einem geschlossenen Zyklus auf die Bühne zu bringen. Zu diesem Zweck bearbeitete er die Historiendramen von "Richard II." bis "Richard III." auf Grundlage des Schlegelschen Textes. Die erste (Lancaster-) Trilogie: "Richard II.", "Heinrich IV." und "Heinrich V." wurde am 7., 9. und 11. Dezember 1874 gespielt; die zweite (York-) Trilogie: "Heinrich VI.", "Eduard IV." (im englischen Original "Heinrich VI. dritter Teil" genannt) und "Richard III." am 24. und 26. Februar und 1. März. Bei der Besetzung der einzelnen Rollen war darauf Bedacht genommen, daß ein und dieselbe Person, soweit deren Alter im Stück dies irgend zuließ, von demselben Darsteller in allen Dramen durchgeführt wurde. Das Schauspiel "Richard II." übernahm Wolzogen ohne wesentliche Änderung, bei "Heinrich IV." verschmolz er die beiden Teile zu einem Schauspiel und übernahm nur die 4. Szene des 4. Aktes, die Sterbeszene Heinrichs IV., in den Anfang von "Heinrich V". Zu dieser Szene komponierte Schmitt passende Orchestermusik, die sich durch Ernst und Bedeutung der Auffassung auszeichnete. Nach der Aufführung von "Heinrich IV." bemerkt die Kritik, daß die komischen Szenen bei gutem Spiel die ernsten bei weitem überragten. - Zu "Heinrich VI." benutzte Wolzogen in der Hauptsache den zweiten Teil des Shakespeareschen, vom ersten Teil nur die erste Szene des 4. Aktes, die Begründung der Parteien der roten und weißen Rose durch Heinrich VI. in Frankreich. Als Abschluß wählte er vom dritten Teil die erste

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Szene, in der Heinrich VI. seinen Gegner Richard von York als Thronfolger anerkennt. Im übrigen wurde der dritte Teil von "Heinrich VI." unter Änderung des Titels ziemlich unverändert beibehalten. "Richard III." kam jetzt zum erstenmal in ungetrübtem Gesamteindruck auf die Bühne. Diese mit großer Mühe und aufopferndem Fleiß aller Beteiligten zustande gekommenen Aufführungen waren für ein verhältnismäßig kleines Theater eine hervorragende Leistung. Das nicht sehr leicht zugängliche Publikum wurde mächtig erfaßt; am Schluß des letzten Teils wurde der Intendant stürmisch hervorgerufen, um ihm die wohlverdiente Anerkennung zu erweisen. - Bei einer Wiederholung von "Richard III." und den beiden Falstaffstücken "Heinrich IV." und "Heinrich V." am 15., 23. und 26. April 1875 waren die Aufführungen noch abgerundeter, im Publikum machte sich jedoch eine Ermattung des Interesses in schlecht besuchten Häusern bemerkbar 40 ). Im April 1876 wurde die zweite Trilogie in neuer Überarbeitung aufgeführt, die durch zweckmäßige Kürzungen der Kampfszenen und Wiedereinfügung einzelner bedeutender Momente die großen Geschichtsbilder in ihrem Zusammenhang noch eindringlicher wirken ließ. - Im Januar 1877 folgte dann noch eine Aufführung der ersten Trilogie. Der große Monolog im 5. Akt von "Richard II." wurde melodramatisch durch eine von Schmitt komponierte Begleitung unterstützt und von Drude meisterhaft vorgetragen. Am 1. Oktober 1880 kam dann zum erstenmal in Schwerin noch "König Johann" zur Aufführung, mit dem Shakespeare die Reihe der Geschichtsdramen eröffnet. Die Titelrolle wurde von Drude besonders gut wiedergegeben. Auch Rosa Otto - Martineck als "Constanze" und Bertha Tullinger als "Arthur" zeichneten sich aus. Der Eindruck aufs Publikum war jedoch sehr gering. Der Großherzog hielt es aus Kassenrücksichten für geboten, das klassische Repertoire von nun an überhaupt einzuschränken. - Schillers Dramen, von denen die "Jungfrau von Orleans" und "Maria Stuart" beim Publikum entschieden den Vorzug hatten, wurden vom Intendanten in möglichst getreuer Form wiedergegeben. So z. B. am 10. November 1871 "Wilhelm Tell" mit der sonst immer gestrichenen Parricida - Szene. Am 10. November 1869 wurde zum erstenmal das ganze "Demetrius"-Fragment aufgeführt. Schillers Dramen wurden besonders gern zu Volksvor-


40) Der aus sieben Dramen bestehende Zyklus in Dingelstedts Bearbeitung wurde 1866 in Weimar und 1875 in Wien nacheinander fortlaufend gespielt. Eine Ermattung des Publikums wurde auch dort beobachtet.
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stellungen gewählt; als erste von diesen Veranstaltungen wurde am 18. Januar 1875 die "Jungfrau von Orleans" mit Frl. Hennies als "Johanna" gespielt. Eine Vorstellung von "Kabale und Liebe" am 1. Dezember 1879 mit Bertha Tullinger als "Luise Millerin" bezeichnet Wolzogen selbst als die beste klassische Aufführung des Winters; auch die Kritik ist des Lobes voll, bedauert aber das geringe Interesse des Publikums für klassische Aufführungen. Mit der Wallensteintrilogie machte Wolzogen am 11. November 1868 den Versuch, die drei Teile an einem Abend in einer von ihm zusammengestellten fünfaktigen Tragödie zur Aufführung zu bringen. Die Vorstellung dauerte 3 1/2 Stunden, Keller war ein vorzüglicher Wallensteindarsteller. Einige Jahre hielt sich der "Wallenstein" in dieser Form in Schwerin auf der Bühne 41 ), aber im März 1877 wurde "Wallensteins Tod" wieder in der von Schiller geschaffenen Form aufgeführt, und zwar in einer recht guten Aufführung. - Goethes Dramen wurden ebenfalls vom Intendanten selbst sorgfältig einstudiert. Der "Faust" wurde außer 1875/76, 1879/80 und 1881/82 in jeder Saison ein, bis zweimal aufgeführt. In der ersten Saison unter Wolzogen am 19. Januar 1868 bei einem Gastspiel von Luise Erhartt aus Berlin als "Gretchen" erschien die Fausttragödie in neuer Einrichtung und Anordnung. Das Gretchen fand in der jugendlichen Hermine Bland (1868 - 71) und später in Bertha Tullinger (1879 - 84) besonders seelenvolle Darstellerinnen, ebenso wie auch das "Klärchen" im "Egmont", der nächst "Faust" am meisten zur Aufführung kam. Auch die "Geschwister", "Tasso", "Don Carlos", "Götz" und "Clavigo" erschienen mehrere Male auf dem Spielplan und zum erstenmal in Schwerin das von Ingeborg von Bronsart in Musik gesetzte Singspiel "Jery und Bätely" am 16. Februar 1876. - Von den 26 Aufführungen Lessingscher Dramen gehören 10 der "Emilia Galotti" und 7 dem Lustspiel "Minna von Barnhelm", auch der "Nathan" wurde mehrere Male eingeübt. Zum erstenmal in Schwerin wurde am 11. März 1868 sein kleines Lustspiel die "Juden" auf die Bühne gebracht und zu seinem Geburtstag am 22. Januar 1869 "Miß Sara Sampson". Letzteres durfte jedoch nicht wiederholt werden, da der Hof daran Anstoß nahm. - Der bisher in Schwerin sehr wenig gespielte Kleist ist in dieser Periode mit 20 Aufführungen vertreten. Davon gehörten die meisten dem beliebten Volksschauspiel "Käthchen von Heilbronn", ferner kamen noch "Der Prinz von Homburg" und "Der zer-


41) Außer in Schwerin kam diese Wallensteinbearbeitung nur einmal in Berlin zur Aufführung.
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brochene Krug" auf die Bühne. - Grillparzers "Sappho" wurde viermal gespielt, wobei Rosa Otto - Martineck als "Sappho" ihre reiche Begabung gut zum Ausdruck brachte. - Calderons Kunst suchte Wolzogen den Schwerinern in zwei Bearbeitungen nahe zu bringen. Im Oktober 1869 erschien der "Wundertätige Magus" und im Januar 1870 "Der standhafte Prinz", zu dem Schmitt passende Musik komponierte. Beide Aufführungen ließen das Publikum ziemlich kalt, ebenso das von Fr. C. Schubert bearbeitete Lustspiel "Vom Regen in die Traufe" im April 1874. - Literarhistorisch interessant ist ferner ein Versuch Wolzogens, die bis dahin als gänzlich unaufführbar betrachteten Hohenstauffendramen von Christian Dietrich Grabbe auf die Bühne zu bringen. Zu diesem Zweck machte der Intendant eine Bearbeitung der an mangelnder formaler Bewältigung des Stoffes krankenden Dramen; dabei verstand er es, die charakteristischen Schönheiten der Dichtung herauszuschälen. Schmitt komponierte auch hierzu die Musik. Die erste Aufführung dieser Dramen fand im Dezember 1875 statt, am 6. "Kaiser Friedrich Barbarossa" und am 8. "Kaiser Heinrich VI." Zwei Berliner Kritiker, Dr. Max Remy und Dr. Oscar Blumenthal 42 ) waren zu den Aufführungen nach Schwerin gekommen; ersterer schrieb im Dezember in der Vossischen Zeitung 43 ): "Wolzogen hat die Tat getan und dem Vorurteil, welches die Grabbeschen Hohenstauffen als schwer oder gar nicht aufführbar von der Bühne fernhielt, eine glänzende Niederlage bereitet. . . Es kam darauf an, in beiden Stücken durch Beseitigung des Episodischen die Wirkung möglichst auf die Haupthandlung zu konzentrieren, und dies ist auch durch geschickte Streichung und szenische Kombination vom Bearbeiter wesentlich erreicht worden. . . Die Härten der Grabbeschen Verse hat der Bearbeiter mit sicherer Hand beseitigt. Bei der Darstellung im Schweriner Hoftheater zeigte sich im ganzen wie im einzelnen überall die Hand des kunstverständigen Regisseurs, der hier mit dem Intendanten identisch ist. Die Massenszenen waren geschickt arrangiert und wurden mit vorzüglicher Präzision ausgeführt. Die einzelnen Darsteller spielten mit Lust und Liebe. . ." Eine Wiederholung, bei der durch Kürzungen der Eindruck noch erhöht wurde, fand auf allerhöchsten Befehl am 12. und 13. Dezember 1875 zu halben Preisen statt. Trotz einer außerordentlich beifälligen


42) Blumenthal hatte 1874 eine Ausgabe der Grabbeschen Werke in Detmold herausgegeben und damit das literarische Interesse auf ihn gelenkt.
43) Abgedr. in den Mecklb. Anzeigen 1876 Nr. 6.
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Aufnahme in Schwerin blieb das Beispiel ohne Nachahmung in der Bühnenwelt. Am 30. Oktober 1877 wurde ferner auch Grabbes "Don Juan und Faust" zum erstenmal aufgeführt 44 ), ohne im Publikum besonderes Interesse zu erregen. Frl. von Ernest machte als "Donna Anna" aus der Rolle, was daraus zu machen war, den Gegensätzen des Stückes "stand sie wie eine Heilige gegenüber". Am 1. November 1877 fand eine Wiederholung in Wismar statt. - Mehr Glück machte Wolzogens Bearbeitung des indischen Schauspiels "Sakuntala" von Kalidasa, das am 29. Januar 1869 als Festvorstellung zum Geburtstag der Großherzogin Marie mit Musik von Schmitt und Härtel zum erstenmal über die Bühne ging. Die Aufführung fand viel Beifall und wurde in derselben Saison noch zweimal wiederholt. Hermine Bland war für "Sakuntala" wie geschaffen und errang später auch in Leipzig, München und Stuttgart in dieser Rolle viel Erfolg 45 ). Am 23. April und 1. November 1880 fanden noch zwei Aufführungen mit der Bertha Tullinger als "Sakuntala" statt, die als mustergültig bezeichnet wurden. Über die Bearbeitung als solche schrieb der Kritiker Carl Müller eine anerkennende Kritik 46 ), in der er besonders die Schönheit der Sprache und die Gewandtheit des dramatischen Baues betonte, durch die Wolzogen es verstanden habe, Kalidasas altindische Fabel den Anforderungen eines modernen Dramas anzupassen. - Wolzogens eigene Stücke, die er in Breslau mit L. A. von Winterfeld zusammen verfaßt hatte, kamen nur einmal zur Aufführung, und zwar am 16. März 1868 das Schauspiel "Die Fürstin Orsini" und am 25. Oktober 1869 "Blanche", ebenfalls ein fünfaktiges Schauspiel, außerdem noch ein kleines Lustspiel "Die glückliche Braut" am 6. Oktober 1871. Im Dezember 1871 wurde ein nach John Brinckman gedichtetes Weihnachtsmärchen "Die armen Zwillinge" mit Musik von Härtel zum erstenmal gespielt und später als Kindervorstellung noch mehrmals aufgeführt. - Auch die griechische Tragödie fand eine Neubelebung am Schweriner Hoftheater. Am 5. April 1869 wurde "König Oedipus" von Sophokles in der Bearbeitung von A. Wilbrandt zum erstenmal gegeben, anschließend daran das Satyrspiel "Der Cyklop" von Euripides; am 18. Dezember 1871 folgte dann Sophokles' "Antigone", ebenfalls von Wilbrandt bearbeitet und von Schmitt


44) Vorher war es nur von der A. Pichlerschen Gesellschaft in Detmold und Lüneburg einmal gespielt worden.
45) "Sakuntala" ging außerdem noch über die Bühnen von Oldenburg, Breslau, Mannheim, Weimar, Berlin, Wien, Prag, Mainz, Königsberg und Karlsruhe.
46) Mecklb. Zeitung, April 1880.
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und Härtel mit Musik versehen. Vom 14. bis 16. Januar 1874 erschien in sinnreicher Zusammenstellung: "Orestes", eine zweiaktige Bearbeitung der Aeschyleischen "Grabesspenderinnen", Goethes "Iphigenie" und die einaktige "Elektra" von H. Allmers; den Abschluß bildete wieder der "Zyklop" von Euripides. - Von den modernen nordischen Dramatikern kamen Björnson mit drei neuen Dramen auf den Spielplan: am 10. Januar 1876 "Ein Fallissement", Schauspiel in 4 Akten, am 3. März 1876 "Die Neuvermählten", Schauspiel in 2 Akten, und am 24. November 1880 das vieraktige Schauspiel "Leonarda" in einer Übersetzung von Lobedanz. - Ibsen kam am 15. November 1876 mit den "Kronprätendenten" in der Übersetzung von Strodtmann zum erstenmal auf die Schweriner Bühne. - Von den Stücken des früheren Intendanten Putlitz fanden 52 Aufführungen statt, darunter außer 6 neuen kleinen Lustspielen sein Schauspiel "Rolf Berndt" am 14. November 1879 zum erstenmal und am 18. November 1881 die "Idealisten", Schauspiel in 5 Akten, das im Oktober 1881 in Hamburg seine Uraufführung erlebt hatte. Seine Werke fanden beim Schweriner Publikum stets viel Anklang.

Ein großer Raum im Repertoire mußte schon aus pekuniären Rücksichten dem Lustspiel eingeräumt werden, für das Wolzogen ein gut zusammen eingespieltes Personal vorfand. Ein Zurücktreten der vielen französischen Stücke ist deutlich zu beobachten. Der Intendant war sichtlich bemüht, auch in Lustspiel und Posse das Gediegenste auszuwählen und vor allem die deutsche Kunst in den Vordergrund zu bringen. Von den Lustspieldichtern erstritt Gustav Moser bei weitem den Vorrang mit 115 Aufführungen seiner Lustspiele und Schwänke, von denen er einige in Gemeinschaft mit Schönthan oder L'Arronge verfaßte. Letztere, besonders L' Arronge, kamen auch mit selbständigen Werken auf den Spielplan. Außerordentlich beliebt waren von Moser: "Registrator auf Reisen", "Ultimo", "Krieg im Frieden" und "Unsere Frauen". Außerdem wurden in den letzten Jahren mindestens ein oder zwei neue kleine Lustspiele von ihm einstudiert. Dagegen trat Benedix in den letzten Jahren mehr zurück, seine Stücke erlebten 47 Aufführungen; die erste Neuaufführung unter Wolzogen war "Der Bahnhof" von Benedix, Lustspiel in 3 Akten, im Oktober 1866, es folgte 1869 das vieraktige Lustspiel "Die relegierten Studenten" u. a. m. - Sehr viel Anklang fanden in Schwerin die von Gassmann - Krüger für die Bühne eingerichteten Reuterschen Dichtungen: "Inspektor Bräsig", Lebensbild in 5 Akten, im Oktober 1870 und das fünfaktige Zeitbild "Ut de Franzosentid" im Mai 1876. Eins von Reuters selten gespielten

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Lustspielen "Die drei Langhänse" 47 ) kam am 25. April 1879 in einer Bearbeitung von Pohl auf die Bühne. - Im übrigen war Bauernfeld mit 19 Aufführungen vertreten, Hersch mit 11, Pohl mit 31, Töpfer mit 19, Nestroy mit 6 u. a.; auch Leopold Günther und seine Tochter Murie lieferten für die Schweriner Bühne verschiedene kleine dramatische Werke, ebenso die von 1875 - 78 engagierte Marie von Ernest.

Das Opern repertoire dieser Zeit ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, daß es hauptsächlich Werke deutscher Meister aufweist. Zwei Hauptmomente sind hier besonders zu betonen, die in der Geschichte des Hoftheaters von Wichtigkeit sind: einerseits die sorgfältige Pflege Mozartscher Opern und andererseits die für ein verhältnismäßig kleines Theater mühsame und kostspielige Einstudierung von Wagners großen Musikdramen. Hiermit ging Schwerin fast allen großen Theatern voran und hat dadurch wesentlich dazu beigetragen, die Werke des großen Meisters bekanntzumachen. Es vereinigten sich hier in glücklichster Weise die Interessen des Intendanten und des Kapellmeisters, die ihrerseits in allen Beteiligten Liebe zur Sache zu erwecken verstanden. Nicht zum wenigsten hatte der Großherzog selbst ein Verdienst am Gelingen; durch rege persönliche Anteilnahme und durch pekuniäre Beihilfe förderte er diese außergewöhnlichen Leistungen.

Was Mozart anbetrifft, so galt die Reform in erster Linie der Oper "Don Juan". Hierbei war der Intendant selbst die treibende Kraft. Während seiner Breslauer Zeit hatte er sich in theoretischen Auseinandersetzungen um eine szenische und textliche Reinigung der in beiden Beziehungen im Laufe der Zeit verunstalteten Oper bemüht; der Fund des ursprünglichen italienischen Textbuches des Lorenzo da Ponte hatte ihn dazu veranlaßt. Unter Mitarbeit von Bernhard Gugler 48 ), der eine getreue Übersetzung des von Mozart benutzten Textes lieferte, und einigen andern Mozartkennern 49 ) war die Oper mit Benutzung der Originalpartitur in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt worden. Wolzogen entwarf dazu ein vollständiges Szenarium 50 ) und


47) Dieses Lustspiel entstand mit zwei anderen in den Jahren 1856 - 63 und wurde später von Reuter selbst noch umgearbeitet, wobei er den Dialog einiger Personen ins Plattdeutsche brachte.
48) Rektor der Polytechnischen Schule in Stuttgart.
49) Dr. Wendling aus Nymphenburg und Dr. C. Niese aus Dresden.
50) Als Buch erschienen 1869 in Breslau unter dem Titel "Don Juan, Oper in 2 Akten von W. A. Mozart, neu szeniert und mit Erläuterungen versehen" von A. von Wolzogen.
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brachte es in Schwerin zu Mozarts 113. Geburtstag am 27. Januar 1869 mit neuen, von ihm angegebenen Dekorationen zur Aufführung. Zu diesem Tage war eine Einladung an alle Bühnenleiter, Kapellmeister und Regisseure der deutschen Bühnen und an erste Kritiker ergangen 51 ); erschienen war jedoch nur Theaterdirektor Lobe aus Breslau, Hofkapellmeister Radecke als Vertreter Hülsens und der Berliner Kritiker Dr. Kugler. Das Interesse beim Schweriner Publikum war groß, zunächst zeigte sich jedoch gegenüber der neuen Form eine Befremdung, die erst allmählich wich, um einem begeisterten Beifall Platz zu machen. Dieser galt in erster Linie der sehr gelungenen Inszenierung mit den vom Theatermaler Willbrandt verfertigten Dekorationen. Der neue Text von Gugler fand weniger Anklang. Man vermißte darin alte, lieb gewordene Stellen. Dies ist auch wohl der Hauptgrund dafür gewesen, daß sich diese Form der Oper auf andern Bühnen nicht eingebürgert hat, denn die stilisierte Inszenierung Wolzogens war nicht ausführbar ohne den eng damit verbundenen Text. Eine Kritik Kuglers 52 ) zollt der Bearbeitung jedoch uneingeschränktes Lob, sie betont vor allem die innige Verbindung zwischen dem neuen Text und der neuen Szenierung und die große Feinheit, mit der jeder Ausdruck den Wendungen des Komponisten angepaßt sei. Weniger günstig lauten andere Kritiken 53 ) über die Textrevision, alle sind sich dagegen einig im Lob der szenischen Einrichtung. In der Wiederherstellung des zweiten Finale, das vorher nie gespielt wurde, sah man allgemein das Hauptverdienst der Bearbeitung, und dieses sowie Einzelheiten aus der Inszenierung sind von andern Bühnen vielfach übernommen worden. Im allgemeinen blieb dies Unternehmen jedoch nur ein ehrenvoller Versuch, Mozarts Meisterwerke in einer möglichst getreuen Form wiederzugeben. Für die heutige Bühne kann die im Geiste jener Zeit naturalistische Stilisierung der Oper durch Wolzogens Szenarium auch nicht mehr maßgebend sein, da der moderne Geschmack ein wesentlich anderer ist. In Schwerin konnte die Oper in ihrer neuen Form in derselben Saison noch viermal wiederholt werden und ist auch, solange Schmitt Kapellmeister war, stets so aufgeführt worden. Die anfänglich mit Streichquartett und Klavier begleiteten Secco-Rezitative wurden seit September 1871 vom Kapellmeister nur mit Klavier begleitet, wie es zu Mozarts Zeiten üblich gewesen war. - Von den übrigen Mozartopern erschien


51) "Signale für die musikalische Welt" 1869, S. 137.
52) Norddeutsche Allgemeine Zeitung 1869, Nr. 44.
53) P. von Kücken in "Signale f. d. m. Welt" 1869, S. 217 f.
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"Cosi fan tutte" am 29. Februar 1868 ebenfalls mit Text von Gugler in einer einmaligen Aufführung, ferner am 10. Dezember 1871 sein "Idomeneus", der auch nur dreimal gespielt wurde, und am 20. Dezember 1872 der "Schauspieldirektor" mit neuem Text, der jedoch den sonst üblichen von Louis Schneider nicht zu verdrängen vermochte. Seine andern größeren Opern "Figaros Hochzeit" und "Die Zauberflöte" wurden neu einstudiert und neben "Don Juan" oft gegeben. Es kamen im ganzen 78 Mozartaufführungen zustande.

Für die Geschichte des Theaters noch bedeutender waren die Wagneraufführungen dieser Periode, im besonderen die epochemachenden Walküreaufführungen von 1878. Von den bisher in Schwerin bekannten Werken wurde der "Fliegende Holländer" im Mai 1868 mit Carl Hill in der Titelrolle neu einstudiert und gleich "Tannhäuser" und "Lohengrin" in der Saison mehrere Male gespielt. Nur im Kriegsjahr 1870/71 konnten wegen erheblicher Lücken im Orchester keine großen Opern gegeben werden. Am Ende der ersten Saison 1867/68 wurde "Rienzi" einstudiert und am 3. Mai zum erstenmal unter lebhaftem Beifall gespielt; am 10. Mai fand eine Wiederholung statt, eine weitere Aufführung mußte wegen Heiserkeit des Rienzi - Sängers ausfallen. 1869/70 wurde es noch zweimal gespielt. Wagner selbst war auf der Suche nach den geeigneten Kräften für die ersten Bayreuther Festspiele nach Schwerin gekommen und hatte am 26. Januar 1873 einer Aufführung des "Fliegenden Holländers" beigewohnt. Carl Hill gefiel ihm darin so gut, daß er ihn für die Alberich - Rolle im Ring für Bayreuth gewann. Bei dem Wagner zu Ehren veranstalteten Festessen in Sterns Hotel nahm der Meister Gelegenheit, in warmen Worten anzuerkennen, wieviel man in Schwerin für Förderung seiner Werke getan habe 54 ). Seit den Bayreuther Festspielen vom 13. bis 17. August 1876 wuchs das Interesse für Wagners Kunst in Schwerin. 1877 war auf ausdrücklichen Wunsch des Großherzogs, der selbst an den Festspielen teilgenommen hatte, das Aufführungsrecht des Nibelungenringes erworben worden 55 ). Während der Wintersaison 1877/78 ging man zunächst an die Einstudierung der "Walküre", die hier in Schwerin nach Bayreuth zum erstenmal über die Bühne gehen sollte. Es war dies für eine Bühne wie Schwerin kein kleines Unternehmen und zeugt für die bedeutenden Fähigkeiten sowohl der Leiter als auch der Mitwirkenden. Nach umfangreichen Vorbereitungen konnte die erste Auf-


54) Vgl. Quade, Chronik der Stadt Schwerin, 1892.
55) Es wurden dafür 6000 Mk. gezahlt.
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führung am 7. Januar 1878 stattfinden 56 ). Die Kostüme und Requisiten waren genau nach Bayreuther Muster entworfen und die Bühnenbilder von Willbrandt im Anschluß an die Hoffmannschen Entwürfe angefertigt. Die wabernde Lohe im letzten Akte wurde nicht wie in Bayreuth 1876 durch beleuchtete Dämpfe, sondern durch richtige Flammen dargestellt. Die Erscheinung der Walküren in den Wolken fiel aus. Die Aufführung sollte laut Theaterzettel von 6 bis 10 1/2 Uhr dauern. Bei der Leitung des Orchesters zeigte sich das Kunstverständnis von Alois Schmitt, der am Regisseur Günther und am Chordirektor Stocks bei der Einstudierung tüchtige Helfer hatte. Der Intendant konnte nur noch den Proben beiwohnen, da eine längere Krankheit ihn für den Rest der Saison dienstunfähig machte. Die unter größter Sorgfalt vorbereitete Aufführung erregte im Publikum einen wahren Beifallssturm. Die Kritik betont besonders die glänzenden Leistungen des Orchesters und das harmonische Zusammenwirken mit den Darstellern. Die Aufmerksamkeit der gesamten Musikwelt richtete sich mit Spannung auf Schwerin, von allen Seiten strömten kunstliebende Besucher herbei. Die erste Wiederholung fand schon am 9. Januar statt, die zweite am 20. Hierzu waren Extrazüge für Besucher aus Rostock, Güstrow und Wismar eingelegt, die 730 Fremde herbeiführten. Das Haus konnte kaum alle Zuschauer fassen. Am 31. Januar fand wieder eine Vorstellung für Schweriner statt, am 9. Februar eine für Besucher aus Lübeck, Schönberg und Grevesmühlen, zu der etwa 550 Fremde mit Extrazug erschienen. Zum 24. Februar kamen aus Hamburg und Lübeck gegen 500 Kunstfreunde. Am 1. März wiederum eine Vorstellung für Schweriner und am 24. März eine Aufführung, zu der 95 Mitglieder des Berliner Wagner - Vereins mit Extrazug kamen. Unter den Berliner Gästen befanden sich viele angesehene Persönlichkeiten, u. a. Paul Lindau, damals Redakteur der "Gegenwart", Ernst Dohm, Redakteur des "Kladderadatsch", und Kalisch. Der Beifall war auch nach dieser Aufführung groß. Am 12. und 28. April waren wieder Vorstellungen für Schweriner und am 12. Mai nochmals eine für Fremde, so daß die "Walküre" im


56) Besetzung der 1. Walkürenaufführung:
Besetzung der 1. Walkürenaufführung
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ganzen elfmal in dieser Saison aufgeführt wurde. Die Anerkennung der Schweriner Aufführung war allgemein, selbst die verwöhnten Berliner hielten mit ihrem Lob nicht zurück; Paul Lindau gestand zu, daß die [Symbolperngesellschaft des Schweriner Hoftheaters geradezu den Enthusiasmus der Berliner Gäste erregt habe, und daß selbst denen, die in Bayreuth gewesen waren, die Aufführung keine Enttäuschung, sondern manche freudige Überraschung bereitet habe 57 ). Vor allen Dingen fand Hill als "Wotan" uneingeschränkte Anerkennung. Er soll Betz, seinen Vorgänger in dieser Rolle in Bayreuth, vollkommen erreicht haben. Auch alle übrigen Sänger und Sängerinnen fanden reiche Anerkennung, nicht zum wenigsten das Orchester mit seinem trefflichen Leiter. Die letzte Szene mit dem Feuerzauber brachte, wenn auch noch keine endgültige Lösung der Aufgabe, so doch Bayreuth gegenüber einen Fortschritt. - Im Herbst des Jahres 1878 ging man an die Einstudierung von "Siegfried". Am 6. Oktober 1878 konnte die erste Aufführung stattfinden 58 ). Eine Wiederholung für auswärtige Besucher folgte am 20. Oktober; dazu wurde aus Hamburg und Lübeck ein Extrazug eingelegt. Eine weitere Aufführung kam dann noch am 27. Oktober zustande. Das Interesse im Publikum war jedoch im Vergleich mit dem für die "Walküre" nur gering, alle drei Vorstellungen fanden bei nicht ganz ausverkauftem Hause statt. Der Grund lag eines Teils in der weniger gelungenen Aufführung, andererseits in dem Umstand, daß der hohen Kosten wegen die Vorstellungen zu hohen Preisen stattfinden mußten. Auch machte diese Aufführung schon deshalb nicht so viel von sich reden, weil der "Siegfried" inzwischen auch schon in Leipzig herausgebracht worden war. Der Komponist und Musikschriftsteller W. Langhans behauptet, daß die Aufführung hinsichtlich der schwierigen Inszenierung einen Vergleich mit Bayreuth keineswegs zu scheuen habe, obgleich in Schwerin nicht alles gelungen sei 59 ). - Nachdem der Intendant dem Großherzog über die großen Unkosten, die durch Aufführung des Nibelungenringes verursacht wurden, Bericht erstattet hatte, wurde beschlossen, die "Götterdämmerung" nur ein-


57) Kritik aus der "Gegenwart", abgedr. in den Mecklb. Anzeigen 1878 Nr. 77.
58) Besetzung der ersten Siegfried-Aufführung:
Besetzung der ersten Siegfried-Aufführung
59) Artikel der "Neuen Berliner Musikzeitung", abgedr. in den Mecklb. Anzeigen 1878, Nr. 245.
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zustudieren, falls es innerhalb des Etats möglich wäre. Da dies nicht der Fall war, und die vorhandenen Kräfte auch als nicht zureichend erachtet wurden, sah man von einer Aufführung dieses letzten Teils vorläufig ab. Im November 1878 wurde die "Walküre" noch zweimal bei nicht ganz vollem Hause aufgeführt. Darauf ließ man den Ring ruhen. - In der Saison 1881/82 wurden auch die "Meistersinger" einstudiert, die inzwischen ihren Siegeszug über die deutschen Bühnen angetreten hatten. Die erste Aufführung in Schwerin fand am 11. November 1881 statt 60 ). Sie erregte im Publikum helle Begeisterung. Von den Solokräften waren besonders gut: Hill als "Hans Sachs", Witt als "Walther" und Frl. Galfy als "Eva". Wiederholungen der Aufführung fanden am 13. und 20. November, 30. Dezember 1881, 15. Januar und 5. März 1882 statt. -

Außer Mozart und Wagner, dessen Werke in 134 Aufführungen auf die Bühne kamen, wurden auch die andern deutschen Opernkomponisten bevorzugt. Webers Opern erlebten 69 Aufführungen. 1874/75 wurde "Euryanthe" neu einstudiert und der "Freischütz" mit neuen Dekorationen versehen, die dem Publikum sehr gefielen. Lortzing war mit 61 Aufführungen vertreten, Beethovens "Fidelio" wurde 20mal gespielt. Kreuter gelangte mit seinen Opern 34mal auf die Bühne, Marschner 20mal, davon in erster Linie mit "Hans Heiling"; im Februar 1881 wurde sein "Vampyr" neu einstudiert. Neu waren auf dem Gebiet der deutschen Oper im Oktober 1872 der "Haideschacht" von Franz Holstein, der es nur zu drei Aufführungen brachte, und im März 1876 die der "Widerspenstigen Zähmung" von dem früh verstorbenen Komponisten Hermann Götz. Von demselben Komponisten ging eine nachgelassene, von Franck vollendete Oper "Francesca da Rimini" am 15. Januar 1882 unter großem Beifall über die Bühne und wurde bis zum Brand des Theaters am 16. April noch dreimal wiederholt. Eine vierte angesetzte Wiederholung wurde am 22. April als Konzertaufführung im Saal der Tonhalle zum Besten der Familie des verunglückten Feuerwehrmanns Berger gegeben. Als neu ist noch im März 1877 die Spieloper "Das goldene Kreuz" von Ignaz Brüll zu verzeichnen; sie wurde 1875 in Wien zum erstenmal gespielt und hat sich seitdem bis heute auf dem Spielplan gehalten. - Von den französischen


60) Besetzung der ersten Meistersinger-Aufführung:
Besetzung der ersten Meistersinger-Aufführung
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und italienischen Opernkomponisten steht Auber mit 58 Aufführungen an erster Stelle, neu war im April 1879 seine Oper "Der erste Glückstag". Neben ihm folgt Meyerbeer mit 44 Aufführungen, an denen die "Hugenotten" den größten Anteil hatten. Ferner Verdi mit 39 Aufführungen, sein "Maskenball" am 27. Februar 1880 zum erstenmal in Schwerin. Donizetti war an 31 Abenden vertreten, Gounod an 30. Flotows Opern erlebten nur 26 Aufführungen in diesen Jahren, davon zum erstenmal die komische Oper "Zilda" im Dezember 1867, die nach einer zweiten Aufführung wieder vom Spielplan verschwand, und am 1. März 1879 die vieraktige Oper "Alma", in früherer Form "Indra" genannt 61 ). Boieldieu war mit 19 Aufführungen vertreten, Rossini mit 18, Halévy mit 16, außerdem Nikolai, Méhul, Adam u. a. m. Als neu in der Reihe der ausländischen Komponisten erschienen Delibes, dessen komische Oper "Der König hat's gesagt" einigen Anklang fand, und Charles Thomas mit der komischen Oper "Raymond" im Januar 1870 und mit "Mignon" im Februar 1875; letztere wurde ein beliebtes Repertoirestück.

Personal.

Schauspiel . Gemäß dem Charakter einer gründlichen Schulung zur Heranbildung junger Talente, den Wolzogen dem Hoftheater wenigstens auf dem Gebiet des ernsten Dramas zu geben suchte, ist im Personal ein häufiger Wechsel zu beobachten. Der Intendant war unermüdlich, junge begabte Schauspieler und Schauspielerinnen heranzuziehen und in seinem Sinne weiter zu bilden und zu fördern.

Die ersten Heldenrollen spielte zunächst Adolf Bethge 1850 - 82, ihm gelang besonders gut der "Egmont". In den 70er Jahren ging er allmählich zum älteren Fach über. Neben ihm spielte auch Anton Feltscher bis 1870 erste Helden. 1871 - 78 wurde Wilhelm Schneider 62 ) verpflichtet; er begann in Schwerin seine Bühnenlaufbahn als jugendlicher Held. Wolzogen erkannte jedoch bald seine Begabung fürs Fach der älteren Helden und Charakterrollen und beschäftigte ihn dementsprechend. Schneider entwickelte sich bald zu einem vortrefflichen Darsteller; bei der


61) Vgl. Jahrbuch 87, S. 87.
62) Geb. 19. Sept. 1847 in Petersburg, kam 1871 nach Schwerin, 1878 wurde er für 8000 Mk. Gage ans Münchener Hoftheater engagiert, wo er 1881 zum Regisseur ernannt wurde und lange Jahre wirkte.
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Aufführung der Shakespeareschen Geschichtsdramen zeichnete er sich als "Heinrich IV." besonders aus. 1878 wurde Albert Baumann sein Nachfolger, der bis 1882 der Bühne angehörte. Jugendliche Liebhaber und Helden spielte bis 1868 noch Wilhelm von Horax, dessen Begabung jedoch hauptsächlich im Konversationsstück lag; 1868 - 70 Pachert, 1870/71 Richelsen, der später in Dresden ein geschätzter Liebhaber wurde, 1871/72 von Ernest, 1872 - 74 Krebs, neben ihm Goritz, 1874/75 Hans Lortzing, Sohn des Komponisten; da dieser jedoch nicht sonderlich gefiel, wurde 1875 für ihn Otto Ottbert engagiert, der im Lustspiel sehr gut war und sich im klassischen Drama, z. B. auch als "Heinrich V." und "Heinrich VI.", auszeichnete. 1878 - 91 wirkte dann in seinem Fach Friedrich Rosée. - Das Charakterfach erlitt durch Friedrich Kellers Abschied 1869 einen bedeutenden Verlust. 1869/70 spielte seine Rollen ein Amerikaner Freemann, der viel Talent hatte, jedoch, von Schulden erdrückt, bald durchging. 1871/72 wurde Siegwart Friedmann 63 ), der erste und einzige Schüler Dawisons, gewonnen, zugleich mit ihm seine Gattin, die durch Lasalles Tod berüchtigt gewordene Helene von Rakowitza, geb. von Döniges. Ihre Begabung lag im Fach der Salondamen, doch versuchte sie sich auch in klassischen Rollen. An Friedmanns Stelle trat 1872 Max Drude, der das Charakterfach bis über diese Periode hinaus gut vertrat. Als "Falstaff" und "Richard III." zeichnete er sich besonders aus. Als 2. Charakterspieler ist 1872 - 78 Wassermann zu nennen, der in Schwerin seine Bühnenlaufbahn begann und später in Karlsruhe viel Lorbeeren erntete. - Als erster Komiker und Buffo in der Oper war Leopold Günther sehr beliebt; in ihm hatte das Theater eine bedeutende Stütze, sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur. Zweite komische Rollen spielte 1868 - 70 Meinhold, 1862 - 87 Wilhelm Otto.-

Unter dem weiblichen Schauspielpersonal blieb während der ganzen Zeit Frau Rosa Otto-Martineck dem Hoftheater getreu, obgleich ihr glänzende Angebote von größeren Theatern gemacht wurden. In den 70er Jahren vollzog sie mit viel Geschick


63) Geb. 25. April 1842 in Budapest, 1863 in Breslau engagiert, 1864 in Berlin, 1871/72 in Schwerin. Hier bezahlte der Großherzog aus seiner Schatulle 1600 Tlr., um das Engagement Friedmanns und seiner Gemahlin als Kuriosität zu ermöglichen. 1872 - 76 ging Friedmann nach Wien, 1876 - 78 nach Hamburg, später auf Gastreisen. 1883 beteiligte er sich an der Gründung des Deutschen Theaters in Berlin.
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den Übergang vom Fach der Heldinnen zu dem der Heldenmütter. Ihr selten schönes, melodisches Organ verstand sie hervorragend zu meistern; in Rollen mit vorwiegend rethorischer Bedeutung war sie daher vorzüglich. Für die jugendliche Heldin und Liebhaberin Hermine Delia gewann der Intendant die noch sehr jugendliche Hermine Bland 64 ) 1868 - 71, die er selbst sorgsam und mit viel Erfolg zur tragischen Liebhaberin ausbildete. Sie gewann sehr bald die Herzen der Schweriner, die sie bei ihrem Abschied in der Rolle der "Julia" mit Blumen überschütteten. 1868/69 teilten sich Frl. Hahn und 1869/70 Clara Truhn mit ihr als Anfängerinnen in die tragischen Rollen, ebenso 1870/71 die oben erwähnte Gattin Friedmanns. Als Nachfolgerin der Hermine Bland wirkte 1872 - 75 Emilia Hennies 65 ), die für das tragische Fach sehr begabt war. 1875 - 78 war für ihr Fach die auch als Schriftstellerin bekannte Marie von Ernest engagiert. Sie war 1874 im Berliner Viktoria - Theater zum erstenmal aufgetreten. Im Sommer 1875 studierte Wolzogen mit ihr in Berlin die Rollen des "Klärchen", "Gretchen", der "Emilia" und der "Louise Millerin" ein. Ihr folgte 1878/79 Melanie von Lacroix und 1879 - 84 die 16jährige Bertha Tullinger, die unter den Nachfolgerinnen der Bland die talentvollste war. Ebenfalls unter persönlicher Leitung des Intendanten reifte sie zu einer bedeutenden Schauspielerin heran. Als 1882 ihr Kontrakt ablief, wurde ihre Gage von 2200 M auf 3000 M erhöht, um ihre Kraft dem Theater zu erhalten. Seit September 1882 spielte sie auch mit viel Erfolg graziöse Lustspielliebhaberinnen. - Als Vertreterin der naiven Rollen war die seit 1861 engagierte Philippine Brand noch bis 1872 beschäftigt, auch Rollen der Salondame übernahm sie seit 1868, da aus Geldmangel seitdem keine besondere Kraft dafür engagiert war. Nach ihr folgten verschiedene Vertreterinnen, die sie jedoch nicht erreichten: 1873/74 Frl. Rosée, 1873 - 76 Emilia Becker, 1876/77 Frl. Spettini, 1877/78 Frl. Hülsen, 1878/79 Frl. Link und Frl. Masson, 1879 - 82 Frl. Reichenbach. Seit 1879 wurde wieder eine Salondame engagiert, und zwar bis 1880 Frl. Berger, 1880 - 82 Seraphine Détschy, die sehr bald beliebt wurde. - Als komische Alte blieb Amalie Schramm bis 1872, dann übernahm ihre Rollen zum größten


64) Geb. 24. Dez. 1852 in Wien, 1867/68 erstes Engagement in Cöln, 1868 - 71 in Schwerin, 1871 - 73 in Leipzig, 1874/75 am Wiener Stadttheater, 1875 - 99 in München als tragische Heldin von großem Ruf.
65) 1873 verheiratet mit Wilhelm Schneider und von der Bühne abgegangen.
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Teil die seit 1854 in Schwerin engagierte Christine Gollmann, die im Schauspiel sowie in der Oper viel beschäftigt wurde; am 19. November 1879 feierte sie unter lebhafter Anteilnahme des Publikums ihr 25jähriges Jubiläum. Oper . Der "höchst musikalische, aber reizlose" Heldentenor Braun ging 1868 ab und für ihn wurde Ferdinand Jäger 66 ) aus Cassel engagiert. In dem 1868 neu einstudierten "Lohengrin" schuf er in der Titelrolle eine Glanzleistung; auch als "Tannhäuser" überragte er seine Vorgänger in Schwerin bei weitem. Sein Nachfolger Hermann Schrötter 1870 - 73 erreichte ihn nicht, noch weniger 1873/74 Küch, der schon im nächsten Jahr 1874/75 durch Georg Lederer ersetzt wurde. Diesem lag auch die Lohengrinrolle besonders gut. Bedeutender war jedoch Anton Schott 67 ) 1875 - 77; er war bisher lyrischer Tenor am Berliner Hoftheater gewesen, fand sich aber unter Schmitts Leitung überraschend schnell in sein erweitertes Rollenfach hinein. Sein erstes Auftreten als "Tannhäuser" in der festlichen Aufführung, die das Schauspielhaus nach dem erweiterten Umbau neu einweihte, übertraf bereits die Erwartungen, die man auf ihn setzte. Sein Nachfolger wurde Josef von Witt 68 ); er gastierte 1877/78 zunächst längere Zeit, wurde 1. Februar 1878 fest engagiert und blieb bis 1887 in Schwerin; er war ein viel beliebter, auch in Konzerten oft tätiger Sänger. - Lyrische Tenorrollen sang 1867/68 Seydlmayer, 1868 - 72 Bohlig und seit 1872 Weber. - Für das bis 1868 durch Roschlau besetzte Baritonfach machte Schmitt für das Hoftheater eine glänzende Erwerbung mit Carl Hill. Dieser war 1840 in Idstein in Nassau geboren und wurde zunächst Postbeamter in Frankfurt a. M. Seine schöne Stimme erregte Aufsehen; ange-


66) Geb. 25. Dez. 1839 in Hanau, trat 1865 in Dresden zum erstenmal auf, darauf tätig in Cöln, Hamburg, Berlin, Stuttgart und Cassel. Nach seiner Schweriner Zeit ging er 1870 wieder nach Dresden, 1876 sang er bei den ersten Bayreuther Festspielen den Siegfried und galt lange Jahre als der erste Repräsentant des neuen dramatischen Gesangstils. Seit Anfang der 90er Jahre wirkte er als Gesangslehrer und starb am 13. Juni 1902.
67) Geb. 1846 auf Stauffeneck, war zunächst Offizier, als solcher im Feldzug 1870/71; dann musikalische Ausbildung unter Leitung der Agnese Schebest. 1872 - 75 lyrischer Tenor in Berlin, 1875/77 Schwerin, 1877 - 81 Hannover, danach als Wagnersänger auf Gastspielreisen.
68) Josef Fileck, Edler von Wittinghausen, gen. von Witt, wurde 1843 in Prag geboren. 1867 musikalische Ausbildung in Berlin, dann 1868/69 in Graz, 1869 - 77 in Dresden, 1877 - 87 in Schwerin. Gestorben 17. September 1887.
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feuert durch ein Lob Richard Wagners, der ihn 1862 in Frankfurt singen hörte, ließ er sich ausbilden und widmete sich zunächst dem Oratorien- und Konzertgesang. Erst auf besonderes Anraten von Alois Schmitt wählte er die Bühnenlaufbahn. Am 11. Dezember 1866 sang er zum erstenmal in Schwerin bei der Aufführung des Eliasoratoriums und am 14. Dezember 1868 in einem Konzert. 1868 wurde er am .Hoftheater engagiert 69 ) und betrat als "Jakob" in Méhuls "Joseph in Ägypten" zum erstenmal überhaupt die Bühne. Trotz vieler lockender Anträge blieb er bis zum Ende seiner Bühnenlaufbahn in Schwerin. Am 16. März 1890 trat er zum letztenmal auf in der Rolle des "Fliegenden Holländers". Auf eigenen Antrag wurde er drei Jahre vor Ablauf seines Kontraktes pensioniert und starb am 17. Januar 1893 in geistiger Umnachtung in Schwerin. Er war in diesen Jahren der Stern der Schweriner Oper und hat den Ruf derselben mit begründen helfen. Auf ausgedehnten Gastspielreisen in Deutschland und im Auslande erwarb er viel Ruhm. An Wagners Londoner Konzertunternehmen im Mai 1877 war auch er beteiligt; 1876 sang er in Bayreuth den "Alberich" und 1878 in Schwerin unter allgemeiner Bewunderung den "Wotan", ferner den "Wanderer" im "Siegfried" und den "Hans Sachs" in den "Meistersingern", außerdem viele andere Rollen. - Die ersten Baßpartien sang bis 1876 Hinze, seit 1872 neben ihm Otto Drewes, der 1866 - 68 schon als Anfänger in Schwerin war. Am 16. September 1897 feierte er sein 25jähriges Jubiläum. Für den Bassisten André 1854 - 71, der ebenso wie Hinze auch im Schauspiel aushalf, trat 1871 - 73 Mühe ein, 1879 - 89 von Willem.

Das Fach der ersten dramatischen Sängerin war 1867/68 mit Eugenie Pappenheim nur mäßig besetzt. Ihr folgte 1868 - 71 Marianne Lüdecke aus Karlsruhe; ihre .Hauptrolle war die "Senta". 1871 - ist Frl. Csányi zu nennen, die besonders als Wagnersängerin vortrefflich war. Sie verließ die Bühne und verheiratete sich mit Alois Schmitt. An ihre Stelle trat 1873 - 76 Virginia Gungl, Tochter des Komponisten Joseph Gungl. Als sie nach einer glänzenden Abschiedsrolle als "Elsa" Schwerin verließ, trat an ihre Stelle Thoma Börs 1876 - 79, eine grundgebildete Sängerin, die sich bei den Aufführungen der "Walküre" als "Sieglinde" und später als "Brünhilde" besondere Anerken-


69) Als Kammersänger wurde er für 3000 Mk. verpflichtet, als Hofopernsänger für 2400 Mk. und Spielhonorar, später auch 3000 Mk. 1882 wurde sein Kontrakt unter 600 Mk. Gehaltszulage verlängert und ihm die Zusicherung einer Pension von 3600 Mk. gegeben.
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nung erwarb. 1879 - 82 sang Frl. Köppler erste Partien und neben ihr wurde für hochdramatische Rollen Hermine Galfy aus Königsberg engagiert, die von 1880 - 86 der Bühne angehörte. Außerdem sind für erste Sopranpartien noch Frl. Schaffrot 1870 - 72 und Leontine von Dötscher 1877 - 82 zu erwähnen. - Als Koloratursängerin war seit 1866 Magdalene Murjahn engagiert. Sie studierte im Sommer 1868 bei der berühmten Gesangskünstlerin Pauline Viardot - Garcia, verließ aber schon 1869 unter allgemeinem Bedauern Schwerin. 1869 - 72 vertrat ihre Rollen Josephine Rudolff, 1873/74 Frl. Manschinger, 1874 - 79 Frl. Lindemann, Tochter des Casseler Sängers E. Lindemann. Ihre Nachfolgerin war 1879 - 82 Lona Gulowsen, ebenfalls eine Schülerin der Garcia. Unter den Soubretten zeichnete sich in dieser Zeit besonders Kätchen Rothaus, 1874 - 76, und als Mezzo - Sopran-Sängerin Katharina Lorch 1868 - 70. - Für den 1866 ausscheidenden Ballettmeister Louis Bernadelli wurde 1867 Polletin engagiert und als Solotänzerin Frl. Fugmann; beide gingen jedoch 1872 ab, da das Ballett abgeschafft wurde. Für Gruppierungen und Chortänze in der Oper wurde Frau Lydia Hinze, geb. Bernadelli, von 1872 - 76 verpflichtet.

Gäste.

Im Schauspiel sind verhältnismäßig wenig Gastspiele zu verzeichnen, da der Intendant meist mit eigenen Kräften auszukommen suchte und nur außergewöhnliche Größen zuweilen zur Belebung des Repertoires heranzog. Darunter sind zu nennen: Emil Devrient vom 4. bis 19. November 1867 in acht Rollen, am 18. November 1867 vor König Wilhelm trat er als "Rubens in Madrid" auf 70 ). Ferner Carl Sontag, der aus alter Anhänglichkeit stets jubelnd begrüßt wurde. Im Februar 1869 und im Januar 1873 trat er in je zwei kleinen Lustspielen auf. Vom 20. Februar bis 1. März 1874 spielte er an vier Abenden unter besonderem Beifall seine Glanzrolle als "Dr. Wespe". - Louise Erhartt aus Berlin wurde im Januar 1868 für drei Gastrollen gewonnen und hinterließ als "Klärchen", "Gretchen" und "Maria


70) Nach der Vorstellung sagte der König zum Intendanten: "Wenn Sie das Stück wieder geben, so lassen Sie den Rubens eine Photographie von seiner Geliebten ausbitten, dann können Sie sich die vier nächsten Akte sparen." - Devrient bekam für diese Gratisvorstellung einen Brillantring.
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Stuart" in Schwerin einen unverlöschlichen Eindruck 71 ). - Friedrich Haase, von 1870 - 76 Direktor des Leipziger Stadttheaters, spielte im Dezember 1869 an drei Abenden in Schwerin bei völlig ausverkauftem Hause, außer mehreren Lustspielrollen auch den "Hamlet". - Emmerich Robert aus Wien trat vom 5. bis 12. März 1875 zum erstenmal in Schwerin auf, und zwar als "Romeo", "Hamlet", "Mortimer" und "Max Piccolomini", 1878 kam auch der berühmte Ludwig Barnay nach Schwerin und trat vom 7. bis 27. Februar in fünf Rollen auf, u. a. als "Marquis Posa" und "Graf Essex". - Der Wiener Komiker Wilhelm Knaack trat am 28. und 29. März 1881 in sechs Stücken vor völlig ausverkauftem Hause auf, während er im folgenden Jahr vom 12. bis 27. März nicht mehr so viel Anziehungskraft auszuüben vermochte.

Etwas zahlreicher waren die Operngäste von 1877 - 82: Die ungarische Sängerin Aglaya Orgeni, eine Schülerin der Garcia, war ein beliebter Gast in Schwerin. 1868 sang sie vom 18. März bis 4. April in sechs Rollen, im März 1874 an zwei Abenden und vom 12. Januar bis 18. April 1888 in sechzehn Rollen. Darunter war die Erstaufführung von Verdis "Maskenball" am 27. Februar, bei der sie die "Amelia" sang, und am 4. März eine Lohengrinvorstellung, in der sie als "Elsa" neben Anton Schott als "Lohengrin" und Marianne Brandt (Berlin) als "Ortrud" auftrat. - Pauline Lucca aus Berlin sang am 27. April 1868 in einem einmaligen Gastspiel die "Margarethe" "primadonnenhaft gleichgültig" (für 500 Tlr. Honorar). Theodor Wachtel sang vom 21. bis 26. November 1873 den "Raoul", "Manrico" und seine Lieblingsrolle den "Chapelou" zum Besten der Witwenkasse des Orchesters. - Der Berliner Hofopernsänger Franz Diener trat vom 19. bis 28. Januar 1874 in vier Opernvorstellungen auf, davon zweimal als "Lohengrin"; außerdem auch in zwei Konzerten. - In derselben Saison am 6. April William Müller aus Hannover als "Tannhäuser"; am 9. März 1879 mit Mathilde Mallinger zusammen in "Lohengrin". - Im April 1875 trat der Münchener Tenor Franz Nachbauer als "Lohengrin" in der silbernen Rüstung König Ludwigs II. und als "Raoul" auf. Beide Vorstellungen fanden bei erhöhten Preisen zugunsten der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger und des Pensionsfonds statt. - Die damals in Berlin engagierte Minna Hauk kam am 25. Februar 1877 zu einmaligem Gastspiel nach Schwerin und begeisterte als "Mignon" das vollbesetzte Haus.


71) Für diese wie auch für die meisten andern Gastvorstellungen wurde ein Spezialabonnement ausgegeben.
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Kapellmeister und Orchester.

Alois Schmitt entwickelte in dieser Zeit eine sehr rege Tätigkeit als Leiter der Kapelle, die er durch Berufung tüchtiger Kräfte fast ganz neu zusammensetzte 72 ). 1873 bestand sie aus 30 engagierten Mitgliedern, drei auswärtigen Musikern, drei Schweriner Hilfsmusikern und neun Hoboisten mit fester Gage für sieben Monate. In den 60er Jahren war der Etat für die Kapelle herabgesetzt worden, wurde nun aber auf dringendes Anraten des Intendanten und Kapellmeisters wieder erhöht, da größere Opern sonst nicht gespielt werden konnten. Im Verhältnis zu andern Theatern 73 ) wurde in Schwerin immerhin noch wenig für die Kapelle ausgegeben. Wenn trotzdem die Aufführungen der großen Wagneropern gelangen, so ist das der umsichtigen Leitung Schmitts in erster Linie zuzuschreiben. Als dieser am 19. November 1881 sein 25jähriges Jubiläum feierte, wurden ihm viele Beweise der Anerkennung zuteil. Bei der am folgenden Tage stattfindenden Meistersingeraufführung nahm auch das Publikum Gelegenheit, ihm seine Anerkennung und Verehrung auszudrücken. Außer den üblichen Konzertveranstaltungen im Abonnement, zu denen viele namhafte Künstler jener Zeit herangezogen wurden 74 ), veranstaltete Schmitt im Januar und Februar 1881 zum erstenmal in Schwerin musikalische Morgenfeiern. An sechs Sonntagen wurden nacheinander alle neun Symphonien Beethovens und vier Ouverturen zur Aufführung gebracht. Auch fanden das 5., 7. und 8. der Mecklenburgischen Musikfeste in Schwerin unter seiner Leitung statt. Im März 1878 erließ er in den Zeitungen einen Aufruf zur Gründung eines Mecklenburgischen Wagnervereins, als Zweigverein des Bayreuther, zur Erleichterung und Förderung der im Sommer 1880 geplanten "Parsifal"-Aufführung in Bayreuth. Ob dieser Verein damals zustande gekommen ist, entzieht sich meiner Kenntnisnahme. - Musikdirektor war 1870 - 73 Gustav Härtel, 1873 - 77 Wilhelm Stade. 1881 wurde Arthur Meißner als Leiter der Spieloper engagiert. Er wurde 1892 Hofkapellmeister, 1920 Generalmusikdirektor, und war bis 1. Januar 1922 in Schwerin tätig. - Christian Daniel Stocks leitete den Chor noch bis 1881, nach seinem Tode übernahm 1881 - 92 Fritz Becker dieses Amt, der bereits seit 1859 als Hornist in der Kapelle tätig war.


72) Vgl. Clemens Meyer a. a. O ., S. 222 - 227.
73) 1867/68 zahlte man für die Kapelle in Mannheim 12 600 Tlr., Cassel 18 328 Tlr., Braunschweig 17 343 Tlr., Dessau 22 685 Tlr., Weimar 17 140 Tlr. In Schwerin dagegen 9681 Tlr. und seit 1869 12 - 13 000 Tlr.
74) Vgl. Clemens Meyer a. a. O., S. 204 f.
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Die Finanzen und das Publikum.

Mit Beginn der neuen Intendanz 1867 wurde der Zuschuß um 4000 Tlr. etwa erhöht und betrug danach gegen 67 000 Tlr. Bei den steigenden Lebensbedürfnissen und Gagen genügten die Mittel jedoch noch nicht, und trotz Ersparnissen auf manchen Gebieten konnte der Etat nicht innegehalten werden. Der Intendant schlug deshalb vor, entweder erhöhte Opernpreise einzuführen und durch günstigere Bahnverbindung Fremden den Theaterbesuch zu erleichtern oder die Oper ganz abzuschaffen und nur die Kapelle zu erhalten für ein mit dem Theater verbundenes Konzertinstitut. Auch schlug er vor, die Vorstellungen in Doberan fallen zu lassen, da die dortigen Einnahmen im Verhältnis zu den Kosten viel zu gering waren. Dies geschah denn auch seit dem Sommer 1874. 1873/74 wurden zur teilweisen Deckung der Mehrkosten die Eintrittspreise erhöht 75 ), da man an ein Aufgeben der Oper nicht denken wollte. Auch wurden durch den inneren Umbau des Theaters 1875/76 zweihundertacht Kassenplätze gewonnen, die eine Mehreinnahme ermöglichten. Zu Anfang der 70er Jahre machte sich hier wie überall die Theaterkrisis bemerkbar; auch hatte das Hoftheater damals unter der Konkurrenz des Thaliatheaters zu leiden, das weit in den Winter hinein Vorstellungen gab, zu denen sich das Publikum sehr hingezogen fühlte. Besonders die Vorstellungen der Offenbachschen Operetten waren sehr beliebt. Um so mehr mußte daher der Intendant darauf bedacht sein, das Publikum durch gute Aufführungen an das Hoftheater zu fesseln. Um mehr Gelegenheit zu haben, die klassischen Aufführungen zu wiederholen, führte er von 1874/75 ab Volksvorstellungen zu halben Preisen ein. Gelegentlich einer Kritik von "Romeo und Julia" im Februar 1881 heißt es u. a.: "Der Herr Intendant zeigt auch in diesem Spiel, welches Interesse er für das große Drama in seinem Personal zu wecken und im Publikum zu fördern


75) Preise seit Januar 1874, mit geringen Variationen bis 1882:
Preise seit Januar 1874, mit geringen Variationen bis 1882
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weiß. Denn wir erleben es bei guter Aufführung und gutem Studium klassischer Dichtungen, daß auch im Publikum sich eine Zustimmung zeigt, die bis dahin nicht bestand. Die Freude an dergleichen Darstellungen, wie sie jetzt geboten werden, übt sich auch im fleißigeren Besuch des Hauses 76 )." Im allgemeinen war die Oper jedoch beliebter und erfreute sich eines zahlreicheren Besuches.

Vignette

76) Mecklb. Anzeigen 1881, Nr. 32.