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Kegelgräber von Zachow,
von
G. C. F. Lisch.

Bei dem Bau der Chaussee von Parchim nach Putlitz hatte der Herr Pächter Meyer zu Zachow bei Parchim für die Chausseebau=Direction die Lieferung der von dem Felde des Gutes erforderlichen Steine übernommen und ließ zu diesem Zwecke mehrere große "Steinklippen", Steinhügel oder Kegelgräber, in den Ackerschlägen nahe bei dem Hofe abbrechen.

Beim Abräumen dieser Gräber wurden viele Alterthümer aus Bronze gefunden, welche Herr Meyer zwar nicht nach den einzelnen Gräbern schied, aber doch sorgfältig aufbewahrte, um sie an die großherzoglichen Sammlungen abzuliefern. Um jedoch jede Zerstreuung zu verhüten, veran=

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laßte der zuständige Herr Amtsverwalter zur Nedden zu Lübz, nachdem der Fund bekannt geworden war, in Gemeinschaft mit dem Herrn Senator Beyer zu Parchim, den Herrn Meyer, die gefundenen Alterthümer baldmöglichst abzuliefern. Nach Angabe der Arbeiter haben in den größern Kegeln rings umher an dem Ringe Urnenscherben und schwarze Erde und Asche gelegen, in der Mitte hat aber jedesmal ein größeres Begräbniß gestanden, so daß sich hieraus auf Familiengräber schließen läßt.

Die zuerst gefundenen bronzenen Alterthümer sind folgende. Wenn sich auch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen läßt, welche Stücke neben einander gefunden sind, so läßt sich doch aus der Farbe des Rostes und der Art der verschiedenen Geräthe ungefähr mutmaßen, was neben einander gelegen haben mag.

Es lassen sich drei Gruppen von Alterthümern unterscheiden:

I. Alterthümer mit demselben dunkelgrünen, dicken, etwas unregelmäßigen edlen Rost:

3 Dolchklingen (vielleicht auch Lanzenspitzen), alle gleich geformt, ohne Schaftzunge, jede mit 3 Nagellöchern, und zum Theil noch mit Nägeln oder Nieten im Anfange der Klinge, alle 3 Klingen von verschiedener Länge: 12 Zoll, 9 Zoll und 8 1/2 Zoll lang, und 2 Zoll, 1 1/2 Zoll und 1 1/4 Zoll breit an den breitesten Stellen;

1 Nadel oder Bronzestab mit großem, flachem, glattem, rundem Knopf von fast 2 Zoll Durchmesser, leider zerbrochen und nicht mehr ganz vollständig, da die äußerste Spitze fehlt. Die "Nadel" ist jetzt noch 2 Fuß lang und unter dem scheibenförmigen Knopfe eine Hand breit mit erhabenen Reifen (wie zu einem Handgriffe) belegt. Diese ungewöhnlich langen, sogenannten "Nadeln" (Frid. Franc. Taf. XXIV, Nr. 1) sind noch immer nicht erklärt. Den einzigen Fingerzeig gab das Grab von Dabel, in welchem unmittelbar neben einem Bronzeschwerte eine solche "Nadel" genau von der Länge des Schwertes lag (vgl. Jahrb. XXII, S. 283). Auch die gegenwärtig beschriebene "Nadel" hat die durchschnittliche Länge der Bronzeschwerter. Es ist für den gegenwärtigen Fund zu bedauern, daß es nicht mehr sicher zu ermitteln ist, ob diese "Nadel" neben den Dolchklingen gelegen hat.

Diese sogenannten "Nadeln", gewöhnlich alle von gleicher Größe und von Schwertlänge, sind nicht allein in den nördlichen Länder, sondern auch in andern, entfernten Län=

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dem im Süden gefunden, also weit verbreitet, z. B. 2 Stück in einem Moor zu Zollikofen bei Bern in der Schweiz, welche Baron v. Bonstetten in seinem großen Recueil d'Antiquités Suisses, 1855, Pl. III, Fig. 2 et 3, in natürlicher Größe und Farbe hat abbilden lassen. Im Katalog des Berner Museums sind sie mit dem Namen "arma lusoria" (Spielwaffen, Rappiere) belegt, v. Bonstetten will sie lieber für "Stoßdegen" ("estocade" des Mittelalters) halten; er sagt p. 27: "ils rapellent plutôt l'Estocade du moyen-age (de Stock, baton), qui avoit une lame longue, sans tranchant, plate, ronde ou carrée". Im Second Supplement au Recueil d'Antiquites Suisses, 1867, Pl. V, hat v. Bonstetten wieder einen solchen "arme d'estoc" abgebildet, welcher zu Ober=Gut bei Spiez im Berner Oberlande gefunden ist. Merkwürdiger Weise ist dieses Exemplar peitschenartig verschlungen, und in die Verschlingung sind 6 bronzene Armringe und ein Ende von einer Kette eingehängt.

Auch in Oesterreich finden sie sich; vgl. v. Sacken Leitfaden S. 109. v. Sacken sagt: "Einige besonders große Nadeln von 28 Zoll Länge mit reich verzierten Knöpfen dürften aber kaum auf dem Kopfe getragen worden sin, sondern scheinen eine andere Bestimmung (vielleicht zu Zelten oder Matten) gehabt zu haben".

Ich möchte sie Stecken nennen; sie werden, so weit sich dies schon übersehen läßt, in großen Gräbern für Männer und neben gleich langen Schwertern gefunden, und mögen in einer Nebenscheide zu der Schwertscheide getragen sein. Vielleicht haben sie als spitze Stecken zum Treiben der Pferde, oder, wie wir sagen, als "Reitpeitsche" gedient. Zum verwundenden Stoß im Kampfe sind sie zu dünne und würden sich an der Kriegsbekleidung biegen, statt sie zu durchbohren, und zum Kampfspiel sind sie zu unhandlich. Aber für Gewand= oder Haar=Nadeln sind sie jedenfalls viel zu lang; es giebt jedoch Gewand= oder Haar=Nadeln von ähnlicher Gestalt, welche aber immer die angemessene Kürze haben. Daß die langen "Nadeln" zum ganz besondern Gebrauche und nicht zu gewöhnlichen häuslichen Zwecken dienten, beweiset wohl unwiderleglich ein Exemplar in der großherzoglichen Sammlung, dessen scheibenförmiger Knopf mit Goldblech belegt oder nach uralter Weise vergoldet ist.

II. Alterthümer mit demselben hellgrünen, dichten, gleichmäßigen, festen, sehr schönen edlen Rost, weibliche Geräthe:

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1 Armring, voll gegossen, geöffnet, mit feinen, gravirten Schrägebändern auf der Oberfläche verziert;

1 Heftel mit zwei Spiralplatten, 6 Zoll lang, fast ganz erhalten, mit einem sehr feinen und schmalen, nur 3/8" breiten Bügel, welcher mit einem zarten Zickzackbande zwischen feinen Längslinien auf der Oberfläche verziert ist;

1 Nadel mit länglichem, mit Queerreifen verziertem Knopf, 4 1/2" lang, vollständig;

1 Nadel mit rundem Knopf, ungefähr 3" lang, die Spitze fehlt;

1 Pfriemen, 3" lang, vollständig.

III. Altertümer mit sehr feinem, "apfelgrünem edlen Rost, jedoch fest mit der Erde, in welcher sie gelegen, beklebt, ebenfalls weibliche Geräte:

1 Heftel mit zwei Spiralplatten, jede von nur 1/2" Durchmesser, außerordentlich zart und fein, ungefähr 3 1/2" lang, leider zerbrochen; der Bügel ist ein verzierter Drath von der Dicke der Nadel;

1 kleines Arbeitsmesser mit gebogenem Bronzegriff, im Ganzen nur 3" lang, vollständig;

1 Zange ("Pincette"), 2 1/2" lang, vollständig;

1 Armring, zur Hälfte vorhanden;

1 Armring, zum Drittheil vorhanden;

1 gewundener Halsring, Bruchstück;

1 Spiralplatte von Bronzedrath, gegen 2 Zoll im Durchmesser.

IV. Im Fortschritt der Arbeit des Steinbrechens nahm Herr Meyer ein "Steinfeld" in Angriff, welches auf der Höhe und in der östlichen Abdachung eines Höhenzuges gelegen und 50 bis 60 Quadratruthen groß war. Der Herr Amtsverwalter zur Nedden und der Herr Senator Beyer beschlossen nun, der Abtragung bei Gelegenheit beizuwohnen. Der Herr Pächter Meyer war sehr bereitwillig und stellte seine Leute zu den Aufgrabungen zur Verfügung. Der Herr Senator Beyer berichtet über diesen großen Begräbnißplatz und die Aufgrabung folgendermaßen. Der dritte Theil des Grabfeldes war schon rigolt, als die Aufgrabung begann. Der größere Rest zeigte beim ersten Anblick nur ein "wüstes Steinfeld" mit unregelmäßig hervorragenden "Steinklippen und Hügeln" und hatte den Anschein, als wenn die von den nahe liegenden Ackerflächen abgesammelten Steine hier zusammen gefahren wären. Nur bei schärferer Betrachtung waren noch Spuren von scheinbar ohne Ordnung aufgeworfenen kleinen Hügeln zu entdecken, welche 12 bis 16

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Fuß im Durchmesser hatten und von einem Graben kreisförmig begrenzt waren. Sämmtliche Kegel oder Hügel waren jedoch schon früher theils zur Hälfte zerstört, theils durch eine bis in die Mitte gehende tiefe Rinne oder in der Mitte von oben herein aufgebrochen 1 ), so daß sie in der Mitte eine tiefe Senkung zeigten.

Der Herr Senator Beyer nahm 5 der am besten erhaltenen Hügel sorgfältig in Angriff. Diese waren von verschiedener Größe und Höhe und mit größern Steinen von 1 bis 2 Fuß Durchmesser im Kreise umgeben. Innerhalb des Kreises lagen in einigen Gräbern wild durcheinander mehrere Lagen von kleinern Steinen und dazwischen flache Steine (sicher von kleinen Steinkisten), welche zum Theil noch in der hohen Kante standen und mit Urnenscherben, Kohlen und Asche umgeben waren; in andern Gräbern fanden sich gar keine Steine weiter, als diese flachen Steine.

Ein Kegel zeigte die Einrichtung noch ziemlich vollständig, obgleich auch dieses Grab schon von oben geöffnet war. In der Tiefe lag ein flacher Stein, auf welchem

eine Urne stand, welche oben zwar etwas zerbrochen, in einer Seitenansicht aber noch erhalten ist; die Urne, 8 1/2 Zoll hoch, hat ganz den Charakter der Urnen der Bronze=Periode. An den Seiten umher stand aufrecht eine doppelte Reihe von je 4 flachen Steinen, welche eine kleine Steinkiste bildeten und etwas gegen die Urne geneigt waren. Der Deckstein war bei der frühern Oeffnung schon weggenommen. Der Inhalt der Urne bestand aus Erde, Asche und zerbrannten Knochen. In dieser Urne lag auch

ein Fingerring von Bronze mit leichtem, dunklem, edlem Rost. Der Ring, welcher geöffnet ist, ist von dünnem Bronzeblech von 3/8" Breite und 3/4" weit, so daß er auf einen kleinen Finger paßt; er ist sehr elastisch und die beiden Enden greifen weit über einander. Der Rand ist mit einer feinen vertieften Linie verziert. Das von dem oben übergreifenden Ende bedeckte untere Ende ist auf der obern Fläche gar nicht gerostet.

Zwischen den Steinen dieses Grabfeldes ward auch noch

ein Messer von Bronze gefunden, welches die Arbeiter hinterher ablieferten. Es hat eine sichelförmig gebogene Klinge, einen durchbrochenen Griff und am Griffende


1) Es ist leicht möglich, daß der Hauptmann Zinck in den Jahren 1804 und 1805 hier leichte Versuche zu Nachforschungen gemacht hat, da er zu jener Zeit in diesen Gegenden viel gegraben hat.
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ein rundes Oehr; es ist dem Messer in Frid. Franc. Tat. XVI, Nr. 6 ähnlich, nur kürzer in der Klinge.

In einem Grabe ward auch noch

eine große Urne, welche freilich zerbrochen ist, gefunden. Sie ist dadurch ausgezeichnet und für die Bronzezeit sehr ungewöhnlich, daß der ganze Bauch mit sehr tief eingegrabenen Linien verziert ist, die von oben nach unten in Felder getheilt sind, welche abwechselnd senkrechte und wagerechte Linienlagen zeigen.


Dieser große Platz ist ohne Zweifel ein großer Begräbnißplatz aus der Bronzezeit für die größere Masse des Volks. Solche größere Begräbnißplätze sind früher gewiß sehr häufig gewesen, jetzt aber durch die durchgreifende Ackerwirthschaft alle längst verschwunden. Ganz gleich war aber der große Begräbnißplatz von Grabow (vgl. Jahrb. XVIII, S. 251), der einzige bisher bekannt gewordene von dieser Ausdehnung, welcher in gleicher Breite 3 Meilen westlich von Zachow lag und wohl demselben Volksstamme angehörte.