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II.

Urkundliche Geschichte

des

Fürsten Pribislav I. von Parchim=Richenberg

und

seiner Nachkommen,

von

Dr. W. G. Beyer.


N achdem durch die gründlichen Untersuchungen meines Freundes, des Herrn Archivars Lisch, die erste Hauptlandestheilung der Söhne Borwins II. (in Jahrb. IX., S. 1 flgd.) aufgeklärt ist, scheint es an der Zeit, diesen Faden weiter verfolgend, zunächst die Geschichte des jüngsten der vier Brüder, des Fürsten Pribislav, zum Gegenstande einer speciellen Forschung zu machen. Nur durch solche Monographien wird es möglich sein, eine neue umfassende Bearbeitung der Geschichte Meklenburgs vorzubereiten, die allerdings dringendes Bedürfniß ist, aber, wie alle Specialgeschichten einzelner Provinzen unsers großen Gesammtvaterlandes, nur dann wahrhaft fruchtbringend werden kann, wenn sie es nicht verschmähet, auch die kleinsten, unscheinbarsten Quellen in ihrem Gebiete zu öffnen und zu sammeln, um sie zu stattlichen Bächen und Flüssen vereinigt dem breiten und mächtigen Strome der allgemeinen Geschichte unsers Volkes zuzuführen.

Der Gegenstand dieser Untersuchung nimmt aber auch ein eigenes, selbstständiges Interesse in Anspruch, denn er bildet eine in sich völlig abgeschlossene Partie der Geschichte unsers geliebten Fürstenhauses und führt uns grade in die denkwürdigste Periode der gesammten Geschichte unsers Landes zurück, in jene Zeit, wo nach einem Jahrhunderte dauernden, blutigen Vernichtungskampfe das überwundene und gebrochene heidnische Slaventhum

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im schnellen Hinsterben dem sieghaften christlich=germanischen Leben Platz macht. Nur das alte Fürstengeschlecht ragt gleich einer erhabenen Granitsäule ungebrochen aus den Trümmern einer untergegangenen Welt hervor und sieht sich nach wenigen Jahren von einer neuen, jungen Schöpfung umgeben, aber nicht einer solchen, die sich aus eigenthümlichen Keimen still und ruhig in organischem Wachsthum entwickelt, sondern mit revolutionairer Hast auf den mit "Schwert und Bogen eroberten", wüsten und blutgetränkten Boden verpflanzt, plötzlich, wie durch Zauberschlag fertig dasteht, mit allen Vorzügen und allen Mängeln, wie sie uns aus der Geschichte des heiligen römischen Reiches deutscher Nation jener Zeit bekannt sind.

Es war aber in Deutschland damals keine Zeit des Friedens und der Ordnung. Durch den welthistorischen Kampf zwischen Staat und Kirche, in welchem nicht nur das erhabene Kaisergeschlecht der Hohenstaufen seinen Untergang fand, sondern auch das Reich selbst seiner völligen Auflösung nahe gebracht ward, waren alle Verhältnisse des öffentlichen und des Privatlebens furchtbar zerrüttet. Nur das Ansehen der siegenden Kirche, gestützt und getragen von dem frommen und begeisterten Glauben der Menge, die nur hier Schutz und Rettung gegen das verwilderte und aufgelöste Vasallenthum zu finden hoffte, stand mitten in der allgemeinen Verwirrung unerschütterlich fest. Aber gereizt durch den bisherigen Erfolg, vergaß die reiche und stolze Geistlichkeit nur zu bald ihren wahren Beruf, und trat immer offener mit dem Streben hervor, schon auf dieser Welt ein Reich Christi zu gründen, in welchem sie selbst als Stellvertreter des Herrn sich berufen glaubte, das der gedemüthigten weltlichen Obrigkeit entrissene Scepter zu führen.

Alle diese Wirren wurden sofort mit der ersten Gründung des neuen christlichen Staates auch in unsere Heimath, nunmehr eine deutsche Provinz, hinüber gespielt und fanden hier, eben bei der Neuheit und Unsicherheit aller Verhältnisse, den günstigsten Boden, - und in diese Zeit der Gährung, voll That und Leben, wo das Neue über dem noch offenen Grabe des Alten im Kampfe mit sich selbst Form und Gestalt zu gewinnen suchte, fällt der Regierungsantritt unsers Pribislav, eines jungen, bei dem Tode seines Vaters kaum den Knabenjahren entwachsenen Fürsten, in welchem die großen Eigenschaften seines Geschlechtes nicht zu verkennen sind, der aber einer Aufgabe erlag, zu deren Lösung vor allem die Erfahrung und Ruhe des reifen Mannes erforderlich waren, während der jugendliche Eifer unsers Fürsten ihn bald in endlose Wirren verwickelte, deren tragischer Ausgang indeß unsere Theilnahme in hohem Grade

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in Anspruch nimmt. Es war das vergebliche Anringen einer scharfen und entschiedenen Persönlichkeit gegen die widerstrebende Richtung seiner Zeit: und eben darum schien dieser flüchtige Rückblick auf die damaligen allgemeinen Verhältnisse zum Verständniß unserer Erzählung nothwendig.

Was nun die Quellen unserer Geschichte betrifft, so ist Ernst von Kirchberg der erste, welcher das Leben des Pribislav in seiner meklenburgischen Reimchronik, Cap. 229, mit ziemlicher Ausführlichkeit beschreibt. Der Verfasser, nach einer wenigstens sehr wahrscheinlichen Vermuthung, ein Mönch des Klosters Doberan aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, sieht in unserm Fürsten nur den Feind der Geistlichkeit, d. h. nach seiner Ansicht der christlichen Religion überhaupt, ein Umstand, welcher den sonst in der Regel gut unterrichteten Mann zu so augenscheinlicher Partheilichkeit hingerissen hat, daß wir seine Darstellung nur mit der größten Vorsicht benutzen dürfen. Gleichwohl ist Kirchberg die einzige Quelle der nächstfolgenden Historiker, namentlich des A. Krantz, welcher sich indeß durch sein ruhiges Urtheil sehr vortheilhaft auszeichnet, so wie des erfindungsreichen Marschalk und des leichtgläubigen Latomus, welche die Andeutungen der kurzen Reimsprüche Kirchbergs in behaglicher Breite ausführend, das Bild unsers Fürsten unglaublich verzerrt haben. Selbst Hederich, obgleich ihm das fürstliche Archiv bei seinen historischen Arbeiten geöffnet war, hat dessen Schätze wenigstens in diesem Falle nicht zu heben verstanden. Erst Chemnitz hat bei seiner Darstellung des Lebens der richenbergischen Fürstenlinie die reichen Urkundenvorräthe dieses Archivs, wie überall, mit emsigem Fleiß und redlichem Willen benutzt, aber auch sein Urtheil blieb durch Kirchbergs und Latomus Ansehen bestochen, deren Mährchen ihm als unantastbare historische Zeugnisse galten. Wie aber Kirchberg für die älteren, so ist Chemnitz für die neuern Historiker, wie Klüver, von Beehr, Franck, Rudloff und von Lützow, wahre Quelle geworden; keiner von ihnen giebt wesentlich neue Aufschlüsse, keiner hat sich zu einem freien und sichern Urtheile durchgearbeitet, wenn gleich wenigstens die gröbsten Verläumdungen ihrer Vorgänger allmählig den Glauben verlieren. Die pommerschen älteren Chronisten endlich enthalten nur einzelne die Geschichte unsers Fürstenhauses betreffende Nachrichten, bedeutende Aufschlüsse sind aber auch aus ihnen nicht zu gewinnen, und die neuern Historiker bis auf Barthold folgen in ihrem Urtheile ganz den unsrigen, indem sie selbst in Bezug auf den jüngern Pribislav, welcher ganz der pommerschen Geschichte angehört, ihre Unwissenheit bekennen. So blieb denn nichts übrig, als unsere Geschichte

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aus den Urkunden theils des hiesigen Geh. und Haupt=Archives, theils der gedruckten pommerschen und brandenburgischen Sammlungen völlig neu zu construiren, wobei auf die älteren Erzählungen nur da Rücksicht genommen ist, wo es zur Ausfüllung wirklicher Lücken keine weitere Quelle gab, oder wo es galt, das Bild unserer Fürsten von dem Schmutze zu reinigen, mit dem das blinde Vorurtheil und der leidenschaftliche Haß ihrer Gegner dasselbe seit Jahrhunderten, zum Theil offenbar absichtlich, entstellt haben 1 ).


Heinrich Borwin II. starb am 4. Junius 1226 im besten Mannesalter, und erst am 28. Jan. 1227 folgte ihm sein alter Vater Borwin I., nachdem seine unbekannte Gemahlin wahrscheinlich schon vorangegangen war. Ersterer hinterließ vier Söhne: Johann, Nicolaus, Heinrich (Borwin III.) und Pribislav, und eine Tochter Margarethe 2 ), welche beim Tode des Vaters und Großvaters sämmtlich noch minderjährig waren und die Regierung unter Leitung eines schon bei Lebzeiten des alten, schwachen Greises und seines wahrscheinlich kränkelnden Sohnes eingesetzten Vormundschaftsrathes antraten. Erst im Jahre 1229 tritt der älteste Bruder Johann als selbstständiger Regent auf. Schon hieraus dürfen wir vermuthen, daß Pribislav, als der jüngste von allen Geschwistern, bei dem Tode des Vaters die Jahre der Mündigkeit kaum erreicht haben konnte, und wirklich finden wir auch das unterm 15. Febr. 1226 der Stadt Lübeck ertheilte Zollprivilegium, obgleich mit dem Vormundschaftssiegel beglaubigt, nur im Namen der drei älteren Brüder, mit gänzlicher Uebergehung des Pribislav, ausgefertigt 3 ), wogegen dieser bei der letzten Regentenhandlung seines sterbenden Vaters, der Stiftung des güstrower Domes, am 3. Junius desselben Jahres bereits zugezogen ward, da die Fundations=Urkunde ausdrücklich des Consenses aller vier namentlich aufgeführten Brüder gedenkt 4 ).


1) Hiebei muß ich aber zugleich der Bereitwilligkeit dankbar gedenken, mit welcher mein Freund Lisch mir nicht nur seine Collectaneen über den Gegenstand dieser Untersuchung zur Benutzung überlassen, sondern sich auch auf meine Bitte einer mehrmaligen Correspondenz mit seinen pommerschen Freunden unterzogen hat.
2) Aeltere Historiker geben ihm 3 Töchter: Sophia, Magdalena und Margaretha, wovon aber die ersten beiden, welche auf Nicolaus gefolgt sein sollen, wenigstens urkundlich nicht beglaubigt sind. Zwischen Nicolaus und Heinrich scheint übrigens allerdings der bedeutendste Altersunterschied stattgefunden zu haben; vielleicht war Margaretha, welche man zwischen Heinrich und Pribislav zu setzen pflegt, älter als beide, da sie schon 1230 an den freilich gleichfalls noch minderjährigen Grafen Günzel von Schwerin verlobt ward.
3) Urkundenbuch der Stadt Lübeck I. Nr. XXXIII.
4) Diplom. Mecklenb. Nr.V., in de Westph. M. I. IV., p. 921 u. a. a. O.
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Es scheint daher, daß man seine Geburt mit einiger Sicherheit in das Jahr 1214, zwischen 15. Febr. und 3. Jun., setzen dürfe.

Von einer wirklichen Theilnahme des Pribislav an den Regierungsgeschäften der nächstfolgenden Jahre kann unter diesen Umständen natürlich die Rede nicht sein, obgleich die Urkunden des Vormundschaftsrathes bis zur Volljährigkeit Johanns stets im Namen aller vier Brüder ausgestellt wurden und in der Regel auch ihn namentlich mit aufführen. So bei der Bestätigung der Privilegien des Klosters Dobbertin vom 28. Aug. 1 ) und der Johanniter=Comthurei zu Mirow vom 3. Decbr. 1227 2 ), der Verleihung des schwerinschen Rechtes an die Stadt Güstrow vom 25. Octbr. 1228 3 ) und der Fundation der Kirche zu Dreveskirchen im Jahre 1229 4 ).

Diese gemeinschaftliche Vormundschafts - Regierung hörte indeß schon im Jahre 1229 auf, ohne Zweifel mit der Volljährigkeit Johanns, in Folge deren das Land zunächst in zwei Hälften getheilt ward, wobei man offenbar die früheren Theilungen unter Borwin I. und seinem Vetter Nicolaus I. (1184), so wie unter den Söhnen des Ersteren, Borwin II. und Nicolaus II., (1219) zum Grunde legte. Johann und Pribislav erhielten nämlich die Herrschaft Meklenburg, d. h. das eigentliche obotritische Stammland, so weit dasselbe in dem Besitze unserer Fürsten geblieben war, nebst der Provinz Warnow, während die mittleren Brüder, Nicolaus und Heinrich, durch die Herrschaften Rostock und Werle oder die alten liutizischen Länder, nebst Muritz, bis an die damals freilich sehr weit nach Westen vorgerückte pommersche Grenze, abgefunden wurden. - Unser Pribislav ward also nunmehr der Leitung des milden und frommen Johannes, des Theologen, und seiner sächsischen Gemahlin, der Gräfin Ludgard von Henneberg, anvertrauet, die ihr gewöhnliches Hoflager zu Gadebusch hielten, in der Nähe der rasch aufblühenden Reichsstadt Lübeck und der Sitze der deutschen Grafen und ersten Bischöfe des Wendenlandes, Schwerin und Ratzeburg, mit welchen Johann in ununterbrochenem freundlichen Verkehre stand. An diesem gebildeten und schon damals durch und durch deutschen Hofe ist daher die Erziehung des jungen Fürsten sicher in echt christlichem Sinne geleitet, und schon dieser Umstand dürfte allein hinreichen, den ihm später gemachten Vorwurf des Heidenthums als eine alberne Verläumdung erkennen zu lassen.


1) Diplom. Meckl. in de Westph. M. I. IV., p. 907.
2) Jahrbücher II., Urk. Nr. I., S. 213, u. Nr. IV., S. 220.
3) Besser. Gesch. der Stadt Güstrow I., S. 243.
4) Lisch, M. U. III., Nr. XXIII.
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Uebrigens finden wir auch jetzt noch keine Spur einer Regierungsthätigkeit des Pribislav, vielmehr sehen wir den Johannes während der nächsten drei Jahre in der gesammten Herrschaft Meklenburg, namentlich auch in dem später abgesonderten Antheile des Bruders, als alleinigen, selbstständigen Regenten auftreten und die von ihm ausgestellten Urkunden mit einem eigenen Siegel beglaubigen, z. B. die Urkunde über die Fundation von vier durch die Grundeigenthümer dotirten Capellen bei Parchim von 1229, Jun. 4. 1 ), über die wismarsche Grenzregulirung von demselben Jahre 2 ) und die Verleihung des Patronats zu Golze an das Kloster Dobbertin von 1231, Jul. 7. 3 ). - Nur bei wichtigen Staatsverträgen oder Güterverleihungen war der Consens der Brüder oder wenigstens des Pribislav erforderlich, und zwar ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Gebiet, und in diesem Falle ward die darüber ausgestellte Urkunde auch jetzt noch Namens der Minderjährigen durch das Vormundschaftssiegel beglaubigt. Hierher gehören namentlich der Friedens=, Grenz= und Familien=Vertrag der vier Brüder mit den Grafen von Schwerin vom 30. Octbr. 1230 4 ), und deren Bestätigung der wichtigen Privilegien des Haupt=Landesklosters Doberan vom 29. Octbr. 1231 5 ), wobei die Brüder nicht, wie früher, nach dem Alter, sondern paarweise nach der gemeinschaftlichen Regierung, und zwar Johann und Pribislav als Herren von Meklenburg, Nicolaus und Heinrich als Herren von Rostock, aufgeführt werden. Ferner gehören hierher der Vertrag des Johannes und Pribislav mit dem Bischofe Brunward über die Zehnten im Lande Warnow vom 29. April 1230 6 ) und deren Schenkungsbrief über das Dorf Nakensdorf an das Kloster Sonnenkamp vom 29. April 1231 7 ), ersterer den späteren Landestheil des Pribislav, letzterer den des Johann betreffend. - Einige dieser Urkunden sind zwar nicht mehr im Originale vorhanden, oder es sind wenigstens die Siegel verloren; nach der Analogie


1) Cleemann, Parch. Chron., S. 108, und unten Nachträge und Miscellen. Das erst nach dem Abdruck des 10. Bandes dieser Jahrbücher von mir verglichene Original im Stadt=Archive zu Parchim hat bereits das bekannte Siegel Johanns mit dem Stierkopf, was mich hauptsächlich veranlaßt hat, die dort von Lisch gegebene Darstellung dieser Verhältnisse, auf welche ich übrigens wiederholt verweise, in Kleinigkeiten zu modificiren.
2) Schröder, W. E., S. 69 - 70, nach dem wismarschen Copialbuch, ohne Siegel.
3) Rudloff, Urk. Lief. Nr. VI.
4) Lisch, Hahnsche Urk. I., Nr. IV., mit einem doppelten Abdruck des Vormundschaftssiegels.
5) Diplom. Dober., in de Westph. M. J. III., p. 1477, Nr. VIII, mit zwei verlorenen Siegeln. Vergl Jahrb. X., S. 13.
6) Lisch M. U. III., Nr. XXIV., nach den Clandrianschen Regesten.
7) Lisch, M. U. II., Nr. III., mit dem Vormundschaftssiegel.
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der übrigen sind wir aber vollkommen berechtigt, die Beglaubigung durch das Vormundschaftssiegel vorauszusetzen, sobald der Theilnahme des Pribislav gedacht wird, so daß dessen Minderjährigkeit um diese Zeit außer allem Zweifel ist.

Wenn aber auch hiernach eine wirkliche Mitregentschaft des jungen Fürsten nicht anzunehmen ist, so geht doch schon aus dem Obigen hervor, daß sein älterer Bruder ihn keinesweges ganz von den Geschäften fern hielt, vielmehr ist seine persönliche Gegenwart in allen angeführten Fällen, wo die Urkunden ihn als Mittheilnehmer an dem Geschäfte aufführen, nicht zu bezweifeln. Außerdem aber begegnen wir ihm noch bei der Bestätigung des Klosters Doberan durch den Bischof Brunward unterm 18. Oct. 1230, wo er neben seinen Brüdern namentlich unter den Zeugen genannt wird 1 ), und schon im Jahre 1229 ward er bei einer Regulirung der Grenzen der Stadt Wismar zwischen Hohendorf (alta villa) und dem Kopenitzer Felde zugezogen, indem die Beziehung dieser Grenze, wie es scheint in Abwesenheit seines Bruders unter seiner persönlichen Theilnahme geschah. Zwar hat man diese Urkunde bisher stets von der Uebergabe oder Auflassung eines Grundstückes, eben der sogenannten Köpenitz, an die Bürger von Wismar, oder wenigstens von der Bestätigung einer älteren Schenkung verstanden, und deshalb bei dem hier genannten Pribislav, welchen Johannes als seinen cognatus bezeichnet, nicht an dessen Bruder denken zu dürfen geglaubt, sondern bald auf Buthues Sohn, Pribislav I., bald auf Johanns Aeltervater, Pribislav II., bald gar auf einen noch nicht gebornen gleichnamigen Sohn unsers Pribislav von Parchim, oder an irgend einen anderen unbekannten Stammverwandten unsers Fürstenhauses gerathen 2 ). Ich kann indeß die Urkunde, in


1) Vergl. Jahrb. X., S. 13.
2) Die vielbesprochene Urk. ist gedruckt bei Schröder, W. E., S. 69, und Franck A. u. N. M. IV, S. 119. Die fraglichen Worte lauten: - - quod nos (Johannes) dilectis nostris burgensibus in Wismaria constitutis et eorum posteris terminos intra altam villam et locum, qui in vulgari vocatur Kopenitz, quia inter hec distincta usque ad mare protendentes, cum noster cognatus Pribizlaus eosdem terminos, multis presentibus, resignaverit dictis burgensibus, cum omni jure porreximus libere - - possidendos. Die ausgezeichneten Worte übersetzt Rudloff, M. Gesch. II., S. 34, obwohl er sie auf unsern Pribislav bezieht: "nachdem sein Bruder Pribislav sich derselben noch besonders verziehen hatte". Andere nehmen das resignare in dem allerdings gewöhnlichen Sinne von der Auflassung des Eigenthums. Vgl. (Jargow) Gründlicher Beweis, daß Nicolaus ein Bruder Pribislavs I. sei, bei Klüver II. Append. I. §. VIII. - J. P. W. Rudloff) Schreiben eines Ungenannten etc. ., S. 54 flgd. - (Jargow) Kurtze Anwort etc. ., bei Klüver III. App. I., S. 68. - Franck II., S. 192. - Letzterer entscheidet sich für den in einer Urk. Witzlavs von Rügen 1232 als Zeugen genannten dominus Pribizlaus, den er für einen Vater=Schwester=Sohn des Johann hält, wärend andere ihn mit unserem Pribislav von Parchim identificiren. (  ...  )
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welcher die Documentszeugen deutlich von den bei dem voraufgegangenen Geschäfte selbst gegenwärtig gewesenen Personen unterschieden werden, ihrer ganzen Fassung nach nur von einer so eben vorgenommenen Besichtigung und neuen Bezeichnung (resignatio terminorum) der etwa streitig gewordenen Stadtgrenzen längs der Scheide der genannten Grundstücke verstehen. Da wir nun zu dieser Zeit keinen anderen Verwandten des Johannes mit dem Namen Pribislav kennen, als eben seinen Bruder, so scheint es, daß man die angeführten Worte unbedenklich auf diesen beziehen darf, wenn gleich der Ausdruck cognatus, von einem vollbürtigen Bruder gebraucht, allerdings ungewöhnlich ist; oder war Pribislav etwa von einer andern Mutter geboren, als Johannes? - Uebrigens pflegte man nach deutscher Rechtssitte bei solchen Grenzanweisungen vorzugsweise junge Leute, und selbst Knaben, zuzuziehen, in welchem letzteren Falle man deren Gedächtniß wohl noch in alterthümlich derber Weise durch eine - Maulschelle zu schärfen suchte 1 ).

Im Anfange des Jahres 1232 trat nun nach sicheren Anzeichen eine abermalige wichtige Veränderung der Landesregierung ein, indem die bisher noch in Gemeinschaft gebliebenen Brüder eine weitere Auseinandersetzung vornahmen, so daß wir von dieser Zeit an das Land in vier abgesonderte Herrschaften getheilt sehen. Die Veranlassung dazu gab wahrscheinlich die nun erfolgte oder nahe bevorstehende Majorennität des Nicolaus, den wir bald darauf bereits vermählt finden, so wie die inzwischen gelungene Wiedereroberung eines nicht unbedeutenden Gebietes an der pommerschen Grenze zwischen der Pene, Trebel und Reknitz. Noch am 5. Decbr. 1229 war diese schöne und fruchtbare Gegend, westlich bis über Malchin und Lage hinaus, unbezweifelt im Besitze der Herzoge von Pommern 2 ), welche anscheinend schon durch Heinrich den Löwen von Sachsen (vor 1173) damit belehnt waren; aber bald nach jener Zeit muß sie an unser Fürstenhaus zurückgefallen sein, und zwar durch gewaltsame Eroberung, vermuthlich mit Hülfe der Markgrafen von Brandenburg und des befreundeten Fürsten Witzlav von Rügen, da die Pommern ihre Ansprüche darauf keineswegs aufgegeben hatten. Die ersten bekannten Urkunden unserer Fürsten, welche


(  ...  ) Er gehörte aber dem rügenschen Fürstenhause an (Pribislav Wolkowitz); Fabricius, Rugianische Zustände, S. 45. Vgl. aber auch die Urk. von 1190 bei Franck III., S. 208.
1) Grimm, D. R. A., S. 144 u. 545. Ich habe mir von alten Leuten in Parchim erzählen lassen, daß die Ertheilung solcher Denkzettel bei dieser Gelegenheit dort noch in ihrer Jugend üblich gewesen sei.
2) Lisch, M. U. I., Nr. I - XVI.
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ihre Herrschaft über diese Provinz beweisen, sind zwar erst aus dem Jahre 1238 1 ); daß aber andere ältere verloren gegangen sein müssen, beweiset die in eben diesem Jahre erfolgte Bestätigung aller Güter, welche die vier Söhne Heinrichs von Werle dem Kloster Dargun verliehen hätten, durch Herzog Wartislav von Pommern, während die erhaltenen Urkunden ausschließlich von Johann und Nicolaus herrühren; auch nimmt der letztere späterhin ausdrücklich auf Regierungshandlungen Bezug, welche während seiner Minderjährigkeit durch seine Vormünder beliebt seien. Endlich ist uns in einem spätern Transsumte noch eine Urkunde aufbewahrt, in welcher Nicolaus und Heinrich dem Kloster Arendsee das Dorf Wargentin bei Malchin bestätigen, welche dort zwar vom 20. Jun. 1219 datirt ist, aber mit Sicherheit falsch, und wahrscheinlich statt 1230 2 ). In diesem Jahre kam das Land Barnim in den Besitz Brandenburgs und mindestens ungefähr um diese Zeit gewann Witzlav von Rügen die verlorne Herrschaft über das benachbarte Festland wieder 3 ), so daß ein Eroberungskrieg dieser drei verbündeten Mächte gegen Pommern im Jahre 1230 mehr als wahrscheinlich ist.

Mögen aber die Gründe der neuen Theilung gewesen sein, welche sie wollen, gewiß ist, daß Johann schon am 11. Febr. 1232 in einer Urkunde, in welcher er dem Bischofe Brunward 10 Hufen in dem Dorfe Bobelin schenkt, also bei einer Gutsveräußerung, ohne den Consens seines Bruders oder dessen Vormundschaft, als selbstständiger Regent auftritt 4 ), woraus wir mit Sicherheit schließen dürfen, daß jetzt eine Absonderung stattgefunden hatte, und seit dieser Zeit finden wir denn auch die Brüder, selbst in den gemeinschaftlichen Urkunden, nicht mehr paarweise, sondern einzeln nach dem Alter aufgeführt. Der Antheil jedes einzelnen Fürsten wird aber nur ganz im Allgemeinen angegeben und läßt sich erst aus den Ereignissen der folgenden Zeit genauer bestimmen. Hiernach behielt Johann die eigentliche Herrschaft Meklenburg mit dem davon entlehnten Titel und trat seinem jüngern Bruder die Herrschaft Warnow mit


1) Lisch, M. U. I., Nr. XX. u. XXI.
2) Lisch Hansche Urk. I., Nr. II. u. Jahrb. X., S. 13. Der Herr Verfasser vermuthet das Jahr 1229, aber damals war die Gegend noch pommersch. Das Original wird M. CC. XXX. gehabt, und der Transsument das mittlere X für I gelesen haben.
3) Barthold, Gesch. v. Pommern II., S. 377 u. 380.
4) Lisch, M. U. II., Nr. V. Nicolaus u. Heinrich kommen noch am 27. März d. J. vor: Lisch a. a. O. Nr. XXV., und die erste von Nicolaus allein ausgestellte Urkunde ist vom 10. März 1233: Riedel, cod. dipl. Brand. I., p. 446. - Man scheint also mit der Theilung Meklenburgs begonnen zu haben, womit leicht einige Monate hingehen mochten.
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Zubehör ab, d. h. die Länder Parchim mit Brenz und dem Rosengarten, die Thure (A. Lübz), Kutin, oder die späteren Vogteien Plau und Goldberg, und endlich Sternberg oder Richenberg, dessen älterer wendischer Name unbekannt ist. Die Herrschaft des Pribislav, von nun an nach der Hauptstadt die Herrschaft Parchim genannt, bildete also ein wohl abgerundetes geschlossenes Gebiet, welches im Süden an das gräflich dannebergische Land Marnitz, im Südosten an Brandenburg, im Osten an den plauer See und die Herrschaft Werle, im Nordosten und Norden an die Stiftsländer Bützow und Warin, endlich im Nordwesten und Westen an die Grafschaft Schwerin grenzte 1 ). Außerdem erhielt Pribislav noch einen Antheil an der pommerschen Eroberung, dessen Umfang nicht genau zu bestimmen ist, anscheinend aber nicht von Bedeutung war, da Anfangs Johann und Nicolaus als die eigentlichen Landesherren erscheinen, jener im Lande Gnoien (Tribedne), dieser im Lande Malchin, während Heinrich und Pribislav wohl nur einzelne, zerstreute Domainen in der Umgegend von Gnoien besaßen, ersterer aber später (seit 1240) in Johanns Stelle tritt, welcher hier seitdem überall nicht mehr vorkommt.

Wir sehen hieraus, daß unser junge Fürst rücksichtlich des Umfanges seines Gebietes nicht eben kärglich abgefunden ward; betrachten wir aber den damaligen Zustand dieses Landes näher, so ist die Schwierigkeit seiner Stellung nicht zu verkennen. Borwin I. und seine Söhne hatten alle Kräfte auf die Cultur des Landes und die Pflege des Christenthumes in den Ländern Meklenburg und Kissin an der ihnen zunächst liegenden Meeresküste, dem eigentlichen Kerne ihrer Herrschaft, verwendet, während der entferntere südliche Landestheil, Warnow und Müritz, ganz aus der Geschichte verschwindet und allem Anscheine nach auch wirklich, gleich dem Gebiete der Circipaner, Tolenzer und Rhedarier, längere Zeit hindurch ihrer Herrschaft entzogen war. Wenn nun auch anzunehmen ist, daß durch die sächsische Besatzung der Grenzburgen längs der Elde, namentlich in Malchow, Kutin, Parchim und Grabow, gleich nach hergestelltem Frieden der erste Keim der neuen Cultur auch in diese Gegend, welche ihrer Lage nach durch den Krieg am meisten gelitten haben mußte, gelegt sein wird, so ist doch gewiß, daß die Entwickelung desselben grade hier bei dem Mangel an gehöriger Pflege nur


1) Nach meiner ursprünglichen Absicht sollte diesem Aufsatze eine historisch=topographische Beschreibung der Provinz Warnow im 13. Jahrhundert voraufgehen. Bei den mir jetzt zu Gebote stehenden Hülfsmitteln bedarf dieselbe jedoch einer völligen Umarbeitung und findet vielleicht später einen Platz in dieser Zeitschrift. Hier muß ich mich auf allgemeine Angaben beschränken.
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sehr langsam gewesen sein kann. Die Gründung des Benedictiner=Klosters in Dobbertin, dessen älteste Besitzungen nordöstlich von diesem Orte, in der Richtung nach Güstrow lagen, ist die einzige allenfalls hierher zu ziehende christliche Stiftung, die sich mit Sicherheit in den Anfang des 13. Jahrhunderts zurückführen läßt: eine zu sehr vereinzelte Erscheinung, als daß wir ihr irgend bedeutenden Einfluß zuschreiben könnten. - Erst kurz vor seinem Tode scheint Borwin II. ernstlich an den Anbau dieses "wüsten und unwegsamen, des Teufels Diensten ergebenen Landes", wie er selbst es nennt, gedacht zu haben, indem er zur Gründung der Städte Parchim und Plau christliche Colonisten aus der Nähe und Ferne herbeirief 1 ).

Die Ausführung dieses wichtigen Unternehmens blieb aber seinem Sohne Johann überlassen, der sich demselben allerdings auch mit Eifer gewidmet zu haben scheint. Schon beim Antritt seiner selbstständigen Regierung im Jahre 1229 finden wir nicht nur einen Pfarrer an der Stadtkirche zu Parchim in Thätigkeit, sondern der Fürst hatte auch die Freude, schon jetzt die Errichtung und Dotation von vier neuen Capellen in der nächsten Umgebung, zu Damm, Klockow, Möderitz und Lancken, durch die von ihm mit den unangebauten Gütern dieser waldigen Gegend belehnten Vasallen bestätigen zu können 2 ). - In dem folgenden Jahre 1230 kam ein wichtiger Vertrag zwischen dem Bischofe Brunward und unseren Fürsten Johann und Pribislav zu Stande, welcher uns leider nur aus einem dürftigen Auszuge der verlornen Urkunde bekannt ist, aber ohne Zweifel auf eine raschere, planmäßige Colonisation des Landes berechnet war. Der Bischof überließ nämlich den Fürsten nicht nur die Hälfte des Zehnten in dem ganzen Umfange des Landes Warnow nebst Brenze zu beiden Seiten der Elde, sondern belehnte sie auch rücksichtlich derjenigen Güter, welche schon damals den in diesem Lande angesessenen, in dem Vortrage namentlich genannten, Vasallen, deren Zahl also noch nicht sehr groß sein konnte, überlassen waren, mit dem ganzen Zehnten, wogegen die Fürsten


1) Fundat. Urk. der Stadt Parchim bei Cleemann, Chr. v. Parchim, S. 94, u. Rudloff Urk. Lief. Nr. I. Sie hat kein Datum und wird gewöhnlich in das Jahr 1218 gesetzt, aber sicher zu früh, da Borwin II. der Aussteller ist, und seines Bruders Nicolaus, zu dessen speziellem Antheil die Gegend gehörte, nicht mehr gedenkt. Dieser starb zwischen 1224 u. 26. - Die plauer Fundat. Urk. ist nicht bekannt; ihre Confirmation vom J. 1235 beweiset aber, daß sie eine wörtliche Wiederholung der parchimschen und von den beiden Borwinen ausgestellt war, weshalb beide Urkunden in dieselbe Zeit zu setzen sein werden.
2) Die hier und im Folgenden in Bezug genommenen Urkunden sind schon oben nachgewiesen. Daß die Cultur des Südens von Meklenburg hauptsächlich von Gadebusch ausging, glaube ich aus den Namen der ersten Vasallen und Bürger beweisen zu können.
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sich zur Eintreibung der dem Bischofe reservirten Hälfte verpflichteten: eine in der Geschichte der slavischen Länder und namentlich unter der Regierung des genannten Bischofes wohl bekannte Maaßregel, welche überall den Zweck hatte, das flache Land nach Entsetzung des Ueberrestes der wendischen Einwohner mit zehntpflichtigen deutschen Ansiedlern zu bevölkern. - Nachdem sodann noch in demselben Jahre die streitigen Grenzverhältnisse zwischen Parchim und dem gräflich schwerinschen Lande Zellesen durch eine aus den beiderseitigen Räthen bestehende, in dem Grenzdorfe Klincken niedergesetzte Commission geordnet und der Friede auf dieser Seite durch die Verlobung der jungen Margaretha mit dem Grafen Gunzel von Schwerin befestigt war, mochte Johann und der ihm noch bei dieser letzten Handlung zur Seite stehende Vormundschaftsrath sich der Hoffnung hingeben, die ruhige Entwicklung der neuen Gründungen so weit gesichert zu haben, daß dieselben seiner speciellen Fürsorge nicht mehr bedürften, und trat das Land, wie wir gesehen haben, in der bald darauf folgenden Auseinandersetzung der Brüder dem Pribislav ab. Aber er selbst hatte, namentlich durch den erwähnten Vertrag mit dem Bischofe, unbewußt den Keim zu neuem Zwiespalt gelegt, welcher nur mit dem Untergange des jungen Fürsten enden sollte.

Pribislav selbst, welcher jetzt das 18. Jahr erreicht haben wird, ist übrigens in dem nächsten Zeitraume nach der zweiten Theilung des Landes so völlig aus unserm Gesichtskreise verschwunden, daß wir fast seine Anwesenheit im Lande bezweifeln und vielmehr vermuthen möchten, daß er durch Reisen im Auslande seine practische Ausbildung zu vollenden und sich auf seinen hohen Beruf vorzubereiten gesucht habe. Erst im Jahre 1235 finden wir ihn wieder mit seinen Brüdern vereint, indem er die Privilegien von Plau, der zweiten Stadt seines Landes, bestätigte 1 ). Die Fassung dieser im Namen der vier Brüder ausgestellten Urkunde beweiset aber, daß er, ungeachtet seiner abgesonderten Herrschaft, noch fortwährend unter Vormundschaft stand, obwohl das entscheidende Siegel leider nicht mehr vorhanden ist. Daher erklärt es sich denn, daß wir während dieser ganzen Zeit bis zum Jahre 1238 keine weiteren Beweise seiner Thätigkeit finden, und daß überhaupt bis dahin nichts zur Förderung der jungen Pflanzungen in seinem Antheile geschehen zu


1) Westphal. M. J., I., Nr. XXIII., p. 2100, u. IV., Nr. V., p. 928, beide Male nicht ganz correct, wie sich aus der Vergleichung mit den beiden parchimschen und der goldberger Urkunde ergiebt. Die gelehrte Untersuchung Westphalens über das jus factale, quod Landrecht vocatur, ist namentlich eine fruchtlose Arbeit: es muß feudale, q. Lehnrecht v. heißen.
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sein scheint. Seine vorsichtigen Räthe, wie seine Brüder, mochten bei der nahe bevorstehenden Volljährigkeit ihres Mündels Bedenken tragen, den selbstständigen Beschlüssen desselben vorzugreifen.

Auffallender ist aber, daß wir denselben auch bei den gemeinschaftlichen Handlungen seiner Brüder in den nächsten Jahren vermissen, namentlich bei der Stiftung des Klosters Rehna, 16. Mai 1236 1 ) und den Verleihungen an das Kloster Doberan im Jahre 1237 2 ); und eben so wenig tritt er bei der Vermehrung der Dotation des 1233 gestifteten Nonnenklosters Rühn mit Gütern seiner Vasallen, namentlich zu Holtzendorf und Granzin, am 3. Novbr. 1235 3 ) und der Erweiterung der Privilegien des Klosters Dobbertin in seinem eigenen Lande durch den Bischof Brunward am 27. Octbr. 1238 4 ) hervor. Wahrscheinlich bezieht sich hierauf der Vorwurf Kirchbergs, daß er dem Kloster Doberan nichts verliehen, ja ihm kaum die Verleihungen seiner Vorfahren und Brüder habe bestätigen wollen:

Zumale gab nicht derselbe man
an daz closter Doberan;
her wolde in kume bestedigen daz,
daz yn vor gegeben waz
von synen aldirn vor im noch
und von synen brudern doch

Die Beschuldigung ist zwar unwahr, da die Privilegien=Bestätigungen vom 29. Octbr. 1231 und 5. März 1255 auch Pribislavs Namen tragen und das Kloster ihm auch später den Erwerb des Dorfes Zarchlin verdankte, was einem Mönche eben dieses Klosters sicher nicht unbekannt sein konnte; auch nennt der Bischof Ludolph von Ratzeburg in der Urkunde vom 26. Decbr. 1236 den Pribislav ausdrücklich mit unter den Gönnern und Beförderern des Klosters Rehna; da es sich indeß in allen vier oben hervorgehobenen Fällen grade um geistliche Stiftungen, namentlich um Gründung und Erweiterung von Klöstern handelte, so ist es allerdings wahrscheinlich, daß seine Theilnahmslosigkeit dabei kein bloßer Zufall war, sondern einer Abneigung gegen das Mönchswesen zugeschrieben werden muß. Vielleicht war das Beispiel und die große Persönlichkeit des Kaisers Friedrich II., dessen hochgebildeten und glänzenden Hof Pribislav auf seinen Reisen zu besuchen nicht unterlassen haben wird, und der grade damals den Anmaßungen des Papstes und der Geist=


1) Jahrb. X., Urk. Nr. I.
2) Diplomat. Dober., Nr. XIII. in de Westph. M. J., III., p. 1481.
3) Urkunden=Anhang Nr. I.
4) Rudloff Urk. Lief. Nr. VIII.
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lichkeit offen und mit aller Kraft seines hohen Geistes entgegen trat, nicht ohne Einfluß auf die Denk= und Handlungsweise des zum Manne heranreifenden Jünglings geblieben. Die kaiserliche Bestätigung der Besitzungen und Gerechtsame des Fürsten Johann, als Repräsentanten seines Hauses, vom Febr. 1235 beweiset wenigstens ein engeres Anschließen unserer Fürsten an das deutsche Reich und scheint jene Vermuthung einigermaßen zu bestätigen.

Nach der obigen Berechnung über die Geburt des Pribislav müßte derselbe, nach gemeinem, durch den Einfluß der Geistlichen auch in den slavischen Ländern in Bezug auf öffentliche Verhältnisse bereits Einfluß gewinnenden Rechte, erst im Anfange des Jahres 1239 zur Volljährigkeit gelangt sein. Besondere, uns nicht bekannte Verhältnisse, mochten aber die Beschleunigung des selbstständigen Regierungsantritts um einige Monate wünschenswerth machen; gewiß ist wenigstens, daß dieser schon 1238 erfolgte 1 ). In diesem Jahre nämlich bestätigte er die Privilegien seiner Hauptstadt Parchim, eine Handlung, welche nach dem Staatsrechte jener Zeit der Huldigung voraufging. In der darüber ausgestellten Urkunde nennt er sich denn auch zum ersten Male Herr von Parchim, während er bisher unter dem mit seinem Bruder gemeinschaftlichen Titel Herr von Meklenburg aufzutreten pflegte; zugleich bediente er sich nunmehr eines eigenen Siegels, welches in der Umschrift gleichfalls jenen Titel zeigt, übrigens aber dem seines Bruders ähnlich ist und sich nur durch einen Ring zwischen den Hörnern des Stierkopfes auszeichnet 2 ). Dieser Titel beweist zugleich, daß unser Fürst seine Hofhaltung auf der alten Burg zu Parchim aufgeschlagen hatte, welche schon 1170 als Hauptfeste der Provinz Warnow genannt wird, also vermuthlich in früherer Zeit Sitz eines slavischen Woiwoten war, aber wohl erst später als sächsische Gränzburg in Stein aufgeführt ward. Sie lag auf dem jetzigen Bleicherberge, früher Schloßberg genannt, im Norden der Stadt und muß für die damalige Zeit sehr fest gewesen sein. Nördlich von dem hier steil abfallenden Hügel breitet sich nämlich jetzt eine Wiese aus, welche noch 1377 ein Teich war, zwischen dem


1) Heinrich, von jetzt an Borwin genannt, war um 1235 volljährig geworden, und läßt es sich nach allen Umständen nicht bezweifeln, daß um diese Zeit die Majorennität und Regierungsfähigkeit mit dem vollendeten 25sten Lebensjahre begann.
2) Urk. Anh. Nr. II. Das Siegel ist, wie die dort beigegebene Abbildung zeigt, zwar nicht vollständig erhalten; aus diesen und andern schon von Lisch, Jahrb. X. S. 23 ff. gegebenen Bruchstücken läßt es sich aber bis auf die Umschrift wiederherstellen. Letztere ist aus einer Nachricht des Archivars Schulz bekannt. Der Kürze wegen muß ich hierüber auf die angeführte Abhandlung verweisen.
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Wockersee und der den Fuß des Schloßberges im Westen bespülenden Elde, so daß nur zwei schmale, künstliche Dämme, von welchen der eine erst 1310 aufgeworfen ward, in die gegenüber liegende Ebene führten. Im Süden aber, nach der Stadt zu, ist der eigentliche Schloßberg durch einen breiten und tiefen Wallgraben gesichert, und seit 1310 überdies durch eine Mauer völlig abgeschlossen. Südlich von diesem Graben lag der Schloß=Hof und=Garten, das jetzige Pfaffenhaus, ein nicht unbedeutendes Stadtviertel, welches durch einen aus dem Wockersee in die Elde fließenden, aber nur durch künstliche Aufstauung in dieses Bett geleiteten Bach von der übrigen Stadt gesondert wird. Erst jenseit dieses Baches, nach Osten hin, lag der fürstliche Marstall, welcher jedoch wohl erst aus der Zeit der Herren von Werle=Parchim stammen mag.

Von hier aus sind denn auch die meisten Urkunden des Pribislav bis zum Jahre 1249 ausgestellt: so gleich die nächste, vom Jahre 1240, durch welche das früh untergegangene Dorf Bycher, östlich nahe bei Parchim, dieser Stadt kaufweise überlassen wird und aus welcher wir zugleich das aus 12 Mitgliedern bestehende Rathscollegium daselbst kennen lernen 1 ). - Das folgende Jahr 1241 zeigt uns dagegen unsern Fürsten in seinen Besitzungen an der pommerschen Gränze, wo er dem Kloster Dargun das von seinem Vasallen erkaufte Gut Dargebant bestätigte und zugleich den ihm daran gebührenden Hoheitsrechten, namentlich der Vogtei und den gewöhnlichen Diensten und Abgaben der Hintersassen, unentgeltlich für "den Gotteslohn" entsagte 2 ). Dies war aber auch die einzige Gunstbezeugung, deren sich dieses von den pommerschen und meklenburgischen Fürsten allerdings auch schon überreichlich begnadigte Kloster von Seiten des Pribislav zu erfreuen hatte, wie der Aussteller der Confirmations=Urkunde des Herzogs Wartislav vom 11. May 1248, anscheinend nicht ohne tadelnden Seitenblick auf die Kärglichkeit der Gabe, ausdrücklich bemerkt 3 ). Dargebant ist das heutige Darbein im Amte Dargun, welches noch in den Acten des 17ten Jahrhunderts Darbendt, Darbindt und Darbeynd geschrieben wird.

Bald nach dieser Zeit scheint sich unser Fürst vermählt zu haben, da er nicht nur im Jahre 1270 bereits mehrere Söhne


1) Cleemann, Chron. v. P. S. 221, wo aber Z. 4: gesta. st. gesti, Z. 7 contingant, st contingat, Z. 11. Bichyre, st Bichure, zu lesen, u. Z. 13 hinter illa "penitus" zu ergänzen ist. Hinter den Zeugen=Namen Ludolphus et Ludolphus fratres steht ein Punkt, und st. Edelerus, Albertus muß es heißen: Edelerus Albus. Das Siegel ist verloren.
2) Lisch, M. U. I. Nr. XXVIII, v. 1241 vor März 11; vgl. Nr. XXIX.
3) Lisch a. a. O. Nr. XXXIV: et dui. Pribislai unius tantum ville, que Dargebant dicitur etc.
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und eine mannbare Tochter hatte, sondern schon 1261 von der Mitwissenschaft und dem Consense seiner Erben zu einer wichtigen Regierungshandlung spricht. Nach Micraelius 1 ) wäre seine Gemahlin, welche hier Tribislava genannt wird, - nach Andern Anna, oder Mestovina, - eine Tochter des Herzogs Mestovin I. von Hinterpommern († 1220) gewesen, welcher Angabe indeß eine zweifache Verwechselung zum Grunde liegt: einer Seits nämlich des Vaters, unsers Pribislav I., mit dem gleichnamigen Sohne, der, wie wir sehen werden, eine Tochter Mestovins II. ehelichte, anderer Seits jenes jüngern Pribislav II. mit dem Herzoge Przemislav von Gnesen, dessen Vater Wladislav Odonitz allerdings eine Tochter Mestovins I. zur Gemahlin hatte. Dies erhellt deutlich daraus, daß Micraelius (a. a. O.) bei Erzählung der Fehden des Suantopolk, Mestovins I. Sohnes, mit dem deutschen Orden um 1242 unter den Feinden des erstern auch seinen Schwestersohn Pribislav nennt, welchen Suantopolk "seiner erblichen Güter, dafür er sie angesprochen, in Cassuben entsetzt" habe. Daß hier jener Przemislav gemeint sei, bedarf keiner Nachweisung. Trotz dieses doppelten, starken Anachronismus ist dieser Irrthum von Chemnitz, welcher die Vermählung in das Jahr 1244 setzt, nachgeschrieben und in mehrere spätere Schriftsteller übergegangen, obgleich schon Kranz und andere das Richtige haben. - Mehr Beachtung scheint eine andere Angabe desselben Schriftstellers zu verdienen. In einem Verzeichnisse der pommerschen Adelsgeschlechter wird nämlich bei der Familie v. Walsleben bemerkt: "Anno M. CC. XLIV., da Hertzog Pribizlaff von Mechelnburg ein Pommersch Frewlein heurathete, ist mit ihm Wedige Walsleben aus Pommern in Mechelnburg gekommen, und hat daselbst dies Geschlecht auch propagiret" 2 ). Diese Nachricht gewinnt dadurch einiges Gewicht, daß unter den spätern Vasallen des Pribislav sich wirklich ein Ritter Wedekind von Walsleben befindet, der in der Geschichte dieses Fürsten eine so verhängnißvolle Rolle spielt, und allerdings aus Pommern zu stammen scheint, wo ein Johannes de Walsleve und dessen Bruder Albertus de Insleve seit 1244 häufig an dem Hofe der Herzoge Barnim und Wartislav vorkommen 3 ). Andere pommersche Nachrichten setzen gerade in dasselbe Jahr 1244 die Vermählung einer Tochter Barnims mit dem Markgrafen Johann


1) Altes Pommerland, Stettin 1639, II. S. 271. vgl. mit S. 280.
2) Micraelius a. a. O. VI. S. 540. Diese Worte verdollmetscht Klüver, Beschr. v. M. I. S. 656 - 57, um die Verwirrung vollständig zu machen: " 1244 hat Pribislav, Herr von Werle, eine pommersche Dame, Wedtge Walsleben, geheurathet."
3) Jahrb. III. Nr. IV. u. Lisch M. U. I. Nr. XXXIV, XXXIX. u. a. Vgl. über die Familie auch Riedel, Mark Brandenburg, I. S. 108.
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von Brandenburg, eine Angabe, welche zwar von Barthold hinreichend widerlegt ist 1 ), aber doch zu bestätigen scheint, daß Barnim in diesem Jahre eine Tochter verheirathete. Nehmen wir aber an, daß unser Pribislav sein Schwiegersohn ward, so würde dadurch in der That mehr als ein Räthsel in den spätern Verhältnissen dieses Fürsten eine willkommene Lösung finden. Ich bemerke hier vorläufig, daß in diesem Falle seine Gemahlin (aus der ersten Ehe Barnims mit der Marianna, Tochter des Pfalzgrafen Heinrich von Sachsen) eine Schwester Bugislav's IV. war, so wie der viel jüngern Miroslava und Anastasia (aus Barnims zweite Ehe), jene an den Grafen Nicolaus von Schwerin, Pribislav's Schwestersohn, diese an dessen Brudersohn Heinrich den Pilger von Meklenburg vermählt, und endlich Barnim's II, Otto's II. und der Mechthilde (aus der dritten Ehe mit Mechthilde, Schwester des Markgrafen Albrecht von Brandenburg).

Sollte sich aber diese, freilich noch nicht hinlänglich begründete Vermuthung bestätigen, so würde zugleich gewiß sein, daß diese erste Gemahlin früh verstarb, da wir den Pribislav später mit einer gleichfalls ungenannten Tochter des Richard, Herrn von Frysach, den er selbst in einer Urkunde von 1261 2 ) als seinen Schwiegervater bezeichnet, vermählt finden. Diese edlen Herren (nobiles viri, nobiles domini) von Frysach, oder Vrysach, ein Titel, welcher sonst um diese Zeit nur Mitgliedern regierender Fürstenhäuser gegeben wird, trugen ihren Namen von der jetzt im Besitze der Grafen von Bredow befindlichen Herrschaft Friesack mit dem Städtchen gleiches Namens im markgräflich brandenburgischen Havellande, hatten aber auch noch andere freie Besitzungen in dieser Gegend, welche sie zum Theil andern Rittern zu Lehn übertrugen. So machten sich z. B. der Erzbischof und das Capitel zu Magdeburg in dem Vertrage mit dem Markgrafen Otto von Brandenburg vom 12ten May 1259 anheischig, dem letztern gegen diesen Verzicht auf die Grafschaft Seehausen und das Schloß Hakenstede bis zum nächsten Jacobi Burg, Stadt und Land Jerichow einzuräumen, und zwar in der Weise, daß die Markgrafen alles, was der Erzbischof selbst, so wie die Herren Rolekin von Jerichow und Richard von


1) Gesch. v. Pommern II. S. 424, vgl. mit Riedel a. a. O. S. 431. Die Behauptung Bartholds, daß Barnim damals überhaupt noch keine mannbare Tochter gehabt haben könne, scheint aber zu weit zu gehen. Sein Großvater Bugislav I. war 1177 Wittwer, konnte also mindestens 1178 die zweite Ehe eingehen, aus welcher Bugislav II. stammte, so daß dieser sich füglich um 1200 (21 J. alt) vermählen, folglich sein ältester Sohn Barnim I. beim Tode des Vaters 1222, obgleich minderjährig, doch 21 Jahre alt sein, und 1244 allerdings eine mannbare Tochter haben konnte.
2) Gerken, cod. dipl. Brand. II. p. 77: Richardi domini de Frysach, nostri soceri etc.
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Vrysach daselbst unmittelbar besäßen, ebenfalls frei empfangen, dagegen aber auch die von diesen Herren vorgenommenen Belehnungen anerkennen sollten. Die brandenburgischen Historiker halten daher diese, "freien Barone" (liberi barones), wie sie selbst sich bei anderer Gelegenheit nennen, für ein alt=wendisches Dynasten=Geschlecht, welches sich bei Unterwerfung dieser Gegend, ähnlich wie die Stammväter unsers Fürstenhauses, den Siegern verbunden und dadurch in eigenthümlicher, ziemlich unabhängiger Stellung erhalten hätte 1 ).

Kehren wir jetzt zu unserm Pribislav zurück, so finden wir denselben zunächst mit der Ordnung der Grenzverhältnisse der Länder Thure und Brenze beschäftigt, welche zwischen ihm und seinem "geliebten Schwager," dem Grafen Gunzel von Schwerin, streitig geworden waren, aber im Jahre 1247 durch gütlichen Vergleich festgestellt wurden. Letzterer gab nämlich diejenigen Güter, welche er bisher in dem Lande Thure besessen hatte, zurück, wogegen Pribislav auf den Theil des Landes Brenze verzichtete, welcher sich gleichfalls im Besitze des Grafen befand und von jenem bisher vergeblich zurückgefordert war 2 ). Unter dem letztern Gebiete können wir nichts anders verstehen, als die Burg Brenze, in dem heutigen Kirchdorfe dieses Namens, mit dem größern Theile des dazu gehörigen Landes, d. h. dem am linken Eldenufer belegenen Theile des jetzigen Amtes Neustadt, welchen wir von jetzt an im Besitze der Grafen finden, obgleich noch in dem oben erwähnten Vertrage mit dem Bischofe Brunward vom Jahre 1230 das ganze Land Brenze zu der Herrschaft Meklenburg gerechnet ward. Pribislav behielt hier jetzt nichts, als einige wenige, fortan unmittelbar zum Lande Parchim gerechnete Dörfer, welche im Laufe der Zeit sämmtlich in den Besitz der Stadt übergegangen und größten Theils mit der städtischen Feldmark vereinigt sind. - Die streitigen Dörfer in der Thure dagegen werden in der Gegend von Siggelkow und Zachow zu suchen sein, wo der Graf Gunzel von Schwerin, im Verein mit den Grafen von Danneberg, dem Kloster Dünamünde im Jahre 1235 einige Schenkungen gemacht haben soll, welche die Markgrafen von Brandenburg 1238 als Oberlehnsherren bestätigten 3 ).

Nachdem auf diese Weise durch ein anscheinend nicht unbedeutendes Opfer der äußere Friede gesichert war, widmete sich


1) Vgl. Riedel Beschr. der Mark Brandenb. um 1250, I. S. 370, u. Cod. Dipl. Brandenb. I. S. 268 flgd. u. II. 1, Nr. 87., S. 63.
2) Urk. Anh. Nr. III.
3) Nach Urkunden im großherzoglichen Geh. u. Hauptarchiv, deren Aechtheit jedoch verdächtig ist.
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unser Fürst mit ganzem Ernste der weitern Cultur seines Landes. Schon das nächste Jahr ist durch eine wichtige neue Stiftung ausgezeichnet, durch die Bewidmung der von ihm gegründeten neuen Stadt Goldberg mit den parchimschen Privilegien. Die darüber zu Parchim im Jahre 1248 ausgestellte, nur aus einem Transsumte des Fürsten Johann von Werle vom Jahre 1317 bekannte Urkunde 1 ) ist nur eine wörtliche Wiederholung der plauer und parchimschen Privilegien=Bestätigungen von 1235 und 1238, mit den durch die Uebertragung auf Goldberg nothwendig gewordenen Abänderungen, die aber so ungeschickt ausgeführt sind, daß es fast das Ansehen gewinnt, als ob es sich auch hier nur um die Bestätigung einer schon länger bestehenden Stadtgemeinde handle. Indessen heißt es doch im Eingange ausdrücklich, daß die Stadt von Pribislav gegründet sei (construximus, statt des construxerunt patres nostri der parchimschen Urkunde), und wirklich muß der Ort, früher Golce genannt, noch unmittelbar vorher in einem verlorenen Privilegium des Bischofs Wilhelm (1248 - 49) für das Kloster Dobbertin als bloßes Dorf (villa) aufgeführt sein, da sein Nachfolger Rudolph in der Bestätigungs=Urkunde vom 17. Jun. 1261 diese Bezeichnung beibehält, obwohl der Ort inzwischen Stadtrecht erhalten hatte 2 ).

In eben diese Zeit ist ferner mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Gründung der Stadt Sternberg zu setzen, obgleich wir die Fundations=Urkunde derselben nicht mehr besitzen. Schon der deutsche Name, welcher lebhaft an die übrigen Gründungen des Pribislav, wie Goldberg und Richenberg, erinnert, und urkundlich zuerst im Jahre 1256 vorkommt, läßt kaum an eine frühere Periode denken; mit Entschiedenheit aber weiset das dort geltende parchimsche Recht auf die Zeit der Herrschaft unsers Pribislav zurück, da Sternberg späterhin stets zu Meklenburg gehörte. Schon Heinrich von Meklenburg bestätigte dieses Recht unterm 24. Februar 1309, nachdem die älteren Privilegien durch eine Feuersbrunst untergegangen waren, nicht bloß für die Stadt selbst, sondern auch für die von ihr erworbenen Dörfer, so wie sie dasselbe von seinen Vorfahren erhalten habe 3 ), und der Rath zu Parchim war das ganze Mittelalter hindurch die Appellationsbehörde, wie für die Stapelgerichte zu Plau und Goldberg, so auch


1) Gedruckt bei v. Kamptz, M. Civ. R. I. 2, Nr. XII, S. 129, nach einer bei den hof= und landgerichtlichen Acten befindlichen beglaubigten Copie des Notarius Johannes Rigemann aus dem letzten Viertheil des 17. Jahrhunderts.
2) Rudloff Urk. Lief. Nr. XVI.
3) Franck, A. u. N. M. V, Urk. Nr. 1, S. 208: predictis civibus in Sternberge dedimus et benigne dimisimus judicium, quod in Teutonico Parchimmes - Recht dicitur, ea libertate et usufructu, quemadmodum illud judicium a nostris progenitoribus liberius habuerunt.
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für das zu Sternberg, von welchem letztern Orte das parchimsche Recht später auch auf das benachbarte Brüel übertragen ward.

Inzwischen mochte die alte Burg zu Parchim, welche nur einen geringen Umfang gehabt haben kann, den Bedürfnissen des durch die Vermählung des Fürsten vergrößerten Hofhalts und den gesteigerten Ansprüchen der Zeit nicht mehr entsprechen, weshalb derselbe um eben diese Zeit das neue Schloß zu Richenberg in einer anmuthigen Gegend an den hohen Ufern des Warnowthales bei dem Dorfe Kritzow erbauete 1 ). Noch in der goldberger Urkunde nennt sich der Fürst Herr zu Parchim, aber schon in dem folgenden Jahre 1249 erscheint er urkundlich als Herr zu Richenberg, ein Titel, den er von jetzt an vorzugsweise zu führen pflegt und dem gemäß auch sein bisheriges Siegel veränderte. Statt des meklenburgischen Stierkopfes bediente er sich nämlich nunmehr eines sogenannten Majestätssiegels mit der Umschrift: Pribizlaus dei gratia dominus de Richenberg, auf welchem er selbst als thronender Herrscher erscheint, mit lockigem Haupte und mit dem Fürstenmantel behängt, in der Rechten das auf dem Schooße ruhende entblößte Schwert, während er die Linke wie gebietend emporhebt. Die Arme und die kreuzweise übereinander gelegten Füße dieser auf einem Throne sitzenden Figur sind anscheinend entblößt, ein Umstand, den die spätern mönchischen Feinde des Fürsten benutzt haben, dieselbe für eine nackte Jungfrau auszugeben und den Fürsten gradezu zum Götzendiener zu machen. Schon Kirchberg sagt unverkennbar mit Bezug auf diesen Siegelschild:

Her waz ein vil bose christen,
in halbir truw lebete her mit listen;
her vurte eyn iungfrow in bilde
gemalt an syme schilde,
daz anbedete her sunder spod
gantz und gar als eynen god.

Spätere haben sich den Kopf darüber zerbrochen, an welche Jungfrau man hiebei zu denken habe, und während Kranz dem Fürsten noch christlichen Sinn genug zutrauet, um die Jungfrau Maria zum Gegenstande göttlicher Anbetung zu machen, trägt Latomus 2 )


1) Vergl. über die Ueberreste dieser Burg: Lisch in den Jahrb. X, S. 30 flgd. Daß sie von Pribislav erbauet sei, bezeugen Chemnitz u. A., und geht auch aus den gleich anzuführenden Verhältnissen hervor.
2) Genealochron. Megap. ap. de Westph. M. I., IV, p. 211 ff. - Schon aus dem seiner Meinung nach verspäteten Regierungsantritte des Pribislav schließt Latomus, daß die Christen in seinem Lande mit ihm sehr übel zufrieden gewesen wären und die Huldigung versagt hätten, bis er gelobt, sie bei ihrem Glauben zu lassen und denselben selbst anzunehmen, woher er denn jetzt auch sein heidnisch Wappen geändert p. 219.
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kein Bedenken, sie zu einem wirklichen Götzenbilde, nämlich zu der "von den Wenden hochverehrten Göttin Venus oder Siwa" zu stempeln, denn, meint er, ohne Zweifel im Sinne des Kirchberg, "wenn der Fürst die Mutter des Herrn in seinem Herzen so hoch geehret, daß er ihr Bild im Wappen geführt und angebetet hätte, so würde er auch den Sohn erkannt, angenommen, geehrt und seine Lehre nicht gehemmt und verfolget haben". Demzufolge hat man sich im 16. Jahrhundert nicht gescheuet, diese angebliche Göttin Siva als eine völlig nackte weibliche Figur mit fliegenden Haaren und einem zusammengerollten Schleier über die Arme geworfen darzustellen und für das Siegel des Pribislav auszugeben. Dieses von Rixner erfundene Wappen prangt noch in des Kanzlers von Westphalen bekanntem Sammelwerk (M. J. IV, Tab. VIII, Nr.11) und hat bis auf den würdigen Rudloff allgemeinen Glauben gefunden, obgleich doch schon Chemnitz der Erzählung von dem Heidenthum des Fürsten widerspricht 1 ).

Uebrigens trug die Herrschaft des Pribislav auch fernerhin den Namen der ältesten und bedeutendsten Stadt derselben, ja er selbst wird auch in spätern Urkunden, namentlich in eigentlichen Staatsverträgen, noch mehrmals Herr von Parchim genannt. Vielleicht war das neue Schloß zu Richenberg überhaupt nur seine Sommerresidenz, während er im Winter sein Hoflager nach wie vor in Parchim hielt, wenigstens bestand die dortige Burgcapelle noch fort, und der Fürst scheint dieser Stadt überhaupt eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Einen schönen Beweis hievon, und zugleich von seiner ächt christlichen Gesinnung, ist uns in der Urkunde vom 20. Septbr. 1249 aufbewahrt, an welcher zum ersten Male das beschriebene, angeblich heidnische Majestätssiegel hängt 2 ). Der Fürst ernennt nämlich den Pfarrherrn Johannes auf der gleichfalls von ihm gegründeten Neustadt Parchim, welche bis zum Jahre 1282 eine besondere Stadtgemeinde bildete, und nach dieser Urkunde schon jetzt eine eigene, vielleicht aber noch schwach dotirte Kirche hatte, wegen seines lobenswerthen Betragens und der ihm oft bewiesenen Anhänglichkeit zu seinem Schloßcaplan, indem er zugleich die 6 Hufen in dem Dorfe Böck, mit denen der Burgmann Martin von Malin im Jahre 1229 mit Bewilligung des Fürsten Johann von Meklenburg die Burgcapelle dotirt hatte, der Kirche der Neustadt beilegte. Außerdem verlieh er demselben einen Platz in der Nähe der Burg zwischen dem Schloßgraben und dem


1) Ich verweise hier abermals auf die Abhandlung von Lisch, Jahrb. X, S. 23 flgd., mit der Abbildung dieses Siegels, wodurch die wunderlichen Mährchen, welche Jahrhunderte hindurch unsere Geschichte entstellt haben, vollständig widerlegt sind.
2) Urk. Anh. Nr. IV.
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Mühlendamm, d. h. auf dem Schloßhofe selbst, zur Erbauung eines Hauses, damit er dem Schlosse bei Verrichtung seines heiligen Amtes desto näher sein möchte 1 ). Endlich aber, und das ist das Wichtigste, beauftragte er eben diesen Geistlichen, der sein ganzes Vertrauen besaß, mit der Errichtung von Schulen auf der Alt= und Neustadt und gab damit das erste Beispiel einer landesherrlichen Fürsorge für ein geordnetes christliches Schulwesen, ein Verdienst, das um so höher zu achten ist, als es in dem übrigen Lande noch lange ohne Nachahmung geblieben zu sein scheint. Parchim aber hat sich zu allen Zeiten durch seine Schule ausgezeichnet, die der freien Volksbildung, namentlich zur Reformationszeit, sehr wichtige Dienste geleistet hat und darin noch heute das Andenken ihres ersten Stifters ehrt, daß nicht der Archidiakonus an der Hauptkirche zu St. Georg auf der Altstadt, sondern der neustädter Prediger neben dem Landessuperintendenten und zwei Mitgliedern des Rathes die Würde eines Scholarchen bekleidet.

Während dieser Zeit waren in der Regierung des Bisthums Schwerin, nachdem der ehrwürdige Brunward, der sich um die Ausbreitung und Befestigung der christlich=deutschen Kultur des Wendenlandes die größten Verdienste erworben hat, schon 1237 gestorben war, Friedrich I., Graf von Schwerin, Theodorich und Wilhelm rasch auf einander gefolgt, bis im Jahre 1249 Rudolph I. auf den bischöflichen Stuhl erhoben ward, nach ältern Schriftstellern einem einheimischen Rittergeschlechte entsprossen, nach neuerer Vermuthung aber aus dem kriegerischen Stamme der Fürsten von Rügen, ein Mann, welcher gleich beim Antritt seiner Regierung bewies, daß es ihm, dem allgemeinen Sinne der damaligen hohen Geistlichkeit gemäß, mehr um Ausbreitung seiner weltlichen Macht und die Vermehrung seiner bischöflichen Einkünfte, als um das Reich Gottes zu thun sei, und welcher in dieser Richtung seines Strebens allerdings mit großer Energie und meistens auch mit entschiedenem Erfolge fortschritt, worüber aber seine ganze Regierung eine fast ununterbrochene Kette von Streitigkeiten bildet. Nach der Versicherung des Chemnitz 2 ) war es schon dem Bischof Theodorich im Jahre 1240 gelungen, bei


1) Nach den Worten der Urkunde scheint es, als ob auch die 6 Hufen in dem nahe bei der Stadt vor dem Neuen Thore belegenen, bald nachher untergegangenen Dorfe Böck eine neue Verleihung des Pribislav seien. Aus der spätern Geschichte des parchimschen Kirchenwesens ergiebt sich indeß das Gegentheil. Nur die area ad curiam et domum constituendam verdankt die Geistlichkeit seiner Freigebigkeit. Das Haus, von welchem der alte Schloßhof später den Namen Pfaffenhaus erhalten hat, war bis zu dem großen Brande 1612 die Wohnung des Diakonus jetzt Pfarrers zu Damm.
2) Vita Pribislai ad a. 1252 und vita Gunccliui III ad a. 1240.
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dem deutschen Könige Konrad IV. die Ertheilung eines Privilegii zu erwirken, wornach er und seine Nachfolger berechtigt sein sollten, "des Stiftes Städte und Häuser zu bauen, bessern und befestigen, Zölle anzulegen und Münzen schlagen zu lassen", - ein Privilegium, dessen Existenz indessen wohl zu bezweifeln ist, da Konrad zwar schon 1237 zum deutschen Könige gewählt, d. h. zum Nachfolger seines Vaters, des Kaisers Friedrich II., welcher erst 1250 starb, designirt ward, damals aber noch unmündig war, und also 1240, etwa 14 Jahre alt, schwerlich so wichtige Begnadigungen ertheilt haben wird, die überdies ganz gegen den Geist seines Vaters verstießen. Die betreffende Urkunde ist denn auch weder im Originale vorhanden, noch in den Clandrianschen Regesten der verlornen Stiftsbriefe irgend erwähnt, hätte aber jedenfalls zu ihrer rechtlichen Gültigkeit des Consenses der Landesherren bedurft, da sie unbezweifelt eine Disposition über landesherrliche Hoheitsrechte enthalten haben würde, wozu selbst der Kaiser aus eigener Machtvollkommenheit nicht befugt war. Zwar hat Rudloff 1 ), ohne das angebliche Privilegium Konrads zu kennen, sich zu zeigen bemüht, daß die Bischöfe von Schwerin schon seit der erneuerten Stiftung des Bisthums durch den Herzog Heinrich den Löwen von Sachsen als unabhängige Reichsfürsten zu betrachten seien; allein er gesteht doch selbst, daß sich dieser Beweis aus der ersten Dotations=Urkunde und den spätern Confirmationen derselben nicht führen lasse, und eben so aus der Verleihung einzelner Regalien, wie der Jurisdiction, der Erhebung von Beden u. s. w., wozu sich unsere Fürsten oft bereit finden ließen, noch kein Verzicht auf ihre Landeshoheit zu folgern sei. Was aber Rudloff außerdem für seinen Satz beibringt, ist an sich eben so wenig entscheidend und geht wenigstens nicht über die Zeiten des Bischofs Rudolph hinaus, welcher allerdings höhere Ansprüche erhoben und theilweise auch durchgeführt zu haben scheint, obwohl es doch weder ihm, noch seinen Nachfolgern jemals gelungen ist, Sitz und Stimme auf dem Reichstage zu erlangen, vielmehr der Bischof auch in den innern Landesangelegenheiten in mehrfacher Beziehung offenbar als Vasall der Fürsten erscheint.

Am weitesten war indeß der Umfang der bischöflichen Gerechtsame ohne Zweifel in dem Lande Bützow, wo schon Pribislav II. dem Bischofe nach einem etwas dunklen Ausdruck der Confirmations=Bulle Urban's III von 1185 besondere Privilegien ertheilt zu haben scheint. Der Papst zählt hier nämlich


1) Verhältniß zwischen dem Herzogthume Meklenburg und dem Bisthume Schwerin, Schwerin. 1774.
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unter den Stiftsgütern namentlich auch 8 Dörfer im Lande Meklenburg auf, welche Pribislav mit allem Rechte in Bützow vertauscht habe 1 ). Da nun das Land Bützow schon in der Dotations=Urkunde von 1271 unter den Tafelgütern des Bischofs vorkommt und von Urban schon vorher speciell genannt war, der Bischof auch neben jenen hier zuerst genannten 8 Dörfern nach wie vor in dem Besitze dieses Landes blieb, so kann der Nachdruck in dem obigen Satze nur auf den Worten "alles Recht" (omne jus) ruhen, so daß also der Bischof entweder jene Dörfer gegen Abtretung (cum) gewisser Gerechtsame in Bützow eingetauscht, oder aber beides, Dörfer und Gerechtsame, zugleich (simul cum) gegen eine nicht genannte Gegenleistung, die übrigens auch in Geld bestehen konnte (pecunia commutare), von Pribislav erworben hatte. Das Letztere ist nach den spätern Ereignissen die allein zulässige Erklärung. Bei Gelegenheit der Stiftung des Klosters Rühn erfahren wir nämlich, daß diese Erwerbung an gewisse Bedingungen geknüpft war, und der Bischof Berno sich namentlich zur Stiftung eines Jungfrauen=Klosters in Bützow verpflichtet, diese Bedingung aber nicht erfüllt hatte, weshalb die Brüder Nicolaus und Heinrich sich bald nach der ersten Landestheilung zur Wiedereinziehung der abgetretenen besondern Gerechtsame in Bützow, (die also bei der ersten Verleihung des Landes reservirt geblieben waren), ermächtigt hielten. Erst im Jahre 1232 kam hierüber ein besonderer Vertrag zwischen ihm und dem Bischofe Brunward zu Stande, an welchem jedoch Johann und Pribislav keinen Theil nahmen, und durch den jener seine Verpflichtung zur Stiftung des Klosters nochmals anerkennt, wogegen die Fürsten wiederholt "alle ihre Recht, das sie mugen gehabt haben im Lande Butessowe, an Ackern, Holtzungen, Wassern, Diensten, Gerichten u. s. w. dem Bischofe abtreten und übergeben 2 )". Hieraus ersehen wir denn zugleich (worauf es uns hier eigentlich ankam), daß der Ausdruck omne jus in der oben angeführten Stelle in keinem andern Sinne zu nehmen ist, als worin er bei Verleihungen von Gütern an Privatpersonen unzählige Male vorkommt, als der Inbegriff aller an dem Gute haftenden Privatrechte, mit Einschluß der Gerichtsbarkeit, daß hier aber von Abtretung eigentlicher Hoheitsrechte, zu denen man namentlich die Landfolge, Anlegung von Zöllen, Festungsbau u. dgl. rechnete, keine Rede sein kann.


1) Lisch, M. U. III. No. 2: octo villas in Meklenburgh, quas Pribislaus cum omni jure in Bützowe commutavit.
2) Lisch M. U. III. Nr. XXV., u. Jahrb. VII. S. 6. flgd.
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Sei es nun, daß Rudolph dessen ungeachtet diesen Verträgen eine weitere Ausdehnung zu geben suchte, oder daß er wirklich ein kaiserliches Privilegium vorschützte, genug, im Jahre 1252 begann er, statt der schon früher vorkommenden alten, wendischen sogenannten Burg, nicht nur die Stadt Bützow zu befestigen, sondern auch neben der Stadt ein neues, festes Schloß aufzuführen, stieß aber dabei sofort auf den entschiedenen Widerspruch der Landesherren. Unter diesen war aber Pribislav offenbar am meisten bei der Sache betheiligt, da die neue Festung nicht nur fast unmittelbar an der Gränze seines Landes lag, sondern die bischöflichen Besitzungen sich auch mitten durch die alte Gesammtherrschaft Meklenburg zogen, so daß er, wenn es dem Bischofe gelang, dieselben der landesherrlichen Oberhoheit zu entziehen und nach Belieben mit Festungen und Zöllen zu versehen, von dem Antheile seines Bruders Johann völlig abgeschnitten und fast nach allen Seiten von feindlichem Gebiete umgeben war. Daher sehen wir denn auch gerade ihn, den jüngsten, am entschiedensten und anscheinend auf eigene Gefahr hervortreten, obwohl die spätern Ereignisse hinlänglich beweisen, daß er im vollen Einverständnisse sowohl mit seinen Brüdern, als mit seinem Schwager, Grafen Gunzel von Schwerin, gehandelt habe. Indessen unterließ er nicht, den Bischof zuförderst friedlich aufzufordern, von der gefährlichen Neuerung abzustehen, als aber diese Mahnung vergebens war, ließ er den angefangenen Bau gewaltsam zerstören und ward dadurch bald in offene Fehde mit dem kriegerischen Priester verwickelt, in welcher nicht nur die Burg des Gegners (vermuthlich die alte wendische Befestigung) in Flammen aufging, sondern auch dieser selbst in seine Gefangenschaft gerieth und, zum Schrecken der gläubigen Menge, zu Roß und in ritterlicher Rüstung auf das nahe richenberger Schloß in Verwahrsam gebracht ward. Doch wußte sich der Fürst in seinem Siege zu mäßigen und entließ seinen Gefangenen, statt ihn als ungehorsamen Vasallen zu behandeln, nach kurzer Haft gegen ein mäßiges Lösegeld nach Krieges Weise und gegen das Versprechen, den begonnenen Bau einzustellen.

So nach Kirchberg, dem ich im Wesentlichen gefolgt bin, wogegen Chemnitz und Andere den ganzen Hergang in einem gehässigern Lichte darzustellen suchen, von heimlichem Aufpassen, langer schimpflicher Haft, schwerem Lösegelde u. s. w. sprechen, und namentlich eine absichtliche Verspottung des Bischofs darin sehen, daß Pribislav ihn "wie einen Reuter zu Pferde" (Chemnitz nach Kranz: in equo constituens militem seculi) in Richenberg einreiten ließ, als ob ein Bischof damaliger Zeit nicht zu reiten verstanden hätte! Kirchberg, sonst eben kein Lobredner

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unsers Fürsten, weiß von allem diesem nichts, sondern bezeugt vielmehr ausdrücklich:

Der bischof in vil kortzer czid
machte sich myt syme gelde quid;
die summen von dem gelde
nicht gar groz ich melde.

Uebrigens setzt er das Ereigniß, an das er unmittelbar die Gefangenschaft des Pribislav anreiht, da er den spätern Zehntenstreit nicht kennt, in das Jahr 1256, wogegen Chemnitz die Jahre 1252 - 53 giebt. Da wir aber den Bischof schon am 16. Dec. 1252 in Mirissowe mit dem Bischofe von Havelberg über die Grenzen der beiderseitigen Sprengel im Lande des Pribislav jenseit der Elde und der Herrschaft des Nicolaus von Werle verhandeln sehen 1 ), so ist anzunehmen, daß die ganze, für die Entwickelung des heimischen Staatslebens keineswegs bedeutungslose Fehde in dem Jahre 1252 beendigt ward. Rudolph vergaß aber die erfahrene Kränkung nicht und fand bald genug Gelegenheit zur Rache.

Im Anfange des folgenden Jahres befand sich Pribislav in Wismar, vermuthlich zum Besuche bei seinem Bruder Johann, bei welcher Gelegenheit er dem Abte des Klosters Doberan unterm 14. Februar das Dorf Zolchelin, d. h. den jetzigen Domanial=Hof Zarchelin bei Plau, für die Summe von 300 Mark verkaufte und dem Kloster das Eigenthum daran mit allen Gerechtigkeiten, so wie es sich bisher im Besitze des Ritters Herrn Wedekind von Walsleben befunden hatte, aufließ, wogegen er denn den letztern, welcher bei dieser Handlung als Zeuge gegenwärtig war, mithin seinen Consens dazu gab, natürlich anderweitig entschädigt haben wird 2 ). - Freigebiger aber, als gegen das gedachte Kloster, bewies sich der Fürst unterm 23. April 1254 gegen eine andere geistliche Stiftung, nämlich die Pfarre zu Carow bei Plau, welche so kärglich dotirt war, daß sie ihrem Pfarrherrn den nöthigen Unterhalt nicht gewährte. Pribislav schenkte demselben deshalb zur Hebung des Gottesdienstes, so wie zum Heile seiner und seiner Aeltern Seelen, drei Hufen in dem Dorfe Karow selbst und zwei Hufen in dem untergegangenen Dorfe Payow bei Karow mit allen Gerechtigkeiten und Freiheiten, selbst mit der hohen Gerichtsbarkeit 3 ), und bewies dadurch aufs Neue, daß ihm wahre Frömmigkeit nicht fremd war und daß er zur Hebung und Beförderung der Religiosität verhältnißmäßig bedeutende Opfer nicht scheuete.


1) Lisch, M. Urk. III, Nr. XL.
2) Diplom. Dober. I, Nr. XXVIII, in de Westph., M. J. III, p. 1496.
3) Urk. Anh. Nr. V.
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Diese Freigebigkeit schützte ihn aber nicht gegen neue Streitigkeiten mit dem feindlich gesinnten Bischofe, wozu dieser, wahrscheinlich schon etwas früher und gleich nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft, in der Säumigkeit oder dem Widerspruche mehrerer Vasallen der Herrschaft Parchim bei Entrichtung der Zehnten eine erwünschte Gelegenheit gefunden hatte. Wir haben nämlich oben gesehen, daß sich die Fürsten Johann und Pribislav durch den Vertrag von 1230 zur Beitreibung dieser zu allen Zeiten verhaßten Abgabe verpflichtet hatten, wogegen ihnen nicht nur im Allgemeinen die Hälfte derselben zum eigenen Genusse überwiesen, sondern auch gewisse, schon damals zu Lehn gegebene Güter ganz davon befreiet waren, jedoch mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß diese Befreiung sich auf die künftigen Erwerbungen der betreffenden Lehnleute nicht erstrecken sollte. Dessen ungeachtet war der Bischof mit mehreren zum Theil sehr mächtigen Vasallen, denen sich, wie es scheint, auch die Städte Parchim und Plau rücksichtlich ihrer Besitzungen angeschlossen hatten, über den Sinn und den Umfang jenes Privilegii in Streit gerathen, welcher dadurch noch verwickelter werden mochte, daß seine Vorgänger bei dem Fortschritte der Colonisation des Landes mit einzelnen Colonisten specielle Verträge geschlossen hatten, wie wir aus mehreren Beispielen ersehen; so trugen z. B. Dethlev von Godebuz zu Holzendorf und Nicolaus von Brusevitz zu Granzin im Jahre 1235 den Zehnten der genannten Dörfer von dem Bischofe Brunward zu Lehn 1 ) und eben so war Wedekind von Walsleben bei der besprochenen Veräußerung des Dorfes Zarchelin im Besitze des ganzen Zehnten. Durch solche Befreiung und Veräußerung scheint denn der Umfang der Zehntpflichtigkeit überhaupt, nicht nur in der Herrschaft Parchim, sondern fast in dem ganzen Sprengel des Bischofs in mehrfacher Beziehung schwankend und ungewiß geworden zu sein, da die Geschichte jener Zeit voll von Beispielen ähnlicher Streitigkeiten ist, theils mit den Landesherren, theils mit einzelnen Rittern, z. B. den Herren von Schnakenburg, Tessemar u. A., ja selbst mit geistlichen Corporationen, wie dem Kloster zu Doberan und dem Domcapitel zu Güstrow, - Streitigkeiten, in welchen der Bischof häufig nachzugeben gezwungen war, weshalb der Verdacht nahe liegt, daß er seine vielleicht allzusehr geschmälerten Einkünfte wohl auch über das Recht hinaus zu vermehren gesucht habe. - Unter diesen Umständen hielt sich Pribislav nicht für verpflichtet, den ihm in Gemäßheit des erwähnten Vertrages aufgetragenen Executionen gegen seine Vasallen


1) Urk. Anh. Nr. I.
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ohne weiteres Folge zu geben, da deren Weigerung zur Entrichtung des Zehnten nicht als bloße Widerspenstigkeit erschien, sondern sich auf angebliche Privilegien und wohlerworbene Befreiungen stützte; und zu leugnen ist nicht, daß die Lage des Fürsten unter den obwaltenden Umständen eine sehr schwierige war, da ein entgegengesetztes, rücksichtsloseres Verfahren ihn ohne Zweifel in Verwickelungen mit seinen Unterthanen gestürzt haben würde, deren Folgen wir nicht zu übersehen vermögen. Auf der andern Seite verfehlte der Bischof nicht, den Fürsten mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur unbedingten Erfüllung des Vertrages und zur rücksichtslosen Vollstreckung seiner darauf bezüglichen Aufträge zu zwingen. So drangen seine Klagen und Beschwerden nicht nur bis zum Throne des Kaisers, Wilhelm von Holland, sondern selbst bis zum heiligen Vater, Alexander IV. 1 ), nach Rom, und an beiden Orten gelang es ihm, wiederholte Mandate bei Strafe der Reichsacht und des päpstlichen Bannstrahls gegen den Pribislav zu erwirken, ja nach Kirchberg säumte er nicht, das Land wirklich kraft seiner bischöflichen Gewalt mit dem Banne zu belegen 2 ). Daß hiebei der Wunsch, sich wegen der früher erlittenen Demüthigung zu rächen, mitgewirkt habe, darf man wohl ohne Ungerechtigkeit annehmen, und wirklich schreiben auch Kirchberg und Kranz, welche aber freilich diesen Zehntenstreit überhaupt nicht kennen, das ganze Verfahren ohne weiteres seiner Rachsucht zu. Wenn aber umgekehrt Latomus, Chemnitz u. A. den Pribislav beschuldigen; daß er aus Haß gegen den Bischof und im Siegesübermuth allen Zehnten aus den Ländern Parchim und Plau einbehalten, ja sogar seinen Vasallen verboten habe, denselben zu entrichten, so ist das augenscheinlich eigene Erfindung, da sich aus den gleich zu besprechenden Urkunden vielmehr mit voller Sicherheit ergiebt, daß der Fürst nur die aufgetragene Execution gegen seine Vasallen in Folge der von diesen vorgeschützten Einreden verweigerte und daß die Klage Rudolphs in der Hauptsache nur hierauf gerichtet war, während die von dem Fürsten für sich selbst in Anspruch genommenen Zehnten offenbar nur als Nebensache erscheinen.

So energische Maaßregeln verfehlten übrigens ihre Wirkung nicht und führten schon am 3. März 1255 zu Dobbertin zum Abschlusse eines vorläufigen Vergleiches, in welcher Rudolph das Recht des Pribislav rücksichtlich der Zehnten aus den (vor 1230 erbauten) Städten Parchim und Plau, so wie aus den Dörfern


1) Konrad und Innocenz waren beide 1254 gestorben.
2) Doch um dy schatzunge ted syn hant zu banne hart daz gantze lant, d. h. wegen des erpreßten Lösegeldes, welcher Grund freilich irrig ist.
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Stieten und Telecow (Zölkow?) anerkannte, so jedoch, daß der Fürst dieselben als Lehn aus der Hand des Bischofs empfing, während alle übrigen Streitpuncte, wahrscheinlich unter einstweiliger Aufhebung des Bannes, zum schiedsrichterlichen Spruche verstellt wurden 1 ). Die näheren Bedingungen sind uns freilich unbekannt, da die betreffende Urkunde leider verloren gegangen ist, aber die folgenden Ereignisse, und namentlich der spätere Vergleich vom April desselben Jahres, lassen keine andere Erklärung dieses ersten Abkommens zu. Nur zwei Tage später (am 5ten März) finden wir nämlich zu Doberan eine glänzende Versammlung von Prälaten, Fürsten und Rittern, an welcher, außer dem Bischofe und unserem Pribislav, namentlich alle Beamten des Domcapitels zu Schwerin: der Propst Werner, der Dekan Eyward, der Scholasticus Nikolaus, der Custos Johannes und der Cantor Theodorich Theil nehmen, ferner die Aebte Heinrich von Dargun und Alexander von Neuen=Kamp, Johannes, Scholasticus des Domcapitels zu Lübeck, Arnold, Kloster=Prior daselbst, und Johannes, Pfarrherr der Peters=Kirche zu Rostock, sodann die Fürsten des Landes, Johann von Meklenburg, Nicolaus von Werle, Borwin von Rostock und der Graf Gunzel von Schwerin, endlich 11 der angesehensten Ritter und "viele andere Priester und Laien", unter welchen sich wahrscheinlich als Gast auch der später hervortretende Fürst Jaromar von Rügen befand. Der Zweck dieser Versammlung war nach der Urkunde, welcher wir die Nachricht darüber verdanken 2 ), die Bestätigung der Privilegien des Klosters, vor Allem der demselben von den Landesherren und andern Laien verliehenen Zehnten, welche also auch hier streitig gewesen sein werden; aber schwerlich war dies allein ein genügender Grund zur Berufung so zahlreicher und angesehener Herren, vielmehr ist anzunehmen, daß man sich überhaupt die endliche Ausgleichung dieser ganzen, Kirche und Staat zerrüttenden Streitfrage zur Aufgabe gestellt hatte und daß also namentlich auch der Streit mit Pribislav hier zur Entscheidung gekommen sein wird. Der Spruch der Schiedsrichter aber fiel nicht unbedingt gegen Pribislav aus, sondern enthält eine durchaus angemessene und gerechte Vermittelung der gegenseitigen Ansprüche, obgleich der Fürst, wohl nicht ohne Besorgniß vor der Erneuerung des Bannes, sich eine ziemlich demüthigende, augenscheinlich von dem Bischofe vorgeschriebene Form der im April desselben Jahres darüber ausgefertigten schließlichen Vergleichsacte gefallen lassen mußte.


1) Urk. Anh. Nr. VI., nach Clandrians Regesten.
2) Diplom. Dober. I. Nr. XXX, in de Westph. M. J. III. p. 1497.
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Aus diesem merkwürdigen Documente 1 ) ersehen wir nämlich daß Pribislav zuvörderst mit 5 Rittern, einem Ausschusse der in seinem Lande angesessenen Vasallen (ohne Zweifel den gewöhnlichen Räthen des Fürsten), zusammen getreten war und sich mit ihnen, natürlich unter Zustimmung des Bischofs, über gewisse Rechtsgrundsätze vereinigt hatte, welche bei der Untersuchung über die Ansprüche derjenigen Ritter und sonstiger Unterthanen, die eine Befreiung von der Zehntpflichtigkeit oder eine specielle Belehnung mit dem Zehnten behaupteten, als Basis dienen sollten. Sodann mußte der Fürst nebst jenen Rittern in Gemäßheit des wider ihn und sein Land gefällten Spruches (pro sententiis latis in nos et terram nostram) eidlich geloben, den Aufträgen des Bischofs zur Beitreibung der rückständigen Zehnten Folge zu leisten und gegen diejenigen, welche innerhalb Jahres und Tages jene Ansprüche nicht erwiesen haben würden, sich aber gleichwohl der Zahlung widersetzten, mit der Execution zu verfahren (decimas invadiare), wobei ihn diejenigen Ritter u. s. w. unterstützen sollten, welche sich im Besitze solcher Güter befänden, von denen dem Fürsten (durch den Vertrag von 1230) der ganze Zehnte, also auch die der Kirche im Allgemeinen reservirte Hälfte eingeräumt war. Für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung hatten die Inhaber der gedachten Güter gleichfalls eidlich angelobt, jene Hälfte des Zehnten daraus unmittelbar aus der Hand des Bischofs zu Lehn zu empfangen, unter der Verwillkührung, daß wenn sie auch hierin säumig wären, solcher Zehnte nach Ablauf von Jahr und Tag frei an die Kirche zuruckfalle, und sollten in diesem Falle überdies dem Papste und seinem Legaten, dem Könige und dem Bischofe alle (aus den anhängigen Processen entspringenden) Rechte nach Maaßgabe der Sachlage zur Zeit dieses Vergleiches reservirt bleiben. Die hierüber ausgestellte Urkunde sollte endlich von den sämmtlichen Brüdern des Pribislav, dem Grafen Gunzel von Schwerin und dem Fürsten Jaromar von Rügen mit untersiegelt werden, zum Beweise, daß sie zum Beistande des Bischofes gegen den Pribislav selbst, die Inhaber der fraglichen Zehnten und überhaupt jeden Vertragsbrüchigen bereit seien; für den Fall jedoch, daß einige von diesen ihr Siegel verweigern sollten, wollte der Bischof mit dem des Grafen und des Pribislav selbst zufrieden sein. Wirklich scheinen denn auch die drei Brüder Bedenken getragen zu haben, die Gewährleistung dieses


1) Urk. Anh. Nr. VII., eine auscultirte, aber sichtlich an mehreren Stellen incorrecte Abschrift der an sich schon ziemlich verworren abgefaßten Urkunde. In der Hauptsache kann indeß über den Sinn des Vertrages kein Zweifel sein. Vergl. auch unten S. 70, die Urk v. Novbr. 1256.
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Vertrages, die allerdings leicht zu brüderlichen Irrungen führen konnte, zu übernehmen, denn Clandrian bezeugt in seinen Regesten der Stiftsurkunden, daß das Original nur zwei Siegel gehabt habe, nämlich das des Fürsten Jaromar und ein anderes schon damals verlornes, vielleicht das gräflich schwerinsche.

Diese wichtige Urkunde, aus welcher wir den Gegenstand des Streites vollständig kennen lernen, beweist denn zugleich, daß der Fürst auch in dieser für ihn sicher höchst drückenden und selbst bedenklichen Lage die Rechte seiner Unterthanen, deren Vertretung er übernommen hatte, mit Nachdruck zu wahren wußte. Ueber den Fortgang der hiernach vorbehaltenen Verhandlungen mit den einzelnen Inhabern der Güter, deren Zehntpflichtigkeit die Veranlassung des Streites gegeben hatte, wissen wir zwar nichts Bestimmtes, doch ist kaum zu bezweifeln, daß der Vertrag, welchen die Stadt Parchim am 5ten April des folgenden Jahres 1256 mit dem Bischofe und dem Capitel zu Schwerin über den Zehnten aus den Stadtdörfern Bicher und Wozlabin abschloß, hierauf Bezug hatte. Die Stadt verstand sich nämlich dazu, statt dieser Zehnten eine jährliche, feste Abgabe von 4 Wispel Roggen und eben so viel Hafer zu übernehmen, wovon dem Bischofe 2/3 und den Domherren 1/3 zugesichert ward, eine Abgabe, welche nach der Bemerkung auf der Rückseite der betreffenden Urkunde später zu Gelde gesetzt und mit 16 Mark jährlich vom Rathhause an das Capitel bezahlt ward 1 ).

Kaum war von dieser Seite der Friede wenigstens scheinbar hergestellt, als der unglückliche Fürst, der nun einmal nicht zum ruhigen Genusse der Regierung gelangen sollte, schon wieder in eine andere Irrung mit der Geistlichkeit, nämlich mit dem Kloster zu Cismar, verwickelt ward, deren Ursprung und Verlauf sich aus Mangel an genauern Nachrichten noch weniger übersehen läßt. Am 10. Jul. 1255 übertrug nämlich der Papst Alexander dem Abte des Marien=Kosters zu Stade, Theodorich (dem Nachfolger des als Chronisten bekannten Albert), die Untersuchung und Entscheidung der Streitigkeiten, welche zwischen dem Fürsten Pribislav von Parchim, den Gebrüdern Everhard, Eckhard und Ludolph von Rensevelde und andern weltlichen Personen, einer Seits, und dem Abte und Convente des Johannisklosters zu Lübeck, anderer Seits, entstanden waren, indem die letztern sich über die Vorenthaltung gewisser, nicht näher


1) Cleemann, P. Chron. S. 111. Der Abdruck der Urkunde hat jedoch mehrere Fehler, namentlich Z. 10. capitulo st. episcopo. Das eine noch vorhandene Siegel ist das des Bischofs. Von dem Siegel des Capitels sind nur noch die rothen seidenen Fäden übrig.
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bezeichneten Grundstücke und Hebungen beschwert hatten 1 ). Es ist nun zwar völlig unbekannt, daß das gedachte Kloster jemals Besitzungen in der Herrschaft Parchim gehabt habe, aber aus der Bezeichnung desselben, als des Johannisklosters zu Lübeck, geht wenigstens so viel hervor, daß seine Ansprüche aus der Zeit vor 1240 stammen mußten; denn am 2. Jan. d. J. ward das dortige Mönchskloster aufgehoben und in ein Nonnenkloster verwandelt, die Mönche aber nach Cismar in Holstein übergesiedelt, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalte ihrer bisherigen Einkünfte aus Holstein und dem Wendenlande 2 ). Wenn also hier im Jahre 1255 von Besitzungen und Rechten des Abtes und Conventes des Klosters zu Lübeck die Rede ist, so können diese eben nur zu den damals reservirten und auf das Kloster zu Cismar übertragenen Einkünften gehören, und dieser Umstand, so wie die Wahl des päpstlichen Legaten scheinen auf die Vermuthung zu führen, daß die jetzt zur Entscheidung verstellte Irrung noch mit der Errichtung des Nonnenklosters zu Dobbertin in irgend einer Weise zusammenhing. Hier bestand nämlich, wie oben erwähnt, schon in früher Zeit ein Benedictiner=Mönchskloster, welches namentlich mit den Dörfern Dobbertin selbst, Dobbin, Jellen und Lohmen, so wie mit den Seen zu Garden und Lanken und gewissen Kornhebungen aus Golz (Goldberg) dotirt war, aber durch Borwin I. und seine Söhne, also zwischen 1219 und 1226, mit Genehmigung des Bischofs Brunward, wie dieser in einer Urkunde vom 27. Octbr. 1238 bezeugt, aufgehoben unb eben so, wie das zu Lübeck, in ein Nonnenkloster desselben Ordens verwandelt ward. Die entsetzten Mönche fanden hierauf in dem Marienkloster zu Stade ihr Unterkommen, gaben aber ihre Ansprüche auf das Vermögen des dobbertiner Klosters keinesweges auf, vielmehr erscheint ihr Propst noch im December 1227 öffentlich unter diesem Titel, und erst am 24. Octbr. 1243 ließ sich der Abt und der Convent des Klosters zu Stade bewegen, gegen eine Entschädigung von 60 Mark auf seine Rechte zu Gunsten der Nonnen zu verzichten, womit aber die Annahme nicht unvereinbar erscheint, daß die vertriebenen Mönche schon früher über einen Theil jener Güter anderweitig, etwa zu Gunsten des näher belegenen Klosters zu Lübeck, verfügt haben könnten. Anderer Seits bekennt auch der Fürst Johann von Meklenburg in einer Urkunde vom 9. Jul. 1231, daß die frommen Schwestern wegen gewisser Hindernisse, welche unbedenklich mit dem noch unerledigten Widerspruche der Mönche zusammenhin=


1) Urk Anh. Nr. VIII.
2) Lisch Hahnsche Urk. I., Nr. XII.
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gen, nicht zu dem vollen Genusse der dem Kloster von seinem Großvater verliehenen Einkünfte gelangt seien, weshalb er sich zur Beruhigung seines Gewissens bewogen fand, dieselben durch Verleihung des Patronats über die Kirche zu Golz und aller dazu gehörigen Rechte und Nutzungen zu entschädigen 1 ). In Folge dessen nun mochte er oder sein Nachfolger Pribislav sich später berechtigt gehalten haben, jene frühern Klosterhebungen einzuziehen und an die obgedachten Gebrüder von Renseveld und Genossen zu verleihen, wogegen das Kloster zu Cismar, als Cessionar der frühern Mönche, protestirte. Ich gebe indeß diese vielleicht allzugewagte Vermuthung nur als einen Wink zur Verfolgung weiterer Spuren, welche sich etwa künftig finden möchten. Die Entscheidung des Legaten ist übrigens unbekannt.

Unterdessen war unser Pribislav, dieses neuen Zwischenfalles ungeachtet, ernstlich bemühet, den Frieden mit der Kirche durch neue, nicht unerhebliche Schenkungen an die Geistlichkeit zu befestigen. So verlieh er namentlich im Jahre 1256 zu Sternberg seinem bisherigen Kaplan Jordan die Pfarre zu Wahmkow mit dem Filiale zu Hohen=Pritz und dotirte dieselbe mit zwei Hufen Landes in dem letztgenannten Orte, so wie mit 1/2 Maaß Roggen von jeder der übrigen Hufen daselbst, in Niendorf, Buchholz, Turloff und Stampen, der niedern Gerichtsbarkeit in den genannten Dörfern, der freien Fischerei auf dem Pritzer See und einem Huhn, oder statt dessen zwei Denaren, von jedem Kossaten 2 ). - Nach einer andern Urkunde aber, welche nach der vorhandenen Copie eines spätern Transsumtes zwar schon vom 25. Jun. 1234, aber sicher falsch datirt und nach allen Umständen als mit der obigen gleichzeitig anzunehmen ist, verzichtete er auf alle Rechte, welche ihm an 4 Hufen Landes der Kirche zu Raden zugestanden hatten, indem er sich nichts, als die hohe Gerichtsbarkeit vorbehielt, so jedoch, daß die Kirche auch davon den dritten Theil der Brüche genießen sollte 3 ).- Aber mitten unter diesen frommen Werken des Friedens ward unser Fürst plötzlich das Opfer der Rachsucht seines unversöhnlichen Gegners. Im vollen Vertrauen auf die bestehenden Verträge und durch das scheinbar friedfertige Benehmen des lauernden Priesters sicher gemacht, hatte er sich unvorsichtig mit einem unbedeutenden Gefolge in die Nähe der Grenzen des Stiftsgebietes gewagt, wo er in Folge eines schändlichen Verrathes durch eben den Ritter Wedekind von Walsleben, welcher einst die


1) Vgl. über alle diese Vorgänge Rudloff Urk Lief. Nr. VI. und VIII. mit den Noten.
2) Urk. Anh. Nr. IX.
3) Urk. Anh. Nr. X. mit den Bemerkungen unter dem Texte.
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junge Gemahlin des Pribislav in die neue Heimath begleitet haben soll und den wir oben als seinen Vasallen auf dem Gute Zarchlin kennen gelernt haben, wehrlos und unvorbereiet ergriffen und in Fesseln dem Bischofe ausgeliefert ward. Alle ältern Schriftsteller, namentlich Kirchberg, Krantz, Hederich, ja selbst Latomus, wissen nichts zur Rechtfertigung dieses unerhörten Friedensbruches anzuführen, sondern beschränken sich entweder auf die einfache Erzählung der Thatsache, oder beschuldigen Rudolph geradezu der Verstellung und des Verrathes und erklären dieses Verfahren einzig und allein durch das Verlangen, sich wegen der früheren Demüthigung zu rächen. Erst Chemnitz wirft dem Pribislav vor, daß er den letzten Vertrag gehalten, "wie der Hund die Fasten," indem er nicht nur aufs neue die Herausgabe der Zehnten verweigert, sondern dem Bischofe auch "allerlei Schimpf und Widerwillen gemacht" habe. Dabei erhebt er den Ritter von Walsleben zugleich zu der Würde eines Stiftshauptmannes und läßt ihn im speciellen Auftrage seines Herrn handeln. Die Verhältnisse dieser Zeit widersprechen aber durchaus allen diesen Beschuldigungen und machen es mehr als wahrscheinlich, daß der unglückliche Fürst grade bei Gelegenheit der oben berichteten Stiftungen zum Besten der Kirche, die ihn unmittelbar an die Grenze des Stiftsgebietes führten, in seinem eigenen Lande und von seinem eigenen Vasallen aufgehoben und der Rache des zum Voraus einverstandenen Gegners preisgegeben ward.

Dieser versäumte denn auch nicht, aus dieser glücklichen Wendung der Sache den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Zwar nahmen sich nicht nur die Fürsten von Meklenburg und Werle, sondern auch der Graf von Schwerin des Gefangenen an, und ihren Bemühungen gelang es auch am 28. Novbr., seine Fesseln zu lösen; aber nur mit dem Verluste seiner Herrschaft konnte der Fürst seine Freiheit erkaufen. Die auf uns gekommene Urkunde, welche dieses Ereignisses gedenkt, beschäftigt sich zwar eigentlich nur mit der künftigen Stellung des Bischofs zu den vermittelnden Fürsten und setzt einen voraufgegangenen, aber verlornen Separatvertrag mit dem Pribislav selbst, über dessen Schicksal wir direct nichts erfahren, voraus, indessen können wir den Inhalt dieses Hauptvertrages aus den einzelnen Bestimmungen jenes erstgedachten und aus den spätern Ereignissen mit ziemlicher Sicherheit errathen. Zunächst nämlich mußten die genannten Vermittler nebst ihren Söhnen die Urfehde schwören, d. h. eidlich geloben, den Bischof und seine Kirche, so wie den Ritter von Walsleben, dessen Erben und Diener und alle, welche bei der Gefangennahme des Pribislav mit Rath und That behülflich gewesen waren, gegen Jedermann, welcher dieselben wegen

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dieser Handlung angreifen, oder auf irgend eine Weise belästigen würde, auf ihre Kosten zu schützen, selbst dann, wenn sie selbst aus andern Gründen mit dem Bischof oder der Kirche zerfallen sollten. Ferner gelobten sie, in Gemäßheit des früher 1255 mit dem Pribislav aufgerichteten Vergleiches, jährlich auf Anruf des Bischofs zur Eintreibung des Zehnten aus den Ländern Parchim und Plau die nöthigen Executionen zu vollstrecken. Endlich aber verpflichteten sie sich mit Genehmigung des Pribislav, dem Bischofe als Entschädigung für die demselben zugefügten Schäden, ohne Zweifel in der frühern Fehde wegen des Festungsbaues, und durch die Erpressung des Lösegeldes, innerhalb zweier Monate nach dem bevorstehenden Weihnachtsfeste die Summe von 400 Mark zu erlegen und zur Sicherheit dafür dem Bischofe das zum Lande Sternberg gehörige Gebiet jenseit der Mildenitz und des radenschen Sees bis an die Grenze des Landes Bützow pfandweise einzuräumen. Für die treue Erfüllung dieses Vertrages leisteten auf Seiten des Bischofs nicht nur die Burgleute von Bützow den Fürsten Gewähr, sondern es sollte auch der Nachfolger Rudolphs bei seiner Wahl speciell darauf verpflichtet werden, wogegen auf Seiten der Fürsten außer deren Söhnen noch je drei Ritter als Mitgelober auftreten 1 ).

Diese Bestimmungen sind mit der Fortsetzung der selbstständigen Regierung des Pribislav unvereinbar; vielmehr mußte derselbe ohne Zweifel geloben, wenigstens einstweilen, etwa bis zum Tode seines Gegners, das Land zu räumen und inzwischen durch die vermittelnden Fürsten administriren zu lassen, wie namentlich aus der Verpflichtung der Letzteren zur unmittelbaren Eintreibung der Zehnten in dem Gebiete des Pribislav klar hervorgeht. Wirklich verschwindet dieser denn auch mehrere Jahre gänzlich aus der Geschichte, und erst 1261 finden wir ihn im Auslande wieder, während die drei vermittelnden Fürsten nicht säumten, gemeinschaftlich Besitz von seinem Lande zu ergreifen. Für dieses Letztere liegt der directe urkundliche Beweis in einer parchimschen Privilegien=Bestätigung vor, welche zwar undatirt ist, aber nur in diese Zeit gesetzt werden kann, und durch welche die Fürsten Johann von Meklenburg und Nicolaus von Werle und der Graf Gunzel von Schwerin den Bürgern der Stadt nicht nur das Recht zur Erhebung von Zöllen, namentlich bei der Ausfuhr von Holz und Korn, in dem Umfange erneuern, wie sie solches seit der Zeit des Fürsten Johann besessen hätten, sondern sie auch in dem ganzen Umfange ihres Gebietes von allen


1) Lisch Maltz. Urk I. Nr. VIII, wo aber das Datum irrig auf 1255 Decbr, 29. statt 1256 Novbr. 28, reducirt ist.
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Zöllen und sonstigen ungerechten Abgaben, welche im gemeinen Leben Ungeld genannt wurden, befreien und ihnen dieselben Rechte verleihen, deren ihre übrigen Unterthanen (ceteri homines nostri) genossen. Zugleich wurden die früheren Zollgerechtigkeiten der Unterthanen der Grafen Bernhard (1230 - 64) und Adolph (1248 - 69) von Danneberg sowohl rücksichtlich der Einfuhr, als der Ausfuhr aus der Stadt bestätigt, dagegen aber auch von Seiten des Grafen von Schwerin die Hälfte des in Lauenburg zu erlegenden Ungeldes zu Gunsten der parchimschen Bürger erlassen und ihnen der freie Eingang in Herneburg gewährt, wie er ihnen von Anfang an zugestanden, überhaupt aber der Genuß aller Rechte bestätigt, deren sie sich zur Zeit der Regierung des Fürsten Johann erfreuet hatten 1 ). - Aehnliche Privilegien=Bestätigungen werden denn auch den übrigen Städten verliehen sein, wenn gleich die Urkunden nicht auf uns gekommen sind; aber schon aus dem Obigen erhellt zur Genüge, daß unsere Historiker in Irrthum befangen sind, wenn sie die Zerstückelung der Herrschaft Parchim als eine unmittelbare Folge der Gefangenschaft des Pribislav und als einen Act seiner freien Entschließung betrachten, indem er aus Ueberdruß an der Regierung und um sich die Mittel zu seiner Auslösung zu verschaffen, das Land theils verkauft, theils verpfändet und sich als Privatmann zu seinem oder seines Sohnes Schwiegervater nach Pommern zurückgezogen hätte 2 ). Allerdings ist es auffallend, daß in der erwähnten Privilegien=Bestätigung des bisherigen Landesherrn mit keinem Worte gedacht wird, indem man vielmehr die Regierung desselben mit augenscheinlichem Vorbedacht völlig übersprang und auf die frühere Zeit der Landesverwaltung des Fürsten Johann zurückwies, während man in dem Vertrage mit dem Bischofe doch noch für nöthig gehalten hatte, wenigstens zu der Verpfändung des Gebietes an der Mildenitz den Consens des Pribislav einzuholen. Auch scheint man es in der That bald genug bequemer gefunden zu haben, die gemeinschaftliche Administration aufzuheben und das seines Herrn beraubte Land wie ein angefallenes Erbe aus eigener Machtvollkommenheit zu theilen, so daß Parchim der Grafschaft Schwerin, Sternberg der Herrschaft Meklenburg, Goldberg und Plau mit der Ture endlich der Herrschaft Werle einverleibt ward; aber daß dieses nicht mit Pribislavs Einwilligung geschah, darüber


1) Cleemann, P. Chr. S. 101 flgd.
2) Vgl. Rudloff M. Gesch. II. S. 44, u. v. Lützow II. (S. 15 -16, nach Chemnitz vita Prib. Die Aelteren, namentlich Kirchberg und Krantz, sprechen allerdings gleichfalls vom Verkauf der einzelnen Landschaften durch Pribislav, aber aus späterer Zeit.
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liegen uns urkundliche Beweise vor, die wir sogleich kennen lernen werden.

Uebrigens ward der mehrerwähnte verpfändete Landstrich jenseit der Mildenitz später wieder eingelöst, wie sich aus dem Vertrage des Bischofs mit den Fürsten Johann und Nicolaus vom 18. Jun. 1261 (oder nach Chemnitz 3. Jun. 1257) ergiebt, durch welchen die Grenzen der Herrschaft Parchim und des Landes Bützow zwischen den Dörfern Klein=Raden und Warnow, Poppelsdorf und Rosenow, Lübzin und Boitin, auffallender Weise ohne Theilnahme des Grafen von Schwerin, regulirt wurden 1 ). So hatte denn Rudolph durch seinen unehrenvollen Gewaltstreich zwar seinen Gegner vernichtet, aber für die Ausbreitung der eignen Macht nichts gewonnen; denn auch die Geltendmachung seiner früheren Ansprüche aus dem angeblichen kaiserlichen Privilegium, die er bei dieser günstigen Gelegenheit nicht unversucht gelassen haben wird, gelang ihm nicht, was für die Beurtheilung der Handlungsweise des Pribislav in jener ersten Fehde wegen des bützower Festungsbaues nicht unwichtig ist. Der Vertrag von 1256 übergeht diesen Punkt mit. Stillschweigen, aber noch 1263 hatte der Bischof Hermann I. mit den drei verbündeten Brüdern des Pribislav eine ganz ähnliche Fehde zu bestehen, in welcher die Fürsten die Stadt Bützow selbst besetzten und nur unter der Bedingung herausgaben, daß der Bischof zum voraus auf alle Zehnten in ihren Ländern verzichte, wenn er oder die Seinigen sich jemals von dieser Stadt aus einen feindlichen Einfall erlauben sollten. Dagegen gestatteten sie ihm denn, entweder die neue, von Rudolph angefangene Burg innerhalb zweier Jahre zu vollenden, zugleich aber die Befestigungen der Stadt selbst aufzuheben, ober nach Ablauf dieser Zeit die für die neue Burg bestimmten Erdwälle abzutragen und den Platz zu ebenen 2 ).

Unterdessen hatte sich Pribislav nicht, wie behauptet ist, nach Hinterpommern begeben, um in stiller Abgeschiedenheit des Privatlebens sein Schicksal zu beweinen oder seine Sünden zu bereuen, sondern an den kriegerischen Hof der Markgrafen von Brandenburg, wo wir ihn mit dem Plane beschäftigt finden, seine verlorene Herrschaft nöthigenfalls mit bewaffneter Hand wieder zu erobern. Vielleicht war seine erste pommersche Gemahlin schon früher gestorben und hatte seine Verbannung nicht mehr getheilt; wenigstens tritt jetzt der oben genannte Herr Richard von Vrysach urkundlich als sein Schwiegervater auf. Unter seiner Vermittelung schloß nämlich Pribislav am 3. Septbr. 1261


1) Urk. Anh. Nr. XII.
2) Lisch Maltz Urk. I. Nr. IX.
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zu Sandow, mit Wissen und Genehmigung seiner Erben, ein Bündniß mit dem Markgrafen Johann von Brandenburg, wodurch dieser sich verpflichtete, ihm zur Erreichung jenes Zweckes nach bestem Vermögen behülflich zu sein. Dagegen wies Pribislav den Markgrafen zur Entschädigung für die hierauf zu verwendenden Mühen und Kosten vorläufig auf die Stadt und Burg Parchim mit allem Zubehör an, so wie sich dieselbe seit einiger Zeit in dem Besitze des Grafen Gunzel von Schwerin befinde, und versprach, sich für die Anerkennung dieser Uebertragung, so weit er jenes Gebiet von den Herzogen zu Sachsen zu Lehn trage, d. h. nördlich von der Elde, bei diesem seinem Lehnherrn zu verwenden. Zugleich aber ward von beiden Seiten beliebt, daß nach Erreichung des vorgesetzten Zieles jeder Theil drei Schiedsrichter ernennen solle, welche unter dem Vorsitze des Bischofs von Havelberg oder eines anderen Prälaten, als Obmannes, mit Berücksichtigung sowohl der jetzigen bedrängten Lage unsers Fürsten, als der von dem Markgrafen in seiner Angelegenheit aufgewendeten Mühen und Kosten, die dem letzteren gebührende Entschädigung in Gottes Namen bestimmen sollten, indem beide Theile für sich und ihre Erben gelobten, sich dem Ausspruche dieses Schiedsgerichtes zu unterwerfen, möge nun dadurch die obgedachte vorläufige Abfindung erhöhet oder gemindert werden 1 ).

Dieser mit großer Umsicht und Rückhaltung abgeschlossene Vertrag, welcher von dem Bischofe Heinrich von Havelberg und Herrn Richard von Vrysach mit untersiegelt ward, beweist einerseits, daß unser Fürst nach fünfjähriger Verbannung und trotz seines harten Geschickes noch keineswegs verzagt und muthlos geworden war, und läßt andererseits keinen Zweifel übrig, daß ihm seine Herrschaft wider seinen Willen vorenthalten ward. Gewiß hatte er alle gütlichen Mittel zu ihrer Wiedergewinnung versucht, ehe er sich zu jenem immerhin bedenklichen Bündnisse mit den eroberungslustigen Nachbaren und zu so bedeutenden Opfern entschloß, einem Schritte, welcher übrigens zu einer Zeit geschah, wo der Tod seines hochbejahrten Gegners Rudolph († 19. Decbr. 1262) vielleicht schon als nahe bevorstehend betrachtet werden konnte und damit eine glücklichere Wendung der Angelegenheiten des Pribislav zu hoffen stand. Aber auch diese Hoffnung täuschte ihn. Wir finden keine Spur, daß der Markgraf


1) Gercken, cod. dipl. Brand. III. S. 77, u. Riedel, nov. cod. dipl. Brand. II, 1. Nr. 94. - Mißverstandener Patriotismus hat meklenburgisscher Seits die Ächtheit dieser Urkunde, deren Siegel verloren sind, bezweifeln lassen, wozu jedoch nicht der mindeste Grund vorhanden ist.
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irgend etwas gethan hätte, um die unserem Fürsten gemachten Verheißungen zu erfüllen, wiewohl er sich seiner bei anderer Gelegenheit allerdings mit Erfolg annahm, es sei denn, daß die Zusammenkunft, welche er etwa um diese Zeit zwischen Plau und Pritzwalk auf der Grenze der Ture mit dem Fürsten Nicolaus von Werle hatte, sich auf diese Angelegenheit bezog und daß der unglückliche Verlauf dieses ersten Versuches, der fast mit seiner eigenen Gefangenschaft geendigt hätte, ihn von weiteren Unternehmungen zurückschreckte 1 ).

Nun erst scheint Pribislav sich an den Herzog Barnim von Pommern gewendet zu haben, wo es ihm gelang, in dem alten, hochberühmten Julin an der Mündung der Oder für sich und die Seinigen eine neue Heimath. zu gewinnen, wie wir aus seinem und seines Sohnes nunmehrigem Titel: Herr von Wollin, genannt von Wenden (dominus de Wollin, dictus de Slavia) schließen dürfen. Wie er zu dieser entfernten Besitzung gelangt sei, und in welchen Verhältnissen er daselbst namentlich zu den pommerschen Herzogen und dem Bischofe von Camin gestanden habe, ist gänzlich unbekannt. Die Stadt Wollin, früher der Sitz der pommerschen Bischöfe, war durch mehrmalige feindliche Eroberung und Zerstörung zu einem unbedeutenden Orte herabgesunken und wird nach Verlegung des bischöflichen Sitzes nach Camin von den pommerschen Historikern kaum jemals genannt, gehörte aber anscheinend zu dem besonderen Landestheile des Herzogs Barnim. Sollte daher die oben, freilich ohne sicheren Anhalt ausgesprochene Vermuthung sich bestätigen, daß Pribislav in erster Ehe mit einer Tochter Barnims vermählt gewesen sei, so könnte es nicht auffallen, wenn dieser sich seiner heimatlosen Enkel angenommen und ihnen jene Besitzung angewiesen hätte, die vielleicht zur Mitgift ihrer Mutter bestimmt gewesen war. - Uebrigens hatte Pribislav bald nach dem Sandower Bündnisse die Freude, einen seiner Söhne durch die Vermittelung Brandenburgs mit einer Tochter Mestovins II. von Hinterpommern verlobt und dadurch in eine Lage versetzt zu sehen, welche in dem viel geprüften Manne die Hoffnung wecken mochte, daß es diesem Sohne gelingen werde, hier an der polnischen Grenze das in der Heimath Verlorne wieder zu gewinnen und eine neue Dynastie zu begründen. Diese Aussicht scheint ihn zur Versöhnung gestimmt und zugleich den Wunsch erregt zu haben, seine Verhältnisse im Wendenlande auf irgend eine Weise zu ordnen und so viel als möglich aus den frühern Besitzungen heraus zu ziehen, um alle Kräfte zur Befestigung der neuen


1) Rudloff M. Gesch. II. S. 41; v. Lützow Gesch. II, S. 22.
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Stellung seiner Familie zu sammeln. Zu diesem Zwecke unternahm er daher kurz vor seinem Tode noch einmal eine Reise in die Heimath.

Hier hatte inzwischen seine Hauptstadt Parchim ein noch wechselvolleres Schicksal erfahren, als ihr ehemaliger Herrscher. Nach Aufhebung der gemeinschaftlichen Administration sehen wir Stadt und Land zur Zeit des Sandower Vertrages 1261 in dem ausschließlichen Besitze der Grafen von Schwerin, welche auch ihre Herrschaft noch im Jahre 1264 dadurch bekundeten, daß sie dem Kloster Rühn das Patronat über die Kirche zu Frauenmark im Lande Parchim verliehen, was der Bischof Hermann am 23. October bestätigte 1 ). Aber schon am 23. Novbr. desselben Jahres schloß die Herzogin Helene von Sachsen für sich und ihre Söhne Johann und Albert einen Vertrag mit den Grafen Gunzelin und Helmold, durch welchen sie ihre Tochter mit dem letzteren verlobte und derselben eine Mitgift von 6000 Mark aussetzte, wogegen die Grafen ihr Burg und Stadt Parchim mit dem dazu gehörigen Lande bis zur Mitte des Eldenflusses, welcher das Herzogthum Sachsen von der Markgrafschaft Brandenburg trennte, als Witthum verschrieben 2 ). Die Vollziehung dieses Vertrages scheint zwar durch den bald darauf erfolgten Tod der Braut verhindert zu sein, aber Parchim entging dennoch dem ihm zugedachten Schicksale nicht; am 1. Febr. 1265 ward jener Vertrag in einen reinen Kauf verwandelt und das Land in dem vorbestimmten Umfange gegen die verheißenen und wahrscheinlich schon gezahlten 6000 Mark den genannten Herzogen als Eigenthum überwiesen 3 ). Schon am 5ten desselben Monats bestätigten diese mit ihrer Mutter die Privilegien der Stadt 4 ) und nahmen seitdem mehrere Regentenhandlungen vor, welche beweisen, daß sie sich im wirklichen Besitze des Landes befanden, z. B. die Belehnung des Ritters Gensekin mit dem Dorfe Radun 5 ), die Verleihung von drei Hufen Landes im Dorfe Grabbin an das Heil. Geist=Haus zu Parchim vom 6. Jun. 1265 6 ) und die Schlichtung eines Grenzstreites zwischen den Dörfern Granzin, Stralendorf und Lanken am 23. Jan. 1268 7 ) Bald nach dieser letzten Handlung aber verkauften die Herzoge Stadt und Burg mit aller Zubehör abermals, und


1) Urk. Anh. Nr. XIV.
2) Urk. Anh. Nr. XV.
3) Urk. Anh. Nr. XVI.
4) Cleemann, P. Chr. S. 113.
5) Vgl. oben d. Urk. v. 1264 (Nr. XV.) mit dem Magdeburger Friedensschluß v. 1269 bei Riedel, cod. dipl. Brand. II. 1. Nr. 137.
6) Urk. Anh. Nr. XVII
7) Urk. Anh. Nr. XVIII.
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zwar an die Markgrafen Otto und Albert von Brandenburg, welche am 1. Decbr. durch ihren Marschall Conrad von Stendal förmlich Besitz von der Stadt ergreifen und deren Privilegien bestätigen lassen, wobei sie den Bürgern ausdrücklich ihren obgedachten Besitztitel anzeigen 1 ). Beide Veräußerungen, an Sachsen und Brandenburg, betrafen übrigens nur die Altstadt Parchim mit dem am rechten Ufer der Elde belegenen Gebiete, während die Neustadt mit dem parchimschen Antheile des Landes Brenz fortwährend im Besitze der Grafen von Schwerin blieb. Zwar erhoben die Markgrafen von Brandenburg nunmehr auch Ansprüche auf die Neustadt, gestützt auf ihre Oberlehnsherrlichkeit über das Gebiet südlich von der Elde, vielleicht auch auf den gleichwohl nicht zur Ausführung gekommenen Sandower Vertrag von 1261, worüber es zur offenen Fehde gedieh; durch den magdeburger Friedensschluß von 1269 (Jun. 9.) ward jedoch der Besitz der Grafen anerkannt, wogegen sie für schuldig erkannt wurden, die übliche Lehnpflicht gleich den übrigen Vasallen der Markgrafen zu leisten 2 ).

So standen die Sachen, als Pribislav im Jahre 1270 persönlich nach Schwerin kam und sich sofort am 12. Febr. mit seinem Schwager, dem Grafen Gunzel, und dessen Sohne Helmold völlig ausglich. Mit Rücksicht auf die Liebe und Zuneigung, welche diese seine "geliebten und besondern Freunde" ihm und seinen Kindern oft erwiesen hätten und noch ferner zu erweisen gedächten, verzichtete er feierlich auf alte Ansprüche, welche er bisher wegen seiner ehemaligen Besitzungen erhoben, soweit solche auf die Grafen übergegangen waren und sich annoch in ihrem Besitze befänden, mit andern Worten also auf die Neustadt Parchim, welche nunmehr rechtmäßiges Eigenthum der Grafen ward. Zugleich vertraute der Fürst, wohl im Gefühl seines herannahenden Todes und mit Rücksicht auf die unsichere Stellung seiner Söhne, zugleich seine noch unverheirathete Tochter dem Schutze der Grafen an, welche versprachen, sie in ihre Familie aufzunehmen, bis sie dieselbe mit Einwilligung des Vaters vermählt haben würden 3 ). Die Grafen erfreuten sich dieses Besitzes jedoch nicht lange. Nachdem sie am 28. September 1270 der Marienkirche auf der Neustadt Parchim das Eigenthum von sechs Hufen im Dorfe Bök, welche der Ritter Gerhard von Malin, und ebenso am 12. Julius 1274 von vier Hufen daselbst, welche vier parchimsche Bürger dieser Kirche geschenkt, bestätigt


1) Cleemann, P. Chr. S. 114. Die Urk. hat keine Jahreszahl, kann aber nach dem Voraufgehenden und gleich Folgenden nur in das Jahr 1268 gehören.
2) Rudloff Urk. Lief. u. Riedel a. a. O. II. 1. Nr. 137.
3) Rudloff Urk. Lief. Nr. XXII., Cleemann a. a. O. S. 116.
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hatten, schlossen sie am 18. May 1275 einen Vertrag mit den Markgrafen von Brandenburg, in welchem sie denselben unter anderm versprachen, ihnen in Verfolgung ihrer Ansprüche auf die Neustadt Parchim nicht hinderlich zu sein 1 ). Sie waren also jetzt nicht mehr im Besitze dieser Stadt, welche inzwischen an die Fürsten von Werle übergegangen war.

Gleichzeitig, oder vielleicht etwas später, wird denn auch eine Aussöhnung des Pribislav mit dem Sohne seines am 1. Aug. 1264 verstorbenen ältesten Bruders Johann, Heinrich dem Pilger von Meklenburg, so wie mit dem alten Nicolaus von Werle und dessen Söhnen rücksichtlich seiner übrigen Besitzungen zu Stande gekommen sein. Von diesen scheint Stadt und Land Sternberg noch zur Zeit des erwähnten Grenzvertrages mit dem Bischof Rudolph 1261 (wenn das Datum richtig ist) zwischen den beiden Brüdern gemeinschaftlich gewesen zu sein, doch muß es dann wenigstens bald darauf, noch bei Lebzeiten Johanns, in dessen ausschließlichen Besitz gekommen sein; denn als nach seinem Tode ein Successions=Streit unter seinen Söhnen ausbrach, in Folge dessen Johann IV. und Hermann sich gegen ihren älteren Bruder Heinrich mit den Grafen Gunzel und Helmold verbündeten, versprachen sie diesen, zum Danke für die ihnen zu leistende Hülfe, die Einräumung der Stadt Sternberg mit allen Zubehörungen, in den Grenzen, in denen ihr Vater zur Zeit seines Lebens solche besessen habe 2 ). Schon hieraus dürfen wir mit Sicherheit schließen, daß der Rest der ehemaligen Herrschaft Parchim, nämlich Goldberg, Plau und die Ture schon jetzt an den dritten Geranten des Vertrages mit dem Bischofe Rudolph von 1256 abgetreten sei; auch finden wir wenigstens die Ture zur Zeit der oben angeführten Verhandlung des Nicolaus mit den Markgrafen im Besitze des ersteren, und wenn auch das Jahr dieses merkwürdigen Ereignisses unbekannt ist, so fällt dasselbe doch sicher in die Zeit des rüstigen Mannesalters dieses Fürsten. Ein urkundlicher Beweis für die Erwerbung dieser Länder vor dem Jahre 1272 ist indeß nicht beizubringen. - Jedenfalls aber fehlte es ihm sowohl, als den Herren von Meklenburg rücksichtlich Sternbergs an einem rechtmäßigen Besitztitel, so lange Pribislav nicht auf seine Rechte verzichtete, was ihnen bei dessen Verhältnissen zu Pommern und Brandenburg nicht gleichgültig sein konnte, und deshalb ist die Nachricht des Kirchberg und Krantz, daß Pribislav Parchim, Plau und Goldberg an Johann und Heinrich von Wenden, die Söhne des


1) Urk. Anh. Nr. XX - XXII.
2) Rudloff Urk. Lief. Nr. XIX. Die Urkunde hat kein Datum; Rudloff setzt sie aber aus triftigen Gründen ins Jahr 1266.
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Nicolaus, und etwas später auch Sternberg an Heinrich von Meklenburg verkauft habe, im Wesentlichen sehr wahrscheinlich 1 ). Rücksichtlich Parchims, worunter hier jedenfalls nur die im Besitze Brandenburgs befindliche Altstadt mit dem Gebiete am rechten Eldeufer verstanden werden könnte, ist die Angabe freilich bei der delicaten Stellung Pribislavs zu den Markgrafen bedenklich, man müßte denn annehmen, daß diese zu seinen Gunsten etwa gegen Erstattung des Kaufschillings Verzicht geleistet hätten, und wirklich sehen wir den Nicolaus mit seinen Söhnen bald darauf Besitz von dieser Stadt ergreifen, deren Privilegien er am 30. Jan. 1273 bestätigte 2 ), und wahrscheinlich schon im folgenden Jahre auch die Neustadt wieder damit vereinigte. Um eben diese Zeit ließ sich auch das Kloster Sonnenkamp, welches mehrere Güter in der Herrschaft Parchim besaß, wahrscheinlich in Folge dieser Verträge mit Pribislav, seine Privilegien bestätigen, namentlich am 25. Jan. 1271 durch Heinrich von Meklenburg, welcher dem Kloster erst kurz zuvor zwei Hufen zu Niendorf im Lande Parchim (Sternberg) geschenkt hatte, und am 1 Aug. 1272 durch Nicolaus und seine Söhne Heinrich und Johann von Werle. Eben so bestätigten die letzteren im Jahre 1274 auch die Privilegien der Klöster Dobbertin und Stepnitz. Beide Fürstenhäuser haben sich denn auch seitdem im Wesentlichen in dem Besitze dieser so erworbenen Länder behauptet. Namentlich ist Sternberg, da der oben angeführte Vertrag mit den Grafen von Schwerin keine weiteren Folgen hatte, stets bei Meklenburg, und zwar bei der stargardischen Linie dieses Hauses geblieben, Parchim, Plau und Goldberg dagegen bei dem Fürstethum Werle, obwohl ihm der Besitz von Parchim noch später bestritten sein soll; nur die Ture ward 1307 von Brandenburg erobert und ging 1316, nachdem Werle auf seine Rechte verzichtet hatte, an Meklenburg über.

Nachdem Pribislav auf diese Weise keine Verhältnisse in der Heimath seiner Väter geordnet hatte, wird er bald darauf, noch vor erreichtem sechzigsten Lebensjahre, entweder zu Wollin, oder bei seinem Sohne in Hinterpommern, gestorben sein, wenigstens ist uns kein weiteres Zeugniß seiner Thätigkeit aufbewahrt. Unsere Historiker, von Chemnitz an, setzen seinen Tod sogar einstimmig schon in das Jahr 1262 und schreiben darum die besprochene


1) Aus Kirchbergs gedrängter und unklarer Darstellung hat wahrscheinlich schon Krantz, und nach ihm alle Neueren geschlossen, daß dieser Verkauf unmittelbar nach Pribislavs Gefangenschaft statt gefunden habe. Aber schon die Namen der Käufer widerlegen diese Ansicht.
2) Cleemann a. a. O., S. 118. Wegen der Neustadt vergl. oben die Urkunde vom 18. May 1275 (Nr. XXII.) u. Cleemann a. a. O., S. 119, Urk. v. 1282.
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Urkunde von 1270 seinem gleichnamigen Sohne zu. Wer sich aber mit der Geschichte dieses Fürstenhauses vertraut gemacht hat, kann über den Urheber dieser Urkunde nicht zweifelhaft sein; schon die Hinweisung auf seine früheren Besitzungen im Wendenlande, auf seine Verhältnisse zu den Grafen von Schwerin, so wie die Erwähnung seiner zwar noch unvermählten, aber offenbar schon mannbaren Tochter (filia adhuc maritanda) und mehrerer Söhne (pueri) lassen durchaus nur an den Vater denken, da der Sohn um diese Zeit höchstens 26 - 30 Jahre alt sein konnte. Völlig entscheidend ist aber endlich das Siegel der Urkunde, welches zwar sehr beschädigt, aber doch noch unzweifelhaft als das alte, wohl bekannte und viel verrufene Majestäts=Siegel des ehemaligen Fürsten von Richenberg zu erkennen ist, obgleich der Fürst hier zum ersten und zum letzten Male unter dem neuen Titel als Herr von Wollin auftritt. Wenn es daher in dem bekannten doberaner Necrologium, auf welches Chemnitz sich beruft, wörtlich heißt: "Pribislav v. G. G. Herr zu Richenberg, vierter Sohn des Herrn Heinrich, welcher das Gut Zolchelin schenkte, im Jahre des Herrn 1262, am 1. August," so ist dieses Datum schwerlich auf seinen Tod zu beziehen. Zwar giebt dieses Monument in der Regel nur die Todestage an, aber es wird dieses auch jedesmal durch den Zusatz "starb," "ward begraben" u. dgl. angezeigt; nur zweimal fehlt dieser Zusatz, nämlich in unserm Falle und bei Borwin III, wo das Jahr 1260 angegeben ist. Dieses letztere ist aber entschieden nicht das Todesjahr des Fürsten, kann es auch nicht sein sollen, da gerade in diesem Falle ein Irrthum ganz undenkbar ist. Ich glaube daher das obige Datum nur auf die unmittelbar vorher erwähnte Schenkung des Dorfes Zolchelin beziehen zu können, wenn gleich die erste Erwerbung dieses Dorfes durch das Kloster nach der mitgetheilten Urkunde schon am 14. Februar 1253 statt fand, denn dieses war keine Schenkung, sondern ein Kauf, welcher vielleicht erst 1262, zu einer Zeit, wo Pribislav durch die Hülfe Brandenburgs die Wiedergewinnung seines Landes hoffte und deshalb die Aussöhnung mit der Geistlichkeit dringend wünschen mußte, durch Erlassung des Kaufpreises in eine Schenkung verwandelt. ward. Wirklich wird denn auch in einer anderen, handschriftlich vorhandenen doberaner Genealogie unserer Fürsten einer Urkunde des Pribislav über das mehrerwähnte Dorf gedacht, welche nach dem dort mitgetheilten Inhalte nicht die von 1253 sein kann, und also wahrscheinlich vom 1. August 1262 gewesen sein wird 1 ).


1) Ex isto (privilegio Pribizlai super villam Zolchelin) patet, quod ipse habuit dominium in Plawe, Parchem et Sternberg, was aus der Urk. v. 1253 auf keine Weise zu entnehmen ist. Vgl. oben S. 14.
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Wie es sich aber hiemit auch verhalten mag, gewiß ist, daß unser Fürst seine wechselvolle, an wahrhaft ergreifenden Momenten reiche Laufbahn erst nach dem Jahre 1270 in der Fremde endigte. Er war ohne Zweifel ein Mann von nicht gewöhnlichen Geistesgaben, dessen thätige Regierung für das Vaterland nicht ohne Segen geblieben ist. Wenn gleich dem Mönchswesen seiner Zeit abhold und wohl einer freieren Richtung in religiösen Dingen huldigend, wovon auch die wahrscheinlich schon unter seiner Regierung erfolgte Niederlassung der Juden in Parchim Zeugniß geben mag 1 ), hat er doch durch eine väterliche Fürsorge für das Kirchen= und Schulwesen seine wahrhaft christliche Gesinnung hinreichend bewiesen. Durchdrungen von der hohen Würde seiner Stellung und eifersüchtig auf seine Herrscherrechte, wie schon die Wahl seines Siegels anzudeuten scheint, trat er den Anmaßungen der hohen Geistlichkeit mit Entschiedenheit und Ausdauer entgegen und hat dadurch vielleicht die Gründung eines unabhängigen geistlichen Staates in der Mitte Meklenburgs verhütet. Endlich hat er sich durch die Gründung der Städte Goldberg, Sternberg und der Neustadt Parchim ein dauerndes Denkmal gestiftet, und wenn Kirchberg ihm mit den Worten:

Syn stede hattin ouch sundirn recht,
dy her nach syme houbte machte,
darnach so sin syn betrachte,

eine willkührliche Regierung namentlich gegen seine Städte vorwirft, so fehlt es dafür mindestens an alten Beweisen, man möchte denn in der allerdings auffallenden Fassung der parchimschen Privilegien=Bestätigung durch seine Nachfolger, namentlich aus der Hervorhebung der Rechte der Stadt zur Zeit des Johann, eine Kränkung und Nichtachtung dieser Rechte durch Pribislav folgern wollen. Aber die Worte Kirchbergs zeigen deutlich, daß er den Vorwurf lediglich auf die Eigenthümlichkeit des parchimschen Rechtes gründete, mithin mir ein neues Zeugniß seiner eigenen blinden Partheilichkeit liefert. Uebrigens ausgezeichnet durch Muth und Entschlossenheit, mäßig im Glück und ungebeugt im Unglück, hat unser Fürst sicher in keiner Weise den Haß verdient, mit welcher eine beleidigte Geistlichkeit ihn bis über das Grab hinaus verfolgt und seinen Namen in der Geschichte des Vaterlandes Jahrhunderte hindurch durch beispiellose Verläumdung geschändet hat.


1) Die im Kreuzthor und in der Marienkirche zu Parchim vermauerten Grabsteine reichen bis zum Jahre 1282 zurück, eine Zeit, wo sich sonst noch keine Spur dieses Volkes in Meklenburg findet.
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Pribislav I. hinterließ bei seinem Tode außer der bereits erwähnten Tochter, welche von den späteren Schriftstellern Margaretha genannt wird, zwei Söhne, von denen der eine unsern Historikern völlig unbekannt geblieben ist; seine Existenz wird aber durch eine unten näher zu besprechende Urkunde vom Jahre 1289 außer allem Zweifel gesetzt. Beide Brüder führten den Namen des Vaters, ein Umstand, welcher eine strenge Unterscheidung derselben bei der Kärglichkeit der Nachrichten, die wir überhaupt von ihnen besitzen, unmöglich macht. Vielleicht liegt darin ein Beweis der zweimaligen Vermählung des Vaters, da die Gleichnamigkeit zweier Brüder selbst in fürstlichen Familien zwar nicht ohne Beispiel ist, aber doch immer zu den Seltenheiten gehört und wohl nur durch besondere Veranlassungen zu erklären ist. Uebrigens erwähnt der Vater schon in dem Sandower Vertrage von 1261 der Genehmigung seiner Erben und scheint also schon damals mehrere mündige Söhne gehabt zu haben, da der Consens der Töchter in solchen Fällen durchaus ungewöhnlich ist. Ebenso gedenkt er in dem letzten Vertrage mit den Grafen von Schwerin von 1270 seiner pueri, aus welchem Ausdruck wir schließen dürfen, daß damals beide noch minderjährig waren, was mit der oben angeführten Nachricht über die Zeit der Verheirathung des Vaters, 1244, sehr gut stimmt, wenn wir annehmen, daß die Tochter die Erstgeborene war.

In den ersten Jahren nach dem Tode des Vaters finden wir die Söhne, oder wenigstens einen derselben, annoch am vorpommerschen Hofe mit dem väterlichen Titel als Herr von Wollin, namentlich in einer Urkunde des Herzogs Barnim vom 4ten Juni 1273 1 ), so wie in einer anderen vom Jahre 1276, in welcher derselbe Fürst in Gemeinschaft mit seinem Sohne Bugislav dem Bischofe Hermann von Camin Stadt und Land Colberg käuflich überläßt 2 ). In beiden Urkunden wird nämlich unter


1) Vgl v. Eickstedt Urk. Samml. zur Gesch. des Geschlechtes der v. Eickstedt. I, S. 59.
2) Martinus Rango, origines pomeranicae, p. 165. flgd. Hier ist zwar Subico, domicellus de Wollin, gedruckt. Nach der Abschrift der Caminschen Matrikel ad a. 1276, fol. CXXVI. in der Löperschen Urk. Sammlung, welche sich im Besitze der Gesellschaft für pommersche Geschichte befindet, ist jedoch statt Subico: Pribico zu lesen. Mittheilung des Professors Herrn Dr. Hering zu Stettin.
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den Zeugen neben dem Grafen Otto von Eberstein, einem Verwandten des Bischofs, welcher die Herrschaft Naugard in Pommern besaß, auch der edle Herr Pribico von Wolin genannt, welchen wir nach diesem Titel unbedenklich für den Sohn unsers Pribislav I. nehmen dürfen. Der Name Pribico ist eine nicht ungewöhnliche Verkürzung aus Pribislav, wie Subico aus Subislav, Miesco oder Mizeko aus Mizislav, Suinico aus Suinislav u. s. w. - Seitdem kommt aber dieser Titel in den bisher bekannt gewordenen Urkunden nicht wieder vor, wogegen seit dem Jahre 1280 ein Pribislav oder Pribeco, Herr von Belgard, auftritt, und zwar unter Verhältnissen, welche uns völlige Gewißheit darüber geben, daß er der Sohn unsers Pribislav I von Parchim oder Richenberg sei, wie sich im Folgenden klar ergeben wird. Zweifelhaft kann daher nur sein, ob jener Pribislav von Wollin und dieser gleichnamige Herr von Belgard dieselbe Person ist oder ob wir beide als Brüder zu nehmen haben, jenen etwa als den älteren von der pommerschen Prinzessin, welcher als solcher zunächst in den vorpommerschen Besitzungen seines Vaters (der vermuthlichen Brautgabe der Mutter) succedirte, diesen als den jüngeren oder den Sohn des Fräuleins von Vrysach. Die Verhältnisse des Landes Belgard lassen indeß das letztere vermuthen.

Mestovin II. von Hinterpommern, ein schwacher und höchst wankelmüthiger Fürst, sah sich nämlich schon unterm 1sten April 1269, wahrscheinlich in Folge eines doppelten Krieges mit den Herzogen von Vorpommern und dem deutschen Orden veranlaßt, das Eigenthum seiner gesammten Besitzungen auf die Markgrafen Johann, Otto und Conrad von Brandenburg zu übertragen, wogegen diese sich verpflichteten, dem Herzoge eine näher bestimmte Leibrente zu zahlen, die empfangenen Güter desselben aber seiner Gemahlin und seinen Kindern als Lehn zurück zu geben, jedoch mit Ausnahme der Burg und des dazu gehörigen Landes Belgard, welches ihnen zu ihrem freiesten Gebrauche reservirt blieb. Außerdem aber übernahmen die Markgrafen für die standesgemäße Vermählung einer Tochter des Herzogs zu sorgen, zu welchem Zwecke dieser derselben eine Brautgabe von 1000 Mark Silbers zusicherte, wogegen der Gemahl selbst ihr eine jährliche Hebung von 100 Mark anweisen sollte 1 ).


1) Dreger, cod. dipl. Pomer. Nr. 436; Gercken, cod. dipl. Brandenb. I. p. 208; Riedel, nov. cod. dipl. Brand. II. I. Nr. 136. Alle drei Abdrücke sind nach dem copiarium des Königl. Geh. Archives zu Berlin veranstaltet, weichen aber dennoch in Einzelheiten ab. Die hieher bezüglichen Worte lauten: convenimus in hunc modum, quod filiam nostram (Mestovini) viro matrimonialiter copulaverunt (marchiones), cui mille marcas exami- (  ...  )
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Weder die Tochter, noch der ihr bestimmte Gemahl werden genannt; da indeß unser Pribislav späterhin urkundlich als Schwiegersohn Mestovins aufgeführt wird und zugleich als Herr des Landes Belgard erscheint, so jedoch, daß er zu einer in diesem Lande vorgenommenen Schenkung den Consens seiner Gemahlin Katharina nöthig erachtet, so ist wohl völlig klar, daß der hier besprochene Vertrag auf ihn Bezug hat und daß seiner Gemahlin bei Vollziehung der durch die Markgrafen vermittelten Vermählung anstatt der vom Vater ausgelobten 1000 Mark das für diese Summe etwa wieder eingelöste Land Belgard als Brautgabe erhalten haben wird. Dasselbe bezeugt Kirchberg mit den Worten:

Von Pomeren herczoge Mestuwyn
der gab ym dy tochter syn,
vor synen brutschatz im da wart
eyn veste dy hiez Belegart.

Hieraus scheint aber zugleich zu folgen, daß dieser Pribislav von Belgard, welcher schon 1269, also bei Lebzeiten des Vaters, mit einer Tochter Mestovins von Hinterpommern verlobt war und den wir auch später häufig an dem Hofe der Markgrafen von Brandenburg in nächster Verbindung mit seinen mütterlichen Verwandten, den Herren von Frysach, finden werden, daß dieser ein anderer sei, als jener Pribeco von Wollin, welchen wir 1273 und 1276 an dem Hofe des Herzogs Barnim von Vorpommern fanden.

Was die Lage des mehr erwähnten Landes Belgard betrifft, so haben pommersche Historiker zwar vermuthet, daß hierunter die in den Streitigkeiten mit Polen und dem deutschen Orden oft vorkommende Burg dieses Namens in dem Districte Lauenburg in Pommerellen gemeint sei, weil man gewöhnlich annimmt, daß sich die Herrschaft der Herzoge von Hinterpommern um diese Zeit nicht bis zu der bekannteren cassubischen Stadt Belgard an Persante erstreckt habe 1 ). Wenn es indessen auch sicher sein sollte, daß in älteren Zeiten die Leba die Grenze zwischen beiden Herzogthümern bildete, so ist doch eben so gewiß, daß die Herzoge von Pommerellen ihre Herrschaft schon früh, wahrscheinlich während der häufigen pommersch=dänischen Kriege des zwölften


(  ...  ) nati argenti superaddemus, maritus vero centum marcas eidem nomine dotis assignabit annuo excipiendas vite sue temporibus feliciter et quiete. Hiernach hätte also die Vermählung bereits statt gefunden. Der sonstige Inhalt der Urkunde scheint aber zu der Annahme zu berechtigen, daß der Ausdruck ungenau und zunächst nur beabsichtiget sei, die Markgrafen zu der künftigen standesgemäßen Vermählung der Prinzessin zu verpflichten.
1) Vgl Dreger, I. I. not. c. p. 547, und Barthold, Gesch. v. Pommern III. S. 41. Anm. 2.
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Jahrhunderts, bis über die Wipper und Grabow hinaus nach Westen ausgedehnt haben und sich hier auch ungeachtet der wiederholten Anstrengung der Vorpommern zur Wiedereroberung dieses verlorenen Gebietes zu behaupten wußten, so daß namentlich die Gegend um das Kloster Bukow während der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ununterbrochen in ihrem Besitze blieb. Auch der Kriegszug Wartislavs und des Bischofes Hermann von Camin im Jahre 1259, auf welchem sie bis Stolpe vordrangen, hatte keinen dauernden Erfolg, und erst nach dem Tode Swantopolks (1266) gelang es dem Herzoge Barnim I. wenigstens einen Theil dieser Provinz wieder zu gewinnen 1 ). Diese Eroberung beschränkte sich aber zunächst wohl nur auf den unmittelbaren Küstenstrich zwischen den Flüssen Persante und Grabow und selbst hier gaben die Herzoge von Pommerellen ihre Ansprüche keinesweges verloren, wie sich aus der Bestätigung der Güter des Klosters Bukow durch die Brüder Wartislav und Mestovin von 1268 ergiebt 2 ), und erst im Laufe dieses Jahres scheint Barnim bei fortgesetztem Kriege tiefer in das Innere des Landes vorgedrungen zu sein. Unterm 13ten December nämlich bestätigte er dem gedachten Kloster diejenigen hundert Hufen, welche der Ritter Johann Kule demselben im Lande Belgard in der Gegend von Persanzig bis an die polnische Grenze bei Neustettin gemacht hatte 3 ), eine Schenkung, welche Pribislav im Jahre 1289, mit ausdrücklichem Bezug auf die frühere Verleihung des Johann Kule mit noch zweihundert Hufen vermehrte.

Aus allen diesen Umständen erhellt denn wohl zur Genüge, daß Mestovin eben durch diesen entschiedenen Erfolg der pommerschen Waffen, so wie durch die gleichzeitigen Verwickelungen mit dem deutschen Orden und die inneren Zwistigkeiten mit den eigenen Brüdern gezwungen worden sei, sich den Markgrafen von Brandenburg in die Arme zu werfen. Dann aber darf man nicht zweifeln, daß das in diesem Vertrage an Brandenburg abgetretene Land Belgard wirklich, wie oben vorausgesetzt ist, das cassubische Gebiet dieses Namens an den Ufern der Persante ist, und daß diese Verleihung in unmittelbarem Bezug auf die bedungene Vermählung der Tochter Mestovins stand. Zugleich aber erkennen wir hieraus, daß es zur Zeit mit der wirklichen Besitz=


1) Vgl. die Urkunden bei Lisch, M. U. I. Nr. 35. und 37, und Dreger a. a. O. Nr. 236, 237, 343 und 378 aus dem Zeitraume von 1248 - 65 mit den folgenden von 1266 - 68 bei Dreger Nr. 394, 405, 421, 422 und 423.
2) Dreger a. a. O. Nr. 427.
3) Dreger a. a. O. Nr. 426. Vgl. damit die Urkunde des Bischofes von Camin vom 12ten Juli 1269 Nr. 440), worin derselbe auf alle Entschädigungsansprüche gegen Barnim wegen der erlittenen Kriegsschäden verzichtet, und Barthold a. a. O. II. S. 534 flgd.
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ergreifung der dem künftigen Schwiegersohne bestimmten Brautgabe noch im weiten Felde war; denn noch befand sich dieses Land in den Händen der Feinde und seine Wiedereroberung blieb den neuen Schutzherren überlassen. Diese aber wurden durch das neue Bündniß zunächst in blutige Fehden mit Polen und den preußischen Rittern verwickelt, zerfielen dann mit ihrem wankelmüthigen Schützling selbst, welcher die neuen mächtigen Freunde bald mehr fürchtete, als die alten Feinde, bis er, durch die drohende Verbindung der vorpommerschen Herzoge mit dem Fürsten Witzlav von Rügen geschreckt, aufs neue unter den Schutz der Markgrafen flüchtete. Nun begannen die wichtigen brandenburgisch=pommerschen Kriege, welche mit kurzer Unterbrechung bis zum Jahre 1284 fortdauerten und in welche allmählig fast alle benachbarten Fürsten hineingezogen wurden 1 ).

Bei dieser unentwirrbaren Zerrüttung aller Verhältnisse, in welcher namentlich die Herrschaft über die Grenzprovinzen fortwährend schwankte, läßt es sich nicht mehr ermitteln, um welche Zeit und unter welchen näheren Umständen unser Pribislav in den wirklichen Besitz der ihm bestimmten Gemahlin und der neuen Herrschaft gelangt sein möge. Wir finden ihn zuerst am 15ten April 1280 zu Ukermünde und zwar im Gefolge des Herzogs Bogislav IV., dem Sohne Barnims I., wieder, wo er in einem den Bürgern von Greifenhagen ertheilten Zollprivilegium zum ersten Male als edler Herr von Belgard unter den Zeugen aufgeführt wird 2 ), und zwei Jahre später nahm er unter gleichem Titel und in gleicher Eigenschaft an dem Vergleiche Theil, welcher am 27sten August 1282 zwischen der Stadt Colberg und dem Propste und Capitel der Collegiatkirche daselbst wegen des Heil. Geist=Hauses abgeschlossen ward 3 ). Um diese Zeit war also Belgard noch im Besitze des Bogislav, welcher sich um so weniger geweigert haben mag, die dem Pribislav und seiner Gemahlin von deren Vater und dessen Schutzherren verliehenen Rechte auf dieses Land anzuerkennen, als er mit beiden nahe verwandt war 4 ). Dagegen scheint denn auch Pribislav in dem gerade damals wüthenden Kriege mit Brandenburg, an welchem auch


1) Vgl. Barthold a. a. O. S. 538 flgd.
2) Dipl. msc. im Archive der Stadt Greifenhagen, vgl. Baltische Studien. V. Hft. 2. S. 171.
3) Mittheilung des Herrn Professors Dr. Hering zu Stettin aus der colberger Matrikel S. 128.
4) Bogislav war ein Enkel der Miroslava, Mestovins I. Tochter, und seine Schwester Anastasia war mit Heinrich dem Pilger von Meklenburg, seine beiden Töchter aber mit Nicolaus von Rostock und Heinrich von Werle vermählt. Daß eine ältere Halbschwester desselben die Gemahlin Pribislavs I. in erster Ehe geworden sei, ist oben vermuthet.
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seine meklenburgischen Vettern als pommersche Bundesgenossen Theil nahmen, in Treue zu seinem neuen Lehnsherrn ausgeharrt zu haben, während die meisten der mächtigen Vasallen Bogislavs jenseit der Oder verrätherisch zu Brandenburg hielten. Dieser Krieg ward noch zwei Jahre mit abwechselndem Glücke fortgeführt, und als es dann endlich im Sommer 1284 zum Frieden kam, ward gerade dadurch der Keim zu neuen Verwickelungen in den Verhältnissen unsers Fürsten gelegt, welche nur zu sehr geeignet waren, die ohnehin unsichere Stellung desselben zu gefährden 1 ).

In dem vierradener Friedensschlusse mußte Bogislav sich nämlich verpflichten, den Markgrafen Otto und Konrad innerhalb zweier Jahre eine Kriegsentschädigung von 4000 Mark Silbers zu zahlen und denselben als Unterpfand die Stadt Ukermünde einzuräumen, jedoch unter der Bedingung, daß es ihm freistehen solle, dieselbe durch Uebergabe der Länder Welsenborg, Doberen und Labes, oder statt des letzteren, nach seiner Wahl, des Landes Belgard einzulösen, welche Besitzungen für den Fall, daß die übernommene Zahlung innerhalb des bestimmten Termines nicht erfolgen sollte, zum voraus eigenthümlich an Brandenburg überwiesen wurden. Diese für unsern Fürsten offenbar sehr verfängliche Bestimmung veranlaßte denselben, aufs neue den Schutz seiner alten Gönner, der mächtigen Markgrafen, zu suchen, wehalb er am 29sten October 1285 persönlich in dem brandenburgischen Lager vor Gummern erschien, wo die Markgrafen ihn gegen das Gelöbniß unverbrüchlicher Treue unter die Zahl ihrer Dienstmannen aufnahmen und ihm ihren Schutz und Beistand in seinen eigenen Angelegenheiten zusicherten 2 ).

Fast scheint es, daß die Markgrafen demnächst nach Ablauf jener zwei Jahre wirklich, wenigstens auf einige Zeit, in den Besitz der genannten Länder gelangt seien, da Pribislav am 24sten Juni 1287 nicht nur Doberen und Welsenborg, sondern auch seine ältere Besitzung Belgard, nach dem unter Edlen und Baronen geltenden Rechte, förmlich als brandenburgisches Lehn empfing und zwar zu gesammter Hand mit seinen mütterlichen Anverwandten, den Herren Heinrich und Richard von


1) Wegen der hier erwähnten Bündnisse und Kriege muß ich wieder auf Barthold, III. S. 4 - 30, verweisen. Vgl auch Rudloff Gesch. v. M. II. S. 70, und über den vierradener Riedel, cod. dipl. Brandenb. I. Nr. 230, und baltische Studien II. 1. S. 128.
2) Urk. Anh. Nr. XXIV. Die Worte: (marchiones) nos (Pribislaum) in suam receperunt familiam et ad suum servicium, werden in deutschen Urkunden, wie Gercken mit Bezug auf Ludwig, VII. S. 22 und 52 bemerkt, so ausgedrückt: daß sie uns haben genommen zu Gesinde (Dienstmannen) und in ihren Beschirm.
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Frysach 1 ), wahrscheinlich Vater und Sohn, von welchen der letztere auch in dem vierradener Vertrage unter den brandenburgischen Vasallen genannt wird. Die näheren Bestimmungen dieser Urkunde beweisen übrigens, daß die Markgrafen nicht ohne Mißtrauen gegen die Treue unsers Fürsten waren, indem die genannten Herren von Frysach nebst dem Ritter von Wedelstede und einem gewissen Heinrich, welcher als clericus bezeichnet wird 2 ), noch die besondere Gewähr übernehmen mußten, daß Pribislav sich nicht von seinen neuen Herren lossagen, noch ohne deren Genehmigung gegen irgend jemanden eine Fehde beginnen werde. Ob die hiedurch zugleich ausgesprochene Besorgniß der Markgrafen, durch den Lehnmann in neue Fehden verwickelt zu werden, in besonderen Verhältnissen des letzteren oder nur in seinem unruhigen Geiste ihren Grund hatte, wissen wir nicht. Barthold, welcher den Pribislav überhaupt nur verächtlich den meklenburgischen Abentheurer zu nennen pflegt, schließt hieraus (a. a. O.), daß die Markgrafen ihn als einen Blödsinnigen behandelt hätten, obgleich er ihn bei anderer Gelegenheit als das gefügige Werkzeug der Gewaltplane seiner Schutzherren bezeichnet. Dies sichtbar nur durch Ernst von Kirchberg veranlaßte harte Urtheil rechtfertigt sich aber durch nichts, denn jenes Mißtrauen erklärt sich natürlich genug durch die engen Verbindungen des Pribislav mit beiden pommerschen Höfen, kriegerischer Sinn und etwanige Fehdelust sind aber jedenfalls keine Eigenschaften eines Blödsinnigen, und die Ansprüche unsers Fürsten wenigstens auf Doberen dürften denn doch einen andern Grund haben, als die brandenburgischen Gewaltplane.

Das zuletzt genannte Ländchen stand nämlich schon seit längerer Zeit in näherer Verbindung mit Meklenburg. Am 10. Jun. 1257 schenkte Herzog Barnim von Pommern seinem "lieben Verwandten" und spätern Schwiegersohn, Grafen Gunzel III. von Schwerin, ohne bekannte Veranlassung, jedoch mit Genehmigung des Herzogs Wartislav von Demmin, 4000 Hufen Landes, und zwar nicht lehnweise, sondern als freies Eigenthum, so wie er selbst es besessen habe. Diese Besitzung wird als an der Grenze des Gebietes des Herzogs Wartislav gegen das Land Doberen und Stargard, an dem Flusse Drawe belegen bezeichnet 3 ), Angaben, welche deutlich genug scheinen, um jeden Zweifel auszu=


1) Urk. Anh. Nr. XXV.
2) H. Clericus, vielleicht gleichfalls ein Herr von Frysach, da Richard der jüngere, nach Riedel, Mark Brandenburg I, S. 369, noch einen Bruder Heinrich gehabt haben soll, welcher Geistlicher war. Das Clericus kann aber auch Familienname sein, deutsch Pape.
3) Urk. Anh. Nr. XI.
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schließen. Dennoch haben unsere Historiker sich bisher alle verleiten lassen, diese neue Erwerbung der Grafen an die Grenze der meklenburgischen Herrschaft Stargard zu verlegen, wo man denn auch glücklich ein kleines Vorwerk Dober auffand, jetzt Daber bei Berlinichen, an einem Bache gleiches Namens, welcher 1274 durch die Babitzer Heide hindurch bis zur Vereinigung mit der Dosse (zwischen Goldbeck und Wittstock) die Grenze der bischöflich havelbergischen Besitzungen bildete 1 ). Diesen Mißgriff erkennend, glaubt Riedel jene pommersche Schenkung vielmehr nördlich von Stargard an der Grenze des heutigen Vorpommern suchen zu müssen, wo in den Urkunden des Klosters Broda schon 1170 ein Ort Dobre genannt wird. Allein die Nennung des Flusses Drave, d. h. der heutigen Drage, in unserer Urkunde läßt keinen Zweifel darüber zu, daß die fragliche Besitzung jenseit der Oder lag, wo das Land Doberen in pommerschen Urkunden häufig genannt wird. Dasselbe war nach Südwesten von der Herrschaft Stargard an der Ihna, nach Nordwesten und Norden von den gräflich ebersteinschen und bischöflich caminschen Herrschaften Naugarden und Massow begrenzt und hing nach Osten hin mit den Ländern Labes und Welsenborg zusammen, welche ihrer Seits nur durch den brandenburgischen District Schievelbein von dem Lande Belgard getrennt waren, welches sich weit gegen Süden bis in die Gegend von Neustettin hinunter erstreckte 2 ).

Die Länder Doberen, Welsenborg und Belgard nahmen also zusammen einen bedeutenden Theil von Hinterpommern ein, waren aber um diese Zeit fast gar nicht bevölkert, was die Liberalität, mit welcher die pommerschen Herzoge sich derselben entäußerten, einigermaßen erklärt. Auch die Grafen von Schwerin scheinen wenig Nutzen von der neuen Besitzung gehabt zu haben, und suchten dieselbe gegen näher belegene Güter zu vertauschen. So schlossen sie namentlich bald nach der ersten Erwerbung einen Vertrag mit dem Kloster Dünamünde, wodurch sie demselben gegen Abtretung der Dörfer Siggelkow und Zachow in der Vogtei Marnitz 800 Hufen in Doberen überwiesen, ein Uebereinkommen, welches jedoch in Folge der Grenzstreitigkeiten mit den Grafen von Danneberg, als Herrn von Marnitz, unterm 25. Octbr. 1262 mit beiderseitiger Einwilligung wieder aufgerufen ward 3 ). Nun scheinen die Grafen sich ernstlich bemühet zu haben, Doberen durch Herbeiziehung deutscher Colonisten zu bevölkern, und ohne Zweifel


1) Vergl. z. B. Rudloff, Gesch. v. M. II, S. 120, und wegen des Flusses Daber: Riedel, Mark Brandenb. I, S. 282 u. 457.
2) Vergl. über die Topographie dieser Gegend überhaupt: v. Raumer die Neumark Brandenburg im Jahre 1337. Berlin 1837.
3) Urkunden=Anhang Nr. XIII,vgl. mit Rudloff Urk. Lief. Nr. XVII.
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haben wir sie als die Gründer des Neu=Schwerin zu betrachten, welches in den Urkunden oft als Hauptort eines besondern Districtes im Lande Doberen genannt wird. Noch am 2. August 1276 finden wir sie im vollen Besitze dieses Landes, wie aus dem Vergleiche hervorgeht, welchen die Brüder Helmold und Gunzel unter brandenburgischer Vermittelung zur Beilegung der unter ihnen ausgebrochenen Erbschaftsstreitigkeiten abschlossen. Gunzel IV., der jüngere der Brüder, hatte nämlich bisher dem geistlichen Stande angehört und war deshalb von der Succession ausgeschlossen worden, gab aber jetzt seine Stellung als Domherr zu Schwerin auf und vermählte sich, nach Rudloff's Vermuthung 1 ), mit Pribislav's I. Tochter Margaretha, welche sein Vater Gunzel III., wie wir gesehen haben, 1270 in seine Familie aufgenommen hatte. Wäre diese Vermuthung, welche allerdings auch durch die spätern Ereignisse einige Bestätigung zu erhalten scheint, gegründet, so fiele dadurch zugleich auf den hier besprochenen brüderlichen Auseinandersetzungs=Vertrag ein neues Licht.

Gunzel verzichtete nämlich hiernach auf den gesammten väterlichen Nachlaß, namentlich auch auf die Vortheile, welche ihm in dem Testamente des Vaters zugesichert waren, wogegen der Bruder ihm Neu=Schwerin mit dem Lande Doberen abtrat, jedoch unter der Bedingung, daß er in demselben keine Veräußerungen vornehmen, sondern die Güter an solche Vasallen zu Lehn geben sollte, welche sich daselbst anzusiedeln geneigt seien und ihre Belehnung von beiden Brüdern gemeinschaftlich zu empfangen hätten, auch sich verpflichten sollten, ohne besondern Consens keine Befestigungen oder Burgen anzulegen. Endlich verhieß Helmold seinem Bruder, zu dessen besserer Subsistenz eine jährliche Rente von 150 Mark 2 ). Diese Uebersiedelung eines Zweiges des gräflich schwerinschen Hauses nach Pommern hatte indeß keine dauernden Folgen, da Gunzel schon nach wenigen Jahren das Unglück hatte, völlig zu erblinden, weshalb er im Jahre 1283 (als Wittwer) in den geistlichen Stand zurücktrat und noch vor dem 6. Decbr. 1284 mit Hinterlassung zweier Söhne, Gunzel V. und Heinrich IV., und einer Tochter Margaretha verstarb. Seit dieser Zeit ist denn auch von einer gräflich schwerinschen Herrschaft über Doberen keine Spur mehr zu finden, wogegen die genannten Söhne Gunzels, ungeachtet der Verzichtleistung ihres Vaters, bei den spätern Theilungen der Grafschaft Schwerin ihren Antheil empfangen, woraus


1) Rudloff, Urk. Lief. S. 64, Rot. b. - In seiner Gesch. v. M. II, S. 67. hält der Verfasser die Gemahlin Gunzels dagegen für eine Gräfin von Danneberg.
2) Urk. Anh. Nr. XXIII.
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wir mit Sicherheit auf den Verlust der pommerschen Entschädigung schließen dürfen. Da wir nun wenige Jahre später den Pribislav in dem Besitze eben dieses Landes Doberen finden, so dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß dieser Erwerb mit dem Tode seiner Schwester und dem Rücktritte ihres Gemahles auf irgend eine Weise zusammenhängt, daß aber die Herzoge von Pommern dieser Veränderung widersprachen und dadurch den Pribislav veranlaßten, das Land als brandenburgisches Lehn zu empfangen.

Nach diesem nothwendigen Rückblick wende ich mich zur näheren Besprechung einer Urkunde, welche uns den wichtigsten Aufschluß über die Geschichte dieses Fürsten und seiner Familie giebt und auf welche ich deshalb schon mehrmals im voraus hinzuweisen genöthigt war. Am 27. Januar 1289 schenkte Pribislav nämlich dem Cistercienser=Kloster Bukow das Eigenthum von 200 Hufen in seinem Lande Belgard in Cassubien, und zwar neben denjenigen 100 Hufen, welche der Ritter Johannes Kule (1268) eben diesem Kloster bei dem Dorfe Persanzig verliehen hatte, jedoch unter der Bedingung, daß ihm die Hälfte des Ertrages dieses Grundstückes während seines Lebens verbleibe, mit Ausnahme der Einkünfte aus dem von den Mönchen daselbst etwa errichteten Hofe oder den von ihnen selbst bewirthschafteten Hufen. Nach seinem Tode aber sollte das Kloster nicht nur den vollen Genuß der Schenkung erhalten, sondern auch die Bewohner des Grundstückes von allen Abgaben und Diensten befreiet sein, so daß sie niemanden außer Gott und dem Kloster dienstbar seien. Endlich wird ausdrücklich bemerkt, daß auch seine Gemahlin Katharina zu dieser frommen, zum Heil seiner Seele und der Seele seines geliebten Bruders Pribislav, seligen Andenkens, so wie seiner Aeltern, gemachten Stiftung ihre Einwilligung gegeben habe. Als Zeugen dieser auf dem Schlosse zu Stolpe in Pommern ausgefertigten Urkunde werden außer zweien Capellanen, von welchen der eine zugleich Notarius des Fürsten war, acht Dienstmannen desselben aufgeführt, er selbst aber nennt sich Pribislav von Wenden, Herr der Länder Doberen und Belgard 1 ).

Wir finden also nunmehr unsern Fürsten in dem wirklichen Besitze des ihm von den Markgrafen lehnsweise verliehenen Lan=


1) Urk. Anh. Nr. XXVI. Dreger bezieht in einer Note zu dieser Urkunde den Titel de Slavia auf die Burg Alten Schlave an der Rega. Es ist aber vielmehr der bekannte, älteste Titel unsers Fürstenhauses, welchen auch Pribislav I. führte (dictus de Slavia, dominus de Wolin), und welchen die werlesche Linie, Herrn von Wenden, bis zu ihrem Erlöschen beibehalten hat. Auch die pommerschen Herzoge führen häufig diesen Titel.
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des Doberen, während von Welsenborg keine Rede weiter ist; zugleich aber sehen wir ihn wenigstens in der ältern Besitzung Belgard, abgesehen von dem Consense seiner Gemahlin, als unbeschränkten Herrn verfügen und mit einem vollständigen Fürstenhofe umgeben. Zugleich erfahren wir, daß sein Bruder, welchen ich oben in dem 1270 und 73 genannten Herrn von Wollin zu erkennen glaubte und welcher seitdem völlig verschwunden ist, nunmehr bereits verstorben war, wahrscheinlich unvermählt, oder wenigstens ohne Erben, von welchen sich nirgends eine Spur findet. Vielleicht gab aber dieser Todesfall die nächste Veranlassung zu dem in eben diesem Jahre unterm 30. April von unserm Pribislav von Belgard mit dem Kloster Dargun abgeschlossenen Vergleiche über die Dörfer Walckendorf und Stechow zwischen Lage und Gnoien, welche er bisher, als zu dem väterlichen Nachlasse gehörend, seinem ältern Bruder überlassen haben mochte. Dagegen scheint sein Oheim Nicolaus von Werle, nach dem unglücklichen Ausgange der Fehde Pribislavs I. mit dem Bischofe Rudolph auch dessen Antheil an der pommerschen Eroberung für gute Beute erklärt zu haben, indem er die dem Landesherrn gebührende Hälfte der Zehnten aus den genannten Dörfern dem Kloster Dargun verkaufte, was der Bischof Hermann von Camin am 8. Julius 1274 bestätigte 1 ). Gegen diese Eigenmacht nun hatte unser Pribislav jetzt Klage erhoben, ließ sich jedoch durch die Vermittelung seines Verwandten, des Fürsten Witzlav von Rügen, bewegen, für sich und seine schon gebornen, oder künftigen Erben, gegen Empfang einer Entschädigung von 100 Mark Colberger Münze, auf alle seine Ansprüche zu Gunsten des Klosters zu verzichten 2 ). Durch diese zu Colberg ausgestellte Urkunde erfahren wir also zugleich, daß die Ehe unsers Fürsten nicht, wie man bisher allgemein angenommen hat, unbeerbt blieb, doch waren die Kinder anscheinend entweder noch unmündig, oder nur Töchter, da ihr persönlicher Consens zu dem fraglichen Verzichte nicht nöthig erachtet ward, sondern der Vater in ihrem Namen verfügt. Zugleich lernen wir hier zum ersten Male das Siegel unsers Fürsten kennen, in dessen Schilde er selbst, nach dem Beispiele seines Vaters, mit dem Schwerte in der Rechten auf dem Throne dargestellt ist, neben welchem


1) Lisch M. Urk. I. Nr. XLIX, Ebenso erscheinen die Söhne des Nicolaus im J. 1276 auch im Besitze der Stadt Gnoien (Lisch a. a. O., Nr. LXXII.), welche allem Anscheine nach gleichfalls zu dem Antheile des Pribislav gehört hatte, da Nicolaus mit dem Lande Malchin und andern Gütern in Tollense, am rechten Ufer der Pene, abgefunden war. Oder wäre Pribislav II. schon 1274 verstorben und seine meklenburgischen Güter erst damals von Werle in Besitz genommen?
2) Lisch a. a. O. Nr. LXXXVI.
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noch ein kleinerer Schild mit dem eigentlichen Hauswappen, dem gekrönten Stierkopfe, steht; in der Umschrift aber nennt er sich: Pribislav von Wenden (de Slavia), Herr des Landes Doberen, also nicht nach der ältern Besitzung Belgard, sondern nach der spätern Erwerbung, die er also wohl in eigenem Namen besaß 1 ).

So schien denn endlich das Geschick dieses jüngsten Zweiges aus dem Stamme der edlen Borwine eine günstigere Wendung nehmen zu wollen; an der Seite einer Gemahlin aus angesehenem Fürstengeschlechte und von aufblühenden Kindern umgeben, er selbst in dem kräftigsten Mannesalter und im Besitze eines Gebietes, welches an Umfang nicht geringer war, als das in der alten Heimath verlorne, und mit allen mächtigen Nachbaren nahe verschwägert oder durch alte Familien=Verbindungen befreundet schien unser Fürst mit Recht einer glücklichern Zukunft entgegen sehen zu dürfen. Da starb sein alter Schwiegervater, der letzte seines Stammes, und aufs neue verheerte der Krieg diese unglücklichen Länder, aus welchen unser Pribislav, wenn nicht alles täuscht, abermals als heimathloser Flüchtling entweichen mußte. Mestovin, dessen Tod in die Jahre 1294 oder 95 gesetzt wird, hatte, der frühern Belehnung der Markgrafen von Brandenburg ungeachtet, später den Herzog Bogislav von Pommern zu seinem Nachfolger ernannt, zuletzt aber, auch diesen Entschluß bereuend, seinen Schwestersohn Przemislav von Polen testamentarisch zum Erben seiner gesammten Länder eingesetzt. Bogislav war aber nicht geneigt, seine Ansprüche aufzugeben, ohne das Glück der Waffen versucht zu haben. Deshalb scheint er sich schon einige Jahre vor dem Tode Mestovins in den Besitz des angrenzenden Cassubiens gesetzt zu haben, welches die westpommerschen Herzoge von Alters her als zu ihrer Herrschaft gehörig betrachteten.

Schon am 15. Decbr. 1290 tritt derselbe als Vermittler in einem Streite auf, welcher sich zwischen dem schon mehrmals genannten Johannes Kule von Belgard und dem Kloster zu Dargun entsponnen hatte. Der Vater des Kule war nämlich von dem Ritter Ulrich von Bevenhusen erschlagen worden, weshalb letzterer zur Sühne dieses Mordes den Benedictiner - Nonnen der Altstadt Colberg 50 Hufen des Dorfes Bast geschenkt hatte, welche demnächst auf Dargun übergegangen waren. Hiergegen hatte Kule Klage erhoben, leistete aber jetzt zu Demmin vor dem Herzoge Bogislav gegen Empfang von 6 Mark zum Gedächtniß dieser Aussöhnung auf alle seine


1) Vergl. Lisch, Jahrb. X. S. 28, und Urk. Anh. Nr. XXVII.
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Rechte Verzicht. Zum Zeugniß dessen ließ der Herzog diese Urkunde durch seinen gegenwärtigen Verwandten Herrn Pribislav von Belgard mituntersiegeln 1 ). - Schon hieraus geht die Oberherrlichkeit Bogislavs über das Land Belgard deutlich hervor; entschiedener aber tritt der Herzog in der folgenden, am 20. August 1291 auf dem Schlosse zu Belgard selbst ausgefertigten Urkunde auf, in welcher er die Schenkung des Pribislav an das Kloster Bukow von 1289 für sich und seine Brüder Barnim und Otto bestätigt. Hier führt er nämlich bereits den Titel Herzog der Slaven und Cassuben, und nennt Belgard sein Land, den Pribislav aber, den er als den Schwiegersohn Mestovins, Herzog von Pommern bezeichnet, seinen Statthalter 2 ).

Dieses stolze Verfahren Bogislavs noch bei Lebzeiten des alten Mestovin muß uns zum Voraus um das Schicksal unsers Pribislav nach dem Tode seines Schwiegervaters besorgt machen. Wirklich sehen wir denn auch die westpommerschen Herzoge Bogislav und Otto schon am 12. Jul. 1295 mit einer neuen Theilung ihrer Länder beschäftigt, in welcher ersterem namentlich das Schloß Doberen mit seinem Gebiete, ferner das Land Schwerin, Welsenborg, Labes und Regenwalde, so wie Belgard bis an die Grenze von Pommern und Polen überwiesen werden 3 ). Von Pribislav, dem bisherigen Herrn dieser Länder, ist weder hierbei, noch in andern Urkunden dieser Zeit die Rede, vielmehr ist derselbe seit dem Jahre 1291 völlig aus der Geschichte Pommerns verschwunden, wogegen wir ihn noch viel später in der alten Heimath seiner Väter wiederfinden. Es ist daher überaus wahrscheinlich, daß er während der nun folgenden dunklen Successionskriege, in welchen nicht nur Przemislav von Polen und nach dessen Ermordung Wladislav von Cujavien und Bogislav von Pommern, sondern auch Fürst Witzlav von Rügen und die Markgrafen Otto der Lange, Otto mit dem Pfeile und Johann als Kronprätendenten auftreten, seine Herrschaft eingebüßt habe. Vielleicht hatte er, durch Bogislavs unfreundliches Verfahren zurückgeschreckt und auf das Glück der sonst fast in allen Fehden siegreichen Waffen Brandenburgs vertrauend, das alte Schutzbündniß mit den Markgrafen erneuert und dadurch dem Herzoge, welcher sich wenigstens in Cassubien behauptete, erwünschte Veranlassung zur Einziehung der Güter seines untreuen Statthalters gegeben.


1) Urk. Anh. Nr. XXVII. Das noch vorhandene Siegel ist dasselbe, welches oben bei der Urkunde von 1289 beschrieben und zur Urk. Nr. XXVII abgebildet ist.
2) Urk. Anh. Nr. XXVIII.
3) Höfer, Zeitschrift für Archiv=Kunde, II, S. 114.
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Zwanzig Jahre waren seitdem verflossen, als König Erich von Dänemark im Mai des Jahres 1311 das berühmte Turnier vor den in trotzigem Selbstgefühl von den Bürgern verschlossenen Thoren der Stadt Rostock veranstaltete, zu welchem die Fürsten und Ritter des nördlichen Deutschlands von nah und ferne herbeiströmten; - da erscheint unter ihnen, wie aus dem Grabe erstanden, auch Herr Pribislav von Wenden 1 ), verschwindet aber auch eben so räthselhaft wieder, ohne daß uns irgend eine Aufklärung über diese Erscheinung zu Theil wird. Nach 4 Jahren aber sehen wir ihn noch einmal unter den Fürsten, welche sich zu einem ernstern Kampfspiel um die Mauern des empörten Stralsunds versammelt hatten, neben Heinrich von Meklenburg und den Grafen Gunzel von Wittenburg und Heinrich von Schwerin, den Bundesgenossen des Fürsten Witzlav von Rügen, während Waldemar von Brandenburg und Wartislav von Pommern=Wolgast, der Sohn des inzwischen (1309) verstorbenen Bogislav, als Verbündete der bedrängten Stadt erscheinen 2 ). Dieser letzte Umstand ist entscheidend und beweiset unzweifelhaft, daß Pribislav nicht mehr im Besitze seiner pommerschen Herrschaft war, sondern sich als flüchtiger Gast bei seinen Verwandten entweder in Meklenburg oder auf Rügen aufhielt.

Dies ist denn auch das letzte Mal, daß unser Fürst unter den Lebenden genannt wird; vielleicht fand er einen ehrenvollen Tod unter den Mauern Stralsunds, und zwar noch vor der berühmten Schlacht am Hainholze, 21. Jun. 1216, da das Necrologium der Kirche zu Doberan seinen Tod ausdrücklich in das Jahr 1215 setzt, wiewohl ohne Angabe des Tages 3 ). - Wir wissen zu wenig von seinem Leben, um ein festes Urtheil über seinen Charakter fällen zu können, aber genug, um zu erkennen, daß das harte Urtheil, welches Ernst von Kirchberg über den Sohn, wie über den Vater fällt, gegen beide gleich ungerecht ist. Denn während die vorstehende Geschichte uns auch den erstern wenigstens als einen thätigen und kriegslustigen Herrn zeigt, sagt Kirchberg, welchem der neueste pommersche Historiker, Barthold, gläubig nachschreibt, mit blindem Hasse gegen das ganze Geschlecht und in der unverkennbaren Absicht, seinen Lesern die gerechte Strafe des Himmels für den vermeintlich gegen die Kirche begangenen Frevel recht deutlich vor Augen zu stellen:


1) Vergl. Franck, A. u. N. M. V, S. 212 und die dort citirten ältern Historiker.
2) Krantz, Vandalia VIII, c. 5, und die stralsunder Chronik über die Schlacht am Hainholze, bei Lisch, Maltzahnsche Urkunden I. Nr. CXII, S. 240.
3) Jahrb. I, S. 131.
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synen vatir hoch her ubirwant
an trägheit, torheit und unwitzin;
waz erbes mochte de besitzin?

Dann läßt er ihn mit seinem Vater in die Verbannung ziehen nach Pommern zu dem Schwiegervater:

ir yglich do dy woninge nam,
als lude dy verwyset warin,
zu Belegarden by den jarin,
unwitzig vatir und der son
und des herczogin tochtir schon,
und namen da irs libes war;
wyle sy ir lebin hielden gar,
sy starben alse toren da,
keynen erben lieszen sy yn na.
Alsus virstarb ir beyder stam,
daz von yn nymant vorder quam.

In dem letzteren Puncte hat der fromme Mann denn allerdings Recht; die Geschichte weiß nichts von den Nachkommen unsers Fürsten, woraus wir mit Sicherheit schließen dürfen, daß er mindestens keine Söhne hinterlassen habe. Auch finden wir seine pommerschen Besitzungen bald nach dieser Zeit bestimmt in fremden Händen: Belgard nämlich war zunächst an das Stift zu Camin übergegangen, von welchem es 1321 die Herzoge Barnim, Otto und Wartizlav zu Lehn empfingen, und Doberen finden wir, nachweislich freilich erst seit 1355 1 ), im Besitze der Herren von Dewitz, eines meklenburg=stargardischen Geschlechtes, welches durch Heinrich von Meklenburg mit der neugebildeten Herrschaft Fürstenberg belehnt und 1348 durch den Kaiser Carl in den Grafenstand erhoben ward. So kam dies Ländchen, wohl zufällig, zum dritten Male in nähere Verbindung mit Meklenburg; oder könnte hier dennoch irgend ein unbekannter Zusammenhang stattfinden? Sollte jener Otto von Dewitz, der Stifter der ältern gräflichen Linie, welcher 1311 auf dem Turnier vor Rostock, wo auch Pribislav gegenwärtig war, den Ritterschlag empfing, dessen Schwiegersohn geworden sein und dadurch seine jedenfalls merkwürdige Erhebung in den Grafenstand ihre Erklärung finden? Aber unsere Quellen sind zu dürftig, als


1) Dipl. mscr. im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin, aus welchem sich ergiebt, daß es irrig ist, wenn einige Historiker erzählen, daß die v. Dewitz erst nach Einziehung ihrer Grafschaft von meklenburgischer Seite, wegen angeblicher Felonie, 1369 zum Ersatze für diesen Verlust von Pommern mit dem Lande Doberen belehnt seien. Die Stellung der Grafen als meklenburgischer und pommerscher Vasallen erklärt vielmehr ihr Verfahren in dem meklenburg=pommerschen Kriege von 1368. Vergl. Rudloff, M. G. II, S. 638.
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daß wir hoffen dürften, solche Zweifel jemals befriedigend gelöset zu sehen.

Auch die weibliche Linie Pribislavs I., wenn anders die Vermuthung, daß dessen Tochter die Gemahlin des Grafen Gunzel IV. geworden sei, überhaupt begründet ist, starb noch vor der Mitte dieses Jahrhunderts aus. Die beiden Enkel des letztern von dem ältesten Sohne, Gunzel V., die jungen Grafen Heinrich V. und Nicolaus V., verschwinden nämlich schon seit dem 26. Jun. 1330, wo sie ihre Schwester Mechthilde an den Grafen Henning von Gützkow vermählten, völlig aus der Geschichte, so daß von allen Nachkommen Gunzels IV., nachdem seine Tochter Margaretha im Kloster verstorben war, nur noch der jüngere Sohn Heinrich IV. nachblieb. Dieser soll um eben diese Zeit, 1331, nach Chemnitz Erzählung, einen Vergleich mit Johann von Werle geschlossen haben, wodurch er auf alle Ansprüche an Stadt und Land Parchim verzichtete, ein Ereigniß, welches vielleicht nur erklärbar wird, wenn man es mit dem Erlöschen des ältern Zweiges seines Hauses, durch welches sich die Rechte der gesammten weiblichen Linie des Pribislav in ihm concentrirten, in Zusammenhang bringt. Auch Heinrich starb um 1344 ohne Erben.

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