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IV.

Geschichte

der

Heiligen=Bluts=Kapelle

im

Dome zu Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


A n Namen knüpft sich das Gedächtniß außerordentlicher Thaten und Begebenheiten, an Namen hängt Segen oder Fluch des Menschengeschlechts. Und wie nach der Weisheit der Vorsehung diesem oder jenem Menschen ein größeres Feld für die öffentliche Wirksamkeit angewiesen ward, so trägt mancher Ort eine reichere Erinnerung an bedeutungsvolle Ereignisse. Es giebt Orte, welche Denktafeln gleichen, auf denen die Hauptbegebenheiten der Weltgeschichte Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch niedergeschrieben sind; mag auch der Menschen Thun und Treiben, Glaube, Wissen, Kunst und Sitte sich wandeln, an ihnen wiederholen sich immerfort die Handlungen, welche den Gang der Geschichte und ihre Wendepuncte bezeichnen, und immer wieder netzen Thränen des Schmerzes und der Rührung den Boden, auf dem unsere Väter geweint haben. Die Verehrung des Volkes und seine Ueberlieferungen reden oft lauter, als alle Schriften, für die Bedeutsamkeit von Orten, welchen die Geschichte den Stempel der Heiligkeit aufgedrückt hat.

In Meklenburg aber ist wohl kaum eine Stelle so reich an bedeutungsvollen Erinnerungen, als die Heilige=Bluts=Kapelle im Dome zu Schwerin. An sie knüpfen sich die bedeutsamsten Begebenheiten aus der Geschichte des Landesbisthums und der Landeskirche, des gräflichen und des fürstlichen Regentenhauses und des ganzen Volkes fast sieben Jahrhunderte hindurch. Was

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hier geschehen ist, war oft der Grundstein oder der Schlußstein eines ganzen geschichtlichen Gebäudes, war oft eine Handlung, welche die Thatenreihe einer ganzen Vergangenheit und eine neue Zukunft versinnbildlichte. Wie jetzt das Volk mit Wehmuth und Begeisterung die geweihete Stelle betritt, so hat es hier schon oft gestanden mit vollem Herzen und ernstem Blick, aber auch freudig die Augen nach oben gerichtet.

Jahrhunderte hindurch hatte das große deutsche Kaiserreich gerungeun das kleine, aber gewaltige Volk der westlichen Wenden, aus welchem das meklenburgische Fürstenhaus stammt, für deutsche Bildung und den christlichen Glauben, auch für seine eigene Macht zu gewinnen; aber selbst Männer wie Karl der Große und Otto der Große konnten das Riesenvolk nicht dauernd bändigen, wenn auch die nordische Mission unter ihrer eigenen Obhut stand. Selbst in den vernichtenden Kreuzzügen, welche der Sachsenherzog Heinrich der Löwe gegen das ihm mitverliehene Land unternahm, konnte das Kriegsgeschrei des Volkes nur augenbicklich durch Blut erstickt werden; denn hätte nicht Gattenliebe und tiefere Einsicht den Fürsten Pribislav dem christlichen Glauben zugeführt, so würden auch die größten Anstrengungen des Löwen keinen dauernden Erfolg gehabt haben, da nach seinem und Pribislavs Tode das Obotritenvolk mit Erfolg wieder zu den Waffen griff, um das alte Reich wieder aufzurichten. Und es konnte wohl nicht anders sein; denn fast vier Jahrhunderte hindurch hatten die Wenden die Liebe nur im Schwerte kennen gelernt und in ihren Beglückern nur Unterdrücker sehen können: natürlich, daß sie das ganze Bekehrungsgeschäft nur als Knechtungs= und Raubzüge betrachteten und betrachten konnten. Was aber der Gewalt nicht gelang, das erreichte die aufopfernde Ausdauer des Geistes; denn so roh war die kräftige Natur der Obotriten nicht, daß sie nicht den höhern und edlern Geist erkannt und aufgenommen hätten. Der Bischof Berno von Meklenburg und Schwerin, der Apostel der Obotriten, war der Mann, dem sich ein Volk beugte, welches keinem fremden irdischen Herrscher gehorcht hatte.

Schon bald nach dem Jahre 970 war zu Meklenburg eine Kirche zu Ehren des Apostels Petrus gegründet und bei derselben ein Nonnenkloster gestiftet, in welches selbst des Fürsten Mistav Billung Tochter Hodica gebracht und bald zur Aebtissin des Klosters erhoben ward. Bald ward jedoch das Kloster wieder aufgehoben und kurze Zeit nach dem J. 1012 unter dem Fürsten Miccislav auch die Kirche zerstört, wie denn alle übrigen Pflanzstätten des Christenthums im Obotritenlande ein gleiches Schicksal hatten. Zwar gewann unter dem Fürsten Gottschalk das Christenthum

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wieder den kräftigsten Schutz in den Obotritenländern: zu Meklenburg waren drei geistliche Stiftungen, und um das J. 1052 ward durch Betrieb des mächtigen Erzbischofs Adalbert ein Bisthum zu Meklenburg errichtet und dem Schotten Johann anvertraut; aber um das J. 1066 wurden die Verehrer des Christenthums, unter denen der Fürst Gottschalk und der Bischof Johann, in einer furchtbaren Empörung durch Blut erstickt und die christlichen Stiftungen zum zweiten Male ausgerottet.

Seit den deutschen Kaisern aus dem sächsischen Hause hatte sich die Zinsbarkeit der Wenden in eine Oberherrlichkeit oder Lehnsherrlichkeit der sächsischen Herzoge über die Wendenländer ausgebildet, welche jedoch bald wieder erlosch. Als nun im J. 1147 das Kreuz gegen die Ungläubigen gepredigt und alle Welt von der Schwärmerei durch die Kreuzpredigten zum Gelobten Lande hingerissen ward, die Sachsen jedoch keinen Theil an diesen verderblichen Zügen nahmen, da hielt es der kriegslustige Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen für zeitgemäß, einen Kreuzzug gegen die Wenden predigen zu lassen, um unter der Kirchenfahne das Schwert zur eigenen Erwerbung der Länder schwingen zu können. Was in diesen blutigen Kriegen das Wendenvolk fast ein Vierteljahrhundert hindurch gelitten hat, ist der Welt bekannt und für den Heldenmuth des Volkes bewundernswerth; der Ausgang ist eben so bekannt: die endliche Bekehrung der Obotriten und zugleich der Fall des Löwen, ihres bittern Feindes. Die günstige Gelegenheit des wendischen Kreuzzuges glaubte der Erzbischof Hartwig von Bremen nicht unbenutzt vorbeigehen lassen zu dürfen, um die zur Unterjochung bestimmten Länder für seinen Sprengel wieder zu gewinnen. Er richtete daher im J. 1150 die seit lange unbesetzten wendischen Bisthümer zu Oldenburg, Ratzeburg und Meklenburg wieder auf und bestellte im J. 1154 den Emmehard zum Bischofe von Meklenburg. Jedoch fehlte es bei dem hartnäckigen Widerstande der Obotriten an einem sichern Orte, an Gemeinden und an Versorgung für den Bischof, und Emmehard scheint gar nicht zum Besitze seines Bisthums gekommen zu sein.

Sein Nachfolger war Berno, ein Cistercienser=Mönch aus dem Kloster Amelungsborn, unweit der Weser, ein Mann von dem heiligsten Eifer und der aufopferndsten Thätigkeit, welcher als der erste meklenburgische Bischof von Schwerin betrachtet wird. Als der Herzog Heinrich der Löwe im J. 1161 seinen großen, zweiten Kreuzzug gegen Wendenland eröffnete, brannte der letzte Wendenkönig Niklot, seine Festen Meklenburg, Schwerin, Dobin (bei Hohen=Vicheln) und Ilow nieder und zog sich auf seine Burg Werle (bei Schwan) zurück, wo er bei einem

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Ausfalle den Heldentod fand und das Heidenthum seine letzte Stütze verlor. Durch diesen Fall war die Kraft des Obotritenvolkes gebrochen, wenn es auch späterhin noch lange durch Aufstand und Widerstreben die wohlgemeinten Anstrengungen der Landesfürsten für die Bildung des Volkes zum großen Theile vereitelte und Christenthum und deutsche Sitte nur sehr langsame Fortschritte machten. Heinrich der Löwe legte sogleich im J. 1161 tapfere Dienstleute mit Besatzungen auf die heidnischen Burgwälle, um durch Vertheilung einer großen Macht an verschiedene Stellen die Kraft des viel geprüften Volkes zu schwächen. Auf den Burgwall von Schwerin, wo jetzt noch das Residenzschloß steht, setzte er seinen Statthalter, den tapfern Ritter Gunzelin von der Hagen, welcher hier eine Burg nach deutscher Weise erbauete und sie zur Hauptstütze der deutschen Macht in den Wendenländern erhob; auf den Burgwall Meklenburg setzte er den Edlen Heinrich von Schaten.

Zu gleicher Zeit konnte Heinrich der Löwe seinen Lieblingswunsch erfüllt sehen: er stellte im J. 1161 das Bisthum Meklenburg wieder her und verordnete den Mönch Berno zum Bischofe von Meklenburg. Jetzt erhob dieser unerschrockene, kluge und aufopfernde Apostel der Obotriten das bisher für unmöglich Gehaltene zur Wirklichkeit: er stürzte die Götzen bis zum Vorgebirge Arkona hinauf, taufte die Heiden und predigte den Glauben, gründete Kirchen und Klöster, lichtete durch seine Cistercienser=Mönche die Wälder, daß die Sonne den Boden beschien, und führte Bildung jeder Art in die Hütten ein. Im J. 1164 hatte er die Freude, die Taufe des Fürsten Pribislav und die Gründung des ersten christlichen Gotteshauses außerhalb der wendischen Burgwälle zu Alt=Doberan, jetzt Althof, zu sehen und hier eine Stätte für das große Kloster und die Hauptbildungsanstalt des Landes vorzubereiten. Im J. 1166 ward Pribislav wieder in sein Erbe eingesetzt, Gunzelin zum Grafen von Schwerin erhoben und die Stadt Schwerin gegründet, welcher Heinrich der Löwe sein Siegelbild, nämlich sein eigenes Reiterbild, zum Wappen verlieh.

Jetzt machte die Bildung rasche Fortschritte. Berno fühlte, im Hinblick auf die gewaltigen, erhabenen Dome des christlichen Deutschlands und die um dieselben gegründeten großartigen Bildungsanstalten, daß der Burgwall von Meklenburg in dem weiten, feuchten Sumpfe und die schutzlos gelegene, kleine Ortschaft vor der Burg seinen Schöpfungen keine große Ausdehnung gestattete. Er verlegte also im J. 1167 den obotritischen Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin, unter die treue, ritterliche Obhut des Grafen Gunzelin. Und so erhielten deutsche Bildung

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und Christenthum durch Grafschaft, Stadt und Bischofssitz in Schwerin die festeste Stütze im Obotritenland. Der Grundstein war zwar gelegt, der Ausbau ging aber noch langsam, da es noch an allen Vorbereitungen zur Ausführung großer Plane fehlte. Im J. 1170 gründete Berno das gefeierte Mönchskloster Doberan, Cistercienser=Ordens, die Hauptquelle der Bildung für das Land, die Ruhestätte der Fürsten aller Linien. Die Anfänge zur Verbreitung des Lichts werden nur klein gewesen sein und die jungen Pflanzungen vorzüglich in der persönlichen Wirksamkeit der Männer Gottes ihre Hauptpflege gefunden haben.

Berno hatte mehrere Jahre lang die Bewidmung seines Bisthums nicht erreichen können. Erst am Tage nach dem Feste der Geburt Mariä, am 9. Septbr. 1171, brachte er es dahin, daß der Herzog Heinrich der Löwe das Bisthum Schwerin bewidmete 1 ) und mit den ihm ausgesetzten 300 Hufen und andern Freiheiten und Gerechtigkeiten begnadigte: dies geschah zu Schwerin durch den Herzog Heinrich den Löwen in Gegenwart der Bischöfe Evermod von Ratzeburg und Berno von Schwerin, der Fürsten Pribislav von Meklenburg und Casimir von Pommern, der Grafen Gunzelin von Schwerin, Bernhard von Ratzeburg, Heinrich von Ravensberg, Otto von Bentheim, Conrad von Regenstein, Hermann von Lüchow und vieler anderer hochgestellter Männer geistlichen und weltlichen Standes, welche alle dem Bischofe Berno Dank und Ehre zollten, am Tage der Grundsteinlegung 2 ) der Domkirche. Daher ward auch an diesem Tage (9. Sept.) alle Zeiten hindurch das Kirchweihfest gefeiert und daher auch noch in den letzten drei protestantischen Jahrhunderten bis zum Jahre 1846 ein Jahrmarkt 3 ) gehalten, welcher unter dem Namen Kirmeß mit dem Kirchweihfeste verbunden zu sein pflegte; noch im vorigen Jahrhunderte fiel der erste Markttag auf Mariä Geburt, in den neuesten Zeiten war freilich der Jahrmarkt schon vom 9. Sept. auf den 19. Sept. verlegt.


1) Die Dotations=Urkunde ist abgedruckt und erläutert in Lisch meklenb. Urk., III, Nr. III, und im Vorworte.
2) Die Bewidmungsurkunde vom 9. Sept. 1171 ist datirt:

Acta sunt hec V° idus Septembris in dedicatione ejusdem ecclesiae anno incarnationis MCLXXI°.

Die Gründung (dedicatio) ist von der Einweihung (consecratio) so unterschieden, daß unter Dedication die Anweisung des Ortes für den Bau einer Kirche, unter Consecration die Bestimmung des vollendeten Gebäudes mit allen Geräthen zum Gottesdienst verstanden wird.
3) Am 4. Dec. 1846 wurden die fünf Jahrmärkte Schwerins auf drei beschränkt; dabei ward der Kirchweihjahrmarkt auf der Altstadt am 19. Sept aufgehoben, wahrscheinlich weil demselben der für die Landbewohner günstiger gelegene Jahrmarkt auf der Neustadt am achten Tage nach St. Gallen (16. Oct.), dem herkömmlichen Umzugstermine auf dem Lande, zu bald folgte.
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Freilich war am 9. Sept. 1171 der Grundstein zu der Kirche gelegt; aber man würde sehr irren, wenn man glauben wollte, ein so großes und erhabenes Werk sei seiner Vollendung rasch entgegengeführt; dazu fehlte es damals noch viel zu sehr an kunstgeschickten Händen, und die Geschichte fast aller großen Kirchen giebt den unumstößlichen Beweis, daß diese aus vielen, sehr verschiedenen Theilen zusammengesetzt sind und Jahrhunderte gebrauchten, ehe sie zu der Gestalt gelangten, in welcher wir sie heute bewundern. Daß der jetzt noch stehende Dom nicht das Gebäude sei, in welchem 1167 und 1171 Gottesdienst gehalten ward, geht unbezweifelt aus dem Umstande hervor, daß damals noch durchaus der Rundbogen im Baustyl herrschte, der Dom zu Schwerin aber im strengen Spitzbogenstyl erbauet ist. Der Rundbogenstyl erhielt sich aber in Meklenburg noch lange und erscheint in einzelnen Anklängen noch 50 Jahre später; der Spitzbogenstyl beginnt in Meklenburg im Uebergangsstyle erst mit dem Anfange der mittlern Geschichte, welche mit dem Anfange der Landestheilung im J. 1229 ihren Anfang nimmt. Wahrscheinlich stand in der Nähe des jetzigen Domes ein anderes, kleines Gebäude, welches vor der Vollendung des großen Baues zum Gotteshause diente. Hierauf scheinen die alten Fundamente und die alten, zum Rundbogenstyle passenden Säulenkapitäler zu deuten, welche oft in der Nähe des Domes gefunden sind. Vielleicht war jene älteste Kirche die Kapelle 1 ), welche auf der Südostseite des Domes, zwischen diesem und dem Markte stand, im 16. Jahrhundert nicht mehr benutzt und im J. 1693 von der Dom=Structurei für das Baumaterial abgebrochen ward. Vielleicht war aber diese Kapelle auch nur eine Tauf=Kappelle oder eine Neben=Kapelle zu irgend einem andern Zwecke, wie z. B. neben der Marienkirche zu Wismar noch zwei solcher Kapellen stehen; denn gewöhnlich baute man nach dem ersten Plane an derselben Stelle immer fort: man erweiterte und erhöhete häufig auf den alten Fundamenten und ward oft in Jahrhunderten mit dem Bauen nicht fertig.

Das älteste Gebäude war ohne Zweifel im Rundbogenstyle aufgeführt und vielleicht ungefähr nach dem Plane des Domes


1) In einer urkundlichen Nachricht, Registracio tercii servicii vom J. 1515, heißt es:

"continuando per forum ad dextrum latus et iterum incipiendo a domo angulari apud ecclesiam ad orientem uel pretereundo forum piscium usque ad parvam capellam in cimiterio,"

und in Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden:

Rodolphus Bischof zu Zwerin giebt 40 tage Ablaß denjenigen, die Marien=Kirche vff dem Kirchhofe zu Zwerin besuchen vnd alda opfern werden. Datum 1412 die beate Praxedis virginis."

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zu Ratzeburg angelegt. Wir besitzen eine Abbildung dieser ältesten Kirche in dem uralten großen Siegel des Dom=Capitels 1 ); hier sehen wir die Kirche von der Westseite ganz in dem Grundplane des noch stehenden Gebäudes, aber durchweg im Rundbogenstyle gewölbt. Diese bildliche Darstellung giebt zugleich einen Fingerzeig, saß man den ersten Bau von Westen her begonnen habe. Der westlichste Theil des Langschiffes, welcher jetzt den Thurm trägt, hat auf der Abbildung ein Hausdach, und der Thurm steht auf dem Kreuzschiffe als rundbogige Kuppel.

Mit dieser Wahrnehmung stimmt denn auch der noch stehende Bau völlig überein. Der älteste Theil des ersten Domes ist ohne Zweifel das Thurmgebäude, an dessen Westseite man noch klar den alten Bau erkennen kann: man sieht noch deutlich die alte Wölbung der rundbogigen Pforte, welche zu einer hohen Spitzbogenpforte ausgebrochen ist; man sieht noch deutlich, wie aus den zwei schmalen Fenstern über der Pforte, welche auch auf dem Siegel dargestellt sind, ein großes Spitzbogenfenster gemacht ist; und über diesen Fenstern steht noch der Rundbogenfries, der hier offenbar die Ringmauern unter einem Giebel oder einem Dache schloß. Wir erkennen also in dieser Wand noch heute den alten westlichen Giebel der Kirche, wie er auf dem ältesten Capitel=Siegel abgebildet ist. Die Seitenschiffe sind augenscheinlich im 14. Jahrhundert agesetzt. Eine ganz gleiche Erscheinung bietet die St. Georgen Kirche der Stadt Parchim 2 ) (gegründet um das J. 1220), indem auch hier ein ganz gleich construirtes Gebäude, welches jetzt ebenfalls den Thurm trägt, in die Kirche dergestalt aufgenommm ist, daß auch noch im Innern der jetzigen Kirche der Rundbogenfries erhalten ist.

Der Bau der jetzigen Kirche wird mit dem Anfange bessrer Zeiten, wahrscheinlich mit dem J. 1222, nach dem alten Grundplane begonnen sein. Nun traf es sich aber, daß grade damals der Rundbogenstyl seine Endschaft erreicht hatte und der Spitzbogenstyl in seiner ersten Entwickelung lag, welche die Zeit des Uebergangsstyls genannt wird, da dieser Styl noch die kurzen und engen Oeffnungen des Rundbogenstyls, aber schon die zugespitzten Gewölbe des Spitzbogenstyls hat, Eigenthümlichkeiten, welche sich auch an dem Westgiebel des Thurmgebäudes wahrnehmen lassen.

Man begann darnach den großen Bau mit der Aufführung des hohen Chors. Daß das Hauptschiff des Chors der älteste


1) Man vgl. die Abbildung des Siegels in Jahrb. VIII, Lithogr T. I, Fig. 3, und das. S. 29.
2) Vgl. die Beschreibung in Jahresber. VIII, S. 108.
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Theil des Baues ist, dafür zeugen die einfach und ernst gewölbten obern Fenster und die schwachen Strebepfeiler zwischen den Fenstern; für eine neuere Zeit zeugen jedoch schon der vielseitige Chorschluß und die weite Oeffnung der Fenster. Bald darauf wird denn auch der Bau des Schiffes in Angriff genommen sein.

Es war am Tage des Heiligen Vitus, d. 15. Junii, des J. 1248, als der Dom so weit gediehen war, daß der Bischof Wilhelm (1247 - 1249), der fünfte Bischof von Schwerin, ihn dem Gottesdienste übergeben und einweihen konnte. Wir besitzen diese Nachricht sowohl aus einem Berichte des Rectors Hederich 1 ), als aus einem Urkundenberichte des Archivars Chemnitz, welcher sagt: "Im selbigen Jahre 1248 am Tage Viti hat Wilhelmus der fünfte Bischof zu Schwerin im ersten Jahr seiner Regierung die Thumkirche daselbst im Beisein der dreien Bischöfe zu Verden, Lübeck und Camin zum ersten geweihet, und zum Gedächtniß der Weihung von dem zum bischöflichen Tische gehörenden Einkommen den Zehnten von 11 Hufen Landes im Dorfe Robertstorf zu einer ewig währenden Präbende gegeben." Den Tag des H. Vitus wählte man, weil dieser Heilige, in dankbarer Erinnerung an den Bischof Berno und dessen Heidenbekehrung, zu Schwerin in besonderem Ansehn stand: am Tage des Sanct Vit hatte nämlich der kluge Berno nach dem Sturze des Svantevit auf Arkona die Rugianer getauft 2 ), er hatte, die Namensähnlichkeit benutzend, ihnen für ihren Svantvit den Sant Vit gegeben! Daher ward auch am Tage des H. Veit der Kirchweihtag gefeiert und bis auf die neuesten Zeiten auf der Altstadt ein Jahrmarkt gehalten 3 ). Daß von den älteren Geschichtschreibern wiederholt gesagt wird, der Bischof Wilhelm habe den Dom "zuerst" geweihet, bezieht sich wohl darauf, daß, wie unten auseinandergesetzt werden wird, späterhin noch eine Weihung folgte.


1) Die Urkunde über die Einweihung ist verloren gegangen. Wir besitzen die Nachricht über die Einweihung nur aus des schwerinschen Rectors Hederich Inhaltsverzeichnisse des großen, im 14. Jahrh. angelegten Urkunden=Buches des Bisthums Schwerin; Hederich sagt nämlich:

Wilhelmus episcopus Suerinensis eligitur 1248. Templum Suerinense primus consecrat in die S. Viti, in memoriam primae dedicationis ex mandato Henrici fundatoris

Vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 93. Es wird die Einweihung hier richtig eine Consecration genannt.
2) Nach der interessanten Urkunde des Kaisers Frirderich I. vom 2. Jan. 1170 in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 20:

quia geus Ruyanorum - - verbo predicationis flecti noluit, - - maximo ydolo eorum Szuentevit destructo, in die beati Viti martiris inuitos ad baptismum coegit.

3) Am 4. Dec. 1846 ward dieser Jahrmarkt auf den Mittwoch nach Johannis verlegt, also ungefähr 14 Tage weiter hinausgeschoben, und zugleich der am Tage Philippi und Jakobi (1. Mai) auf der Neustadt gehaltene Markt aufgehoben.
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Wenn nun auch der Dom sicher am 15. Junii 1248 zur Benutzung eingeweihet ward, so ist doch damit keinesweges gesagt, daß er damals schon in seiner jetzigen Gestalt vollendet gewesen sei; vielmehr ward noch lange an demselben fortgebauet und geändert. Jedoch war im J. 1248 ohne Zweifel die Ausdehnung und die Grundform bestimmt, und daher werden die voraufgehenden Auseinandersetzungen genügen, um die Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle in ein helleres Licht zu setzen. Die Heilige=Bluts=Kapelle ist die östlichste Kapelle hinter dem Hochaltare in der mittleren Abtheilung des vielseitigen Chorschlusses an dem Umgange hinter dem hohen Chore.

Der ruhmwürdige Graf Heinrich I. von Schwerin zog im J. 1219 zu einer Kreuzfahrt in das Heilige Land. Der Graf mochte sich schon längere Zeit zu diesem Zuge gerüstet haben, da er mit seinem Bruder Gunzelin II. in den nächsten Jahren vor demselben mehrere fromme Stiftungen gründete, namentlich im J. 1217 dem "überseeischen Hospitale" des Johanniter=Ordens das Dorf Sülstorf schenkte 1 ) und dadurch die Johanniter=Comthurei Craak gründete. In demselben Jahre schenkten beide Brüder der Domkirche zu Schwerin die Dörfer Rubow und Medewege 2 ) zur Stiftung einer neuen Domherrnstelle, deren Besitzer namentlich von den Einkünften des Dorfes Medewege täglich in dem Dome zu Schwerin in der Kapelle, in welcher ihr Vater und ihre Brüder begraben lagen, eine Seelenmesse lesen sollte; am 3. Mai 1218 bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin diese Stiftung und ordnete im besonderen die Einkünfte des damaligen Priesters jener Kapelle, welcher auch für seine Lebenszeit den vierten Theil der in dieser Kapelle dargebrachten Opfer genießen sollte 3 ). Aus diesen Urkunden geht also hervor, daß diese Kapelle schon von dem ersten Grafen von Schwerin, Gunzelin I., zur Begräbnißkapelle seines Hauses erwählt war und schon im J. 1218 in einem besonderen Ansehen stand, da sie reich beschenkt ward und nennenswerthe Opfer erhielt. Daß diese im J. 1218 erwähnte Begräbnißkapelle der Grafen von Schwerin die spätere Heilige=Bluts=Kapelle sei, geht aus den von Zeit zu Zeit auf einander folgenden Bestätigungen und Berufungen unwiderleglich hervor.

Die Kapelle besaß wahrscheinlich schon vor der Einführung des Heiligen=Blutes in dieselbe, einen heiligen Schatz. Denn am 29. Junii 1220 verlieh der Papst Honorius III. für die "neue Pflanzung",


1) Vgl. Jahrb. I, S. 201.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXII; auch gedruckt in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 59.
3) gl. Lisch Mekl. Urk. S. 61.
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die "junge Braut Christi" zu Schwerin, in welcher das "Sacrament unsers Herrn Jesu Christi nach dem frommen Glauben aufbewahrt" ward, auf Bitten des Grafen Heinrich, des "festen Vertheidigers der römischen Kirche", allen denen, welche am Grünen Donnerstage und an Christi Himmelfahrtsfeste die Kirche in frommer Andacht und mit Gaben besuchen würden, vollkommenen Ablaß, - denen, welche am Tage des Heiligen Veit und an den Festen Mariä Geburt und des Evangelisten Johannis, der beiden Schutzpatrone des Domes, in der Kirche fromme Andacht verrichten würden, Ablaß des dritten Theiles ihrer Sünden, und so fort für andere Feste mehr reichen Ablaß 1 ). Diese Bulle ward in der Folgezeit für die Heilige=Bluts=Kapelle in Anspruch genommen und wiederholt, namentlich am 22. Junii 1301, am 14. Junii 1479 und am 28. Sept. 1506, von den Päpsten bestätigt. Dieser Ablaßbrief ward ausdrücklich für ein im J. 1220 schon im Dome befindliches Heiligthum gegeben; würde sie für das Heilige=Blut, welches erst im J. 1222 dargebracht ward, verliehen sein, so würde dessen ohne Zweifel genauer und bestimmter Erwähnung geschehen. Vielleicht aber gab der Papst dem Grafen den Ablaßbrief schon im voraus zugleich mit der Anweisung auf das im gelobten Lande zu erwartende Geschenk des Heiligen=Blutes, welches der Cardinal Pelagius wohl nicht ohne Bewilligung des Papstes weggeben durfte. Der Graf Heinrich erhielt diesen Ablaßbrief ohne Zweifel in Rom auf seiner Durchreise nach dem Gelobten Lande.

In Palästina gewann nun der Graf Heinrich von Schwerin, welcher "dem Heiligen Lande zu Hülfe einem Kreuzzuge gegen die Heiden" sich angeschlossen hatte, mit großen Mühen und Kosten von dem Cardinale Pelagius, welcher dort apostolischer Legat war, "das in einen Jaspis eingeschlossene Blut unsers Herrn", also eine Art Gral 2 ), mit der Bedingung, diesen unvergleichlichen Schatz in einer Kirche bei einem Convent von Geistlichen niederzulegen, damit das Heiligthum ohne Unterbrechung verehrt werden könne. Da nun der Graf Heinrich zu der Kirche zu Schwerin eine besondere Zuneigung trug, weil "in ihr sein Vater und seine Brüder begraben lagen", so übergab er am Grünen Donnerstage in Gegenwart vieler Geistlichen und Weltlichen, welche der Andacht wegen her=


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIII, auch gedruckt in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 65.
2) Man kann den Werth dieses Heiligen=Blutes am besten erkennen, wenn man bedenkt, daß die erhabensten Blüthen romantischen Epos jener Zeit sich um die Bewahrung des Heiligen Grals, Sanct Grals (sanguis regalis, des königlichen Blutes), einer wunderbaren Krystallschale mit dem Blute Christi, drehen.
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beigeströmt waren, dem Bischofe Brunward für den Dom das Heilige=Blut, welches in Processsion mit Gesängen und der größten Freude empfangen ward. Der Bischof aber bestimmte, daß fortan der Grüne Donnerstag für die ganze Geistlichkeit und das Volk des ganzen Bisthums Schwerin ein Festtag sein und der Jahrmarkt, welcher bisher am Grünen Donnerstage gehalten worden sei, am Tage vor diesem Feste 1 ) gehalten werden solle; es sollten ferner alljährlich an Christi Himmelfahrtsfeste alle Priester des Landes Schwerin mit ihren Reliquien und Beichtkindern zum Dome in Schwerin wallfahrten, wo dann dem ganzen Volke das Heilige=Blut zur Verehrung gezeigt werden solle; auch am Tage Kreuzeserhöhung solle das Heilige=Blut gezeigt, an jedem Freitage von dem Convent der Domkirche eine Messe vom Heiligen Kreuze gelesen werden. Der Bischof verpflichtete sich, für sich und seine Nachfolger, bei jeder Jahresfeier am Grünen Donnerstage persönlich den Dienst bei dem Heiligen=Blute zu verrichten und sich nur in unumgänglichen Nothfällen von einem anderen Bischofe, und wenn auch dieser nicht zu haben sei, von dem jedesmal anwesenden höchsten Prälaten des schweriner Domes vertreten zu lassen. Ueber die an den drei Festtagen bei Zeigung des Heiligen=Blutes geschenkten Opfergaben ward so bestimmt, daß ein Drittheil zum Bau eines Klosters, ein anderes Drittheil zum Unterhalt der Domherren, das dritte Drittheil in den nächsten drei Jahren zur Anschaffung von Büchern, von da aber zur Custodie, d. h. der Bauverwaltung des Domes, verwandt 2 ) werden solle. Dies alles bestimmte 3 ) der Bischof Brunward von Schwerin an demselben Grünen Donnerstage, welcher im J. 1222 auf den 31. März fiel, in Gegenwart des Abtes Matthäus von Doberan, des Dom=Propstes Hermann von Hamburg (ehemaligen zum Bischofe von Schwerin Erwählten und wahrscheinlich Grafen von Schwerin), des Dom=Propstes Conrad von Lübeck, des Kloster=Propstes Alverich von Sonnenkamp oder Neukloster, des Domherrn Friederich von Hildesheim (eines Bruders der Grafen


1) Nach der Reformation, im J. 1558, bestimmte der Herzog Johann Albrecht I. die Verlegung des Jahrmarktes auf den Montag vor Grünen Donnerstag ("Montag nach Palmarum"), weil durch die Abhaltung zu einer Zeit, wo man das Leiden und Sterben Christi zu bedenken habe, Uebelstand und Aergerniß angerichtet werde. - Die spätere Verlegung auf den Donnerstag vor dem Grünen Donnerstage, wahrscheinlich aus demselben Grunde, läßt sich nicht nachweisen. Durch die Bestimmung vom 4. Dec. 1846 ist dieser Jahrmarkt am Donnerstage vor dem Grünen Donnerstage beibehalten.
2) Nach dem Inventarium von 1537 - 1551 hatten damals die drei Schlüssel zu dem Heiligthume und dessen Schatze: der Rath der Stadt Schwerin, der Dom=Thesaurarius und der Kirchenbaumeister.
3) Vgl. Urk. Samml. XXXIV, auch Lisch Mekl. Urk. III, S. 72.
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von Schwerin und nachmaligen Bischofs von Schwerin), lauter Prälaten der vorzüglichsten, zu der Bildung des Landes im engern Verbande stehenden Stiftungen, so wie des Dom=Capitels von Schwerin und vieler anderer Zeugen.

Das Heilige Blut war ein in einen Jaspisstein 1 ) sorglich aufbewahrter rother Tropfen, oder, nach dem Glauben jener Zeit, ein Tropfen des Blutes Christi, welcher sich, so sagte man, jeden Freitag in der Todesstunde des Erlösers in drei Theile scheide 2 ) und an den Gläubigen hohe Wunder thue. Der Ruf von dem seltenen Kleinode und dessen Wunderthätigkeit durchflog bald die Länder nah und fern, wie die Kunde von den kühnen Thaten des Gebers, des Grafen Heinrich, welcher am 6. Mai 1223 den gewaltthätigen König Waldemar von Dänemark und dessen Sohn aus dem eigenen Lande gefangen nach Schwerin führte und endlich die dänische Macht brach, Europa in Erstaunen und Bewegung setzte. Aus allen Ländern strömten die Gläubigen herbei, Erleichterung zu finden, und dem Dome flossen Gaben aller Art zu; der König Ludwig IX. der Heilige von Frankreich sandte etwa um das Jahr 1260 dem Bischofe Rudolph (1249 - 1262), bald nach der Einweihung des Domes, einen Dorn von der Dornenkrone Christi 3 ) und der Erzbischof Johann V. von Riga verehrte 1396 dem Dome ein Stück vom Kreuze Christi 4 ) mit einem Ablasse.

Nachdem wegen des Heiligen Blutes zahllose Opfergaben auf den Altar gelegt wurden, ging es auch mit dem Bau der Domkirche rasch weiter und schon im J. 1248 konnte dieselbe eingeweiht werden. - Auch das zum Bau eines Klosters bestimmte Drittheil der Opfer war hinreichend, bald ein Kloster aufzuführen. Schon im J. 1236 war ein Franziskaner= oder Grau=Mönchen= oder Barfüßer=Kloster, das einzige in Schwerin,


1) Nach der Urkunde vom 31. März 1222: "dominicus sanguis in jaspide " diligentissime conservatus". Nach andern Nachrichten war es ein Krystall, in welchem das H. Blut, wie der Gral, aufbewahrt war. Nach dem Inventarium von 1537 - 1551 war es aber noch ein Jaspis.
2) Wie noch heute das Blut des H. Januarius zu Neapel.
3) Nach dem Inhaltsverzeichnisse des im 14. Jahrh. angefertigten großen Capitelbuches:

Ludouicus rex Francie confert ecclesie Suerinensi per Rudolphum episcopum spinam sancte corone domini.

4) Nach demselben Capitelbuche:

Johannes archiepiscopus Rigensis mittit ecclesie Suerinensi de ligno sancte crucis ad concedendas indulgentias.

Dan. Clandrian giebt eine Regeste der darüber redenden Urkunde:

"Johannes Erzbischoff zu Riga hat vff Dietrich von Funffhausen, Canonici zu Zwerin, Bitte von dem heiligen Holtze, so in der Rigeschen Kirche ist, ein Stuck der Kirchen zu Swerin bei demselben vberschicket, die es besuchen werden, vff 40 Tage ablaß vertrostet. Datum in Thoreyda 1396 sabbato post ascensionis domini."

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gegründet und im J. 1287 die Kirche zu demselben vollendet, da in diesem Jahre in derselben die Gräfin Audacia, des Grafen Heinrich I. Gemahlin, begraben ward. Die Kirche, welche als ein außerst schönes Bauwerk gerühmt wird, ward im J. 1554 zerstört und im J. 1557 ganz abgebrochen, um die Steine zu dem neuen Schloßbau zu benutzen; - im J. 1848 werden sie zum dritten Male bei dem neuen Schloßbaue zum Theil wieder vermauert! - Bei weltlichen Gebäuden ist in Meklenburg nicht immer von den Steinen auf das Alter der Gebäude zu schließen, da manches neuere Gebäude aus alten Klöstern aufgeführt ist. - Nach der Vollendung der Klosterkirche fiel das zum Bau derselben bestimmt gewesene Drittheil der Opfer beim Heil. Blute an den Bischof zurück.

Ueber hundert Jahre lang erfahren wir von dem Heiligen Blute nichts weiter, als die ruhige und sorgsame Fortentwickelung und Pflege des Instituts, welches sich fortwährend neuer Gaben zu erfreuen hatte. Da der berühmte Graf Gunzelin I. und mehrere seiner Kinder schon in den Jahren 1218 und 1222 in der Kapelle begraben lagen, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß auch der Graf Heinrich I. und sein Bruder Friederich, welcher 1237 - 39 Bischof zu Schwerin war, daselbst begraben wurden und daß überhaupt die Heilige=Bluts=Kapelle die Hauptbegräbnißstätte der Grafen von Schwerin ward, wenn sich auch annehmen läßt, daß Glieder der Grafen=Familie auch in der Klosterkirche beigesetzt wurden. Von den alten Begräbnissen und den Gebeinen der Grafen von Schwerin ist aber überall jede Spur verschwunden.

Wenn auch der Dom im Jahre 1248 zur Benutzung hingegeben und geweihet werden konnte, so war der damals eröffnete Dom doch keineswegs das Gebäude mit den vielen hohen Fenstern und den äußern Schwebebogen, welches jetzt fertig dasteht; vielmehr hat die Kirche im Laufe der Zeit sicher bedeutende Erweiterungen erfahren. Es leidet nämlich keinen Zweifel, daß das Mittelschiff, das Kreuzschiff und die Seitenschiffe erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in ihrer jetzigen Gestalt angebauet wurden. In dem Geiste und dem Reichthume dieser Zeit lag die Aufführung der hochstrebenden Spitzbogen=Dome, und nicht wenige Kirchen haben sich eine Umgestaltung ihres Wesens gefallen lassen müssen. Es war der Bischof Fiederich II. von Bülow (1365 - 1375). welcher das Bisthum aus dem hundertjährigen Verfall seiner Verwaltung wieder aufrichtete und während der höchsten Entwickelung der deutschen Kunst des Spitzbogenstyls auch dem schweriner Dome im Wesentlichen seine jetzige Gestalt gab. Er baute nämlich die Seiten=

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schiffe 1 ) an den Dom, also das, was dem Gebäude einen großen Theil seiner Eigenthümlichkeit verleiht. Den Beweis dafür giebt sein Familienschild aus Messing, welcher über jeder der beiden Hauptpforten des südlichen Seitenschiffes befestigt ist. Die Wappenschilde sind jedesmal Zeichen des Bauherrn. So ließ sich z. B. der Erbauer eines jeden Theils der vor kurzem abgebrochenen Bischofsburg zu Warin, in Uebereinstimmung mit den Urkunden, an den angebrachten Wappenschildern erkennen. Wir haben ein Bauwerk zur genauen Vergleichung mit dem schweriner Dome, nämlich die bischöflich=schwerinsche Collegiat= Kirche zu Bützow, welche ebenfalls im Jahre 1248 erweitert und erst unter dem Bischofe Friederich II. in der Zeit von 1364 - 1375 vollendet ward. Dieser Bischof ließ diese Kirche ebenfalls bedeutend erhöhen und urkundlich an ihr einen neuen Chor mit polygonischem Chorschlusse und Umgang erbauen 2 ); deshalb ließ er an jedem äußern Strebepfeiler dasselbe v. bülow'sche Wappen anbringen, welches über den südlichen Pforten des schweriner Domes steht. Ein gleiches Schicksal erlitt der Dom zu Lübeck; von dem alten Rundbogenbau Heinrichs des Löwen aus dem 12. Jahrhundert steht nichts weiter mehr, als das innre Schiff; die Seitenschiffe sind im jüngern Spitzbogenstyle angebauet, und den Chor ließ der Bischof Heinrich von Bokholt (1317 - 1341) anbauen und brachte ihn ungefähr im Jahre 1335 zur Vollendung. Dieser Chor des lübecker Domes hat nun wieder die größte Aehnlichkeit mit dem Chore der Kirche zu Bützow. Es erging dem Dome zu Schwerin, wie der ihm ähnlichen Klosterkirche zu Doberan, welche ebenfalls zwei Male geweihet ward: einmal am 3. October 1232 (die consecrationis ecclesiae), als sie im Uebergangsstyle fertig war, und das zweite Mal ebenfalls von dem Bischofe Friederich II. am 4. Junius 1368, als ihr Umbau und ihre Einrichtung vollendet war (consecratio ecclesiae bene fundatae et edificiis perfectae) 3 ); beide Tage waren von der Gründung (dedicatio) völlig verschieden. Den Anbau der Seitenschiffe in der Zeit von 1365 - 1375 beweiset auch der Bau des links an der südöstlichen Pforte angebaueten Dom=Archives oder " Capitel=Hauses", welches nach glaubwürdigen


1) Daß zur Zeit des Bischofs Friederich II. an dem Dome stark gebauet ward, scheint durch urkundliche Nachrichten, wie folgende, außer Zweifel gesetzt werden zu können.

"Daniel der Steinhauer quitirt die Baumeistere der Kirchen zu Zwerin, daß er wegen Meister Peter Petzels Steinmetzen die bedingten 231 Mk. lüb. empfangen, anno 1380".

Nach Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Urkunden.
2) Vgl. Jahrb. X, S. 304 flgd.; vgl. damit Jahrb. VIII, S. 5 flgd.
3) Vgl. Jahrb. X, S. 409 und 414.
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Nachrichten, zur Zeit der Anfertigung der großen Stiftsmatrikel, von dem Bischofe Friederich II. erbauet ist und mit dem Seitenschiffe in Mauerverband steht 1 ).

Einen fernern Beweis für den jüngern Bau der Seitenschiffe des Domes, wenn nicht der Styl schon deutlich genug redete, giebt endlich auch der Kreuzgang. Der Kreuzgang des Domes ist nicht alt. Es würde aber auffallend sein, daß ein so altes, wohlhabendes Stift keinen so alten Kreuzgang hätte, wie z. B. die Dome zu Ratzeburg und Lübeck, wenn nicht der Bau der Kirche den Bau des Kreuzganges hinausgeschoben hätte: die Kirche war lange Zeit hindurch nicht vollendet und deshalb ward auch kein Kreuzgang an dieselbe gelehnt. Wahrscheinlich ist das nördliche Seitenschiff etwas älter, als das südliche, und daher konnte man mit dem Bau des Kreuzganges auch eher beginnen, als das südliche Seitenschiff in Angriff genommen ward. Im Jahre 1328 stand nach einer Urkunde der Kreuzgang noch nicht, sondern an der Stelle desselben ein Kalkhaus; es ward jedoch die Absicht ausgesprochen, hier ein Schlafhaus (dormitorium seu refectorium) zu bauen. Es wird also wohl nicht lange darnach das Schlafhaus 2 ), der westliche Theil des Kreuzganges, welcher jetzt den Hörsaal des Gymnasiums und Dienerwohnungen enthält, erbauet sein. Nach der Vollendung der Seitenschiffe ließ im Jahre 1392 der damalige Dom=Schatz=meister Bernhard von Plessen 3 ) das Speisehaus oder das Refectorium, den östlichen Theil des Kreuzganges, welcher jetzt die Lehrzimmer des Gymnasiums enthält, an das Seitenschiff


1) Links an der südöstlichen Pforte des Domes steht eine schmale Seitenwand des "Capitelhauses", welche dicht neben der Pforte rechtwinklig in den Mauerverband des südlichen Seitenschiffes übergeht. In dieser Mauer haben einige Mauersteine in der 9ten Steinschicht von unten eingegrabene Zeichen, ähnlich den Steinmetzzeichen. Gleich links steht auf dem 4ten Steine von der Ecke die Bezeichnung [VII 7], auf dem 8ten Steine weiter in derselben Mauer die Bezeichnung [8 VIII 8] und unter diesem Steine ein Stein mit VIII; weiter über die Ecke hinaus an der Wand des Seitenschiffes [9], vorher am Strebepfeiler, der in der Ecke steht, auf einem Steine in einer Schicht höher, zwei Male [IX]. Dies sind wahrscheinlich Bezeichnungen für den Stand der Maurer beim Bau. Die römischen Ziffern tragen unverkennbar den Charakter der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Verfertigung fällt sicher in eine Zeit, wo die arabischen Ziffern eingeführt wurden, also in dieselbe Zeit; daher setzte man noch beide Arten neben einander. - Dies sind die einzigen alten Schriftzeichen, welche in den Ziegeln des Domes bisher haben entdeckt werden können. - An den Thurmpfeilern des südlichen Kreuzschiffes stehen mehrere Namen, welche aber ungefähr im 16. Jahrhundert eingegraben sind.
2) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXIX.
3) Bernhard v. Plessen war schon im Jahre 1375 Domherr zu Schwerin (vgl. Lisch Urk. zur Gesch. des Geschl. Maltzan, II, Nr. 304) und starb im Jahre 1414, er liegt in der nordwestlichen Kapelle des Chorumganges, also neben dem Refectorium, begraben (vgl. Hederich Schwerin. Chronik S. 18), jedoch ist sein Leichenstein nicht mehr zu finden.
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lehnen 1 ). Der Bau des nördlichen Theils des Kreuzganges, des überwölbten Straßenganges, welcher in seinen obern Räumen jetzt die Bibliothek des Gymnasiums aufgenommen hat, ward erst unter dem Bischofe Werner (1458 - 1473) im Jahre 1463 in Angriff genommen 2 ) und unter dem Bischofe Conrad (1482 - 1503) vollendet 2 ).

Alle diese Umstände reden dafür, daß die Seitenschiffe des Domes gegen das Ende des 14. Jahrhunderts vollendet wurden. Und damit war der Dom noch nicht fertig: das Mittelschiff war noch nicht gewölbt. Dies mußten die Stralsunder um das Jahr 1430 wölben lassen, um sich aus dem Banne für die in einem Aufruhr im Jahre 1407 verbrannten Priester zu lösen 3 ). Die Baukunst war schon im Verfalle, als dies geschah; man sieht es an der leichtfertigen Ueberdachung der obern Fenster des Schiffes, welche bei der Wölbung des Mittelschiffes, statt mit einem Spitzbogen, mit einem stumpfwinkligen Dreieck überwölbt sind.


1) Ueber dem Eingangsthore zu dem Refectorium, dessen Gewölbe bei einer neuen Einrichtung der Lehrzimmer im Jahre 1834 ausgenommen wurden, stand, an der innern Seite, folgende alte Inschrift:
ANNO MCCCXCII
PRAESENS REFECTORIUM
PER DOMNUM BERNHARDUM
DE PLESSEN EST FORMATUM.
RENOVATUM
ANNO 1775
ANNO 1787
ANNO 1801. AO. 1818
ANNO 1833.
2) Nach dem von Dan. Candrian angefertigten Inhaltsverzeichnisse der schweriner Dom=Urkunden:

"Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".

An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert.
2) Nach dem von Dan. Candrian angefertigten Inhaltsverzeichnisse der schweriner Dom=Urkunden:

"Wernerus Bischoff zu Zwerin giebt den Personen des Capittels, so einen Vmbgang an der Kirche zu bawen angefangen vnd allen, so dazu helffen, 40 Tage Ablaß, anno 1463 sabbato ante dominicam Judica".

An der östlichen Durchgangsthür ist an der Außenwand des Bischofs Conrad Loste Wappen, in Stein gehauen, eingemauert.
3) Hederich sagt in seiner schwerinschen Chronik S. 19:

"Die Wort am Ende des Gewelbes über der Orgel nach dem Glockenthurm lauteten also:
Jesus Maria. Dit Welffte ist vollenbracht von den pennigen der Sundischen, tho der Söhne der dreyer Prester halven, de se unschuldigen up ehren Marck vorbrennen lehten.
"Diese Worte seyn im 1560 Jahr, da die neue Orgel gebauet, mit Faren und andern gemelden überstrichen worden."

In Johann Berckmans (Stralsundischer Chronik, S. 7, wird berichtet:

"In 22 Jaren musten se dat gelt vthgeuenn Doctor Lowen tho Rostog woll bekannt, datt welffte im Dome tho Schwerin buwen. Dar steit noch hutiges dages mit grotenn rodenn bockstauenn angeschreuenn:
Dith hebben de Sundeschen mothen buwen, datt se de papenn vorbrantt haddenn."

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Die Bauten an der Domkirche während des 14. Jahrhunderts werden nun auch ohne Zweifel Einfluß auf die Heilige=Bluts=Kapelle gehabt haben. Wahrscheinlich war die architektonische Bildung des Umganges hinter dem Hochaltare in ältern Zeiten anders gestaltet, in den ältesten Zeiten wohl halbkreisförmig, darauf vielleicht dreiseitig. Stammte der jetzt noch stehende Bau aus der ersten Anlage, aus der Zeit der Dedication der Kirche (1171), so würde die Altartribüne halbkreisförmig ausgebauet sein, wie an den Kirchen zu Ratzeburg, Vietlübbe und Lübow, und mit einer halben Kuppel gewölbt sein, wie zu Ratzeburg und Lübow. In den darauf folgenden ersten Zeiten des Uebergangsstyls gab man dem Chore, welcher als ein eigenes, kleines Gebäude an die Ostseite der Kirche angesetzt ward, eine vierseitige Gestalt; die Mauer hinter dem Altare bildete also eine grade, rechtwinklig angesetzte Wand. Erst später schloß man die Altarseite dreiseitig, im 14. Jahrhundert vielseitig. - Bei dem Anbau der Seitenschiffe des schweriner Doms in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird nun auch der jetzige, spitzbogige Umgang hinter dem Chore erst seinen vielseitigen polygonischen Schluß und die Heilige=Bluts=Kapelle dadurch eine größere Ausdehnung erhalten haben. Eine Hindeutung hierauf giebt auch die von dem oben genannten Dom=Schatzmeister Bernhard von Plessen am Ende des 14.Jahrhunderts, gleich nach Vollendung der Seitenschiffe und des Refectoriums, ausgeführte neue Einrichtung und Ausschmückung der Heiligen=Bluts=Kapelle, welche wohl nach einem Umbaue vorgenommen ward. Hederich berichtet in seiner schwerinschen Chronik S. 18, zu dem Jahre 1400:

"Um diese Zeit (1400) ist die Capell des H. Bluts "mit den gemählden der Graffen zu Schwerin 1 ) sambt den donationibus, damit sie die Kirche zur Ehre Gottes von ihren Landgütern belehnet, von Bernhard von Plessen, des Stiffts Thesaurario und Baumeister, verzeichnet worden, da er kurtz zuvor 1392 zunegst dem Chor auch das Refectorium, itziger Zeit der Schulen Auditoria, gebauet, wie er dann zum Gedächtniß diese Worte an das Gewelbe in den einen Creutzgang nach der Kirchen schreiben lassen: A n mit Querstrich o MCCCXCII praesens Refectorium per Bernhardum de Plessen est for-


1) Ungefähr um dieselbe Zeit, im J. 1394, ließen die Rostocker in der Marien=Kirche unter der Kanzel ein Wandgemälde über die Vertheidigung ihrer vor Stockholm eingefroren gewesenen Schiffe ausführen. Vgl. Franck A. u. N. M. VIII, S. 52.
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matum. Er ist gestorben 1414 und liegt zur rechten des Chors gegen Nord=Osten begraben; den Stein hat man in Hertzog Christoffers Begräbniß auffnehmen müssen".

Das Andenken an die Heilige=Bluts=Kapelle war im 19. Jahrhundert völlig verwischt; man kannte weder den Namen, noch die Stelle derselben, ja der historische Sinn war so sehr abgestumpft, daß weder die Begebenheiten der Reformation in Schwerin, noch die großen Handlungen des Herzogs Johann Albrecht I. bekannt waren und Theilnahme fanden. Dazu kam, daß später die sogenannte Restauration des Domes die Denkmäler in der Kapelle bedeckte. Nach einer langen, für die Würde des Gottesdienstes nicht sehr empfänglichen und in verkehrter Kunstrichtung befangenen Zeit mochte die Säuberung der Kirchen allerdings nöthig sein. Auch die Restauration des Domes zu Schwerin, deren Hauptzweck "die Hebung des Gottesdienstes durch Verschönerung der Kirche" war, ward am 23. Februar 1811 beantragt. Da verhinderte der russische Feldzug, während dessen die Kirchen zu Futtermagazinen und Lagerplätzen benutzt wurden, einstweilen den Angriff des Unternehmens; desto eifriger betrieb man es sogleich nach Ueberwindung dieser schweren Zeit in den Jahren der größten patriotischen Aufregung. Seit dem Jahre 1813 wurden die Vorbereitungen eingleitet und im Jahre 1815 ward durch den Landbaumeister Barca zu Ludwigslust die Restauration ausgeführt, welche die freilich schon sehr des Schmucks entkleidete Kirche so nüchtern machte und mit dem geschmaklosen Gestühle füllte, auf dessen Fortschaffung man jetzt eifrig bedacht ist 1 ). Bei dieser sogenannten Restauration, bei welcher manche sogenannte "Kleinigkeiten und viel störender Zierrath 2 ) aus der papistischen Zeit", unter diesen die Chorstühle der Domherren, fortgeschafft, auch der Fußboden der Kirche in gleiche Fläche gelegt ist, ward auch die Heilige=Bluts=Kapelle mit einer rothbraunen, schwarz und weiß besprenkelten Farbe übertüncht, einer Decoration, welche zu der Würde des Ortes und der weißen Marmortafel mit der vergoldeten Inschrift schlecht genug stand. Im J. 1830 entdeckte ich unter dieser Tünche einige regelmäßige Umrisse in dem Kalkübersatz der beiden Seiten=Wände und nach Wegwischung der Tünche Malereien unter derselben. Forschungen im Archive


1) Die Zeit der Rehabilitirung des griechischen und römischen Baustyls im Anfange dieses Jahrhunderts eben so viel Nüchternes und Mageres in die Welt gebracht, als die voraufgehende Rococo=Zeit alles mit ungeschickter Ueberladung überfüllt hat; beides zu entfernen, hält oft schwer genug.
2) Dabei ist freilich leider manches alte Kunstwerk ganz entfernt und spurlos verschwunden.
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überzeugten mich bald, daß hier die Wandgemälde der Heiligen=Bluts=Kapelle verborgen seien. Ich veranlaßte daher im J. 1840, während der Vorbereitungen zum Musikfeste, nach sorgfältiger Prüfung der Art der Malerei, die Abwaschung der Wände, und es traten 8 mehr oder minder gut erhaltene, lebensgroße Bilder hervor, in denen 6 Grafen von Schwerin und 2 Herzoge von Meklenburg zu erkennen waren. Die von dem Dom=Thesaurarius Bernhard von Plessen um das Jahr 1400 mit Bildern gezierte Heilige=Bluts=Kapelle war also wieder entdeckt. In den Bildern waren der Herzog Albrecht II. (1363 - 1412), König von Schweden, ohne Zweifel auf den ersten Blick sicher und nach den Wappen der Herzog Johann II (1392 - 1417), unter welchen die Ausschmückung der Kapelle ausgeführt war, so wie nach den Wappen die Grafen von Schwerin zu erkennen. Es wurden nun im Archive zu Schwerin die beiden folgenden Verzeichnisse der Bilder entdeckt: das eine, Nr. I, welches aus dem alten Capitelbuche entlehnt ist und in der Abschrift wohl aus dem 15. Jahrh. stammt, nennt 6 Grafen von Schwerin und wiederholt 2 Grafen (Heinrich I und Helmold II) um 8 Personen herauszubringen; das andere Verzeichniß, Nr. II, aus einem Heberegister des 16. Jahrh. führt die 8 Personen richtig auf, nimmt aber auf die Bilder keine Rücksicht, sondern führt Schenkungen und Bilder in 11 Nummern auf, bei deren Zusammenziehung jedoch 8 Personen herauskommen. In alten Zeiten hatten die Bilder Unterschriften mit den Namen und Thaten der Personen gehabt, da Hederich 1 ) eine derselben mittheilt; durch einen neuern plump aufgetragenen Kalkputz, waren dieselben aber völlig vernichtet.

Die beiden folgenden Verzeichnisse stimmen nun auch mit der Geschichte des Heiligen=Blutes vollkommen überein.


1) Hederich sagt in seinem Index annalium ecclesiae Suerinensis, einem Inhaltsverzeichnisse der verloren gegangenen großen Stiftsmatrikel:

"Henricus I - - confert in Wittenforde ad erigendam capellam in Schelmone, fundatam circa annum 1238 (?); testatur idem iuscriptio ad effigiem ipsius in capella "sanguinis dominici."

Die Inschriften konnte v. Westphalen zum Theil noch lesen, da er in Mon. Ined. III, p. 1705 berichtet:

"Effigies VIII comitum Sverinensium in aedicula sancti sanguinis depictae, additis inscriptionibus, quarum tamen reliquiae saltem supersunt",

und dann die Bilder beschreibt.
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I.
Verzeichnis der Graffen von Schwerin, so in der heiligen Bluts Capell abconterfeiet sein im thumb zu Schwerin.

Aus dem 15. Jahrhundert.

1, [1] Comes Gunselinus (I) senior (1166 - 1187).

2, [4] Comes Heinricus (I) (1190 † 1228) sanguinem domini nostri Jesu Christi diligentissime conservavit, quem a domino Pelagio S. R. E. cardinali suis meritis obtinuit, praesentavit Brunwardo episcopo Suerinensi anno 1222 nono kal. Aprilis.
    [2] Comes Heinricus (I) fundavit capellam in Schelmone (1228).

3, [6] Comes Gunselinus (II) († 1221), filius Helmoldi (?), villam Medewege (1217) et Bandenisse (1220) dedit.

4, [3] Comes Gunselinus (III) (1228 † 1274) dedit XI mansos in Plathe (1249), Zcittekow (1251), Bralstorf (1262) cum omni iure.

5, [5] Comes Helmoldus (II) (1274 † 1299) vicariam in Gnevenhaven et vinum per totum comitatum dedit (1283).
    [8] Helmoldus praebendam in Rubow.

6, [7] Comes Hinricus (III) (1332 † 1332), filius Helmoldi, lumen ante altare Catharine dedit.


*) Von den Ziffern bezeichnen die arabischen Hauptziffern , die Zahl und Folge der Bilder, die in [ ] eingeschlossenen Ziffern die Zahl und die Reihenfolge der Absätze in den Originalen; in ( ) sind die Ziffern der Regentenfolge und die Jahreszahlen der Schenkungen hinzugefügt.

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II.

Aus dem 16. Jahrhundert.

1, [7] Comes Helmoldus (I) senior († 1190).

2, [6] Comes Hinricus (I) sanguinem domini nostri Jesu Christi in iaspide diligentissime consecravit, quod a domino Pelagio cardinali sanctae Romanae ecclesiae suis meritis obtinuit, praesentatum Brunewardo episcopo Szwerinensi anno domini MCCXXII nonas kalendas Aprilis.
    [8] Comes Hinricus (I) sanguinem portans capellam in Schelmone fundavit.

3, [3] Comes Guncelinus (II), filius Helmoldi (?), villam Medewege et villam Bandenisse dedit.

4, [9] Comes Guncelinus (III) de XI mansis in Plate, Citkowe, Bralstorpe cum omni iure dedit.

5, [2] Comes Helmoldus (II) vicariam in Gnevenhagen, vinum per totum comitatum dedit.
    [5] Comes Helmoldus prebendam in Rubowe dedit.

6, [4] Comes Hinricus (III), filius Helmoldi, lumen ante altare Katherine dedit.
    [11] Comes Hinricus (III) vicariam in Brotlyn (1322), refectionale et mansos pro memoria dedit.

7, [10] Albertus (II) (1363 † 1412) dei gratia Szweorum Gotorumque rex, dux Mechapolensis, comes Suerinensis.

8, [1] Johannes (II) (1392 † 1417), dux Megapolensis, comes Szwerinensis, Rostock, Stargardiae dominus.

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Nach dem historischen Charakter der Personen und der Aufeinanderfolge in diesen Verzeichnissen stellten die Bilder folgende Personen dar:

4) Graf Heinrich I.       4) Graf Gunzelin I.
3) Graf Gunzelin III. 3) Graf Gunzelin II.
2) Graf Helmold II. 2) Graf Heinrich III.
1) Herzog Johann II. 1) König Albrecht II.
links rechts
von dem Beschauer.

Bei dem Werthe dieser Gemälde nicht nur für die Geschichte des Domes, sondern auch für die Kunst= und Sittengeschichte, beschloß der hochselige Großherzog Paul Friederich die Restaurirung der Bilder und ließ dieselbe durch den verstorbenen Maler Fischer im Sommer des J. 1841 unter meiner Leitung ausführen.

Als nach dem Tode seines unvergeßlichen Vaters der regierende Großherzog Friederich Franz II. die Heilige=Bluts=Kapelle im J. 1842 wieder zur Begräbnißgruft für das Fürstenhaus wählte und angemessen auszustatten beschloß, wurden bei der Beisetzung des hochseligen Landesherrn die Bilder einstweilen durch eine Decoration verhängt. Bei der Vollendung der Gruft und der Bekleidung der Wände mit Granitplatten im J. 1847 mußte der Kalkputz und mit diesem die bildliche Darstellung abgeschlagen werden. Die Bilder wurden jedoch zuvor in mehrfachen Größen durch den Hofmaler Schumacher durchaus getreu und schön copirt und diese Copien im großherzoglichen Archive niedergelegt.

Bei dieser Gelegenheit ward aber eine überraschende Entdeckung gemacht. Bei dem Begräbnisse des Herzogs Johann Albrecht I. war an die Hinterwand der Kapelle eine große weiße Marmortafel mit einer Inschrift auf den Herzog befestigt. Als diese Tafel im J. 1847 abgenommen und in eine benachbarte Kapelle versetzt ward, fanden sich unter einem jüngern Kalkputz auf dieser mittlern Hinterwand noch 4 Bilder von gleicher Größe, den andern ähnlich. Diese Bilder waren schon sehr zerstört, jedoch waren die Personen noch deutlich zu erkennen. Die beiden äußersten Figuren trugen die gräflich=schwerinsche Fahne und den quergetheilten Schild der Grafen von Schwerin; die mittlere Figur links trug eine Krone, die mittlere rechts den bezeichnenden rothen Mantel, wie der König Albrecht. Hieraus dürfte sich der Schluß ziehen lassen, daß die 8 Bilder an den Seitenwänden nicht mehr die erste Malerei, sondern Copien von ältern Bildern waren, welche früher in anderer Ordnung standen und bei einer neuen Einrichtung auf eine andere

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Stelle übertragen wurden. Dazu stimmt denn auch wohl, daß die Bilder, so sehr sie auch den alten Charakter trugen, in neuerer Oelmalerei ausgeführt waren, und daß sich in den Wappen einige aus neueren Zeiten stammende heraldische Hypothesen fanden, wie z. B. die Anbringung eines ringhaltenden Armes auf dem Schilde des Grafen Heinrich III. von Schwerin, der zweiten Figur rechts zunächst bei dem Könige Albrecht. Ueberdies war an vielen Stellen eine doppelte Conturenzeichnung in schwarz zu erkennen, und hiedurch wird jedenfalls wenigstens eine Restauration in älterer Zeit wahrscheinlich.

Durch Hülfe dieser alten Bilder und der über dieselben vorhandenen Verzeichnisse läßt sich nun in Grundlage der glücklicher Weise noch geretteten Urkunden eine ziemlich genaue Darstellung der Verfassung und des Einkommens der Heiligen=Bluts=Kapelle geben.

Schon am 2. Juli 1217 schenkten die Grafen Gunzelin II. und Heinrich I. dem Domkapitel zu Schwerin die Dörfer Rubow und Medewege 1 ), um mit den Hebungen aus diesen Dörfern eine neue Domherrenstelle zu gründen, deren Besitzer außer seinen gewöhnlichen Diensten täglich eine Seelenmesse in der Kapelle, in welcher die Grafen von Schwerin begraben lagen, lesen sollte; am 3. Mai 1218 ordnete der Bischof Brunward diese Schenkung 2 ). Dieser Dienst in der Kapelle, welche bald darauf das Heilige=Blut aufnahm, gehörte nicht zur Verherrlichung des Heil=Blutes und wird mit der Zeit wohl ganz aufgehört haben.

Am Grünen Donnerstage den 31. März 1222 brachte der Graf Heinrich I. der Kapelle das Heilige Blut dar und der Bischof Brunward bestimmte ein Drittheil der Opfergaben für die Domherren; denn diese mußten ohne Zweifel damals den Dienst bei dem Heiligthume verrichten, da der Bischof festsetzte, daß an den Tagen, an welchen dasselbe dem Volke gezeigt ward, der ganze Convent in der Kapelle Messe lesen, ja der Bischof selbst an jedem Grünen Donnerstage bei dem Gottesdienste gegenwärtig sein solle. Der ungewöhnlich reiche Ablaß 3 ), welchen der Papst Honorius III. schon im voraus am 29. Junius 1220 der Kapelle ertheilt hatte, vermehrte die Opfergaben sicher bedeutend. Am 16. April 1228 schenkten der Graf Heinrich I. und seine Gemahlin Audacia dem Kloster zu Stade eine jährliche Hebung von 9 Scheffel Erbsen aus dem Dorfe Bellahn in Verehrung des von ihm dargebrachten Heiligen


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, Nr. XIII.
2) Vgl. das. Nr. XIV und unten Urk. Samml. Nr. XXXII.
3) Vgl. Lisch Meklb. Urk. III, Nr. XVI und unten Urk. Samml. Nr. XXXIII.
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Blutes 1 ), vielleicht um das Ansehen des Heiligthumes auch nach außen hin zu heben und die Wallfahrten zu befördern. Ueberdies richtete der Graf in und bei Schwerin alles ein, was zu einer vollständigen katholischen Begehung der Feier des Heiligen Blutes gehörte. So hatte er auch einen Jerusalemsberg zur Procession eingerichtet auf der letzten Höhe der Vorstadt am ostorfer See, vom Schießhause bis an den See, wo später der Jägerhof stand; dieser Berg sollte nach des Grafen Ausmessung von der Stadt oder der Heiligen=Bluts=Kapelle eben so weit sein, als der Berg Golgatha von der Stadt Jerusalem: die Höhe war von dem Grafen mit Wein 2 ) bepflanzt und in diesem Zustande noch im J. 1531 erhalten.

Bei dem Zudrange der Gläubigen und der Vermehrung der Geschäfte des Dom=Capitels mochte den Domherren der Dienst in der Heiligen=Bluts=Kapelle beschwerlich fallen und das Grafenhaus dessen Vernachlässigung fürchten. Daher befestigte der Graf Gunzelin III. den täglichen Gottesdienst in der Kapelle und stiftete am 23. October 1274 eine Vikarei 3 ) zur Ehre des Heiligen Blutes mit dem Eigenthum der Pächte aus 10 Hufen des Dorfes Brötelin, jetzt Prötlin in der Mark Brandenburg, südlich von Grabow gelegen, welches damals zur Grafschaft Schwerin gehörte; dabei legte er dem jedesmaligen Vikar die Pflicht auf, die Gedächtnißtage der Glieder der Grafenfamilie zu feiern. Im J. 1322 verkaufte der Knappe Gerhard von Gartow dem beständigen Vikar Heinrich Frese an der Heiligen=Bluts=Kapelle und dessen Nachfolgern zu diesen 10 Hufen eine "Schneidelkuh", d. h. das Recht eine Kuh zur Weide anschneiden (jetzt anschreiben) zu lassen, und des Grafen Gunzelin III. Enkel, der Graf Heinrich III., empfing am 20. November 1322 die Auflassung dieses Verkaufes 4 ). Diese in Brötelin fundirte Vikarei ist bis zur Reformation immer die Hauptstütze der Kapelle gewesen 5 ). Am 22. Junius 1301 gab der Papst Bonifacius VIII. einen neuen Ablaß für diejenigen, welche die Kirche jährlich am


1) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXV. Am 6. März 1327 bestätigte der Graf Gunzelin VI. diese Schenkung; vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVIII.
2) Auch das Dom=Capitel hatte schon im 13. Jahrhunderte zwei Weinberge auf der Schelfe, an der jetzigen Bergstraße oder dem Stephansberge. Der Weinstock war bekanntlich eine heilige Pflanze im "Weinberge des Herrn", wie die christliche Kirche sehr häufig genannt wird. Noch gegenwärtig grünen Reben an dem ehemaligen Jerusalemsberg, obgeich dort nur ärmliche Wohnungen stehen.
3) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVI.
4) Vgl. Urk. Samml. Nr. XXXVII.
5) Bei der Visitation am 21. Aug. 1553 wird berichtet:

"Capella cruoris Christi. In des heiligen Bluts Capelle ist ein Altar. Comites Swerinenses fundatores. Redditus sunt in villa Brötelyn."

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Feste der Himmelfahrt Christi von der ersten Vesper bis zur zweiten besuchen würden, und dem Dom=Capitel die Befugniß, dann sieben Priester zum Beichtehören abzuordnen.

Im J. 1341 stiftete das Dom=Capitel ein ewiges Licht aus den Hebungen des Dorfes Crempin, welches das Capitel von dem Kloster Eismar gekauft hatte 1 ).

Außer der Restaurirung und Ausschmückung der Kapelle am Ende des 14. Jahrh. Durch den Dom=Thesaurarius Bernhard von Plessen erfahren wir nun bis zum Anfange des 16. Jahrh. von der Heiligen=Bluts=Kapelle nichts weiter, als daß der Papst Sixtus IV. am 14. Junii 1479 auf Bitte der Herzoge Albrecht, Magnus und Balthasar unter Bestätigung des alten Ablasses neuen Ablaß für diejenigen verlieh, welche die das Heilige Blut bewahrende Kirche an den Festen der Geburt Mariä und der Gründung (dedicationis) der Kirche besuchen würden.

Den ersten Stoß erlitt die Heilige=Bluts=Kapelle durch die "Marterung des Heiligen Sacramentes" durch die Juden zu Sternberg im J. 1492 und durch dessen Verehrung in der daselbst erbaueten Heiligen=Bluts=Kapelle. Dieses neue Heiligthum that viele bis dahin unerhörte Wunder, und Sternberg ward auf kurze Zeit einer der berühmtesten Wallfahrtsorte. Daß dadurch das "Heilige Blut" zu Schwerin bedeutend leiden mußte, ist klar;.jedoch hatte das Dom=Capitel weislich dafür gesorgt, daß ein Drittheil der sternberger Opfergaben an die Domkirche zu Schwerin fallen solle 2 ).

Um aber das Heilige Blut zu Schwerin nicht zu sehr sinken zu lassen, erwirkte der schweriner Dompropst und nachmalige Bischof Peter Wolkow, damals päpstlicher Secretair, von dem Papste Julius II. am 28. Sept. 1506, unter Bestätigung des alten Ablasses, neuen Ablaß für den Dom zu Schwerin für alle diejenigen, welche die Kirche an den Festen Mariä Geburt, Aller Heiligen, Petri und Pauli und der Kirchweihe (dedicationis) besuchen würden.

Die vollständige Verfassung der Heiligen=Bluts=Kapelle ergiebt sich nur aus den Visitationen bei der Aufhebung der Kapelle. Die Kapelle hatte einen beständigen Vikar (vicarium perpetuum), welcher die Hebungen aus Brötelin genoß. Außerdem besaß die Kapelle noch Lehen für zwei Priester für außerordentliche, jedoch feste Dienste, welche ihre Hebungen aus dem Zoll


1) In der über das 1339 angekaufte Gut erlassenen Anordnung des Bischofs Heinrich vom J. 1341 wird fundirt

"lumen perpetuum ante locum, in quo in ipsa ecclesia Suerinennsi preciosus sanguis Christi reconditur."

2) Vgl. Jahrb. XII, S. 228 flgd.
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der Stadt Grevismühlen und der Casse der Stadt Hagenow bezogen; über diese Hebungen besitzen wir keine Nachricht. Ferner waren vier Horisten mit einem "Gesellen" angestellt, welche täglich die sieben Zeiten von dem Leiden Christi zu singen hatten; diese hatten keine festen Einkünfte, sondern wurden, jeder mit 10 Mark jährlich, von den Herzogen aus der Hand besoldet. Auch über diese Anordnung ist keine Stiftungsnachricht bekannt geworden; vielleicht ward sie von dem Herzoge Magnus gegründet.

Aus dieser Darstellung geht hervor, daß die Bilder in der Heiligen=Bluts=Kapelle nicht die gräflichen Wohlthäter der Kapelle allein, sondern auch des Domes überhaupt darstellten. Als Wohlthäter der Kapelle sind bei den Bildern nur aufgeführt der Graf Heinrich I. und der Graf Heinrich III., welchem dazu irrthümlich die Stiftung der Vikarei aus Brötelin und der schon von dem Grafen Gunzelin II. (1217) gestifteten Lampe vor dem Katharinen - Altare 1 zugeschrieben ist. Denn die aufgeführten Schenkungen der Dörfer Medewege 1 (1217) und Bandenitz 2 ) (1220) durch den Grafen Gunzelin II., die Schenkungen in Plate (1249), Zittow (1251) und Bralstorf (1262) durch Gunzelin III. und die Stiftungen in Grevenhagen durch Helmold II. 3 ) (1283) kamen dem Dome überhaupt zu gute. Der Graf Gunzelin III., der Stifter der Vikarei aus Brötelin, ist gar nicht aufgeführt, und der Graf Gunzelin I. (oder Helmold I.) und die Herzoge Albrecht und Johann sind nur als historisch=merkwürdige und gleichzeitig lebende Personen aufgenommen.

Es dauerte aber nicht lange, so konnten weder eifrige Predigten, noch päpstliche Bullen die Menschen mehr zur Verehrung des Heiligen Blutes heranlocken. Die Reformation vernichtete jeden "Götzendienst" im Lande. Zwar war Schwerin grade nicht einer der ersten Orte in Meklenburg, in denen die lutherische Lehre gepredigt ward, weil die Stadt nur eine Kirche hatte und diese im Besitze eines bischöflichen Dom=Capitels und einer sehr zahlreichen niedern Geistlichkeit war, welche an 48 Altären den Gottesdienst verwaltete; aber für eine bischöfliche Stadt ward Schwerin früh genug lutherisch. Der Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg=Schwerin beförderte, trotz des Widerstrebens seines Bruders Albrecht von Meklenburg=Güstrow, die lutherische Lehre aus Ueberzeugung mit Nachdruck, wenn auch mit Vorsicht und Mäßigung, und sein Sohn, der junge, gebildete schweriner Bischof


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk III, Nr. XIII und XIV.
1) Vgl. Lisch Mekl. Urk III, Nr. XIII und XIV.
2) Vgl. Das. Nr. XVII.
3) Vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. XLII.
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Magnus war von dem größten Abscheu gegen den Trug und Schein der katholischen Geistlichkeit erfüllt. Schon im J. 1526 hatte der Herzog den lutherischen Prädicanten Martin, den Oberländer, aus dem sächsischen Erzgebirge gebürtig, nach Schwerin berufen; dieser mußte sich jedoch darauf beschränken, das Evangelium vor dem Stadtthore in der Kapelle des St. Georgen=Hospitals oder unter den Linden des Rosengartens zu predigen. Aber im J. 1529 berief der Herzog den Magister Egidius Faber, aus Ungarn gebürtig, von Wittenberg zum Hofprädicanten und Geschäftsführer für die in der Ausbildung begriffene lutherische Kirche seines Landes. Dieser feurige Mann, ein so ächter Schüler Luthers und ihm so ähnlich im Ausdruck seiner Worte, wie wenige Andere, griff sogleich die papistische Abgötterei mit Muth und Schärfe und allen Waffen einer empörten Seele an. Schon im J. 1533 erschien von ihm, zu Wittenberg gedruckt, das zornerfüllte Buch: "Vom falschen Blut und Abgott im Thum zu Schwerin, mit einer schönen Vorrede Doctor Martin Luthers, widder die Lugen prediger, so mit erlogenem Heiligen blute und erdichten Mirakeln das volck verfüren von Gottes worte," ein höchst merkwürdiges Buch, ganz in Luthers Geist und Weise verfaßt. So heißt es z. B. darin: "Das Blut Jhesu Christi ist von art und natur krefftig genug widder die sunde, helle, tod, teuffel, wellt etc. . Darumb weil der Bapst dis blut mit seinem Ablas beschmeisset, bezeuget er widder sich, das er ein bube in der haut ist, mit allem seinem anhang, und da mit nicht der seelen seligkeit, sondern seinen nutz suche. Aber der Teuffel sucht etwas anders, Nemlich gedacht er, Wolan, ich wil zu Schwerin einen trödelmarck auffrichten und etwan für geben eine farb, wie da sey Christus blut, das der Bapst mit Ablas mild und reichlich sol bestetigen, das gemeine, einfeltig, ungelert volck vom glauben auf werck und eigen verdienst zu füren, und heuffet zulauffe mit gelt, silber, golt, weitzen, koren, flachs, butter etc. ., meine müssige seubeuch zu mesten, bis das ich sie schlacht und abthue, mein reich mehre und Christus reich schweche und besetze, denn ich bin ein Fürst der wellt, ich wil keinem frembden vergönnen in meinem reich zu herschen etc. . Das aber der Teuffel des syns ist, findest du ein warzeichen bey dem blut, Nemlich, Eine grosse wag hangen, dar auff die krancken so hülffe begeren zu finden bey dem blut, sich wegen lassen, und nach dem gewicht ires leibs "von den gütern, der sie am meisten vermögen, opffern müssen, unangesehen du werdest gesund odder nicht. Es gehe die weil den armen, elenden, krancken, wie es wölle, sol die heilosen, geistlosen veter nichts irren, da sehen sie nicht auff, on allein

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auff iren Baal, das ist auff den Bauch, dar auff all ir Gottes dienst gericht ist, der gilt bey in mehr, denn Christus ir erlöser, So vol ablas ist dis blut, das nicht allein den bilgeram, sondern den Pfaffen geholffen wird, und da durch trost finden, Es mag wol heißen ein wunderlich blut, weil es so mild, krefftig und gnadenreich ist, und die heiligen, wirdigen veter so frölich macht, des der teuffel wol lachen möchte" u. s. w.

Zu derselben Zeit redete nicht minder kräftig gegen das Heilige Blut zu Sternberg 1 ) der dortige Reformator Faustinus Labes, den Egidius Faber mit aller Kraft zu stützen und anzufeuern suchte.

Zwar beschwerte sich am 20. Nov. 1533 das schweriner Dom=Capitel bei dem Herzoge Heinrich: "Der predikanten eyn Egidius Faber hefft vpp dat hillige blodt, welcker von dusser loffliken fursten vorfaren in der kerken Zwerin gebracht, eyn schandtbock gemakett, dar inne he datt capitel personen der kerken ahngript myt schme unde schandtworden." Aber der Herzog antwortete hierauf ächt lutherisch: "So vil das Buch belangt, so Egdius Fabri uff das hillige Bluth zu Swerin hat außgehen lassen und dar in das Capittel mit schmehe und schandtworten angegriffen haben sol, hieruff erbieten sich seine fürstliche gnadt, wo imandts beweisen wirdt, das etwas ungotlichs und der heiligen schrifft nicht gemeß in selbien Buch geschrieben ist, oder deshalben mit Ern Egidien sich underreden wolte, sol er dartzu gestattet werden, und wo er Er Egidium mit der warheit und heyligen schrifft deßhalb seinen Irthumb antzeigen und überwynden wirt, wil sein f. g. Ern Egigium gepurlicher weise darumb wissen zu weysen."

Die Männer Gottes erreichten auch sehr bald ihr Ziel vollständig: die Wallfahrten zum Heiligen Blute hörten auf. Schon um Ostern 1532 hatte der Capellan zu Sternberg geklagt, daß dort bei dem Heiligen Blute kein Opfer mehr komme.

In dem Jahre 1538 ließ zu Schwerin das Dom=Capitel ein Inventarium der in der Kapelle zuletzt aufgehefteten Weihgeschenke aus edlem Metall aufnehmen und dasselbe im J. 1542 revidiren 2 ).

Da nun aber das Heilige Blut im Dome zu Schwerin in der That um alles Ansehen gekommen war und der Besuch der Kapelle aufgehört hatte, so ließ der Herzog Heinrich um Johannis 1540 durch seinen Küchenmeister Paschen Gustävel die in fürstlichem Solde stehenden Horisten=Priester der Heiligen=Bluts=Kapelle


1) Vgl. Jahrb. XII, S. 244 flgd.
2) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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auf Michaelis d. J. kündigen 1 ) und dabei den Befehl ergehen, daß das Singen und Lesen in der Kapelle fortan gänzlich aufhören solle.

Die mit stehenden Hebungen gegründeten Hauptstellen bestanden freilich fort. Noch am 12. October 1540 präsentirte der Herzog Albrecht dem Capitel zu Schwerin zur Commende in der Kapelle des Heil. Blutes seinen Hof=Capellan Johann Jorden 2 ) und nach der Visitation vom Jahre 1553 waren noch Domherren im Besitze der Pfründen 3 ).

Es werden aber bald nach dem Jahre 1540 die Wallfahrten zu dem Heiligen Blute aufgehört haben, da im Jahre 1542 die drei Schlüssel zu demselben nicht mehr in den Händen der drei berechtigten Behörden waren, sondern beim Sacristan in der Gerwekammer (in der Sacristei) lagen 4 ).

Es wird hier am rechten Orte sein, eine Schilderung 4 ) der Heiligen=Bluts=Kapelle, wie sie beim Aufhören des katholischen Kirchendienstes eingerichtet war, zu geben. An den beiden Seitenwänden standen die acht gemalten, lebensgroßen Bildnisse der fürstlichen Wohlthäter der Kapelle und des Domes. Im Hintergrunde an der Mittelwand stand hinter einer ewigen Lampe der Altar, und auf demselben ein silbernes, vergoldetes Christusbild, welches die beiden Arme zum Preise der Auferstehung ("ad gloriam resurrectionis") empor streckte und an der Stelle des Herzens einen Jaspis trug, welcher das Heilige Blut enthalten sollte. Daneben stand ein Marienbild in rothem Sammetmantel. Zu den Seiten des Altars waren zwei seidene Tücher aufgehängt, auf welche die Weihgeschenke aus edlem Metalle, wie silberne Beine, Arme, Augen, Herzen, aufgeheftet waren. Die Kapelle war mit einem hohen Gitter verschlossen; am Eingange stand der "Block" für die Opfergaben.

So lange der Herzog Heinrich der Friedfertige lebte, ward jedes Aufsehen und jeder Schein von Gewaltthätigkeit vermieden. Kaum hatte er aber am 6. Febr. 1552 die Augen geschlossen, so griff der junge, geistreiche und hochgebildete Herzog Johann Albrecht I die Sachen mit ungewöhnlicher Kraft an und führte eine völlig


1) Vgl. den Brief von 1540 im Anhange. Der hier genannte Paschen war Paschen Gustävel, fürstlicher Küchenmeister und Amtmann, welcher von dem Herzoge Heinrich bei den Säcularisirungs=Geschäften viel gebraucht ward. So führte er das Geschäft der Säcularisirung der Johanniter=Priorei Eixen aus; vgl. Jahrb. I, S. 58,und V, S. 219. Vielleicht waren die 30 Mark Orbör aus Hagenow, welche ihm, nach Jahrb. I, S. 58, Not. 1, im J. 1527 verliehen wurden, die Einkünfte einer Commende, welche nach dem Verzeichniß von 1553 zur Heiligen=Bluts=Kapelle gehörte.
2) Nach Dan. Clandrians Verzeichniß der schwerinschen Stiftsbriefe Fol. 202 b.
3) Vgl. im Anhange das Verzeichniß der Altäre vom J. 1553.
4) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
4) Vgl. das Inventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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neue Zeit über Meklenburg herbei. Vorzüglich aber weihte er sich zunächst fast ganz der Ausbildung und Befestigung der lutherischen Kirche. Zuerst und sogleich "reformirte er den Dom zu Schwerin mit Abschaffung päpstlicher Abgötterei und ordnete darin zwei reine Lehrer des heiligen Evangelii" 1 ), den bisherigen lutherischen Prädicanten (1539 und 1547) Joachim Kükenbieter und den Hofprediger (1549) Ernst Rottmann, des Herzogs "lieben Beichtvater", zu Dompredigern. Sofort nach dieser Anordnung ließ der Herzog durch Joachim Kükenbieter, Paschen Gustävel und andere das Christusbild aus der Kapelle nehmen, den Stein ausbrechen und im Feuer ausbrennen 2 ). Das Lehn mit den Einkünften aus Hagenow, welches bis dahin Paschen Gustävel besessen hatte, verlieh jetzt der Herzog dem Prediger Joachim Kükenbieter.

Dann beschloß der Herzog Johann Albrecht, die Heilige=Bluts=Kapelle, welche doch immer große historische Bedeutung hatte, zum fürstlichen Begräbnisse einzurichten und sich hierin von dem Kloster Doberan zu wenden, dessen Ende am 7. März 1552 erfolgte. Er gab Befehl zur Anrichtung eines Grabgewölbes: die erste Leiche, welche dieses aufnahm, war die des Herzogs Heinrich des Friedfertigen. In demselben Monat März 1552 ließ der jüngere Bruder des Herzogs Johann Albrecht, der Herzog Ulrich, als Postulat des Bisthums Schwerin, alle silbernen Bilder, Gefäße und die besten Meßgewänder aus dem schweriner Dome nach seiner Residenz Bützow führen 3 ), wo sie zu Gelde gemacht wurden. Hiemit und mit dem Bau des Begräbnißgewölbes verschwand, mit Ausnahme der Wandgemälde, jede Spur von der Verehrung des Heiligen Blutes.

Kaum hatte Johann Albrecht nach seines Oheims Heinrich Tode die nothwendigsten Regierungsmaaßregeln genommen, als er schon im Anfange des Monats März zur "Rettung des deutschen Vaterlandes Freiheit und zum Schutze der reinen Religion" den übrigen Fürsten des Lochauer Bündnisses mit seinem Bruder Georg, dem Prinzen Wilhelm von Braunschweig und 600 Reitern zuzog, nach der muthvollen Erstürmung der Ehrenburger Clause durch den Prinzen Georg, mit den Verbündeten den Kaiser Carl V. auf dem denkwürdigen Zuge durch Tyrol jagte und am 26. Mai zu Passau zu den bekannten Friedensverhandlungen zwang. Leider ward der Prinz Georg ein Opfer dieses Feldzuges: am 20. Julius riß ihm bei der Belagerung von Frankfurt eine Kanonenkugel das rechte Bein fort und tödtete


1) Vgl. Hederich Schwerin. Chron. S. 34.
2) Vgl. Hederich a. a. O. und den Bericht vom 7 März 1583 im Anhange.
3) Vgl. des Iventarium von 1537 - 1551 im Anhange.
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in Folge dieser Verwundung den jungen, heldenmüthigen Fürsten. Am 7. August 1552 nahm die Fürstengruft unter der Heiligen=Bluts=Kapelle seine Leiche auf.

Auch der weise, hochherzige Herzog Johann Albrecht I. fand im J. 1576 seine Ruhe in der von ihm erbaueten Gruft und ihm folgten in dieselbe seine ungewöhnlich edle Gemahlin Anna Sophia und seine beiden Söhne Johann und Sigismund August.

Nach der Beisetzung ließ der Herzog Johann seinem Vater eine Inschrift auf einer weißen Marmortafel in der Kapelle aufrichten; dieselbe ist jetzt in der südlichen Neben=Kapelle an der Mittelwand befestigt. Außerdem stand in frühern Zeiten an der Mittelwand der Heiligen=Bluts=Kapelle noch ein "Epitaphium" 1 ), welches ohne Zweifel eine Reliefwerk war; es ist seit langer Zeit spurlos verschwunden. Vielleicht war es zum Gedächtniß der Herzoge Heinrich und Georg 2 ) von dem Herzoge Johann Albrecht errichtet In einem Dom=Inventarium vom J. 1663 heißt es: "Hinter dem Chor hinterm Altar eine fürstliche Begräbniß, darüber ein großes steinernes Epitaphium 1 ), worauff in Persohnengröße 2 fürstliche Persohnen auf den Knien sitzen, für sich einen Helm oder Sturmhaube vnd 2 Handtschue habende, vnd ist zwischen denselben in der Höhe ein Crucifix, vnd an den seiten 8 Persohnen gemahlet, Vmb derselben ein gitterwerck, so vnten mit Steinen gemauret vnd oben Meßing, dafür 2 Thüren, davon die eine doppelt mit Hängen vnd Schlössern versehen, vnd lieget für der einen Thür zum eingange des Kellers ein Leichstein, woran 4 eiserne Ringe. (Die andere an der Nordenseite, worüber ein Monumentum aufgerichtet, darauff 2 fürstliche Persohnen Menschengröße auf den Knien, so Hertzog Christoff vnd dessen Gemahlin sein sollen etc. .").

Mit der Erbauung der Fürstengruft unter der ehemaligen Heiligen. Bluts=Kapelle im J. 1552 begann für die Stelle derselben eine zweite Periode in ihrer Geschichte. Ein Bericht über dieselbe wird jetzt nicht geringere Theilnahme in Anspruch nehmen, als die Geschichte des "Heiligen Blutes".

Eine beim Bau der neuen Fürstengruft 1845 - 1847 angestellte genaue Untersuchung vermag die neuere Geschichte dieser merkwürdigen Stelle in ein ganz helles Licht zu setzen.


1) Die frei stehenden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin in der nördlichen Seiten=Kapelle werden in demselben Inventarium zum Unterschiede ein "Monumentum" genannt.
2) In der Renterei=Rechnung vom J. 1557 heißt es: "40 Thaler dem Bildschnitzer, "auf das Epitaphium vor H. Jürgen seligen 10, vnd 30 für das Bilde Charitas in bein geschnitten, am 3 Augusti, Schwerin".
1) Die frei stehenden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin in der nördlichen Seiten=Kapelle werden in demselben Inventarium zum Unterschiede ein "Monumentum" genannt.
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Schon vor der Erbauung der Fürstengruft vom J. 1552 hatte der Herzog Heinrich der Friedfertige seine zweite, im J. 1524 gestorbene Gemahlin Helena von der Pfalz hinter dem Altare beisetzen lassen. Ueber ihrem Grabe ließ er ein schönes Epitaphium mit einer Inschrift und den meklenburgischen und pfälzischen Wappen errichten, welches der berühmte "Rothgießer Peter Vischer" in Erz gegossen hatte 1 ); dieses Epitaphium war bis zum J. 1845 an der Rückwand der Altarmauer befestigt. Da im J. 1524 noch kein Grabgewölbe unter der Heiligen=Bluts=Kapelle war, so wird die Fürstin vor dem Heiligen=Bluts=Altare, in dem Umgange, unter dem Epitaphium, nach alter Weise in die Erde begraben sein. Daher sagt auch Hederich 2 ) ganz richtig: "1524. Frau Helena wird in die Thumkirche hinder dem Chor unter des vermeinten heiligen Bluts Capel in die Erde gesetzt". Durch den Ban der Fürstengruft im J. 1552 und durch die vielen ausgemauerten Begräbnisse, welche die Einwohner Schwerins in den folgenden Jahrhunderten in dem ganzen Umgange dicht bei einander machen ließen, wie die Aufgrabung des ganzen Grundes hinter dem hohen Chore im J. 1845 zeigte, ist aber die Ruhe der Herzogin schon in ältern Zeiten gestört und von ihren Gebeinen keine Spur mehr gefunden.

Beim Bau des neuen Altars im J. 1846 ist das bronzene Epitaphium an den südlichen Pfeiler des Umganges neben der Pforte befestigt und ihr in Glas gemaltes Wappen in das gegenüberstehende Fenster der südlichen Chorkapelle eingesetzt; dieselbe Kapelle nahm zugleich die Marmortafel zum Andenken des Herzogs Johann Albrecht I. und die beiden herrlichen Messingplatten von den Gräbern der schweriner Bischöfe aus der Familie v. Bülow auf, welche bis dahin vor dem Altare lagen.

In der nördlichen Chorkapelle, unter den beiden Bildsäulen des Herzogs Christoph und seiner Gemahlin, ruht in einem ausgemauerten Begräbnisse der Herzog Christoph. Die Leiche liegt in einem zugelötheten zinnernen Sarge; der äußere Sarg von Holz ist zerfallen. In demselben Grabgewölbe ist die Princessin Anna Sophia, des Herzogs Johann Tochter, im J. 1648 beigesetzt; ihr großer, mit Sammt beschlagener, hölzerner Sarg trägt die Inschrift:

V. G. G. A. S.
H. Z. M. F.
ANNO
1648

1) Vgl. Jahrb. des Vereins III, S. 159.
2) Vgl. Hederich Schwerin. Chron. S. 26.
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(d. i. Von Gottes Gnaden Anna Sophia Herzogin Zu Meklenburg Fräulein Anno 1648).

Von den Leichen der Grafen von Schwerin ist längst jede Spur verschwunden. Es fand sich bei der Aufgrabung des ganzen Umganges hinter dem Chore auch nicht die geringste Spur von alten Begräbnissen, da der ganze Raum von ausgemauerten Grüften neuerer Zeit gefüllt war.

Die im J. 1552 erbauete Fürstengruft nahm genau den Raum unter der Heiligen=Bluts=Kapelle ein und konnte grade 6 Särge für Leichen erwachsener Personen neben einander fassen: es standen jedoch 7 Särge in der Gruft, da die beiden hintersten Särge auf einander gestellt waren. Und 7 erwachsene fürstliche Personen sind auch nach den Acten und sonstigen Nachrichten in dieser Gruft beigesetzt. Es fanden sich in der Gruft keine andere Spuren von Nachrichten, als folgende Reste einer Inschrift, welche mit lateinischen Unzialen des 16. Jahrh. neben dem Eingange auf die Wand gemalt war:

VICKE BVLOW - -       - -OFFER VON BERREN
MATHIAS VEREGG - - - - - -
DIETRICH MO - - - - - -
OTTO MO. T.. N - - ALBRECHT - - BAW
CVRT SE - - - MEISTER. 27. IAR

Diese Inschrift läßt sich noch nicht in allen Theilen erklären. Wahrscheinlich ward sie beim Bau der Gruft im J. 1552 verfertigt, da der Landrath Dietrich Mo[ltzan] auf Grubenhagen um diese Zeit wirkte.

Die Särge standen in der Reihenfolge, in welcher sie beigesetzt waren, und diese Reihenfolge war der vorzüglichste Anhaltspunct zu ihrer Erkennung. Es fanden sich die Leichen folgender fürstlichen Personen, mit deren Ermittelung und Umsargung ich im J. 1845 Allerhöchsten Ortes betrauet war:

1) Herzog Heinrich der Friedfertige († 6. Febr. 1552); die Leiche lag in einem zerfallenen hölzernen Sarge und zeigte nichts weiter, als das ziemlich große Gerippe.

2) Herzog Georg († 20. Julii 1552); die Leiche war in einem hölzernen Sarge in ungelöschten Kalk 1 ) gepackt, da sie im Sommer von Frankfurt a. M. nach Schwerin gebracht ward; da der Sarg zerfallen war, so erschien der Inhalt desselben als eine feste Kalkbank, in welcher die Gebeine lagen. Dem rechten Oberschenkelknochen fehlte das untere Drittheil; das Ende


1) "Unctus tamen et conditus deductus fuit ad majorum suorum sepulturam," heißt es in Arnoldi Vita Mauritii elect. Saxon. in Mencken script., nach Krey's Beitr. Bd. II, S. 50.
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des Knochens war zersplittert; die Unterschenkelbeine mit dem Fuße lagen zusammengetrocknet in dem Sarge. Es ist also das abgeschossene Bein zu der Leiche in den Sarg gelegt worden.

Diese beiden Särge standen im Hintergrunde der Gruft auf einander; der Sarg des Herzogs Georg, als der schwerere, stand unten.

3) Herzogin Anna († 1567), Herzogs Albrecht des Schönen Gemahlin, Tochter des Kurfürsten Joachim von Brandenburg, Mutter des Herzogs Johann Albrecht I. Es war in dem zerfallenen Sarge nichts weiter vorhanden, als ein kleines, ohne Zweifel weibliches Gerippe.

Diese drei ersten Särge waren einfache, hölzerne Kisten mit plattem Deckel und eisernen Ringen.

Dann folgten zwei gleich ausgerüstete hölzerne Särge mit spitzem Deckel, neben welchen noch Blechtafeln mit den gemalten meklenburgischen und brandenburgischen Wappen lagen; diese Särge bargen die Leichen des Herzogs Johann Albrecht I. und seiner Gemahlin Anna Sophie.

4) Herzog Johann Albrecht I. († 1576). In dem sehr langen Sarge lag die Leiche in ein grobes, linnenes Tuch, das ",Leichentuch", gewickelt, in Kräuter gepackt und noch sehr gut erhalten. Beim Oeffnen des Sarges waren die bekannten Züge des gefeierten Fürsten auf den ersten Blick erkennbar; sein schmaler und kurzer, bräunlicher Lippen= und Kinnbart saß völlig ungestört. Die Leiche war ungewöhnlich lang; sie maß vom Scheitel bis zu den Fersen 7 Fuß 1 Zoll hamburger Maaß: dies stimmt ganz zu den Bildern des Herzogs, welche ihn alle in einer sehr bedeutenden Größe darstellen.

5) Herzogin Anna Sophie († 1591), des Herzogs Johann Albrecht I. Gemahlin, des Herzogs Albrecht I. von Preußen edle Tochter. Die Leiche war in jeder Hinsicht ganz so bestattet, wie die ihres Gemahls, und wohl erhalten; sie war sehr klein, 5 Fuß 2 Zoll hamburger Maaß vom Scheitel bis zu den Fersen, und ganz ungewöhnlich fein und zierlich, vorzüglich an Händen und Füßen: namentlich waren die frei stehenden Füße ohne gleichen klein.

Diese fünf Leichen zeigten keine Spur von Kleidung oder Schmuck und man sah nur die der Reformationszeit eigenthümliche und rührende Verachtung alles Irdischen im Tode: ein ganz schlichter, hölzerner, mitunter wohl mit Leder benagelter Sarg und ein grobes, linnenes Laken zur Umhüllung waren selbst für Fürsten genug. Hier war wahr gemacht, was der letzte stargardische Herzog Ulrich in der Todesstunde († 1471) ausrief:

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"O Gott, wie hat man gekämpft und gerannt um vier Bretter und ein Leinengewand".

Die beiden hierauf folgenden Särge der Söhne des Herzogs Johann Albrecht waren von Zinn, mit plattem Deckel.

6) Herzog Johann († 1592) lag in einem zugelötheten, dünnen zinnernen Sarge, welcher in einem hölzernen Sarge stand. Der zinnerne Sarg, welcher nicht geöffnet ward, hatte die gravirte Inschrift:

I. H. Z. M.
1592.

7) Herzog Sigismund August († 1600). Die Leiche lag in einem hölzernen Sarge, welcher in einem großen, starken zinnernen Sarge stand. Der platte Deckel des zinnernen Sarges war zum größern Theile gestohlen; der übrig gebliebene Rest enthielt aber von der gravirten Inschrift noch die Worte

- - - - MEGAPOLENSIUM etc.
- - - - NOVEMBRIS: HORA: II:
- - 5 SEPTEMBRIS: CIRCITER:
ANNO: 1600.

Diese Leiche war schon in schwarzer Hoftracht von Sammt und Seide auf seidenen Kissen in den Sarg gelegt.

Nach diesen Beobachtungen ruhen in der Gruft die nächsten Stammältern des jetzt regierenden Fürstenhauses aus der Zeit der Reformation, die Fürsten der Reformation in der Kirche und im Staate. In Beziehung auf die Familienverhältnisse kann man die Gruft die Familiengruft des Herzogs Johann Albrecht I., des bedeutendsten Fürsten Meklenburgs, nennen; denn es ruhen 1 ) in ihr


1) In den Mon. ined. III, p. 1704 - 5, sagt v. Westphalen irrthümlich, daß auch der Herzog Ulrich unter der Heiligen=Bluts=Kapelle liege und der Herzog Johann Albrecht in einem kupfernen Sarge ruhe:

"Sub qua ("heilige Bluts=Capelle") reliquiae ducis Jo. Alberti quiescunt in sarcophago cupreo, ibidem et ossa aliorum principum Megapol. sexus utriusque recondita sunt. Et inter haec episcopi et ducis Ulrici I, Nestoris dicti, qui obiit a. 1590. d. XIV Martii".

Der Herzog Ulrich ist mit seiner Familie bekanntlich in der Domkirche zu Güstrow begraben; die Gruft führt jetzt den Namen Dormitorium Ulricianum.
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Stammtafel

Hiemit war die Gruft gefüllt, jedoch ward sie ungefähr hundert Jahre später noch ein Mal benutzt, indem sie in sehr drückender Zeit die in den Jahren von 1641 - 1655 jung gestorbenen 5 Kinder des Herzogs Adolph Friederich I. aufnahm, deren Särge auf die großen Särge gestellt wurden; es wurden hier folgende fünf Prinzen und Prinzessinnen beigesetzt:

1) Bernhard Sigismund, † 1641, 3/4 Jahr alt;
2) Auguste, † 1644, 3/4 Jahr alt;
3) Adolph Ernst, † 1651, 2 Monate alt;
4) Heinrich Wilhelm, † 1653, 1/2 Jahr alt;
5) Philipp Ludwig, † 1655, 3 1/2 Jahre alt.

Ein trauriges Denkmal des viel geprüften, wackern Herzogs Adolph Friederich!

Zwei hundert Jahre waren verronnen, seit die Landesherren zuletzt die Todtenbahre zur Heiligen=Bluts=Kapelle begleitet hatten, die Thränen, welche den Entschlafenen geweiht wurden, waren längst getrocknet und sogar ihr Andenken bei dem Volke längst verschwunden, als in einer großen und glücklichen Zeit ein unerwartetes Ereigniß die Herzen aller Meklenburger tief ergriff und die nassen Augen wieder auf die Gruft Johann Albrechts lenkte: der vielgeliebte Großherzog Paul Friederich starb unerwartet nach fünfjähriger Regierung am 7. März 1842 in der vollen Kraft seines Lebens und der Fülle seiner anregenden und beglückenden Thätigkeit. Er hatte gewünscht, unter seinen Schwerinern zu ruhen. Noch im Sommer 1840 hatte der freundliche Herrscher unter den Vorbereitungen zum Musikfeste die Säuberung des Doms, den er mit einem höhern Thurme zu zieren ge=

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dachte, betrieben, und die Restaurirung des Monumentes auf dem Grabe des Herzogs Christoph veranlaßt, und darauf die Restaurirung der bei dieser Gelegenheit wieder entdeckten Wandgemälde in der Heiligen=Bluts=Kapelle am 12. März 1841 angeordnet, wohl nicht ahnend, wie bald Er seine Ruhe an dieser Stelle finden sollte.

In verehrungsvoller Betrachtung der segensreichen Wirksamkeit Seines erlauchten Vaters für das Vaterland und besonders für die Stadt Schwerin, wohin derselbe wieder die Residenz der Landesherren verlegt hatte, und in richtiger Würdigung der geschichtlichen Bedeutsamkeit des Domes zu Schwerin erwählte der jetzt regierende Großherzog Friedrich Franz II., welcher in einem Alter von 19 Jahren die schweren Schritte zum Throne hatte lenken müssen, Allerhöchstselbst die Heilige=Bluts=Kapelle wieder zur Begräbnißstätte für das großherzogliche Haus und traf solche Anordnungen zur Einrichtung dieser Kapelle, welche ihrer Bedeutung und dem Andenken seines heimgegangenen Vaters würdig waren, und zugleich zur erhebenden Ausschmückung 1 )der herrlichen Kirche. Es ward das untere Grabgewölbe, in welcher die Familie des Herzogs Johann Albrecht I. und die fünf Kinder des Herzogs Adolph Friederich I. lagen, bedeutend, und so viel es der alte Bau gestattete, erweitert und um zwei damit zusammenhangende, weite Gewölbe, zu beiden Seiten des Mittelgewölbes, vermehrt. Die alten fürstlichen Leichen, welche unter der Heiligen=Bluts=Kapelle standen, wurden in Folge Allerhöchsten ehrenden Auftrages durch mich ganz in derselben Weise, wie sie bestattet gewesen waren, umgesargt und nach Vollendung der Gewölbe am 3. Novbr. 1845 wieder in die Mittelgruft an dieselbe Stelle gesetzt, wo sie gestanden hatten. Die drei Fenster der Heiligen=Bluts=Kapelle wurden, unter Leitung des Cabinets=Raths Prosch, mit Glas=Gemälden geschmückt, welche der großherzogliche Glasmaler Gillmeister zu Schwerin vortrefflich ausführte. Die meisterhaften Cartons dazu lieferte der berühmte Maler Cornelius zu Berlin. In Beziehung zu der alten Geschichte der Kapelle und mit Hindeutung auf ihre neueste Bestimmung steht im Mittelfenster, gegen Osten, als Schlußstein des Christenthums, der zum Himmel fahrende Erlöser, dessen Bild auch in alten Zeiten auf dem Altare unter dem Fenster gestanden hatte ("in gloriam resurrectionis"), und zu beiden Seiten in Verklärung die Mutter Maria und der Evangelist Johannes, welche auch die


1) Die nähere Würdigung und Darstellung der neuen Ausschmückung der Heiligen=Bluts=Kapelle muß einer besonderen Darstellung überlassen bleiben. Hier sollte nur der geschichtliche Verlauf kurz angegeben werden.
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alten Schutzheiligen des Domes waren. In den beiden Seitenfenstern stehen zu beiden Seiten zunächst am Mittelfenster die Apostel Petrus und Paulus, als Repräsentanten des neuen Testaments, zu äußerst Moses (neben Petrus) und Jesaias (neben Paulus), als Repräsentanten des alten Testaments. Diese Fenster waren zu Weihnacht 1845 vollendet. Die Baulichkeiten wurden unter der Leitung des Hofbauraths Demmler und des Bau=Conducteurs Willebrand ausgeführt. Die Wände der Kapelle, von denen die alten Bilder abgeschlagen werden mußten, von denen jedoch mehrere durchaus getreue Copien im Archive niedergelegt sind, wurden mit großen, auf der großherzoglichen Schleifmühle zu Schwerin geschliffenen Platten von meklenburgischem Granit und Verzierungen aus Bronze bekleidet. Der vertiefte Boden der Kapelle ward mit schwarzen und weißen Marmorplatten belegt. Endlich ward die Kapelle wieder durch das alte, treffliche Messinggitter, welches passende neue Verzierungen erhalten hatte, geschlossen. Im Sommer des Jahres 1847 war der ganze Bau vollendet und der Sarg des hochseligen Großherzogs Paul Friederich wieder in die also würdig ausgestattete Kapelle gesetzt.

Im Einklange mit dieser Ausrüstung ließ der Großherzog Friederich Franz vor der Kapelle auch einen neuen Hochaltar bauen, dessen großen Schrein der Tischlermeister Christiansen zu Schwerin ausführte. Das ausgezeichnete Gemälde, die Kreuzigung Christi darstellend, ist von dem Hofmaler G. Lenthe d. J. Der Altarbau ward zu gleicher Zeit mit den Gemälden vollendet.

Dies ist die Geschichte der Heiligen=Bluts=Kapelle, so ernst und bedeutungsvoll, wie kaum die Geschichte einer andern Stelle im Vaterlande, geweiht dem wehmüthigen Andenken des Volkes für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und wie die Kapelle vor 600 und vor 300 Jahren die Wendepuncte der Geschichte bezeichnete, so steht sie jetzt wieder bezeichnend am Anfangspuncte einer neuen, großen Zeit.


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Anhang.

Nr. 1.

Die Horisten=Priester der Heiligen=Bluts Kepelle im Dome zu Schwerin bitten die Herzoge von Meklenburg, da ihnen ihr Dienst von dem Herzoge Heinrich aufgekündigt ist, um Erklärung über ihre Fernere Stellung.

D. d. 1540 (um Johannis).

Durchluchtigenn, hochgebornen Fursten, gnedigen heren. Iwen furstliken gnaden ßynt vnnse gantz willige, gehorsame denste mitt allem flite vorahn bereit. Gnedigen fursten vnnde heren. Alse vnser armen prester twe tho twen malen I. f. g. heren bruders des eynen kokemester Paschen alhir to Schwerin vmme vnse jarbetzoldinge, wo wy beth an her vth I. f. g. dhomkercken hilligen bludes capellen, dar inne men dagelicks die VII tide van lydende Christi singt, erlanget, ahngesproken vnnd mhonden, hefft he vns dusse anthwort gegeuen, dat wy beth up Michaelis dusses XL jars scholden vnnse dingk wachten, dar vor wolde he vns datt nhastendige mittem bedageten tzolde alles bethalen, ouers darnha vth sunderligen beuhell ßins g. h. hertogen Hinrichs tho Megklenborch etc. . scholden wy vns ßodans capellen singens vnnd lesens henuorth gentzlich entholden etc. . Gnedigenn fursten vnnd heren, wyle gedachten hilligen bludes capellen ceremonien von I. f. g. hochmilder gedechtnisse vorfaren tho langen jaren von grauen tho fursten beth vp dusse tidt, dar tho wy arme diener prester verordenet, im schwange gegangenn, wolden wy als denne vndertheniges bitts vnnd begerendes von I. f. g. (dennes sampt vnnd besunderen belanget) gnediglick belernet ßyn, wo wy vns in gemelter ahnkunde, schwere vngnade tho vorhuden, furder hebben vnnde regiren schollen. Datt bringt I. f. g. by godt vnuorgenglich lon, by iderm christgelouigen priß, ehr vnnd loff. Dar neffenst willen wy armen prester ßodans wedder vmme by deme

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suluigen neffenst vnserm innigen gebede vorschulden vnnd vordenenn.

                             I. f. g.

vndertenige capellan                    
hilligen bludes capellen prester
im dhome tho Tzwerin.     

Den durchluchtigen, hochgebornen fursten vnnd heren, heren Henrichen vnnd heren Albrechten, hertogen tho Megklenborch, fursten tho Wenden, grauen tho Tzwerin, der lande Rostogk vnnd Stargardt heren, vnsern gnedigen heren vndertheniglich.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


Nr. 2.

Verzeichnuß
der Thumbhern zu Schwerin
einkommen.


Thezaurarius

Er Nikolaus Kopke coram adest.

Vicaria in Brotelin. Fundatores Guncelinus cum filio Henrico, comites Swerinenses.
Patroni et collatores principes Megapolenses.

Rustici annuos redditus soluentes hii qui sequuntur

mit Dienstgelde.
Clawes Rauen  IIII    gulden    VIII    ßl.
Achim Heise IIII    gulden VIII    ßl.
Hans Stöhppelrauen           IIII    gulden VIII    ßl.
Achim Tide II    gulden IIII    ßl.
Achim Gude II    gulden IIII    ßl.
Achim Molman II    gulden IIII    ßl.
N. Molmhan II    gulden IIII    ßl.
21   fl. 16 ßl.

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Nr. 3.

Inventarium sacrarum rerum
ad cultum diuinum cathedralis ecclesie
Tzwerinensis atque ad alios usus
eiusdem ecclesie spectantium
et pertinentium
per Andream Bekerher dicte ecclesie
capituli schribam
sub anno 1537 - 1551.


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In capella Cruoris Christi.
(1542.)

Item ein suluern verguldet saluatoris bilde, dat syne beiden hande ad gloriam resurrectionis vphelt vnde wiset eynen Jaspis in der brust gewracht hebbende, dar inne (wo men glofflick daruon schrifft vnde secht) dat blodt Christi entholden, daruor drie grote heldenn schlote gelegen, der suluen wandages dat eyne die Stadt to Tzwerin, dat ander die Dhombs Thesaurarius, dat drudde der kerken bwmester geschlaten, vpt lateste bym sacristen in der Gerwtkamer alle drie befunden. Anno vt supra (1542).

Wes in die capella cruoris Christi geoffert is Anno vt supra 1538 ok wo folgt beschreuen worden et presentibus verbis est:
Int erste vp eynen syden doeck gehefftet ist:

Eyne grote sulueren plate, dar inn des hilligen blodes gewonlike Bilde gestekenn.

Item noch drie geringer vherkantede suluern stucke
Item I wit herte mit viff kleinen von binnen.


*) Anmerkung des Schreibers:
Anno 1552 de mense Marcii Hertogh Ulrich to Mekelnburch der kerken Tzwerin postulaten hefft alle dusse kelcke mit allen subern bilden, cappen, die besten vnd ohre bretzen, und die besten casulen nha Butzow furen laten, in der Gerwekamer to Tzwerin, affuit Pentze Henning probst, doctor Drachstedt, Hermann Mundt et Andreas Bekerher.

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Ein grot suluern bhen vnde I kleyner.
Ein klein suluern arm.
Noch III suluern oge.
Item II suluern kleyne herte.
Item II witte kleine knops.
Item I klein suluern hillige bludts bilde.
Item ein herte innen verguldeter plate.
Noch 31 verguldete spengeken klein vnde groter.

Vp eynem andern blawen doke gehefftet:

Item IX suluern herte engeliker grote.
Item noch 21 vornemste suluern stucke.
Noch 1 grot verguldet herte.
Item IIII par ogen.
Item 44 verguldete spangen vnde spengeken.
Noch I suluern ringeken vnde knopken.
Noch ein verguldet platken, dar vp I cruce.

Vp Marien roden sammats Mantell.

In der suluen Cappellen gebrucklich gehefftet:

XIII Junckfern bindeken.
III chorallen schnor, die I ein suluern ringeken, die ander I suluern ringk mit eynem Jacob in suluer gefatet hefft.
En suluern verguldet span, darup VI knopken.
Noch I suluern verguldete krone mit VI lilien mit II stenken, ethliker mathe geströfflich schamphirt.
Item benedden II parlete byndekenn.


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Nr. 4.

Vorzeichnus
der Altar
und
derselbigenn zugehorigen Lehen
im Thumb zu Swerin
21 Augusti Anno 1553.


1. Capella cruoris Christi.

In des heiligenn Bluts Capelle ist ein Althar

Comites Suerinensis Fundatores,
Principes Megaloburgenses collatores.

Er Nicolaus Kopke Thumbher zu Swerin presens est possessor.

Redditus sunt in villa Brötelyn, wie oben vortzeichnett.

Das ander Lehen hat Er Munth gehatt, die borunge sindt

In telonio Greuismolens.
Vaciert nun, die brieue vnd jura daruff ligen in der Geruekammer

Die furstenn habenn zun horis, so in der Capellen gesungen wordenn, alle Jar auß der handt was geben lassenn.

Der horisten sindt viere gewesen vnd ein geselle, der horisten hat jeder jerlich X marck vnd der geselle funff marck bekommen.

Die licht vnd lampen seint aus dem offertorio aus den becken vnd stockenn getzeuget wordenn.

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39. In sacello clauso Sanguinis Christi collatores principes Megapolenses.

Er Jochim Kukenbieter pastor Swerinensis possessor redditus sunt situati in Hagenow.

Hat die Register vbergeben.


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Nr. 5.

Bericht was vor Nachrichtung vns vom heiligen Blut vnd dessen ankunfft bey der Kirchen zu Schwerin vorhanden vnd vns daruon sonsten bewust.

D. d. Schwerin. 1583. März 7.


Comes Henricus sanguinem domini nostri Jesu Christi in jaspide diligentissime conseruauit, quod a domino Pelagio sanctae Romanae ecclesiae cardenali suis meritis obtinuit, praesentat Brunwardo episcopo Schuerinensi anno domini 1222, II calendas Aprilis.

Das offergelt, welchs daruon gefallen, ist in 3 theil getheilet worden, Ein theil ist kommen in des hern Bischoffs Cammer, Ein theil ist vnter die Personen des Capittels getheilet, Das vbrige ist zur Structur der Kirchen gelegt worden.

Des fnde ich hieruon kein schrifftliche nachrichtung, allein was die alten Vicarien berichten, viel weniger ist es zu finden, was es ein Jhar wol muge getragen haben, Dan es ist auff allen offerfesten, der jehrlich 3 als auff Natiuitatis Mariae, Ascensionis Domini vnd Die Corporis Christi gehalten worden sein, also balte ausgetheilet vnd darin jeder theil geburet verordenet, das kein sonderliche Register daruber gehalten worden, doch ists eine gemeine sage, das es ein grosses soll jherlich getragen haben.

Das folgende Jhar nach Hertzogk Hinrichen hochmilder gedechtnus dottlichem abgange, als Hertzogk Johan Albrecht etc. . den Thumb ingenommen, hat her Kükenbieter, Paschen Gustefhell vnd andere das bilt, darein das heilige Blut vorwaret gewesen, aus der Kirchen gethan etc. . darmit dan diesse Walfart aufgehorret.

Von der Sternebergischen Walfart hat der Bischoff oder Capittel zu Schwerin nichts gehabt, sondern ist alles daselbst zum Sterneberge zu der Structur gelegt vnd verordenet worden, daran auch die Clerisey daselbst ettwas soll gehabt haben.

Der auch E. f. g. neben diessem ferner zu wissen begereten, was nicht allein ausserhalb, sondern auch innerhalb Stiffts vnd Furstenthumb Meckelenburgk in vorschienen, jedoch gedencklichen Jharen dem Stiffte Schwerin abgangen, soll I. f. g. solches auff derselben gnedigs erfurderent vndertheniglich mitgetheilet werden, Dan I. f. g. in diessen vnd anderen vnterthenige vnd gehorsamb

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Dienste zu erzeigen, bin nicht allein ich, sondern auch ein gantzes ehrwurdiges Thumb Capittell schuldig, willich vnd erbottich.

Datum Schwerin Montagk nach Reminiscere Anno 83.

Ottho Wackerbartth
Capitularis daselbst.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Unter der Unterschrift steht von des herzoglichen Raths Niebur Hand:

(Otto Wackerbarth) hat diessen extract aus des capittels in Schwerin matricull in v. g. h. hertzogen Vlrichen zu Meklenburg Cantzelei eingeschicket im martio ao. 1583.

 

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