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6.
Die Schlacht bei Gransee

im Jahre 1316.

Bei der Feststellung der gegen die Brandenburger im J. 1399 gewonnenen Schlacht von Neuensund (vgl. im Folgenden) möge hier eine Beschreibung und Beleuchtung der Schlacht von Gransee, welche zwar im Freimüth. Abendbl. 1839, Nr. 1074 von mir mitgetheilt ist, in unsern Jahrbüchern in einer vervollständigten Ausgabe wieder eine Stelle finden, um sie in geschichtlichem Zusammenhange zu erhalten.

Schon seit dem zwölften Jahrhundert und länger strebten Dänemark und Brandenburg mit aller Kraft darnach, die Lehnsoberherrlichkeit oder gar den Besitz der wendischen Ostseeländer zu gewinnen; in unaufhörlichen Kriegen, die eben so ausdauernd mit der Feder, als hartnäckig mit dem Schwerte geführt wurden, waren die reichen Länder wiederholt der Schauplatz verwüstender Kämpfe, in denen die beiden eroberungssüchtigen Mächte oft im östlichen Meklenburg und im westlichen Pommern von Norden und Süden her in eine Berührung kamen, aus welcher sich bald, wenn auch aus der Ferne, eine feindselige Nebenbuhlerei um jene Länder entwickelte. Dänemark war, trotz häufiger und großer Opfer, am Ende nicht viel glücklicher, als die Lehnsoberherrlichkeit über diesen oder jenen Theil des Wendenlandes zu erringen, eine Herrschaft, welche sich mehr auf mittelbaren Einfluß und auf den Titel eines Wendenkönigs beschränkte; ausdauernd blieb Dänemark im Besitze der Lehnsherrlichkeit über das ganze Land Rügen. Brandenburg war dagegen in seinem Umsichgreifen glücklicher.

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Schon im Jahre 1182 nahmen die Markgrafen von Brandenburg den pommerschen Fürsten das Land Stargard 1 ) (das jetzige Großherzogthum Meklenburg=Strelitz), welches ihnen, zugleich mit der Lehnsherrschaft über ganz Pommern, durch den Vertrag von Kremmen im J. 1236 von Pommern feierlich abgetreten ward, während Dänemark im äußersten Osten und Westen der ehemaligen Wendenländer wiederholt große Anstrengungen erfolgreich zu machen versucht hatte. Bald darauf gewannen die Brandenburger noch bedeutende Landstrecken im südlichen Theile von Pommern als Besitz und einen dauernden Einfluß  über das ganze Land. So gestalteten sich die Dinge im Laufe des 13. Jahrhunderts, während sich gegen Ende dieses Jahrhunderts die Blüthe der großen Handelsstädte an der Ostsee, namentlich der Städte Lübeck, Wismar, Rostock und Stralsund, in dem Bunde der Hanse zu einer selbstständigen Macht entwickelte, deren Größe weder geahnt, noch vorher berechnet war.

Diese nach und nach sich entwickelnde Bildung des großen Städtebundes und das Aussterben der Regentenlinien von Stargard und Rostock waren die wahren Ursachen der großen Begebenheiten, welche im Anfange des 14. Jahrhunderts die Wendenländer zum Gegenstande der besondern Aufmerksamkeit machten. Es entwickelten sich aus ihnen die mehr politischen Elemente der Wendenländer während des 14. Jahrhunderts, nachdem das 13. Jahrhundert unter kirchlichen Bestrebungen für die Germanisirung der Völker verflossen war. - Der Mannsstamm der markgräflich=brandenburgischen Linie von Stargard, welche durch die Landestheilung von 1258 entstanden war, erlosch ungefähr im J. 1301 mit dem Markgrafen Albrecht III., und das Land Stargard ging, sicher seit dem J. 1302, an Meklenburg über, indem Albrechts Tochter Beatrix es ihrem Gemahle, dem Fürsten Heinrich dem Löwen von Meklenburg, als Heirathsgut zubrachte. Dadurch aber trat Meklenburg für diesen Landestheil zu Brandenburg in Lehnsverhältniß, das dieses schon früher über das Land Werle zu usurpiren gesucht hatte und später über das ganze Land Meklenburg auszudehnen strebte. - Der letzte männliche Sproß des meklenburgischen Fürstenhauses von Rostock, Nicolaus das Kind, war kaum zur Regierung gelangt, als er sich durch große Unbeständigkeit und Thorheit innere und äußere, nach dem Besitze des bald erledigten Fürstenstuhles lüsterne Feinde zuzog, die ihn und seine Residenzstadt hart bedrängten. Die Rostocker, durch harte Kriegsereignisse in ihrem blühenden Verkehr gestört und voll Mißmuths über die traurigen Aussichten in die


1) Das erste eroberungssüchtige Umsichgreifen Brandenburgs gegen Norden hin ist in den Jahrb. III, S. 27 flgd. entwickelt.
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Zukunft, griffen zu dem verzweifelten Mittel, dem gefürchteten Mächtigern, dem König Erich Menwed von Dänemark, ihr Heil anzuvertrauen. Erich ließ sich auch nicht lange bitten, nach dem alten Plane Dänemarks festen Fuß in Meklenburg zu fassen; er erschien schon im J. 1300 im Lande und übernahm, die Landeshoheit über die Herrschaft Rostock, nachdem ihm Nicolaus das Kind den Vasalleneid geleistet hatte. Zwar sahen alle übrigen Fürsten diese Begebenheit mit schelen Augen an; aber sie mußten, als die Schwächern, sich vor der Uebermacht beugen.

Während dieser Zeit vorzüglich erstarkte der Bund der Hansestädte. Ein reiches Leben machte die Städte kühn, eine innige Verbindung unter einander stark. Alle sahen mit Furcht auf die ebenfalls sich entwickelnde Macht der nordischen Fürsten, welche in den neu gebildeten Staaten sich das heilige römische Reich zum Muster nahmen und in gegenseitiger Eifersucht alle ihre Kräfte aufboten, um einander durch imposante Mittel zu schrecken. Die fast unglaubliche Keckheit Wismars nahm überhand und ward beleidigend gegen die Fürsten des Landes, Rostocks Bürgerschaft trug nur murrend ein fremdes, selbst aufgelegtes Joch und Stralsund zeigte nicht übel Lust, sich über die Landesherrschaft hinwegzusetzen. Zur Bändigung der Städte vereinigte sich eine bedeutende Anzahl Fürsten von nah und fern, aber die furchtbarsten Anstrengungen der Fürsten, den Trotz der Städte zu beugen, waren und blieben vergeblich: was in diesen Jahren in und vor Rostock und Wismar geschehen ist, wird immer denkwürdig bleiben als eine Regung jugendlicher Kraft, die ihres Gleichen nur hin und wieder in der alten Geschichte findet. Friedensschlüsse stellten einstweilen den äußern Verkehr wieder her.

So kämpften alle Mächte in gegenseitiger Eifersucht und in jugendlicher Entwickelung ohne bestimmtes Ziel und suchten den Zustand der Dinge in äußerer Ruhe hinzuhalten, bis irgend ein unvorhergesehenes Ereigniß sich dieser oder jener günstig zeige. Diese Ereignisse traten auch mit dem J. 1314 ein. Heinrich der Löwe verlor seine Gattin Beatrix durch den Tod, und Nicolaus von Rostock beendete die Tage seines unrühmlichen Daseins. Durch den Tod der Beatrix ward das äußere Freundschaftsband zwischen Meklenburg und Brandenburg locker, und der Besitz des Landes Stargard bei feindseliger Stimmung eine Streitfrage; durch den Tod des Nicolaus verlor das Land Rostock ein eignes Fürstenhaus. Das Land Stargard ward wieder Augenmerk der Markgrafen von Brandenburg; der kriegs= und ruhmliebende Heinrich der Löwe von Meklenburg fürchtete den Verlust dieses Landes eben so sehr, als die Entziehung des Nachlasses des Fürsten Nicolaus von Rostock, nach welchem der Dänenkönig

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gern seine Hände ausstreckte. Die heimliche Spannung aller nordischen Fürsten hatte zu lange gedauert, als daß diese nicht irgend eine Begebenheit benutzt haben sollten, die schwankenden Verhältnisse zur Entscheidung zu bringen. Eine willkommene Veranlassung bot die Stadt Stralsund. Diese gerieth mit ihrem Landesfürsten Wizlav von Rügen über ihre Privilegien in einen Streit, in welchem der Markgraf Waldemar von Brandenburg gegen die übrigen Fürsten Partei für die Stadt nahm, weil er seine Rechte an dem benachbarten Pommern gefährdet glauben mochte. Ward dieser Zwist auch nach harten Kämpfen auf kurze Zeit beschwichtigt, so mußte die dauernde Uneinigkeit der trotzigen Stadt Stralsund mit ihrem Fürsten Wizlav bald wieder den Vorwand zu einem blutigen Kriege hergeben. Wizlav von Rügen hatte seinen Oberlehnsherrn, den König Erich von Dänemark, zu Hülfe gerufen; diesem konnten sich die meklenburgischen, die lauenburgischen und die holsteinschen Herren nicht gut entziehen, wollten es auch wohl nicht, da sie den eroberungssüchtigen Sinn der Brandenburger nur zu gut kannten; überdies besaß der Bischof von Schwerin die Eventualbelehnung auf das Land Tribsees. Waldemar erlitt in der Hülfe, die er den Stralsundern brachte, einige Verluste. Hiefür rächte er sich dadurch, daß er in das Land Stargard einfiel, um es als ein verwirktes Lehn zurückzunehmen. Dies öffnete den Fürsten die Augen; die Sache der Städte ward ganz aufgegeben und der Krieg ward ein blutiger Fürstenkrieg, der von zwei großen Parteien, der dänisch=meklenburgischen und der brandenburgischen, geführt ward. Eigentlich und in der That aber galt der Kampf Meklenburg allein, indem für Heinrich den Löwen der Verlust zweier Länder, Stargard und Rostock, auf dem Spiele stand, - alle übrigen Parteien aber nur Eroberungen verlieren konnten, die sie noch nicht gemacht hatten. Auf der dänischen oder meklenburgischen Seite standen der König Erich von Dänemark, der Fürst Wizlav von Rügen, der Fürst Heinrich von Meklenburg, die Herren von Werle, die Grafen von Schwerin, der Bischof von Schwerin, die Herzoge von Sachsen und Lüneburg, die Grafen von Holstein und Schauenburg, der Graf Otto von Anhalt; die Städte Rostock und Wismar saßen, in Erinnerung der schweren Kämpfe, die sie mit den Fürsten gehabt hatten, stille, jedoch unterstützte Rostock den Kriegszug mit Geld und Schiffen; Lübeck verhielt sich neutral; aber selbst die entfernten Mächte von Polen, Rußland und Ungarn, von Schweden und Norwegen versicherten der dänischen Partei ihren Beistand. Auf der brandenburgischen Seite standen: der Markgraf Waldemar, die Herzoge Otto und War=

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tislav von Pommern und die Stadt Stralsund. Es ward seit dem J. 1315 viel gekämpft und manche große Kriegsthat vollbracht. Die Stralsunder nahmen den Herzog Erich von Sachsen gefangen; der Fürst Johann von Werle fiel auf eine Zeit der brandenburgischen Partei zu und nahm den Grafen Heinrich von Schwerin gefangen, wofür bald darauf der Herr von Werle in Gefangenschaft gebracht ward. Blutige Treffen wurden bei dieser Gelegenheit bei Möllen und Luplow im Lande Stavenhagen geliefert, und im Lande Stargard wurden viele hartnäckige Fehden geführt. Die Brandenburger erlitten hier und auf der ganzen südlichen Grenze von Meklenburg fortdauernd Verlust und verloren im J. 1316 eine Schlacht bei Quastenberg in der Nähe der Stadt Stargard. Hart bedrängt gewann der Markgraf die Herzoge von Schlesien und Braunschweig, die Markgrafen von Meißen, den Landgrafen von Hessen und alle thüringischen Grafen, die Bischöfe von Merseburg und Kamin zu seinen übrigen Bundesgenossen. Der dänisch=meklenburgischen Partei fielen die Herzoge von Sachsen und Lüneburg zu, die bis dahin ferne gestanden hatten.

Es entwickelte sich ein furchtbarer Kampf um das nordische Gleichgewicht zwischen allen Fürsten, welche Theil an den Begebenheiten in der Zukunft haben konnten.

Endlich kam es zur großen Entscheidung bei Gransee 1 )


1) Rudloff II, S. 223 und v. Lützow II, S. 118 nennen die Schlacht: "die Schlacht bei Schulzendorf" und v. Lützow, und nach ihm Barthold Pomm. Gesch. III, S. 147, sagt: "Schulzendorf existirt nicht mehr, lag aber an der Stelle des jetztigen Gransee". Abgesehen davon, daß Gransee ein alter Ort ist, - liegt Schulzendorf noch heute eine Meile nordwestlich von Gransee, auf der Straße nach Reinsberg und Zechlin hin. Ueber die Schlacht redet die meklenburgische Reimchronik Kirchbergs ausführlich und umständlicher, als über irgend eine andere Schlacht. Die Berichte dieser Chronik sind in der vorstehenden Schilderung auch möglichst gewissenhaft benutzt. Kirchberg nennt in der Schilderung selbst den Ort der Schlacht gar nicht, jedoch nennt er die Schlacht in der Ueberschrift der Schilderung die Schlacht bei Gransee, indem er sagt, daß er reden wolle:

"Von dem stryde - vor Grantzoye".

Auch Detmar Lüb. Chronik sagt:

"Darna in deme oweste stridde de van Mekelenborch weder den marcgreuen to Granzoye"

Schulzendorf erwähnt Kirchberg nur bei der Gelegenheit, daß der Fürst Johann von Werle den Rath gegeben habe, durch Ueberschreitung des schulzendorfer Baches die Offensive zu ergreifen, mit den Worten:

"Da ried von Werle her Johan,
daz man czöge io vort an;
der von Mekelnborg Hinrich
mit dem here czog vur sich
recht syns vettern rade nach
by Schultendorf ubir eyne bach."
Kirchberg Chron, cap. CLVIII.

Pulkava nennt die Schlacht bei Woltersdorf, p. 266: Unde bellum durissimum inter utrosque geritur juxta Woltersdorp; vgl. Barthold Pomm. Gesch. III, S. 146. Gr. Woltersdorf liegt bei Schulzendorf in der Nähe von Gransee.
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zwischen beiden Parteien; es ward die größte Schlacht geliefert, die im Mittelalter je in den wendischen Landen erlebt war: die ganze Zukunft lag in dem Ausgange dieses Feldzuges 1 ).

Um sich für frühere Einfälle der Brandenburger in das Land Stargard zu rächen und möglicher Weise den gewaltigen Rüstungen des Markgrafen zuvorzukommen, fielen die Meklenburger mit Raub und Brand in die Mark; an der Spitze dieses verheerenden Vorkrieges stand der Fürst Johann von Werle 2 ). Auf die Nachricht von dem Hereinbrechen dieses Ungewitters sammelte der Markgraf Waldemar alle seine Kräfte bei der Stadt Gransee. Das meklenburg=dänische Heer, das unter der Anführung des Fürsten Heinrich von Meklenburg stand 3 ), war bis zum Dorfe Schulzendorf, eine Meile nordwestlich von der Stadt, vorgerückt. Die Brandenburger waren den Meklenburgern an Zahl um das Vierfache überlegen 4 ); die Macht der Meklenburger bestand im Fußvolke 5 ), welches in diesen Zeiten öfter über die schwer gerüsteten Reiter siegte. Bei dieser schlimmen Aussicht machte, auf den Rath des Fürsten Johann von Werle, Heinrich von Meklenburg den Angriff, um dadurch in Vortheil zu kommen. Er zog über den Bach bei Schulzendorf auf das Feld gegen Gransee; ihm gegenüber stand der Markgraf mit seinem Heere, mit aller Macht


1) "Zu stryde stunt ir beyder kunft.
Da wart daz groste stryden,
daz ie by unsen czyden
in wendischen landen so geschach."
     Kirchberg a. a. O.
2) "Sy samneten groz und michel schar,
in dy mark sy czogin gar;
groszin schadin sunder spaden
mit roube und brande sy da taden,
des anlegir und houbitman
was von Werle her Johan."
     Kirchberg a. a. O.
3) "Des koninghes (van Denemarken) helpere vnd hovetman sines orloghes was sin swagher hinric,de here van mekelenborch; de wan mit grotem ghude deme koninghe vele helpere." Detmar lüb. Chron. z. J. 1315 und

"der von Mekilnborg Hinrich
mit dem here czog vur sich."
     Kirchberg a. a. O.

4) "Do den schaden offenbar
irvur der markgreve Woldemar,
her czoch zu sundir sparin
mit vil grosziren scharen;
der markgreve brachte da viere
der wepenere cziere
an der Mekilnborger eynen."
     Kirchberg a. a. O.
5) Detmar lüb. Chron. sagt: "De van Mekelenborch dar seghe vacht; des behalp eme sin volk, dat dar was to vote"; auch Contin. Alberti Stad. sagt: "Prevaluit - - virtute peditum suorum, ut dicitur".
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gerüstet, da die Noth drängte, wenn er sich nicht in der Stadt wollte einschließen lassen. Das Gefecht begann sogleich mit der größten Erbitterung und Verzweiflung, und es fand mancher seinen Tod in der Noth des Kampfes. Die Fürsten selbst kämpften in der Vorderreihe. Den Löwen Heinrich traf ein so gewaltiger Axthieb in den Helm, daß er besinnungslos aus dem Treffen geführt ward; doch ermannte er sich bald wieder und führte mit verdoppelter Begeisterung, "wie Hektor männlich" streitend, die Seinen zum Siege. Hier war das Feldgeschrei: "Meklenburg!", dort: " Brandenburg!" Die Brandenburger wichen; viele Kämpfer, sieben Grafen, unter denen der Graf von Wernigerode, wurden gefangen. Selbst der Markgraf Waldemar war nahe daran, gefangen zu werden. Er hatte sich in der Hitze des Kampfes bei der nahenden Entscheidung in den Haufen der Meklenburger verrannt, als er erkannt ward; Schlag auf Schlag fiel auf ihn; ohne Rast im Kampfe umhergetrieben, warfen sich der Ritter Michael Kraz 1 ) und der grevesmühlensche Bürger Nicolaus Schrapentrog auf ihn und setzten ihm so hart zu, daß er mit dem Rosse stürzte; schon rissen sie ihm den Helm ab, als der Graf von Mansfeld 2 ) die Noth seines Herrn erkannte, auf Gefahr des eignen Lebens und mit Aufopferung der Freiheit sich zu ihm Bahn machte, ihn den Händen der Würger entzog und ihm auf ein ledig Roß half. Der Mansfelder ward gefangen; der Markgraf aber floh. Da ward die Verwirrung der Brandenburger allgemein; in wilder Flucht zerstob das ganze Heer, gleich "einer Schaar Hühner", über das weite Feld. Der Meklenburger, "der Unverzagte", verfolgte unablässig den fliehen=


1) Michael Kraz war ein Ritter; Kirchberg nennt ihn "her Michael Kratz". Einen Ritter Michael Craz habe ich in jenen Zeiten mehrere Male gefunden. Auch wird er im J. 1321 als Vasall auf Craz wohnend aufgeführt: "1321. Ista sunt data vasallis dominorum ducum (Pomeraniae) et burgensibus in Premzlow prima depactacione in restauratione suorum bonorum et dampni: - - in villa Craz Michael de Craz, vasallus "ducum, VI mansos"; vgl. v. Eickstedt Urk. Samml. z. Gesch. des Geschl. der von Eickstedt I, p. 126. - Von der Familie Craz hat wahrscheinlich das Dorf Crazeburg seinen Namen; vgl. Jahrb. II, S. 80.
2) Welcher Graf von Mansfeld der Retter des Markgrafen Waldemar gewesen sei, läßt sich noch nicht bestimmen. In den Friedensurkunden wird er nicht mit Namen genannt. Der ältere Graf Busso (Burchard) von Mansfeld, der in den nächsten Zeiten eine große Rolle in der Vormundschaftsführung über den Markgrafen Ludwig führte, wird es wohl nicht gewesen sein, da dieser Zeuge und Schiedsrichter in der templiner Friedensurkunde ist, in welcher über die Befreiung des gefangenen Grafen von Mansfeld verhandelt wird. Barthold Pomm. Gesch. III, S. 147. sagt: "Wedeg von Plote oder ein Graf von Mansfeld" hätten den Markgrafen gerettet, nach Pulkava a. a. O.: "miles quidam Wedige de Plote dictus superveniens de potestate ipsum eripuit rusticorum". Aber der stargardische Ritter Wedege von Plote ist ein bekannter, viel genannter Mann auf Seiten Heinrichs des Löwen, welchem er in allen wichtigen Begebenheiten jener Zeit, auch oft mit bedeutenden Geldmitteln, zur Seite stand.
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den Feind bis zur gänzlichen Auflösung des Heeres, machte viele Gefangene und reiche Beute und gewann einen vollständigen, entscheidenden Sieg; von seiner Seite büßten ihre Kühnheit mit Gefangenschaft der Graf Johann von Holstein und ein Bruder des Königs von Dänemark 1 ). Heinrich von Meklenburg zog sich mit den Seinen nach dem Siege gegen sechs Meilen zurück in sein Land nach Buchholz an der Müritz, auf einer im Mittelalter viel benutzten Straße zwischen Meklenburg und Brandenburg; hier ward nach Theilung der Beute der Sieg durch Dankgebet und Freudenfeste gefeiert. Dies geschah im Monat August des Jahres 1316 2 ).

Am 13. December desselben Jahres begannen die Friedensverhandlungen, welche am 25. Novbr. 1317 zu Templin durch ein feierliches Bündniß geschlossen wurden. Heinrich von Meklenburg behielt zur höchsten Siegesbeute das Land Stargard als Lehn von Brandenburg, nachdem ihm zur Belohnung seiner Tapferkeit die Herrschaft Rostock als erbliches Lehn von Dänemark zugestanden war. So endigte der große Kampf zum Vortheile Meklenburgs, das wohl selten größern Ruhm und Gewinn errungen hat; bis auf den heutigen Tag heißen und sind die meklenburgischen Fürsten "der Lande Rostock und Stargard Herren". Bald, im J. 1319, starben Erich von Dänemark und Waldemark von Brandenburg, und mit einem neuen Geschlechte auf den Thronen und in den Städten nahm der Gang der Geschichte des 14. Jahrhunderts in den Ostseeländern eine andere Richtung.



1) Ueber die Schlacht bei Gransee berichtet noch eine Chronik also:
Item in Augusto (1316) dominus Magnopolensis cum suis cooperatoribus intrauit terram Woldemari marchionis cum octingentis dextrariis et multis peditibus. Quo intellecto marchio habens quingentos viros in dextrariis bene expeditos, timens hostes suos, non exspectando donec aliam multam gentem suam per eius districtum vocatam duceret ad prelium, cum dictis quingentis viris in hostes festinanter irruit prope Grantzowe, et facta est pugna fortissima, in qua comes de Werningherode et nobilis Burchardus de Mansfelde cum multis aliis marchioni adherentibus captiuati sunt. Necnon ipse marchio captiuatus erat, sed industres sui viri quidam ipsum de manu hostium eripuerunt. Ex aduerso vero captiuatus est domicellus Johannes comes Hotzatie, frater regis Danorum cum multis aliis. Preualuit autem maior exercitus, scilicet domini Magnopolensis, quod actum est virtute peditum suorum, ut dicitur.

Continuatio Annalium Alberti Stadensis, illustravit Andreas Hojer, Hafniac, 1720, p. 76.

2) Der Tag der Schlacht ist in den bisher bekannten Quellen nicht angegeben. Nach den Urkunden und übrigen Begebenheiten wird die Schlacht ungefähr im August d. J. 1316 geschehen sein. Dies giebt auch Kosegarten pomm. rüg. Gesch. Denkm. I, S. 100 an, Detmar sagt: "in deme oweste", d. i. in der Aernte.