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V.

Des Fürsten Heinrich von Meklenburg

Pilgerfahrt zum Heiligen Grabe,

26jährige Gefangenschaft und Heimkehr,

von

F. Boll .

zu Neu=Brandenburg.


D er für die Geschichtsforschung nur zu früh verstorbene Prof. Grautoff zu Lübek hatte in dem dortigen Archive mehrere Urkunden aufgefunden, welche auf die Auslösung Heinrich des Pilgers aus seiner Saracenischen Gefangenschaft Bezug hatten. Diese Urkunden, so wie die Aufschlüsse, welche das Chroniken=Fragment des gleichzeitigen lübekischen Canzlers Albrecht von Bardewik über die Gefangenschaft und Heimkehr Heinrichs darboten, veranlaßten im J. 1826 Grautoff, eine Abhandlung über diesen Gegenstand als "Beitrag zur Geschichte Heinrich I., Fürsten von Meklenburg" zu veröffentlichen, die nur wenig verändert, aber mit den betreffenden Urkunden vermehrt, in den ersten Band der aus seinem Nachlaß gesammelten historischen Schriften (Lübek 1836) wieder aufgenommen worden ist. Inzwischen sind im vorigen Jahre zwei Urkunden, die sich im Besitz Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Meklenburg=Strelitz befinden, zu meiner Kenntniß gekommen, durch welche die von Grautoff mitgetheilten Urkunden wesentlich ergänzt werden. Dieser Umstand hat mich bestimmt, den schon von Grautoff behandelten Gegenstand in unsern Jahrbüchern auf's Neue zur Sprache zu bringen, vorzüglich um die ziemlich ausführlichen Nachrichten unsers Chronisten Kirchberg über den fraglichen Gegenstand mehr zu berücksichtigen, als dies von Grau=

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toff geschehen ist. Es wird sich zeigen, daß, trotz des sagenhaften Gewandes, in welches die Ueberlieferung Heinrichs Schicksale zu Kirchbergs Zeiten schon gekleidet hatte, diese Ueberlieferung dennoch manche Einzelnheiten aufbehalten hat, welche durch Urkunden jetzt ihre Bestätigung erhalten.


Noch bei Lebzeiten seines Vaters Johann, des ältesten Sohnes Heinrich Borwin's, auf den in der Landestheilung von 1229 das eigentliche Meklenburg (im engern Sinne) gefallen war, hatte sein Erstgeborner, Heinrich, der ritterlichen Frömmigkeit jener Zeiten folgend, den Pilgern sich angeschlossen, welche im J. 1260 1 ), vom Papste aufgemahnt, aus dem nördlichen Deutschland den von den heidnischen Litthauern bedrängten deutschen Rittern nach Livland zu Hülfe geeilt waren. Ein dreijähriges Heidenmädchen hatte er, mitten im Mordgewühle, dem Schwerte entrissen, ihr die Taufe ertheilen lassen und zu seiner Tochter sie angenommen 2 ). Solcher Sinnesart war der Fürst, dessen herbem Geschick diese Zeilen gewidmet sind.

Im J. 1263 war Heinrich seinem Vater in der Herrschaft gefolgt. Vermählt mit Anastasia, Herzog Barnims von Stettin Tochter, hatte ihm diese (nach 1266 3 ) zwei Söhne, Heinrich, dem die Geschichte den Beinamen des Löwen gegeben, und Johann, der, ehe der Vater ihn wiedersah, in den Wellen der Ostsee den Tod fand, so wie eine Tochter, Lutgart, welche die Polen, weil ihr Gemahl Herzog Przemislav von Gnesen sie ermordete, als Heilige verehren, geboren: als Heinrich sich entschloß, eine Pilgerfahrt zum Grabe des Erlösers zu thun. Hundert Jahre, nachdem einst (1171) sein Ahnherr Pribislav seinen Lehnherrn, den Herzog Heinrich den Löwen, zum Heiligen Grabe begleitet hatte, um an dieser geweihten Stätte Vergebung zu erflehen, daß er einst vor stummen Götzen angebetet, schickte der Ururenkel zu gleicher Pilgerfahrt sich an, um dort, wie Kirchberg schreibt, Vergebung seiner Sünden zu erlangen. Nach einer alten Nachricht ward Heinrich am 13. Jul. 1271 im Bar=


1) Vgl. oben S. 65. D. Red.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XLVI u. XLVII. In der Taufe hatte sie den Namen Katharina empfangen, und sie lebte noch im J. 1310 im Kloster Rehna. Vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, Nr. 71. - Daß der dritte Bruder Heinrichs, Poppo, ein Kreuzritter war, bezeugen neben Kirchberg S. 124 auch die doberaner und parchimer Genealogie.
3) In meiner Geschichte des Landes Stargard I, 98 habe ich, der Sage bei Kirchberg folgend, Heinrich des Löwen Geburt in's J. 1260, und zwar zu Riga, gesetzt; inzwischen hat Hr. Archivar Lisch in seiner Urkund. Geschichte des Geschlechts von Oertzen, Schwerin 1847, eine Urkunde veröffentlicht, aus der erhellt (S. 8), daß am 14. April 1266 Heinrich von der Anastasia noch keine Söhne hatte.
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füßer=Kloster zu Wismar durch den Guardian desselben, Martin, zu seiner Pilgerfahrt eingesegnet 1 ).

Von dem Mißgeschick, das Heinrich bei dieser Pilgerfahrt betraf, berichtet der gleichzeitige Albrecht von Bardewik 2 ) nur ganz kurz: "er ward gefangen über Meer bei einer Pilgerfahrt auf dem Wege zum Heil. Grabe, und lag gefangen 26 Jahre bei Babylonien (d. i. Kairo 3 ) auf einem Thurm, der heißt Kere". Ausführlicher dagegen erzählt etwa hundert Jahre später Kirchberg Cap. 132: Heinrich, von seinen Mannen, Rittern und Knechten begleitet, sei ausgezogen, das Heil. Grab zu besuchen, um dort Vergebung seiner Sünden zu erlangen; er sei mit dem Geleit der Königin von Marsilien, die seines Vaters Schwester gewesen, nach Ackaron oder Ackers gekommen; dort habe er seine überflüssige Baarschaft, bei 2000 Gülden, bei einem Creditor niedergelegt, an den ihn die Königin empfohlen; dann sei er mit den Seinigen weiter nach Jerusalem gezogen und habe bei dem Heil. Grabe sein Opfer dargebracht, sei aber im Tempel mit seinem Knechte Martin Bleyer von den Heiden gefangen genommen und an den Sultan (von Aegypten, der damals Syrien mitbeherrschte) überantwortet worden, der ihn in die Feste gelegt, wo er 25 Jahre lang gefangen gesessen, während sein treuer Knecht Byssus= und Purpurtücher weben gelernt und durch diesen Erwerb die traurige Lage seines gefangenen Herrn erträglicher zu machen gesucht habe; wie aber Heinrichs übrige Begleiter davongekommen und wieder heimgekehrt wären, das habe er (Kirchberg) nicht erfahren können.

Was Kirchberg von Heinrichs Vatersschwester, der Königin von Marseille, und ihrem Geleit nach Ackaron erzählt, gehört freilich in das Gebiet der Sage. Daß aber Heinrich zu Ackaron oder Ackon, der Hauptfeste, die von dem ehemaligen Königreiche Jerusalem damals noch in den Händen der Christen


1) Schröder's Papist. Meklenburg S. 729. Hiermit stimmt auch die Detmarsche Chronik zum J. 1271: "In deme sülven jare Cristi do untfing dat crüce de erlike her Hinrik van Mekelenborch tho thende över mer"; so wie die alte Nachricht aus dem Kirchenbuche des grauen Klosters zu Wismar in den Mekl. Jahrb. VI, 100. Vom 25. Mai und 12. Junius 1271 sind noch zu Wismar ausgestellte Urkunden Heinrich's vorhanden (Lisch Maltzan. Urk. I, 31. Lisch, Mekl. Urk. II, 50). Grautoff dagegen nimmt, freilich ohne Beweis, an, daß Heinrich erst im Sommer 1272 aufgebrochen sei. Völlig grundlos ist es, wenn frühere meklenburgische Geschichtschreiber Heinrich eine Art Kreuzzug gegen die Ungläubigen thun lassen; der gleichzeitige Albrecht von Bardewik bezeichnet seine Reise durchaus richtig als eine "Pelegrimaze" zum Heil. Grabe.
2) Lübekische Chroniken, herausgegeben von Grautoff, I, 414.
3) Kairo wurde im Mittelalter gewöhnlich (z. B. in der Detmarschen Chronik an vielen Stellen) Babylonien genannt; selbst in einer Urkunde werden wir weiterhin Babylonien als den Ort angegeben finden, wo Heinrich gefangen lag. Statt Kere lesen übrigens beide Ausgaben von Grautoff's Abhandlung, vielleicht nur durch einen Druckfehler, Kern.
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war, landete und dort, wenn auch nicht seine Baarschaft, doch seine Kleinodien in Verwahrsam des Ordenshauses der Deutschen Ritter daselbst zurückließ - dieses steht jetzt durch die Urkunde Nr. 4. fest, die uns auch weiterhin dazu dienen wird, über Kirchbergs Angaben noch mehr Licht zu verbreiten. Darin aber, daß allein sein Knappe Martin Bleyer mit dem Fürsten in Gefangenschaft gerathen sei, stimmt auch Albrecht von Bardewik ausdrücklich mit Kirchberg überein. Setzt man nun den Aufbruch Heinrichs aus seiner Heimath um die Mitte des Sommers 1171, so muß seine Gefangennehmung etwa gegen Ende dieses Jahres oder zu Anfang des folgenden 1 ) stattgefunden haben, und da er seine Freiheit zu Ende des Jahres 1297 wieder erhielt: so bestimmen Albrecht von Bardewik und die Detmarsche Chronik zum J. 1271 die Dauer der Gefangenschaft Heinrichs richtiger auf 26 Jahre, als wenn Kirchberg sie nur auf 25 Jahre berechnet.

Ob aber, wie Kirchberg und mit ihm das Kirchenbuch des wismarschen grauen Klosters angiebt, außer dem genannten Martin Bleyer, noch andere Ritter und Knappen den Fürsten auf seiner Pilgerfahrt begleitet haben, welche der Gefangenschaft entgingen und glücklich heimkehrten, scheint mir sehr zweifelhaft. Heinrich hatte, ehe er sein Land verließ, für die Zeit seiner Abwesenheit seine Gemahlin Anastasia in Gemeinschaft mit seinen Räthen zur Regentschaft des Landes bestimmt. In dieser Eigenschaft stellte Anastasia noch am 20. Januar 1275 zu Wismar eine Urkunde aus, durch welche sie dem Kloster Sonnencamp das Eigenthum des Dorfes Arnesse verlieh; sie erklärt in derselben, sie habe dieses darum gethan, "damit der Gott und Herr des unaussprechlichen Erbarmens, um der beständigen Fürbitten derselbigen Mägde Christi (der Jungfrauen des Klosters) und um der andern guten Werke willen, welche bei ihnen reichlich geübt werden, unsern geliebten Gemahl, Herrn Heinrich von Meklenburg, aus den Banden der Heiden, in denen er bestrickt ist, wohlbehalten entreiße, und denselben uns und unsern Söhnen und seinen übrigen Freunden, die trauernden Herzens auf seine Rückkehr harren, in sein Eigenthum zu unserm Troste zurücksende 2 )". - Wirklich scheint jetzt erst sichere Kunde von seinem Mißgeschick in die Heimath gelangt zu sein. Denn erst jetzt erhoben sich Ansprüche auf die Vormundschaft über seine


1) Die freilich nicht immer zuverlässigen Nachrichten aus dem Kirchenbuche des grauen Klosters zu Wismar (Mekl. Jahrb. VI, 100) geben als den Tag der Gefangennehmung Heinrichs den Tag Pauli Bekehrung, d. i. den 25. Januar, an.
2) Lisch Mekl. Urk. II, 56: nos Anastasia Dei gracia domina Magnopolensis, vicem dilecti domini et mar îti nostri absentis fideliter gubernantes etc.
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Gemahlin und seine Söhne, die wohl schon früher würden geltend gemacht worden sein, wenn man früher zuverlässige Nachricht von dem verschollenen Fürsten gehabt hätte. "Als unser edle Herr, Herr Heinrich von Meklenburg, von den Heiden war gefangen genommen und zu Babylonien in Banden gehalten wurde, "sagt eine wismarsche Urkunde von demselben J. 1275 1 )," kamen die Herren Heinrich und Johann von Werle gen Wismar auf's Schloß und behaupteten, Herr Heinrich habe ihnen, als seinen Anverwandten, die Vormundschaft über seine Gemahlin, seine Söhne und sein Land anbefohlen". Gleiche Ansprüche auf die Vormundschaft meinten die Brüder des gefangenen Fürsten, Johann von Gadebusch und der schweriner Dompropst Nicolaus, geltend machen zu dürfen. Es kam darüber zu heftigem Streit, ja zur Fehde, bis es endlich unter Vermittelung anderer Fürsten dahin gedieh, daß Heinrichs Brüder in Gemeinschaft mit Anastasia die vormundschaftliche Regierung verwalteten.

Inzwischen verbreitete sich, als diese Wirren noch in vollem Gange waren, wahrscheinlich gegen Ende des J. 1276 2 ), das Gerücht, der gefangene Fürst sei gestorben. Lange Jahre scheint man in seiner Heimath sich in völliger Ungewißheit befunden zu haben, ob Heinrich noch am Leben sei oder nicht 3 ). Denn erst im J. 1287 wurden Anstalten gemacht, um den unglücklichen Fürsten aus seiner Gefangenschaft loszukaufen. Der Hochmeister des Deutschen Ordens, Burchard von Swanden (oder Schwendi) hatte seine Vermittelung dazu geboten. Am 10. December 1287 verpflichtete sich zu Lübek Anastasia mit ihren Söhnen Heinrich und Johann, allen Schaden zu ersetzen, den die Brüder des Deutschen Hauses an der Summe der zu Lübek deponirten 2000 Mark Silbers (ungefähr 65,000 Mark lübsch heutigen Geldes) von jetzt bis zur Befreiung des gefangenen Fürsten und bis zur Abführung der genannten Geldsumme nach der Stadt Mecheln erleiden würden 4 ). Drei Tage später bezeugte der Rath der Stadt Lübek, daß die 2000 Mark Silbers von Anastasia und ihren Söhnen zu Handen des Hochmeisters Burchard von Swanden wirklich bei ihnen niedergelegt wären, und auf dessen Anweisung der Rath dieselben auszuzahlen bevollmächtigt sei 5 ).


1) Vgl. Meklenb. Jahrb. III, 40.
2) Vgl. Meklenb. Jahrb. III, 44.
3) Am 26. Julii 1286 hielt Heinrich der Löwe seinen Vater für todt: "Henricus pater noster felicis recordacionis": vgl. die rigasche Urkunde in Urk. Samml. Nr. XLVIII. G. C. F. Lisch.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXX.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXXI.
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Allein auch dies große Opfer, welches die Gattin und die Söhne bereitwillig brachten, sollte nicht mit Erfolg gekrönt werden. Unter dem 14. August 1289 machte Wirich vom Homberg, Präceptor des Deutschen Ordens und Stellvertreter des Hochmeisters im Heil. Lande, von Acko aus den Rathmännern der Stadt Lübek die Anzeige, daß sie die Summe der 2000 Mark, welche bei ihnen durch Anastasia und ihre Söhne zur Auslösung des gefangenen Fürsten für den Orden niedergelegt wären, an die Fürstin und ihre Söhne zurückzahlen möchten, "da leider keine Hoffnung vorhanden sei, daß zu diesen Zeiten Herr Heinrich von Meklenburg von den Banden der Saracenen ausgelös't werden könne, bis Gott einen andern Weg und Weise seiner Auslösung nach seiner Barmherzigkeit in Gnaden eröffnen möchte 1 )". - Der Kampf zwischen den Christen und Saracenen war nämlich mit erneuter Heftigkeit wieder entbrannt, und unter den obwaltenden Umständen war es für die deutschen Ritter zur Zeit wohl eine Unmöglichkeit, Unterhandlungen mit dem Sultan wegen Heinrichs Auslösung anzuknüpfen.

Hier nun ist der Ort, auf Kirchbergs schon oben besprochene Angabe zurückzukommen, daß Heinrich, als er von Acko nach Jerusalem aufbrach, an ersterem Ort eine Summe von 2000 Gülden in Verwahrsam gelassen habe; dies Geld, fährt Kirchberg fort, ließ später sein Sohn Heinrich wiederholen "und verzehrte es auf der Fahrt, als er zu Erfurt Ritter ward, zur Zeit des römischen Königs Rudolf". Nun liegen gegenwärtig zwei aus Erfurt datirte Urkunden vor uns, die über Kirchbergs Angaben Aufklärung geben. Am 19. December 1289 stellte Heinrich von Meklenburg, der inzwischen erwachsene älteste Sohn des gefangenen Fürsten, im Minoritenkloster zu Erfurt eine Urkunde aus, wodurch er bezeugt, daß er in Beisein des Grafen Helmold von Schwerin, des Custos der Minoritenbrüder der Provinz Thüringen und des Priors und Lectors der erfurtschen Predigerbrüder, von den Kleinodien seines geliebten Vaters, die derselbe bei den deutschen Rittern zu Acko zurückgelassen, eine goldene Heftel, zwei Gürtel, vier Theile eines Bechers und zwei silberne Kannen in Empfang genommen habe, und daß, wenn sein Vater, nachdem er durch göttlichen Beistand von den Banden der Saracenen befreit worden, den Orden wegen dieser Kleinodien in Anspruch nehmen sollte, er (der Sohn) ihn von diesen Ansprüchen befreien wolle; als Zeugen dieser Urkunde werden aufgeführt Herr Gottfried und Herr Hillo, Capellane der Herren von Meklenburg, und die Ritter Conrad


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXXII.
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Preen, Johann von Zernin, Bernhard von Pleß und Gottfried Dotenberg 1 ), In der andern Urkunde, ebenfalls im Minoritenkloster zu Erfurt am 23. Dec. 1289 ausgestellt, weiset der Hochmeister des Deutschen Ordens, Burchard von Swanden, die Rathmänner von Lübek an, jene 2000 Mark Silbers, welche bei ihnen zu seinen Handen niedergelegt wären, an Herrn Heinrich von Meklenburg zurückzuzahlen 2 ).

König Rudolf von Habsburg, um den erbitterten Zwist zu schlichten, der schon seit Jahren zwischen dem Landgrafen von Thüringen und seinen Söhnen im Schwange war, hatte einen Reichstag nach Erfurt ausgeschrieben, und ritt am 13. Dec. 1289 mit zahlreichem Gefolge zu Erfurt ein 3 ). Unter den mehr als 40 anwesenden geistlichen und weltlichen Fürsten werden von den thüringschen Chronisten ausdrücklich auch die schweriner Grafen und der Fürst von Meklenburg genannt 4 ). Mit einem stattlichen Gefolge, wie die Urk. Nr. 4. darthut, hatte sich der junge Heinrich von Meklenburg zum königlichen Hoflager nach Erfurt begeben, und traf hier im Minoritenkloster 5 ) (wo sie vielleicht zur Herberge lagen) mit dem Hochmeister des Deutschen Ordens zusammen. Wahrscheinlich hatten schon, in Folge der von Ackon gemachten Anzeige, daß gegenwärtig nichts für die Auslösung des Vaters geschehen könne, Unterhandlungen zwischen dem Hochmeister und dem jungen Heinrich stattgehabt, und der von König Rudolf nach Erfurt ausgeschriebene Reichstag hatte sie bestimmt, diesen Ort zur persönlichen Zusammenkunft zu wählen. So findet denn Kirchbergs Angabe von der Anwesenheit des jungen Heinrich in Erfurt ihre Bestätigung durch Urkunden; es waren aber nicht die angeblich von seinem Vater in Ackon


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXXIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXXIV.
3) Die meisten Chronisten setzen den erfurter Reichstag zum J. 1290, weil König Rudolf fast ein ganzes Jahr lang sein Hoflager zu Erfurt hielt, und von hier aus im J. 1290 die bekannte Züchtigung der thüringschen Friedbrecher verhängte. Den 13. December 1289 giebt Spangenberg als den Tag von Rudolf's Ankunft zu Erfurt an; wenn dafür der variloquus Erfurdianus (in Menckenii scriptor. rer. Misnens. p. 490) den 13. December 1290 setzt, so ist dennoch das J. 1289 nach unserer Zeitrechnung damit gemeint, da man damals noch häufig nach den Kirchenjahren, die mit Advent beginnen, zählte.
4) Der variloquus Erfurd. p. 491 nennt unter den Anwesenden Comites de Swerin und Dux Megalopolensis; der erfurter Mönch, welcher additiones ad Lambertum Schaffnab, schrieb (Pistorii Corp. p. 260) Comes Guntzelinus de Zwirin und Dux de Meckilburg; nach unserer Urkunde war aber auch Graf Helmold von Schwerin zugegen.
5) Das Franziskaner=Kloster zu Schwerin war im 13. Jahrh. eine den Grafen von Schwerin besonders theure Stiftung und stand mit dem ihm vorgesetzten Kloster zu Erfurt in innigen Verhältnissen. Vielleicht war auch der in der Urkunde genannte Ordenscustos Gunzelin zu Erfurt mit dem Grafenhause Schwerin nahe verwandt, da der Name Gunzelin Vorname des Grafenhauses war.
                               G. C. F. Lisch.
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zurückgelassenen 2000 Gülden, die der junge Fürst hier in Empfang nahm und die er hier am königl. Hoflager verzehrt haben soll, sondern nur ein Theil der von seinem Vater bei den deutschen Rittern zu Ackon zurückgelassenen Kleinodien; vielleicht daß die Sage etwas über die 2000 Mark, welche zum Behuf der Auslösung des gefangenen Vaters zu Lübek niedergelegt waren und deren Rückzählung der Hochmeister hier zu Erfurt verfügte, aufbehalten hatte, und hieraus Kirchbergs Angabe von den zu Erfurt in Empfang genommenen 2000 Gülden entstanden ist. Seine andere Angabe, daß der junge Heinrich zu Erfurt den Ritterschlag empfangen habe, ist dagegen wahrscheinlich vollkommen begründet. Denn an dem Weihefeste der Kirche der heil. Jungfrau auf dem Petersberge zu Erfurt, erzählt die Chronik der thüringschen Landgrafen 1 ), schlug Landgraf Albrecht in Gegenwart König Rudolfs unter großem Gepränge sechszehn zu Rittern; genauere Durchforschung der thüringschen Geschichtsbücher, als mir die Umstände sie erlauben, vermag vielleicht zu entscheiden, ob Heinrich von Meklenburg zu denselben gehört hat.

Nicht lange darnach nahm die Lage der Christen im Morgenlande eine sehr unglückliche Wendung. Um die Verletzung eines Waffenstillstandes von Seiten der Christen zu strafen, belagerte der Sultan mit großer Heeresmacht die Stadt Ackon. Bei einem Ausfall aus der Feste fand der Hochmeister Burchard von Swanden, welcher dem bedrängten Platze zu Hülfe geeilt war, an der Spitze seiner Ritter tapfer fechtend den Tod, und am 18. Mai 1291 fiel Ackon in die Hände der Saracenen; die Christen wurden aus Syrien gänzlich vertrieben.

Durch menschliche Hülfe schien die Befreiung des unglücklichen Heinrich von Meklenburg jetzt unmöglich geworden zu sein. Da trat eine höhere Macht in's Mittel. Im J. 1297 bestieg der edle Ladschin, bekannt unter dem Namen Malek el Mansur, den Thron der Sultane zu Kairo: ihn rührte das unglückliche Schicksal des hart geprüften Heinrich und er gab ihm die Freiheit. Nach Albrecht von Bardewik war die Güte des Sultans der Beweggrund, welcher ihn zur Freilassung des so lange Jahre in Haft gehaltenen Fürsten bestimmte, denn man habe Heinrich "im ganzen Lande für heilig gehalten"; auch habe ihm der Sultan seinen Knappen Martin Bleyer, der mit ihm in Gefangenschaft gerathen, zurückgegeben. Dagegen bei Kirchberg haben sich die Beweggründe des Sultans zur Freilassung Heinrichs in ein durchaus mährchenhaftes Gewand gekleidet. Bald nach seiner Thronbesteigung, am Abend des heiligen Christfestes,


1) Pistorii corpus I, 932.
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sei der neue Sultan zu Heinrich in's Gefängniß gekommen und habe ihm erklärt, daß zu Ehren seines Schöpfers, der in dieser heiligen Nacht einst geboren worden, er ihm die Freiheit schenken wolle; Heinrich habe die Freiheit abgelehnt, weil sein Weib und Kind daheim wohl längst gestorben wären und er sein Land in fremden Händen finden würde; da habe der Sultan ihm anvertraut, wie er einst im Dienste von Heinrich's Vater gestanden und dessen Werkmeister über die Geschosse gewesen sei, als Heinrich mit seinem Vater zu Riga war; später sei er bei dem Kaiser der Tartarei (der Mongolen) in Dienste getreten und habe sich endlich bis zu diesem Throne erhoben, aber Heinrich möge das ja verschweigen; jetzt wolle er ihm die Freiheit geben, und Heinrich möge nur eine Stadt bestimmen, in die er ihn bringen lassen solle; übrigens habe er von Pilgrimmen erfahren, daß Heinrichs Gemahlin und Sohn noch beide am Leben wären, und dieser mit Kraft und Mannlichkeit dem Lande des Vaters vorstehe; da habe denn Heinrich Ackaron als den Ort gewählt, wohin er wolle gebracht werden, und am heil. Christtage habe endlich der greise Fürst seine Freiheit wieder erhalten.

Nach Albrecht von Bardewik nahm Heinrich, mit dem Geleit des Sultans und von diesem zur Reise ausgerüstet, seine Fahrt nach Morea hinüber. Die Beherrscherin des Landes, die Prinzessin Isabella, die letzte aus dem Geschlecht des tapfern Ville Hardouin (der bei Errichtung des sogenannten lateinischen Kaiserthums durch die Kreuzfahrer im J. 1204 sich in den Besitz von Morea gesetzt hatte) "empfing den edlen Mann mit großer Würdigkeit und inniger Liebe". Nachdem er sich hier wieder beurlaubt, kam er Freitags vor Pfingsten (am 23. Mai 1298) nach Rom. Am Pfingsttage stellte er sich dem Papste vor, der ihn "mit inniger Liebe empfing und seinen Segen gab", und richtete an denselben eine Botschaft vom Sultan aus; nach der Detmarschen Chronik zu d. J. war es der lübeksche Stadtschreiber Alexander Hüne, der wegen der Streitigkeiten seiner Stadt mit dem Dom=Capitel damals zu Rom weilte, durch dessen Vermittelung Heinrich vor den Papst kam, "der ihn von seinen Sünden lösete".

Weit abenteuerlicher schildert Kirchberg seine Heimkehr. Zu Ackaron fand Heinrich zwar das Geld bei seinem Creditor nicht mehr vor, doch nahm dieser sich seiner hülfreich an und rüstete ihm ein Schiff zur Heimreise aus, mit dem er alsbald unter Segel ging. Allein das Schiff wurde von den Ungläubigen aufgebracht, und Heinrich abermals als Gefangener vor den Sultan geführt. Dieser bedauerte sein wiederholtes Mißgeschick von Herzen, und entsendete ihn unter seinem Geleit nach Cypern, wo er

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seines Vaters Schwester als Königin von Cypern noch am Leben fand ( ! ) 1 ); bei dieser verweilte er längere Zeit, um seine durch die lange Gefangenschaft zerrüttete Gesundheit wiederherzustellen. Dann ließ diese ihn hinüber nach Marsilien zu ihrer ebenfalls noch am Leben befindlichen Schwester geleiten. Von hier nahm er seinen Weg nach Deutschland, und zwar zunächst zu dem Bruder seiner Mutter, dem Grafen von Henneberg, von dem er dann weiter nach Magdeburg 2 ) Geleit empfing. Von hier sandte er Botschaft in sein Land, um seine Heimkehr kund zu thun. Sein Sohn lag gerade mit den Herzogen von Sachsen und den Hauptleuten der Markgrafen vor dem berüchtigten Raubschlosse Glesin an der Elde, um es zu brechen; als er die Botschaft vernahm, eilte er selbst gen Wismar mit der frohen Kunde zu seiner Mutter. Diese entsandte zwei von den Räthen, die ihr Gemahl, als er das Land verließ, ihr zur Seite gestellt, Detwich von Oertzen und Heino von Stralendorf, um den Ankömmling zu prüfen, ob es auch der rechte sei; denn es waren früher Betrüger aufgetreten, die sich für den verschollenen Fürsten ausgegeben, aber durch jene Räthe entlarvt, ihre Frechheit mit dem Tode gebüßt hatten 3 ). Um den Tag Johannis des Täufers (24. Junius) des J. 1299 4 ) traf Fürst Heinrich von Magdeburg aus im Lager vor Glesin ein und war Zeuge, wie folgenden Tages die Burg gestürmt, ihre Besatzung gehenkt, sie selbst aber in den Grund gebrochen ward. Von seinen getreuen Räthen ward Heinrich sogleich erkannt, und von ihnen geleitet traf er bei Vicheln am schweriner See auf die viel geprüfte Gattin und den zum Kriegshelden erwachsenen Sohn.

Als balde als sy den herren sach, sy kante in werlich vnd sprach:


1) Offenbar eine Verwechselung der Sage mit jener Prinzessin von Morea.
2) Kirchberg fügt noch hinzu: hier in Magdeburg habe ein Dom=Chorschüler, Bertold von Weimar, den Fürsten angegangen, ihn mit in sein Land zu nehmen und ihm eine Präbende zu verleihen; Heinrich habe seinen Wunsch erfüllt, und nach seiner Heimkehr (Cap. 133) ihm zu Doberan eine Präbende gegeben, die er 40 Jahre lang, bis an sein Ende, besessen habe. Vielleicht ist dieser Bertholdus de Wymaria der Bertoldus Saxo, welcher als Provisor des doberaner Hofes zu Rostock im J. 1336 genannt wird (Meklenb. Jahrb. VII, 292). Aus seinen Erzählungen mag die Ueberlieferung von Heinrich's Heimkehr sich gebildet haben, wie Kirchberg sie mittheilt, obwohl dieser bei Gelegenheit dieses Bertold sich ausdrücklich auf die Angaben einer Chronik beruft.
3) Der eine dieser Betrüger wurde bei der börzower Mühle in der Stepnitz ertränkt, der andere vor Sternberg verbrannt. Leider giebt Kirchberg keine näheren Zeitbestimmungen.
4) So unrichtig, wie Kirchberg, giebt auch das Kirchenbuch des grauen Klosters zu Wismar (Meklenb. Jahrb. VI, 100) das Jahr der Heimkehr Heinrich's an. Das richtige Jahr, 1298, haben Albrecht von Bardewik und die Detmarsche Chronik; vom 13. Januar 1299 ist eine Original=Urkunde des heimgekehrten Fürsten im schweriner Archive vorhanden (Rudloff II, 97 Anm. d).
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Son, ja der ist myn herre,
ich byns nicht warheit erre.
Dy fursten frowen stunden ab
in gantzir froiden anehab
mit czuchtigen geberden
von wagenen vnd von pherden,
Wer y froide kunde spehen,
der mochte da froide han gesehen,
Sy entphingen sich mit guden sidden,
auch wart da kussen nicht vermidden,
Sus vurte da dy frowe reyne
iren herren heym mit der gemeyne
mit eren vnd mit wirdigheit,
mit groszin froiden gantz gemeit.
Da warin yn der frowen schar
dy burger von der Wysmar,
sy furten in mit froyden inne
uf dy burg die wol mit synne
by Wysmar gebuwet was.

Albrecht von Bardewik berichtet nicht, welchen Weg Heinrich von Rom genommen habe; doch stimmt er darin mit Kirchberg überein, daß er zu der Zeit, als die Fürsten vor Glesin lagen, in seiner Heimath eingetroffen sei. Er fügt hinzu, daß Heinrich bald nach seiner Rückkehr Lübek besucht habe und von Rath und Bürgerschaft daselbst mit großen Ehren empfangen sei; er schließt: "unter der Zeit, daß der Herr von Meklenburg zu Lübek war, da starb sein treuer Dienstknecht, der mit ihm über Meer gefangen war, Martin Bleyer, und ist zu der Wismar begraben. Also nimmt die Mähre ein Ende".

 

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