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c. Eisenzeit.

Erste Eisenzeit.


Begräbnißplatz von Neu=Stieten,
von
G. C. F. Lisch.

Am Ende des Monats November 1865 ließ der Herr v. Sittmann auf seinem Gute Neu=Stieten bei Wismar (auf dem Außenschlage Nr. 5) eine Abtragung vornehmen und fand bei dieser Gelegenheit einige Urnenscherben und zerbrannte Knochen. Hiedurch aufmerksam gemacht, veranstaltete er genauere Nachgrabungen und entdeckte dadurch einen Begräbnißplatz der Eisenzeit mit mehreren Urnen und eisernen Alterthümern. Der Platz, eine ebene Fläche bildend, ist sandig und liegt ungefähr 10 Minuten vom Hofe, an der Grevesmühlenschen Landstraße, ungefähr 10 Minuten von der Chaussee von Schwerin nach Wismar. Auf die Nachricht von diesem Funde begab sich der Sergeant Büsch aus Wismar nach Neu=Stieten, welcher von dem Herrn v. Sittmann für den Verein nicht nur die gefundenen Alterthümer zum Geschenk, sondern auch die Erlaubniß erhielt, an der Fundstelle weiter nachzugraben. Dieser fand freilich den Fund bestätigt, indem er noch Scherben von 4 bis 5 zerbrochenen Urnen und einen Ring und eine Schnalle von Eisen fand, mußte aber die Arbeit aufgeben, indem der Boden zu naß und die Witterung zu ungünstig war. Der Herr v. Sittmann hat daher Aussicht gemacht, daß die Nachforschung in günstigem Jahreszeiten fortgesetzt werden könne.

Die Urnen standen alle ungefähr 1 1/2 Fuß tief in der ebenen Erde.

Die gefundenen Alterthümer sind folgende:

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1) eine große hellbraune Urne, 9" hoch und 11" im Bauchdurchmesser, ohne alle Verzierungen, von mehr cylinderförmiger Gestalt und mehr den Urnen der Bronzezeit sich nähernd, ziemlich gut erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines erwachsenen Menschen;

2) Scherben von einer großen hellbraunen Urne, welche ganz mit den charakteristischen eingedrückten Punctlinien verziert gewesen ist;

3) Scherben von einer großen, ganz dunkelbraunen Urne, welche ebenfalls mit Punctlinien, namentlich am Rande mit hammerförmigen Verzierungen geschmückt gewesen ist;

4) eine kleine braune Urne, von der vorherrschenden schalenförmigen Gestalt der Urnen der ersten Eisenzeit, 4 1/2" hoch und 8" im Bauchdurchmesser, mit eingeritzten Parallellinien am Bauche und Fuße verziert und am Bauchrande außerdem mit Halbkreisen aus eingedrückten Punctlinien, herabhangenden Guirlanden gleichend, ziemlich gut erhalten, mit den zerbrannten Gebeinen eines Kindes;

5) Scherben einer hellbraunen schalenförmigen Urne, nur mit eingeritzten Parallel= und Zickzacklinien verziert;

6) Scherben einer hellbraunen schalenförmigen Urne, ohne Verzierungen;

7) Scherben einer ähnlichen Urne;

8) eine ganz dunkelschwarze Urne, mit einem sehr weiten, hoch liegenden, scharfen Bauchrand, tief eingezogenem, spitzigem Untertheil und sehr kleinem Boden, wie Frid. Franc. Taf. XXXIV, Fig. 9 und 10, und Jahrb. XII, S. 435, 8" hoch, 10" weit im Bauchdurchmesser und 3 1/2" im Bodendurchmesser, mehr als zur Hälfte erhalten, über dem Bauchrande mit einer eingeritzten Zickzacklinie verziert, welche an beiden Seiten von eingestochenen (nicht eingedrückten) Puncten begleitet ist, mit zerbrannten Knochen eines erwachsenen Menschen; die Urne gleicht also der Urne Fig. 9 im Frid. Franc, a. a. O.;

9) eine gleich geformte und gleich große, dunkelschwarze Urne, über dem Bauche mit eingeritzten Parallellinien im Zickzack und unter dem Bauche mit eingeritzten Perpendiculairlinien verziert, ähnlich wie Jahrb. XII, S. 435, zur Hälfte vorhanden, mit zerbrannten Knochen eines erwachsenen Menschen;

10) eine gleich geformte und gleich große dunkelschwarze Urne, über dem Bauchrande mit Zickzacklinien und unter dem Bauche mit eingeritzten Perpendiculairlinien,

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welche so flach sind, daß sie kaum bemerkt werden, verziert, also wie Jahrb. XII, S. 435, nur in einem Bruchstück in ganzer Höhe vorhanden.

In den verschiedenen Urnen lagen auf den zerbrannten Menschengebeinen folgende Alterthümer:

11) 1 Heftel aus Bronze, sehr klein und zierlich gearbeitet, ungefähr wie Jahrb. XXVII, S. 180, jedoch noch kleiner;

12) 1 Schnalle aus Bronze an einem kurzen, zum Aufnieten bestimmten Bronzeblechstreifen, ganz wie die in Jahrb. XXVII, S. 180, unten, abgebildete, jedoch mit rundem Schnallenbügel;

13) 1 kleines Drathgewinde aus Bronze, unbekannter Bestimmung;

14) 2 Hefteln aus Eisen, stark gerostet und zerbrochen;

15) 2 Schnallenbügel aus Eisen, wie der bronzene oben, zerbrochen;

16) 4 spitze Messer aus Eisen, stark gerostet;

17) 1 breite Messerklinge aus Eisen, zur Hälfte vorhanden, fast gar nicht gerostet;

18) 4 Sicheln aus Eisen, zerbrochen;

19) 4 Lanzenspitzen aus Eisen, von denen nur eine noch ziemlich vollständig ist;

20) 1 Stück Blech aus Eisen, Bruchstück mit einem Nietloch, unbekannter Bestimmung;

21) 1 Schildnabel aus Eisen, wie gewöhnlich die Schildnabel dieser Zeit, mit langer, starker Spitze;

22) 2 Blechhefte aus Eisen, an den Enden rund geschweift, gegen 2 1/2" lang, ähnlich wie die bei Hagenow gefundenen und zum Jahresbericht VIII, Lithographie Taf. II, Fig. 12 abgebildeten;

23) 4 Niete aus Bronze, oben mit einem rund gearbeiteten Knopf aus Bronzeblech von 3/4" Durchmesser; zwei haben Spuren von Eisenrost von andern eisernen Alterthümern, eines ist noch auf ein Stück abgerundetes Eisenblech genietet, welches den Enden der 2 eisernen Blechhefte gleich ist;

wahrscheinlich gehören diese eisernen Blechhefte und bronzenen Niete, deren Köpfe sonst wohl Eichelform haben, zum Schildbeschlage;

24) 1 hieneben abgebildeter, großer, massiver Ring aus Eisen, ungefähr 3/8" dick im Eisen und 2 1/2 bis 2 3/4" weit im innern Durchmesser, fast wie ein mittelalter=

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Ring

licher Pfortenring; auf den großen Ring ist ein kurzer, mit 2 Querrinnen verzierter, schmaler Ring aus Eisen aufgeschoben, welcher 1 1/2" lang ist und 1 1/2" äußern Durchmesser hat. Der Ring gleicht also ganz dem bisher allein bekannten, bei Hagenow mit römischen Alterthümern gefundenen, zum Jahresbericht VIII, S. 45, Nr. 19, auf der Lithographie Taf. II, Fig. 11 abgebildeten Ringe, nur daß der Hagenower Ring 3 1/4" innern Durchmesser und der übergeschobene Ring eine größere Breite und mehr Rinnen hat, also im Ganzen etwas größer ist. Wozu der Ring gedient hat, ist mir nicht ganz klar. Milde meint, es könne eine Art Spange oder Schnallenring sein; und wirklich findet sich an dem übergeschobenen Ringe nach der innern Oeffnung des großen Ringes ein in dem Holzschnitte angedeuteter Höcker, welcher

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nicht aus aufgeworfenem Rost bestehe sondern einen metallischen Kern hat.


Dieser Fund, welcher freilich noch nicht groß ist, ist von großer antiquarischer Wichtigkeit, indem er ein bedeutsames Glied in der Kette der Alterthümer aus der ersten Eisenzeit bildet. Ich habe in den Jahrb. XXVI, 1861, S. 161 flgd., für das nordöstliche Deutschland als das wichtigste Kennzeichen der ersten Eisenzeit die kohlschwarz gefärbten und dunkelbraunen Urnen hingestellt, welche mit eingedrückten, aus viereckigen Runden gebildeten Linien, vorherrschend in Hammerform, reich verziert sind und diese erste Eisenzeit durch vielfache Vergleichungen bis wenigstens in das erste Jahrhundert nach Christi Geburt zurück versetzen können. Der reiche Begräbnißplatz von Wotenitz (Jahrb. XXV, S. 252 flgd., und XXVI, S. 161 flgd.) giebt ein anschauliches Bild von dem Bildungszustande dieser Zeit; ihm schließen sich zahlreiche andere Begräbnißplätze ähnlicher Art an. Mitten darin steht der in den vorstehenden Zeilen beschriebene Begräbnißplatz von Neu= Stieten, welcher ebenfalls diese mit Punctlinien verzierten Urnen aufweiset. Durch die an den Bronzestreifen genietete Bronzeschnalle (Nr. 12) und die Bronzeheftel gewinnen wir durch den Begräbnißplatz von Bützow (Jahrb. XXVII, S. 180) die Ueberzeugung, daß der Begräbnißplatz von Neu=Stielen in die Zeit fällt, in welcher das Hakenkreuz heiliges Sinnbild war, wie auch eine Urne von dem großen Begräbnißplatz von Kothendorf mit demselben Hakenkreuz verziert ist. Der Fund von Neu=Stieten ist aber durch die große Mannigfaltigkeit der Urnen bemerkenswerth. Er enthält noch eine große hellbraune Urne (Nr. 1), welche noch stark an die Bronzezeit erinnert, außerdem aber, außer den schalenförmigen, mit Punctlinien verzierten Urnen (Nr. 2 bis 7), noch dunkelschwarze, mit eingeritzten Linien und eingestochenen Puncten verzierte Urnen, welche im untern Theile stark eingezogen sind und daher einen sehr spitzen Fuß haben. Diese Urnen gehören, wie schon früher vermuthet, aber in Meklenburg noch nicht bewiesen war, ebenfalls der ersten Eisenperiode an. Der Fund von Neu=Stielen erhält aber auf eine überraschende Weise Bestätigung durch den Begräbnißplatz von Rothenbek im Sachsenwalde, welchen Justus Brinkmann im XXIV. Bericht der Schl.=Holst.=Lauenb. Gesellschaft, 1864, S. 23 flgd., entdeckt und gewissenhaft beschrieben und durch eine

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gute Tafel mit Abbildungen der Urnen erläutert hat. Alle Urnenformen, und auch vorherrschend die Verzierungen, sind dort wie hier genau dieselben, so daß man die Tafel fast als Abbildung der Urnen von Neu=Stieten gebrauchen könnte.

Der Begräbnißplatz von Neu= Stieten läßt sich aber durch eine Entdeckung beinahe in eine bestimmte Zeit bringen. Denn höchst merkwürdig ist der starke eiserne Ring mit einem aufgeschobenen Ringe (Nr. 24), welcher hier gefunden ist. Dieser Ring ist ganz dem erwähnten Ringe gleich, welcher mit vielen römischen Alterthümern, theilweise mit römischen Fabrikstempeln, bei Hagenow, und sonst noch nirgends in Meklenburg, gefunden ward. Der Fund von Jagenow fällt aber sicher in das 1. oder 2. Jahrh. nach Christi Geburt (vgl. Jahrb. XXVI, S. 166).

Auf diese Weise ist der Fund von Stieten im Stande, sich in die Mitte vieler Funde von großer Wichtigkeit zu stellen.