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I.

König Kruto

und

sein Geschlecht.

Eine historische Untersuchung über die Abstammung des großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses,

vom

Archiv=Secretair Dr. W. G. Beyer zu Schwerin.


D er Stammbaum unsers hohen Fürstenhauses, dessen Geschichte die Geschichte unsers Volkes ist, zumal in der ältern Zeit, ist mit Recht von allen frühern Historikern als ein wichtiger Gegenstand ihrer Forschung betrachtet worden. Aber nicht alle haben sich bei dieser Untersuchung, welche das persönliche Interesse des Landesherrn so nahe zu berühren schien, diejenige Unabhängigkeit zu bewahren gewußt, welche der Würde der Wissenschaft geziemt, und freilich hat auch die vorurtheilsfreie, unabhängige Forschung nicht immer die Anerkennung auf dem Throne gefunden, wie zu unsrer Zeit. Die Gelegenheit zu schmeicheln, lag zu nahe, als daß man der Versuchung bei der sichern Aussicht auf einen günstigen Erfolg hätte widerstehen können. So entstand der berühmte Stammbaum des Rathes Nicolaus Marschalk (1521), welcher das Geschlecht unserer Fürsten, mit dem selbsterschaffenen Könige Anthyrius und dessen Amazonen=Gattin zur Zeit Alexanders des Großen 300 Jahre vor Christi Geburt beginnend, in einer ununterbrochenen Reihe berühmter Ahnen bis auf seinen Herrn, den Herzog Heinrich den Friedfertigen herunter führte, - freilich immer noch bescheiden genug zu einer Zeit, wo manche adelige Geschlechter ihren Ursprung durch die Arche Noahs hindurch bis zu den Pforten des Paradieses nachzuweisen wußten.

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Zwar äußerten schon Andreas Mylius (1571) und Peter Lindenberg (1596) behutsame Zweifel an der Wahrheit wenigstens eines Theiles der Entdeckung unsers gelehrten Rathes, die aber bei ihren Nachfolgern unbeachtet blieben. Höchstens wagte man, wie Latomus (1610) und Chemnitz (1683), einzelne allzusichtlich unechte Zweige des künstlich aufgeputzten Baumes auszuschneiden; daß aber dieser selbst überall nicht in dem festen Boden der Geschichte, sondern allein in der Phantasie seines Entdeckers wurzele, das sah man nicht, oder wollte man nicht sehen, vielmehr galt derselbe in unserm Vaterlande volle 200 Jahre hindurch für ein unantastbares Heiligthum. Im Auslande dagegen hatte schon Heinr. Bangert (1659) seine Stimme gegen dies Unwesen erhoben, und als im Anfange des vorigen Jahrhunderts auch Spener und Schurzfleisch dagegen auftraten, da fing man endlich auch in Meklenburg an, in seinem Glauben wankend zu werden, obgleich noch Thomas († 1717) mit unerschütterlicher Treue daran festhielt. Josua v. Beehr († 1729) hat das Verdienst, unsere Geschichte zuerst gründlich von diesen Auswüchsen befreiet zu haben; ihm schloß sich David Franck (1753) mit Entschiedenheit an, und seitdem hat denn der Marschalk'sche Stammbaum nur noch als einer historischen Curiosität Erwähnung gefunden.

Zunächst zwar traf das Verbannungsurtheil der historischen Kritik nur die rein mythischen oder aus den Annalen der Vandalen und Heruler usurpatorisch in unsre Geschichte eingedrungenen Könige, wogegen alle seit Karls des Großen Zeit gelegentlich erwähnten obotritischen Fürsten und Könige der Wenden unbedenklich als ächte Ahnen des jetzt regierenden Fürstenhauses anerkannt wurden. Bald aber ging man weiter und forderte auch hier den historischen Beweis des genealogischen Zusammenhanges. Bis auf Niclot hinab, in der Mitte des 12. Jahrhunderts, ließ sich dieser Beweis ohne Schwierigkeit und mit vollkommner Sicherheit urkundlich führen. Hier aber stieß man an, da das Geschlecht des letzten Königs der Obotriten aus slavischem Stamme, Heinrichs, des Sohnes Gottschalks, nach dem ausdrücklichen, unverwerflichen Zeugnisse Helmolds, mit seinem Enkel Zwinike um 1126 erloschen war 1 ). Daraus folgt indeß noch nicht das Erlöschen der ganzen Dynastie, vielmehr lebte nach eben diesem Zeugnisse Helmolds noch ein Neffe Heinrichs, Pribislav, Fürst der Wagrier, welcher nach dieser Bezeichnung unbedenklich als ein Sohn des 1172 gefallenen Buthue, eines ältern Sohnes Gottschalks, anzuerkennen ist. Somit schien also wenigstens die


1) Helmoldi chron. Slavor, I, c. 48 fin.: defecitque stirps Henrici in principatu Slavorum, mortuis scilicet filiis et filiorum filiis.
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Möglichkeit zu bleiben, daß auch Niclot eben dieser oder irgend einer andern Nebenlinie des alten Königshauses angehöre, und wirklich führt schon Ernst v. Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik (1378) beide Fürsten, Pribislav und Niclot, als Brüder, Söhne des Buthue, auf.

Allein die Art und Weise, wie Helmold, der Zeitgenosse, die beiden Fürsten, die er persönlich kannte, in die Geschichte einführt, zwingt den unpartheiischen Forscher, auch diese Annahme unbedingt zu verwerfen; denn indem er den Pribislav ausdrücklich als Brudersohn Heinrichs, den Niclot aber in einem und demselben Satze unmittelbar daneben nur nach seiner damaligen politischen Stellung als majorem terrae Obotritorum bezeichnet, ohne sich auf seine Abstammung einzulassen 1 ), stellt er beide ganz augenscheinlich in einen directen Gegensatz, welcher an ein verwandtschaftliches Verhältniß beider überall nicht, am wenigsten aber an ihre Bruderschaft denken läßt. Kirchberg aber giebt eine bloße Paraphrase der Worte Helmolds 2 ), und kann also gegen diesen nicht als Zeuge gelten. Zwar bezieht er sich grade in Bezug auf die Abstammung der beiden Fürsten auf mündliche Tradition, oder doch auf die Meinung seiner Zeitgenossen (horet me), allein diese ist nach Verlauf von 250 Jahren, in welchen die gesammten öffentlichen und Privat=Verhältnisse des ehemaligen Obotritenreiches eine völlig neue Grundlage gewonnen hatten, nicht mehr als historische Quelle anzuerkennen. Die Behauptung Kirchbergs ist aber überdies schon der Zeit nach fast unmöglich, denn Buthue starb 1072, Niclot aber fiel im Jahre 1161, zwar als Greis, aber doch noch in voller Kraft, nach ritterlicher Gegenwehr in offener Schlacht und sein Bruder


1) Helm. c. 49: Post haec transiit Kanutus in terram Wagiroram, - - - - et sociavit sibi in terra Holzatensium omnem virum fortem, fecitque cum eis incursationes in terram Slavorum, occidens et sternens omnes sibi adversantes. Sed et fratruelem Henrici Pribizlaum, et majorem terrae Obotritorum Niclotum duxit in captivitatem, posuitque Sleswich in custodiam, adstringens eos manicis ferreis, quousque pecunia et vadibus redempti ea, quae subjecta sunt, sentirent.
2) Kirchberg c. 50, v. 41 - 48: Der konig quam mit here groz, Des manchir sinen lieb virloz, Vf konig Hinrichs bruderkinde, Zu schaden quam yn dyt gesinde, Der eyne hiez Pribislaus, Der andere hiez Niclotus. Niclot der besaz daz rich, Durch syn alder furstiglich. (Major terrae Obotritorum!!). - Ferner cap. 53, v. 11 - 22: Also Konig Kanut ermordet wart, Den man nante Lawart, Der da hielt geweldichliche In synen tod Obotriten riche. Zu hant czwene brudere daz virnamen , Dy samment an daz riche quamen. Zwey furstentum sy machten, Dar midde daz rich sy swachten. Der eyne Pribislaus, Der andere hiez Niclotus; Sy warin geborin, horet me, Von dem fursten Buthue. Hier liegt Helmold, c. 52, zum Grunde (Vgl. unten S. 20, Rot. 2.) Die beiden letzten Verse sind Zusatz des Kirchberg.
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Lubimar lebte noch 1163. Auch hat kein Zeitgenosse unsers Chronisten die angebliche Sage vernommen, vielmehr steht derselbe völlig vereinzelt.

Unsere einheimischen Genealogien des Klosters Doberan und des alten parchimschen Stadtbuches beginnen den Stammbaum unserer Fürsten einfach mit Niclot 1 ), und weder Albert v. Stade (1256), noch der Franziscaner Lesemeister Detmar zu Lübeck (1385) gehen über den Bericht Helmolds hinaus 2 ). Wenn aber der Bischof Otto von Havelberg in einer Urkunde von 1418 mit Bezug auf alte Chroniken der Klöster Dobbertin und Neuenkamp bezeugt, daß die wendischen Herren aus königlichem Geschlechte stammten 3 ), so ist nicht zu vergessen, daß auch Niclot schon von Helmold regulus genannt wird; übrigens sind jene alten Chroniken schwerlich andere, als die noch jetzt bekannten, und das Zeugniß des Bischofs Otto wird also, - direct oder indirect, - aus Kirchberg entlehnt sein. Nicht uninteressant ist aber, daß weder Hermann Korner († 1438), noch der unbekannte Verfasser der slavischen Chronik, noch Albert Kranz († 1517), noch Reimar Kock († 1569) von dem einfachen, aus Helmold entlehnten Berichte der älteren lübischen Chroniken abweichen, vielmehr war es wiederum unserm gelehrten Rath Marschalk vorbehalten, die Erzählung Kirchbergs zu Ehren zu bringen, welche von nun an bei allen folgenden Schriftstellern zwei volle Jahrhunderte hindurch als sichere historische Wahrheit galt.

Auch in diesem Falle waren es Ausländer, namentlich Köhler und Abel 4 ), welche sich zuerst gegen die Auotorität Marschalks auflehnten; als aber bald darauf auch ein Meklenburger, der Dr. Georg Gustav Gerdes zu Wismar 5 ), diesem Beispiele folgte, fand er sofort in dem Hofrath Jargow einen heftigen Gegner, welcher die neue, zur "Verkleinerung des hochfürstlichen Hauses" gereichende Ketzerei um jeden Preis zu unterdrücken suchte 6 ). Zwar wagte es anfangs der ältere E. A. Rudloff, wenn gleich pseudonym, als Vertheidiger des Gerdes aufzutreten, indem er die Irrthümer Jargows in einer überaus gründlichen und scharfsinnigen Abhandlung widerlegte 7 ), wodurch dieser


1) Jahrbücher XI, S. 10 - 11.
2) Die lübischen Chroniken, herausgegeben von Grautoff, I, S. 28, z. J. 1125.
3) Jahrb. XI, Urk. Nr. LXI.
4) Joh. Dav. Köhler, diss. de Pribislao siue Hinrico, rege Brandenburg. 1724, u. Abel sächsische Alterthümer II, §. 13.
5) Nützliche Sammlung II, S. 214 (1737).
6) J. F. Jargow, gründlicher Beweiß, das Niclotus ein Bruder Pribislai I. gewesen. Klüver, Beschreibung von Meklenb. II. Appendix.)
7) J. P. W., Schreiben eines Ungenannten an seinen Freund in Mecklenburg etc. 4. Wehrburg 1739.
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aber nur zu noch größerer Heftigkeit gereizt ward. In seiner weitläuftigen Antwort, in welcher er zu verstehen gab, daß er seinen Gegner sehr wohl kenne, führte er wiederholt aus, daß es wider den Respect und das Ansehen des herzoglichen Hauses laufe, wenn man den Stammvater desselben "zum bloßen Edelmann creiren, und überdas denselben noch als einen Rebellen und ungerechten usurpatorem der Krone und Länder, so er regieret, angeben, mithin per indirectum seine Nachfolger als injustos detentores ihrer Länder venditiren wolle" 1 ). Dem Gewichte solcher Gründe konnten beide Gegner nicht widerstehen; sie erklärten sich öffentlich für überwunden 2 ).

So war denn Kirchbergs und Marschalks Ansehen einstweilen gerettet, und ihre Ansicht fand nach diesem Siege auch späterhin im In= und Auslande, z. B. bei Nugent 3 ), Gebhardi 4 ), Westphalen 5 ) und selbst bei v. Behr 6 ), treue Anhänger. Aber die Wissenschaft läßt sich eine einmal enthüllte Wahrheit, selbst durch den erzwungenen Widerruf ihrer ersten Zeugen, nicht wieder rauben! Schon Franck 7 ) und nach ihm der jüngere F. A. Rudloff 8 ) kamen auf die Ketzerei des Gerdes zurück und gaben wenigstens die Abstammung Niclots von Buthue auf, wenn gleich sie zum Troste eine noch ältere Abzweigung seines Geschlechts von der obotritischen Königs=Dynastie als möglich und wahrscheinlich annahmen. Die Neuern aber lassen auch diese, durch rein historisches Zeugniß gestützte, bloße Möglichkeit mit Recht auf sich beruhen; ihnen ist unser Niclot nichts, als ein "großer Güterbesitzer" 9 ), "ein kühner Häuptling" 10 ), ein "angesehener Obotrite" 11 ) von unbekannter Herkunft, welcher entweder durch die Wahl seines Volkes, oder durch eigne Macht zur Herrschaft gelangte.

Das Resultat dieses gewiß sehr lehrreichen literarischen Streites war also zunächst nur ein negatives, und dabei würden wir uns, nach der Erschöpfung alles ältern historischen Materials, auch jetzt beruhigen müssen, wenn uns nicht inzwischen durch die Bekanntmachung der ältern isländischen Geschichtsbücher und


1) J. F. Jargow, Antwort eines Freundes in Mecklenburg etc. . Klüver a. a. O. III, App. I).
2) J. P. W, schließliche Erklärung etc. (Gerdes a. a. O. IX, S. 1 - 21, 1743).
3) History of Wandalia, Append. I.
4) Origg. Mecklenb. p. 32 - 33. Origg. Guelf. III, p. 177 - 78.
5) Monum. Ined. II, praef. p. 65 sq.
6) Rer. Mecklenb. Lib. I, p. 83.
7) A. u. N. M. II, c. 27.
8) Gesch. Mecklenb. I, S. 98 u. 99.
9) v. Lützow, Gesch. von Mecklenb. I, S. 91 u. 315 ff.
10) Barthold, Gesch. von Pommern und Rügen II, S. 108.
11) Giesebrecht, Wendische Geschichten II, S. 217.
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Sagen eine neue Quelle eröffnet wäre, mit deren Benutzung eine Wiederaufnahme der Untersuchung günstigern Erfolg zu verheißen scheint. Bevor wir jedoch zu dieser Quelle selbst hinantreten, wird es nöthig sein, daß wir uns zuvörderst die Verhältnisse des Wendenlandes zur Zeit des Niclot, und die zunächst vorhergegangenen Ereignisse, ins Gedächtniß zurückrufen.

König Gottschalk hatte in Folge seines Eifers für die Verbreitung des Christenthums in einem wüthenden Aufstande, welcher sich von den Lingonen aus schnell über alle seiner Herrschaft unterworfenen Slavenstämme verbreitete, am 7. Junius 1066 zu Lenzen den Tod gefunden, und seine unglückliche Gemahlin, die dänische Königstochter Sigrid, war, gemißhandelt und geschändet, mit ihrem jungen Sohne Heinrich in die Heimath zurückgeschickt; an dem Altare des Radigast zu Rethra fiel das ehrwürdige Haupt des Bischofs Johannes; die eben erst erbauten christlichen Kirchen wurden zerstört, ihre Priester ermordet oder verjagt und jede Spur der verhaßten Lehre des gekreuzigten Heilandes vertilgt; selbst über die Gränzen des Wendenlandes hinaus trugen die ergrimmten Heiden Tod und Verwüstung, und Hamburg und Schleswig, die beiden bedeutendsten Städte der christlichen Sachsen diesseit der Elbe, fanden gleichzeitig ihren Untergang; - da erkannte das wendische Volk, daß das schon oft gelös'te und mit Blut bespritzte Band zwischen ihm und dem alten Königsgeschlechte für immer zerrissen sei. Mit entschiedener Zurückweisung der Söhne Gottschalks ward Kruto 1 ), der Sohn des Grinus , einstimmig zum Führer und Oberhaupte erwählt, und selbst Blusso, des erschlagenen Königs Schwager, welcher bisher an der Spitze der Empörung gestanden hatte, ward ein Opfer seiner verblendeten Herrschsucht. Vergebens suchte Buthue, Gottschalks ältester Sohn, den Thron seiner Väter mit sächsischer Hülfe wieder zu erobern; obwohl von einer slavischen, und wie behauptet wird, heidnischen Mutter geboren, betrachteten die Wenden den Sohn des christlichen Vaters und den Freund der Sachsen als Verräther der Freiheit seines Volkes, und waren entschlossen, lieber zu sterben, als das abgeworfene Joch noch ein Mal zu dulden. Zwar gelang es dem Herzoge Ordulph von Sachsen, seinem Schützling einen Theil seines väterlichen Reiches, wahrscheinlich Wagrien, zu er=


1) Früher ward der Name gewöhnlich Krito, in neuer Zeit dagegen nach der Ausgabe Helmolds von Bangert allgemein Kruko geschrieben. Nach der gütigen Mittheilung des Herrn Archivars Dr. Lappenberg, welcher mit einer neuen Bearbeitung der Chronik des Helmold beschäftigt ist, lesen indeß die besten Handschriften weder Crito, noch Cruco, sondern Cruto.
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halten, aber alle Anstrengung, denselben völlig wieder einzusetzen, blieb fruchtlos. Alljährlich bis zu seinem Tode unternahm Ordulph, wohl nur zum Schutze der eigenen Gränzen, einen Heereszug gegen die Wenden, aber stets sieglos ward er endlich selbst zum Gespötte der Seinen. Ja, als sein Sohn und Nachfolger, der tapfere Magnus, im J. 1072 einen neuen Versuch machte, die frühere Ordnung der Dinge wieder herzustellen, erlitten die Seinen eine so vollständige Niederlage, daß Hamburg zum zweiten Male in die Hände der siegenden Wenden fiel, und Buthue mit dem Reste seiner Herrschaft am 8. August vor der Festung Plön selbst das Leben verlor. Kruto aber behauptete sich nicht nur in den wendischen Ländern, sondern begünstigt durch den um eben diese Zeit erfolgenden Ausbruch langwieriger Unruhen im Innern Deutschlands, gelang es ihm, selbst das transalbingische Sachsen seiner Herrschaft zu unterwerfen 1 ).

Wie schmerzlich das christliche Gemüth auch durch den blutigen Gräuel ergriffen wird, der Gottschalks Tod begleitete, wie kränkend auch der Sieg der slavischen Waffen für das deutsche Nationalgefühl sein mag, ja, wie sehr man auch anerkennen muß, daß der Fortschritt des Menschengeschlechtes durch den Untergang der slavischcn Völkerschaften an der deutschen Ostseeküste bedingt war, - die Gerechtigkeit der Geschichte kann dennoch dem jungen Obotritenfürsten einen Ehrenplatz unter den ersten Helden seines Volkes nicht versagen. In den Augen dieses lange gedrückten und gemißhandelten obotritischen Volkes selbst aber mußten die Siege Krutos nothwendig einen tiefen, unvergeßlichen Eindruck hervorbringen. Seit Karls des Großen Zeit waren die Apostel der Religion und der Liebe unsern Slaven nur als die Vorposten der feindlichen Heere erschienen, und für sie war das Christenthum in der That gleichbedeutend mit Sclaverei. Somit ist es begreiflich, daß das alte Königsgeschlecht durch seine Hinneigung zu der neuen Lehre und seine Familien=Verbindung mit den Königen von Dänemark und den Herzogen von Sachsen das Vertrauen seines Volkes verlieren mußte, welches Sachsen, wie Dänen als seine Erbfeinde haßte und dem Glauben derVäter unerschütterlich anhing; ja, es konnte nicht fehlen, daß die Wenden sich allmählig gewöhnten, ihre Könige selbst als Fremde, als die Statthalter ihrer Unterdrücker zu betrachten, durch deren Waffen fast alle zum Reiche gelangt waren und in deren Namen sie die verhaßte Herzogssteuer zu erheben gezwungen waren. Da machte der lange verhaltene Grimm sich


1) Helmold I, c. 22 - 26. - Adam Brem. III, c. 49 u. 50, und c. 53 (bei Pertz M. G. IX, p. 354 - 55 und 361).
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endlich Luft; Gottschalk fiel am Altare der Christen, statt seiner ward Kruto durch die freie Wahl der Seinen zum Throne berufen, und plötzlich gewann alles eine andere Gestalt. Unter dem Schutze der alten heimischen Götter war nicht nur die verlorene Freiheit des Vaterlandes im raschen Siegesfluge wieder gewonnen, sondern der Sieger verstand es auch, die durch die gemeinsame Gefahr zum erstenmale freiwillig vereinigten Stämme dauernd zusammenzuhalten, und über den Trümmern des obotritisch=sächsischen Königreichs erhob sich in erweiterten Grenzen ein nationales Wendenreich, stark im Innern und gefürchtet nach Außen, nicht nur frei und unabhängig von jeglichem fremden Einflusse, sondern selbst den ehemals an die stolzen Feinde gezahlten schimpflichen Tribut von den nun Ueberwundenen zurückempfangend. Ein solcher Zustand der Dinge hatte bisher noch niemals bestanden, und die Regierung Krutos ist unbedingt die glänzendste Periode in der ganzen Geschichte der slavischen Völker dieser Gegend.

Ueber die Herkunft und die frühere Stellung des Kruto haben wir kein ausdrückliches Zeugniß. Helmold nennt ihn wiederholt den Sohn des Grinus; aber wo und unter welchen Verhältnissen dieser Vater gelebt habe, das finden wir weder bei ihm, noch bei einem andern Schriftsteller dieser Zeit. Dennoch pflegt man ihn allgemein als einen Fürsten von Rügen zu betrachten, und gewiß mit zureichendem Grunde. Die Geschichte dieser Insel zu jener Zeit ist zwar durchaus dunkel, so viel aber scheint gewiß, daß das der Insel gegenüberliegende Festland bis zur untern Reknitz und Trebel von alten Zeiten her unter den rügischen Königen stand 1 ); seit also die Kissiner und Circipaner die Herrschaft der Obotriten anerkannten, d. h. seit der Mitte des 11. Jahrhunderts 2 ), grenzte das Gebiet der letztern unmittelbar mit der Herrschaft Rügen. Hier aber war von jeher der Hauptsitz des wendischen Heidenthums, und wie das Ansehen des Oberpriesters in dem berühmten Tempel Swantevits zu Arcona durch das ganze Wendenland reichte, so waren auch die weltlichen Fürsten der Insel, welchen die Slaven ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, weithin gefürchtet und geehrt 3 ). Bei dieser Lage der Dinge scheint nichts natürlicher, als daß die Obotriten nach Ermordung und Vertreibung des einheimischen Königsgeschlechtes und der Rückkehr zum Hei=


1) Schon Adam Brem. 66 u. 225 kennt Rhuni an den Ufern der Pene in der Nachbarschaft von Demmin. Ich verweise im Allgemeinen auf Schwartz histor. finium principatus Rugiae, und Fabricius in der Einleitung zu seinem Cod. dipl. Rugiae.
2) Adam Brem. 140. Helm, I. c. 121. Vgl. Giesebrecht II. (S. 98 - 99.
3) Helm. I. c. 2 u. 36.
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denthume sich entweder unmittelbar mit ihren mächtigen heidnischen Nachbarn vereinigten, oder doch einen Sprößling der dort herrschenden Dynastie zu ihrem Oberhaupte erwählten, und nur unter dieser Voraussetzung sind die folgenden Ereignisse erklärlich. Denn Krutos Herrschaft umfaßte nicht nur das gesammte Slavenland, sondern seine Nachkommen fanden auch nach dem Verluste aller obotritischen und liutizischen Provinzen gerade auf Rügen ihre letzte Zuflucht, und behaupteten sich hier als unabhängige und selbstständige Fürsten. An eine Eroberung Rügens durch Kruto ist aber nicht zu denken, vielmehr bezeugt Helmold ausdrücklich, daß das tapfere Inselvolk niemals eine fremde Herrschaft geduldet, wohl aber viele fremde Völker die ihrige anerkannt hätten, und dies bezeugt er gerade bei Erzählung der unmittelbar auf Krutos Tod folgenden Ereignisse, mit sichtbarem Rückblick auf die Stellung eben dieses Fürsten 1 ). Somit dürften wir es als sichere historische Thatsache betrachten, daß die Insel Rügen der ursprüngliche Sitz des krutonischen Geschlechtes gewesen sei und daß dieser Fürst von hier aus durch freiwillige Unterwerfung der benachbarten Stämme sein mächtiges Reich bis an die Grenzen des nordelbischen Sachsens, dann aber auch durch seine Siege darüber hinaus bis an die Küsten des Nordmeeres ausgedehnt habe.

Es war ihm jedoch nicht vergönnt, dieses Reich auf seine Söhne zu vererben. Nachdem Heinrich, Gottschalks jüngerer Sohn, herangewachsen war, suchte er sofort die Ansprüche seines Hauses geltend zu machen. Auf dänischen Schiffen und mit Hülfe heimlicher Anhänger in der Heimath unternahm er mehrere glückliche Raubzüge an die wagrische Küste, die er allmählig weiter, wie es scheint, selbst bis zu den Inseln Rügens, ausdehnte, und zwang dadurch seinen bereits im Greisenalter stehenden Gegner zu einem friedlichen Abkommen. Kruto trat ihm einen Theil seiner Besitzungen, anscheinend in Wagrien, wo auch Buthue sich bis zuletzt gehalten hatte, ab, wogegen Heinrich sich ohne Zweifel seiner Oberherrschaft unterwarf. Kaum aber hatte dieser festen Fuß im Slavenlande gefaßt, als es ihm durch die Ränke der jungen Gemahlin des alten Helden, Slavina, gelang, sich seines, nach der wenig Vertrauen verdienenden Behauptung des treulosen Weibes, auf gleichen Verrath sinnenden Feindes gänzlich zu entledigen. Kruto fiel bei einem Gastmahle, welches sein scheinbar versöhnter Gegner auf Anstiften der Slavina in hinterlistiger Absicht veranstaltet hatte, unter dem Mordbeil eines gedungenen dänischen Sclaven, und Heinrich, im Besitze des


1) Helmold a. a. O.
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Ehebettes des gemordeten Königs, setzte sich mit Hülfe der unterdrückten Sachsen auch in Besitz der zunächst belegenen obotritischen Provinzen.

Auf diese Nachricht erhoben sich mit gerechter Entrüstung alle entfernter wohnenden Slaven im Osten und Süden, und wie vor 27 Jahren, ward auch diesmal ein entschiedener Christenfeind durch einstimmige Wahl auf den erledigten Thron berufen. Dieser säumte auch nicht, sofort mit einem zahlreichen Heere, welchem sich ohne Zweifel auch die Obotriten anschlossen, in Polabien einzudringen. Heinrich vermochte nicht zu widerstehen, sondern floh bestürzt zum Herzoge Magnus von Sachsen, seinem mütterlichen Verwandten, indem er ihm zum Lohne für den erbetenen Schutz Treue und Gehorsam gelobte. Inzwischen waren auch die Stormaren, Dithmarsen und Holsteiner zum Schutze der aufs neue bedrohten Freiheit zu den Waffen geeilt, und Magnus, anscheinend gerade am rechten Ufer der Elbe anwesend, stellte sich persönlich an die Spitze der kampfbegierigen Schaaren. Auf der smilower Haide kam es im Jahre 1093 zur Schlacht, in welcher dieWenden eine entscheidende Niederlage erlitten. So ward noch ein Mal, und wieder durch sächsische Waffen, die Herrschaft des alten verhaßten Königsgeschlechtes hergestellt. 1 )

Den Namen des heidnischen Gegenkönigs nennt Helmold nicht, sein Geschlecht aber kann auch ohne ausdrückliches Zeugniß nicht zweifelhaft sein. Kruto nämlich war, wie wir später erfahren, nicht ohne Söhne gestorben, vermuthlich in einer frühern Ehe erzeugt. Noch aber waren die ruhmvollen Thaten des Vaters im frischen Gedächtniß, und die jedes menschliche Gefühl empörende Art seines Todes mußte nothwendig sein Leben mit neuem Glanze umhüllen, dem Glanze des Märtyrerthums für die Sache seines Volkes. Wenn die Söhne Krutos daher nicht gezaudert haben werden, sich an die Spitze der schnell versammelten kriegerischen Jugend zu stellen, um die Freiheit des Vaterlandes zu retten und zugleich den Tod des Vaters zu rächen, so konnte in diesem Augenblicke auch in der Versammlung der Großen die Wahl des neuen Oberhauptes nicht im mindesten schwanken. Die Schlacht auf der smilower Haide war also sicher nur der Anfang des Kampfes, dessen Helmold freilich erst bei einer spätern speciellen Veranlassung gelegentlich gedenkt, des Kampfes um die Herrschaft zwischen den Geschlechtern Krutos und Gottschalks, welcher erst nach Verlauf von mehr als 50 Jahren mit dem völligen Untergange des letztern endigte. 2 )


1) Helm., c. 34. Ann. Saxo und Annal. Hildesh. ad a. 1093.
2) Helmold, a. a. O., berichtet die Wahl des Gegenkönigs mit folgenden Worten: Audientes ergo universi Slavorum populi, ii videlicet, qui habitabant (  ...  )
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Durch die Niederlage bei Smilow war nämlich zunächst nur der Verlust der obotritischen Gaue entschieden, während die östlicheren Stämme, namentlich Rügen, von welchen die Bewegung ausgegangen war, unter unabhängigen Fürsten aus Krutos Geschlecht die alte Freiheit behaupteten und in ihrer feindlichen Stellung gegen Heinrich beharrten. Ueber die Einzelnheiten des Kampfes in der nächsten Zeit sind wir nicht unterrichtet, aber im Jahre 1110 oder 1111 erschien plötzlich eine rügische Flotte im Hafen von Lübeck, Heinrichs Residenz, nicht zu einem vorübergehenden Raubzuge, sondern zur Eroberung des Landes, indem sie ganz Wagrien und selbst Nordalbingien als ihr Besitzthum betrachteten, wozu sie sich augenscheinlich nur durch die Erbansprüche ihres Königs berechtigt halten konnten 1 ). Heinrich aber fand abermals nur Rettung in der Flucht zu den befreundeten Sachsen, durch deren Tapferkeit er am 1. August einen entschiedenen, in der bedrängten Stadt noch in spätern Zeiten gefeierten Sieg erfocht, und noch heute zeigt man den Hügel, welcher die Leichen der erschlagenen Rügen deckt. Der Muth und die Kraft des Volkes und ihres Fürsten war aber dadurch nicht gebrochen. Schon im folgenden Jahre 1112 fand Waldemar, einer von Heinrichs Söhnen, seinen Tod in dem an der Ostgränze fortdauernden Kampfe, und nun erst beschloß Heinrich, in Verbindung mit dem Grafen Adolph von Holstein, den unversöhnlichen Feind in seinem eignen Gebiete anzugreifen.

Im Winter des Jahres 1113 drang er mit einem unermeßlichen Heere, die schwierigen Pässe an den sumpfigen Ufern der Reknitz und Trebel umgehend, verheerend über die Pene vor


(  ...  ) ad orientem et austrum, quod surrexisset inter eos princeps, qui dicat subjacendum christianis legibus et tributa principibus solvenda, vehementer indignati sunt, conveneruntque omnes una voluntate et eadem sententia, ut pugnarent adversum Henricum, et statuerunt in locum ejus, qui erat christicolis oppositus omni tempore. Der letzte Satz: qui erat (nicht esset) bezieht sich offenbar auf eine bestimmte Person, so daß man fast eine Lücke im Texte vermuthen möchte. Vergleicht man damit c. 25: At illi unanimiter refragari coeperunt, secuti Crutonem, filium Grini, qui erat inimicitias exercens adversus christianum nomen, - so könnte man versucht sein, in dem obigen Satze geradezu "filium Crutonis" zu ergänzen. - Des Streites um die Herrschaft zwischen den beiden Geschleschtern erwähnt Helmold erst bei dem dritten Ueberfalle Lübecks, c. 55. Es kann aber wohl Niemandem einfallen, seine ganz allgemein gehaltenen Worte auf dies eine Ereigniß beschränken zu wollen. Vgl. unten S. 21, Note 2.
1) Helm., c. 36: (Rugiani) ergo, dominationis libidine provocati, venerunt Lubeke, veluti possessuri omnem Wagirensium et Nordalbingorom provinciam. Vielleicht hing schon der unmittelbar vorhergehende Aufstand der Slaven und der Heereszug Lothars, Herzog von Sachsen, über die Elbe im Jahre 1110 hiemit zusammen. Ann. Hil esh. u. Ann. Saxo ad h. a. Wegen der Zeitrechnung verweise ich hier und in andern Fällen im Allgmeinen auf Giesebrechts treffliche Wendische Geschichten.
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und eroberte Wolgast. Hier vereinigte sich, auf demselben Wege heranziehend, das sächsische Heer mit den slavischen Schaaren, worauf Heinrich und Adolph, den gefrornen Bodden überschreitend, in die geheimnißvolle Insel eindrangen, die Sachsen an der Spitze, denn Heinrich wußte sehr wohl, wie wenig er in dem unnationalen Kriege seinen Wenden vertrauen dürfe. 1 ) Hier traf er alsbald auf das rügische Heer; zur Schlacht jedoch kam es nicht. Die Rügen wichen der Uebermacht und versprachen Unterwerfung und Tribut; die Verbündeten aber, ringsum vom Meere umgeben, den Feind im Angesicht und im Rücken, 2 ) kannten die Gefahr ihrer Stellung zu wohl, als daß sie das Anerbieten zurückzuweisen gewagt hätten. Kaum aber hatte das feindliche Heer die Insel geräumt, als die Rügen nicht mehr an die Erfüllung des abgedrungenen Versprechens dachten. So ward schon im folgenden Winter 1114 ein zweiter Feldzug nöthig, der selbst dem Herzoge Lothar wichtig genug erschien, daß er sich persönlich an die Spitze des Heeres stellte. Diesmal wählte man den nähern Weg durch das Gebiet der Circipaner, aber schon hier stellte sich ein slavischer Häuptling, Dumar, mit seinem Sohne dem Herzoge feindlich entgegen und suchte den Durchweg zu hindern. Er ward unterworfen, und zum zweiten Male trug die Eisbrücke ein sächsisches Heer nach der Insel hinüber, deren Fürst nochmals Unterwerfung geloben und seinen Bruder als Geißel stellen mußte. Schon nach drei Tagen kehrte das Heer zurück, weil die Eisdecke unsicher ward. Der Krieg aber dauerte auch in den folgenden Jahren fort, während Lothar durch seine Fehde mit dem Kaiser vom Schauplatze fern gehalten ward, und Heinrich erlebte das Ende desselben nicht. 3 )

Diese Feldzüge setzen außer allem Zweifel, daß die Herrschaft des immer noch ungenannten Inselkönigs sich fortwährend über das ganze Küstengebiet erstreckte, und selbst Circipanien erst 1114, vielleicht nur vorübergehend, unterworfen ward. Heinrich aber fand 5 Jahre nach dieser Zeit, am 26. März 1119, einen gewaltsamen Tod, und alsbald lö'ste sich das durch fremde Hülfe mühsam zusammengehaltene Reich in innerer Zwietracht auf.


1) Helmold, c. 38: Licet enim Slavorum multus esset numerus, Henricus tamen se non credebat eis, eo quod ipse nosset omnes.
2) Ecce mare undique conclusi sumus, hostes ante nos, et hostes post nos, periitque a nobis fugae praesidium, läßt Helmold einen Kundschafter Heinrichs sagen, nicht "rednerisch unwahr", wie Giesebrecht a. a. O., II., S. 199 meint, denn auch der Saum des Festlandes war feindlich.
3) Helm., c. 38, Ann. Corbej. Und Ann. Saxo ad a. 1114. Wegen der Fortdauer des Kampfes insbesondere Helm. 1. 1. in fine: Contigitque ut imperfectis rebus revertenles marina pericula vix evaserint, et non adjecerunt Saxones ultra intrare terrm Ranorum, eo quod Henricus modico supervivens tempore, morte sua controversiae finem dedit.
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Seine Söhne, Suentipolk und Kanut, stritten um die Herrschaft, und als sie endlich, durch die Vermittelung des Grafen Adolph von Holstein ausgesöhnt, eine Theilung beschlossen, da hatten sich inzwischen die meisten, nur mit Widerwillen gehorchenden Stämme dem Joche des verhaßten christlichen Herrschergeschlechtes entzogen 1 ). Zu den abgefallenen gehörten aber, wie die folgenden Ereignisse beweisen, namentlich auch die eigentlichen Obotriten mit den angrenzenden Kissinern, so daß außer Wagrien, dem bisherigen Schauplatz des Bruderkampfes, höchstens noch Polabien zur Theilung übrig blieb, der ganze Küstenstrich aber von Wismar bis an die rügische Grenze an der Mündung der Reknitz außer dem Bereiche der Brüder lag. Von wo diese nationale Bewegung ausgegangen war, wer an der Spitze derselben stand und in dem abgefallenen Gebiete an Heinrichs Stelle getreten war, das sagt uns abermals Niemand, aber nach dem bisherigen Gange der Ereignisse scheint es auch diesmal kaum eines ausdrücklichen Zeugnisses zu bedürfen, um uns den Zusammenhang erkennen zu lassen. Wir sind berechtigt, vorauszusetzen, daß die rügischen Fürsten, welche bei Heinrichs Tode annoch unter den Waffen standen, die Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer seit einem Vierteljahrhundert mit unermüdeter Ausdauer verfolgten Ansprüche auf den Thron ihres Ahnherrn Kruto nicht unbenutzt gelassen haben werden, und wirklich sehen wir sie auch in den nun folgenden Wirren namentlich hervortreten.

Die Versöhnung der feindlichen Brüder war nämlich nur scheinbar. Bald fiel der jüngere, Knud, durch Meuchelmord, allem Anscheine nach durch die Hand oder doch auf Anstiften Suentipolks, welcher nun im alleinigen Besitze des noch übriggeblieben Reiches sich sofort auch zur Wiedereroberung der abgefallenen Provinzen rüstete. Im Jahre 1121 unternahm er zu diesem Zwecke, von dem Grafen Adolph von Holstein, oder nach einer andern Quelle vom Herzoge Lothar selbst unterstützt, einen Heereszug gegen die Obotriten und Kissiner, dessen Erfolg jedoch sehr zweifelhaft scheint, auf jeden Fall aber vorübergehend war. Die Stadt Werle ward erobert und nach fünfwöchentlicher Belagerung auch Kissin zur Uebergabe gezwungen; weiter aber verfolgten die Verbündeten ihren Sieg nicht, sondern kehrten mit Beute und Geißeln, wie es heißt, nach Lübeck zurück 2 ), wo die Slaven bald darauf den Besuch in gleicher Weise erwiederten. Im Jahre 1124 erschien nämlich die rügische Flotte


1) Helmold, c. 46: Filii Henrici - - - intestinis bellis adeo perturbati sunt, ut tranquillitatem temporum et tributa regionum perderent, quae pater eorum armorum virtute conquisierat. Vgl. auch c. 48.
2) Helmold, c. 48 u. Ann. Saxo ad a. 1121.
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zum zweiten Male vor Lübeck, Stadt und Burg wurden durch Ueberfall erobert, und kaum retteten sich die durch den frommen Apostel der Wenden mit Suentopolcks Bewilligung dorthin gesendeten Priester durch eilige Flucht in die benachbarten Wälder, von wo sie zu ihrem Meister nach Faldera zurückkehrten. 1 )

Was hierauf aus den Siegern geworden sei, verschweigt Helmold. Wenn aber nicht Alles trügt, so giebt uns eine andere, bisher nicht verstandene Quelle unerwarteten Aufschluß über den Umfang und die wichtigen Folgen dieses Ereignisses.

Nach einer polnischen, so wie sie uns überliefert ist, allerdings räthselhaften Sage, lebte um diese Zeit an dem Hofe des Herzogs Boleslav von Polen ein Jüngling von vornehmer, wie es heißt, dänischer Abkunft, Piotrek, d. h. Peter, genannt, welcher sich durch hohen Geist, Tapferkeit und strenge Sitten sehr bald die Achtung der polnischen Großen und das volle Vertrauen des Herzogs erwarb. Während seines Aufenthalts in Polen ward der König von Dänemark, Heinrich, durch seinen Bruder, Abel, ermordet, weshalb Peters Vater, Suantoslav, welcher den Schatz des ermordeten Königs in seinem Verwahrsam hatte, den Sohn durch geheime Boten aufforderte, ihm zur Bergung des Schatzes behülflich zu sein, damit derselbe nicht in die Hände des Brudermörders falle. Peter seiner Seits wendet sich an den Herzog, und dieser versammelt sofort im Frühjahr 1124 eine Flotte in den Mündungen der Weichsel, mit welcher sich die Schiffe anderer benachbarter Seestädte vereinigen, und auf welcher der Herzog in Begleitung des Peter nach Dänemark übersetzt. Hier vom Volke als Befreier begrüßt, gelingt es ihm leicht, den Brudermörder aus dem Lande zu jagen und ganz Dänemark zu erobern. Unterdeß hatte Peter mit Hülfe seines Vaters den königlichen Schatz glücklich geborgen, worauf Boleslav die eroberten Städte an die Großen des Reiches zurückgiebt, und nachdem er diese zur Wahl eines andern legitimen Königs veranlaßt hat, nach Polen zurückkehrt. 2 )


1) Helmold, a. a. O. Das Jahr ist nicht angegeben. Vicelin erschien aber erst nach dem erwähnten Heereszuge von 1121 in Lübeck, um die Erlaubniß zur Entsendung einiger Priester, welche demnächst nach Lübeck gingen, dort den christlichen Gottesdienst einrichteten und schon einige Zeit daselbst gewohnt hatten, als die Stadt von den Rügen überfallen ward, zu erwirken. Darüber werden wenigstens drei Jahre verlaufen sein. 1125 aber ward das Kloster zu Faldera gestiftet welches nun Neumünster hieß. Helm., c. 93. AIb. Stad. 1125. Vgl. Giesebrecht II. S. 299.
2) Boguphal († 1253) Chron. Polon., bei Sommersberg rer. Silesiacar. Scr. II, p. 36, und Dlugoss, histor. Polon. (ed. ab Huysen. Lips. 1711) IV. p. 420 sqq. 435. 439 u. V. p. 462. Beider Quelle sind die leider verlornen gesta Pyotrkonis. - Erst nachdem diese Abhandlung zum Drucke fertig war, ward es mir möglich, J. G. Worb's neues Archiv für die Geschichte Schlesiens, (  ...  )
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Daß nun diese Ereignisse nicht in Dänemark vorgegangen sind, wie die Sage meldet, ist völlig klar. In der ganzen dänischen Geschichte kommt kein König Heinrich vor, und der Brudermörder Abel lebte 100 Jahre nach dieser Zeit. Auch weiß keine dänische Geschichtsquelle irgend etwas von einer polnischen Landung, am wenigsten einer fremden Eroberung des Reiches. Dagegen weis't schon der Name des Vaters unsers jungen Abenteurers, Suantoslav, auf ein slavisches Land, als den Schauplatz der Ereignisse hin, und der ermordete König Heinrich ist offenbar kein anderer, als Heinrich der Obotrite. Daß die vorübergehende Erscheinung eines von Dänemark aus, durch den in der Heimath der Mutter erzogenen Sohn einer dänischen Königstochter gegründeten christlich=wendischen Reiches, dessen Krone nach wenigen Jahren wirklich auf Dänemark vererbte, daß diese Erscheinung von dem polnischen Berichterstatter unrichtig aufgefaßt und der König Heinrich als ein dänischer Theilkönig betrachtet wird, scheint sehr begreiflich. In dem weitern Verlaufe der Erzählung aber ist der brudermörderische Zwist der Söhne Heinrichs auf diesen selbst übertragen, die Rolle des Brudermörders aber dem Beschützer Suentipolks, dem Grafen Adolph von Holstein, zugetheilt, welchen Peter allerdings als den eigentlichen Herrn des Landes angetroffen haben wird. Der Name Abel scheint nämlich eine bloße Verwechselung mit der dem Polen unbekannten niederdeutschen Form Alf, oder Alph, zu sein, wie z. B. in den lübischen Chroniken unser Graf Adolph stets genannt wird.

Boleslav war übrigens grade in dem gedachten Frühjahr in seiner Haupstadt Gnesen mit der Ausrüstung des Bischofs Otto von Bamberg zu der Mission nach dem bereits 1121 eroberten Pommern beschäftigt und hat schwerlich selbst an dem Zuge Theil genommen. Dies darf man schon daraus mit Sicherheit schließen, daß nicht er, sondern Peter in dem vollen Besitze des geraubten Schatzes blieb, von welchem er zur Sühne seines Frevels der Sage nach 77 Kirchen erbaute und große Besitzungen ankaufte, so daß Boleslav den nunmehrigen Grafen von Sczryn nicht zu gering achtete, ihn mit einer nahen Verwandten seiner eignen Gemahlin, der Prinzessin Maria, Tochter eines ruthenischen Fürsten, zu vermählen. Auch ist von einer polnischen Flotte um


(  ...  ) worauf ich durch Giesebrecht II, S. 261, Anm. 2, aufmerksam gemacht war, einzusehen. Zu meiner nicht geringen Ueberraschung finde ich daselbst Th. II, S. 39 ff. (1824) im Wesentlichen bereits dieselbe, hier ausgesprochene Ansicht über Peter den Dänen vorgetragen. Der Verfasser macht zugleich auf den Bericht des Mönches Ortlieb aufmerksam, welcher 1140 eine Reise nach Polen machte und den regierenden Fürsten in der Heimath Peters (hier Patricius genannt) als quendam Polonorum tyrannum, also als slawischen, nicht dänischen König bezeichnet. Arsenii Sulgeri Ann. Zwifalt. I. p. 98 - 105.
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diese Zeit sonst nichts bekannt, vielmehr kann dieselbe nur aus pommerschen und rügischen Fahrzeugen bestanden haben, so daß der ganze angebliche polnische Seezug als völlig identisch mit der in dieselbe Zeit fallenden Landung der Rügen bei Lübeck erscheint.

So hätten wir denn in diesem polnischen Berichte ein höchst wichtiges directes Zeugniß, daß der Erfolg dieser Unternehmung gegen Lübeck sich nicht auf die Eroberung und Plünderung der Stadt beschränkte, sondern einen Aufstand der slavischen Bevölkerung der Umgegend zur Folge hatte, welcher mit der Vertreibung Suentipolks und der Einsetzung eines neuen nationalen Königs endete, über dessen Geschlecht und Herkunft nach dem Zusammenhange der Ereignisse kein Zweifel obwalten kann. Wirklich berichten auch die gleichzeitigen deutschen Annalen, in vollkommener Uebereinstimmung hiemit, eine Schilderhebung der Slaven, welche den Herzog Lothar in dem folgenden Jahre 1125 zu einem Heereszuge über die Elbe nöthigte, von dem er jedoch unverrichteter Sache zurückkehrte 1 ). Während dieser Wirren wird denn auch Suentipolk seinen Tod gefunden haben, welchen Helmold unmittelbar nach der Eroberung Lübecks erichtet. Er ward von einem Holsteiner, Daso, erschlagen, und sein einziger Sohn, Suinike, floh, vermuthlich mit dem abziehenden sächsischen Heere, nach Ertheneburg, wo er bald darauf, der letzte aus Heinrichs Geschlecht, gleichfalls einen gewaltsamen Tod fand 2 ).

Unmittelbar nach diesen Ereignissen treten nun Pribislav, Buthues Sohn, und Niclot , der Stammvater unsers erlauchten Fürstengeschlechtes 3 ), als Kronprätendenten hervor. Ersterer, nach Suentipolks und Suinikes Tode der einzige noch lebende Sprößling der alten Dynastie, suchte natürlich die nun auf ihn vererbten Ansprüche seines Hauses geltend zu machen; wer kann daher Niclot, den wir bei seinem ersten Auftreten an der Spitze der Obotriten finden, anders gewesen sein, als ein Sprößling des krutonischen Geschlechtes, welches seit dem Tode seines Ahnherrn von seiner heimathlichen Insel aus in ununterbrochenem Kampfe um die Herrschaft beharrte, neuerdings aber durch die Eroberung der feindlichen Hauptstadt und die Vertreibung Suentipolks seine Anerkennung selbst in Wagrien, der äußersten westlichen Provinz des alten obotritischen Reiches, erzwungen hatte?


1) Ann. Saxo ad a. 1125: Eodem anno dux Liuderus contra Slavos trans Albiam ivit, sed inacte rediit.
2) Helmold a. a. O.
3) Helmold schreibt stets Niclotus; ebenso nennt Arnold, Lubec, seinen Enkel, Wartislavs Sohn, und auch das Chron, Mont. Sereni hat: Nicoloth, Saxo Gram, dagegen: Nucletus, Annal. Bosow.: Niuclat, Chronogr. Saxo: Niuklath, Knytl. Saga; Miuklat, und noch Boguphal: Mikkol und Mykel. Man hielt den heidnischen Namen dem christlichen Nicolaus entspechend.
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Und diese sich so natürlich darbietende Vermuthung scheint durch die Stellung Niclots in der folgenden Zeit vollkommen bestätigt zu werden.

Der Herzog Lothar war bald nach seiner Rückkehr von dem fruchtlosen Heereszuge über die Elbe am 24. Aug. 1125 durch die Wahl der Fürsten zum Oberhaupte des Reiches erhoben, und die Sorgen dieser neuen, schwierigen Stellung, welche ihn namentlich sofort in eine schwere Fehde mit dem Hohenstaufen Friedrich, Herzog von Schwaben, verwickelte, ließen ihn nicht daran denken, die Unruhen im Wendenlande durch bewaffnetes Einschreiten zu unterdrücken. Gleichwohl war der Zustand der Dinge ohne Zweifel höchst bedenklich, da durch die Wiederherstellung des wendischen Reiches unter einem einheimischen heidnischen Fürsten offenbar selbst die sächsischen Provinzen nördlich von der Elbe auf's Neue bedroht waren. Da trat Knud Laward, Herzog von Schleswig, ein Vetter Heinrichs des Obotriten von mütterlicher Seite, neben Pribislav und Niclot als dritter Bewerber um die obotritische Königskrone auf, die ihm Heinrich selbst, mit Uebergehung der eigenen Söhne, zugesichert haben soll, und suchte die Anerkennung des ihm befreundeten Königs nach. Gegen reiche Geldgeschenke erreichte er, was er in diesem Augenblicke wahrscheinlich auch ohne dieselben erreicht haben würde: Lothar setzte ihm selbst die Krone aufs Haupt, und Knud empfing das Reich als Lehn des Königs 1 ).

Nach seiner Rückkehr aus Deutschland machte denn Knud auch sofort Anstalt, sein neues Königreich in Besitz zu nehmen, wobei ihm die Holsteiner, deren Graf Hartung, Adolphs Sohn, grade damals mit Lothar in Böhmen war, bereitwillig halfen. Von dem befestigten Alberg in Wagrien aus beherrschte er bald die umliegende Gegend, und drang dann, alles vor sich niederwerfend, was Widerstand leistete, weiter in das Gebiet der Obotriten vor, wobei seine beiden Gegner, Niclot und Pribislav, das Unglück hatten, in Gefangenschaft zu gerathen. Dieses gemeinschaftliche Schicksal hat bei den Neuern die Meinung erzeugt, als ob diese Fürsten dem Knud als Bundesgenossen gegenüber gestanden hätten; davon aber sagt Helmold kein Wort, und nach


1) Helmold c. 49. Giesebrecht a. a. O. II, S. 216, nimmt an, daß Knud schon vor der Wahl Lothars zum deutschen Könige als König der Wenden gekrönt sei, weil Graf Adolph von Holstein nach Helwold damals nicht mehr gelebt habe, sein Tod aber vor 1125 erfolgt sei. Helmold sagt das aber nicht. Er berichtet den Tod Adolph allerdings nach der Krönung Knuds, aber mit der allgemeinen Zeitbestimmung: in diebus illis, was sehr wohl auf die kurz vorhergegangene Zeit zurückweisen kann. Dagegen nennt er den Lothar ausdrücklich imperator, und die Handlung selbst spricht entschieden gegen Giesebrecht, was dieser auch, S. 217, Not. 1, selbst fühlt.
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Lage der Sache ist vielmehr wahrscheinlich, daß grade der fortdauernde innere Zwiespalt im Wendenlande den Sieg des gemeinschaftlichen Gegners erleichtert haben wird. Sie wurden in Ketten nach Schleswig abgeführt, wo sie wahrscheinlich bis Knuds Tod im Kerker schmachteten; wenigstens gelangten sie nicht früher wieder zu dem Besitz ihrer Herrschaft. Wie weit Knud seinen Sieg verfolgt und die Grenzen seines Reiches ausgedehnt hat, wissen wir nicht; die gelegentliche Aeußerung des Saxo grammaticus, daß derselbe ein Freund des Fürsten Wartislav von Pommern gewesen sei, läßt indeß allerdings vermuthen, daß auch die Kissiner und Circipaner bis zur Reknitz, Trebel und Pene seine Herrschaft anerkennen mußten. Weiter aber ging diese auch sicherlich nicht, und namentlich wußten sich die Rügen auch jetzt die alte Unabhängigkeit unter dem einheimischen Fürstengeschlechte zu bewahren 1 ).

Auch Knuds Reich war nur von kurzer Dauer. Er fiel am 8. Jan. 1131 von der Mörderhand seines Vetters Magnus, Sohnes des Königs Niels, wodurch endlich der Kerker unserer Wendenfürsten geöffnet ward. Auf die Nachricht von Knuds Ermordung unternahm nämlich Lothar noch in demselben Jahre eine Heerfahrt nach Dänemark, um den Tod seines Vasallen und Freundes zu rächen und das Ansehen des Reiches zu erhalten. Magnus rückte ihm mit einem mächtigen Heere entgegen und scheint zugleich die gefangenen Wendenfürsten in ihre Heimath entlassen zu haben, um seinen Feind zugleich im Rücken zu beunruhigen. Hiedurch ward Lothar gezwungen, den Frieden zu bewilligen. Magnus büßte den Mord des Knud durch große Geldsummen und ward dagegen vom Kaiser mit dem erledigten Obotriten=Reiche belehnt. Hierauf wandte sich Lothar gegen die empörten Wenden, welche, leicht besiegt, das Abkommen mit Dänemark anerkennen mußten. Das Land ward zwischen Niclot und Pribislav getheilt, so daß ersterer das alte Gebiet der Obotriten und Kissiner, dieser Wagrien und Polabien erhielt. Beide aber mußten Bürgschaft ihrer Treue stellen und die Verwaltung ihrer Provinzen als dänische Statthalter geloben. So wenigstens scheint sich der Zusammenhang der Dinge aus der Vergleichung der verschiedenen dänischen und deutschen Berichte herauszustellen 2 ).


1) Dies ergiebt sich namentlich aus den Berichten über die Mission des Bischofs Otto. Vgl. Giesebrecht.
2) Saxo Gr. XIV. (ed. Stephan.) p. 242. Helmold c. 50 und die deutschen Analisten. Der Befreiung der beiden Wendenfürsten erwähnt Helmold zwar vorgreifend schon c. 49 bei Gelegenheit ihrer Gefangennehmung und strengen Haft in Schleswig: quousque pecunia et vadibus redempti, ea, quae subjecta sunt, sentirent. Das Nähere berichtet er aber erst c. 52: Postquam ergo mortuus est Kanutus - - rex Obotritorum, successerunt in locum (  ...  )
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Magnus konnte indeß bei den unaufhörlichen innern Unruhen Dänemarks nicht daran denken, seine Oberherrschaft über das Wendenland geltend zu machen, und nach seinem und seines Vaters, des Königs Niels, fast gleichzeitigem Tode, 1135, entbrannte ein neuer Bürgerkrieg, welcher Dänemark an den Rand des Verderbens führte. Indeß scheint die Furcht vor den Sachsen und dem Schwerte des mächtigen Kaisers, welcher um diese Zeit mehrmals persönlich in Nordalbingien erschien und zur Unterdrückung des Heidenthums selbst in den slavischen Ländern sehr bedenkliche Anstalten traf 1 ), so wie die drohende Stellung Boleslavs von Polen an der untern Oder, die wendischen Fürsten noch eine Zeit lang zur Einigkeit gezwungen zu haben. Kaum aber war der Kaiser am 3. Decbr. 1137 und in dem Jahre darauf auch der Herzog von Polen gestorben, als der alte Groll aufs Neue in offenem Kampfe ausbrach und nur mit Pribislavs völliger Vernichtung endete.

Im Sommer 1138 erschien zum dritten Male eine rügische Flotte unter Anführung des Fürsten Race , welcher ausdrücklich ein Nachkomme Krutos genannt wird, um den Pribislav, den Erbfeind seines Geschlechtes, in dessen Hauptstadt Lübeck aufzusuchen 2 ). Die Stadt ward in Abwesenheit des Pribislav von Grund aus zerstört und die Umgegend weit und breit verwüstet. Niclot dagegen, der nächste Nachbar der Rügen, ward in keiner Weise beunruhigt, sondern scheint den Ueberfall Lübecks vielmehr direct unterstützt zu haben. Helmold erwähnt zwar seines Verhaltens überall nicht, aber wie bei den frühern, ähnlichen Ereignissen läßt er auch hier den weitern Verlauf der Dinge überhaupt nur errathen, denn auch Races weiteres Schicksal und der Erfolg seines Sieges wird mit völligem Schweigen übergangen. Der fromme Pfarrherr läßt den vom Teufel besessenen Heiden mit Abscheu auf den Trümmern Lübecks zurück


(  ...  ) ejus Pribizlaus atque Niclotus, bipartito principatu, uno scilicet Wagirensium atque Polaborum, altero Obotritorum provinciam gubernante. Den Ausdruck: ea quae subjecta sunt sentire, gebraucht Helmold noch einmal c. 92 bei Gelegenheit der Einsetzung des Lubimar als sächsischen Statthalters in Werle, und in demselben Sinne begegnet der Ausdruck bei seinem Fortsetzer Arnold. Lubec. II, c. 27. - Des Aufstandes der Slaven im Rücken des kaiserlichen Heeres gedenkt Ann. Saxo ad a. 1131. Daß dies mit der Freilassung des Niclot und Pribislaus zusammenhing und auf des Magnus Anstiften geschah, scheint aus den Verhältnissen zu folgen. Ueber die Belehnung des Magnus mit dem Obotriten=Reiche vgl. Giesebrecht II, S. 335 - 336.
1) Helmold c. 53. Alb. Stad. ad a. 1134.
2) Helm. C. 55. Non multo post venit quidam Race de semine Crutonis cum classica manu, arbitratus se hostem suum Pribizlaum reperturum Lubeke. Duae enim cognationes, Crutonis atque Henrici (rect. Godescalci), propter principatum contendebant. - Der Name Race ist identisch mit Ratislav, Wratislav, Wartislav wie Tece mit Tetislav, Tetzlav.
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und wendet sich mit den fliehenden Priestern zu den geheiligten Mauern Neumünsters; als er sich aber endlich der Vorgänge außerhalb der Klostermauern wieder erinnert, da ist Race und mit ihm zugleich Pribislav völlig verschwunden. Aber die entfesselten Wenden durchstreifen verwüstend das Land im offnen Kriege mit den Sachsen, welche auch unter sich zerfallen um die holsteinsche Grafenwürde streiten, dennoch aber noch im Winter 1138 - 39 ganz Wagrien erobern und selbst Polabien als sächsische Provinz behandeln. Kein Wort verräth uns, wer die Wenden in diesem unglücklichen Kampfe geführt und wie weit sich diese Bewegung erstreckt habe; als aber im folgenden Jahre endlich der Friede unter den streitenden Grafen, Adolph II. von Schauenburg und Heinrich Badewide, hergestellt war, da wurden sofort auch mit Niclot, dem Fürsten der Obotriten, Verhandlungen eingeleitet. Mit seiner Genehmigung wurden Wagrien und Polabien theils zu Holstein geschlagen, theils zu einer abgesonderten Grafschaft erhoben und das verödete Land mit deutschen Colonisten bevölkert, die Ueberreste der Slaven aber auf das Gebiet von Aldenburg und Lütkenburg beschränkt, wo sie forthin, zwar unter sächsischer Oberherrschaft, aber doch mit einem einheimischen heidnischen Fürsten erscheinen, und dieser Fürst war Rochil, gleich Race ein Nachkomme Krutos, ohne Zweifel Races Sohn 1 ).

Dieser Ausgang läßt die Stellung Niclots zu den Rügen und dem dort herrschenden Fürstengeschlechte deutlich genug erkennen. Auch in den folgenden Zeiten findet sich keine Spur, daß die letztern ihre Ansprüche auch auf die unter Niclot stehenden obotritischen Provinzen ausgedehnt hätten, vielmehr ist der fast hundertjährige Kampf der beiden Dynastien mit Pribislavs Fall plötzlich erloschen und fortan herrscht zwischen allen slavischen Stämmen längs der ganzen Küste von Rügen bis zur sächsischen Grenze das vollkommenste Einverständniß. Diese Einigkeit bewährt sich namentlich auf das glänzendste bei Gelegenheit des furchtbaren Kreuzzuges, welcher im Jahre 1148 die Freiheit des Wendenlandes, ja selbst die Existenz des Volkes auf immer zu vernichten drohte. Der Hauptstoß des mächtigen deutschen Heeres, mit welchem der junge Löwe, Herzog Heinrich von Sachsen,


1) Helm. c. 55 - 57; wegen des Friedens mit Niclot insbesondere c. 57, §. 5, und wegen der Slaven in Aldenburg und ihres Fürsten Rochil (princeps terrac, qui fuerat de semine Crutonis) c. 69, §. 15 (1150). - Der später c. 82 u. 83 genannte regulus Pribizlav kann unmöglich noch der Sohn Buthues sein. Die hier geschilderten Ereignisse fallen in das Jahr 1156, Pribislav benimmt sich aber nicht als ein 85= bis 90= jähriger Greis. Vielleicht war er ein Bruder des gleichfalls nicht wieder vorkommenden Rochil.
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nebst den übrigen Fürsten aus dem Norden und Süden Deutschlands zum ersten Male den slavischen Boden betrat, war gegen unsern Niclot gerichtet, welcher bei dieser Gelegenheit die ganze Stärke seines heldenmüthigen Geistes entwickelte. Aber die feindliche Uebermacht war allzubedeutend, und schon sah Niclot, durch das Kreuzheer in seiner Feste Dobbin eingeschlossen und zugleich durch die dänische Flotte vom Meere abgeschnitten, seinem unvermeidlichen Untergange entgegen, da erschien wiederum die wohlbekannte rügische Flotte, aber dies Mal nicht in eroberungssüchtiger Absicht, sondern zum Entsatze des bedrängten Bundesgenossen. Während die dänischen Schiffe im Hafen von Wismar überfallen wurden, machte auch Niclot einen glücklichen Ausfall und erzwang so durch die kräftige Hülfe des befreundeten Inselfürsten einen günstigen Frieden 1 ).

Nicht minder bereitwillig zu schleuniger, erfolgreicher Hülfe zeigte sich der rügische Fürst bei der zweiten Heimsuchung des Wendenlandes durch das vereinigte sächsische und dänische Heer unter Herzog Heinrich und König Waldemar im J. 1161. Niclot hatte seine Burgen Schwerin, Meklenburg, Ilow und Dobbin den Flammen preisgegeben und sich hinter die schützende Warnow in die kissinischen und circipanischen, mit großen Wäldern bedeckten Landschaften zurückgezogen und unternahm von der festen Burg Werle aus glückliche Streifzüge gegen das sächsische Lager bei Meklenburg. Auf einem dieser Züge ließ sich der greise Held durch seinen Kriegsmuth zu weit fortreißen und fiel in einen sächsischen Hinterhalt, wo er nach tapferer Gegenwehr einen rühmlichen Tod fand. Hierauf gaben seine Söhne Pribislav und Wartislav auch Werle auf, brachten ihre Familien zur See in Sicherheit, ohne Zweifel nach Rügen und zogen sich tiefer in die Wälder zurück. Inzwischen war die dänische Flotte, welche bisher bei Pöl im Hafen von Wismar gelegen hatte, weiter nach Osten in die Mündung des Gudakra gesegelt, um die feste Stellung der Wenden im Rücken zu bedrohen, während das sächsische Heer gleichzeitig gegen die Warnow vorrückte. Schon hatten sich beide Heere bei Rostock vereinigt, da ward den bedrängten Wenden nochmals durch eine rügische Flotte Rettung gebracht. Waldemar, die Gefahr erkennend, in dem Hafen von Gudakra abgesperrt zu werden, zog seine Landungstruppen eilig zurück und segelte der feindlichen, in der Mündung des Swölder versammelten Flotte entgegen. Herzog Heinrich, plötzlich von seinem Bundesgenossen verlassen, sah sich nochmals zum


1) Saxo Gr. XIV, p. 254 - 55. - Knytlinga Saga (ed. Rafn) c. 108. - Helmold c. 65.
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Frieden genöthigt, durch welchen dem jungen Wendenfürsten wenigstens das Gebiet rechts von der Warnow gerettet ward 1 ).

Aus diesen Vorgängen erfahren wir zugleich mit Sicherheit, daß die Herrschaft Niclots damals, außer dem eigentlichen Obotritien, auch das ganze Gebiet der Kissiner und Circipaner umfaßte, und ein anderes Ereigniß, welches ins Jahr 1151 fällt, beweiset, daß dies auch schon in früheren Zeiten der Fall war.

In dem dobbiner Frieden hatte Niclot nämlich außer der Annahme des Christenthums für sich und sein Volk ohne Zweifel zugleich die Wiederentrichtung des herkömmlichen Tributes, der sogenannten Herzogssteuer (woywodnizha), geloben müssen. Die erste Bedingung war nach dem Abzuge des feindlichen Heeres leicht vergessen, von der zweiten aber war nicht so leicht abzukommen. Dadurch aber ward seine Stellung zu dem eigenen Volke, welches diese drückende Steuer unter den alten Königen von je her nur mit dem größten Widerwillen gezahlt hatte, gefährdet. In dem gedachten Jahre brach die Unzufriedenheit in offene Widersetzlichkeit aus, indem namentlich die Kissiner und Circipaner die Entrichtung der Steuer entschieden verweigerten. In dieser Verlegenheit wandte sich Niclot, das Ausbleiben des Tributes entschuldigend, nach Lüneburg, wo er gerade zu der Zeit ankam, als Herzog Heinrich zur Wiedereroberung des ihm vom Kaiser vorenthaltenen Herzogthums Baiern eine Heerfahrt nach dem südlichen Deutschland unternommen hatte 2 ). Die Herzogin vermochte indeß den Grafen Adolph von Holstein, sofort mit einem Heere aufzubrechen, um den Aufstand zu unter=


1) Saxo Gr. P. 292 sq. - Knytlinga Saga c. 119 u. 120. Helmold c. 87.
2) Helmold c. 71. In diebus autem, quibus dux aberat, venit Niclotus, princeps terrae Obotritorum, ad dominam Clementiam ductricem Lunenburg, et conquestus est in facie ejus et amicorum ducis, quia Kycini et Circipani paulatim rebellare coeperint et obniti tributis iuxta morem persolvendis. - Böttiger, Geschichte Heinrichs des Löwen, S. 111 flgd., setzt diese Fahrt nach Baiern in das Jahr 1150, aber sicher mit Unrecht. Am 9. Octbr. 1149 ward Vicelin zum Bischofe von Oldenburg geweiht: Helmold c. 73. Darüber entstand Zwist mit dem Herzoge und dem Grafen Adolph, welcher letztere dem Bischofe namentlich den Zehnten vorenthielt. Dieser begiebt sich in Folge dessen zum Herzoge, erkrankt auf der Rückkehr und ist nach seiner Ankunft in Faldera längere Zeit (multum temporis) geschäftsunfähig. Nach seiner Wiederherstellung geht er nach Bremen zum Erzbischofe und zurück nach Faldera, wo er eine Inspectionsreise durch seinen Sprengel macht. Hierauf neue schriftliche Verhandlungen mit dem Grafen und dem Herzoge, endlich eine zweite Reise nach Lüneburg, wo er den Herzog mit der Rüstung zu dem Zuge nach Baiern beschäftigt findet. Helm. c. 69 u. 70. Dieser kann also unmöglich schon im Frühjahr 1150, er kann nicht vor 1151 stattgefunden haben. Zum Weihnachtsfeste dieses letzteren Jahres kehrte Heinrich aber zurück. Damit stimmen überein Epist. Vibald. Nr. 320. 323. 324. Albert. Stadens. 1151. Additam. ad Lambert. 1151. Chron. Stederb. 1151. Vgl. auch Giesebrecht a. a. O. III, S. 46 u. S. 51 flgd.
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drücken, was ihm im Vereine mit Niclot leicht gelang. Die kissinischen und circipanischen Gaue wurden ohne Widerstand verwüstend durchzogen, gelegentlich, gewiß nicht auf Niclots Wunsch, ein berühmter Tempel zerstört und die verweigerte Steuer mit Wucher eingetrieben. Uebrigens erwähnt Helmold später einer Gefangenhaltung Niclots in Lüneburg, aus welcher derselbe erst durch die kriegerische Unternehmung seiner Söhne befreiet ward 1 ). Wäre die Vermuthung begründet, daß dies bei dieser Gelegenheit geschah 2 ), so würde dadurch um so sicherer bewiesen, daß der Aufstand nicht gegen den eigenen Fürsten gerichtet war, sondern gegen die fremde Zinsbarkeit.

Jedenfalls ergiebt sich hieraus mit voller Gewißheit, was für den Fortgang unserer Untersuchung von höchster Wichtigkeit ist, übrigens auch von niemandem bezweifelt wird, daß die erwähnten Landschaften am rechten Ufer der Warnow nicht etwa erst jetzt unter Niclots Herrschaft geriethen, sondern von Anfang an zu derselben gehörten. Bei den freundschaftlichen Verhältnissen unsers Fürsten zu seinen slavischen Nachbaren ist auch jeder Gedanke an eine gewaltsame Erweiterung seiner Grenzen gegen Osten, namentlich nach dem Jahre 1148, von vorne herein zu verwerfen, vielmehr geht aus Allem hervor, daß die großen circipanischen Moore an den Ufern der Reknitz und Trebel, welche seit alten Zeiten die von der Natur selbst gebildete Scheide zwischen den 4 verbündeten luitizischen Stämmen und den Rügen gebildet hatten, auch jetzt von beiden Seiten als Grenze anerkannt wurden, und daß namentlich die Rügen seit dem ersten Auftreten Niclots eine Ausdehnung ihrer Herrschaft über diese Gränze hinaus nicht in Anspruch genommen haben. Daher durfte jener es wagen, sich in dem letzten entscheidenden Kampfe mit Aufgabe der gesammten altobotritischen Länder hinter die Warnow zurückzuziehen, und als seine Söhne, Pribislav und Wartislav, mit ihrem alten Oheim Lubimar, Niclots Bruder, welcher hier (1163) zum ersten und zugleich zum letzten Male genannt wird 3 ), eine Zeit lang ausschließlich auf dieses Gebiet beschränkt waren, ward von slavischer Seite nicht nur kein Widerspruch dagegen erhoben, sondern sowohl Pommern, als Rügen unterstützten die jungen Fürsten nachdrücklich in der Behauptung dieses Besitzes.

Bei Ueberblickung dieser weitläuftigen Erbfolgestreitigkeiten in dem obotritischen Reiche nach Gottschalks Ermordung, deren


1) Helmold II, c. 2.
2) Giesebrecht a. a. O. III, S. 53. Wahrscheinlicher ist diese Gefangenhaltung des Vaters und die Erhebung der Söhne jedoch nach der Versammlung zu Ertheneburg 1156 zu setzen. Helm. c. 83.
3) Helm. c. 92.
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inniger Zusammenhang bisher stets verkannt worden ist, wird man unsern Niclot wohl schwerlich noch für einen bloßen reichen Gutsbesitzer oder obotritischen Edelmann halten wollen, welcher, das Geschick des alten Königshauses benutzend, die Herrschaft an sich zu reißen gewußt hätte. Eben so wenig aber kann er diesem Hause selbst angehört haben, vielmehr ist man zu der Annahme gezwungen, daß er, gleich den Fürsten von Rügen und wahrscheinlich auch den pommerschen Herzogen, dem gleich edlen und berühmten Geschlechte des mächtigen Königs Kruto enstamme. Auf diese hohe Abkunft deutet denn auch Prizlav, Niclots Sohn, sichtlich hin, wenn er sich rühmt: er sei aus einem Geschlechte entsprossen, woran sich kein Slave jemals zu vergreifen wagen werde 1 ). Von einer solchen Heiligkeit und Unverletzlichkeit gerade des rügischen Fürstenhauses selbst bei den Feinden sind uns wirklich mehrere Beispiele aufbewahrt, wogegen sogar obotritische Könige mehr als ein Mal durch die Hand eines Volksgenossen fielen. So hebt Helmold hervor, daß zur Ermordung des greisen Kruto ein dänischer Sclave gedungen werden mußte, und Saxo erzählt von dem Fürsten Jaromar, daß derselbe einst in der Schlacht einen feindlichen Pommern erschossen, worauf dessen Gefährte zwar sofort auf ihn selbst angelegt, sobald er aber den Fürsten erkannt, von Schrecken ergriffen, das Geschoß weggeworfen habe 2 ). Wenn aber Prizlav sich dieses Geschlechtes rühmt, so war das keine eitle Prahlerei, denn er sprach das stolze Wort dem berühmten kriegerischen Bischof Axel (Absalon) gegenüber, welchem seine Verhältnisse genau bekannt waren, und den er deshalb nicht zu täuschen hoffen konnte. Auch hatte König Waldemar selbst die Ebenbürtigkeit dieses Prinzen schon früher anerkannt, indem er ihm die eigene Schwester zur Gemahlin gab, und als dieser demnächst, dem christlichen Glauben gewonnen, dafür aber von dem heidnischen Vater verfolgt, als Flüchtling nach Dänemark kam, den Besitz mehrerer dänischer Inseln einräumte 3 ).

Wenn man sich aber andererseits auf die Worte Helmolds beruft, welcher dem Niclot bei seinem ersten Auftreten den fürstlichen Titel verweigere und ihn einfach als einen Großen des obotritischen Reiches bezeichne, so ist schon von Jargow und später von Rudloff in den oben angeführten Streitschriften nachgewiesen, daß der gebrauchte Ausdruck (major terrae) sehr häufig von


1) Saxo XIV, p. 294: eo enim sanguine oriundus sum, quem nulli Slavorum attemtandi unquam ausus incessit.
2) Saxo Gr. XIV, p. 362.
3) Saxo Gr. XVI, p. 293. Man nimmt gewöhnlich an, daß diese Vermählung erst nach der Flucht des Prizlav nach Dänemark stattgefunden habe. Saxo sagt ausdrücklich das Gegentheil.
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Personen fürstlichen Geschlechtes, und geradezu als gleichbedeutend mit "Fürst" (princeps), kaum aber jemals von dem gewöhnlichen Adel gebraucht wird. Auch scheint die Stellung der Worte darauf hinzudeuten, daß Niclot im obotritischen Reiche nicht mehrere gleichen Ranges neben sich hatte 1 ), und andererseits konnte Helmold sehr guten Grund haben, ihn damals noch nicht König oder Fürst zu nennen. Sein Vater lebte noch, wie wir später sehen werden, und Niclot war also nicht eigentlicher regierender Landesherr, sondern scheint das obotritische Reich, wie dies bei den slavischen Fürsten öfter vorkommt, Namens des Vaters verwaltet zu haben. Ich will gerade nicht behaupten, daß Helmold wirklich so fein unterschieden habe, will man aber den Ausdruck pressen, so ist auch diese Erklärung immerhin möglich. Seine sogenannte wendische Chronik ist im wesentlichen nur eine Geschichte der Ausbreitung des Christenthums unter den Slaven, weshalb er über die politischen Ereignisse und Zustände immer nur mittheilt, was zu seinem nächsten Zwecke gerade nöthig war. Gleichwohl ist er sichtlich mit den Verhältnissen der wendischen Fürsten sehr genau vertraut, so daß allerdings häufig auf ein gelegentlich hingeworfenes Wort und die Wahl des Ausdrucks Gewicht zu legen ist.

Wichtiger ist aber, daß die Nachkommen Niclots das Gedächtniß ihrer Verwandtschaft mit den Fürsten von Rügen, so wie mit den Herzogen von Pommern stets bewahrt haben, und umgekehrt. Dieser Umstand ist auch schon früher nicht unbemerkt geblieben, man erklärte denselben aber aus der, freilich ohne Beweis, vorausgesetzten Verwandtschaft jener Fürsten mit dem alten obotritischen Königshause, und fand darin somit einen neuen Beweis, daß auch Niclot aus diesem Geschlechte stamme. Seit indeß diese Annahme aufgegeben werden mußte, darf ich mich mit größerem Rechte auf jene Beobachtung berufen, um meine Behauptung zu stützen. Hieher gehört namentlich eine Urkunde des Fürsten Witzlav II. von Rügen vom Jahre 1293, in welcher er Herrn Nicolaus von Werle seinen Blutsverwandten nennt und zugleich dessen Consenses zu der betreffenden Verfügung über einen Theil seines Gebietes gedenkt. 2 ) Ferner das Testament eben dieses Fürsten vom Jahre 1302, in welchem er neben seinen Vettern aus einer Nebenlinie des fürstlichen Hauses, Herrn


1) Helmold nennt ihn schlechthin majorem terrae Obotritorum, nicht etwa quendam majorum - etc.
2) Gerdes Sammlung etc. . VIII. S. 696 flgd.: In quorum omnium testimonium, - - ecclesiam Suerinensem presentibus litteris nostris et nobilis viri domini Nicolai de Werle, nostri consanguinei predilecti, qui, dum premissa per nos agerentur, nobis - - - consilio et assensu aderat, sigillorum appensionibus roboratis provide duximus muniendam.
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Tece (Tetzlav) von Putbus und Johannes von Gristow, auch Herrn Heinrich von Meklenburg mit demselben Ausdrucke als seinen Blutsfreund bezeichnet 1 ). Solche Ausdrücke sind nun an sich freilich nicht entscheidend, da der Gebrauch derselben schwankend ist und auch bloße Seitenverwandte durch die weibliche Linie (cognati im Sinne des römischen Rechtes) damit bezeichnet werden; allein eine solche Verschwägerung unserer Fürsten mit dem Hause Rügen im 13. Jahrhundert ist wenigstens bis jetzt nicht nachgewiesen, und die angedeuteten besonderen Umstände, unter welchen die gedachten Ausdrücke in unsern Urkunden in Bezug beider Linien unseres Fürstenhauses zu Meklenburg und Werle gebraucht werden, machen dieselben jedenfalls beachtenswerth.

Hiezu kommt endlich noch das ältere Wappen unserer Fürsten. Von Niclot und seinen Söhnen sind uns leider keine Siegel aufbewahrt. Sein Enkel Borwin I. und dessen gleichnamiger Sohn dagegen führten das bekannte ostwendische Feldzeichen, den Greifen, in ihrem Siegel, welcher bekanntlich auch das Wappen der Herzoge von Pommern bildete. Die Fürsten von Rügen führten dagegen späterhin allerdings nicht diesen Greifen, sondern einen halben über die Mauerzinne hervorragenden Löwen im Wappen. Dieser Löwe hat aber in dem Siegel Witzlavs I., dem ältesten, welches uns überhaupt von einem rügischen Fürsten erhalten ist, eine eigenthümliche Bildung, namentlich eine deutliche dreikrallige Vogelklaue, so daß seine ursprüngliche Identität mit dem pommerschen Greifen nicht zweifelhaft scheint. Der Stierkopf, das jetzige meklenburgische Wappen, begegnet uns zum ersten Male nach der Theilung des Landes unter Borwins I. Söhnen in dem Siegel des Nicolaus, welchem bei dieser Theilung die westlichen, altobotritischen Gaue zugefallen waren, während sein Bruder Borwin II. auch jetzt den alten Greif beibehielt. Eben dieses Siegels bediente sich dann auch die Vormundschaft der Söhne des Letzteren während der gemeinsamen Verwaltung des Landes, wogegen nach vorgenommener Auseinandersetzung der Brüder auch der Stierkopf wieder hervortritt, und zwar auch dieses Mal zunächst in dem westlichen Antheile der Brüder Johann und Pribislav von Meklenburg und Warnow (Parchim), welchen später auch Nicolaus von Werle (Güstrow) folgte, während Borwin von Rostock auch jetzt den Greifen beibehielt, welcher daher noch heute für die Herrschaft Rostock in dem großherzoglichen Wappen erscheint.


1) Gerdes a. a. O. IX. S. 10 flgd. Item domino Henrico domino Magnopolensi dilecto consanguineo meo - - - -, item dilecto consanguineo meo domino Tece de Padbutz, militi honesto etc. Und am Schlusse: Exsecutores hujus mei testamenti et ultime voluntatis ordino et deputo - - - dominos fratres de Pudbutz et dominum Johannem de Gristow milites et meos consanguineos etc.
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Hiernach kann man kaum zweifeln, daß der Stierkopf, welcher auch in wagrischen Städtesiegeln vorkommt, das alte obotritische Feldzeichen war, wie der Greif das der östlichern Wenden, Liutizen und Rügen, und ihres Fürstengeschlechtes. Durch Annahme dieses Wappens bekannten sich daher auch unsere Fürsten zu diesem letztern Geschlechte, bis sich späterhin das alte obotritische Landeswappen, - wenn der Ausdruck erlaubt ist, - d. h. das Feldzeichen der ausgestorbenen Dynastie, wieder geltend machte, und das Geschlechtswappen des neuen Fürstenhauses verdrängte 1 ).

Mit allen diesen aus den bisher zugänglichen Quellen entlehnten Gründen kommen wir indeß über eine, wenn auch noch so wahrscheinliche Vermuthung nicht hinaus. Zur sichern historischen Wahrheit aber wird diese Vermuthung durch das Zeugniß der nordischen Sage.


Unter den isländischen Sagas ist die Knytlinga eine der wichtigsten. Sie enthält eine kurze Geschichte der dänischen Könige von Harald Gormson bis zum Jahre 1186, welches also genau die 6 letzten Bücher der berühmten Geschichte Dänemarks von Saxo Grammaticus umfaßt. Der Verfasser führt aber einzelne Genealogien bis zum Ende des 13. Jahrhunderts hinab und ist also jünger als Saxo, welcher zur Zeit Waldemars II. lebte, und sein 1186 begonnenes Werk um 1208 vollendete. Der Verfasser der Knytlinga hat aber den Saxo augenscheinlich nicht gekannt, wie die zum Theil sehr bedeutenden Widersprüche zwischen beiden beweisen. Wenn daher gleichwohl beide an andern Stellen fast wörtlich übereinstimmen, so erklärt sich das aus der Benutzung derselben Quellen, unter welchen für die ältere Zeit beide die isländischen Sagas und Gesänge der Skalden namhaft machen. Für die jüngeren Zeiten dagegen benutzte Saxo die mündlichen Berichte des Bischofs Absalon, dessen Schreiber er war, und welcher etwa von der Mitte des 12. Jahrhunderts an als Augenzeuge berichten konnte, die Arbeit des Saxo aber nicht mehr selbst gekannt hat. Der Isländer dagegen bezieht sich für diese Zeit gleichfalls auf mündliche Ueberlieferungen und Berichte von Augenzeugen, außerdem aber auf dänische Geschichtsbücher, worunter namentlich der kurze Abriß einer dänischen Geschichte von dem Jüten Suein Akason zu verstehen sein wird. Unter diesen Umständen ist keinem dieser beiden Geschichtswerke ein undedingter Vorzug einzuräumen, vielmehr ist die Knytlinga allgemein als eine wichtige Quelle für die Geschichte Dänemarks anerkannt, nicht bloß zur Ergänzung Saxos, sondern in einzelnen


1) Vgl. Jahrbücher X. S. 6.
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Fällen selbst zu seiner Berichtigung. Im Allgemeinen läßt sich über das Verhältniß beider nur sagen, daß Saxos historische Kenntniß weiter reichte, als die des Isländers, welcher seine Unkunde der Verhältnisse im Innern Europas oft sehr auffallend verräth, mit den ihm räumlich näher liegenden Verhältnissen dagegen völlig vertraut erscheint. Vorzugsweise aber verdienen seine genealogischen Nachrichten, auf welche er gleich allen Isländern den höchsten Werth legt und welche in mehr als einem Falle überraschende Bestätigung erhalten haben, die sorgfältigste Beachtung.

Nach dem Berichte dieser Saga war nun König Niels Sohn, Magnus, mit der Tochter des wendischen Königs Burislaf, Namens Rikissa, vermählt (Magnus Nikolausson æ œgtede Rikissa, en Datter af den vendiske Kong Burislaf; deres Sønner vare Knud og Nicolaus), aus welcher Ehe zwei Söhne, Knud und Nicolaus, stammten 1 ). Zu der Zeit war Knud Laward, Sohn Erichs des Guten, Herzog von Schleswig, welcher am 7. Januar 1131 durch Magnus ermordet ward (c. 92), worauf dessen Bruder, Erich Emun, gegen den Mörder und dessen Vater die Waffen ergriff, in welchem Kampfe beide, Nicolaus und Magnus, 4 Jahre nach Knuds Ermordung (1135) den Tod fanden (c. 97 u. 98). Wieder 4 Jahre später (1139) ward auch Erich Emund ermordet, worauf vier junge Prinzen, alle noch dem Knabenalter nahe, als Thronbewerber auftraten, nämlich Knud, ein Sohn Magnus des Starken und der Rikissa, des wendischen Königs Burislaf Tochter, (Magnus den Stærke Nikolaussøn havde en Søn, som hed Knud, hvis Moder var Rikissa,den vendiske Kong Burislafs Datter), Svend, Erich Emunds Sohn, Olaf, Harald Kesias Sohn, und Waldemar, Knud Haralds Sohn. Die Wahl fiel auf den letztern, Waldemar; da dieser jedoch erst 8 Jahre alt war (er ward erst nach dem Tode des Vaters geboren), so ward Erich Lam während seiner Minderjährigkeit zum Reichsverweser ernannt (c. 104). Olaf suchte zwar mit Gewalt das Reich an sich zu reißen, fiel aber nach vierjährigem Kampfe in der Schlacht (1143), und Erich behauptete sich als König. Nach einer Regierung von 8 Jahren trat er jedoch freiwillig zurück und ging in ein Kloster (1147), worauf Svend, Erich Emunds Sohn, in Schonen, und Knud, Magnus Sohn, in Jütland zu Königen ausgerufen wurden, Waldemar aber, erst 17 Jahre alt, zum Herzoge von Schleswig ernannt ward (c. 106 u. 107).


1) Knytlinga Saga c. 89, nach der dänischen Uebersetzung von C. C. Rafn. Kjöbenhavn 1829. Die von der königlichen Gesellschaft für Alterthumskunde besorgte Ausgabe in der Ursprache habe ich leider nicht vergleichen können.
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Nun beginnt ein vieljähriger blutiger Kampf zwischen Svend und Knud, welcher nur auf kurze Zeit durch einen gemeinschaftlichen Kreuzzug gegen die Heiden unterbrochen wird. Auf Ermahnung des Papstes gehen beide Könige in See, landen im Hafen von Wismar und belagern nach ihrer Vereinigung mit einem deutschen Heere die Festung Dubbin, entzweien sich jedoch bald wieder und segeln nach Dänemark zurück (der bekannte wendische Kreuzzug von 1148). Hier setzen sie den Thronstreit fort, in welchem Waldemar anfangs auf Seiten des Svend steht und mit diesen vereinigt bei Thorsteinstorp auf Seeland einen wichtigen Sieg über Knud erficht. Dieser flieht nach Fühnen, Svend dagegen bleibt den Winter über ruhig auf Seeland. Im nächsten Frühjahr zieht er mit einem neuen Heere nach Jütland. Bei Viborg kommt es zum zweiten Male zur Schlacht, in welcher Svend und Waldemar wiederum Sieger bleiben, und Knud flieht nach Aalborg, von dort nach Kongehella in Norwegen und weiter nach Liudhus. In Gothland trifft er seinen Stiefvater, König Sørkver Kolsøn, welcher mit seiner Mutter Rikissa vermählt war (J Gotland traf han sin Stedfader Sørkver Kolsøn, som da var gift med hans Moder Rikissa), und bittet ihn um Hülfe. Dieser erbietet sich, ihm gegen Abtretung seiner Rechte auf den dänischen Thron eine Landschaft in Schweden einzuräumen, allein Knud verwirft dieses Anerbieten und wendet sich ostwärts nach Garderige (Rußland). Von dort zurückgekehrt, segelt er südlich nach Rostock zu seinen Mutterbrüdern, welche ihm jedoch den Aufenthalt daselbst versagen, aus Furcht, daß er ihr Reich an sich reißen wolle (Derpaa drog Kong Knud øster til Garderige, og derfra igjen; han begav sig da syd til Rostok til sine Morbrødre, men de vilde ikke tillade, at han maatte være der, da de frygtede for, at han vilde fratage dem deres Rige). Knud zieht daher weiter nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig und in dessen Begleitung zum Herzoge Heinrich nach Braunschweig, sammelt ein deutsches Heer, mit welchem er in Jütland einfällt, wird aber geschlagen und flieht nach Sachsen zurück. Bald darauf gelingt es ihm zwar, in Friesland einen Aufruhr zu erregen, doch auch dieser wird bald gedämpft, und Knud ist nochmals zur Flucht nach Sachsen zum Herzoge Heinrich in Braunschweig gezwungen (c. 108).

Inzwischen war Kaiser Konrad gestorben und Friedrich war Kaiser. Dieser entbietet beide Gegenkönige zu sich (auf den Reichstag zu Merseburg, Pfingsten 1152), wo er unter Mitwirkung des Herzogs Heinrich und Waldemars einen Vergleich zu Stande bringt, nach welchem Svend zwar König bleiben, seinem Gegner jedoch Seeland abtreten sollte. Nach der Rück=

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kehr beider Könige nach Dänemark verweigerte Svend zwar die Erfüllung des Vergleiches, läßt sich jedoch endlich durch Waldemars Vermittelung wirklich zur Abtretung verschiedener Besitzungen in Jütland, Seeland und Schonen bewegen. Hierauf söhnen sich Knud und Waldemar völlig aus und letzterer vermählt sich mit einer Halbschwester Knuds von mütterlicher Seite, Sophie, einer Tochter des Königs Valadar in Polen (Derefter giftede Kong Knud sin Halfsøster paa mødrene side, Sophie, til Valdemar; hun var en Datter af Kong Valadar af Polineland), nachdem ihr der Bruder den dritten Theil aller seiner Besitzungen als Aussteuer abgetreten hat (c. 109). Den Winter darauf unternimmt König Svend einen Heereszug gegen Schweden, woran Knud und Waldemar aber keinen Theil nehmen, weil König Sørkver mit König Knuds und Sophiens Mutter Rikissa vermählt war (fordi Kong Sørkver var gift med Kong Knuds og Sophies Moder Rikissa.) (c. 110). Svend ward daher sehr mißvergnügt über die Verbindung Waldemars mit ihrem alten Gegner und erneuert zwei Jahre nach Abschluß des Vergleiches den Streit, diesmal jedoch ohne Glück. Wie früher Knud, wird er selber jetzt gezwungen, das Reich zu verlassen und flieht nach Landsberg zum Markgrafen Konrad, welchem er verschwägert war und bei dem er sich 3 Monate aufhält. Unterdeß läßt sich Waldemar statt seiner zum Könige ausrufen. Bald darauf macht Svend mit Hülfe des Herzogs Heinrich von Sachsen einen Einfall in Dänemark, während Knud sich grade in Schweden befand, um seine Braut, König Sörkvers Tochter aus einer frühern Ehe, heimzuholen. Waldemar bleibt jedoch Sieger, und Svend entflieht mit dem Herzoge nach Sachsen. Den nächsten Winter geht er nach dem Wendenlande und setzt mit wendischen Schiffen nach Fühnen über. Neues Zusammentreffen mit Knud und Waldemar; Svend bittet um Frieden; neuer Vergleich und Theilung des Reiches unter die drei Könige. (c. 111 u. 112.)

Bald jedoch spinnt Svend neuen Verrath und beschließt beide Gegner auf einem Gastmahle zu ermorden, auf welchem Knud wirklich den Tod findet. Waldemar jedoch entkommt glücklich, und nun beginnt der letzte Entscheidungskampf, in welchem Svend in der berühmten Schlacht auf der Grahede fällt, neun Jahre nach Erich Lams Tode, ein Jahr nach Knuds Ermordung (c. 113 - 119).

König Knud, Rikissas Sohn, scheint ohne Kinder gestorben zu sein, und seines Bruders Nicolaus wird nach der ersten Erwähnung bei Gelegenheit der Vermählung seiner Mutter überall nicht wieder gedacht. Waldemar dagegen hinterließ aus seiner Ehe mit Sophie, Knuds Halbschwester, zwei Söhne, Knud und

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Waldemar, welche ihrem Vater nacheinander in der Regierung folgten, und drei Töchter, Engelborg, Rikissa und eine dritte ungenannte (c. 127).

Bis hieher glaubte ich den merkwürdigen Bericht der Saga im Zusammenhange mittheilen zu müssen, um dem Leser ein Urtheil zu gestatten. Prüfen wir nun den Gewinn für unsere Untersuchung. Eine völlig neue Erscheinung ist zuvörderst der König Burislav, Vater der Rikissa, der Gemahlin dreier Könige und Ahnfrau einer Reihe nordischer Herrscher. Die Saga nennt ihn einen König der Wenden und bestimmt damit die Lage seines Reiches, auch ohne es zu nennen, deutlich genug. Wendenland (Vindland) ist nach dem isländischen Sprachgebrauche die südliche, den dänischen Inseln gegenüberliegende Küste der Ostsee, wovon die übrigen Slavenländer, namentlich Polen (Polineland), überall und gerade auch in dem hier vorliegenden Berichte der Knytlinga, streng unterschieden werden. Daß aber die letztere den Burislav im Gegensatze zu dem Könige Valadar von Polineland, im vollen Bewußtsein jenes Sprachgebrauches, einen König von Windland nennt, darüber muß jeder Zweifel schwinden durch die Vergleichung der andern Stelle, wo Rostock als der Sitz seiner Söhne bezeichnet wird. An dieser Küste nun bestand zu der Zeit des Königs Niels neben Obotritien und Pommern kein drittes wendisches Reich, als Rügen, dessen um diese Zeit oft gedachter König dem Namen nach bisher völlig unbekannt war, während Knud Lavard als König der Obotriten und die Pommern=Herzoge Wartislav und Ratibor historisch völlig gesichert sind.

So ist Burislav nach der Darstellung der Knytlinga kein anderer, als dieser unbekannte Inselkönig, derselbe, welcher, 1093 nach Krutos Ermordung zum Gegenkönige Heinrichs des Obotriten erwählt, sich nach der unglücklichen Schlacht auf der smilower Haide auf seine heimathliche Insel zurückzog und von hier aus den Kampf gegen Heinrich und sein Geschlecht fortsetzte; derselbe, welcher 1111 eine zweite Niederlage vor Lübeck erlitt, 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar siegte, in den folgenden Jahren dem mächtigen wendisch=sächsischen Heere auf der Insel Rügen gegenüberstand und seinen Bruder dem Herzoge Lothar als Geißel stellen mußte; derselbe endlich, welcher 1126 Lübeck erstürmte und an des vertriebenen Suentipolks Stelle zum zweiten Male als König der Obotriten anerkannt ward.

Dieser Burislav, Krutos Sohn, hatte nun nach dem weiteren Berichte der Saga außer jener Tochter Rikissa, der Mutter König Knuds, auch mehrere Söhne, Brüder der Rikissa, welche nach dem Tode des Vaters die Gegend um Rostock beherrschten,

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wo ihr Neffe Knud nach seiner Flucht aus Dänemark vergeblich ihre Hülfe gegen den siegreichen Svend nachsuchte. Die Zeit dieses Ereignisses bestimmt sich genau zwischen der Rückkehr von der Belagerung Dobins im Herbst 1148 und dem merseburger Reichtage im Pfingstfeste 1152. Auf das erste Ereigniß folgten aber zuvor noch die Schlachten bei Thorsteinstorp und Viborg, und dem letzteren ging ein doppelter Einfall in Jütland und Friesland vorauf. So fällt die Landung Knuds bei Rostock in das Frühjahr 1150, vor dem Heereszuge Heinrichs des Löwen nach Schwaben, denn Knud traf ihn noch in Braunschweig. Zu dieser Zeit aber stand die Gegend um Rostock, d. h. das Land der Kissiner und die angrenzende Landschaft in der Richtung auf Bremen, mit voller Gewißheit unter der Herrschaft Niclots, des Fürsten der Obotriten, und die von der Saga nicht genannten Söhne Burislavs, Rikissas Brüder, sind also keine anderen, als unser Niclot und sein Bruder Lubimar.

So findet denn unsere obige Vermuthung, zu welcher der ganze Zusammenhang der Ereignisse unwiderstehlich hindrängte, durch das ausdrückliche Zeugniß der nordischen Saga eine glänzende Bestätigung. Noch indeß dürfen wir uns der Freude über diese Entdeckung nicht hingeben, denn, - um es nur gleich kurz zu sagen, - der Bericht unserer Saga steht in directem Widerspruch mit einem anderen, gleich gewichtigen und glaubwürdigen Zeugniß.

Saxo Grammaticus nämlich erzählt zwar den Gang der Ereignisse in Dänemark im Ganzen völlig übereinstimmend mit dem Verfasser der Knytlinga, nur daß jener überall ausführlicher ist, die Motive der handelnden Personen entwickelt und den Zusammenhang anschaulich zu machen sucht, während sich dieser begnügt, die einzelnen Thatsachen kunstlos in chronologischer Folge aneinander zu reihen. In Einzelnheiten aber weichen beide Berichte oft bedeutend von einander ab, und zu diesen Einzelnheiten gehört namentlich die Vermählungsgeschichte des Magnus. Nachdem dieser Prinz, berichtet Saxo, nach dem Erlöschen des Mannsstammes aus dem Hause des Stenkil, auf den schwedischen Königsthron erhoben war, bewarb er sich durch eine Gesandtschaft um die Tochter des Herzogs Bogislav von Polen. Die Hand der Prinzessin ward ihm zugesagt, und sofort rüstete Niels, sein Vater, eine Flotte aus, um die Braut des Sohnes heimzuholen und zugleich den slavischen König Wartislav (Herzog Wartislav von Pommern), welcher seit langer Zeit mit Dänen und Polen im Kriege gelebt hatte, zu unterwerfen. Die Stadt Orna (Osna, Usedom) ward gezwungen, die Belagerung abzukaufen, worauf

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der König weiter vor Julin ging. Hier vereinigte er sich mit dem Landheere des Bogislav, und ihrer vereinigten Anstrengung gelang es leicht, die Stadt zu erobern. Mit diesem Erfolge zufrieden, trennte sich Niels alsbald von seinem Genossen, um dem harrenden Sohne die Braut zuzuführen. Vergebens bittet Wartislav, erschöpft durch die unerträgliche Verwüstung seines Landes, um Frieden; dessen ungeachtet aber geht die dänische Flotte unter Segel, um bei Strela (der Insel Dänholm, Stralsund gegenüber) Anker zu werfen. Auch hieher folgt Wartislav den Abziehenden, um seine Anträge zu erneuern; Niels sagt den Frieden zu und lockt den Gegner dadurch zu seinem Schiffe herüber, wo der Betrogene gefangen genommen wird. Bald jedoch ändert Niels seinen Entschluß auf die weise Ermahnung des edlen Knud Lavard, eines Freundes Wartislavs, und entläßt den Gefangenen in seine Heimath. Dann kehrt die Flotte nach Dänemark zurück, wo Magnus bei der Stadt Ripen seine Vermählung feiert 1 ).

Nach diesem Berichte war also der Schwiegervater des Magnus kein wendischer König, sondern der wohlbekannte Herzog Boleslav III. von Polen mit dem Beinamen Krzywousty (Schiefmaul), und darnach modificirt sich denn auch die spätere Erzählung der Knytlinga über die Flucht des Königs Knud, Magnus Sohns, nach der Niederlage bei Viborg. Wie die nordische Saga, läßt auch Sapo den Flüchtling zuerst nach Alaburg und weiter nach Liuthusen gehen, wo er sich eine Zeit lang bei seinem Stiefvater Suerco aufhält, welcher nach dem Tode des Magnus Knuds Mutter geheirathet hatte. Anfangs wohl aufgenommen, wird er dem Schwedenkönige, welcher ihm einige Besitzungen zu seinem Unterhalt eingeräumt hatte, doch bald lästig; überdies überwirft er sich mit dem Sohne des Königs, Johannes, welcher sein Unglück verspottet, weshalb er den Entschluß faßt, mit einigen angekauften Schiffen, im Vertrauen auf seinen Oheim und seine mütterliche Verwandtschaft, nach Polen zu segeln. Die Polenherzoge, besorgt, daß Knud Namens seiner Mutter Ansprüche auf eine Theilung des Reiches erheben möchte, versagen ihm den Eintritt in ihre Städte und gestatten ihm nur die Durchreise durch ihr Gebiet zu dem Herzoge Heinrich von Sachsen, von wo er sich weiter zu dem Erzbischof Hartwig von Bremen begiebt (p. 258).

Die Vermählung der Halbschwester Knuds, Sophie, mit Waldemar berichtet Saxo dagegen in Uebereinstimmung mit der Saga, nur daß er den Vater derselben, ohne Nennung seines


1) Saxo Gr. XIII, p. 235.
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Namens und seiner Würde, als einen Ruthenen bezeichnet (p. 226 - 67 u. 277). Auch scheint er abermals auf die polnische Abkunft derselben von mütterlicher Seite anzuspielen, wenn er später die nahe Verwandtschaft des Knud, eines Sohnes Waldemars mit der Sophie, und der Söhne des Herzogs Bogislav von Pommern hervorhebt (p. 384). Bogislavs zweite Gemahlin Anastasia, die Mutter seiner damals noch lebenden Söhne, war nämlich eine Tochter Mieczislavs, Sohnes Bolislavs III. Doch kann diese Verwandtschaft, wenn sie wirklich bestand, und nicht etwa von Saxo blos wegen der vorausgesetzten polnischen Herkunft der Sophie angenommen wird, auch einen anderen Ursprung gehabt haben.

Sehen wir nun nach dieser Gegenüberstellung der beiden Zeugen, auf welcher Seite die Wahrheit ist. Der Gegenstand ist zu wichtig für uns, als daß wir ein genaues Eingehen auf die Einzelnheiten der widersprechenden Berichte scheuen dürften.

Zuvörderst erweckt es gewiß ein gutes Vorurtheil für den Verfasser der Knytlinga, daß er seine Erzählung nicht nur durch Nennung von Ortsnamen bestimmter, als Saxo, zu localisiren weiß, sondern auch die handelnden Personen namentlich aufführt. In ersterer Beziehung ist besonders die Nennung Rostocks, als des Wohnortes der Oheime Knuds hervorzuheben, wodurch der Schauplatz des Ereignisses ganz bestimmt an die wendische Küste verlegt wird. Diese Küste war dem Verfasser aber genau bekannt, wie er bei mehreren Gelegenheiten beweis't, namentlich durch Nennung des Hafens von Wismar bei der Belagerung Dobins, den keine andere Quelle hat, und durch die Schilderung der späteren Wendenzüge des Waldemar, wobei er eine oft überraschend genaue Kenntniß der Oertlichkeit entwickelt. Zu der Annahme, daß die Anknüpfung der Erzählung an diesen bestimmten Ort auf willkührlicher Erfindung des Berichterstatters beruhe, ist aber bei dem einfachen Charakter der Saga überall kein Grund, vielmehr beruht dieselbe sicher auf alter Ueberlieferung.

Ebenso hat nur die Knytlinga den Namen der Gemahlin des Magnus, Rikissa, welcher ohne Zweifel richtig ist, da er seit dieser Zeit wiederholt in den nordischen Reichen vorkommt, und namentlich auch auf eine Tochter aus der Ehe Waldemars mit der Sophie, also eine Enkelin der älteren Rikissa, übergegangen ist. - Nicht minder bemerkenswerth ist die Verschiedenheit in der Benennung des Vaters der Rikissa. Die Saga nennt ihren Wendenkönig stets Burislav (Burisleifr nach nordischer Aussprache); Saxo dagegen giebt dem Polenherzog Boleslav, sicher irrig, den ihm aus der pommerschen Geschichte seiner Zeit geläufigeren Namen Bogislav. Alle drei Namen, welche auch

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in polnischen Urkunden neben einander begegnen 1 ), sind aber durchaus verschieden; man erklärt Bogislav durch Gottesruhm (δεοκλής), Boleslav durch vielberühmt (πολυκλής) und Borislav durch kampfberühmt (πολεμοκλής) 2 ). Allem Ansehen nach hat nun die Knytlinga auch diesen Namen richtig aufgefaßt, da auch ein Sohn der Rikissa, aus der Ehe mit dem Schwedenkönig Sverker, den slavischen Namen Boris oder Borislav führte, augenscheinlich nach dem Großvater, welcher mithin ein anderer war, als Boleslav von Polen. Diese Wahrnehmung ist an sich schon fast entscheidend; es kommt aber andererseits noch hinzu, daß der nicht häufige Name Borislav gerade in dem rügischen Fürstenhause wirklich noch in späterer Zeit urkundlich vorkommt, namentlich bei einem Sohne Wizlavs I., ein Umstand, welcher gewiß Beachtung verdient.

Ferner wird auch der Vater der Sophie, Valadar, nur in der Knytlinga genannt. Die Geschichte der zweiten Vermählung der Rikissa ist indeß in mehrfacher Beziehung dunkel und schwerlich ganz aufzuklären. Saxo nennt Sophiens Vater einen Ruthenen, und wirklich kommt in den russischen und polnischen Annalen ein Fürst von Halicz, Namens Wolodar vor, Zeitgenosse Boleslavs III., welchen man daher um so unbedenklicher für den Valadar der Knytlinga angenommen hat, als das Land Halicz bald zu Rußland, bald zu Polen gerechnet wird, woher es sich erklärte, daß die Saga ihren Valadar als polnischen Fürsten bezeichnet. Allein Sophie war bei der Verlobung mit Waldemar, welche nach der Rückkehr Knuds (1152) stattfand, noch nicht mannbar, weshalb die Vollziehung der Ehe bis kurz vor der Entscheidungsschlacht auf der Grahede (1157) ausgesetzt werden mußte, und auch damals nur durch den Drang der Ereignisse beschleunigt ward 3 ). Sophie kann also kaum vor 1139, muß jeden Falles nach dem Tode des Magnus (1135), d. h. zwischen der ersten und letzten Ehe ihrer Mutter, geboren sein. In diese Zeit setzt Saxo ihre Geburt auch ausdrücklich. Damals aber war Wolodar bereits todt. Möglich ist nun allerdings, daß die Saga, wie Suhm 4 ) annimmt, dessen Sohn Wolodomir mit dem Vater verwechselt; ist man aber einmal zu der Annahme genöthigt, daß der Name unrichtig aufgefaßt sei, so giebt


1) Einen interessanten Belag hiezu giebt die Urkunde von 1296 bei Borbs Neues Archiv II, S. 124, Urk. IV, wo neben dem Herzoge Boleslav von Oppeln unter den Zeugen namentlich auch comes Boguslaus judex Calisien und Borislaus castellanus de Janze auftreten.
2) Vgl, Codex Pomeraniae diplomaticus von Hasselbach, Kosegarten und Medem I, 1, p. 31.
3) Saxo XIV, p. 266 u. 277.
4) Suhm historia af Danmark V, p. 318 u. 551.
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es ohne Zweifel noch andere Combinationen, welche nicht minder wahrscheinlich sind, als die Suhmsche. Doch dies hat auf den Gang unserer Untersuchung überall keinen Einfluß 1 ).

Bei näherem Eingehen auf die Darstellung des Saxo kann ferner keinem unbefangenen Leser der auffallende Mangel an innerem Zusammenhange der Erzählung entgehen, ein Mangel, welcher um so greller hervorsticht, je deutlicher das Bestreben des Schriftstellers ist, seine Berichte überall gehörig zu motiviren und den Zusammenhang anschaulich zu machen: so gleich bei der kriegerischen Brautfahrt des Niels, wo das Benehmen des Pommernherzogs sowohl, als das des dänischen Königs völlig unbegreiflich erscheint. Wartislav, durch die Eroberung Julins und die Verwüstung des Landes erschreckt, bittet demüthig um Frieden. Niels verweigert denselben, geht aber gleichwohl unmittelbar darauf mit der Braut des Sohnes zurück nach Strela an die Küste von Rügen, und Wartislav, dadurch keineswegs beruhigt, läßt das siegreiche polnische Heer unbekümmert am linken Ufer der Odermündung stehen, um den abziehenden Dänen zu folgen und wiederholt um Frieden zu bitten. Das sind innere Widersprüche, welche den Bericht in hohem Grade verdächtigen, und dieser Verdacht trifft grade die Einmischung des Polenherzogs. Nehmen wir mit der Knytlinga an, daß der Brautvater, folgeweise der Bundesgenosse des Niels, nicht der Pole Boleslav, sondern der Rüge Burislav war, so wird alles völlig begreiflich 2 ). Den Rücken frei, folgte Wartislav beobachtend dem abziehenden Feinde, welcher wahrscheinlich nur zur Bergung der Beute und um sich zu erneuertem Angriffe zu sammeln, in Strela, dem Hauptankerplatze der Rügen, wie der dänische Vikinger, anlegte, wie sich das in den späteren, ganz ähnlichen Zügen Waldemars gegen die pommersche Küste mehr als ein Mal wiederholt. Hier kam es zu Friedensverhandlungen, die durch Knud Lavards Vermittelung gelangen, und vielleicht erst bei dieser Gelegenheit ward auch die Verbindung des Magnus mit der Tochter des Burislav beschlossen. Dieser oder ein ähnlicher Zusammenhang ist wenigstens nach Lage der Sache zu vermuthen; gewiß aber ist, so wie Saxo berichtet, kann sich das Ereigniß nicht zugetragen haben.

Noch entschiedener kommt Saxo bei dem Berichte über die Flucht König Knuds zu seinen Mutterbrüdern gegen die nordische Saga in Nachtheil. Hier tritt zuvörderst auch Helmold 3 ) in


1) Vgl. indeß unten S. 47.
2) Die Knytlinga kennt den Heereszug des Niels nach der pommerschen Küste überall nicht; dieses Schweigen beweis't aber nichts gegen die Richtigkeit der Thatsache an sich.
3) Helmold c. 67 u. 69.
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so fern als, Mitzeuge der Saga auf, als er von der merkwürdigen Irrfahrt des flüchtigen Dänenkönigs mitten durch Polen, an den Thoren der verschlossenen Städte vorbei nach dem nordwestlichen Deutschland nichts weiß. Er läßt ihn vielmehr gerades Weges nach Deutschland gehen, und zwar gleich der Knytlinga zunächst nach Bremen zum Erzbischofe Hartwig, und dann erst zum Herzoge Heinrich, während Saxo diese Ordnung umkehrt. Der Weg von Gnesen nach Bremen führt über Braunschweig! Interessanter ist aber die Beobachtung des Benehmens der Oheime, welches beide Hauptzeugen in ganz gleicher Weise durch die Besorgniß motiviren, daß Knud die heimliche Absicht haben könne, sie aus dem Reiche zu verdrängen. Dieser Argwohn war bei dem Obotritenfürsten Niclot wohl begründet. Die Erinnerung an die obotritische Königskrone, welche der Kaiser einem dänischen Prinzen aufgesetzt hatte, so wie an den unglücklichen Kampf, welchen er gegen diesen zu bestehen und in langer, harter Gefangenschaft gebüßt hatte, war gewiß noch nicht in seiner Seele erloschen. Diese Krone aber war demnächst auf den Mörder Knud Lavards, Niels Sohn Magnus, übergegangen, und die Besorgniß, daß der Sohn des letzteren die alten Ansprüche erneuern wolle, war daher vollkommen gerechtfertigt. War doch eben dieser Knud, welcher jetzt angeblich als Flüchtling den Schutz des rostocker Oheims in Anspruch nahm, noch zwei Jahre zuvor in Verbindung mit dem furchtbaren Kreuzheere auf der dänischen Flotte vor Wismar erschienen, um die Vernichtung des heidnischen Fürsten zu befördern, an dessen nahe Verwandtschaft er sich damals nicht erinnerte! Der Bericht der Saga trägt also in jeder Beziehung das Gepräge der inneren Wahrheit, wogegen das Benehmen der Oheime, wenn man sich diese mit Saxo als Herzoge von Polen denkt, durchaus unerklärlich erscheint. Die angebliche Furcht, daß der dänische Flüchtling, welcher in dem von der Küste entfernten Polen doch nur mit geringem Gefolge auftreten konnte, auf die polnische Herkunft seiner Mutter gestützt, nach der Herzogskrone strebe, ist in der That zu lächerlich, als daß irgend jemand daran glauben könnte. Saxo scheint das gefühlt zu haben und sucht die Furcht der Herzoge durch Hinweisung auf die kurz vorhergehenden Unruhen in Polen und die Vertreibung des älteren Bruders zu erklären 1 ). Diese Bemerkung ist nicht zu übersehen. Das Ereigniß, worauf hier angespielt wird, ist historisch begründet. Nachdem Boleslav III. 1138 gestorben war, hatten seine Söhne, Boleslav IV., Mieczislav II. und Kasimir II., ihren älteren Bruder Vladislav, welcher mit


1) Angebat hunc metum recens majoris eorum fratris depulsio.
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einer Schwester des Kaisers Konrad vermählt war, im Jahre 1146 aus dem Reiche vertrieben, angeblich weil er nach der Alleinherrschaft strebte. Saxo zeigt sich also mit den inneren Verhältnissen Polens wohl vertraut; aus den nordischen Quellen hat er diese Kunde nicht geschöpft, vielmehr muß er noch andere ihm über Deutschland zugegangene Berichte zur Erläuterung der einheimischen Geschichte benutzt haben, und wir erkennen in seiner Darstellung deutlich das Bestreben, beide in Einklang zu bringen. Wir werden auf diese nicht unwichtige Entdeckung zurückkommen.

Wenden wir uns nun zur Betrachtung der allgemeinen politischen Verhältnisse der Zeit, so treffen wir auch hier bei der Darstellung des Saxo auf sehr erhebliche Schwierigkeiten, während die nordische Saga nicht nur mit den vorhergehenden und gleichzeitigen Ereignissen im Obotritenreiche, wie wir oben gesehen haben, sondern auch mit den Verhältnissen im östlichen Slavenlande in vollkommenem Einklange steht.

Die Herzoge von Polen hatten schon seit dem Ende des zehnten Jahrhunderts mit wechselndem Glücke eine Reihe verwüstender Kriege gegen Pommern geführt, deren Schauplatz aber lange Zeit hindurch sich nicht über Kolberg hinaus nach Westen erstreckte; dennoch waren sie schon hier mehrmals feindlich mit Dänemark zusammengetroffen, welches an der pommerschen Küste uralte Colonien hatte, namentlich unter Erich (um 995) und Knud (1025). Im Anfange des zwölften Jahrhunderts, als der kühne und kriegslustige Boleslav III. den polnischen Thron bestieg, erneuerte er sofort den alten Kampf und zwar mit größerem Erfolge, als alle seine Vorgänger. Schon im Jahre 1108, als Heinrich noch auf dem obotritischen Throne saß, soll er ein Mal die Oder erreicht haben, wenn gleich er damals wenigstens keinen festen Fuß an derselben zu fassen vermochte, denn in den folgenden Jahren wogte der Kampf wieder hart an der polnischen Gränze und den Ufern der Weichsel, bis eine fromme Wallfahrt des kriegerischen Polenherzogs zur Abbüßung des gegen den geblendeten Bruder verübten Frevels (1113) den Pommern auf einige Jahre Ruhe verschaffte 1 ). Von der anderen Seite dehnte auch Heinrich der Obotrite unter fortdauerndem Kampfe mit den Rügen, wie wir gesehen haben, seine Macht mit sächsischer Hülfe bis in die Nähe der Oder aus und scheint selbst mit den jenseitigen Pommern in ein Bundesverhältniß getreten zu sein. Dadurch ward aber sofort die alte Eifersucht Dänemarks rege, welches namentlich die Inseln in der Mündung der Oder, wo schon in früherer Zeit dänische Vikinger=Colonien bestanden hatten, fast


1) Vgl. über diese Ereignisse Giesebrecht II, S. 161 - 212.
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als dänische Provinz betrachtete. Damals regierte in Dänemark Erich der Gutherzige (Ejegod), welcher schon um 1095 eine glückliche Fahrt in diese Gegend unternommen hatte, nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Rom aber, 1098, auf einem zweiten Zuge den Obotriten nachdrücklich zurückwies, Julin eroberte und das dänische Ansehen in dieser Gegend vollkommen wieder herstellte 1 ). Wahrscheinlich wird er dabei die Hülfe der Rügen nicht verschmähet haben, wodurch aber nach dem Siege die Insel selbst in dänische Zinsbarkeit gerieth 2 ). Die späteren Heerfahrten Heinrichs in die Gegend der Odermündung (Wolgast) und nach der Insel Rügen während der Pilgerfahrt Boleslavs, sind oben geschildert.

Gleich nach Heinrichs Tode tritt Boleslav abermals erobernd in Pommern auf. Im Winter 1120 erscheint er mit einem siegreichen Heere an den Ufern der Oder, überschreitet den gefrornen Strom, erobert Stettin und zwingt den Herzog Wartislav nach der Niederlage der Pommern bei Vadam zur Unterwerfung. In dem folgenden Jahre dringt er, seinen Sieg weiter landeinwärts verfolgend, auf einem verwüstenden Zuge bis an die Ufer der Müritz vor und soll schon 1123 eine Anwartschaft selbst auf Rügen erhalten haben, wie man aus der Nachzahlung eines zwölfjährigen Tributes bei der Bestätigung seiner Belehnung mit Rügen und Pommern durch den Kaiser Lothar, 1135, gefolgert hat 3 ). Zwar haben Andere bei diesen Rügen an die Russen gedacht 4 ), eine Verwechselung, welche allerdings öfter begegnet, allein eine Belehnung über Rußland hat Boleslav schwerlich beim Kaiser gesucht, und die Zusammenstellung mit den Pommern zeigt deutlich genug, wo wir diese Rügen zu suchen haben. Möglich ist aber allerdings, daß der Kaiser nur an das Festland Rügen dachte, und darunter mochte leicht das ganze Küstengebiet bis zur Oder verstanden werden, denn Pommern begann erst jenseit des Stromes. In diesem Falle wurde also der Tribut nur für die nachträgliche Anerkennung des factischen Besitzes nachgezahlt, ohne daß daraus eine frühere Anwartschaft auf erst zu erobernde Provinzen zu folgern wäre. Gewiß aber ist, ganz Pommern und das Gebiet diesseit der Oder bis zur Pene erkannte seit dieser Zeit die polnische Herrschaft an und mußte auf das Gebot des christlichen Herrn, wiewohl mit Widerstreben, bald auch christliche Priester dulden.


1) Saxo Gr. XII. p. 225 und Knytl. Saga c. 73 u. 76. Vgl. auch Giesebrecht II, S. 136 flgd.
2) Saxo I. c. p. 127. Scialmoni vero Candido - - - etiam Rugiae vectigalis a se factae procurationem detulerat.
3) Otto Fris. chron. VII, 19. (et de Pomeranis et de Rugis.
4) Giesebrecht II, S. 358.
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Durch diese raschen Erfolge der polnischen Waffen und die wachsenden Ansprüche des glücklichen Eroberers mußte Boleslav nothwendig in eine entschieden feindliche Stellung gegen Dänemark gerathen, welches seine verjährten Ansprüche auf die eroberten wendischen Provinzen niemals aufgegeben hatte. Wirklich wird auch von den ältesten polnischen Geschichtschreibern das Verhältniß beider Staaten ausdrücklich als ein feindliches geschildert, und doch sollte Niels, Erichs Nachfolger, grade zu dieser Zeit nicht nur um eine polnische Prinzessin für seinen Sohn geworben haben, sondern auch mit einer dänischen Flotte ausgesegelt sein, um das wichtige Julin, woran sich aus alter Zeit so viele Erinnerungen seines Volkes knüpften, mit dänischen Waffen zu erobern und den geängsteten Wartislav völlig zu erdrücken, nicht zur Herstellung der dänischen Herrschaft, sondern um die Früchte dieses Sieges dem polnischen Schwiegersohne zu Füßen zu legen? Es gehört in der That ein starker Glaube an die Unfehlbarkeit Saxos dazu, um einem solchen Berichte Vertrauen zu schenken 1 )!

Auch mit der Chronologie kommen wir bei dieser Darstellung Saxos hart ins Gedränge. Wenn die Heerfahrt des Niels wirklich im Vereine mit Boleslav stattgefunden hätte, so ist sie nothwendig vor der völligen Unterwerfung Wartislavs und der Festsetzung des Siegers auf dem linken Oderufer und den Inseln in der Mündung des Stromes zu setzen, also vor 1121, oder spätestens in den Frühling dieses Jahres selbst, wo Boleslav Stettin eroberte und kampfgerüstet dastand, seinen Sieg zur Unterwerfung des Landes zu benutzen. Dem widersprechen aber andere Angaben. Magnus war nämlich zur Zeit seiner Vermählung schon König von Schweden, und wenn wir auch das Jahr seiner Wahl nicht genau kennen, so scheint diese doch jedenfalls nach 1121 stattgefunden zu haben. Ebenso war Knud Laward, welcher bei den Friedensverhandlungen bei Strela ein Freund des Wartislav genannt wird 2 ), offenbar schon König von Obotritien (1125), denn nur in dieser Stellung konnte er mit dem Pommernherzoge in nähere Berührung kommen; auch war es grade auf der Hochzeit des Magnus, wo dessen Eifersucht gegen Knud zum Ausbruche kam, und diese war eben durch die Stellung des letzteren als Königs der Obotriten geweckt. In eben diese Zeit weis't endlich auch das Alter des ältesten Sohnes aus der Ehe des Magnus mit der Rikissa, denn Knud war 1139


1) Dahlmann Gesch. von Dänemark I, S. 223, hebt gleichfalls das Unpolitische der angeblichen Verbindung Dänemarks mit Polen hervor, meint aber: "Niels hatte keinen Sinn dafür!" Das ist eine harte Beschuldigung.
2) Saxo XIII, p. 235. Itaque efficaci persuasione usus (Canutus) et amicum (Wartislaum) oppressione, et dominum (Nicolaum) infamia liberavit.
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bei dem Tode Erich Emuns, Niels Nachfolgers, noch Knabe oder doch kaum dem Knabenalter entwachsen; bei Erich Lams Tode 1147 dagegen war er bereits regierungsmündig, d. h. 18 Jahre alt 1 ). Er scheint also erst zwischen 1125 und 1129 geboren zu sein, was den Abschluß der Ehe seiner Aeltern nach 1121 vermuthen läßt 2 ).

Alle diese Schwierigkeiten und Widersprüche lösen sich abermals ganz einfach, wenn wir mit der Knytlinga den rügischen Fürsten Burislav als Schwiegervater des Magnus annehmen. Rügen und das obotritische Reich waren durch Boleslavs Eroberungen nicht minder bedroht, als Dänemark. Ein Bündniß des Niels und Knud Laward mit Burislav gegen Polen und den polnischen Vasallen Wartislav war also eine natürliche Folge der Stellung der Völker und durch die Verhältnisse fast zur Nothwendigkeit geworden. Daß Niels dasselbe auch durch eine Familienverbindung zu stärken suchte, ist begreiflich. So erklärt sich die Verlobung seines Sohnes mit der Tochter Burislavs 3 ) und zugleich die gemeinschaftliche Fahrt gegen Julin, wobei auch ein rügisches Landheer von der Pene aus mitwirken mochte, um die polnische Macht über die Oder zurückzuwerfen, eine Unternehmung, die wahrscheinlich 1127 stattfand und vom Könige Lothar selbst unterstützt ward. Nach dem Berichte der Biographen des heiligen Otto, Apostels der Pommern, hatte nämlich Lothar nach der Rückkehr Ottos von der ersten pommerschen Mission (1124) eine Fahrt gegen die Liutizier unternommen, welche ihn in die Gegend von Demmin führte und auf welcher er einen berühmten Götzentempel, vermuthlich zu Rethra, zerstörte. Als hierauf der Bischof im Mai 1128 zum zweiten Male nach Pommern kam, fand er die Bevölkerung dieser Gegend annoch in größter Aufregung. Es waren Partheiungen im Lande entstanden, die zu innern Unruhen, selbst zu offener Empörung gegen den Herzog Wartislav und seinen Lehnherrn, die Beschützer des verhaßten Christenthums, geführt hatten. Als Urheber und Schürer dieser Bewegung läßt der Bericht den ungenannten heidnischen Fürsten


1) Saxo XIII, S. 250, sagt von den vier Thronprätendenten dieser Zeit im Allgemeinen: nondum regno tempestivi fuere, d. h. unter 18 Jahren, wie sich aus der Vergleichung der Stellen über Waldemar ergiebt, welcher 1147, 16 Jahre alt, noch nicht thronfähig war (p. 253), es aber bald darauf, etwa 1149, ward (p. 255). Knytl. c. 104, nennt sie "naesten Börn af Alder", Helmold c. 67: cum adhuc infantuli essent.
2) Die verschiedenen Ansichten Dahlmanns, Bartholds und Giesebrechts über die Zeit des Ereignisses sind eine Folge des innern Widerspruchs in der Erzählung Saxos. Vgl. Giesebrecht II, S. 213.
3) Sollte Niclot schon bei Lebzeiten des Knud die Freiheit wieder erlangt haben, so wird das gleichfalls jetzt geschehen sein, aber auch das Benehmen des Niels gegen ihn nach Knuds Tode tritt nun in ein helleres Licht.
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der Rügen erkennen, welcher namentlich den Stettinern, so lange sie dem Christenthume treu blieben, offen den Krieg erklärt und ihre Schiffe zerstört hatte. Ja an den Ufern der Pene wüthete noch jetzt der Krieg mit einem gleichfalls nicht genannten Feinde, ohne Zweifel eben diesem rügischen Fürsten. Aber auch der Ausrüstung von Schiffen gegen die Dänen wird gelegentlich gedacht und zahlreicher dänischer Gefangenen, sowie umgekehrt edle Pommern in dänischer Gefangenschaft schmachteten. Endlich melden die Berichte auch ausdrücklich die Zerstörung Julins im Jahre 1127 durch eine furchtbare Feuersbrunst, wobei die christliche Kirche, obwohl mitten im Orte gelegen, auf eine wunderbare Weise gerettet sei. Als Ursache des Brandes wird jedoch ein zündender Blitzstrahl angegeben. Diese Einzelheiten, mit dem dänischen Berichte verglichen, lassen den wahren Zusammenhang nicht undeutlich erkennen und bestätigen die ausgesprochene Vermuthung 1 ).

Endlich tritt Saxo auch mit allen polnischen Berichten über die Familienverhältnisse Boleslavs in offenen Widerspruch. Martinus Gallus, ein fränkischer Geistlicher und Zeitgenosse Boleslavs, an dessen Hofe er lebte und dessen Thaten er durch ein Lobgedicht in lateinischen Reimversen zu verherrlichen suchte 2 ), kennt die Verbindung seines Herrn mit Dänemark eben so wenig, als Matthäus Choleva, Bischof von Krakau (1143 - 1166), welcher gleich nach Boleslavs Tode seine prahlerischen Briefe über die Thaten der polnischen Herzoge schrieb 3 ). Beide erwähnen zwar der Familienverhältnisse ihres Herrn überhaupt nur beiläufig, aber eine Vermählung der Tochter des Herzogs mit dem dänischen Thronfolger, von so merkwürdigen kriegerischen Ereignissen begleitet, wie Saxo sie meldet, wäre von unsern Lobrednern nicht übergangen, wenn sie stattgefunden hätte. Geradezu aber widerspricht der 1253 verstorbene Bischof Boguphal von Posen 4 ) und der freilich erst dem 15. Jahrhundert angehörige fleißige Dlugoß, welcher indeß vielfach noch ältere, jetzt verlorene Quellen benutzte 5 ). Nach den Berichten dieser durchaus gaubwürdigen Zeugen ward Boleslav am 20. August 1084 geboren 6 ) und


1) Ich kann hier nur auf Giesebrecht II, S. 299 flgd. verweisen, da eine genauere Ausführung nicht hieher gehört.
2) Martini Galli chron. Polon. Ed. Bantzke. 1829.
3) Die drei ersten Bücher des Chronic. Polon. Vincentii Kadlubkonis bei Dlugoss II, im Anhange, sind bekanntlich von Matthäus Cholleva.
4) Boguphali II. episc, Posnan. Chron. Polon., bei Sommersberg rer. Silesiac. scriptores II. p. 18 sqq.
5) Joh. Dlugossi histor. polon., Lips. 1711.
6) Den Tag hat Mart. Gall. II. c. 1., das Jahr Cosmas Prag. ad a. 1085. Nach Boguphal dagegen starb Boleslav 1138 im 56. Jahre seines Alters. ( A. dmn. MCXXXVIII, etatis sue LVI, unde de hoc cxtant versus ). Das (  ...  )
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folgte seinem Vater Vladislav 1102 in der Regierung des Reiches. Schon im folgenden Jahre, nach Dlugoß am 16. November, vermählte er sich, obwohl erst 19 Jahre alt, mit der Zbislava, Tochter des russischen Fürsten Svantopolk von Kiew, aus welcher Ehe ihm nach der wiederholten, bestimmten Versicherung Boguphals nur ein Sohn, Vladislav, und eine Tochter geboren wurden 1 ). Dlugoß setzt die Geburt des Vladislav in das Ende des Jahres 1104, die der Tochter, hier Svantoslava genannt, genauer auf den 12. April 1106 2 ). Schon im Jahre 1108 starb die Mutter und Boleslav vermählte sich zwei Jahre darauf zum zweiten Male, nach Boguphal mit der Adelheid, Schwester des Kaisers Heinrich IV. 3 ), welche zehn Jahre hindurch unfruchtbar blieb, dann aber noch fünf Söhne gebar. Der Geburt einer zweiten Tochter gedenkt Niemand, wenn gleich auch nicht ausdrücklich gesagt wird, daß sie nicht geboren sei. Für uns ist dies gleichgültig, da ihre Geburt jedenfalls nach 1118 stattgefunden haben müßte, sie also hier ihrem Alter nach nicht mehr in Betracht kommen könnte. Uebrigens war Boleslav nach der sichern Nachricht der Chronik des Klosters Zweifalten in den letzten Jahren mit der Salome, Tochter des Herzogs Heinrich von Berg vermählt, welche ihn überlebte. Es scheint also, als ob die zweite Gemahlin nach zehnjähriger unfruchtbarer Ehe gestorben sei und der Herzog sich später zum dritten Male vermählt habe. Auch dies hat indeß auf unsere Untersuchung keinen Einfluß.

Die erwähnte Tochter erster Ehe aber war späterhin an einen Fürsten von Halicz vermählt. Dies erfahren wir zuvörderst aus völlig sicherer Quelle durch den Bischof Vincenz Kadlubek von Krakau, welcher gegen Ende des 12. Jahrhunderts als Dompropst von Sandomir (1186 - 1208) im Auftrage des Herzogs Kasimir von Polen († 1192), Boleslavs Sohns, die Chronik des Matthäus Choleva fortsetzte. Er erwähnt jedoch dieser Ehe der Schwester seines Herrn nur beiläufig, bei Gelegenheit der zwischen ihren Söhnen, den Fürsten von Halicz, um 1182 ausgebrochenen Streitigkeiten, in welche der Oheim sich einmischte, ohne den Namen, weder der Mutter, noch des Vaters zu nennen 4 ).


(  ...  ) gäbe als Geburtsjahr 1182 ober 1183, je nachdem man den Todestag vor oder nach dem 20. August annimmt. Wahrscheinlich ist indeß LIV statt LVI zu lesen. So wenigstens wird Dlugoß, welcher das Alter des Herzogs zu 54 Jahren angiebt, gelesen haben.
1) Boguph. I. c. p. 30 und 36.
2) Dlug. IV. p. 355 - 360.
3) Boguph. I. c. p. 36. Die erste Vermählung und die Geburt eines Sohnes hat auch Mart. Gall. II, c. 23. 40.
4) Vincentii Kadlubek hist. Polonor. Lib. IV. c. 14 u. 15 (bei Dlugoss II, p. 592 sqq.)
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Ausführlicher ist Boguphal. Nach ihm war die Prinzessin an Coloman, einen Sohn des Königs von Ungarn, vermählt, welchem Boleslav als Brautgabe seiner Tochter die Kastellanei Spiß verschrieb, worüber später Weiterungen mit Ungarn entstanden. Coloman ward durch den Einfluß seines mächtigen Schwiegervaters zum Könige von Halicz erhoben, aber wie es scheint schon nach wenigen Jahren, jedoch nach der Zerstörung Wiliczkas am 6. Febr. 1130 1 ), aus seinem Reiche vertrieben und lebte längere Zeit mit Gemahlin und Kindern an dem Hofe Boleslavs, welcher noch kurz vor seinem Ende einen sehr unglücklichen Heereszug unternahm, um den Schwiegersohn mit Waffengewalt wieder einzusetzen 2 ). Dagegen erzählt Dlugoß schon zum Jahre 1108, daß Boleslav seine erst zweijährige Tochter, welche er hier im Widerspruche mit sich selbst Judith nennt, mit Stephan, Sohn des Königs Coloman von Ungarn, verlobt habe, welcher auch später ihr Gatte geworden sei, wobei gleichfalls der Bestellung der Brautgabe und des darüber später mit Ungarn entstandenen Streites gedacht wird. Eben so kennt auch Dlugoß die Vertreibung der Prinzessin mit ihren Kindern, ihre Flucht zum Vater und dessen vergebliche Versuche zur Wiedereinsetzung der Tochter, nur daß er dies alles nach dem Tode Stephans, ihres Gemahles, setzt und den Schauplatz nach Ungarn verlegt. Offenbar sind diese Nachrichten aus verschiedenen Quellen entlehnt und beziehen sich auf zwei verschiedene Ereignisse, welche schon Boguphal mit einander vermischt zu haben scheint, nämlich erstens die Vermählung der Judith (um 1108) an Coloman von Ungarn (nicht seinen Sohn Stephan), welcher nach ungarischen Berichten zweimal vermählt war, dessen zweite Gemahlin aber unbekannt ist, und welcher 1114 starb, und zweitens die natürlich viel später zu setzende Vermählung der Suantoslava an einen unbekannten Fürsten von Halicz. Jene Judith aber war vielleicht eine Tochter Boleslavs II., Oheims Boleslavs III., welcher, durch seinen Bruder Vladislav vertrieben, nach Ungarn floh, wo er mit Hinterlassung eines Sohnes 1181 verstarb 3 ).

Hieraus ergiebt sich denn wenigstens so viel mit voller Gewißheit, daß Boleslav im Jahre 1121, wo die Vermählung des Magnus und die damit zusammenhangende kriegerische Fahrt seines Vaters gegen Julin, nach den politischen Verhältnissen der Zeit, spätestens stattgefunden haben müßte, wenn der Herzog


1) In unserem Texte des Boguphal steht MCXXXV. VI. Idus Febr., bei Kadlubek dagegen: Idus Febr. 1136. Dlugoß endlich setzt das Ereigniß ums Jahr 1130 und hat also MCXXX. VI. Id. Febr. gelesen.
2) Boguph. I. c. p. 40 sq.
3) Mart. Gall. I. c. 27 und 28, Vita St. Stanisl. c 32.
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von Polen der Brautvater und Bundesgenosse des Niels gewesen wäre, - daß jener also damals überall noch keine mannbare Tochter hatte. Aber auch späterhin kann der dänische Prinz nicht der Schwiegersohn des Polen geworden sein, denn dieser hatte nur eine hier in Betracht kommende Tochter, und deren Gemahl war Magnus von Dänemark nicht, sondern ein russischer Fürst, wie wir, ungeachtet der Zweifel über den Namen und die Herkunft desselben, aus seinen, seiner Gemahlin und seiner Kinder wohlbekannten späteren Schicksalen mit Sicherheit schließen dürfen. - Dagegen findet sich bei den polnischen Schriftstellern umgekehrt eine freilich ziemlich abgerissene und vereinzelt stehende Nachricht von der Vermählung einer dänischen Prinzessin mit einem Sohne Boleslavs III., wobei wir noch einige Augenblicke verweilen müssen.

Dlugoß erwähnt nämlich zum Jahre 1128 einer Versammlung, welche Boleslaus bei Wilun, worunter hier ohne Zweifel Wollin zu verstehen ist, gehalten habe und wo seinem Sohne Vladislav durch dänische Große eine Tochter des Königs von Dänemark mit einer reichen Aussteuer zugeführt sei, worauf die Hochzeit mit großem Aufwande gefeiert und die Dänen mit Geschenken entlassen worden seien 1 ). Das ist gewiß ein merkwürdiges Seitenstück zu Saxos Erzählung! Der Werth der Nachricht an sich ist schwer zu würdigen; vielleicht ist sie aus der Geschichte Peters des Dänen entlehnt, in welchem Falle die Braut keine dänische, sondern eine wendische Prinzessin sein würde; vielleicht ist gar an unsere Rikissa zu denken, die Wittwe des Magnus von Dänemark, so daß das Ereigniß etwa 10 Jahre später, nach 1135, zu setzen wäre. Dies ist aber ohnehin nothwendig, wenn die Erzählung überhaupt auf Wahrheit beruht, da Vladislav nach der frühern eigenen Erzählung des Dlugoß sich schon 1121 mit einer Tochter, richtiger Schwestertochter, des Kaisers Heinrich V. vermählt hatte, die ihm schon in früher Jugend verlobt war und mit der er mehrere Kinder erzeugte. Möglich ist aber allerdings, daß diese um 1138 bereits verstorben war, und Wladislav, welchen sein Vater schon bei Lebzeiten mit der Verwaltung Pommerns betraut hatte, sich in zweiter Ehe mit der Wittwe des Magnus vermählte, welche vielleicht nach der Heimath Rügen zurückgekehrt war. So hätten wir denn in Vladislav, dem ältesten Sohne des Boleslav, den Valadar der Knytlinga, welchen


1) Dlug. IV, p. 429: Boleslaus Polonornm dux notabilibus nunciis ex regno Daniae ad eum transmissis apud Wielun magnificum tenuit conventum, ubi - - filiam regis Danorum adductam filio suo per Barones Danie cum magnifica dote accepit in uxorem, nuptiasque sumptibus profusis celebravit etc.
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sie einen König von Polen nennt, glücklich wiedergefunden, und das würde freilich der bündigste Beweis sein, daß Rikissa keine Tochter Boleslavs III., d. h. Schwester des Vladislav, ihres Gatten, gewesen sei 1 ).

So gewagter Hypothesen bedarf es indeß zur Stützung der von mir verfochtenen Ansicht nicht. Mir kommt es hier überhaupt auf den innern Werth der Erzählung des polnischen Historikers zunächst nicht an, sondern auf ihr Dasein überhaupt. Ich zweifle nämlich nicht einen Augenblick, daß Saro, auf dessen Bekanntschaft mit polnischen Berichten schon oben aufmerksam gemacht ward, diese polnische Sage, die Dlugoß nothwendig aus einer ältern unbekannten Quelle entlehnt haben muß, gekannt habe und lediglich durch die Vergleichung derselben mit der ähnlichen nordischen Sage über die Vermählung des dänischen Prinzen mit einer Tochter des Königs Burislavs zu seiner eigenthümlichen Darstellung des letzteren Ereignisses gelangt sei. Indem er beide Erzählungen zu vereinigen suchte, ließ er sich durch die ähnlich klingenden Namen Burislav und Boleslav, die er für gleichbedeutend gehalten haben muß, zu der Verwandelung des rügischen Königs in einen Herzog von Polen verleiten; das ist die einfache Lösung des Räthsels, die nur dadurch möglich geworden ist, daß uns die nordische Sage durch die Knytlinga glücklicher Weise in ihrer reinen, ursprünglichen Gestalt aufbewahrt ward.


So erscheint denn der Bericht der nordischen Saga nach allen Seiten hin vollkommen gerechtfertigt, und unsere Geschichte ist um eine höchst merkwürdige und bedeutungsvolle Thatsache bereichert: bedeutungsvoll nicht bloß für den nächsten Gegenstand unserer Untersuchung, den Ursprung unsers hohen Fürstenhauses, sondern für die Geschichte der wendischen Völker überhaupt, weil durch sie die gesammten Verhältnisse und Ereignisse der Zeit in einem völlig neuen Lichte erscheinen! Fassen wir nunmehr das Hauptergebniß der ganzen Untersuchung, zugleich zur nähern Erläuterung der beigefügten Stammtafel, noch einmal in kurzer Uebersicht zusammen.


1) Durch diese Annahme erklärte sich übrigens zugleich die Verwandschaft des Königs Knud, Waldemars Sohns, und der Söhne des Herzogs Bogislav von Pommern, durch die Mutter des ersteren, Sophie, Rikissas Tochter, deren Saxo XVI. p. 384 gedenkt. Bogislavs Söhne waren durch ihre Mutter Anastasia Enkel des Mieczyslav, Bruders des Vladislav. War also Sophie, Knuds Mutter, eine Tochter des Vladislav (mit der Rikissa), so war die Verwandtschaft nahe genug. Vgl. oben S. 36. Uebrigens schreiben die polnischen Chronisten die Verfolgung des Grafen Piotrek durch die beleidigte Gattin des Vladislav 1142 noch der Kaisertochter zu. Wäre dabei an Rikissa zu denken, so könnte man grade in diesem Verhältniß die Veranlassung zu der spätern Verstoßung derselben finden.
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Nach der Ermordung Gottschalks also, im Jahre 1066, ward Kruto, ein Sohn des Grinus, König von Rügen, durch die Wahl der Großen des Reiches zugleich zum Könige der Obotriten erhoben und gründete durch glänzende Siege ein neues Wendenreich, von einer Macht und einem Umfange, wie es nie zuvor und niemals nach ihm bestand. Er war zweimal vermählt, zuerst mit einer unbekannten Gattin, und später im schon vorgerückten Alter mit der Slavina, durch deren Treulosigkeit er 1093 den Tod fand. In erster Ehe wurden ihm mindestens zwei, vielleicht vier Söhne geboren, von welchen ihm Burislav in der Regierung des Stammlandes folgte und zugleich von den Obotriten auf den Thron des ermordeten Vaters erhoben ward. Auf der smilower Haide erlag er seinem Gegner Heinrich, Gottschalks Sohne, und dessen sächsischen Bundesgenossen, und ward in die ursprünglichen Grenzen der Herrschaft Rügen zurückgedrängt, von wo aus er den Kampf gegen Heinrich, vermuthlich in dänischer Bundesgenossenschaft, fortsetzte, wodurch aber Rügen selbst gegen Ende des 11. Jahrhunderts in dänische Zinsbarkeit gerieth. Im Jahre 1111 unternahm er einen unglücklichen Seezug gegen Lübeck, siegte dagegen 1112 über Heinrichs Sohn Waldemar, mußte aber 1113 und 1114 wenigstens scheinbar die sächsisch=obotritische Oberherrschaft anerkennen und einen Bruder als Geißel stellen. Nach Heinrichs Tode im Jahre 1119 brachen innere Unruhen im Obotritenreiche aus, indem sein Sohn Suentipolk und Kanut um die Herrschaft stritten, was Burislav anscheinend zur Wiedereroberung der kissinischen und circipanischen Gaue benutzte. Im Jahre 1121 warb er zwar nochmals durch die Sachsen daraus vertrieben, eroberte aber drei Jahre darauf, nach der Ermordung Kanuts durch seinen Bruder Suentipolk, die Hauptstadt Lübeck und vertrieb seinen Gegner aus dem Reiche.

Burislav, dessen Gemahlin unbekannt ist, hatte zwei namentlich bekannte Söhne, Niklot und Lubimar, und eine Tochter, Rikissa. Letztere ward 1127 mit Magnus von Dänemark, nach dessen Tode 1135 mit einem polnischen oder russischen Fürsten Valadar, und später zum dritten Male mit Sverker, König von Schweden, vermählt. Niklot dagegen ward noch bei Lebzeiten seines Vaters, 1125, mit der Verwaltung der neu eroberten obotritischen Provinzen betraut, hatte aber das Unglück, bald darauf in die Gefangenschaft des vom Könige Lothar mit der obotritischen Königskrone belehnten Herzogs Knud Lavard von Schleswig zu gerathen. Erst nach dem Tode Knuds, 1131, gelangte er wieder in den Besitz der obotritischen Herrschaft, wenn auch in sehr beschränktem Umfange, und erhielt sich in derselben, aller gegen ihn heranziehenden Stürme ungeachtet, bis an seinen Tod, 1161.

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Er ist bekanntlich der Stammvater des noch jetzt blühenden großherzoglich=meklenburgischen Fürstenhauses.

Während jener Gefangenschaft Niklots und der Regierung Knuds als Königs der Obotriten, scheint Burislav, nach 1127, gestorben zu sein, worauf anscheinend ein ungenannter Bruder desselben, mit Uebergehung des vielleicht noch minderjährigen Lubimar, die Zügel der Regierung ergriff, ohne Zweifel der Vater der spätern rügischen Fürsten Tetislav und Jaromar, welche von 1162 - 70 als Brüder genannt werden, jener aber ausschließlich im Besitze der königlichen Würde. Seit 1181 - 1218 dagegen erscheint Jaromar als König, und neben ihm ein Bruder Stoyslav, anscheinend Söhne des Tetislav, obwohl man jenen, den Stifter des 1325 erloschenen Geschlechtes der rügischen Fürsten, mit obgedachtem gleichnamigen Bruder des letzteren für identisch zu halten pflegt. Stoyslav ist der Stammvater der Herren von Putbus, während das Haus Gristow von einem Sohne des Jaromar, Barnutha, abgeleitet wird. - Bald nach dem Tode Burislavs tritt nun jener Race, oder Ratislav, als Eroberer Wagriens auf, 1138, und verschwindet dann, worauf nacheinander Rochel, 1150, und Pribislav, 1156, als Fürsten dieses Landes erscheinen. Von Ratislav und Rochel ist gewiß, daß sie Nachkommen des Kruto waren, weshalb man jenen für einen Sohn desselben, den Vater der Fürsten Tetislav und Jaromar gehalten hat; wahrscheinlicher war er ein Enkel des Kruto, entweder Bruder der genannten Fürsten, oder Niklots und Lubimars. Rochel und Pribislav aber werden als Söhne Ratislavs zu nehmen sein. Anscheinend hatte dieser aber noch einen dritten Sohn Nicolaus (Niklot?), welcher eine Zeit lang Statthalter von Schleswig war und 1161 bei Gelegenheit der Plünderung einer bischöflichen Besitzung erschlagen ward 1 ).

Ob auch die spätern Herzoge von Pommern krutonischen Geschlechtes waren oder aus einem älteren Zweige des rügischen Fürstenhauses stammten, ist nicht zu erweisen. Eins von beiden ist aber mindestens in hohem Grade wahrscheinlich, seit man genöthigt gewesen ist, die Abstammung dieser Fürsten von dem alten ostpommerschen Herzogsgeschlechte aufzugeben und Giesebrecht wahrscheinlich gemacht hat, daß Wartislav, der erste historisch sichere Stammvater der westpommerschen Herzoge, mit seinem


1) Saxo Gr. XIV. p. 299. Interea Nicolaus quidam, Razi filius, recenter Sleswicensium satrapa constitutus, cum eorum antistite Esberno inimicitiis vehementer gestis, per summum temeritatis excursum celeberrimum ejus fundum speciosissimo spoliaverat aedificio. Quod cum plaustris devehendum mandasset a militibus Esberni deportationem inhibituris ociditur. Dieser sonst unbekannte Razus kann doch wohl kaum ein anderer sein, als der latinisirte Race des Helmold?
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Bruder Ratibor, kein Pommer, sondern ein Lutizier war. Einen weiteren Anhalt giebt vielleicht die Nachricht, daß Wartislav in seiner Jugend in sächsische Gefangenschaft gerathen und dadurch dem Christenthume gewonnen sei. So könnte er jener Bruder des rügischen Königs gewesen sein, welcher 1114 dem Herzoge Lothar als Geißel gegeben ward, also ein dritter Sohn Krutos, zu welchem dann Ratibor als vierter hinzukäme. Nach wiedererlangter Freiheit im Besitze der Küstenländer zwischen Pene und Oder, als eines Theiles seines väterlichen Reiches, eroberte er dann zugleich einen Theil von Pommern, bis er der Uebermacht Boleslavs von Polen erlag. Für diesen Zusammenhang spricht die schon am Ende des 12. Jahrhunderts bedeutsam hervorgehobene Verwandtschaft des pommerschen und rügischen Fürstenhauses: eine weitere Begründung der Vermuthung wird aber nur möglich werden, wenn auch hier durch die Eröffnung neuer Quellen unerwartet helleres Licht auf diese Verhältnisse geworfen werden sollte.

Auch aufwärts, über den Grinus, Krutos Vater, hinaus läßt sich der Stammbaum dieses mächtigen Königsgeschlechtes mit einiger Sicherheit nicht fortführen. Die Insel Rügen war seit der Auswanderung, oder richtiger Auswerfung, der alten germanischen Bewohner derselben Jahrhunderte hindurch den Blicken der gebildeten Welt entrückt. Erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts tritt das slavische Volk, welches nunmehr den Namen des fernen Eilandes trug, als Bundesgenossen des Kaisers Otto des Großen in der Schlacht an der Raxa (955) wieder handelnd in der Geschichte hervor, aber ein Fürst des Volkes wird uns noch nicht genannt. Ein Menschenalter später kennt dann die nordische Sage einen wendischen König Burislav in dem Heere Ottos des zweiten, welcher andererseits an den Mündungen der Oder eine bedeutsame Rolle spielt. Schon Suhm und nach ihm Barthold haben denselben gleich seinem jüngern Namensgenossen für identisch mit dem pommerschen Herzoge Mieczyslav von Polen gehalten, indem sie die Sage zugleich einer Verwechselung dieses mit seinem Sohne Boleslav, dem ersten des Namens, beschuldigen. Giesebrecht hat diese unhaltbare Vermuthung zurückgewiesen; ob aber Burislav zu dem Geschlechte der Könige von Rügen gehörte, wie andere angenommen haben, bleibt völlig ungewiß. Noch nebelhafter ist die Gestalt des riesenhaften wendischen Helden Regbus, welcher nach eben dieser Sage über ein halbes Jahrhundert später vom Könige Magnus dem Guten in der Schlacht bei Lyrskow (1044) erschlagen sein soll, dennoch aber noch im folgenden Jahre in der Schlacht bei Helgenäs kämpfte, und hier ausdrücklich ein Rüge genannt wird. Damit sind wir bereits in dem Zeitalter

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des Grinus angelangt; zur Feststellung des Verhältnisses beider fehlt es aber in den diesseitigen, wie in den jenseitigen Berichten an jeglicher Andeutung, und eben so wenig läßt sich die an sich allerdings nicht unwahrscheinliche, ursprüngliche Stammverwandtschaft des rügischen Königshauses mit den ostpommerschen Herzogen einerseits, und den älteren obotritischen Königen andererseits, ermitteln. Erkennen wir also hier die Grenze historischer Forschung.


Spätere Bemerkung.

Die ungewöhnliche Schreibung des Namens Kruto, statt des bisher üblichen Kruko, oder Krito, scheint annoch einer Rechtfertigung zu bedürfen, wozu ich in der Note 1 auf Seite 8 der vorstehenden Abhandlung keinen Raum fand, da diese selbst in der Handschrift der älteren Schreibung (Kruko) folgte, was erst während des Druckes in der zweiten Correctur abgeändert ward. Herr Archivar Lisch, dessen freundschaftlicher Vermittelung ich auch die Benutzung der älteren polnischen Chronisten aus der königlichen Bibliothek zu Berlin verdanke, hatte sich nämlich inzwischen an den Herrn Archivar Dr. Lappenberg in Hamburg gewendet, und durch die dankenswerthe Mittheilung dieses Gelehrten, welcher seit Jahren eine neue Bearbeitung der Chronik des Helmold für die Monumenta historiae Germanicae von Pertz vorbereitet hat, ward uns sofort die gewünschte Auskunft über die auffallende Abweichung in der Schreibung jenes Namens zu Theil.

Hiernach haben alle von Herrn Lappenberg entweder unmittelbar, oder nach einem Verzeichniß der Varianten benutzten Handschriften die Lesart: Cruto. So namentlich die Pergament=Handschrift in Kopenhagen, spätestens aus dem Ende des 13. Jahrhunderts, in dem Archiv der Gesellschaft für ältere Geschichtskunde VI., S. 576 flgd. als Nr. 1 bezeichnet; ferner die Papier=Handschrift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts auf der Stadt=Bibliothek zu Lübeck, welche der Ausgabe des Heinrich Bangert, 1659, zum Grunde liegt (Nr. 2), und eine noch von Bangert benutzte, jetzt verlorene stettiner Handschrift (Nr. 6). Nur einige Male findet sich in Nr. 2 die Lesart Critto, und so lies't auch die editio princeps von Sigmund Schorkel (1556), vielleicht nach einer verlorenen Handschrift (Nr. 10). Auch unser Kirchberg, welcher den Helmold nur handschriftlich benutzen konnte, hat einmal, c. 36, Critto, sonst stets Crito, und diese letzte Lesart findet sich auch bei den meisten übrigen Epitomatoren Helmolds, namentlich Albert von Stade, der lübischen Chronik und Albert Krantz.

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Nur Corner hat Truto, und Bangert Cruco, letzterer vielleicht nach der von ihm benutzten, jetzt verlorenen Rantzovischen Handschrift (Nr. 3).

Demzufolge ist die Lesart Cruto ohne Zweifel die allein richtige, da die Formen Truto und Cruco augenscheinlich auf einer Verwechselung der in alten Handschriften oft so schwer zu unterscheidenden Buchstaben t und c beruhen, aber auch Critto, und das daraus entstandene Crito sichtlich auf Cruto zurückzuführen ist. Dieser letzte Name hat denn auch einen rein slavischen Klang, und ist wahrscheinlich durch das böhmische krutĕ, d. i. gewaltig, strenge, auch grausam oder grimmig, zu erklären.

Den Namen des Vaters schreiben alle Handschriften Grinus (filius Grini). Eben so hat Bangert und Kirchberg (Grines sone, c. XXVI). Nur Albert von Stade (zum Jahre 1167) und Albert Krantz (Vandalia, III, c. 6 u. 7) bieten die Lesart Grimus dar. Die nordische Sage kennt schon einen Slavenfürsten Grimar als Bundesgenossen des Königs Harald Hildetand, während Grim, aus der Stadt Skierum auf Thyle, auf Seiten seines Gegners Ring steht. (Saxo Gr. VIII. P. 144). In historischer Zeit aber wird urkundlich ein ostpommerscher Fürst Grimislav genannt (Cod. Diplom. Pomeran. Nr. 46, von 1178, und Nr. 76, von 1198), wozu auch der Ortsname Grimme zu stellen sein mag. Zur Erklärung des Namens bietet sich das böhmische h r mit tilde mj dar, d. i. donnern, aber auch rauschen, tönen, namentlich auch von der lauten, starken Stimme gebräuchlich. Das böhmische hr entspricht nämlich häufig dem gr anderer Dialecte, daher z. B. polnisch grzmi, es donnert. Die Lesart scheint sich also in mancher Beziehung zu empfehlen; ohne die Auctorität einer Handschrift habe ich jedoch nicht gewagt, sie in den Text aufzunehmen.

In Betreff des hohen Ansehens der rügischen Fürsten im Alterthume ist hier beiläufig noch zu bemerken, daß nach Helmolds Versicherung die Slaven selbst denselben ausschließlich die königliche Würde zuerkannten, indem sie ihnen und ihrem tapferen Volke ein Primat über alle übrigen einräumten 1 ). Daher werden sie denn auch nicht nur von den Schriftstellern, Helmold selbst und Saxo, bis zu ihrer völligen Unterwerfung unter die dänische Oberherrschaft stets Könige (rex) genannt, sondern selbst Kaiser


1) Rani, qui et Rugiani, gens fortissima Slavorum, qui soli habent regem, extra quorum sententiam nihil agi in publicis rebus fas est. I, c. 2, § 12, nach Adam von Bremen; die ausgezeichneten Worte sind aber Zusatz des Helmod. Eben so: Rani - - - primatum praeferentes in omni Slavorum natione, habentes regem etc. I. c. 36.
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Friedrich I. beehrte noch den Fürsten Jaromar mit diesem Titel 1 ). Ihr einheimischer Titel war also vermuthlich krol, während die übrigen Fürsten knezi, kniaze, d. h. Herr, hießen.

Gelegentlich muß ich noch bemerken, daß schon Krantz - was ich früher übersehen habe - die oben S. 12, Not. 2 vermuthete Lücke in der angeführten Stelle des Helmold, c. 34, ganz in meinem Sinne ausfüllt, indem er die Worte Helmolds: et statuerunt in locum ejus, qui etc., so wiedergiebt: alium sibi principem statuentes, de genere Critonis, qui etc. Ob er diesen Zusatz in seiner Handschrift fand, oder nur zur Erklärung nöthig hielt, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls ist es interessant, zu bemerken, daß schon dieser berühmte Forscher den von mir entwickelten Zusammenhang des Ereignisses erkannte.


1) Saxo Gr. XV. P. 371. Rugiae principem Jarimarum, quem pridie compluribus venerationis officiis, insuper regio nomine adulatus fuerat (Caesar) etc.
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Stammtafel