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Hünengrab von Wozinkel.

Zum Bau der im J. 1867 begonnenen Chaussee von Parchim nach Sternberg wurden schon im Spätherbst 1867 zu Wozinkel, nördlich von Parchim, Steine ausgegraben, wobei auch einige alte Gräber theils zur Frage kamen, theils entdeckt wurden. Der Besitzer des Gutes, Herr v. Quitzow, erbot sich freundlich und entgegenkommend, das Ausbrechen der Steine zu überwachen und die etwanigen Funde dem Vereine zu übergeben.

Zuerst kam ein großes Grab, dem Anscheine nach der Steinzeit angehörig, an die Reihe. Der Herr v. Quitzow schildert die Eigenthümlichkeit folgendermaßen. Das Grab war ein länglicher Hügel, aus welchem oben die Spitzen großer Steine hervorragten. In dem Hügel stand eine große Steinkammer. Rund umher war bis an die Spitzen der Steine ein Hügel von Erde angeschüttet. Die Decksteine waren schon seit langen Zeiten abgetragen. Nach Wegräumung des Erdhügels zeigte sich eine große Steinkammer, welche aus ungefähr 8 großen Steinen von ungefähr 6 Fuß Höhe aufgebauet war. Der Grund des Grabes war mit einem Lehmschlag ausgefüllt, welcher reichlich mit Grand und weiß ausgeglüheten Feuersteinen vermengt war, einer Art Chaussee. Die Lücken zwischen den großen Steinen waren mit kleinen Steinen und Steinsplittern sorgsam ausgezwickt und die Kammer war inwendig unten mit gespaltenen, rothen jungen Sandsteinplatten ausgesetzt, welche jedoch "sehr mürbe waren". In der Kammer war eine nicht verbrannte menschliche Leiche sitzend beigesetzt; dies ging unzweifelhaft daraus hervor, daß sämmtliche Knochen des Rumpfes

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mit dem Schädel auf Einem Haufen, die Beinknochen aber gestreckt lagen. Die Knochen waren noch ziemlich gut zu erkennen, jedoch schon sehr ausgetrocknet und gebleicht. Eingeliefert sind 2 Bruchstücke: 1 von dem rechten Oberkiefer und 1 von dem rechten Unterkiefer, jedes mit 2 ausgewachsenen Backenzähnen. Die Zähne sind alle gesund, aber schon stark abgeschliffen. In dem Oberkiefer standen die beiden hintersten Backenzähne erst zum Durchbruch ("Weiheitszähne"). Ueber der Leiche war die ganze Kammer inwendig mit Erde und Steinen gefüllt.

An Geräthen fand man, außer einigen thönernen Gefäßscherben, auf dem Boden der Kammer in gleicher Linie mit der Unterfläche der Beinknochen nur einen sogenannten Schmalmeißel aus grauem Feuersteine, welcher allerdings sehr merkwürdig ist. Dieser Schmalmeißel, der 6 Zoll lang und 3/4 Zoll breit auf allen Seiten ist, ist nämlich nur roh, wenn auch regelmäßig in den Linien, geschlagen, und nirgends geschliffen, auch an der Schneide nicht; jedoch ist die Schneide so gut zugehauen, daß sie völlig regelmäßig und scharf ist, wenigstens eben so scharf, als wenn sie geschliffen wäre.

Nach diesen Schilderungen und Funden ist dieses Grab außerordentlich merkwürdig. Es ist in jeder Hinsicht den beiden großen Steingräbern von Alt=Sammit gleich, welche eine klare Einsicht über die Bestattungsweise in den Steinkammern geliefert haben (vgl. Jahrb. XXVI, S. 115 flgd.). Die Richtigkeit der dort vorgetragenen Beobachtungen wird durch dieses Grab von Wozinkel vollkommen bestätigt.

Zu gleicher Zeit wird man aus der Beschaffenheit des Schmalmeißels schließen müssen, daß das Grab von Wozinkel der ältesten Zeit der Steinperiode angehört, wie die beiden Gräber von Alt=Sammit, da in allen drei gleichen Gräbern die Feuersteingeräthe sehr wenig oder noch gar nicht geschliffen sind (vgl. Jahrb. XXVI, S. 115 flgd. und XXX, S. 134 flgd.).

Das Grab von Wozinkel spielt also eine hervorragende Rolle zur Erkenntniß der ältesten Ueberreste der Menschheit.

G. C. F. Lisch.