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IV.

Der Ritter Thetlev von Gadebusch

und seine Familie,

von

G. C. F. Lisch.


Thetlev von Gadebusch

und

seine Söhne Werner von Loiz und Heinrich.

D er alte Adel des eigentlichen Landes Meklenburg findet seinen Ursprung in den allerältesten Zeiten. Schon in den ersten Zeiten der christlichen Cultur, in der ersten Hälfte des 13. Jahrh., werden die Männer aus dem Rath der Landesfürsten die Großen, die Edlen des Landes, die Herren (majores terrae, nobiles, seniores) und mehrere der noch heute bestehenden Geschlechter unter dem wendischen Adel (nobiles Slavi) am Hofe Borwin's I. aufgeführt. Mögen auch mit den sächsischen Grafen von Ratzeburg, Schwerin und Danneberg viele sächsische Ritter in's Land gezogen sein, so ist doch auch das außer Zweifel, daß in den wendischen Fürsten gebliebenen Ländern der alte wendische Adel sich in vielen Geschlechtern erhalten hatte und der Umgestaltung der Dinge sich nicht entzog. Lange Zeit freilich sträubte er sich, sich der neuen Ordnung zu fügen; als jedoch ein jüngeres Fürstengeschlecht zur Regierung kam, trat er plötzlich der Neugestaltung der Staatsformen bei. Die Glieder dieser alten Geschlechter nahmen die Ritterwürde und Lehen an, und hiemit neue Namen; einige erwählten den wendischen Namen des Stammvaters zum Geschlechtsnamen, andere nahmen vom Lehen oder Wappenzeichen neue Geschlechtsnamen

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an. Aber die Umgestaltung geschah so plötzlich, daß man sie nur mit großer Mühe wahrnehmen kann 1 ).

Der bedeutendste Mann der meklenburgischen Geschichte in diesem merkwürdigen Zeitraume ist ohne Zweifel Thetlev von Gadebusch 2 ), welcher in der Zeit 1218-1249 die erste Rolle an den Höfen verschiedener Fürsten spielt. Er führte seinen Namen von der Stadt Gadebusch 3 ), der ältesten städtischen, christlichen Residenz der meklenburgischen Fürsten, war hier auf dem fürstlichen Schlosse erster Burgmann und in der Nähe der Stadt mit Landgütern angesessen. Nach dem ratzeburger Zehntenregister von ungefähr 1230 besaß er die Güter Vitense (Pfarre Rehna), Rosenow (Pf. Vietlübbe), Alt=Pokrent (Pf. Pokrent) und Wokenstädt (Pf. Gadebusch); er schenkte dem Jungfrauenkloster Rehna, welches er mit gestiftet hatte, zwei Hufen in Vitense 4 ). Nach der Urkunde des Bischofs Rudolph von Schwerin vom 24. Dec. 1250 hatte er auch das Gut Kossebade gehabt und dasselbe jenem überlassen 5 ). Er erscheint in den meisten fürstlichen Urkunden jener Zeit und nimmt zu allen Zeiten beständig die erste Stelle in der Reihe der Zeugen ein; ihm gehen nur regierende Landesherren, Fürsten und Grafen , vor und nur ein Mal, am 30. Oct. 1230, Alard Gans, welcher ebenfalls einem bekannten Dynastengeschlechte angehörte 6 ). Dabei ist wohl zu berücksichtigen, daß er je nach dem Alter der Zeugen nicht nach und nach in die erste Stelle rückt, sondern diese gleich bei seinem ersten Auftreten und von da an die ganze Zeit seines Lebens unverrückt einnimmt. Einige Male wird er allein "Herr" (dominus) genannt, während die übrigen nach ihm aufgeführten Ritter diesen Titel nicht erhalten, wie es in den folgenden Zeiten gewöhnlich ist; er wird allein Herr genannt z. B. in einer lübeker Urkunde vom 15.


1) Die Forschung über den Ursprung des alten Adels in Meklenburg ist ausführlich dargelegt in Lisch Gesch. und Urk. des Geschlechts Hahn I, S. 5 flgd. Vgl. Boll: Ueber die deutsche Colonisation Meklenburg's in Jahrb. XIII, S. 57 flgd. und 92 flgd.
2) Ueber Thetlev von Gadebusch und seine Familie sind bereits in Schröder's P. M. I, S. 498, 828 und 1134 flgd. weitläuftige Untersuchungen angestellt, welche jedoch meist nur auf Vermuthungen beruhen und kein neues urkundliches Material geben; wahrscheinlich sind sie von dem Landrath von Negendank, dem fleißigen Sammler und dem Gönner Schröder's, abgefaßt. Sie gehen darauf hinaus, daß Thetlev von Gadebusch der Stammvater der Familie Negendank gewesen sei, - nach Tradition und vielleicht nach dem Umstande, daß der Vorname Dethlof in dieser Familie herrschend war.
3) Von den unmittelbar neben Rehna liegenden Dörfern Bülow und Brütschow hatten auch die beiden stammverwandten Geschlechter desselben Namens, welche dasselbe Wappen führten, ihre Namen.
4) Vgl. Jahrb. X, S. 205, und Lisch Gesch. des Geschl. Hahn, I, B, S. 17.
5) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXIX.
6) Die Zeugenreihen sind übersichtlich zusammengestellt von Boll in Jahrb. a. a. O.
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Febr. 1226 1 ). In einer doberaner Urkunde vom J. 1230 wird er Burggraf ("burgravius"), in einer Urkunde des Fürsten Johann von Meklenburg für das Kloster Reinfelden wird er Burgmann von Gadebusch ("castellanus in Godebuz") genannt.

Dies alles zeugt von einer ausgezeichneten Stellung, welche in jener Zeit in Meklenburg dieser Mann allein einnimmt. Leider ist kein Siegel von ihm mehr vorhanden. Es existirte im pommerschen Archive ein Vertrag seiner Söhne Werner und Heinrich mit dem pommerschen Kloster Eldena vom J. 1249; Dähnert sah noch das besiegelte Original und versichert (Pomm. Bibl II, S. 147), daß noch Thetlev's Siegel daran hing, indem er es also beschreibt:

"Die Wappenbildung stellete einen aus einer Schachtafel bis an die Hälfte des Leibes hervorragenden Adler vor; von der Umschrift waren nur allein die Worte S. TEDLEVY noch zu lesen".

Diese Original=Urkunde ist nicht mehr vorhanden, wie sowohl directe Mittheilungen aus dem stettiner Archiv, als auch Fabricius in Rügen. Urk. I, S. 14, Nr. 71 und Not. 6, bezeugen. Daß Thetlev von Gadebusch auch einen Adler im Wappen hatte, wird auch dadurch wahrscheinlich, daß die von ihm gestiftete Stadt Loiz einen Adlerflügel mit einem Sterne neben einer Keule 2 ) im Siegel führte.

Das Wappen Thetlev's von Gadebusch ist nun mit dem Wappen der Herren von Putbus gleich, und es wäre daher nicht unwahrscheinlich, daß Thetlev von Gadebusch aus einem rügischen Dynasten=Geschlechte stammte, wie die heidnischen Stammväter des meklenburgischen Fürstenhauses ihren Sitz ebenfalls im Lande Rügen hatten 3 ), und daher mag es sich auch erklären, daß Thetlev von Gadebusch im Laufe der Zeit wieder in jene Gegenden zurückging.

Zuerst erscheint Thetlev von Gadebusch seit dem J. 1219 als der Erste im Gefolge des alten Fürsten Borwin I.; vielleicht hatte er mit diesem kurz vorher den Kreuzzug nach Livland mitgemacht. Ob der Thidericus de Godebuz, welcher im J. 1219 als der Erste unter den Begleitern Borwin's nach den


1) Vgl. Lübeker Urk. Buch I, Nr. 33, S. 44.
2) Sollte diese Keule vielleicht ursprünglich ein Baum gewesen sein? Die Stadt Gadebusch führt einen, ungefähr wie diese Keule, gestalteten Baum neben einem Stierkopf im Wappen. Dann hätte die Stadt Loiz zur einen Hälfte ein Stück aus dem Wappen Thetlev's, zur andern Hälfte ein Stück aus dem Siegel der Stadt, von der er den Namen führte, zum Siegel erhalten.
3) Vgl. Beyer's Abhandlung: König Kruto und sein Geschlecht, in Jahrb. XIII, S. 1 flgd.
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wendischen Edlen mit wendischen Namen vorkommt, unser Thetlev und in der Abschrift mit diesem verwechselt sei, läßt sich nicht bestimmen. Eben so wenig ist es gewiß, ob der am 24. Junius 1218 genannte Thetlev von Marlow unser Thetlev von Gadebusch ist; freilich könnte dieser früher die Burg Marlow besessen haben, da sie um jene Zeit im Besitze seiner Verwandten erscheint; aber es gab auch einen jüngern Thetlev, welcher Thetlev von Marlow genannt wird. - Nach dem Tode Borwin's erscheint er öfter unter den Vormundschaftsräthen der Enkel desselben. Dann aber waltete er fast zehn Jahre hindurch an dem Hofe des jungen Fürsten Johann I. von Meklenburg zu Gadebusch.

Bald gelangte Thetlev von Gadebusch wieder zur eigenen Herrschaft. Der Bischof von Schwerin war mit den benachbarten Bischöfen von Camin und Havelberg in Streit wegen der Ausdehnung der bischöflichen Sprengel; namentlich erlaubten sich die Bischöfe von Camin viele gewaltthätige Uebergriffe, welche sie zuletzt auch behaupteten. Im Anfange dieses vieljährigen Streites widersetzte sich der schweriner Bischof Brunward mit Nachdruck der Gewaltthätigkeit des Bischofs von Camin und verbündete sich im J. 1235 mit den meklenburgischen Fürsten 1 ), um durch Eroberung der streitigen Länder sich den Genuß der Bischofszehnten zu sichern; namentlich nahm sich der Fürst Johann von Meklenburg der Sache sehr eifrig an. Unter den Vasallen seiner Herrschaft, welche den Schlußvertrag mit beschworen, befand sich an der ersten Stelle Thetlev von Gadebusch. Der Krieg endete zu Gunsten des Bischofs und des Fürsten von Meklenburg. Sie nahmen nicht allein das Land Circipanien wieder in Besitz, sondern eroberten auch mehrere Landschaften jenseit der Pene und Trebel, namentlich das Land Loiz, welches damals unter rügischer Landesherrschaft stand. Die meklenburgischen Fürsten gaben in den eroberten Ländern viele Besitzungen zu Lehn an ihre Vasallen 2 ). Thetlev von Gadebusch erhielt das Land Loiz ("Lositze") mit der Burg gleiches Namens 3 ); vielleicht war es das Land seiner Väter, das er sich wieder erobert hatte. Er machte sich sogleich an die Ordnung der Verhältnisse seines Landes und gründete im J. 1242 neben der alten Burg die deutsche Stadt Loiz, indem er ihr das lübische Recht verlieh 4 ) und in das


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, Nr. 26 und 27.
2) Hierauf bezieht sich ohne Zweifel die dargunsche Urkunde vom 14. Febr. 1239 in Lisch Mekl. Urk. I, Nr. 23, S. 57.
3) Vgl. Sell Pomm. Gesch. I, S. 223 flgd.; Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 33-35; Fabricius Urk. des Fürstenth. Rügen, I, S. 83, und II, S. 9, 97 und 112; Dähnert Pomm. Bibl. V, S. 7 flgd.
4) Vgl. Dreger Cod. dipl. Pomer. p. 218 sq.
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Siegel derselben einen Theil seines Wappens, einen Adlerflügel, setzte.

Thetlev von Gadebusch lebte noch im J. 1249, als er an eine Urkunde seiner Söhne sein Siegel hängte; im J. 1244 war er der erste ritterliche Zeuge einer von den Herzogen Barnim und Wartislav von Pommern zu Demmin für das Kloster Broda ausgestellten Urkunde 1 ). Er hatte aber schon während seines Lebens die Herrschaft Loiz seinen Söhnen hinterlassen. Seine beiden Söhne waren: Werner und Heinrich, welche schon 1248 und 1249 als Herren von Loiz handelnd auftreten 2 ). Von diesen lebte Werner noch spät, z. B. noch im J. 1269 3 ); er nennt sich nach dem Tode seines Vaters immer Ritter Werner von Loiz ("Wernerus de Lositze miles"). Sie waren die letzten Dynasten von Loiz. Gegen das Ende des 13. Jahrh. kam die Herrschaft an die Fürsten von Rügen. Im Laufe der Zeit kommt um das Jahr 1278 noch ein Simon von Gadebusch vor; die Regeste einer verloren gegangenen Urkunde des Bisthums Schwerin lautet:

"Simon ein Knappe von Godebuze und seine Frau Hadegund geben der Kirche zu Schwerin 1 Mark aus ihrem Hofe auf der Schelfe zu Schwerin".

Mit der Familie von Gadebusch oder von Loiz, wie sie sich später nannte, scheinen einige andere alte und vornehme Familien eng verbunden gewesen zu sein. In den Urkunden von 1242 und 1249 werden neben Thetlev von Gadebusch und seinem Sohne Werner die Brüder Lüdeke und Bolte von Slavekestorp, d. i. Schlagsdorf, als Zeugen aufgeführt. Die von Slavekestorp, welche sehr früh nach Festland Rügen kamen und späterhin auf der Burg Gristow saßen, gehörten zu den ältesten Familien des Landes. Sie führten eine Weinrebe im Wappen und diese allein war das ursprüngliche Wappen der Familie Maltzan; der Vorname Bolte war in Meklenburg der Familie Hasenkop eigenthümlich, welche ohne Zweifel mit der Familie Maltzan stammverwandt war. Die Güter Moltzan und Schlagsdorf liegen aber neben einander bei Ratzeburg. Es ist daher wahrscheinlich, daß die von Schlagsdorf mit Thetlev von Gadebusch in dem Kriegszuge des Fürsten Johann 1236 in jene Gegenden kamen, wie überhaupt in diesem Zuge eine große Wanderung der ritterlichen Familien aus dem Lande um Ratzeburg und Gadebusch gegen Osten in die Länder Circipanien und Rügen stattfand. -


1) Vgl. Jahrb. III, S. 211-213.
2) Vgl. Dreger Cod. dipl. Pomer. p. 308-310; Dähnert Pomm. Bibl. V, S. 7 flgd. und S. 254-257.
3) Vgl. Dähnert Pomm. Bibl. V, S. 87.
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Der in den beiden erwähnten Urkunden genannte Ritter Brunward von Loiz gehörte zur Familie Thetlev's von Gadebusch und wird weiter unten zur Sprache kommen.


Heinrich von Bützow

und

sein Sohn Thetlev d. j. von Marlow.

Ein Bruder Thetlev's von Gadebusch war Heinrich von Bützow. In dem lübeker Zollprivilegium der meklenburgischen Fürsten Johann, Nicolaus und Heinrich vom 15. Febr. 1226 1 ) werden unter den Zeugen aufgeführt:

"dominus Thetlevus de Godebuz,
- - Brunwardus de Butzowe,
Heinricus cognatus domini Thetlevi".

Mit dem Ausdrucke cognatus wird sonst bekanntlich eine nahe Verschwägerung bezeichnet; in jener Zeit bedeutet es aber öfter Bruder: in dem ältesten Privilegium des Fürsten Johann von Meklenburg für die Stadt Wismar vom J. 1228 2 ) bezeichnet dieser Fürst seinen Bruder Pribislav durch das Wort cognatus. Wir können also annehmen, daß auch Heinrich von Bützow ein Bruder Thetlev's von Gadebusch war, wenn er dessen "cognatus" genannt wird.

Dieser Heinrich, der hier keinen Zunamen hat, ist ohne Zweifel Heinrich von Bützow. Schon im J. 1210 geschah es zu Gadebusch, daß der Fürst Borwin I. den Herrn Heinrich von Bützow, seine Frau Wigburg und seinen Sohn Thetlev (den jüngern) mit der Hälfte des Schlosses Marlow 3 ) und folgender 9 Dörfer Conesco (Knesse), Cepitzko (Schulenberg und Fahrenhaupt?), Janekestorp (Jankendorf), Ratezburstorp (Redderstorf), Uppekenthorp (Wöpkendorf), Chemkenthorp (Ehmkendorf), Gutenthorp, Halemerstorp (Helmstorf?) und dem Flecken Marlow (mit 8 Hufen), der vor der Burg lag, so wie mit aller Gerechtigkeit und der Hälfte des Gerichts in Zmilistorp und der Hälfte des Gerichts in dem Kruge zu Ribnitz erblich belehnte; die Besiegelung dieser Urkunde geschah erst im J. 1215. Von


1) Vgl. Lübeker Urk. Buch I, Nr. 33, S. 44.
2) Vgl. Schröder's Wismar. Erstlinge S. 68.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXVI.
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dieser äußerst wichtigen Urkunde, einer höchst seltenen Erscheinung in ihrer Art, ist leider nur eine, wenn auch ziemlich vollständige Regeste vorhanden. - Die andere Hälfte des Schlosses und der Vogtei Marlow erhielt wohl ein Neffe Heinrich's von Bützow, Brunward, von welchem weiter unten die Rede sein wird.

Außerdem berichtet nun Chemnitz aus einer brieflichen Urkunde, daß schon im J. 1179 Borwin I. dem Heinrich von Bützow die Hälfte von Marlow mit 9 Dörfern zu Lehn gegeben habe 1 ), unter der Bedingung, das Land wieder zu cultiviren. Leider ist dies die einzige Spur von dieser Verleihung, welche allerdings verdächtig aussieht, da sie mit der Urkunde von 1210-1215 gleich zu sein scheint. Die Sache läßt sich nicht mehr aufklären. Hat sie ihre Richtigkeit, so könnte dieser Heinrich von Bützow der Stammvater des Geschlechts und der Vater des hier in Frage stehenden Heinrich von Bützow gewesen sein.

Die Burg Marlow war in jenen Zeiten die Hauptgauburg in jenen Gegenden, welche erst später durch die Stadt Sülz in den Hintergrund gedrängt ward. Das Land Bützow, mit der Burg, traten die Landesherren dem Bischofe Brunward von Schwerin am 27. März 1232 völlig ab 2 ), und Heinrich's Familie scheint sich ganz nach Marlow gezogen zu haben; vielleicht war Marlow ein Ersatz für das dem Bischofe von Schwerin zugefallene Bützow. Ob die später im nördlichen Meklenburg vorkommende Ritterfamilie von Bützow, welche einen Eselskopf im Wappen führte, mit der alten Dynastenfamilie von Bützow zusammenhängt, läßt sich nicht mit Bestimmtheit ermitteln, da von dieser kein Originalsiegel bekannt geworden ist; mit der ritterlichen Familie von Bützow führten die in alter Zeit in derselben Gegend angesessenen Familien von Hoge und von Zepelin gleiches Wappen. Wahrscheinlich war aber diese Ritterfamilie von Bützow nicht mit der alten Dynastenfamilie von Bützow verwandt. Diese letztere führte nach dem Berichte des Pfarrers Heinrich Stolp auf der uralten, bei dem Burgwalle Meklenburg liegenden Pfarre Lübow auf alten Siegeln einen queer getheilten Schild, welcher in der untern Hälfte rechtwinklig quadrirt war und in der obern Hälfte einen Stierkopf trug 3 ). Nach dieser freilich nur aus einer Beschreibung bekannt gewordenen Bildung scheint das Wappen der alten von Bützow mit dem Wappen der von Gadebusch Aehnlichkeit gehabt zu haben 3 ).


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXV.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 79.
3) Vgl. Jahrb. III, S. 162 flgd.
3) Vgl. Jahrb. III, S. 162 flgd.
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Der Sohn des Heinrich von Bützow hieß nach der eben angeführten Urkunde über Marlow von 12 10/15 Thetlev, wahrscheinlich von seinem Oheim Thetlev von Gadebusch so genannt. Dies ist ohne Zweifel Thetlev der jüngere, welcher öfter neben Thetlev von Gadebusch genannt wird. Am 24. Junius 1218 war er unter dem Namen Thetlev von Marlow mit dem Bischofe Brunward, seinem Oheim, bei dem Fürsten Borwin. Im J. 1229 waren in einer Urkunde des Fürsten Johann Zeugen:

"dominus Brunwardus et dominus Detlevus juvenes."

und am 30. Oct. 1230 bei demselben Fürsten und dessen Bruder Nicolaus:

"Thetlephus de Godebuz, - - Thetlephus juvenis".


Der Bischof Brunward von Schwerin

und

seine Blutsverwandten.

In ganz naher Verwandtschaft zu der Familie des Thetlev von Gadebusch stand der Bischof Brunward von Schwerin. Nach der Regeste einer höchst merkwürdigen Urkunde vom 18. Junius 1195 1 )war der zweite schweriner Bischof Brunward ein Wende; nach dem Tode des Bischofs Berno war zwischen den Sachsen und Wenden Streit über die Bischofswahl ausgebrochen: die sächsischen Domherren hatten den sächsischen Grafen Hermann von Schwerin, die Wenden vom Adel den Wenden Brunward erwählt; der Streit dauerte an drei Jahre, bis er endlich zu Gunsten Brunward's geschlichtet ward. Man hat diese Urkunde wohl dahin erläutern wollen, daß unter Wenden auch nur die in den Wendenländern Wohnenden verstanden werden könnten; aber der Gegensatz ist zu scharf ausgeführt und die Verwandten Brunward's waren alle auf alten wendischen Burgen und zwar meistentheils in Gegenden (Bützow und Marlow) herrschend, in denen die wendische Bevölkerung und Sitte noch lange nicht zurückgedrängt ward. Am 3. Novbr. 1235 schenkte der Bischof Brunward dem neu gestifteten Nonnenkloster Rühn die Zehnten von 10 Hufen in Holzendorf, die sein Vetter, Thetlev von Gadebusch, von ihm zu Lehen gehabt und (bei dem Feldzuge nach Circipanien und Loiz) dem Bischofe zur


1) Vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, Nr. VIII.
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Stiftung von Seelenmessen für ihn wieder aufgetragen habe 1 ). Von der darüber redenden Urkunde ist zwar nur eine Regeste erhalten, in diese aber das entscheidende Wort der Original=Urkunde aufgenommen; Thetlev von Gadebusch wird ein "consanguineus" des Bischofs genannt; welches Wort Clandrian freilich durch "Oheim" übersetzt, nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche wohl durch Vetter übersetzt werden muß, was späterhin freilich durch patruelis bezeichnet wird. Wahrscheinlich waren beide Geschwisterkinder.

Ein Bruder des schweriner Bischofs Brunward war Bruno, wenn das Wort cognatus = Bruder bedeutet, wie oben bei Heinrich von Bützow wahrscheinlich gemacht ist. In einer Bestätigung des Dom=Collegiatstifts zu Güstrow durch den Bischof Brunward vom J. 1229 wird unter den Zeugen von diesem auch genannt:

"Bruno cognatus noster".

Jedenfalls war dieser ein sehr naher Verwandter des Bischofs. Es ist oben (S. 17) die Vermuthung aufgestellt, daß dieser Bruno der Meister des Dobriner Ordens gewesen sei und wahrscheinlich mit dem Bischofe den Kreuzzug nach Preußen im J. 1219 mitgemacht habe.

Eine Schwester des Bischofs Brunward wird zwar nicht mit Namen aufgeführt, wohl aber deren Sohn Brunward, ohne Zweifel von seinem Oheim so genannt. Der Bischof sagt nämlich in einer Urkunde vom 13. Dec. 1233 2 ), daß, als er (1219) nach Preußen habe ziehen wollen, seiner Schwester Sohn Brunward, ein Ritter, ihm den halben Zehnten von Stavenitzdorf und Kaminitz aufgelassen habe, welchen er mit andern Zehnten dessen Schwester Sohn Brunward wieder verliehen habe, wahrscheinlich gegen eine Anleihe, da Brunward in Geldverlegenheit war, als er den Kreuzzug unternehmen wollte. Dieser Brunward ist wahrscheinlich der in dem oben erwähnten lübeker Zoll=Privilegium vom 15. Febr. 1226 neben den Brüdern Thetlev von Gadebusch und Heinrich von Bützow aufgeführte Brunward von Bützow.

Der Bischof Brunward sagt in der eben erwähnten Urkunde vom 13. Dec. 1233 weiter: daß ihm seiner Schwester Sohn Brunward der Ritter die Zehnten in Stavenitzdorf und Kaminitz aufgelassen habe, um sie seinem Schwestersohn Brunward wieder zu verleihen, was er auch damals (1219) gethan und ihm dazu auch die Zehnten aus den Dörfern der Pfarre


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXVIII.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. LXXVII.
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Ribnitz und aus den Dörfern Blankenhagen, Volkshagen, Wulfshagen, aus einer Hufe zu Kölzow und einer Hufe zu Kassebohm übertragen habe. Unter diesem zweiten Schwestersohne Brunward kann nur der Schwestersohn des Ritters Brunward (von Bützow), also ein zweiter weltlicher Brunward, verstanden werden. Dieser Brunward ist wahrscheinlich derjenige, welcher in der wismarschen Urkunde vom J. 1229 1 ) neben dem jüngern Thetlev Brunward der junge:

"dominus Brunwardus et dominus Thetlevus juvenes"

genannt und in einer doberaner Urkunde vom 18. Oct. 1230 als Burgmann von Marlow aufgeführt wird:

"Thetlephus de Godebutze burgravius, - - Brunwardus castrensis de Marlowe"

und eben so in einer doberaner Urkunde vom 28. Oct. 1231:

"Thetlephus de Godebuz, - - Brunwardus castellanus de Marlowe".

Wahrscheinlich erhielt sein Vater Brunward von Bützow 1210 eine Hälfte von Marlow, als Heinrich von Bützow die andere Hälfte erhielt.

Der jüngere Brunward ist nun wieder wahrscheinlich derselbe, welcher in den oben angeführten loizer Urkunden von 1242 und 1249 Brunward von Loiz genannt wird, nachdem das Land Bützow dem Bischofe Brunward mit allen Rechten überwiesen und ungefähr zu gleicher Zeit Loiz von Thetlev von Gadebusch erobert war. Er wird in den erwähnten Urkunden des Thetlev von Gadebusch und seiner Söhne Werner und Heinrich von 1242 und 1249 als Ritter Brunward von Loiz ("Brunwardus de Lositze miles") aufgeführt.


Das Geschlecht der von Dechow und Hahn.

In der oft erwähnten Urkunde vom 30. Oct. 1230 wird neben Thetlev von Gadebusch und dem jüngern Thetlev noch ein Gottschalk als Neffe des ältern Thetlev von Gadebusch aufgeführt:

"Thetlevus de Godebuz, Thetlevus juvenis, Godescalcus nepos domini Thetlevi".


1) Vgl. Wismar. Erstlinge S. 70.
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Dieser Gottschalk war wahrscheinlich Gottschalk von Dechow 1 ), welcher von dem Gute Dechow zwischen Gadebusch und Ratzeburg seinen Namen trug und 1230-1248 am Hofe des Fürsten Johann von Meklenburg erscheint. Sein Sohn Eckhart ward im J. 1261 bischöflich=ratzeburgischer Vasall von dem Gute Pütenitz bei Damgarten im Fürstenthume Rügen. Gottschalk's Bruder war urkundlich Eckhart Hahn, der Stammvater des noch blühenden Geschlechts. Dies ist die einzige noch bestehende Verbindung mit den behandelten alten Dynastengeschlechtern.


Dies ist der Zusammenhang der Familie, welche in der Zeit des Ueberganges vom Heidenthume zum Christenthume ohne Zweifel die bedeutendste in Meklenburg ist und tiefe Blicke in den Entwickelungsgang der Ereignisse thun läßt.

Die folgende Stammtafel wird die Uebersicht erleichtern:


1) Vgl. Lisch Gesch. des Geschl. Hahn I, A, S. 15 flgd., 17 flgd., S. 43 flgd. und B, S. 25.
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Stammtafel der Familie Thetlev von Gadebusch