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V.

Volksdialekt und Schriftsprache
in Mecklenburg

Aufnahme
der hochdeutschen Schriftsprache
im 15./16. Jahrhundert

von

Paul Steinmann.

Fortsetzung und Schluß zu Jahrbuch 100 S. 199/248.

 

Vignette
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Inhaltsübersicht.

II.

Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg durch die herzogliche Kanzlei und durch die Herzöge.

2. Weitere Ausbreitung der hochdeutschen Schriftsprache in der herzoglichen Kanzlei zu Zeiten des Kanzlers Brand von Schöneich (1502-1507) und ihre gänzliche Einbürgerung durch seinen Neffen und Nachfolger Caspar von Schöneich (1507-1547).

Seite
Untersuchung der bislang veröffentlichten Urkunden von Seite 1502 bis zur Teilung der mecklenburgischen Kanzlei (Anfang 1526) 161-162
Untersuchung von wichtigen Sammlungen ungedruckter Urkunden:
Urkunden speziellen Charakters: Herzogliche Hausverträge und Hofordnungen, Rostocker und Wismarer Stadturkunden, Urkunden des Stifts Schwerin und des Klosters Doberan: Nichts Neues gegenüber den Verhältnissen zu Zeiten des Kanzlers Dr. Grunwald 162-164
Urkunden allgemeinen Charakters: Schuldurkunden:
Erst seit Caspar von Schöneichs Zeit erweitert sich der Kreis der Empfänger von hochdeutschen Urkunden und deren Anzahl
164-166
Ergänzung und Erweiterung dieser Ergebnisse durch Heranziehung von Akten:
Rentereiregister: Seit 1508/09 hochdeutsch 166
Schriftwechsel der Herzöge mit der Stadt Rostock:
Bereits seit 1502 dringt das Hochdeutsche ein, zu Brand von Schöneichs Zeit in bescheidenem Umfange, beträchtlich gesteigert seit Caspar von Schöneichs Kanzlerschaft 166-168
Seit 1518 Sieg des Hochdeutschen in der Korrespondenz mit Rostock entschieden, von einem Widerstand Rostocks ist nichts mehr zu spüren 168
Verordnungen und Ausschreiben: Hier herrscht, weil für die breiten Massen bestimmt, über 1525 hinaus das Niederdeutsche noch vor 168-169
Ergebnis: Seit 1518 Sieg der hochdeutschen Schriftsprache in der herzoglichen Kanzlei entschieden. Verschwinden des Niederdeutschen aus den beiden herzoglichen Kanzleien kurz vor der Mitte des 16. Jahrhunderts 169-174
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Seite
Teilung der mecklenburgischen Kanzlei in eine Schwerinsche und eine Güstrowsche 174
Personal der mecklenburgischen Kanzlei von 1502 bis 1525:
Der Vizekanzler (Rentmeister) Trutmann 175
Der Kanzler Brand von Schöneich (Seine Bedeutung für Aufnahme der hochdeutschen Sprache bislang sehr überschätzt) 175-178
Der Kanzler Caspar von Schöneich (Ihm ist Hauptanteil an Ausbreitung und Einbürgerung des Hochdeutschen als Kanzleisprache zuzuschreiben) 178-180
Der Rentschreiber (Rentmeister) Baltasar Rotermund, sein Übergang zur hochdeutschen Schriftsprache 181
Die niederdeutsch schreibenden Kammermeister bzw. Rentmeister Jürgen Fineke und Johann Bullenberg 181-182
Die Sekretäre und Schreiber (von diesen haben drei - insbesondere aber der Sekretär Michel Hildebrant - einige Bedeutung für Ausbreitung und Einbürgerung des hochdeutschen als Kanzleisprache 182-186

III.

Aufnahme, Ausbreitung und Einbürgerung der hochdeutschen Schriftsprache bei der Bevölkerung Mecklenburgs.

1. Beim Adel 186-190
2. Bei den herzoglichen Amts-Vögten (Amtmännern, Hauptleuten), Küchenmeistern, Kornschreibern und Küchenschreibern 190-194
3. Bei den Städten:
    Die Residenzstädte Güstrow und Schwerin 194-196
    Die übrigen Landstädte 196-198
    Die Seestädte Rostock und Wismar 198-204
4. Bei der katholischen und evangelischen Geistlichkeit 204-214
5. Bei der Landesuniversität und bei den Schulen 214-215
6. In den Druckereien 216-219
7. In der Literatur 219-223

IV.

Überblick und Ausblick.

Überblick über die Forschungsergebnisse 223-228
Tiefere Gründe für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache 228-235
Ausblick 235-238
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II.

Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg durch die herzogliche Kanzlei und durch die Herzöge.

2. Weitere Ausbreitung der hochdeutschen Schriftsprache in der herzoglichen Kanzlei zu Zeiten des Kanzlers Brand von Schöneich (1502-1507) und ihre gänzliche Einbürgerung durch seinen Neffen und Nachfolger Caspar von Schöneich (1507-1547).

Betrachtet man die bisher veröffentlichten, aus der herzoglichen Kanzlei stammenden Urkunden vom Jahre 1502 bis zum Anfang des Jahres 1526 1 ), wo wahrscheinlich die Teilung der Kanzlei erfolgte, so scheint es, als ob der Gebrauch der hochdeutschen Schriftsprache - wenigstens in den ersten 14 Jahren nach Grunwalds Tod (vor 21. März 1502) - keineswegs eine Steigerung erfuhr.

Die erste aus diesem Zeitabschnitt veröffentlichte hochdeutsche Urkunde stammt aus dem Jahre 1508, sie betrifft einen Rechtsspruch des Mecklenburgischen Land- und Hofgerichts 2 ). Die nächste Urkunde, eine Bestallung des herzoglichen Hofrates Dr. Nikolaus Marschalk, ist vom Jahre 1512 3 ). Vom folgenden Jahre ist der Dienstrevers des herzoglichen Kanzleischreibers (Sekretärs) Nikolaus Baumann 4 ). Aus den Jahren 1514 und


1) Gantzer, Geschichte der Familie von Dewitz 1912; von Kamptz, Die Familie von Kamptz 1871; Kern, Deutsche Hofordnungen des 16. und 17. Jahrh. 1905: Lisch, Geschichte und Urkunden des Geschlechtes Hahn 1844: Lisch, Urkunden-Sammlung zur Geschichte des Geschlechtes von Maltzan 1842: Lisch, Urkundliche Geschichte des Geschlechtes von Oertzen 1847: Wigger, Geschichte der Familie von Blücher 1870; Meckl. Jahrbücher.
2) Lisch, von Maltzan IV S. 389/91, mit Konzept von Marschalk.
3) Meckl. Jahrb. 4 S. 99/100: vgl. S. 177.
4) Meckl. Jahrb. 4 S. 205/06.
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1515 liegen 4 bzw. 3 niederdeutsche Urkunden vor, denen keine hochdeutschen gegenüberstehen. - Bislang überwiegen die niederdeutschen Urkunden durchaus: von 1502 bis 1515 sind es 18 bei nur 3 hochdeutschen Urkunden. 1516 begegnen aber neben 2 niederdeutschen Urkunden 3 hochdeutsche. Die eine ist ein Kontrakt der Herzöge mit einem landesfremden Maler Erhard 5 ), die beiden andern sind Verträge zwischen den Herzögen und Bernd Maltzan 6 ). Hernach haben wir nur aus den Jahren 1517 und 1519 je eine niederdeutsche, vom Jahre 1522 eine niederdeutsche und eine hochdeutsche Urkunde. Diese ist ein Gutachten einiger Landräte über Herzog Albrechts Anspruch auf Teilung des Landes 7 ). Schließlich begegnen uns noch im Jahre 1524 2 hochdeutsche Urkunden: eine Lehnsurkunde Herzog Albrechts VII. für Matthias von Oertzen 8 ) und eine Hofordnung desselben Herzogs 9 ).

Die Sprache dieser Urkunden ist ein gutes Hochdeutsch, niederdeutsche Wörter finden sich nur ganz vereinzelt. Im ganzen sind bisher aus Brand von Schöneichs Zeit (1502-1507) 5 Original-Urkunden gedruckt, die sämtlich niederdeutsch sind, aus Caspar von Schöneichs Zeit bis zum Jahre 1525 einschließlich 27, davon sind 9 hochdeutsch.

Es ist klar, daß bei der geringen Zahl der veröffentlichten Urkunden diese Zusammenstellung für sich allein wenig Wert hat, da mit allerhand Zufälligkeiten zu rechnen ist. Eine allgemeine Angabe aber über das Verhältnis der Zahl der hochdeutschen zu der der niederdeutschen Original-Urkunden kann nicht gemacht werden, da die Regesten nur bis zum Jahre 1500 reichen.

Wir sind daher genötigt, für unsere Untersuchungen einige besonders wichtige Sammlungen von ungedruckten Urkunden heranzuziehen.

Zunächst 5 Abteilungen, die Urkunden ganz speziellen Charakters umfassen.

Die herzoglichen Hausverträge bzw. Hofordnun-


5) Meckl. Jahrb. 12 S. 268/69. Der Maler war wahrscheinlich Erhard Altdorfer, vielleicht identisch mit dem Baumeister Erhard Moler (um 1550). Er stammte also wahrscheinlich aus Altdorf [wohl bei Nürnberg], (Meckl. Jahrb. 12 S. 222, 5 S. 22 Anm. 2.)
6) Lisch, von Maltzan IV S. 456/63.
7) Lisch, von Maltzan IV S. 499/500.
8) Lisch, von Oertzen II 2 S. 375/76.
9) Kern, Deutsche Hofordnungen S. 185 ff.
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gen 10 ) dieses Zeitabschnitts: 1 aus dem Jahre 1503, 2 von 1504, je 1 aus den Jahren 1505, 1507, 1513, 1518, 1520 sind hochdeutsch. Es finden sich nur ganz vereinzelte niederdeutsche Wörter in diesen Urkunden. Die beiden von den Herzögen für Rostock ausgestellten Stadt-Urkunden von 1505 und 1518 11 ) sind niederdeutsch. Dasselbe ist der


10) Urk. Hausverträge: 27. 12. 1503, 4. 12. 1504 (Hofordnung), 30. 3. 1505, 28. 11. 1518, 7. 5. 1520: Originale; 21. 5. 1504, 14. 9. 1507, 6. 2. 1513: Transsumpte des Abtes und Konvents des Klosters Doberan vom 14. 5. 1518 (angefertigt nach den inzwischen verloren gegangenen Originalen, aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Schreiber des Klosters, mit einigen nd. Wörtern, bes. in Eingangs- und Schlußformel) und vom 4.1.1519 (geschrieben von Herzog Heinrichs Sekretär Michel Hildebrant, als nd. ist nur anzumerken: Meckelnborgk, borung; diese beiden Wörter begegnen übrigens auch in den ersten drei Orig.-Urk. von 1503,1504,1505, daneben dort: fruntlich, vereniget, holden = halten). - Hinzu kommt noch ein hd. Konzept von der Hand des Kanzlers Caspar von Schöneich vom 13. 2. 1513. - Größtenteils sind diese Urkunden gedruckt bei Sachsse, Mecklenburgische Urkunden und Daten, 1900, S. 188 ff., teilweise aber in nd. Sprache und überhaupt recht ungenau, so daß sie, wie fast alle bei ihm abgedruckten Urk. nach 1400, insbesondere für sprachliche Untersuchungen unbrauchbar sind. Wiechmann, Mecklenburgs altniedersächsische Literatur 1864, verzeichnet bzw. vermutet neben hd. auch nd. Drucke der Hausverträge vom 21. 5. 1504, 14. 9. 1507, 6. 2. 1513 (Nr. V, VIII, XII) und meint, daß sie in Hinblick auf ihre Wichtigkeit in den betr. Jahren gedruckt sind. Er, bzw. Hofmeister, der den III. Band herausgab, ist offenbar der Ansicht, daß diese Hausverträge gleich wie Verordnungen der Herzöge veröffentlicht und an die Stände verteilt wurden (I S. 18, 32 Anm.2, III S. 189). Diese Ansicht ist falsch, denn die meckl. Herzöge haben niemals ihre Hausverträge, die ihre Privatangelegenheiten betrafen, ohne zwingende Gründe veröffentlicht. Die betr. Hausverträge wurden erst nach Ausbruch der Landesteilungsstreitigkeiten (1518) gedruckt, als sie verschiedenen Rechtsgelehrten, Fakultäten, fremden Fürsten und den meckl. Landständen wegen der Rechtslage hinsichtlich der Landesteilung unterbreitet wurden, und zwar wahrscheinlich in den Jahren 1520-23. Die Lettern und sonstige Nachrichten weisen z. T. auf die Jahre 1520-23 hin. (Wiechmann I S. 18, III S. 115, 189/90.) Übrigens sind Hofmeister einmal Zweifel an der Richtigkeit von seinen und Wiechmanns Annahmen gekommen, ohne daß er aber der Sache ganz auf den Grund ging (III S. 115, 189).
11) Stadtarchiv Rostock: Verträge m. d. Landesherrn; Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin: Stadturkunden Rostock. - Eine Quittung der Herzöge für Rostock vom Jahre 1508 über den Empfang von Königsbede (Landbede) - bereits besiegelt, aber zurückbehalten wegen nachträglicher Verbesserung am Geldbetrag und Datum - ist hochdeutsch. Dasselbe ist der Fall bei der Kopie einer von den Herzögen 1513 für Rostock ausgestellten Landbedequittung. Geh. u. Haupt-Archiv Schwerin, Kontributionsakten G.A. Vol. I B.
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Fall mit den für Wismar ausgestellten Stadt-Urkunden 12 ): 1 von 1502, 3 von 1504, 2 von 1505, je 1 von 1508, 1509, 1510, je 2 von 1513 und 1514 und 1 vom Jahre 1516. Niederdeutsch sind auch die 5 von den Herzögen für Bischof, Domkapitel bzw. Dompropst des Stifts Schwerin ausgestellten Urkunden der Jahre 1505, 1506 und 1513. Die 5 von den mecklenburgischen Herzögen in den Jahren 1509, 1516, 1517, 1520, 1525 für das Kloster Doberan ausgestellten Urkunden sind niederdeutsch. Hinzu kommt noch 1 niederdeutsche Urkunde von 1516, die zwar Abt und Konvent von Doberan als Aussteller nennt, die aber, wie aus dem beiliegenden, vom Kanzler Caspar von Schöneich (hochdeutsch!) verfaßten Konzept hervorgehe in der herzoglichen Kanzlei hergestellt ist.

Es zeigt sich in diesen Abteilungen im Vergleich mit den Verhältnissen zu Zeiten des Kanzlers Dr. Grunwald noch nichts Neues.

Bunter wird das Bild, wenn wir eine besonders umfangreiche Sammlung von Urkunden allgemeineren Charakters untersuchen, nämlich die von den Herzögen ausgestellten Schuldurkunden 13 ).

Es sind das von 1502 bis 1524 einschließlich 38 Urkunden, wenn wir nur die in Mecklenburg ausgestellten Schuldverschreibungen berücksichtigen.

Niederdeutsch sind alle 11 Urkunden der Jahre 1502 bis Anfang 1507. - Empfänger dieser Urkunden sind: Herzog Magnus von Sachsen, der Rostocker Prof. Lic. Baltasar Jenderick, Mitglieder des mecklenburgischen Adels: Hans Fryberg, Anna Zickhusen, Steffen und Andres von Bülow, der Hofjunker Jürgen Kaphingst, der Lübecker Kaufmann Thim Holm, der Nürnberger Kaufmann Paul Mülich.

Wie mit einem Schlage wird das Bild anders seit Sommer 1507, also seitdem Caspar von Schöneich das Kanzleramt verwaltete. Das zeigt anschaulich folgende Zusammenstellung:


12) Mitteilung des (†) Wismarer Stadtarchivars Dr. Techen (1919).
13) Schuldurkunden I, ausgestellt für Darlehen, geleistete Hofjunkerdienste, Pferdeschädengelder, Kaufmannswaren, Gewänder, Stoffe (Seide, Sammet, Damast, englisches Tuch), Kleinodien, goldene Ringe usw., nach Einlösung zurückgegeben von den Gläubigern.
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Jahr hochdeutsche Urkunden niederdeutsche Urkunden
1507 2 -
1508 4 -
1509 1 -
1510 - 1
1511 3 -
1512 1 3
1513 3 1
1514 4 2
1516 1 -
1518 1 -
1524 1 -

Es stehen also in den Jahren 1507 bis 1524 bereits 21 hochdeutsche Urkunden den 7 niederdeutschen gegenüber!

Der Kreis der Empfänger dieser Urkunden ist zu einem guten Teil derselbe wie in den Jahren 1502-1507. Bemerkenswert ist nun aber folgendes: 2 für den Nürnberger Kaufmann Paul Mülich im Jahre 1504 ausgestellte Urkunden sowie eine Urkunde vom 18. Januar 1507 sind niederdeutsch, die 6 aus den Jahren 1507 (1. Juni), 1508, 1509, 1511, 1513 und 1514 aber hochdeutsch. Dasselbe ist der Fall bei 3 für den Kaufmann Anthonius von Metz bzw. für ihn und für Mattis Kornigel, der ein Angestellter oder Teilhaber Paul Mülichs war, im Jahre 1513 bzw. 1514 ausgestellten Schuldurkunden sowie in einer Urkunde, die der Augsburger Bürger und Kaufmann Ulrich Kissinger im Jahre 1514 erhielt. Für den Lübecker Kaufmann Thim Holm wurden nunmehr 1508, 1516 und 1518 die Schuldverschreibungen hochdeutsch abgefaßt, ebenso die für die Rostocker Kaufleute Claus Kron (1507) und Heinrich Gerdes (1511, 1512). Hochdeutsch sind eine Schuldverschreibung für Herzog Johann von Sachsen (1514) sowie eine Proklamation der mecklenburgischen Herzöge Heinrich V. und Erich an ihren Bruder Albrecht VII. vom Jahre 1508, in der sie erklären, daß sie ihm Geld nicht mehr schicken können. Eine Urkunde von 1508 für mittel- oder süddeutsche Adlige: Sigemundt Witzleben (Marschall), Hanns Lößer, Melchior von Kutzleben, Albrecht von Netzdorff, die in Herzog Albrechts Dienste getreten waren, und eine für dessen hochdeutschen Hofmarschall Christoff von Plawnitz (1524) sind hochdeutsch. Dagegen sind die Urkunden für die einheimischen bzw.

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niederdeutschen Hof Junker Siffert Bok (1510) und Achim von Winterfeld (1512, 1514) sowie für den Drost zu Pinneberg, Claus Fridag (1512), niederdeutsch abgefaßt.

Dasselbe ist der Fall bei einer Schuldurkunde vom Jahr 1514, ausgestellt für einen Bürger zu Waren und für einen zu Röbel. - Während eine Schuldverschreibung vom Jahre 1511, ausgestellt für die Erben des Kaufmanns Reinert (Reinold) von Vemern, hochdeutsch ist, ist die andere vom nächsten Jahre niederdeutsch.

Noch klarer wird das Bild, wenn wir auch für diesen Zeitabschnitt unsere Untersuchungen auf die Akten ausdehnen.

Wir wiesen bereits darauf hin, daß die Rentereiregister 14 ), seitdem 1508 - 09 Balthasar Rotermund von seinem Onkel, dem Rentmeister Claus Trutmann, das Rentschreiber- bzw. Rentmeisteramt übernommen hatte - von vereinzelten niederdeutschen Worten abgesehen -, hochdeutsch geführt wurden.

In einzigartiger Weise unterrichten uns aber über den Umfang, in dem hochdeutsche Schriftstücke bereits an Einheimische aus der herzoglichen Kanzlei ergingen, die von den Herzögen an die Stadt Rostock gerichteten recht zahlreichen Schreiben 15 ). Sie ergänzen das aus der Untersuchung von Urkunden gewonnene Ergebnis ganz erheblich und sichern es.

Die hochdeutschen Schreiben setzen plötzlich mit dem Jahre 1502 ein. Das erste ist eine Anlage zu einem niederdeutschen Schreiben vom 18. März. Sie ist rein hochdeutsch, wie auch die folgenden Schreiben vom 17., 18. Mai und 8. Juni. Diesen 4 hochdeutschen Schreiben stehen noch 15 niederdeutsche gegenüber. Überhaupt sind die hochdeutschen Schreiben bis zum Beginn des Jahres 1507 noch durchaus in der Minderheit:


14) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 241. - Eine Ausnahme bilden später die Rentereiregister des aus einem meckl. Adelsgeschlecht stammenden Kammermeisters Jürgen Fineke aus den Jahren 1519 und 1521, s. S. 181/82.
15) Stadtarchiv Rostock (Ro.A.): Korrespondenz mit den Landesherren. Landtagsakten, Landessachen, Fräuleinsteuer, Assessoratsakten, Veröffentlichung landesherrl. Verordnungen. - Ganz vereinzelt gedruckt bei Hegel, Geschichte der meckl. Landstände bis zum Jahre 1555, 1856. Dort bei Nr. 20 und 22 falsches Datum, Weihnachtsstil!
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hochdeutsch niederdeutsch
1502 4 15
1503 1 9
1504 2 15
1505 - 31
1506 1 21
------- -------
8 91

Dies Verhältnis ändert sich aber sehr seit Sommer 1507:

hochdeutsch niederdeutsch
1507 6 13
1508 13 8
1509 11 11
1510 1 13
1511 4 20
1512 3 7
1513 4 16
1514 8 10
1515 7 8
1516 6 8
1517 9 8
------- -------
72 122

Der Prozentsatz an hochdeutschen Schreiben ist bedeutend gestiegen. In 2 Jahren (1508, 1517) überflügeln die hochdeutschen bereits die niederdeutschen, in 4 Jahren kämpfen beide um das Gleichgewicht. In den übrigen Jahren überwiegen die niederdeutschen Schriftstücke, z. T. noch erheblich.

Nach diesen Jahren des Schwankens haben wir seit 1518 eine fast ständig ansteigende Kurve der hochdeutschen Schreiben:

hochdeutsch niederdeutsch
1518 11 6
1519 13 6
1520 24 9
1521 21 4
1522 20 -
1523 9 1
1524 8 3
1525 12 2
------- -------
118 31
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Diese Untersuchung hat folgendes Ergebnis:

Bereits während der Amtszeit des Kanzlers Brand von Schöneich ergehen einige hochdeutsche Schreiben an Rostock. Ein grundlegender Umschwung in dem Gebrauch der hochdeutschen Schriftsprache setzt aber erst seit dem Amtsantritt des Kanzlers Caspar von Schöneich ein, also seit Sommer 1507. - Denselben Befund ergab ja auch die Untersuchung der Schuldurkunden. - Nach 10 Jahren des Schwankens ist im Schriftverkehr mit Rostock seit 1518 der Sieg der hochdeutschen Sprache entschieden.

Während die Stadt Rostock noch 1495 und 1499 mit Erfolg gegen die hochdeutsche Schrift- und Verhandlungssprache des Kanzlers Dr. Grunwald aufgetreten war 16 ), ließ sie es sich bereits von 1502 ab gefallen, daß sie immer mehr hochdeutsche Schriften aus der herzoglichen Kanzlei erhielt 17 ). Aus dem Umstande, daß die von der herzoglichen Kanzlei für Rostock und für Wismar ausgestellten Stadturkunden bis 1515 bzw. 1516 niederdeutsch sind, kann man allerdings schließen, daß die Kanzlei wenigstens bei der Ausstellung von wichtigen und grundlegenden Urkunden den beiden Seestädten entgegenkam. Diese konnten ja auch hierbei eher Wünsche über die Sprache, in der die Urkunden abgefaßt sein sollten, äußern.

Während die herzogliche Kanzlei in den an den Rostocker Rat gerichteten Schreiben unbekümmert immer häufiger die hochdeutsche Sprache anwandte, war sie offensichtlich noch längere Zeit bestrebt, dem mecklenburgischen Volke gegenüber darauf Rücksicht zu nehmen, daß das Niederdeutsche bei ihm noch so gut wie unumschränkt herrschte.

Soweit ersichtlich, überwiegt bis 1525 und noch geraume Zeit darüber hinaus das Niederdeutsche in den gedruckten Verordnungen, Erlassen und Ausschreiben, die öffentlich dem Volke von den Kanzeln herab verlesen und hernach an die Kirchentüren oder an die Rathäuser angeschlagen wurden. Doch muß bemerkt werden, daß noch kein Verzeichnis der hochdeutschen mecklenburgischen Drucke, als Gegenstück zu Wiechmanns Verzeichnis der niederdeutschen Drucke, vorliegt.


16) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 246/48.
17) Ein Grund dafür mag u. a. der Umstand gewesen sein, daß diese Schreiben in Rostock zunächst durch die Hände Hermann Barckhusens gingen, der von 1500 bis 1526 Rostocker Stadtsekretär war und das Hd. und Nd. gleich gut beherrschte. (Vgl. S. 216/18.)
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Niederdeutsch ist das Mandat gegen die Femgerichte von 1512 - die erste gedruckte mecklenburgische Verordnung - 18 ), die Verordnung gegen die geistlichen Gerichte sowie die Hof- und Landgerichtsordnung von 1513 19 ), ein Mandat von 1515 an die Ritterschaft im Klützer Ort, ihre Schulden an die Lübecker Geistlichkeit zu bezahlen, die erste mecklenburgische Polizeiordnung von 1516, das älteste gedruckte mecklenburgische Landtagsausschreiben von 1517 20 ). Auch die folgenden gedruckten Landtagsausschreiben von 1521, 1523, 1524, die Aufgebotsschreiben von 1521 (3), 1523, das Steueredikt von [1525], die Streitschriften, welche die Herzöge Heinrich und Albrecht 1522 und 1523 (2) gegeneinander der Landesteilung wegen richteten, sind niederdeutsch. Dasselbe gilt von einer Ladung der Ritterschaft zu einem Rechtstag wegen der der Geistlichkeit entzogenen Renten von 1525 und von einer Verordnung über das Verlesen eines Gebets in Türkengefahr von 1523 21 ).

Als hochdeutsch gedruckte Erlasse sind bis zum Jahre 1525 bis jetzt bekannt geworden: der Abdruck eines kaiserlichen Mandats vom Jahre 1521 22 ), der Abdruck des Urteils des kaiserlichen Kammergerichts in dem Streit zwischen den beiden Herzögen wegen der Landesteilung von 1525 23 ) und Abdrucke von herzoglichen Hausverträgen in der Zeit von 1520 bis 1523 24 ). Doch ist es zweifelhaft, ob die hochdeutschen Drucke allgemein an die Mitglieder der mecklenburgischen Stände versandt wurden, da, wenigstens bei den letzten beiden Drucken, auch niederdeutsche vorhanden sind. Näher liegt es, anzunehmen, daß die hochdeutschen Drucke in der Hauptsache für fremde Fürsten, Fakultäten und Juristen bestimmt waren.

Was die in der mecklenburgischen Kanzlei selbst herrschenden sprachlichen Verhältnisse anbetrifft, so können wir dafür unbedenklich die Ergebnisse, die wir aus der Zusammenstellung der Schreiben der Herzöge an die Stadt Rostock gewonnen haben,


18) Meckl. Jahrb. 54 S. 202/04.
19) von Kamptz, Zivilrecht der Großherzogtümer Mecklenburg, 1805, I 2 S. 3-7. - Ro.A. Assessoratsakten.
20) Wiechmann Nr. XIII, XV, XVI; Meckl. Jahrb. 57 S. 279 ff.
21) S. die chronologische Übersicht der nd. Drucke bei Wiechmann III, Anhang S. V/VI.
22) Meckl. Jahrb. 4 S. 129.
23) Wiechmann Nr. XLVI.
24) Vgl. Anm. 10.
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zugrunde legen 25 ): Seit dem Jahre 1518 - also vor der Trennung der mecklenburgischen Kanzlei - war der Sieg der hochdeutschen Schriftsprache über die niederdeutsche in der herzoglichen Kanzlei entschieden.

Nach der Teilung der Kanzlei in eine schwerinsche und güstrowsche bei Beginn des Jahres 1526 wurde das Niederdeutsche als Kanzleisprache immer seltener angewandt. Im Jahre 1526 sind von 15 aus den beiden herzoglichen Kanzleien an die Stadt Rostock ergangenen Schreiben nur 4 niederdeutsch.

1527 sind zwar von 34 noch 10 niederdeutsch, aber in den nächsten Jahren geht das Niederdeutsche ständig weiter zurück.

1528 sind von 25 5, 1529 von 40 3, 1530 von 15 1 niederdeutsch. Ähnlich ist es in den folgenden Jahren: nur vereinzelte Schriftstücke sind noch niederdeutsch. Es sind in der Hauptsache die für die Allgemeinheit bestimmten Land- und Rechtstagsausschreiben, Aufgebotsschreiben und Steueredikte. Hinzu kommen noch verschiedene Erlasse und Verordnungen, die vor allem im Schweriner Archiv erhalten und bisher im Rostocker Archiv noch nicht zum Vorschein gekommen sind 26 ). Doch begegnen uns hierbei schon hochdeutsche Drucke.

Das erste gedruckte hochdeutsche Landtagsausschreiben ist vom 23. Januar 1527 27 ). Aus demselben Jahre stammt, soweit


25) mit keiner andern meckl. Stadt oder Korporation führten die Herzöge einen so umfangreichen Schriftwechsel wie mit Rostock; hinzu kommen noch die vorzüglichen Überlieferungsverhältnisse des dortigen Stadtarchivs. - Im Wismarer Archiv sind die Schreiben der Herzöge an die Stadt nicht entfernt in dem Umfange erhalten wie im Rostocker Archiv. - Die ersten hd. herzogl. Schreiben sind dort nach Mitteilung des (†) Stadtarchivars Dr. Techen vom 13. 9., 14. 10. 1529, 30. 4. 1530.
26) S. die chronologische Übersicht der nd. Drucke bei Wiechmann III, Anhang S. VII ff.
27) Ro.A. Landtagsakten I. - Das erste gedr. Ausschreiben für einen Rechtstag (Land- und Hofgericht) ist vom 17. 11. 1538. Es ist hochdeutsch. - Voran gehen von 1526 bis 1530 16 handschriftliche Ausschreiben, von denen nur 3 nd. sind. - Das folgende vom 13. 7. 1540 ist gedr. und nd., dasselbe ist der Fall bei der Verordnung vom 15. 8. 1549. - Bemerkenswert ist noch folgendes: Die für den Rat der Stadt Rostock bestimmte Ankündigung eines Rechtstages vom 19. 12. 1519 ist hd., während die für das Volk bestimmte vom selben Datum, die öffentlich angeschlagen werden sollte, nd. ist. Hingegen ist 1528 das Exemplar, das vom Predigtstuhl öffentlich verkündigt und hernach an das Rathaus angeschlagen werden sollte, hd. - Vgl. Meckl. Jahrb. 86 S. 116 und Endler, Meckl.-Strelitzer Geschichtsbl. 1 S. 119 ff.
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ersichtlich, die erste hochdeutsche Landfriedensordnung 28 ) und vom Jahre zuvor ein Münzedikt 29 ). Doch scheinen die niederdeutschen Verordnungen und Erlasse noch bis über das Jahr 1540 hinaus zu überwiegen. Am Ende einer langen Reihe von niederdeutsch gedruckten, aus den beiden herzoglichen Kanzleien stammenden Verordnungen, die, soweit wir sehen, nur gelegentlich von einigen hochdeutschen, unterbrochen sind, stehen 2 Verordnungen vom 15. August 1549: eine Verordnung gegen die sich herumtreibenden Landsknechte usw. und eine über Aufschub des Rechtstages, Verbot der Jahrmärkte, Läuten der Glocken usw. während der Pest 30 ). Ein ganz isoliert dastehender Nachläufer ist die niederdeutsche Kirchenordnung von 1557. Da der ersten mecklenburgischen niederdeutschen Kirchenordnung von 1540 eine hochdeutsche Kirchenordnung im Jahre 1552 folgte, von der 1554 eine neue Ausgabe erschien 31 ), so wurde die von den Herzögen angeordnete Übersetzung der Kirchenordnung von 1552/54 ins Niederdeutsche wahrscheinlich deswegen von ihnen für nötig befunden, weil sie auf Pastoren und Volk, bei denen die niederdeutsche Sprache noch sehr überwog, eine stärkere Einwirkung erzielen wollten 32 ).

Bei den gedruckten Landtagsausschreiben, die sich nahezu lückenlos im Rostocker Stadtarchiv erhalten haben, herrscht von 1526 bis 1540 einschließlich die niederdeutsche Sprache durchaus vor: 18 sind niederdeutsch, 4 hochdeutsch - hinzu kommt noch 1 nur im Schweriner Archiv erhaltenes hochdeutsches Stück. Ferner fand sich unter den aus demselben Zeitabschnitt stammenden gedruckten Aufgebotsschreiben und Steueredikten des Rostocker und Schweriner Archivs - 4 bzw. 1 an der Zahl - kein einziges hochdeutsches vor. Aus dem Jahre 1542 haben wir 11 hochdeutsche gedruckte Landtagsausschreiben und Steueredikte. 1543 sind 2 Landtagsausschreiben hochdeutsch, 1 niederdeutsch. Aus dem Jahre 1544 fanden sich 2 hochdeutsche Landtagsausschreiben und 1 hochdeutsches Türkensteueredikt vor. Aus dem Jahre 1545


28) Wiechmann I S. 104.
29) Meckl. Jahrb. 4 S. 168.
30) Wiechmann Nr. CXIII, CXIV.
31) Meckl. Jahrb. 63 S. 214 ff., 64 S. 6 ff., 22/23: Wichmann Nr. XCIII, CXXIV; II S. 22/23. Die nächsten Kirchenordnungen von 1602 und 1613 sind hd. Bachmann, Geschichte des evangel. Kirchengesanges in Mecklenburg, 1881, S. 97, 103.
32) Meckl. Jahrb. 64 S. 25: Wiechmann II S. 23.
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2 hochdeutsche und 1 niederdeutsches; letzteres vom 14. September. Es ist das letzte gedruckte niederdeutsche Landtagsausschreiben in Mecklenburg. Die beiden letzten handschriftlich aus den beiden herzoglichen Kanzleien an Rostock ergangenen niederdeutschen Schriftstücke sind vom 4. Oktober 1542 33 ).

Die Schreiben, Quittungen und Bestallungsurkunden der Herzöge für ihre Amtsbeamten wurden, soweit bislang festgestellt, seit 1527, von einer Ausnahme abgesehen, hochdeutsch ausgefertigt 34 ).

Die Angehörigen des mecklenburgischen Fürstenhauses lassen in den 20er bis 40er Jahren ihre Privatschreiben untereinander, an fremde Fürstlichkeiten, an ihren Kanzler und an andere Hofbeamte nur in hochdeutscher Sprache ergehen 35 ). Von Herzog Heinrich V. und von Albrecht VII. sind verschiedene eigenhändige Schreiben und Aufzeichnungen


33) Ro.A. Landtagsakten I. Schröder, Mecklenburg und die Mecklenburger in der schönen Literatur, 1909, gibt (S. 61) irrtümlich an, daß das letzte nd. Landtagsausschreiben 1540 erging.
34) Aus der Zeit vor 1526 sind mir bislang begegnet an Schreiben und Quittungen der Herzöge (bzw. ihrer Renterei- und Kanzleibeamten) für mecklenburgische Amtsbeamte:
niederdeutsch hochdeutsch
1504 - 1
1507 1 1
1508 2 1
1511 2 -
1513 2 -
1515 - 1
1518 1 1
1520 - 1
1521 1 2
1522 - 1
1524 1 -
1525 1 -

Niederdeutsch ist die gleichzeitige Abschrift einer Urkunde von 1539, in der Herzog Albrecht VII. dem Jochim Osten seiner getreuen Dienste wegen ein Haus sowie Hebungen zu Sanitz verleiht. Hochdeutsch ist aber der Revers Ostens verfaßt. Ostens eigenhändige Versicherung und Unterschrift unter diesem Revers ist niederdeutsch. (A. Ribnitz, Beamte.)

35) Lisch, von Maltzan IV S. 504 (1522); Meckl. Jahrb. 1 S. 194/95 (1533), 3 S. 187-93 (1533-35): Lisch, von Oertzen II 2 S. 410/11 (1535); Lisch, von Maltzan V S. 138/41 (1536): Meckl. Jahrb. 12 S. 290 (1538), 22 S. 60 ff. (1539 ff.). - Akten Bestallung der Kanzler 10. 10. 1547 (Herzog Magnus an Heinrich).
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vorhanden. Sie sind im Prinzip hochdeutsch, wenn auch gelegentlich einige niederdeutsche Wörter begegnen 36 ).

Sämtliche bisher gedruckten Originalurkunden sind von 1526 ab hochdeutsch. Meistens sind es Vergleiche der Herzöge mit Adligen oder für sie bestimmte Privilegien (9), im übrigen Urkunden für Pfarrer (2), Kontrakte mit einem Zimmer- bzw. Salinenmeister (2), mit 2 Baumeistern (2), und Urkunden für den Kanzler Johann von Lucka (3) 37 ).

Von den für Rostock ausgestellten - noch nicht veröffentlichten - Urkunden haben wir aus dem Jahre 1528 eine hochdeutsche, aus dem Jahre 1548 je eine hochdeutsche und niederdeutsche Urkunde. Die folgenden aus den Jahren 1560, 1565, 1566, 1573 sind sämtlich hochdeutsch 38 ). Von den entsprechenden Wismarer Urkunden ist eine Urkunde von 1548 hochdeutsch, eine aus demselben Jahre niederdeutsch, je eine von 1554, 1560 und 1565 hochdeutsch 39 ).

Diese beiden für Rostock und für Wismar ausgestellten Urkunden, Privilegienbestätigungen der Herzöge Johann Albrecht, Ulrich und Georg, vom 21. bzw. 24. April 1548 sowie eine Privilegienbestätigung derselben Herzöge für die Stadt Malchin vom 18. April 1548 40 ) sind die letzten niederdeutschen,


36) Z. B. Landtagsakten 1524, Steuerakten G. A. I. C. 1528, Landesteilungsakten Vol. XX, 1539, Lisch, von Maltzan V S. 118/19, 1536. - Von Herzog Magnus, Sohn Heinrichs V., eigner Hand ist die hd. Rede, die er 1548 auf dem Huldigungstage zu Krakow vor den Ständen des Landes Wenden hielt. Hegel Nr. 45. - Vgl. noch Meckl. Jahrb. 100 S. 234/35.
37) Lisch, von Oertzen II 2 S. 382/83 (1526), 399/400 (1533), 413 (1536): von Kamptz, Fam. v. Kamptz, Urk.-Anhang S. 67/68 (1529), 68/69 (1536), 70/71 (1553); Lisch, von Maltzan IV S. 543/44 (1550), V S. 99/100 (1530), 100/01 (1531); Meckl. Jahrb. 1 S. 223/24 (1552), 225/27 (1558), 5 S. 70/71 (1558), 71/72 (1572), 273/74 (1559), 11 S. 136/37 (1528), 138/39 (1543).
38) Urk. von 1528 = begl. Abschrift im Geh. u. Haupt-Archiv: Stadturk. Rostock: die übrigen im Rostocker Stadtarchiv: Verträge mit den Landesherren.
39) Mitteilung des (†) Wismarer Stadtarchivars Dr. Techen.
40) Stadt Malchin: Registratur. - Böttcher, das Vordringen der hochdeutschen Sprache in den Urkunden des niederdeutschen Gebietes vom 13. bis 16. Jahrhundert, Berliner Dissertation, 1916, Teildruck, gibt (S. 76) als Jahr der letzten aus der herzogl. Kanzlei stammenden nd. Urkunde "etwa 1547" an.
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aus der herzoglichen Kanzlei stammenden Urkunden, die mir bislang begegnet sind.

Das Niederdeutsche war also, soweit bislang festgestellt werden konnte, kurz vor Mitte des 16. Jahrhunderts aus der herzoglichen Kanzlei oder vielmehr aus den beiden herzoglichen Kanzleien als Schriftsprache verschwunden.

Seit dem Jahre 1471, wo das Land Stargard nach dem Tode des letzten Herzogs Ulrich II. an das Herzogtum Mecklenburg fiel, gab es in Mecklenburg nur eine herzogliche Kanzlei 41 ). Herzog Albrechts VII. Bestreben nach Teilung des Landes brachte es aber dahin, daß in den Jahren 1520/25 zwei völlig getrennte Kanzleien entstanden.

Bereits im Neubrandenburger Hausvertrag vom 7. Mai 1520 machten sich die ersten Anzeichen der beginnenden Trennung bemerkbar, indem bestimmt wurde, daß jeder Herzog eigene Sekretäre und Kanzleischreiber haben sollte, wenn sonst auch festgesetzt wurde, daß eine ungesonderte Kanzlei mit einem Kanzler sein sollte. Zu dieser Zeit gab es auch noch einen gemeinschaftlichen Rentmeister. Seit Ende 1521 taucht aber bereits Johann Bullenberg als "kamerschriffer" Herzog Albrechts auf. Um diese Zeit wird Rotermund wieder Herzog Heinrichs Rentmeister geworden sein. Dagegen tritt noch der gemeinschaftliche Kanzler Caspar von Schöneich im Laufe des Jahres 1523 bei den Landesteilungsverhandlungen verschiedentlich hervor. In der Hauptsache scheinen die Zwistigkeiten zwischen Albrecht und Caspar von Schöneich 42 ) dazu beigetragen zu haben, daß bald jeder Herzog einen besondern Kanzler hatte. Wahrscheinlich erfolgte die endgültige Teilung der mecklenburgischen Kanzlei in eine Schwerinsche und Güstrowsche bei Beginn des Jahres 1526. Jedenfalls begegnet uns am 9. Januar 1526 Wolfgang Ketwig als Kanzler Herzog Albrechts. Er wurde wahrscheinlich am 6. Januar 1526 als Kanzler im Güstrowschen Landesteil angestellt, während Schöneich Herzog Heinrichs Kanzler im Schwerinschen Landesteil blieb 43 ).


41) Über ihre Organisation vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 236/37.
42) Schnell, Mecklenburg im Zeitalter der Reformation, 1900, S. 9; Wiechmann Nr. XXXIV.
43) Meckl. Jahrb. 26 S. 11/13: vgl. S. 180. Rudloff, Pragmatisches Handbuch der meckl. Geschichte, 1780, III S. 227, gibt irrtümlich (  ...  )
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Wir haben nun noch die Persönlichkeiten, die in den Jahren 1502/25 als Kanzler Leiter der mecklenburgischen Kanzlei waren oder in ihr als Rentmeister, Sekretäre oder Schreiber tätig waren, näher zu betrachten. Dabei ist der Versuch zu machen, ihre Herkunft, ihre Einstellung zur hochdeutschen Schriftsprache und ihren Anteil an deren endgültige Einbürgerung in der Kanzlei zu ergründen.

Nach Grunwalds Tod verwaltete der Rentmeister Claus Trutmann als Vizekanzler wahrscheinlich bis zum Anfang des Jahres 1502 provisorisch das Kanzleramt 44 ). Brand von Schöneich ist bislang zuerst am 10. Juni 1502 als mecklenburgischer Kanzler bezeugt. Im Wintersemester 1501/02 war er noch Rektor der Universität Leipzig. Er stammte aus Sorau in der Niederlausitz, war aus adligem Geschlecht und wurde im Sommersemester 1490 zu Leipzig immatrikuliert. Hernach wurde er dort Baccalaureus und Magister in der Philosophischen Fakultät und Baccalaureus beider Rechte. - Er starb kurz vor dem 4. März 1507 45 ).

Eigenhändige Schreiben Brand von Schöneichs konnten bislang nicht ermittelt wer-


(  ...  ) als Jahr der endgültigen Trennung der Kanzleien das Jahr 1530 an. Auch den Angaben Krauses gegenüber, der anzunehmen scheint, daß Albrecht seit 1523 eigene Kanzler besessen habe (Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 287), soll betont werden, daß Schöneich bis über die Mitte des Jahres 1523 hinaus als gemeinschaftlicher Kanzler in den Landesteilungsstreitigkeiten auftrat und daß Albrechts Hofordnung vom 19. 7. 1524 (Kern, Deutsche Hofordnungen S. 185 ff.) wohl Sekretäre, Kanzleischreiber und den Kammerschreiber, aber keinen Kanzler erwähnt.
44) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 237 ff. und S. 240. - Einmal - in einer Urkunde vom 9. 8. 1501 - wird er als Vizekanzler unmittelbar bezeichnet. Im übrigen deuten auch die von ihm verfaßten Konzepte darauf hin. - Ein Beweis für Krauses Vermutung (Meckl. Jahrb. 47 S. 120, Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 286), daß der spätere Rostocker Prof. Heinrich Boger nach Grunwalds Tod das Kanzleramt verwaltet habe, war nicht aufzufinden. Krause scheint seine Vermutung vor allem darauf zu stützen, daß Boger nach Grunwalds Tod dessen Pfründen erhielt. Doch kann er diese sehr wohl für Dienste als "Rat von Haus aus" erhalten haben.
45) Erler, Die Matrikel der Universität Leipzig 1895 I S. 337, II S. 325, 351, 41: Meckl. Jahrb. 4 S. 95 Anm. 3, 23 S. 152/53; Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 286/87. - Akten: Bestallungen der Kanzler; Preuß. Staatsarchiv Marburg: Schreiben Herzog Magnus' an den Landgrafen Wilhelm von Hessen 1502 Juni 10.
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den 46 ). In der Hauptsache müssen die Konzepte, Protokolle usw. während seiner Amtszeit durch Hofräte bzw. Kanzleisekretäre verfaßt sein.

In dem Jahre 1502 stößt man auf die Handschrift eines dem Namen nach nicht bekannten hochdeutsch schreibenden Sekretärs, der bereits 1501 festzustellen ist 47 ). Die Konzepte eines zweiten unbekannten Sekretärs begegnen in den Jahren 1503/04. 5 Entwürfe, für auswärtige Empfänger bestimmt 48 ), sind hochdeutsch, 5 Konzepte für Schreiben der Herzöge an Rostock und eine Eingangsregistratur sind niederdeutsch 49 ) Von 1502 bis 1509 ist eine Anzahl von Konzepten usw. einer dritten Hand festzustellen 50 ), von der auch die umfangreichen Land- und Hofgerichtsprotokolle von 1507 geschrieben sind. Diese dritte Hand ist wahrscheinlich identisch mit dem in den genannten Protokollen erwähnten Dr. Leo, der dort neben Dr. Nicolaus Marschalk auftaucht. Dieser Hofrat Dr. Leo 51 ) verfaßte die erwähnten Konzepte und Protokolle in der Regel in hochdeutscher Sprache, der selten einige wenige


46) Der von ihm am 19. Okt. 1505 vom St. Annenberg aus, wo er "mit großzer swerer krangkheyt" daniederlag, an zwei Freunde gerichtete hochdeutsche Brief ist von einer (fremden) Kanzleihand geschrieben. Der Brief betrifft seine frühere Gefangenschaft auf dem Gutenstein und seine Differenz mit dem Burgherrn.
47) 2 Konzepte, 1 Abschrift (Empfänger: Kurfürst von Brandenburg), 1 Eingangsvermerk. - Hochdeutsch sind auch die von einer anderen Schreiberhand herrührenden Abschriften von Schreiben der Herzöge an Kurfürsten bzw. Markgrafen von Brandenburg a. d. I. 1502 und 1503. Von dieser Hand ist auch der hochdeutsche Hausvertrag (Hofordnung) vom 4. 12. 1504 und der vom 30. 3. 1505 geschrieben.
48) Vertrag mit Landgrafen Wilhelm von Hessen, ein Schreiben an ihn, Schreiben an: Herzog Heinrich d. Ä. von Braunschweig, Dr. Rellinger (Prokurator der meckl. Herzöge am Reichskammergericht), Instruktionen für Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Brandenburg.
49) Dasselbe ist der Fall bei 2 von derselben Hand geschriebenen Originalurkunden der Herzöge, bestimmt für das Domkapitel St. Jakobi zu Rostock vom 27. 10. 1504 und 28. 8. 1506.
50) Empfänger: Die von Flotow auf Stuer, Landgraf Wilhelm von Hessen, Herzog Georg von Sachsen, Lübeck, der Kaiser, der kaiserliche Hofkanzler, Rostock, Gans zu Putlitz. Ferner Instruktionen eines Prokurators für Verhandlungen mit dem Kaiserl. Kammergericht betr. die Flotowsche Sache.
51) M. E. nicht identisch mit dem Rostocker Prof. Löwe (Krabbe, Die Universität Rostock im 15. und 16. Jahrhundert, 1854, S. 331/33).
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niederdeutsche Wörter beigemischt sind. Aber Mitte 1507 entwirft er das Konzept für ein Schreiben der Herzöge an Rostock niederdeutsch, obwohl er kurz zuvor ein anderes für Rostock bestimmtes Konzept hochdeutsch abgefaßt hatte. Der Entwurf eines Geleitsbriefes vom Jahre 1509 ist niederdeutsch, das dazu gehörige, für Rostock bestimmte Anschreiben ist hochdeutsch! Caspar von Schöneich, der seit Ende 1503 als Hofrat Dienste tat, muß auch während der Amtszeit seines Onkels häufiger hochdeutsche Konzepte verfaßt haben 52 ). Vom Hofrat Dr. Nicolaus Marschalk Thurius, dem nachmaligen Rostocker Professor, der im Sommer 1505 in den herzoglichen Dienst trat, sind bislang einige hochdeutsche Konzepte aus den Jahren 1506 ff. ermittelt worden 53 ).

Wenn zu Brand von Schöneichs Zeiten die Hauptmasse der Konzepte, Protokolle usw. nicht von ihm als Kanzler selbst verfaßt wurden, so steht er damit im Gegensatz zu seinen Vorgängern und zu seinem Neffen und Nachfolger. Der Grund hierfür ist z. T. darin zu suchen, daß Brand von Schöneich häufig im Interesse des Fürstenhauses und des Landes ausgedehnte Reisen an die Höfe befreundeter Fürsten bzw. zum Reichskammergericht unternehmen mußte. Zu bemerken ist auch, daß er November/Dezember 1503 zu Gutenstein in Gefangenschaft saß und hernach kränklich war. Z. T. aber muß man


52) Leider sind seine Konzepte sehr selten datiert. Doch sind die aus seiner Frühzeit stammenden an der zierlichen, gut lesbaren charakteristischen Handschrift zu erkennen, die verhältnismäßig wenig Ähnlichkeit hat mit seiner späteren, oft nur aus dicken Bogen und Strichen bestehenden sehr flüchtigen und schwer lesbaren Handschrift. Das erste datierbare Konzept, das bislang festzustellen war, ist aus dem Jahre 1504, bald nach April 21. Auswärtiges: Hessen.
53) Je 1 Abschied des Land- und Hofgerichts von [1506] und 1508 (vgl. Anm. 2), 2 Konzepte für Schreiben der Herzöge an Wismar von 1507 oder 1508, Vertrag zwischen einem Domherrn und einem Bürger zu Güstrow (1508). - Auch seine Berichte und Schreiben sowie seine historischen und genealogischen Werke sind in hochdeutscher Sprache verfaßt, soweit sie nicht lateinisch sind. - Bestallungen der Hofräte. - Lisch, Meckl. Jahrb. 4 S. 92 ff.; Krabbe, Universität Rostock S. 273 ff.: Allgem. Deutsche Biographie 20 S. 431/32, geb. zw. 1460 und 1470 zu Roßla in Thüringen (daher der Beiname Thurius), 1490 Magister der Philosophie, dann Baccalaureus utriusque juris zu Erfurt, 1502 Prof. in Wittenburg, auch Rat und Gesandter des kursächsischen Hofes, 1505, wohl durch Vermittlung der beiden Schöneichs, an den meckl. Hof berufen. Später, seit 1510, Rostocker Prof., doch war er nach wie vor als herzogl. Hofrat tätig, vgl. S. 161. - † 1525.
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die Ursache auch in einer gewissen Gleichgültigkeit des Kanzlers, der sich wenig um die Kanzlei kümmerte. sowie in organisatorischen Mängeln und Mißständen im Kanzleibetrieb suchen. Das geht deutlich aus einer undatierten Denkschrift des Dr. Nikolaus Marschalk hervor, die wahrscheinlich im Jahre 1506 verfaßt wurde 54 ).

So viel ist sicher: Brand von Schöneich hat nicht die Bedeutung für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache durch die Kanzlei gehabt, die ihm bisher allgemein zugeschrieben wurde 55 ). Wenn eine geringfügige Ausdehnung der hochdeutschen Sprache im inneren Kanzleibetrieb und im schriftlichen Verkehr mit Rostock festzustellen ist, so muß das fast ganz auf das Konto der Hofräte: Dr. Leo, Caspar von Schöneich, Dr. Nikolaus Marschalk und von zwei unbekannten Sekretären gesetzt werden, die entweder nur hochdeutsch schrieben oder es bevorzugten.

Caspar von Schöneich stammte gleichfalls aus Sorau. Er wurde zu Leipzig im Wintersemester 1490/91 immatrikuliert und im Sommersemester 1492 Baccalaureus in der Philosophischen Fakultät. Doch scheint auch er juristisch gebildet gewesen zu sein. Von Ende 1503 ab begegnet er, wie erwähnt, in Mecklenburg als Rat und Gesandter der Herzöge Balthasar


54) Es heißt darin: ". . . Wan ich solt canzler sein, were meyner meinung, das. ich auch die [canzley] alleine in vorwarung hette und nicht ein ieder nach seinem gefallen mit briefen oder schriften durch sich oder schreiber infall tete. Dann do bey wil ich nicht sein und auch nicht annehmen. Aber wan mir die [canzley] befolen wirde, wolt ich ordnung machen und rechnunge dor von tun und des meinen in achtungh haben. Also: Irstlichen: Inhalt und sachen der brief antzeigen, das ich die weiß. Item: Das mein[e] schreiber uf mich soln warten und ich nicht uf sie. Dann soll der cantzler sein[en] Johannes behalten und als er iungst sagte, er solle gleichwol copiist sein, kan ich nicht vormerken, wie sich das wolt machen, pherde und seins hern zcu warten und der cantzley. Item: Eß muste in der cantzley vordan keine trungkstube durch Hans oder Heintz oder Kuntzen gehalten werden, auch mit uns nymants essen oder wonen, dann wer do zcur cantzley gehöret . . ."
55) Lisch schreibt Meckl. Jahrb. 3 S. 69 Anm. 1: "Durch die beiden Canzler von Schöneich hatte aber in der Regierungs-Canzlei und bei Hofe die hochdeutsche Sprache schon im Anfang des 16. Jahrhunderts Eingang gefunden." Krause: Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 286/87, meint, daß Brand von Schöneich zuerst die hochdeutsche (kaiserliche) Kanzleisprache in Mecklenburg eingeführt habe.
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und Heinrich V. Im Laufe des Jahres 1507 trat er einige Zeit nach seines Onkels Tod das Kanzleramt an. Als gemeinschaftlicher Kanzler war er wahrscheinlich bis Ende 1525 tätig. Seit Anfang 1526 war er bis zu seinem Anfang Oktober 1547 erfolgten Tode Heinrichs Kanzler in dessen Landesteil.

Caspar von Schöneich war eine hervorragende und tüchtige, auch in wissenschaftlicher Hinsicht interessierte Persönlichkeit und ein trefflicher Berater Herzog Heinrichs.-Nach den drei in staatspolitischer Hinsicht wirklich bedeutenden Fürsten Mecklenburgs: Heinrich dem Löwen, Albrecht II. dem Großen und Magnus II., war er der erste bedeutende Staatsmann Mecklenburgs, über den wir Näheres wissen. - Herzog Magnus, Heinrichs Sohn, schrieb am 12. Oktober 1547 - unmittelbar nach Schöneichs Tod - mit Recht in einem Brief an seinen Vater, daß der Kanzler "ein ausbundt eines weysen, geschickten und theuren mans gewezen" 56 ). Nach Ausweis seiner Originalschreiben und seiner zahllosen Konzepte und Vermerke auf Urkunden und Akten schrieb er nur hochdeutsch 57 ). Selbst niederdeutsche Konzepte oder Reinschriften korrigierte er unbekümmert hochdeutsch! Doch eignete er sich ein genügendes Verständnis des Niederdeutschen an, wie seine zahlreichen Registraturvermerke auf niederdeutschen Urkunden, Registern und Akten zeigen. Da Sorau hart an der sächsischen Grenze lag und die Leipziger Universität unter dem Einfluß der sächsischen Kanzlei stand 58 ), könnte man an und für sich schon annehmen, daß die Sprache der Schöneichs im großen und ganzen mit der sächsischen Kanzlei(Schrift-)sprache identisch war. Es finden sich auch in Caspars eigenhändigen Konzepten Eigentümlichkeiten der sächsischen Kanzlei, und zwar sowohl der 1. streng mitteldeutschen Richtung (i in tonlosen Nebensilben usw.), als auch der 2. sich


56) Erler I S. 381, II S. 331: Akten: Bestallungen der Kanzler Lehnakten: Schönfeld. - Witte, Mecklenburgische Geschichte, 1909, II S. 25; Krause, Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 287, hält die beiden Schöneichs irrtümlich für Vettern. - Caspar von Schöneich war Ritter. Er erhielt 1523 bzw. 1527 verschiedene weltl. Lehen: Schönfeld, Wieschendorf, Santow, Webelsfelde, Wüstenmark, Seefeld, Ballin, Rödlin usw. - Er wurde Kanzler, nachdem der Ratzeburger Domherr Heinrich Bergmeier am 13. April 1507 das Kanzleramt abgelehnt hatte. - Akten: Bestallungen der Hofräte.
57) Schon Lisch betonte vor 100 Jahren (Meckl. Jahrb. 3 S. 69 Anm. 1), daß von Caspar von Schöneich "kein niederdeutsches Wort bekannt ist, so viel er auch geschrieben hat".
58) Socin, Schriftsprache und Dialekte im Deutschen, 1888, S. 163.
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mehr der kaiserlichen Kanzleisprache nähernden Richtung (anlautendes p statt b, und ähnlich k statt g) 59 ). Es scheint daher so, als ob schon unter den Schöneichs in der mecklenburgischen Kanzlei die obersächsische Kanzleisprache die Vorherrschaft errang. - Es findet sich keine Spur davon, daß Caspar von Schöneich sich wie Grunwald bemühte, das Niederdeutsche als Schriftsprache zu erlernen und anzuwenden. Es ist ihm daher ohne Zweifel der Hauptanteil an der weiteren Ausbreitung und endgültigen Einbürgerung des Hochdeutschen als Kanzleisprache in Mecklenburg zuzuschreiben.

Wir sahen, daß der Sieg der hochdeutschen Kanzleisprache seit dem Jahre 1518 entschieden war, und daß hernach nur noch vereinzelte niederdeutsche Schriftstücke auftreten. Es sind daher die Kanzler des Güstrowschen Landesteils: Wolfgang Ketwig (1526-1529) 60 ), Joachim von Jetze (1529-1543) 61 ), Peter von Spengel (1543 bis 1547) 62 ), für die Einbürgerung des Hochdeutschen ohne Bedeutung gewesen.


59) Caspar von Schöneich schreibt im Gegensatz zu Grunwald fast stets: abir, adir, ubirantworten, undirthanen, irheben, irscheinen, irzceigen usw. Die Schreibung "zc" ist typisch für ihn, während sie bei Grunwald im allgemeinen recht selten ist. - Vgl. Socin S. 151, 161/62. Schöneich schreibt stets, selbst noch im Alter: pis, fruchtparlich, ken, kegen, notturft, vorterb, gunstigen neben gonstigen; vgl. Socin S. 162, 194.
60) Wahrscheinlich vom 6. 1. 1526 bis Mitte 1529 Kanzler. Vor und nach seinem Auftreten in Mecklenburg war er Kanzler bei Joachim von Brandenburg. Er stammte vielleicht aus Westfalen, war vom Adel und Dr. beider Rechte. Er wurde 1527 zusammen mit Caspar von Schöneich mit den heimgefallenen Lehngütern des ausgestorbenen Geschlechts der Stalbom belehnt. (Meckl. Jahrb. 26 S. 11-16, 37/39.)
61) Wahrscheinlich von Mitte 1529 bis Neujahr 1543 Kanzler, um diese Zeit trat er von seinem Amt zurück und starb wahrscheinlich Anfang 1551. Von 1529 an bis gegen Ende der 40er Jahre war er zugleich Propst zu Eldena und Pfarrer zu Gadebusch. Er stammte aus einem altmärkischen Adelsgeschlecht; im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts war er Domherr zu Stendal. (Meckl. Jahrb. 26 S. 3-11, 16-24, 27-29.)
62) Von Neujahr 1543 bis wahrscheinlich 7. 1. 1547 Kanzler. Vor und nach seinem Aufenthalt in Mecklenburg war er Rechtsanwalt in Hamburg. Er war wohl vom Adel, Licentiat der Rechte und stammte vielleicht aus Walhausen bei Sangershausen. (Meckl. Jahrb. 26 S. 24-26, 33-36. Dort Näheres über seine weiteren Schicksale.)
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Als Claus Trutmann sich anscheinend Ende 1508 von dem aktiven Dienst als Rentmeister zurückzog, übernahm sein Neffe Balthasar Rotermund, der als Rentschreiber seit Frühjahr 1506 begegnet, die Funktionen des Rentmeisters, wenn er auch erst von 1512 ab mit diesem Titel auftritt. Er wurde 1499 zu Erfurt immatrikuliert und stammte aus dem nahe gelegenen Dorfe Waltersleben, also ebenso wie Trutmann aus mitteldeutschem Sprachgebiet. Bis etwa Mitte März des Jahres 1519 war er gemeinschaftlicher Rentmeister der Herzöge Heinrich V. und Albrecht VII. 63 ). Sein Nachfolger war der "Kammermeister" Jürgen Fineke, ein mecklenburgischer Adliger und Landrat. Dieser blieb wahrscheinlich bis gegen Ende 1521 im Amte. Hernach treten für die beiden Herzöge besondere Rentereibeamte auf. Rotermund wurde Heinrichs Rentmeister. Er verwaltete das Amt noch 1551. Am 21. August 1554 starb er als Herzog Heinrichs "gewesener" Rentmeister und Bürgermeister zu Schwerin.

Bemerkenswert ist es, daß Claus Trutmann, der seine Rentereiregister bis Ende 1507 (1508 ?) ganz überwiegend niederdeutsch geführt hatte, die Überschriften für das Rentereiregister seines Neffen und Nachfolgers vom Jahre 1508/09 sowie seine eigenen Schlußabrechnungen vom Jahre 1509 überwiegend hochdeutsch schrieb. Ebenso hatte Rotermund dem Küchenmeister zu Grabow noch 1507 eine niederdeutsche Quittung ausgestellt, während er 1508 ff. seine Rentereiregister, von einigen wenigen niederdeutschen Wörtern abgesehen, hochdeutsch führte! 64 ) - Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir als Ursache für diesen auffallenden Sprachwandel eine unmittelbare Beeinflussung durch den Kanzler Caspar von Schöneich annehmen. - Dagegen führte Jürgen Fineke seine Rentereiregister 1519 und 1521 niederdeutsch und versah das von 1519 am 23. Dezember


63) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 241. - Weißenborn, Akten der Universität Erfurt 1881 II S. 209. - Er war später Inhaber der Lehngüter Carpin und Gr. Schönfeld. Hederich, Schwerinsche Chronica 1598 S. 38.
64) Ein von R. entworfenes Konzept zu einem Mandat und Schreiben der Herzöge an die Vogteien Parchim, Crivitz und Sternberg von [1507] wegen nachstendiger Königsbede ist niederdeutsch (Hegel Nr. 21). - R. nennt sich hier selbst "Baltzer schriever" . . . Eine Quittung, die Rotermund 1508 dem Vogte und Küchenmeister zu Stargard ausstellt, ist hochdeutsch, abgesehen von: veftein, na, tho - neben zu.
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mit einer eigenhändigen niederdeutschen Anschrift an Herzog Heinrich 65 ).

Als Herzog Albrechts Rentereibeamter tritt seit Ende 1521 der "Kammerschreiber" Johann Bullenberg auf. Im Jahre 1535, wo er zum letztenmal bislang begegnet, führte er den Titel Rentmeister. - Er wurde im Jahre 1513 zu Rostock immatrikuliert und stammte aus Wismar 66 ). - Eine Quittung über den Empfang von Geldern, die er "van weggen myns g. h. hertig Albrecht" am 14. Dezember 1521 zu Wismar dem Küchenmeister von Neukalen ausstellte, ist rein niederdeutsch. Dasselbe ist der Fall bei 2 kurzen Niederschriften (Mottos) auf dem Amtsregister Güstrow 1524/25.

Zwischen 1504 und 1525 begegnet uns eine Anzahl von "Sekretären" und "Schreibern". Die genauere Bestimmung ihrer Funktion ist oft schwierig 67 ). Sekretäre werden auch z. T. die "Räte von Haus aus" 68 ) genannt, und


65) Rein niederdeutsch sind auch die übrigen 2 von Jürgen Fineke eigenhändig geschriebenen Briefe, die bislang festgestellt sind. Beide sind an Herzog Heinrich gerichtet und betreffen den Streit mit Finekes Vettern (3.11.1520) und eine Aufgebotsangelegenheit (12.10.1521). Ein Schreiben Herzog Heinrichs (Kanzleihand) vom 10. 12. 1520, in dem Fineke aufgefordert wurde, mit seinen Registern zur Abrechnung nach Schwerin zu kommen, ist niederdeutsch. - Jürgen Fineke war übrigens, wie schon Crull vermutete (Meckl. Jahrb. 42 S. 5 ff.), der Mann der bekannten, schwer reichen Frau Fineke. Vielleicht wurde ihm aus diesem Grunde das Kammermeisteramt übertragen!
66) Hofmeister, Die Matrikel der Universität Rostock, 1889, II S. 51 b.
67) Über das Kanzlei-Personal der Jahre 1500/04 wissen wir wenig. Es liegt das zum großen Teil daran, daß die Rentereiregister erst wieder von 1504 ab erhalten sind. - In dem Rentereiregister 1504/05 begegnen: Anthonius de scriver, Hinricus Mathes de scriver, Wilhelmus de scriver, wohl identisch mit dem 1504 genannten: Wilhelm, Herzog Balthasars Schreiber, Wir wissen aber nichts Näheres über sie. Anthonius wird mit Anthonius Schröder, Küchenmeister des Amtes Schwerin, identisch sein. - Quellen für den folgenden Abschnitt: Bestallungen der Räte, Sekretäre und Schreiber. Rentereiregister. Stadtarchiv Rostock, s. Anm. 15.
68) Derartige als Sekretäre bezeichnete "Räte von Haus aus" (vgl. Meckl. Jahrb. 86 S. 115) nahmen keine feste Stellung am herzoglichen Hofe ein, sondern wurden für besondere Dienste nach Bedarf herangezogen. (Erhebung von Landbede in einer Reihe von Ämtern oder Städten zur Ablieferung an die Renterei, Überbringung von Geld an fremde Fürstlichkeiten, Zusammenbringung des Materials für die 1. meckl. Polizeiordnung von 1516 (Johann Monnick) usw.) Sie erscheinen daher nicht in den Soldtabellen, sondern wurden (  ...  )
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unter der Bezeichnung "Schreiber" verbirgt sich bisweilen ein Kanzleisekretär!

Leonhard Engeltaler ist von 1504 bis 1519 als Schreiber nachzuweisen. Vielleicht stammte er aus dem Braunschweig-Lüneburgischen. Eine von ihm geschriebene Quittung, die Herzog Heinrich dem Grabower Vogt Henning Oldenborch im Jahre 1504 (28. November) ausstellt, ist rein hochdeutsch. Dasselbe ist der Fall in einer 1507 (10. Februar) von Engeltaler eigenhändig geschriebenen, für denselben Vogt ausgestellten Quittung über den Empfang von Landbede 69 ).

Der Schreiber (Sekretär?) Johannes Smedeberge, der 1506, 1508, 1510 und 1511 begegnet, stammte aus Magdeburg und wurde 1502 zu Rostock immatrikuliert. Er war Priester des magdeburgischen Stifts und Notar. Ein von ihm geschriebener Entwurf zu einem Notariatsinstrument (Vertrag zwischen dem Rentmeister Claus Trutmann und einem Priester wegen eines Hauses zu Schwerin) vom Jahre 1508 ist rein niederdeutsch 70 ).


(  ...  ) durch Pfründen und gelegentliche Geldzuweisungen entschädigt. Solche Sekretäre waren m. E.: Christoph Baltasar: 1506-10, Kirchherr zu Sternberg.
Joachim Litzmann: 1508-13: er begegnet bereits 1498 und 1501, wenn auch ohne Bezeichnung und Funktion eines "Sekretärs"; Priester Havelbergschen Stiftes und Notar.
Johann Monnick: 1508-18: er begegnet bereits 1502, wenn auch ohne Bezeichnung und Funktion. Er stammte aus Hamburg, 1496 wurde er zu Rostock immatrikuliert, 1497/98 Baccalaureus artium. Er war Priester des Havelbergischen Stiftes und Notar, besaß eine Reihe von geistl. Pfründen. In hervorragender Weise war er bei der Vorbereitung der Polizeiordnung von 1516 tätig. Das Niederdeutsche beherrschte er völlig. Noch 1518 schrieb er an Herzog Heinrich rein niederdeutsch. Vgl. Groth, Meckl. Jahrb. 57 S. 312/18.
Jürgen Offenberger: 1509-13. 1513 stellt er als "meckelnborgsche Sekretarius" den Herzögen eine hochdeutsche Quittung über den Empfang von 100 bzw. 90 Gulden aus, "deshalben, das ich wesenlich in irer f. g. lande wonen und bleyben soll".
Sebastian Schenk (von Schweinsberg): 1521-35. 1521 Herzog Albrechts Sekretär, 1524 ff. bei Herzog Heinrich, 1529 Sekretär von dessen Sohn Magnus, 1531-35 Herzog Heinrichs Sekretär und Rat. Er war Magister und stammte aus Schweinsberg - also aus hochd. Sprachgebiet. 1521 erhielt er einige geistl. Pfründen, 1534 war er Propst zu Güstrow. Meckl. Jahrb. 3 S. 88, 8 S. 38, 52 S. 233, 57 S. 316/17.
69) Sein Vetter war Baumeister bei Herzog Heinrich d. mittl. von Braunschweig. - 1523 begegnet er als Kirchherr zu Wesenberg.
70) Rostocker Matrikel II S. 13 a.
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Jürgen Fineke 71 ), der von 1507 bis 1521 als Schreiber auftritt, könnte dem Namen nach ein Mecklenburger gewesen sein.

Nicolaus Baumann, der von 1507 bis 1526 als Schreiber bzw. als Sekretär begegnet, war sicher kein Mecklenburger. Er schrieb nachweisbar hochdeutsch, doch dürfen wir auch wohl mit Lisch annehmen, daß er das Niederdeutsche beherrscht hat 72 ).

1508 begegnet uns ein Schreiber Dietrich, bei dem es zweifelhaft ist, ob er mit einem Dietrich Runge, der 1506 auftritt identisch ist.

Michel Hildebrant ist von 1509 bis 1518 als Schreiber, seit 1519/20 bis 1534 als Sekretär Herzog Heinrichs bezeugt 73 ). Er stand in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu Heinrich und zum Kanzler Caspar von Schöneich, dessen rechte Hand er offensichtlich war. Dieser korrigierte seine Entwürfe durch, während Hildebrant andererseits Schöneichs Konzepte ergänzte. Er hatte die Reinschrift und die Besiegelung von wichtigen Urkunden und Briefen vorzunehmen. Nach Schöneich und Rotermund war er die einflußreichste Persönlichkeit in der Kanzlei Heinrichs V. 74 ). In den 20er und 30er Jahren entwarf er häufiger selbständig Konzepte für wichtige Schreiben und Urkunden. - Die von ihm geschriebenen Urkunden und seine eigenhändigen Briefe und Berichte (1522, 1523, 1529) sind hochdeutsch 73 ).


71) Nicht zu verwechseln mit dem Rentmeister gleichen Namens; im Rentereiregister von [1521] führt der Kammermeister Jürgen Fineke einen "Jürgen Fineken schriver" auf.
72) 1520-26 Kanzlei-Sekretär Heinrichs V. - Meckl. Jahrb. 4 S. 188 ff., 203, 205/08. Lisch, von Oertzen II 2 S. 349/50. - B. war Nicht-Mecklenburger, alles Übrige ist unbewiesen. (Meckl. Jahrb. 4 S. 199, Allgem. Deutsche Biographie 2 S. 154.)
73) Meckl. Jahrb. 3 S. 67, 186/87, 4 S. 195, 12 S. 237, 15 S. 300, 57 S. 316. - Lisch (Meckl. Jahrb. 4 S. 195, 12 S. 236, 237, 275) identifiziert ihn einmal (1532) irrtümlich mit Michael Hiltprand, der von 1509 ab als Kaplan und Privatschreiber Albrechts VII. begegnet. Dieser war später anscheinend Rat von Haus aus, zwischen 1524 und 1527 muß er verstorben sein. Er stammte aus Überlingen in der Diözese Constanz und war seit 1513 Pfarrer zu Sternberg. Er schrieb hochdeutsch. (Akten: Religio catholica.) - Die beiden Hildebrands sind an Schrift, Sprache und Siegel ganz verschieden.
74) Nächst ihm folgte an Bedeutung: Nicolaus Baumann. - Johannes Monnick (f. Anm. 68) versah einen zu Friedland 1519 eigenhändig geschriebenen, an den Kanzler Caspar von Schöneich gerichteten Brief mit folgendem Zusatz in der Anschrift: "In afwesen Micheln Hildebrandt und Nicolaußen Buman, secretarien".
73) Meckl. Jahrb. 3 S. 67, 186/87, 4 S. 195, 12 S. 237, 15 S. 300, 57 S. 316. - Lisch (Meckl. Jahrb. 4 S. 195, 12 S. 236, 237, 275) identifiziert ihn einmal (1532) irrtümlich mit Michael Hiltprand, der von 1509 ab als Kaplan und Privatschreiber Albrechts VII. begegnet. Dieser war später anscheinend Rat von Haus aus, zwischen 1524 und 1527 muß er verstorben sein. Er stammte aus Überlingen in der Diözese Constanz und war seit 1513 Pfarrer zu Sternberg. Er schrieb hochdeutsch. (Akten: Religio catholica.) - Die beiden Hildebrands sind an Schrift, Sprache und Siegel ganz verschieden.
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Von 1511 bis 1517 begegnet uns ein Schreiber Florian (Florentz).

Henning (Heinrich) Stein ist uns sicher von 1515 bis 1517, wahrscheinlich aber von 1512 ab als Schreiber bezeugt. Seit 1519 begegnet er als Küchenmeister des Amtes Schwerin. Ein von ihm 1521 an Herzog Heinrich gerichtetes Schreiben ist rein niederdeutsch.

Der Schreiber Martin der Schwabe (1513-1518) war, wie sein Zuname zeigt, ein Oberdeutscher.

Barthold (Bartholomeus) Sandow, als Schreiber von 1516 bis 1520 nachweisbar, später (1530/1535) Heinrichs Sekretär, 1534 als Rat und Sekretär bezeichnet, stammte aus Güstrow und wurde 1507 zu Rostock immatrikuliert 75 ).

Vicke Hildebrant begegnet uns 1518, es steht nicht fest, ob er Schreiber oder Sekretär war. Er stammte aus Schwerin, wurde 1511 zu Rostock immatrikuliert und 1513 Baccalaureus artium 76 ).

Das Kanzleipersonal war also bunt zusammengewürfelt: Mecklenburger, Niederdeutsche aus anderen Staaten, Mitteldeutsche und mindestens ein Oberdeutscher.

Von diesen Kanzleibeamten werden Leonhard Engeltaler, Nicolaus Baumann und vor allem Michel Hildebrant für die weitere Ausbreitung und endgültige Einbürgerung der hochdeutschen Schriftsprache in der Kanzlei während der Zeit der Kanzlerschaft Caspar von Schöneichs von einiger Bedeutung gewesen sein, da sie das Hochdeutsche zum mindesten sehr bevorzugten.

Wir dürfen annehmen, daß die aus Niederdeutschland stammenden Sekretäre und Schreiber sich der hochdeutschen Sprache nach dem Vorbild Caspar von Schöneichs und ihrer nur hochdeutsch schreibenden Kollegen in steigendem Maße bedienten. Es mußte für sie auf die Dauer bequemer sein, die Konzepte Schöneichs nicht erst ins Niederdeutsche zu übersetzen, sondern sie gleich hochdeutsch abzuschreiben. Doch wurde offensichtlich bei den für weitere Kreise des Volkes bestimmten Verordnungen, Erlassen und Ausschreiben noch geraume Zeit darauf


75) Rostocker Matrikel II S. 27 b. - Die von ihm geschriebenen Kopien der Landesteilungsregister von 1520 sind hochdeutsch.
76) Rostocker Matrikel II S. 45 b, 54 b. - 1531 war er Küchenmeister zu Bützow.
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Wert gelegt, daß sie in der Regel in niederdeutscher Sprache ergingen, bis schließlich die Bequemlichkeit der Schreiber und der sich immer weniger bemerkbar machende Widerstand der großen Menge gegen das Hochdeutsche auch diese Rücksichtnahme allmählich bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts fallen ließ.

III.

Aufnahme, Ausbreitung und Einbürgerung der hochdeutschen Schriftsprache bei der Bevölkerung Mecklenburgs.

1. Beim Adel.

Die hochdeutsche Schriftsprache fand in Mecklenburg, wenn wir von den Fürsten und dem Kanzleipersonal absehen, am frühesten beim Adel Aufnahme.

Soweit ersichtlich, bediente sich zuerst der mecklenburgische Adlige Otto Maltzan, der mit Herzog Magnus in Fehde geraten war und zeitweise auf dem Schlosse Hartenstein in der Oberpfalz weilte, in seinen 1497 und 1498 von dort aus an Herzog Magnus, an den mecklenburgischen Ritter Klaus Hahn und an den Kurfürsten von Brandenburg gerichteten Schreiben der hochdeutschen Sprache 77 ). 1508 schrieb Bernd Maltzan von Stavenhagen aus an den Kanzler Caspar von Schöneich hochdeutsch. Dagegen war noch ein Brief, den er 1505 an die mecklenburgischen Herzöge richtete, wie alle seine früheren Briefe und Urkunden aus den Jahren 1478 bis 1502 rein niederdeutsch. Ferner schickte 1508 Eckhard von Quitzow ein fast rein hochdeutsches Einladungsschreiben an Herzog Heinrich 78 ). 1514 sandten Wedege Gans zu Putlitz und Achim von Bülow von Neubrandenburg aus an die Herzöge Heinrich und Albrecht eine hochdeutsch abgefaßte Klageschrift gegen Bernd Maltzan 79 ) 1526 und 1529 schrieb Georg Maltzan an Herzog Heinrich hochdeutsch 80 ), 2 gedruckte Streitschriften des Klaus von Passow zu Goldberg gegen Henning Holstein zu Ankershagen aus den Jahren 1528 und


77) Lisch, von Maltzan IV S. 262/68, 279/80, vgl. S. 173/74.
78) Lisch, von Maltzan IV S. 393/94, 365/66; 53/55, 110/113, 117/18, 128/32, 207/08, 236/37, 240/41, 281/82, 303, 311, 329/30, 336/39. Lisch, von Oertzen II 2 S. 337/38, dat. tom Vagedeshagen.
79) Lisch, von Maltzan IV S. 437/42.
80) Lisch, von Maltzan V S. 57/59, 81, dat. Graupen bzw. Penzlin.
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1530 sind hochdeutsch 81 ). 1532 sandte Henning Holstein von Ankershagen aus an die zu Güstrow versammelten Landstände eine hochdeutsche Schrift, in der er sich darüber beschwerte, daß Herzog Albrecht ihm seinen Kornhandel unterbunden hatte 82 ). Von Wickenwerder aus richtete er 1538 an den herzoglichen Leibarzt Koltsch einen hochdeutschen Brief, und 1539 stellte er zu Ankershagen eigenhändig einen hochdeutschen Revers dem Magister Simon Leupold aus. Dieser war von Anfang 1538 bis Mitte 1539 bei ihm als Erzieher seiner Kinder und als Schreiber tätig, stammte aus dem hochdeutschen Sprachgebiet (Prettin a. d. Elbe) und schrieb neben lateinisch nur hochdeutsch 83 ). Dagegen hatte Henning Holstein 1519 mit Achim Barenfleth einen Vertrag in niederdeutscher Sprache abgeschlossen und noch 1526. an Herzog Heinrich V. ein niederdeutsches Schreiben abgesandt 84 ). Niederdeutsch sind 4 Urkunden und 1 Brief Lippolds von Oertzen aus den Jahren 1508, 1519, 1520, 1530, 1535 85 ), ferner 3 an mecklenburgische Herzöge gerichtete Briefe des Matthias von Oertzen aus den Jahren 1531 (eigenhändiges Schreiben), 1535, 1537. Dagegen läßt seine Witwe um 1550 an Herzog Johann Albrecht hochdeutsch schreiben. Aus den Jahren 1571 und 1575 haben wir je ein weiteres hochdeutsches Schreiben von Angehörigen der Familie von Oertzen 86 ). Eine Urkunde des Henneke von Plessen aus dem Jahre 1509, ein Schreiben der Plessen an den fürstlichen Vogt zu Grevesmühlen von 1526 und ihr Absagebrief an den Bischof von Ratzeburg aus dem Jahre 1529 sind niederdeutsch 87 ). Philipp Prignitz schrieb 1535 an Herzog Heinrich niederdeutsch 88 ). Es richteten Klaus Lützow 1528, Baltasar und Achim Weltzin 1530 und Achim Hahn 1534 an die Stadt Wismar eigenhändige niederdeutsche Schreiben 89 ).

Von 13 aus den Jahren 1503 bis 1529 stammenden Urkunden, die als Aussteller mecklenburgische Adlige nennen, ist nur


81) Meckl. Jahrb. 4 S. 174.
82) Landtagsakten S.A. Vol. I.
83) Meckl. Jahrb. 5 S. 139/42; 165/67, 203, 237/39.
84) Meckl. Jahrb. 23 S. 244/45; Landtagsakten S.A. Vol. I.
85) Lisch, von Oertzen II 2 S. 335/37, 365/67, 368/69, 392/93, 409/10.
86) Lisch, von Oertzen II 2 S. 395/96, 405/06, 414/15, 425/27, 437/39, 443/44.
87) Lisch, von Oertzen II 2 S. 341/42; Meckl. Jahrb. 16 S. 83/84.
88) Meckl. Jahrb. 28 S. 281/82.
89) Stadtarchiv Wismar Tit. V Vol. II.
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eine hochdeutsch. Es ist eine zu Schwerin ausgestellte Urfehde-Urkunde des Volrath vom Busche aus dem Jahre 1527 90 ). Ich halte es aber für wahrscheinlich, daß die Urkunde aus der herzoglichen Kanzlei stammt. Die übrigen 12 Urkunden - je eine aus dem Jahre 1503, 1504, 2 von 1507, je eine von 1515 und 1516, 3 von 1520, eine von 1521, je eine von 1527 und 1529 - sind niederdeutsch 91 ). Aus den folgenden Jahren sind bisher nur vereinzelte Urkunden veröffentlicht: Eine Urkunde der Gebr. Hahn zu Basedow von 1539 ist niederdeutsch 92 ). Eine Urkunde Christophs von Bülow über eine Anleihe bei einem Karthäuser-Prior von 1550 ist gleichfalls niederdeutsch 93 ). Hochdeutsch ist ein Vergleich des Achim von Dewitz mit dem Kloster Wanzka aus dem Jahre 1551 94 ). Urkunden der Boths auf Kalkhorst vom Jahre 1563 (11. Februar und 7. Juni) sind niederdeutsch: Die letzten, bislang festgestellten niederdeutschen Urkunden, die mecklenburgische Adlige als Aussteller nennen 95 ).

Diese wenigen Urkunden und Briefe geben uns aber nur ein unvollständiges Bild von dem Vordringen der hochdeutschen Schriftsprache beim mecklenburgischen Adel. Sie zeigen uns, daß es um die Jahrhundertwende sich anbahnte, aber bei den einzelnen Persönlichkeiten recht verschieden gewesen ist. - Bemerkenswert ist es, daß Bernd Maltzan und Henning Holstein, die in der Sage unter dem Namen "de böse Bernd" und "Henning Bradenkirl" als berüchtigte Raubritter fortleben, nicht nur bei der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache, sondern auch auf andern Gebieten sich als fortschrittlich gesinnte Menschen zeigten: Beide sind die ersten mecklenburgischen Adligen, von denen sich nachweisen läßt, daß sie einen eigenen Getreidehandel im Großen nach außerhalb mit Hilfe der Flußschiffahrt betrieben (1510 bzw. 1532) 96 ). Henning


90) Wigger, von Blücher I, Urkunden-Anhang, S. 531, nd.: tho.
91) Lisch, von Oertzen II 2 S. 320/21, 367/68, 369/70: Lisch, von Hahn III, Urkunden-Anhang, S. 24/28: Lisch Meckl. Urkunden (Neuklostersche Urkunden) S. 254/55; Wigger, von Blücher I, Urkunden-Anhang, S. 469/70, 507: von Kamptz, Urkunden-Anhang S. 42/43, 65/67: Masch, Geschichte und Urkunden der Familie von Kardorff 1850, S. 321: Meckl. Jahrb. 7 S. 306/07, 11 S. 338/40.
92) Lisch, von Hahn III, Urkunden-Anhang, S. 28/36.
93) Meckl. Jahrb. 27 S. 65/66, hd.: ich.
94) Gantzer, von Dewitz I S. 414/16.
95) Meckl. Jahrb. 21 S. 207/08, 213/14; Hersteller der Urk. wahrscheinlich das St. Johanniskloster zu Lübeck.
96) Vgl. Meckl. Jahrb. 86 S. 119 Anm. 94.
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Holstein gehört auch wahrscheinlich zu denjenigen mecklenburgischen Adligen, die sich zuerst der Reformation anschlossen 97 ).

Einen gewissen Anhalt über die Zeit, in der im allgemeinen das Hochdeutsche als Schriftsprache beim Adel durchgedrungen sein mag, geben uns die von der Gesamtheit der Stände oder von den sich lediglich aus Adligen zusammensetzenden landständischen Ausschüssen ausgestellten Urkunden und Aktenstücke.

Die Union der mecklenburgischen Landstände von 1523 ist in niederdeutscher Sprache abgefaßt 98 ). Die Erneuerung des kleinen Unionsausschusses von 1554 ist niederdeutsch 99 ). Die Urkunde, in der die Bevollmächtigung des Ausschusses durch die Gesamtheit der Stände im Jahre 1555 ausgesprochen wurde, ist hochdeutsch 100 ). - Bereits 1526 richteten die Stände an die Herzöge 2 hochdeutsche Schreiben 101 ). Dagegen haben wir aus den Jahren 1531 bis 1534 eine größere Zahl von niederdeutschen Schreiben, welche der kleine Unionsausschuß an die Herzöge und an die Stadt Rostock richtete 102 ). Alle späteren, im Jahre 1554 wieder einsetzenden Schreiben und Aktenstücke, die von den Landständen, Landräten und vom Ausschuß herführen, sowie die Urkunden von 1555,1558,1561,1564,1573 ff. sind hochdeutsch 103 ).

Wir dürfen somit wohl sagen, daß die hochdeutsche Schriftsprache beim mecklenburgischen Adel als


97) Lisch, von Maltzan IV S. 405/06; 86: Meckl. Jahrb. 5 S. 139/42: 59 S. 286/88; Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg 1879, I S. 320/22.
98) S.A. Urk. der meckl. Landstände, gr. und kl. Union.
99) Hegel Nr. 50.
100) S.A. Landtagsakten, Kopialbuch von 1555, Fol. 31-33.
101) S.A. Landtagsakten 17. 1., 20. 2. 1526.
102) 9. 12. 1531 an Rostock (Hegel Nr. 39), 17. 1. 1532 an die Herzöge (S.A. Landesteilungsakten Vol. XX), 5. bzw. 17. 4. 1532 an die Herzöge (Ro.A. Korrespondenz mit Wismar), 30. 4. 1532 an die Herzöge (S.A. Landesteilungsakten Vol. XX), 23. 3. 1534 an Rostock (Ro.A. Korrespondenz m. d. meckl. Landständen), 16. 4. 1534 an Rostock (Hegel Nr. 41).
103) Ro.A. Landtagsakten II und III; S.A. Landesteilungsakten Vol. XXII, Landtagsakten, Urk. der meckl. Landstände. - Der nur hd. schreibende Magister Simon Leupold (vgl. S. 187) war 1555/73 Sekretär des Ausschusses der Landstände. Er stammte aus Prettin in Sachsen, studierte 1531 ff. in Wittenberg und war seit Michaelis 1539 herzogl. meckl. Kanzleisekretär. Allgem. Deutsche Biographie 18 S. 495/96.
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Korporation und daher wohl auch beim größten Teil der einzelnen Adligen zwischen 1534 und 1554 gegenüber der niederdeutschen den Sieg errang. Verstanden wurde das Hochdeutsche im allgemeinen schon früher, da die Adligen sich, wie wir sahen, verschiedentlich hochdeutsche Urkunden von der herzoglichen Kanzlei ausstellen ließen. Außerdem wurden von den Landräten geleistete Gutachten und Abschiede 1508 und 1522 hochdeutsch abgefaßt 104 ), und 1524 und 1539 hielt Herzog Heinrich auf Landtagen längere Vorträge in hochdeutscher Sprache. Hochdeutsch war auch die Rede, die Herzog Magnus vor den Ständen des Landes Wenden beim Empfang der Huldigung zu Krakow im Jahre 1548 hielt 105 ).

Bei der frühen Aufnahme der hochdeutschen Sprache durch verschiedene mecklenburgische Adlige ist es sicher, daß der Anstoß dazu nicht von der herzoglichen Kanzlei ausgegangen sein kann. Wir haben den äußern Anlaß darin zu suchen, daß im 15. und 16. Jahrhundert mecklenburgische Adlige als Lehnsleute in größerer Zahl häufig im Dienste ihrer Fürsten bei den vielen Kriegen des Reichs (Ungarn- und Türkenkriege, Romzüge usw.) oder bei den häufigen Fehden und Reisen der mecklenburgischen Herzöge nach Mittel- und Oberdeutschland kamen. Gar mancher weilte auch längere Zeit als Söldner oder als Student auf hochdeutschem Sprachgebiet. Der mehr oder minder stark entwickelte Drang in die Ferne, Alter, Begabung, wirtschaftliche Verhältnisse, Fehden und Zwistigkeiten mit den Landesherren und Standesgenossen dürften hier eine bedeutende Rolle gespielt haben. Späterhin mögen die aus der herzoglichen Kanzlei ergangenen Schreiben andere Adlige, die sich noch nicht die hochdeutsche Sprache angeeignet hatten, veranlaßt haben, auch die hochdeutsche Schriftsprache anzunehmen.

2. Bei den herzoglichen Amts-Vögten (Amtmännern, Hauptleuten), Küchenmeistern, Kornschreibern und Küchenschreibern.

Aus den Jahren 1508, 1519, 1521, 1525, 1528, 1529, 1530 usw. sind Schreiben und Berichte von Beamten der Vogteien bzw. Ämter in größerer Zahl erhalten. Sie sind zumeist an die Herzöge, an die Kanzler, Rentmeister und Sekretäre gerichtet. Außerdem sind noch zahlreiche Quittungen vorhanden,


104) S. S. 161/62.
105) S. S. 173 Anm. 36.
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in denen die Vögte, Küchenmeister oder Korn- und Küchenschreiber der Ämter den Beamten von andern Ämtern den Empfang von Geld, Vieh, Wolle, Bier, Lebensmitteln usw. bescheinigen 106 ).

Die große Masse dieser Schriftstücke ist - soweit sie von den betreffenden Beamten eigenhändig oder von ihren Schreibern verfaßt sind 107 ) - bis zum Jahre 1551 einschließlich niederdeutsch. In ganz vereinzelten Fällen macht sich seit Ende der 20er Jahre das Eindringen der hochdeutschen Sprache bemerkbar:

Jost Schubbers, Küchenmeisters zu Buckow, eigenhändig geschriebene Abrechnung mit Herzog Albrecht VII. über Bau und Ausrüstung eines Schiffes, dat. Wismar 22. März 1529, enthält einige hochdeutsche Wörter: Ich (neben ick), Kuchmayster, pezalt, peken (bekeme), zu (neben to). Das Konzept zu einer Quittung Schubbers über den Empfang von Lohn für die Schiffszimmerleute vom 1. Juni 1529 ist fast ganz hochdeutsch (niederdeutsch nur: aff, na) 108 ).

Achim Passow, Vogt zu Schwaan, richtet 1535 ein Schreiben an Rostock, das niederdeutsch mit einigen hochdeutschen Wörtern ist, ein zweiter Brief vom selben Jahr ist typisch messingsch 109 ).

In den 40er Jahren begegnen in einigen Schreiben verschiedener Amtsbeamten einige hochdeutsche Wörter, z. B. ich, freuntlich, freunde, nicht, gekofft, hab, kuchmeister, frei, hertzog. Einmal ist die Anschrift hochdeutsch.

An hochdeutschen Schriftstücken (gelegentlich haben sie einige niederdeutsche Wörter) sind vor 1552 bislang folgende ermittelt:

1543 (10. Okt., dat. Stargard): Adam Hoffmann, Küchenmeister zu Strelitz, bescheinigt eigenhändig dem Stargarder Küchenmeister Johann Koch den Empfang von 400 Gulden für Ankauf von Wein.


106) Quellen: Amtsakten: Beamte, Beschreibung, Register einschl. der Belege; Repertorien-Verzeichnis der Amtsbeamten: Renterei-Belege.
107) Nicht berücksichtigt sind natürlich die von Beamten der Renterei geschriebenen Abschriften oder Auszüge.
108) Renterei-Belege: Handelsunternehmungen der Herzöge Heinrich V. und Albrecht VII. - Doch war Schubbers vermutlich kein Mecklenburger.
109) Ro.A. Landtagsakten I.
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1544 (13. Okt., "auf slos alden Stargath"): Benedictus Forstenue 110 ) bescheinigt eigenhändig dem Stargarder Amtmann (Vogt) Johann Stedtfelder den Empfang von 230 Gulden für denselben Zweck 111 ).

1546 (29. Juni, dat. Fürstenberg): Hans Bultzing, Küchenmeister zu Fürstenberg, bescheinigt demselben Hauptmann zu Stargard den Empfang von Malz.

1547 (9. Juni, dat. Fürstenberg): Derselbe bescheinigt demselben den Empfang von Speck und Schmalz.

1546 (15. Dez.) und 1548 (11. Mai): Johann Andresen (Hans Andreas, auch Johann Dene genannt, ein Däne von Geburt), Vogt zu Wredenhagen, berichtet Herzog Heinrich über die Teilung des Malzes in der Mühle zu Röbel.

1547 (7. Februar, dat. Schwerin): Engelke Rostock, Küchenmeister zu Schwerin, bescheinigt dem Stargarder Vogt den Empfang von Lebensmitteln. - Jedoch ist hierbei zu bemerken, daß diese Quittung von einem Schreiber geschrieben ist und daß Rostock - aller Wahrscheinlichkeit nach - in demselben Jahre (15. Nov.) eigenhändig eine für das Amt Stargard bestimmte Bescheinigung in rein niederdeutscher Sprache ausstellt. Dasselbe ist auch der Fall bei einer Quittung Rostocks vom 27. Mai 1548, ausgestellt dem Güstrower Küchenmeister Bastian Harbrecht.

1551 (18. März, dat. Ribnitz): Lorenz Mathei, Küchenmeister zu Ribnitz, berichtet dem Herzog Johann Albrecht über Schäden an den fürstlichen Häusern zu Ribnitz und bittet um Dienstentlassung, da der neue Vogt seinen eigenen Schreiber mitgebracht hat. (Mit einigen niederdeutschen Wörtern: nha, dacklos, vatter, schriber, by, liden, innahm, entleddigen.)

Von 1552 ab ist die Mehrzahl der Schreiben und Quittungen hochdeutsch. Der Übergang zur hochdeutschen Schriftsprache vollzieht sich vielfach innerhalb weniger Jahre. So schreibt 1550 der Wesenberger Küchenmeister Heinrich Lembach an den herzoglichen Sekretär Magister Simon Leupold niederdeutsch mit einigen wenigen hoch-


110) Über seinen Wohnsitz und über seine Funktion war nichts zu ermitteln.
111) Aus den Jahren 1545 und 1547 liegen bei den Belegen des Amtes Stargard 2 hochdeutsche Quittungen des Münzmeisters zu Gadebusch Bernhard Jungelingk, ausgestellt dem Stargarder Amtmann Stedtfelder für den Empfang von Pacht und Landbede. - Doch ist der Münzmeister in erster Linie als Organ der Zentralverwaltung zu betrachten.
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deutschen Wörtern. Im Jahre 1555 bescheinigt er dem Hauptmann Asmus Schröder zu Wredenhagen den Empfang von Pacht hochdeutsch; niederdeutsch ist nur noch: negen (9).

Doch macht sich in den 50er Jahren gelegentlich ein merkwürdiges Schwanken bemerkbar:

Niclaus Tide, Küchenmeister zu Schwerin, stellt in den Jahren 1554-1559 (dat. Schwerin) eigenhändig 12 Quittungen den Küchenmeistern zu Stargard, Wredenhagen, Wittenburg, Dobbertin, Gadebusch und Rehna aus. 11 von diesen sind hochdeutsch. - Gelegentlich haben sie einige niederdeutsche Wörter: scheperie, botter, schaep (= Schafe), buhowe, frig, tunne. - Hingegen ist die zwölfte, mitten in der Reihe stehende Quittung vom 21. November 1556, die ebenso wie die unmittelbar vorangehenden und folgenden Quittungen vom 11. August 1556 und vom 23. Januar 1557 für denselben Küchenmeister von Wittenburg ausgestellt ist, niederdeutsch bis auf einige hochdeutsche Wörter: ich, dreitzehen, ochsenm, sechs, einhundert achtzehn, nach!

Einige - wohl ältere Beamte - halten ziemlich zäh an der niederdeutschen Sprache fest:

Der Küchenmeister zu Güstrow Hans Ebel stellt 1551, 1552, 1552, 1554, 1555 eigenhändig (dat. Güstrow) 9 Quittungen aus für die Küchenmeister zu Stargard: Johann Koch, Lorenz Deiher bzw. Peter Thunnecke, für den Landrentmeister Sigmund von Esfeldt und für den Güstrower Hauptmann Stellan Wakenitz, und zwar niederdeutsch mit einigen wenigen hochdeutschen Wörtern: ich (neben ick), hab, hertzogk, auch, kuchemester (neben kakemester), thaler (neben daler). Eine zehnte Quittung (1555), die ebenso wie die vorangehende desselben Jahres für Thunnecke ausgestellt, aber nicht von Ebel eigenhändig geschrieben wurde, ist hochdeutsch.

Stellan Wakenitz, Hauptmann zu Strelitz, ein geborener Pommer, schreibt am 11. Juli 1564 von Strelitz aus an Herzog Johann Albrecht eigenhändig niederdeutsch mit einigen wenigen hochdeutschen Wörtern: das, haben, kuchemester, mich, zeit, mir, file (= viel). Hingegen sind 3 von ihm ausgestellte, aber nicht eigenhändig geschriebene Quittungen und Schreiben aus den Jahren 1565 (27. April, dat. Schwerin) bzw. 1586 (5. Dezember) und 1587 (27. Februar) - er war seit 1576 Hauptmann zu Neustadt -. hochdeutsch verfaßt.

Der "alte Kuchemeister" zu Stargard Hans Kock, der den Herzögen 46 Jahre gedient hatte, schreibt im Jahre 1565

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(19. Juni, dat. alten Stargardt) an Eitel Schenck, Hauptmann zu Ivenack und Bürgermeister zu Neubrandenburg, über seine Notlage niederdeutsch mit ganz wenigen hochdeutschen Wörtern: ausschoß, das, der, kuchemeister, tragen, ufgebracht.

Sonst sind in den 60er und 70er Jahren auch die eigenhändigen Schreiben der Amtsbeamten hochdeutsch, wenn auch selten stärkere oder geringere Beimengungen von niederdeutschen Wörtern begegnen: ick, tho, gedent, kordt, blive, gedan, hebben, ock, dat, unangespreken, wethen, avergen usw. (Jacob Netzeband, Küchenmeister zu Plau, 1567 an Herzog Ulrich), ick, van, by, thruwen (Revers des Balzar Köhne, Küchenmeisters zu Neustadt, 1575).

Das letzte bislang festgestellte Schreiben eines Amtsbeamten, das noch eine stärkere Beimischung von niederdeutschen Wörtern enthält, ja, zum guten Teil geradezu als "messingsch" bezeichnet werden kann, ist das eigenhändige Schreiben, das Diderich Stralendorff, Hauptmann zu Stargard (Broda und Feldberg), an Herzogin Elisabeth, "geboren uth konniglichem stammen zu Dennemarck" (Gattin Herzog Ulrichs V.), am 16. September 1589 (dat. uff e. f. g. huse alten Stargerth) richtete.

Die Register (Rechnungen) und Beschreibungen (Amtsbücher) der Ämter, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durchweg niederdeutsch verfaßt sind, werden seit 1552/53 in steigendem Maße hochdeutsch geführt. Der Wandel vollzieht sich auch hier verhältnismäßig rasch, wenn sich auch hier gelegentlich ein Schwanken in der Sprache oder eine Beimengung von einigen niederdeutschen Wörtern bemerkbar macht: inname, ingehaven, uthgave, bliff[t], hertogen, höner, botter, wulle, tunnen, hoppen, solt, tho, de, olde usw.

Das letzte bislang ermittelte niederdeutsche Register, ein Bukower Register, ist vom Jahrgang 1565/66. Vereinzelte niederdeutsche Wörter begegnen aber noch weit darüber hinaus in den Registern und Amtsbüchern.

3. Bei den Städten.

Erheblich später als beim Adel erfolgte die Aufnahme und Einbürgerung des Hochdeutschen als Schriftsprache bei den Städten. Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts herrschte das Niederdeutsche noch unumschränkt.

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Zuerst wurde die hochdeutsche Schriftsprache beim Rat der Stadt Güstrow eingeführt. Ein Schreiben an Rostock vom Jahre 1534 ist noch niederdeutsch, die folgenden von 1540, 1541, 1554 usw. sowie ein Schreiben an Herzog Albrecht von 1544 sind hochdeutsch 112 ). Dasselbe ist der Fall bei den Protokollbüchern des Rates der Jahre 1537 ff. 113 ). Die in hochdeutscher Sprache verfaßten Beschwerden der Landstädte über Handelsunternehmungen des Adels, die 1536 den Herzögen übergeben wurden 114 ), stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Schreibstube des Rates der Stadt Güstrow. Denn diese hatte zu jenen Zeiten die Führung der Landstädte. - Das Hochdeutsche wurde also wahrscheinlich zwischen 1534 und 1536 bzw. 1540 in der Güstrower Ratskanzlei heimisch.

Aus der Tatsache, daß die gemeinsamen Beschwerden der mecklenburgischen Landstädte hochdeutsch abgefaßt wurden, kann man den Schluß ziehen, daß bei den Ratsherren dieser Städte im Jahre 1536 bereits ein genügendes Verständnis des Hochdeutschen vorhanden war.

Das Schweriner Stadtverlaßbuch 115 ) ist bis zu den ersten beiden Eintragungen von 1548 niederdeutsch geführt.


112) Ro.A. Korrespondenz mit Güstrow; Landtagsakten I: ein Schreiben von 1540, 3 von 1541, je 1 von 1554, 1579, 1602, 1604. - S.A. Stadtakten Güstrow: 1 Schreiben von 1544, das nächste von 1548, an Herzog Heinrich wegen der doppelten Landbede, ist niederdeutsch. Vielleicht half hier ein Schreiber, dem das Niederdeutsche geläufiger war, aus. - Das Hochdeutsche muß von Güstrower Bürgern verhältnismäßig früh angewandt worden sein: Die Eingabe eines Güstrower Bürgers Achim Buther von 1537, 1 Schreiben des Freibäckers Lorenz Thorwerter an den herzogl. Sekretär Magister Simon Leupold von 1546 und 1 Quittung des Bürgermeisters Jochim Ballich von 1550 sind hochdeutsch. Doch ist die Klage eines Güstrower Bürgers von 1557 niederdeutsch. Meckl. Jahrb. 14 S. 160.
113) Meckl. Jahrb. 14 S. 155/57. - Jedoch nur in Abschrift erhalten!
114) Hegel Nr. 44.
115) Depositum der Stadt Schwerin im Geh. und Haupt-Archiv, vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 212. - Schreiben der Stadt Schwerin an die Herzöge konnten aus den in Frage stehenden Zeiten in den Beständen des Geh. und Haupt-Archivs (S.A.) nicht ermittelt werden. - Eine von Bürgermeister und Rat dem herzogl. Stadtvogt von Schwerin (Huprecht Sybe) ausgestellte Urkunde vom Jahre 1544 ist niederdeutsch. Eingaben Schweriner Bürger an Herzog Heinrich von 1523, [1523] und 1549 sind hochdeutsch. Doch ist es wahrscheinlich, daß die ersten beiden Stücke von herzogl. Kanzleibeamten geschrieben sind; die Eingabe von 1549 richtete der Schweriner Bürger und Färber Anthonius Gotze von Burg Stargard (olden Stargerty) an seinen Landes- (  ...  )
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Die nächste Eintragung vom selben Jahr 1548 und von derselben Hand, die übrigens schon 1546 begegnet, ist messingsch, die darauf folgende ist hochdeutsch mit einigen wenigen niederdeutschen Wörtern, dann folgen noch 2 niederdeutsche Eintragungen derselben Hand. Von einer neuen Hand folgen: je eine niederdeutsche Eintragung vom Jahre 1549 und 1550, je eine hochdeutsche und niederdeutsche Eintragung vom Jahre 1551 - die letzte niederdeutsche des Stadtbuches. Die folgenden derselben Hand von 1553, 1557, 1558, 1559, 1560 usw. sind hochdeutsch. Gelegentlich begegnen einige wenige niederdeutsche Wörter (wy, verdrage).

Die Gründe für das eigenartige Schwanken zwischen Hochdeutsch und Niederdeutsch werden klar, wenn wir uns die Eintragungen genauer ansehen. Die erste messingsche von 1548 betrifft den herzoglichen Kanzleisekretär Sigmund Zwinge, der mit seiner Frau vor dem Rat erscheint, um seinen letzten Willen kundzutun. In der zweiten, hochdeutschen Eintragung von 1548 wird bekundet, daß der Goldschmied Christoffer Schnider an Herzog Heinrich sein Haus verkauft. Zeugen sind Herzog Heinrichs Küchenmeister Paschen Gustefel, der herzogliche Kanzleisekretär Jacob Eger und der herzogliche Hausvogt Hans Smede. Die hochdeutsche Eintragung von 1551 betrifft die Schenkung eines Herzog Heinrich gehörigen Hauses in der Stadt an seinen Kanzler und Rat Dr. jur. Johann Scheiring. Die zwischenliegenden Eintragungen betreffen nur Angelegenheiten Schweriner Bürger. - Der Einfluß des schon lange hochdeutsch schreibenden und sprechenden Hofes und der Kanzlei ist hier also sozusagen mit den Händen zu greifen. Ebenso wie bei Schwerin wird er auch bei Güstrow maßgebend gewesen sein.

Es war ganz natürlich, daß die Kanzleien der beiden Residenzstädte Mecklenburgs bei ihren engen Beziehungen zu den herzoglichen Höfen und Kanzleien zuerst die neue hochdeutsche Schriftsprache annahmen.

Länger hielt sich das Niederdeutsche bei den andern Landstädten: Die Stadt Crivitz schrieb 1544 an Schwerin niederdeutsch 116 ). Bützow richtete 1550 an Rostock ein


(  ...  ) herrn! - Hochdeutsch ist ein eigenhändiges Schreiben des Schweriner Stadtvogts Christoffer Goltsmith an den herzogl. Kanzleisekretär Johann von Hoye vom Jahre 1558. - S.A. Stadtakten Schwerin: Stadtsachen, Stadtgericht, Färber.
116) Meckl. Jahrb. 14 S. 154.
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niederdeutsches, 1583 an einen mecklenburgischen Herzog ein hochdeutsches Schreiben 117 ). Eine bei Herzog Heinrich 1547 von der Stadt Grevesmühlen eingereichte Klageschrift ist niederdeutsch 118 ). Ribnitz schrieb 1542 und 1543 an Rostock niederdeutsch. In 2 Schreiben von 1551 und je einem von 1552 und 1553 finden sich schon vereinzelte hochdeutsche Wörter. Das folgende Schreiben von 1557 ist messingsch, das letzte vom Jahre 1572 ist hochdeutsch 119 ). Schreiben der Stadt Röbel an die mecklenburgischen Herzöge aus den Jahren 1529, 1532, [1535], 1540, 1548, 1549 sind niederdeutsch, die nächsten von 1570, 1577, 1581, 1582 usw. hochdeutsch. Die eigenhändig geschriebene Quittung, die Adrian Tileman, Stadtschreiber und Acciseschreiber zu Röbel, dem Güstrower Bürgermeister Joachim Koch über seine jährliche Besoldung als Acciseeinnehmer am 21. September 1565 ausstellte, ist rein hochdeutsch 120 ). Dasselbe ist der Fall bei der Bevollmächtigungsurkunde vom 28. August 1561, durch die die Stadt Röbel den Licentiaten Erasmus Behem zu ihrem Prokurator in ihrem Streit mit Constantin Freiberg zu Karchow wegen der Fischerei auf dem See Glin bestellte 121 ). - Aus diesen Tatsachen kann man den Schluß ziehen, daß der Rat der Stadt Röbel die hochdeutsche Schriftsprache für den auswärtigen Schriftverkehr zwischen 1549 und 1561 einführte. Im internen Schreibbetrieb hielt sich das Niederdeutsche etwas länger: Das Röbeler Stadtbuch (Stadtverlaßbuch) von 1487 ff. 122 ) ist bis zum 4. Juni 1567 niederdeutsch geführt. Die nächste Eintragung vom 5. November 1567 - von einer neuen Hand herrührend - ist wie alle folgenden hochdeutsch mit einigen niederdeutschen Wörtern (witlichen, jungk und oldt, ufgedragen und furlaten). Doch muß bemerkt werden, daß diese niederdeutschen Reminiszenzen sehr bald verschwinden.


117) Meckl. Jahrb. 14. S. 168/69: Korrespondenz mit Bützow im Stadtarchiv Rostock.
118) Meckl. Jahrb. 26 S. 41/44.
119) Stadtarchiv Rostock: Korrespondenz mit Ribnitz, Landtagsakten I, II.
120) Geh. u. Haupt-Archiv: Stadtakten: Röbel. - Meckl. Jahrb. 28 S. 287/89. - Niederdeutsch sind noch je 1 Schreiben der Stadt an Constantin Freiberg auf Karchow von 1539 und an die Vögte zu Wredenhagen von 1548. Dasselbe ist der Fall bei einer Eingabe der Fischer der Altstadt Röbel an Johann Albrecht von 1548 und bei einer der Weißbäcker zu Röbel an Heinrich V. von [1549].
121) Geh. u. Haupt-Archiv: Gutsakten Karchow.
122) Stadt Röbel: Registratur.
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Die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in den Landstädten Mecklenburgs wird sich nach Ausweis dieser Stichproben seit den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts angebahnt haben, und zwar zunächst in dem auswärtigen Schriftwechsel mit den Landesherren, Ämtern und benachbarten Städten. In den 60er bis 70er Jahren wird sich hier das Hochdeutsche in der Hauptsache durchgesetzt haben. Länger als in den auswärtigen Schriftwechseln hielt sich das Niederdeutsche wohl allgemein im internen Schreibbetrieb, bei der Führung der Stadtbücher (Stadtverlaßbücher, Grundbücher), Register, Rechnungen usw. Genaueres darüber wird sich ergeben, wenn die Bestände der Archive und Registraturen aller Landstädte Mecklenburgs geordnet und verzeichnet sind. Doch ist soviel sicher, daß die Einführung der hochdeutschen Sprache nicht mit einem Schlage, sondern zu recht verschiedenen Zeiten erfolgte. Das Jahr 1567, das sich bei der Durchforschung des Röbeler Stadtbuchs ergab, wird gelegentlich nicht unbeträchtlich überschritten werden. So ist das Teterower Stadt-Gerichtsprotokoll- und Pfandbuch von 1590/1600 bis zum Schluß in der Hauptsache niederdeutsch geführt mit einigen wenigen hochdeutschen Wörtern: auf (neben up), zu (neben tho, daß (neben dat), zeit (neben tydt), kauf, zynse, gebrauchen, zwischen (neben tusken und twischen). Gelegentlich begegnen von der Hand desselben Schreibers 1591, 1599, 1600 eine Anzahl von messingschen bzw. hochdeutschen Eintragungen, dasselbe ist der Fall bei einigen längeren Eintragungen von andern Händen aus den Jahren 1591, 1593, 1594. Ferner ist das Rechnungsbuch der Stadt Teterow (von 1561 ff.) bis 1608 niederdeutsch geführt worden, seit 1609 ist es in hochdeutscher Sprache abgefaßt, wenn auch noch eine Eintragung von 1613 niederdeutsch ist. - Bis 1600 ist niederdeutsch das Teterower St. Jürgen-Register (von 1505 ff.), von 1601 bis 1618 schwanken die Eintragungen zwischen messingsch, niederdeutsch und hochdeutsch, seit 1619 hat sich das Hochdeutsche endgültig durchgesetzt 123 ).

Erheblich länger als bei den Residenzstädten Güstrow und Schwerin hielt sich das Niederdeutsche als Schriftsprache in den


123) Das Bruchregister des Teterower Stadtvogts von 1580/81 ist jedoch hd., vielleicht, weil es bei der herzogl. Regierung eingereicht wurde. - Schreiben der Stadt Teterow an die Herzöge konnten übrigens erst aus d. I. 1584, 1588, 1598, 1600 usw. festgestellt (  ...  )
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Kanzleien der beiden großen Seestädte Rostock und Wismar.

Die von der Stadt Rostock für die Herzöge ausgestellten Urkunden, je eine aus den Jahren 1501, 1504, 1508, 1510, 1515, 1528, sind bis 1528 einschließlich niederdeutsch, die nächste vom 22. April 1561 ist hochdeutsch 124 ). Niederdeutsch ist eine für den Rostocker Syndikus Johann Oldendorp vom Rostocker Rat ausgestellte Bestallungsurkunde aus dem Jahre 1533, ferner ein Notariatsinstrument vom 29. Juni 1560, in dem der Rat Besitz vom Eigentum der Michaelisbrüder nimmt 125 ).

Die Instruktionen der Rostocker Ratssendeboten für die Landtage sind bis zum 6. März 1561 niederdeutsch. Die nächste vom 3. Juli 1564 ist, wie alle folgenden, hochdeutsch 126 ). Die von Rostocker Ratssendeboten an den Rat gesandten Berichte über Verhandlungen auf Landtagen usw. sind bis zum 16. Juni 1554 niederdeutsch. Der nächste vom 19. November 1554 beginnt niederdeutsch, ist aber hernach hochdeutsch abgefaßt mit gelegentlichen niederdeutschen Wörtern. Dieser Bericht ist von derselben Hand geschrieben, welche eine Instruktion vom 2. Oktober 1553 noch niederdeutsch geschrieben hatte. Der Bericht über die drei Landtage von 1555 ist niederdeutsch 127 ), doch ist die Antwort Rostocks auf die Proposition der Herzöge doppelt, in niederdeutscher und hochdeutscher Sprache, ausgefertigt. Ferner sind Rostocks und Wismars Antwort auf den fürstlichen Gegenbericht vom 24. Mai 1555 und ihre Antwort auf die Artikel vom 25. Mai 1555, die Visitation und das Konsistorium betreffend, hochdeutsch abgefaßt. Drei Berichte aus dem Jahre 1559 (23., 24. Oktober, 22. Dezember) sind niederdeutsch, die beiden nächsten vom 9. und 18. Dezember 1560


(  ...  ) werden, sie sind sämtlich hd. S.A. Stadtakten Teterow. Stadt Teterow: Registratur und Heimatmuseum. - Auch in den Protokollbüchern der Stadtgerichte anderer Städte fand das Hochdeutsche später als in Röbel Eingang. In Güstrow sind sie 1554, 1566 (doch: "verpflichtet"), 1567 niederdeutsch, 1571 niederdeutsch und messingsch, 1572 hochdeutsch. Das Gerichtsbuch von Neustadt wurde 1574, das von Parchim 1581 hochdeutsch geführt, das von Malchin ist 1581/82 niederdeutsch mit verschiedenen hochdeutschen Wörtern. Meckl. Jahrb. 14 S. 158/59, 165/67.
124) Geh. u. Haupt-Archiv: Stadturkunden Rostock.
125) Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock III 1 S. 78/79; Meckl. Jahrb. 4 S. 273/76.
126) Diese und die folgenden Schriftstücke befinden sich im Rostocker Stadtarchiv, Landtagsakten I-III.
127) Hegel Nr. 51.
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hochdeutsch, doch finden sich darin noch vereinzelte niederdeutsche Wörter.

Ein Schreiben Rostocks an die dortige Universität vom 5. März 1554 (gleichzeitige Abschrift) ist bereits hochdeutsch. Die an die Herzöge gerichteten Schreiben sind in der Regel bis 1560 einschließlich niederdeutsch, wenn auch gelegentlich einige wenige hochdeutsche Schriftstücke begegnen (1555, 1556, 1559, 1560), 1563 ff. begegnen nur noch hochdeutsche Schreiben. Die gleichzeitigen Abschriften von Schreiben an den ständischen Ausschuß vom 5. Dezember 1559, 20., 23. März 1561 sind hochdeutsch, doch weisen sie vereinzelte niederdeutsche Wörter auf. Die Schreiben Rostocks an Wismar sind bis zum 6. Juni 1561 niederdeutsch, seit dem 26. Mai 1564 hochdeutsch 128 ).

Diese Zeugnisse ergeben, daß in den 50er Jahren das Hochdeutsche in die Schreibstube des Rostocker Rates eindrang, auch die Ratsherren ergriff und vielleicht seit Ende des Jahres 1561, sicher aber seit 1563, im Schriftverkehr mit der herzoglichen Kanzlei, mit den Ständen und Landtagen und mit der Nachbarstadt Wismar den Sieg über das Niederdeutsche errungen hatte.

Längere Zeit hielt sich das Niederdeutsche aber noch im internen Betrieb, in den Stadtbüchern, Ratsprotokollen und Stadtrechnungen, teils weil man hier immer zäher an den alten niederdeutschen Formeln und überhaupt am Althergebrachten festhielt, teils weil es offensichtlich völlig dem Belieben des betr. Stadtsekretärs, Unterschreibers oder Ratsherrn überlassen war, welche Sprache er anwenden wollte 129 ).

Das Stadtbuch wurde erst seit 1598 hochdeutsch geführt 130 ). Die vom Stadtschreiber Markus Radeloff ge-


128) S.A. Stadtakten Rostock: Mitteilung des (†) Wismarer Stadtarchivars Dr. Techen.
129) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 210/12.
130) Die Eintragungen im Altstädter Stadtbuch sind bis zum 25. 8. 1598 nd., die nächsten Eintragungen vom 30. 8. und 6. 9. sind messingsch, die folgenden vom 30. 10. ab sind hd., doch finden sich noch längere Zeit einige nd. Wörter besonders in formelhaften Wendungen. Im Mittel- und Neustädter Stadtbuch sind die Eintragungen bis zum 2. 10. bzw. 25. 8. 1598 nd., am 13. bzw. 18. 10. bereits hd. - Bei diesen und anderen Forschungen und Feststellungen unterstützte mich (1919) der damalige Rostocker Stadtarchivar Dr. Dragendorff. - Das Lübecker Stadtbuch wurde übrigens erst seit (  ...  )
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schriebenen Ratsprotokolle sind bis 1574 niederdeutsch, während die des Bernhard Luschow von 1571 und 1572, wie auch die des Petrovius von 1578 ff. hochdeutsch sind. Von den in der Regel von Ratsherren geführten Stadtrechnungen sind die Gewettrechnungen von 1581, 1582, 1583 noch niederdeutsch, doch finden sich bereits vereinzelte hochdeutsche Wörter in ihnen: "auß", "waß", usw. Von 1586 ab sind sie hochdeutsch. Die Kämmereirechnungen sind 1574, 1576, 1577 niederdeutsch, 1588, 1590 ff. hochdeutsch. Dagegen ist ein Bürgergeldregister von 1596 noch niederdeutsch.

Auch bei den für die Bürgerschaft bestimmten Verordnungen hielt sich das Niederdeutsche noch länger. Die Hochzeits- und Kindtaufordnung von 1538, das Mandat über die Sonntagshochzeiten von 1557, eine Verordnung vom selben Jahr gegen Diebstahl und Raub, die Verordnung über die Kopfsteuer und den 100. Pfennig von 1563, die Hochzeitsordnung von 1567, die Lohnordnung von 1572 und die Feuerordnung von 1573 sind niederdeutsch 131 ). Die erste bisher veröffentlichte hochdeutsche Ordnung der Stadt Rostock ist die für den gemeinen Kasten von 1567. Die dazu gehörigen Eide des Kastenschreibers und des Kastenherrn sind noch niederdeutsch, dagegen ist der Eid des neuen Kastenherrn von 1584 hochdeutsch. Der Eid des Vogtes von Warnemünde aus dem Jahre 1560 und der Warnemünder Bürgereid von 1580 sind niederdeutsch 132 ). Hochdeutsch sind die nächsten Hochzeitsordnungen von 1583 und 1591 133 ). Die Bürgersprachen sind bis 1600 einschließlich niederdeutsch, doch treten in ihnen seit den 60er Jahren einige hochdeutsche Wörter auf. In den Bürgersprachen von 1600 sind sie zahlreicher vertreten. Abgesehen von der Bürgersprache von 1606 (?) sind die nächsten Bürgersprachen von 1603 ab hochdeutsch, doch finden sich in ihnen noch gelegentlich vereinzelte niederdeutsche Wörter. Dagegen sind die von der Kanzel herab verkündigten Mandate und Verträge über die Jagd nur bis 1563 niederdeutsch, von 1572 ab hochdeutsch 134 ).


(  ...  ) Michaelis 1809 hd geführt! (Rehme, Das Lübecker Ober-Stadtbuch, 1895, S. 17.)
131) Wiechmann Nr. CCXXII, CXXVIII, CXXIX, CXXXV, CXXXVIII, CCXXXI, CXLII, CCXXXII.
132) Rost. Beitr. IV 2 S. 61 ff., III 2 S. 41/42.
133) Wiechmann II S. 66.
134) Rost. Beitr. IV 2 S. 47 ff., II l S. 49 ff.
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Ein größerer Teil der Rostocker Bürger muß sich schon bald an das Hochdeutsche gewöhnt haben, denn die durch Klaus Hamel dem Rat im Namen der Bürgerschaft vorgetragenen Artikel vom 31. Dezember 1560 sind in hochdeutscher Sprache abgefaßt 135 ). Doch sind Nachrichten darüber, wann das Hochdeutsche sich bei den einzelnen Rostocker Bürgern als Schriftsprache durchsetzte, bisher noch nicht festgestellt 136 ).

Von der Stadt Wismar ausgestellte Urkunden aus den Jahren 1560, 1564, 1566 sind hochdeutsch, doch finden sich noch bis 1569 niederdeutsche Urkunden vor 137 ).

Eine gedruckte Verordnung des Wismarer Rates über einen Glückstopf vom Jahre 1554 ist schon hochdeutsch 138 ). Ein Beglaubigungsschreiben für die zu einem Landtag abgeschickten Ratssendeboten vom Jahre 1555 ist gleichfalls hochdeutsch. Die Instruktionen für Landtage und Hansetage vom Juli 1560, 22. Februar 1561, 5., 12. März 25. Mai, 24. Juli 1562 sind niederdeutsch, vom 9. Januar 1561, 9. Oktober 1562, 9. Mai 1563 hochdeutsch. Hochdeutsch ist auch eine Instruktion für einen Prokurator in Speier vom 6. September 1560. Am 14. Januar 1561 schreibt die Stadt an den Landtagsausschuß hochdeutsch, am 20. März 1561 an die Herzöge dagegen niederdeutsch 139 ). Die in größerem Umfange erhaltenen Schreiben der Stadt an Rostock sind bis zum 11. Mai 1562 niederdeutsch. Doch finden sich seit den 40er Jahren in ihnen schon vereinzelte hochdeutsche Wörter:


135) Ro.A. Landtagsakten III.
136) Eine Quittung des Rostocker Bürgers und Kaufmanns Hans Lengefelth, ausgestellt im Jahre 1552 dem Landrentmeister Sigmund von Esfeld, ist niederdeutsch (hochdeutsch nur: ich, hertzogk), die Quittung, die Churth Biermann, "itziger zeit bürger zu Rostock", Herzog Johann Albrecht ausstellt, ist hochdeutsch, aber von der Hand eines herzogl. Kanzleibeamten geschrieben. Die von Biermann eigenhändig zugesetzte Bestätigung ist niederdeutsch! - Geh. und Haupt-Archiv: Rentereibelege. - Eine Urk. des Amtes der Glaser und Maler von 1557 ist nd. (Meckl. Jahrb. 23 S. 383/84). - Eine hd. Urk., die der Rostocker Bürger Martin Jlow 1532 über den Verkauf des Burgwalles zu Jlow Herzog Albrecht ausstellt, ist natürlich in der herzogl. Kanzlei hergestellt. Jlow begegnet uns noch als Bauer im Jahre 1507, wo er den Burgwall erwarb. (Meckl. Jahrb. 7 S. 306/08.)
137) Das Folgende, falls keine andern Quellen angegeben sind, nach den Mitteilungen des (†) Wismarer Stadtarchivars Dr. Techen.
138) Ro.A. Korrespondenz mit Wismar VI.
139) Ro.A. Landtagsakten III, Abschrift.
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waß, freundhe, zuvor usw. Vom Oktober 1562 ab sind sie aber rein hochdeutsch 140 ).

1554 schrieb der Wismarer Stadtsekretär Dionysius Sager an einen Rostocker Bürgermeister messingsch. 1557 und 1558 dagegen - er war seit 1555 nach Techens Mitteilung Ratsherr - schrieb er an die Stadt Rostock niederdeutsch. Der Wismarer Bürgermeister Peter Sasse schrieb 1555 an zwei Rostocker Bürgermeister messingsch. Er bemüht sich in diesem Schreiben sichtlich, hochdeutsch zu schreiben, aber es gelingt ihm nicht recht, und er verfällt immer wieder in sein angeborenes Niederdeutsch 141 ).

Diese Zeugnisse rechtfertigen den Schluß, daß seit den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts vereinzelte hochdeutsche Wörter in die Schreibstube des Wismarer Rates eindrangen, daß hier und bei wismarschen Ratsherren in den 50er Jahren das Hochdeutsche mit dem Niederdeutschen um die Vorherrschaft rang und daß, wenigstens was den auswärtigen Schriftwechsel anbetrifft, seit Ende 1562 der Sieg zugunsten des Hochdeutschen entschieden war.

Auch in Wismar hielt sich das Niederdeutsche noch länger in den Stadtbüchern und Verordnungen 142 ). Die nicht mehr im Original erhaltenen Stadtbücher (Grundbücher) waren nach den erhaltenen Auszügen bis 1587 niederdeutsch, seit 1588 hochdeutsch geführt. Wahrscheinlich fällt dieser Wechsel der Sprache mit dem Amtsantritt des Stadtsekretärs Markus Tanke zusammen. Die kleinen Stadtbücher (Zeugebücher) sind rein niederdeutsch bis 23. Oktober 1576, dann treten vereinzelte hochdeutsche Eintragungen auf bis zum 13. Januar 1578, hernach sind sie dauernd hochdeutsch. Das Gerichtszeugebuch ist bis zum 31. Juli 1572 rein niederdeutsch, seit 29. August 1572 mit Eintritt des Schreibers Jochim Bomgarden messingsch mit überwiegendem hochdeutschem Charakter. Die Konzeptbücher beginnen im Januar 1569 und sind hochdeutsch.

Niederdeutsch sind die Verordnungen über Unzucht


140) Ro.A. Korrespondenz mit Wismar I-VII.
141) Ro.A. Landtagsakten II, Korrespondenz mit Wismar VI.
142) Stadtrechnungen aus der Übergangszeit sind nach Techens Mitteilung nicht erhalten.
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und Ehebruch von 1566 143 ), die Begräbnisordnung von 1579, die Ordnung für die Träger von 1584 und der Eid der Kohlenträger in ihrer hochdeutschen Ordnung von 1586. Hochdeutsch ist die Gerichtsordnung von 1578 und die Bettelordnung von 1579. Die Bürgersprachen sind 1572-78, 1480-1608 niederdeutsch, 1610 hochdeutsch. Da aber die Kanzelabkündigungen seit 14. September 1580 hochdeutsch sind, kann man vielleicht sagen, daß auch in den Verordnungen im großen und ganzen etwa seit den 80er Jahren das Hochdeutsche den Sieg errungen hat.

Eine eigenhändige Quittung, die der Wismarer Bürger und Kaufmann Hinrich Alkopf dem herzoglichen Rentmeister Sigmund von Esfeld 1549 ausstellte, ist messingsch. Drei Rechnungen Alkopfs für Herzog Johann Albrecht von 1552 sind messingsch bis hochdeutsch. Doch blieb die Schriftsprache der Bürger Wismars im allgemeinen noch lange das Niederdeutsche. Eingaben und Schreiben von ihnen an den Rat sind noch 1599, 1609, ja bis 1648 niederdeutsch. 1657 richtete ein Wismarer Bürger an den Rat aber ein hochdeutsches Gesuch 144 ).

Der Anstoß zur Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache durch die Städte dürfte im allgemeinen von der herzoglichen Kanzlei ausgegangen sein, es werden daneben auch die Stadtschreiber eine Rolle dabei gespielt haben. Doch bedarf das noch eingehender Untersuchungen.

4. Bei der katholischen und evangelischen Geistlichkeit.

Zunächst fand die hochdeutsche Sprache Eingang in den Kanzleien der Bischöfe von Ratzeburg und Schwerin.

Das erste und einzige hochdeutsche Schriftstück, das aus der Regierungszeit des Ratzeburger Bischofs Heinrich (Bergmeyer, 1511-24) ermittelt werden konnte,. ist die gleichzeitige Abschrift eines Beglaubigungsschreibens vom 19. Oktober 1523, ausgestellt für den Reichstagsbevollmächtigten des Bischofs. - Der Umstand, daß das Dokument mit ins Reich genommen werden sollte, wird die Veranlassung zur Wahl der hochdeutschen Sprache gegeben haben. - Sonst sind die zahlreichen Urkunden aus Heinrichs Zeit, ebenso wie die aus den Regierungszeiten seiner Vorgänger, niederdeutsch ab-


143) Meckl. Jahrb. 58 S. 56/58.
144) S.A. Renterei-Belege; Meckl. Jahrb. 55 S. 94/95.
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gefaßt; auch ließ Heinrich Bergmeyer noch im Jahre 1523 an Herzog Heinrich V. von Mecklenburg niederdeutsch schreiben.

Für den aus einfachen Verhältnissen stammenden Sohn der Hansestadt Hamburg und nachmaligen Sekretär bzw. Kanzler der Herzöge von Sachsen Lauenburg war, wie seine eigenhändigen Schreiben zeigen, als Schriftsprache noch das Niederdeutsche das naturgegebene.

Hingegen wird Heinrichs Nachfolger Georg (von Blumenthal, 1524-50, er war zugleich Bischof zu Lebus), der aus einem alten Adelsgeschlecht der Prignitz stammte, bereits seit der Zeit, wo er bischöflicher Sekretär bzw. Dechant zu Lebus war, das Hochdeutsche als Schriftsprache angewandt haben. Jedenfalls aber richtete er 1524, 1525 und 1526 an die mecklenburgischen Herzöge und 1525 an den Rehnaer Vogt Georg Wolder hochdeutsche Schreiben. Hochdeutsch ist die von Georg selbständig ausgestellte Urkunde von 1540, in der er den Meistern des Schneiderhandwerks in seinem "Weychbilde" Schönberg ihre Gerechtigkeiten und Statuten (unter Transsumierung des niederdeutschen Privilegs des Bischofs Johann von 1500) bestätigt.

Andererseits sind Georgs Urkunden über die mit Zustimmung des Ratzeburger Domkapitels erfolgten Verkäufe von Renten (an den Lübecker Bürgermeister Claus Brömse, an den Vikar Johann Lange zu Gadebusch und an das Domkapitel zu Lübeck) aus den Jahren 1524, 1525, 1530 und 1545 - mit einer Ausnahme von 1525 - niederdeutsch. Hierbei macht sich offenbar der Einfluß des Domkapitels des Stifts Ratzeburg geltend, das noch lange an der niederdeutschen Schriftsprache festhielt. Die Urkunden des Domkapitels sind bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus (1525, 1526, 1531, 1550, 1552) niederdeutsch. Die dann folgenden Urkunden von 1589, 1592, 1596 sind hochdeutsch verfaßt 145 ).


145) S.A. Urkunden (und Korrespondenzen) des Bistums Ratzeburg: Religio catholica. Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg, 1835, S. 409 ff. - Die Urkunden der aus mecklbg. Fürstenhause stammenden Administratoren Christoph und Carl von 1573 ff. sind natürlich hochdeutsch. - Hd. ist ein an den Bischof Johann von Ratzeburg gerichtetes Schreiben des Bischofs Dietrich von Lebus a. d. J. 1498. - Wenn die Urkunde vom 30. November 1525, in der Bischof Georg dem Joachim Plessen 1 Haus, Hof und 1 Hufe samt Zubehör und allen Hebungen vor dem Tappenhagener Tor zu Schönberg mit Zustimmung des Domkapitels verschreibt, hd. verfaßt ist, so liegt das wahrscheinlich daran, daß ursprünglich nicht beabsichtigt war, (  ...  )
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Viel ungünstiger als beim Bistum Ratzeburg sind die Überlieferungsverhältnisse des Schrifttums des Bistums Schwerin.

Aus den Jahren 1500-1525 liegt nur je eine niederdeutsche Urkunde des Bischofs Johann bzw. des Domkapitels aus den Jahren 1506 bzw. 1514 vor.

Die Administratoren des Stifts Schwerin, die mecklenburgischen Herzöge Magnus bzw. Ulrich stellten 1526, 1527, 1541, 1546 bzw. 1550 Urkunden in hochdeutscher Sprache aus. Die ersten 4 Urkunden betreffen die Verleihung von Burglehen des Stifts an den herzoglichen Kanzler Caspar von Schöneich. In der Urkunde vom 2. April 1550 bescheinigt Herzog Ulrich, dem als "Postulatus" die interimistische Verwaltung des Stifts übertragen war, daß ihm das Domkapitel die Schlüssel zu den Schlössern und Städten Bützow und Warin übergeben habe. In einer 2. Urkunde von 1550 (Juni 5.) verpachtet Ulrich den Anteil des Stifts an der Fischerei auf den Seen bei Schwerin auf 10 Jahre dem Domdechanten Henning Pentz 146 ). - Der Inhalt dieser Urkunden spricht schon für die Wahrscheinlichkeit, daß sie von Angehörigen der herzoglich-mecklenburgischen Kanzlei geschrieben sind. Ein eingehender Schriftvergleich mit andern Urkunden der mecklenburgischen Herzöge (bes. Schuldbriefe) erhob diese Wahrscheinlichkeit zur Sicherheit. Dasselbe Ergebnis hatte auch eine Untersuchung von drei hochdeutschen Urkunden von 1535, 1540 und 1550, die als Aussteller das Schweriner Dom-


(  ...  ) die Zustimmung des Domkapitels einzuholen, denn die betr. Formel steht nur am Schlusse der Urkunde, während die andern nd. Urkunden um 1524, 1525, 1530 und 1545 sie auch am Eingang der Urkunde haben. Die nd. Urkunden von 1525, 1530, 1545 weisen übrigens einige wenige hd. Wörter besonders am Eingang auf: wir (hernach immer: wy), bischoff (hernach: bischoppe), bey; einmal ist: thun verbessert in: dhun. - Nd. ist die Urkunde vom 28. Oktober 1539, in der Petrus Redick, Domherr der Ratzeburger und Lübecker Kirchen, Bischof Georgs Statthalter, und Diderick von Buxheim, Hauptmann zu Schönberg, beurkunden, daß sie im Namen des Bischofs dessen Untersassen Lutke Boye zu Sülstorf gestattet haben, 10 m lüb. auf sein Erbe vom Kaland zu Schönberg aufzunehmen. - Bemerkt sei noch, daß Schreiben bzw. Quittungen der mecklenburgischen Herzöge an bzw. für die Bischöfe zu Ratzeburg 1512 hd., 1513, 1514, 1515 nd., 1516, 1517, 1521, 1522, 1523, 1536 hd. sind.
146) Urkunden: Bistum Schwerin. Eine Urk. von 1527 (Meckl. Jahrb. 4 S. 258/59), die Magnus als Aussteller nennt, ist niederdeutsch verfaßt. Grund hierfür wird wohl der Umstand gewesen sein, daß die Rostocker Michaelisbrüder Empfänger der Urk. waren.
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kapitel nennen. In den beiden ersten werden dem Kanzler Caspar von Schöneich gleichfalls Burglehen verschrieben. Durch die Urkunde von 1550 (April 2.) bescheinigt das Domkapitel, daß ihm die Schlösser, Städte und Voigteien Bützow und Warin mit allem Inventar und Zubehör von Herzog Heinrich so abgetreten seien, wie das Domkapitel sie s. Zt. dem Administrator Herzog Magnus übergeben hätte.

Das Schweriner Domkapitel selbst muß noch lange - bis in die evangelische Zeit hinein - das Niederdeutsche als Schriftsprache beibehalten haben. Niederdeutsch sind je ein Schreiben des Domkapitels von 1535 und der Dompriester und Kapellane von 1540 147 ), sowie die Urkunde vom 13. November 1567, in der das Domkapitel an Joachim von Halberstadt zu Klein Brütz den Domhof vor der Schelfe, an der Ecke bei der Schweriner Stadtmauer (Domhof, jetzt Arbeitsamt), verkauft. Die nächste Urkunde des Domkapitels vom 4. Januar 1568 - einem Schweriner Bürger wird ein am Kirchhofe gelegenes Haus überlassen - ist wie die folgenden von 1578 und 1587 hochdeutsch 148 ).

Niederdeutsch sind die Urkunden von Neukloster bis hin zum Jahre 1546 149 ).

Niederdeutsch sind ein Schreiben des Klosters Dobbertin vom Jahre 1544 150 ) sowie drei Quittungen, die im Jahre 1557 von der Priorin und der Unterpriorin dem Küchenmeister ausgestellt werden. Hochdeutsch sind Urkunden bzw. Rezesse der Kloster-Provisoren von 1581, 1583, 1586 151 ). Das von der jedesmaligen Priorin oder Unterpriorin desselben Klosters fast durchweg eigenhändig geführte Rechnungsbuch, das um 1491 beginnt und bis 1872 fortgesetzt wurde, ist bis weit in die evangelische Zeit hinein, bis 1626 einschließlich, niederdeutsch


147) Eine Urk. des Domkapitels von 1522 ist nd. (Meckl. Jahrb. 4 S. 255/58), doch vermutet Lisch, daß die Urkunde vom herzogl. Kanzleisekretär Nicolaus Baumann geschrieben ist.
148) Niederdeutsch ist auch eine bei Herzog Albrecht VII. eingereichte Klageschrift der Domkapitel von Schwerin, Rostock, Bützow und Güstrow vom Jahre 1529. S.A. Steuerakten G.A. I B. Stift Schwerin, Kontributionsakten. Meckl. Jahrb. 16 S. 31/35.
149) S.A. Urk. von Neukloster, Lisch, Meckl. Urk. II, S. 248/49 (1511), 253/54 (1519), 255 (1525), 256 (1526), 256/60 (1529), 1531, 261/62 (1546). Letztere mit einem kurzen hd. Satz mitten im nd. Text, offenbar von dem als Unterhändler hinzugezogenen Kanzler von Schöneich hineingebracht, wie die für ihn typische Schreibung: "zceyten" zeigt.
150) Lisch, von Oertzen II 2 S. 416/18, an Herzog Albrecht VII.
151) Rentereibelege; Urkunden: Kloster Dobbertin.
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geführt worden. Sehr selten kommen vorher hochdeutsche Wörter vor, z. B. 1600 "chuchmeister", "ins". Von 1633 bis 1636 macht sich ein Schwanken zwischen Hochdeutsch, Messingsch und Niederdeutsch bemerkbar. Die nächsten Eintragungen von 1649 ab sind hochdeutsch, wenn sich auch noch gelegentlich vereinzelte niederdeutsche Wörter vorfinden 152 ).

Die in den Jahren 1522, 1524, 1525, 1527, 1528, 1535, 1536, 1546 und 1549 von Abt, Prior und Konvent des Klosters Doberan an die mecklenburgischen Herzöge und an ihre Beamten gerichteten Schreiben sind niederdeutsch. Dasselbe ist der Fall bei Urkunden, die Abt und Konvent 1525 und 1528 dem Titke Bremer hinsichtlich des Hofes Jennewitz bzw. dem Lüneburger Bürger Claus Stoterogge ausstellen. Auch zwei für die mecklenburgischen Herzöge 1528 und 1530 ausgestellten Urkunden, die aus der Schreibstube des Klosters stammen, sind niederdeutsch. Die erste ist eine Bescheinigung über die Rückzahlung eines Darlehens durch Herzog Heinrich, in der zweiten wird den Herzögen Heinrich und Albrecht der Krakower See erblich gegen eine Rente von 50 Gulden verkauft. Andererseits stammt eine hochdeutsche Urkunde vom 6. November 1533, in der Abt Nicolaus I. dem Herzog Heinrich den Empfang von 8 Ölgemälden bestätigt, aus der herzoglichen Kanzlei. Dasselbe ist der Fall bei der hochdeutschen Urkunde vom 7. März 1552, in der Abt Nicolaus II. (Peperkorn), Prior und Konvent das Kloster mit allen seinen Gütern an Herzog Johann Albrecht abtreten. - Der Abt erhielt eine jährliche Leibrente von 100 Gulden. - Dieser letzte Abt des Klosters hat persönlich zäh an der niederdeutschen Sprache festgehalten, denn die Urkunde weist am Schlusse seine eigenhändig geschriebene Bestätigung in niederdeutscher Sprache auf. Dasselbe gilt von seiner Niederschrift über seine Abdankung (13. März 1552). Hingegen ist die wahrscheinlich aus der Klosterschreibstube stammende Urkunde vom 1. April 1549, in der Abt Nicolaus II. und der ganze Konvent des Klosters Herzog Heinrich bescheinigen, daß er "auß gnedighen willen" dem Kloster 50 Gulden gegeben hat, damit es die verfallenen Baulichkeiten des Klosters restaurieren lassen könne, hochdeutsch bis auf: mandag 153 ).


152) Meckl. Jahrb. 59 S. 177 ff.
153) S.A. Urk. und Akten des Klosters Doberan. - Als eine Ausnahme muß es durchaus bezeichnet werden, wenn Petrus Funk, Bu[r]sarius des Klosters Doberan, im Jahre 1527 (dat. Schwerin) Herzog Albrecht eine "eygene" Quittung über den Empfang von Zinsen in hochdeutscher Sprache ausstellt. Entweder war Funck (  ...  )
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Früher als bei Doberan macht sich das Eindringen des Hochdeutschen in die Schreibstube des Klosters Broda bemerkbar.

Während Urkunden von 1530, 1531, 1536 sowie der Entwurf zu einem an die Stadt Neubrandenburg gerichteten Schreiben des Propstes Joachim von Gulen aus dem Jahre 1537 noch rein niederdeutsch sind, begegnen in einer niederdeutschen Schuldverschreibung desselben Propstes, ausgestellt für Prior und Kapitel zu Broda im selben Jahre 1537 einige wenige hochdeutsche Wörter: thue, tüchtigen. Eine 1541 von Propst Henning Becker, Prior und ganzen Kapitel dem mecklenburgischen Lehnsmann Diderick Lanckow zu Woggersin ausgestellte Urkunde weist bereits eine stärkere Beimengung hochdeutscher Wörter auf: zu (neben tho), wir (neben wy), bey (neben by), offenbar, das, uff, thun, auch. Rein niederdeutsch ist wiederum ein 1545 abgeschlossener Kontrakt zwischen Propst Joachim Ulrich und dem Klosterbrauer und -bäcker Achim Lange. Einige wenige hochdeutsche Wörter (ich, hauses neben huses) hat eine für Diderick Lanckows Erben ausgestellte Urkunde des genannten Propstes, des Priors und Konvents vom gleichen Jahre 1545. Ein im Jahre 1548 an die Herzöge gerichtetes Schreiben desselben Probstes, worin er um Milderung der Jäger-Ablagerlasten bittet, ist hochdeutsch.

Das erste hochdeutsche Schriftstück des Rostocker Dom-Kapitels (St. Jakobi), eine bei Herzog Ulrich eingereichte Beschwerdeschrift, ist vom Jahre 1556, vorangehen vier niederdeutsche Original-Aktenstücke aus dem Jahre 1531 154 ). Vom Karthäuserkloster Marienehe ist die erste hochdeutsche Urkunde vom Jahre 1553. Eine Urkunde von 1576, ausgestellt vom letzten Bruder des Klosters, ist niederdeutsch und hochdeutsch ausgefertigt, dagegen ist je ein Brief aus den Jahren 1532 und 1534 niederdeutsch 155 ). Noch länger hielt sich das Niederdeutsche bei den Rostocker Michaelisbrüdern: Ihre Urkunden aus den Jahren 1519, 1532, 1533, 1542, 1557 (2), 1559 sind niederdeutsch 156 ). Urkunden und Briefe von katholischen Pfarrern und Prälaten aus den Jahren 1511, 1522 (2), 1524 (2), 1526 (2), 1531, 1532, 1533 sind niederdeutsch 157 ).


(  ...  ) ein Hochdeutscher oder es machte sich der unmittelbare Einfluß der herzoglichen Kanzlei geltend! - Meckl. Jahrb. 38 S. 5/12.
154) Meckl. Jahrb. 16 S. 52/53, 38/42, 47/51.
155) Meckl. Jahrb. 27 S. 75/77, 81/82, 58/59, 64.
156) Meckl. Jahrb. 4 S. 254/55, 261/73.
157) Meckl. Jahrb. 3 S. 171/72, 174/81, 12 S. 164/66, 278/79, 26 S. 51/54, 39 S. 80/83; Lisch, Meckl. Urk. II (Neuklostersche Urk.) S. 260/61.
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Soweit es diese Zeugnisse erkennen lassen, scheint es so, als ob das Hochdeutsche in der rein katholischen Zeit - wenn wir von den Kanzleien der Bischöfe von Ratzeburg und Schwerin und des Klosters Broda absehen - bei den geistlichen Stiftungen und bei den einzelnen Geistlichen kaum eine Aufnahme gefunden hat. Bei den Kanzleien der Bischöfe von Ratzeburg und Schwerin ist aber zu bedenken, daß die genannten Bischöfe Territorialherren waren, die im allgemeinen mit den mecklenburgischen Herzögen auf gleicher Stufe standen. Hingegen verkörperten die Domkapitel die (geistlichen) Landstände der beiden Bistümer. - Das Hochdeutsche dürfte im allgemeinen erst nach der Mitte des Jahrhunderts bei der Geistlichkeit eingedrungen sein, als seit den 30er bis 50er Jahren die katholischen Stiftungen allmählich aufgehoben und verweltlicht wurden. Das Niederdeutsche scheint sich aber teilweise auch dann noch, wie das Dobbertiner Rechnungsbuch zeigt, recht lange gehalten zu haben.

Dagegen treffen wir das Hochdeutsche als Schrift- und Kanzelsprache bei evangelischen, aus dem hochdeutschen Sprachgebiet stammenden Predigern schon früh an.

Ein Prädikant Martin der Oberländer, der aus dem sächsischen Erzgebirge stammte, begegnet uns schon 1526 in Schwerin 158 ). 1531 richtete Faustin Labes, Prädikant zu Güstrow, an Herzog Albrecht ein hochdeutsches Schreiben 159 ). Hochdeutsch ist auch ein Schreiben des aus Ungarn stammenden schwerinschen Hofpredigers Egidius Faber an die Stadt Sternberg vom Jahre 1533 160 ). Der aus der Wetterau stammende Erasmus Alberus, welcher 1552/53 zu Neubrandenburg als Superintendent wirkte, verfaßte dort 1553 eine hochdeutsche Schrift wider die Lehre der Karlsstadter, die nach seinem Tode (1553) zu Neubrandenburg im Jahre 1556 gedruckt wurde 161 ). Eine Predigt des Rostocker Superintendenten Johannes Drakonites, der aus Karlsstadt im Würzburgischen stammte, vom Jahre 1558 war hochdeutsch 162 ). Johannes Biesenthal, Pastor zu Bellin, stellte 1558 dem Küchenmeister


158) Meckl. Jahrb. 13 S. 169.
159) Meckl. Jahrb. 12 S. 279/82.
160) Meckl. Jahrb. 12 S. 283/84, vgl. 13 S. 169.
161) Bachmann S. 319/20; Lorenz: Anm. 92; Allgemeine Deutsche Biographie 1 S. 219/20.
162) Rost. Beitr. 13 S. 5, vgl. S. 20/21; Allgemeine Deutsche Biographie 5 S. 371.
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zu Dobbertin eigenhändig eine hochdeutsche Quittung aus 163 ). Doch schrieben und predigten die aus Niederdeutschland stammenden evangelischen Prediger um diese Zeit noch hochdeutsch. Der aus Lübeck stammende Thomas Aderpul, Prädikant zu Malchin, schrieb 1531 an Herzog Albrecht niederdeutsch; sein Bekenntnis aus dem Jahre 1532 ist ebenso wie das seines Kollegen Georg Berenfelde, der Prädikant zu Friedland war, niederdeutsch 164 ). Ein Brief des Predigers Cyriacus von Bernburg zu Stuer an Herzog Heinrich von 1532, ferner ein Schreiben des Predigers Andreas Sachsse zu Konow an Egidius Faber von 1537 ist niederdeutsch 165 ). 1540 hielt der aus Boizenburg stammende Rostocker Predikant Heinrich Techen nach Beendigung der Predigt eine niederdeutsche Ansprache an die Gemeinde 166 ). Zwei Quittungen, die im Jahre 1552 der Pastor zu Schwerin, Ernst Rothmann, und der zu Parchim, Johannes Riebling, dem Rentmeister Sigismund von Esfeld eigenhändig ausstellten, sind niederdeutsch 167 ). Der Rostocker Prediger Johannes Jordanus richtete 1558 an den Rostocker Rat ein niederdeutsches Schreiben 168 ).

Im allgemeinen müssen bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus die hochdeutschen Predigten noch durchaus zu den Seltenheiten gehört haben: 1557 hielten es die Herzöge noch für nötig, die hochdeutschen Kirchenordnungen von 1552 und 1554 ins Niederdeutsche übersetzen zu lassen, wahrscheinlich um dadurch auf Pastoren und Gemeinden eine bessere Einwirkung zu erzielen 169 ).

Auch in der Bibel und in den Gesangbüchern hielt sich die einheimische Sprache noch lange.

Niederdeutsch sind die zu Rostock gedruckten Neuen Testamente von 1530, 1540, 1553 und die Bibel von 1580 170 ). Die Gesangbücher von 1525, 1531, 1543, 1577 sind niederdeutsch. Ob noch 1618 zu Rostock ein niederdeutsches Gesangbuch gedruckt wurde, ist noch nicht genügend geklärt 171 ). Wenn auch


163) Renterei-Belege.
164) Meckl. Jahrb. 16 S. 68, 110/11, 113/15.
165) Meckl. Jahrb. 26 S. 20/21, 57/59.
166) Rost. Beitr. 12 S. 26/27.
167) Renterei-Belege.
168) Rost. Beitr. 13 S. 73/74.
169) S. S. 171.
170) Wiechmann Nr. LXXII, XCI, CXVII, CLII.
171) Wiechmann Nr. CCXVII, LXXIV, CI, CXLIII, CCXL; Bachmann S. 22-45, 51, 60-68, 80.
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der niederdeutsche Kirchengesang sich in den Dörfern wohl noch bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts gehalten haben mag, drang doch das Hochdeutsche seit der Wende des Jahrhunderts in den größeren Städten hier siegreich durch: Die 1601 zu Rostock gedruckten Psalmenharmonien des Rostocker Magisters Burmeister sind bereits hochdeutsch. Sie zeigen uns, wie "die Schule den hochdeutschen Gesang in die Kirche trug" 172 ).

Ferner findet sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine blühende, von Mecklenburgern in niederdeutscher Sprache verfaßte geistliche Literatur 173 ). Da aber die hochdeutschen Drucke dieser Zeit noch nicht zusammengestellt sind, wissen wir nichts Näheres über das allmähliche Vordringen des Hochdeutschen auf diesem Gebiete und über das zahlenmäßige Verhältnis der niederdeutschen zu den hochdeutschen Schriften. Doch beauftragte Herzog Ulrich noch 1585 den Rektor der Güstrower Domschule, Omichius, in Leipzig in "sächsischer" (= sassischer, d. h. niederdeutscher) Sprache abgefaßte Hauspostillen zu kaufen, "da auf dem Lande viele Pastoren wären, welche die hochdeutsche Sprache nicht lesen und verstehen könnten" 174 ). Zwei gedruckte Predigten des Rostocker Pastors Gryse von 1587 und 1588 sind ebenso wie andere gedruckte Schriften desselben aus den Jahren 1593-1614 niederdeutsch. Aus dem Jahre 1596 haben wir schon eine hochdeutsche gedruckte Predigt eines andern Pastors der Stadt Rostock 175 ). Von mecklenburgischen Pastoren für Mecklenburger gehaltene gedruckte Leichenpredigten aus den Jahren 1551, 1593, 1594, 1595, 1602, 1609 sind niederdeutsch 176 ). Doch muß im allgemeinen im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts das Niederdeutsche immer mehr, und zwar recht schnell, als Schriftsprache der Pastoren und als Sprache der Predigten zurückgegangen sein. Ein sehr wahrscheinlich von dem Moisaller Pastor Leonhard Freundt herrührendes historisch-geistliches Lied


172) Bachmann S. 90/96.
173) S. die chronologische Übersicht bei Wiechmann III, Anhang S. IX ff.
174) Meckl. Jahrb. 64 S. 47/48.
175) Wiechmann Nr. CLVII, CLVIlI, II S. 142/43, III Anhang S. XII/XIV.
176) Wiechmann Nr. CXV, CLXIII, CLXVI, CLXVIII, CLXXIV, CLXXX; vgl. Schröder S. 61.
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vom Jahre 1594 ist hochdeutsch 177 ). Zwei Berichte des Pastors zu Warnemünde, Joachim Mancelius, aus dem Jahre 1598 sind gleichfalls hochdeutsch 178 ). Als 1601 die Superintendenten bei Herzog Ulrich anfragten, ob die neue Kirchenordnung in meißnischer oder mecklenburgischer Sprache abgefaßt werden sollte, antwortete der Herzog, daß die Sprache hochdeutsch sein sollte, "weil nunmehr fast jedermann in diesem Lande" der hochdeutschen Sprache "kundig und erfahren ist" 179 ).

Es ging nun schnell zu Ende mit dem Niederdeutschen in der Kirche. Die gedruckte niederdeutsche geistliche Literatur, die Mecklenburger als Verfasser hat, geht nach 1600 sehr stark zurück. Gryses Gebete und Psalmen von 1614 sind das letzte Zeugnis dieser Literatur 180 ). Die 1609 gedruckte Leichenpredigt ist die letzte niederdeutsche. Sie wurde vom Wismarer Pastor Antonius Hertzberg 1608 beim Begräbnis eines Wismarer Bürgermeisters gehalten. Nikolaus Dunker, Pfarrer zu Woserin, der noch 1602 eine 1601 für einen mecklenburgischen Adligen gehaltene "Lyckpredigt" in niederdeutscher Sprache drucken ließ, verfaßte bereits 1616 für einen andern mecklenburgischen Adligen einen "Leichensermon" in hochdeutscher Sprache 181 ). Selbst im Schreibbetrieb der Landkirchen schwand das Niederdeutsche schnell dahin. Das Einnahmebuch der Kirchenvorsteher zu Toitenwinkel (Dorf bei Rostock) wurde von 1618/19 ab hochdeutsch geführt 182 ).

Die Reformation ist also ohne Bedeutung für die erste Einführung der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg gewesen. Diese war schon lange durch die herzogliche Kanzlei und durch mecklenburgische Adlige erfolgt. Dagegen dürfte die Reformation recht wesentlich zur weiteren Ausbreitung und endgültigen Einbürgerung der hochdeutschen Sprache beige-


177) Meckl. Jahrb. 22 S. 263 ff.
178) Meckl. Jahrb. 40 S. 181/84.
179) Meckl. Jahrb. 64 S. 63.
180) S. die chronologische Übersicht bei Wiechmann III, Anhang S. XIII/XIV.
181) Schröder S. 61. Als ein Dorfpastor im Anfang des 18. Jahrh. auch nd. predigte, wurde "es schon damals als eine Kuriosität angesehen". (Schröder S. 63.)
182) Meckl. Jahrb. 54 S. 85-97. Die Eintragungen von 1562 bis 1615 sind nd. Vor 1618/19 tauchen nur ganz vereinzelte hd. Wörter auf: 1573 hat, daß, 1584 zu. Die einzige ganz hd. Eintragung von 1588 ist wahrscheinlich vom Pastor gemacht.
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tragen haben, indem insbesondere durch die hochdeutschen Predigten und Kirchengesänge die großen Massen an die hochdeutsche Sprache gewöhnt und damit vertraut gemacht wurden. Im übrigen verdrängte ja auch die Reformation die lateinische Sprache aus dem Gottesdienst.

Die niederdeutschen Pastoren werden wohl durch ihre hochdeutschen Amtsgenossen, durch die aus der herzoglichen Kanzlei ergangenen hochdeutschen Verordnungen, die sie von den Kanzeln herab zu verlesen hatten, durch Schule und Universität, vor allem aber wohl durch Luthers Schriften und durch hochdeutsche Andachts- und Predigtbücher angeregt sein, auch ihrerseits die hochdeutsche Sprache anzunehmen.

5. Bei der Landesuniversität und bei den Schulen.

Von dem aus Göttingen stammenden Professor Tileman Heverlingh, der von 1501 bis 1511 an der Rostocker Universität lehrte, wird berichtet, daß er klassische Autoren in niederdeutscher Sprache erklärte 183 ). Wann zuerst die hochdeutsche Sprache zu Rostock in Vorlesungen angewandt wurde, wissen wir nicht. Naturgemäß nahm die lateinische Sprache in der Humanistenzeit eine beherrschende Stellung im Universitätsbetrieb ein. Doch ist zu vermuten, daß Nikolaus Marschalk, der seit 1510 an der Rostocker Universität wirkte, die hochdeutsche Sprache gelegentlich in seinen Vorlesungen angewandt hat, wie er ja auch Briefe und Berichte hochdeutsch abfaßte 184 ). Allerdings muß auch das Niederdeutsche längere Zeit neben dem Hochdeutschen angewandt worden sein. Der aus Braunschweig stammende Professor Giltzheim schrieb 1522 an Herzog Heinrich hochdeutsch (mit einigen niederdeutschen Wörtern). Hochdeutsch war auch sein Bericht über die Schweißsucht von 1529, während er 1531 an den herzoglichen Kanzleisekretär Michel Hildebrand niederdeutsch schrieb 185 ). Ein Brief, den der Professor und Domherr Conrad Pegel für das Stift Schwerin im Jahre 1526 an Herzog Heinrich V. von Mecklenburg schrieb, ist niederdeutsch 186 ). Dasselbe ist der Fall bei Schreiben der Universität an Herzog Heinrich von 1522 und des Konzils an den Kanzler Caspar von Schöneich vom Jahre 1530 187 ). Eine Quittung des aus Breslau


183) Krabbe S. 263/64: Schröder S. 17.
184) Vgl. S. 177.
185) Meckl. Jahrb. 3 S. 64, 74/83, 172/74, 186/87.
186) S.A. Stift Schwerin, Landtags- und Kontributionsakten.
187) Meckl. Jahrb. 4 S. 101/02, 16 S. 193/95.
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stammenden Professors Aurifaber von 1552 ist hochdeutsch 188 ). Aus dem Umstande, daß die Stadt Rostock im Jahre 1554, also merkwürdig früh, ein hochdeutsches Schreiben an die Universität richtete 189 ), kann man vielleicht schließen, daß das Hochdeutsche schon in den 50er Jahren an der Universität üblich war. Hochdeutsch sind: Je eine eigenhändig geschriebene Gehaltsquittung der Rostocker Professoren David Chyträus und Tilemann Heshusius vom Jahre 1557 190 ) sowie zwei von der Universität für die Stadt Rostock ausgestellte Urkunden über das Kloster der Michaelisbrüder von 1568 und 1572 191 ).

Weit mehr als von der herzoglichen Kanzlei dürfte der Anstoß zur Einführung der hochdeutschen Sprache von landsfremden Professoren, die sich frühzeitig der hochdeutschen Sprache bedienten, ausgegangen sein.

Über die Aufnahme der hochdeutschen Sprache in den Schulen sind bislang nur wenige Nachrichten veröffentlicht worden. An der Kirchspielschule zu St. Marien in Rostock erklärte im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts der aus Minden stammende "scholemeyster" Magister Hildebrandt Dorgelo lateinische Klassiker in niederdeutscher Sprache. Ferner hatten nach Gryse die Rostocker Michaelisbrüder "van oldinges her" in ihrem Kloster eine "gemeine düdische (d. h. niederdeutsche) schole" gehalten 192 ). An den beiden bedeutendsten Schulen des Landes, der Schweriner Fürstenschule und der Güstrower Domschule, scheint, wie man aus den von ihren Rektoren 1569 bzw. 1578 verfaßten hochdeutschen Schulkomödien schließen kann, das Hochdeutsche um diese Zeit schon üblich gewesen zu sein 193 ).

Trotz dieser dürftigen Nachrichten darf die Bedeutung der Schule für die weitere Ausbreitung und Einbürgerung der hochdeutschen Sprache nicht unterschätzt werden, sie hat hierbei zusammen mit der Universität zweifellos eine große Rolle gespielt. Fremde oder in der Fremde gebildete Lehrer dürften im allgemeinen das Hochdeutsche in die Schule hineingetragen haben.


188) Meckl. Jahrb. 5 S. 227.
189) Vgl. S. 200.
190) Renterei-Belege.
191) Meckl. Jahrb. 4 S. 278/81.
192) Rost. Beitr. 14 S. 77-82; Meckl. Jahrb. 4 S. 25 Anm. 3.
193) S. S. 221.
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6. In den Druckereien.

Die Einführung der auf hochdeutschem Sprachgebiet erfundenen Kunst des Buchdrucks in Mecklenburg ist wenigstens für die erste Einführung der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg von keinerlei Bedeutung gewesen.

Von 1476 ab wurde zu Rostock dauernd, zeitweise sogar gleichzeitig in mehreren Druckereien gedruckt: Nachweisbar von den Michaelisbrüdern von 1476 bis 1531 194 ), vom Rostocker Stadtsekretär Hermann Barckhusen von 1505 bis 1512(13?) 195 ), vom herzoglichen Rat und Universitätsprofessor Nikolaus Marschalk von 1514 bis 1522 196 ), vom Drucker Ludwig Dietz von


194) Meckl. Jahrb. 4 S. 35-62; Rost. Beitr. IV 4 S. 89 ff. Nur ein Drucker der Michaelisbrüder ist mit Namen bekannt: Johann van Holt, der 1532 genannt wird (Meckl. Jahrb. 4 S. 24, 261/63). Schröders Angabe (Mecklenburg und die Mecklenburger in der schönen Literatur, 1909, S. 3 Anm. 3), daß die Michaelisbrüder bis 1532 druckten, ist unrichtig, ebenso, daß Barckhusen von 1510 ab gedruckt hat.
195) Barckhusen war von 1500 bis 1526 Rostocker Stadtsekretär und starb 1528 oder Anfang 1529. (Meckl. Jahrb. 4 S. 64, 54 S. 192.) Er stammte aus Warburg in der Paderborner Diözese und wurde 1480 zu Rostock immatrikuliert. (Meckl. Jahrb. 4 S. 71, 21 S. 152, 54 S. 192: Hofmeister, Rostocker Matrikel I S. 217 b.) Von wahrscheinlich 1504 bis 1509 war Ludwig Dietz sein Gehilfe, außerdem hatte er 1505 noch einen zweiten Gehilfen: Bernhard van dem Berge (Meckl. Jahrb. 21 S. 155). Durch das später aufgefundene Mandat gegen die Femgerichte vom 17. 1. 1512 und durch das Schreiben der Herzöge an Barckhusen vom 19. 10. 1511, durch das die Mandate bestellt wurden (Meckl. Jahrb. 54 S. 202/04), ergibt es sich (gegen Meckl. Jahrb. 21 S. 157/58), daß Barckhusen sicher bis Anfang 1512 gedruckt hat. In den Rentereiregistern von 1513/14 findet sich folgende Notiz: "10 G. gegeben Hermann dem stadtfchreber zu Rostock von etlichen dingen, die her uff der druckerei zu richten szulde". In einer anliegenden, vom Kanzler von Schöneich geschriebenen Anweisung heißt es: ". . . 10 G. vor etliche materie, so er iren gnaden zu machen gelebte . . .". Ob sich diese Notizen auf das Mandat gegen die Femgerichte oder etwa auf dieses. Mandat und zugleich auf die beiden Gerichts- und Landgerichtsordnungen vom 25. 1. bzw. 29. 6.1513 (von Kamptz, Zivilrecht II S. 3-7) beziehen, muß dahingestellt bleiben, da die Orig.-Drucke der beiden Gerichtsordnungen noch nicht wieder aufgefunden sind. Der Ausdruck: "von etlichen dingen" ("vor etliche materie") spricht dafür, daß es sich nicht nur um einen Druck handelte.
196) Vgl. Anm. 53. Zwischen 1490 und 1502 hatte er schon zu Erfurt gedruckt, vielleicht auch 1503 zu Wittenberg (Meckl. Jahrb. 4 S. 93 ff.: Lorenz, Der Anteil Mecklenburgs an der deutschen Nationalliteratur von den Anfängen bis zum Ende des 17. Jahrh., Rost. Diss. 1893, Anm. 28; Allgemeine Deutsche Biographie 20 S. 431/32). Er hatte um 1521 einen Druckergehilfen, Günther Winter, der aus Erfurt stammte (Meckl. Jahrb. 4 S. 108).
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1509 bis 1558(59) 197 ). Trotzdem tauchen die ersten hochdeutschen Drucke aus Marschalks und Dietz's Werkstatt erst in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts auf. Die Michaelisbrüder und Barckhusen haben überhaupt nicht hochdeutsch gedruckt. Die hochdeutschen Drucke sind Abdrucke von herzoglichen Hausverträgen, gedruckt zwischen 1518(20) und 1523, von einem Mandat des Kaisers von 1521, von einem Urteil des kaiserlichen Kammergerichts von 1525, von herzoglichen Verordnungen aus den Jahren 1526, 1527, von Landtagsausschreiben aus den Jahren 1527, 1529 usw., denen später Steueredikte und Aufgebotsschreiben folgten 198 ). Es hing aber nur von der herzoglichen Kanzlei, nicht vom Belieben des Druckers ab, ob diese Mandate und Ausschreiben in hochdeutscher oder in niederdeutscher Sprache ergehen sollten 199 ). Dagegen dürften die Drucker wohl Einzelheiten in Sprache und Ausdruck gelegentlich nach eignem Gutdünken geändert haben 200 ). Die einzige hochdeutsche, bisher bekannt gewordene Privatarbeit eines Druckers, für die also ausschließlich seine Sprache in Betracht kommt, ist der Auszug aus mecklenburgischen Chroniken des Nikolaus Marschalk von 1522, den er dem Kanzler Caspar von Schöneich widmete 201 ). Von Hermann Barckhusen, der das Hochdeutsche und das Niederdeutsche völlig beherrschte, wissen wir sogar, daß es seine Be-


197) Er stammte aus Speier, war wahrscheinlich von 1504 ab Druckergehilfe bei Barckhusen (Meckl. Jahrb. 4 S. 135). 1509 machte er sich selbständig (Meckl. Jahrb. 21 S. 157/58 und Rost. Beitr. III 1 S. 70, gegen Meckl. Jahrb. 4 S. 135 und 54 S. 209/10). Der letzte von ihm herrührende, bisher aufgefundene Druck ist vom Jahre 1558 (Wiechmann Nr. CXXX). 1558 wurde er als Universitätsbuchdrucker angestellt und starb als solcher am 1. 9. 1559 (Meckl. Jahrb. 4 S. 140/42). - Hinzu kommt noch der Drucker Joachim Löw, der zu Parchim nachweisbar 1547 und 1548 nd. und hd. druckte (Wiechmann I S. 211); ferner eine Druckerei zu Neubrandenburg, in der des Erasmus Alberus gegen die Lehre der Karlsstadter gerichtete Schrift 1556 gedruckt wurde (s. S. 210).
198) S. S. 169/72.
199) Dies zeigt sich am deutlichsten bei den beiden Landtagsausschreiben vom 13. 12. 1543 (Ro.A. Landtagsakten I), beide sind bei Dietz gedruckt, aber das von Herzog Heinrich ist nd., während das von Herzog Albrecht hd. ist.
200) Auf mancherlei Abweichungen, die das Manuskript der Polizeiordnung von 1516 gegenüber dem Druck hat, weist Groth, Meckl. Jahrb. 57 S. 279 Anm. 1, hin; vgl. ebendort S. 280 Anm. 1, 284 Anm. 1, 285 Anm. 3, 291 Anm. 3, 293 Anm. 2.
201) Meckl. Jahrb. 4 S. 131/33.
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sonderheit war, hochdeutsche Privatdrucke oder -arbeiten ins Niederdeutsche zu übertragen 202 ). Auch die Rostocker Michaelisbrüder hatten um 1500 hochdeutsche Volksbücher ins Niederdeutsche übersetzt und gedruckt 203 ). Selbst aus der Werkstatt des Thüringers Nikolaus Marschalk gingen niederdeutsche Drucke hervor. Wenn auch deren Redaktion in der Hauptsache wohl Druckergehilfen besorgten, so wird Marschalk doch wohl fürs Niederdeutsche genügendes Verständnis gehabt haben. Es finden sich auch in seinen eigenhändigen Briefen einige niederdeutsche Wörter 204 ). Auch der aus Speier stammende Ludwig Dietz druckte, soweit wir sehen, mehr niederdeutsche als hochdeutsche öffentliche Schriften. Sein erster niederdeutscher Druck und zugleich seine erste niederdeutsche Privatarbeit ist das Lübische Recht von 1509 205 ). Auch fernerhin druckte er niederdeutsche Privatdrucke, z. B. den Reineke Vos 1517 und 1539 und "Dat nye schip van Narragonien" 1519. Dieses Werk wurde vielleicht von ihm selbst übersetzt und umgedichtet 206 ). Eine hochdeutsche Privatarbeit von ihm ist bislang nicht bekannt geworden. Er beherrschte das Hochdeutsche und das Niederdeutsche gleich gut, wie eigenhändige Schreiben von ihm zeigen 207 ).

Soweit wir sehen, haben die Druckereien bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus nur indirekt zur Ausbreitung der hochdeutschen Schriftsprache beigetragen, indem durch sie die aus der herzoglichen Kanzlei


202) Meckl. Jahrb. 4 S. 72/75.
203) Meckl. Jahrb. 100 S. 215.
204) S.A. Akten, Bestallung der Hofräte. Zwei eigenhändige Schreiben Marschalks, ein undat., wahrscheinlich von 1506, und eins von 1513. Es finden sich hier: minen, min, kregen (neben kriegen), by (neben bey). In einem hd. Schreiben von [1515] finden sich: min, lyden, borgschafte, dor (Meckl. Jahrb. 54, S. 206/7). In einem hd. Schreiben von 1521 begegnen uns: antogen [= anzeigen], schryben, ylend, ylendeste (Meckl. Jahrb. 57 Berichte III S. 3/4). Wenn vielleicht auch die Formen, welche i (y) statt ei haben, darin ihre Erklärung finden können, daß der Thüringer Marschalk in seiner Heimat noch nicht von der österr.-bair. Diphthongierung ergriffen war (vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 226), so ist doch Krauses Annahme, daß Marschalk "vom Nd. nicht einen Schatten von Verständnis" besaß (Meckl. Jahrb. 47 S. 126: vgl. noch Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 169), entschieden zu weit gehend.
205) Wiechmann Nr. IX.
206) Meckl. Jahrb. 100 S. 215.
207) 1545 schrieb er nd. (Meckl. Jahrb. 54 S. 210), 1559 hd. (Meckl. Jahrb. 4 S. 141/42).
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hervorgegangenen hochdeutschen Ausschreiben und Verordnungen in großer Zahl durch das ganze Land verbreitet werden konnten. Die Drucker sind in dieser Zeit in der Hauptsache von der herzoglichen Kanzlei abhängig. Wie sich dieses später gestaltete, wissen wir nicht, da über die Drucker nach Dietz und über ihre Werke noch eingehende Untersuchungen angestellt werden müssen 208 ), vor allem fehlt uns aber noch immer ein Verzeichnis der hochdeutschen Drucke Mecklenburgs.

7. In der Literatur.

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts macht sich der Mangel an originellen niederdeutschen Dichtungen sehr fühlbar. Die bedeutenderen, in niederdeutscher Sprache abgefaßten Werke sind fast durchweg Übertragungen aus dem Lateinischen oder Hochdeutschen 209 ).

Die erste hochdeutsche Dichtung dieser Zeit ist die spätestens 1510 vollendete Reimchronik des Nikolaus Marschalk. "Eigentlich ist sie weiter nichts als eine Genealogie der Fürsten" Mecklenburgs. Sie scheint nur Manuskript geblieben und nicht zum Druck befördert zu sein 210 ). Wahrscheinlich war sie auch von vornherein nicht für


208) Bislang sind von Druckern bekannt geworden: Stephan Möllemann. Er verwaltete 1560/61 die Dietzsche Druckerei. Von 1561 ab scheint er selbständig gedruckt zu haben. 1579 wurde er Universitätsbuchdrucker. Er druckte ungefähr 50 Jahre. 1610 tritt als sein Nachfolger Joachim Fueß auf (Meckl. Jahrb. 54 S. 221/23, Rost. Beitr. III 1 S. 70). Jacob Lucius aus Siebenbürgen war von 1564 bis 1579 Universitätsbuchdrucker (Meckl. Jahrb. 4 S. 143 Anm. l, 5 S. 154/56, 167/68, 35 S. 5, 44 S. 48). Augustin Ferber druckte von 1574 bis 1579 in Rostock, dann in Greifswald, von 1581 bis 1582 in Güstrow, von 1585 bis 1615 in Greifswald. Seit 1588 ist Augustin Ferber d. J. in Rostock als Buchdrucker nachweisbar, er lebte bis gegen 1635. Außerdem druckten in Rostock im Anfange der 70er Jahre des 16. Jahrh. Johann Stöckelmann und Andreas Gutterwitz, von 1599 bis 1613 Christoph Reußner, Nikolaus Keil 1637. Moritz Sachse druckte in Rostock 1616, von 1617 bis 1621 in Güstrow, 1623 wieder in Rostock. Als sein Nachfolger in Güstrow ist 1624 J. Jäger nachweisbar (Meckl. Jahrb. 54 S. 222/24: Wiechmann Nr. CLXXII, CLXXIII, CLXXVII, CLXXVIII, CLXXXII, CLXXXIII; III S. 26 Anm., CLXXXV; III S. 39 Anm..
209) S. Meckl. Jahrb. 100 S. 214.
210) Müffelmann, Die Reimchronik des Marschalk Thurius und ihre Quellen, Rost. Diss. 1876, S. 6/8, 17, 64, 77. Gedruckt bei von Westphalen, Monumenta inedita I S. 561-646. Müffelmann gibt (S. 8) an, daß sie vor 1513, frühestens im Anfang des Jahres geschrieben sei. Auf ihm beruht wohl Schröders Angabe (S. 3), daß (  ...  )
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die weitere Öffentlichkeit, sondern nur für das Fürstenhaus und für die gebildeten Hofkreise bestimmt und ist somit ein Zeichen dafür, daß die Hofsprache das Hochdeutsche war. Sie ist also ein Gegenstück zu Ernst von Kirchbergs Reimchronik, die Marschalk auch zum größten Teil als Quelle benutzte. Ich kann Müffelmann nicht beipflichten, der meint, daß Marschalk diese Chronik für das "Volk" geschrieben habe 211 ). Das "Volk" dürfte in dieser Zeit wenig Interesse für die durch Marschalk erfundenen Obotritenkönige gehabt haben. Das Hochdeutsche hatte um diese Zeit noch viel zu wenig Eingang gefunden, es spielten im Gegenteil die Übersetzungen aus dem Hochdeutschen eine Rolle, und selbst an Universität und Schulen hatte das Hochdeutsche noch keinen Fuß gefaßt.

Seit der Mitte des Jahrhunderts blühte besonders die lateinische Poesie der Humanisten, die deutsche Dichtung ist nur unbedeutend 212 ). In der Hauptsache wird sie zunächst durch einige historische Lieder und Schulkomödien vertreten.

Die beiden Rostocker historischen Lieder von 1549 und 1566, ein undatierter Lobspruch auf Rostock 213 ), ein Lied auf die Aufhebung der Klöster in Mecklenburg von 1552 sind niederdeutsch 214 ). Dagegen ist ein historisch-geistliches Lied über ein Wunder in der Kirche zu Moisall vom Jahre 1594 bereits hochdeutsch 215 ).


(  ...  ) die Chronik wahrscheinlich 1512 oder Anfang 1513 entstanden sei. Beide haben den wichtigen Brief Barckhusens an Herzog Heinrich von 1510 übersehen (Meckl. Jahrb. 4 S. 72/74). Aus ihm geht hervor daß die Reimchronik bereits im Jahre 1510 abgeschlossen vorlag.
211) Müffelmann S. 20. Der Umstand, daß Marschalk deutsche Lettern fehlten (Müffelmann S. 8), dürfte ihn, falls er durch die Veröffentlichung dieser Chronik Geld verdienen wollte, schwerlich dazu bestimmt haben, den Druck ganz zu unterlassen. Außerdem benutzte Marschalk nachweisbar 1517, 1518, 1521, 1522 für Drucke deutsche Lettern (Meckl. Jahrb. 4 S. 122, 123/24, 129, 131/33). Es ist wahrscheinlich, daß Herzog Heinrich auch auf Dietz's Angebot, die Reimchronik zu drucken (Meckl. Jahrb. 4 S. 72/74), nicht einging, und daß sie daher Manuskript blieb. Wie sehr man selbst bis in die neueste Zeit hinein noch bestrebt war, derartige über das Fürstenhaus Aufschluß gebende Chroniken der Allgemeinheit vorzuenthalten,. zeigt das Schicksal der Doberaner Genealogie (Meckl. Jahrb. 11 S. 2/3).
212) Schröder S. 19-34.
213) Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 201 ff.; Jahrbuch des Vereins für nd. Sprachforschung 1875 S. 57-65: Lorenz S. 9.
214) Schröder S. 19.
215) Meckl. Jahrb. 22 S. 263 ff. Die beiden hd. Lieder auf Herzog Georg aus den Jahren 1550 und 1552 (Meckl. Jahrb. 21 S. 165 ff.) sind schwerlich in Mecklenburg oder von Mecklenburgern gedichtet.
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Die erste von den in Mecklenburg verfaßten hochdeutschen Schulkomödien ist der 1569 erschienene "Absalon" des aus dem hochdeutschen Sprachgebiet (Freiberg) stammenden Prorektors der Schweriner Fürstenschule Bernhard Hederich. Die nächste, der "Dionysius", vom Jahre 1578, gedichtet vom Rektor an der Güstrower Domschule Franziscus Omichius, ist dadurch bemerkenswert, daß der Verfasser bereits ein geborener Mecklenburger (Güstrower) ist. Das Niederdeutsche war schon bei Omichius auf komische Szenen beschränkt. Dasselbe war der Fall bei dem im Jahre 1605 verfaßten "Christus" des Rostocker Schulmeisters Joachim Burmeister, eines geborenen Lüneburgers, und bei der letzten in Mecklenburg gedichteten Schulkomödie, dem "Tobias" des zu Eichstedt bei Querfurt geborenen Magisters und Kantors Daniel Friderici vom Jahre 1637. Wenn dagegen in dem 1606 erschienenen "Isaak" des zu Rostock geborenen und dort wohnenden Kaufmanns Joachim Schlu das Niederdeutsche durchaus vorherrscht und das Hochdeutsche nur zur Charakterisierung der "junkerhaften und schulmäßigen" Sprechweise angewandt wird 216 ), so sieht das bereits nach bewußtem Kampf aus, den ein auf festem Heimatboden stehender und konservativ gerichteter Mann des praktischen Lebens gegen etwas führt, das er als schulmeisterliche Voreingenommenheit betrachtete.

Bedeutender als diese Schulkomödien sind die von Mecklenburgern verfaßten geistlichen Dichtungen. Sie blühten besonders im 17. Jahrhundert, vorher finden sich nur Ansätze.

Noch dem 15. Jahrhundert gehört das nach einer lateinischen Hymne gedichtete "älteste mecklenburgische Charfreitagslied" an 217 ). 1519 wurde zu Rostock das Mühlenlied und das Marienlied gedruckt. Ob sie auch in Mecklenburg zuerst gedichtet oder nur aus dem Hochdeutschen umgearbeitet wurden, ist ungewiß 218 ). Die nächsten niederdeutschen geistlichen Dichtungen stammen erst aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1555, 1565/66, 1591). Ihre Verfasser sind dem Stande nach Pastor, Professor, Rektor. Doch ist, wie Schröder betont, "die Zahl der sich der Landessprache bedienenden mecklenburgischen Dichter geistlicher Lieder auffallend gering" 219 ). Die


216) Lorenz S. 16-19: Schröder S. 36-38.
217) Lorenz S. 20; Schröder S. 40.
218) Wiechmann Nr. CXCVI; vgl. III S. 228 ff.; Nr. CXCVII.
219) Schröder S. 40/41. Über die nd. Gesangbücher von 1525, 1531, 1543, 1577 vgl. S. 211.
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letzten niederdeutschen mecklenburgischen Dichtungen geistlichen Inhalts sind Gryses Christliche Gebete und Psalmen vom Jahre 1614 220 ).

Zahlreicher dagegen sind die geistlichen Dichtungen in hochdeutscher Sprache. Sie setzen mit der Jahrhundertwende (1594, 1599) ein. Ihre Verfasser gehören den verschiedensten Ständen Mecklenburgs an: Rostocker Universitätsprofessoren, Pfarrer, Lehrer, Adlige, selbst Angehörige des mecklenburgischen Fürstenhauses gehören zu den Dichtern 221 ). Es zeigt sich hier deutlich, daß seit den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts für die Gebildeten das Hochdeutsche die Literatursprache war. Daß auch bei den breiten Massen bald das Hochdeutsche maßgebend wurde, sieht man am besten daraus, daß der altbeliebte Reinkede Vos, der noch 1616 zu Rostock niederdeutsch gedruckt wurde, bereits 1650 zu Rostock eine allerdings recht üble hochdeutsche Bearbeitung erfuhr 222 ). Laurembergs berühmte vielleicht in den 30er Jahren entstandenen, 1652 gedruckten vier niederdeutschen Scherzgedichte waren wirklich der "Schwanengesang" der alten niederdeutschen Literatur- und Schriftsprache 223 ).

Den Niedergang des Niederdeutschen zeigen uns auch die Prosa-Chroniken.

Niederdeutsch ist noch die 1593 zu Rostock gedruckte Geschichte Joachim Schlüters von Gryse. Niederdeutsch ist auch die bis 1583(85) reichende sogenannte Bouchholtzsche Chronik, die vielleicht von dem Rostocker Buchbinder Christian Kohl, oder von einem andern, dem Buch- oder Druckereigewerbe angehörigen Rostocker geschrieben ist. Von 1602 ab wurde sie aber vom Rostocker Buchbinder Michael Scheiterer bereits in hochdeutscher Sprache fortgesetzt. Später wurde auch der erste Teil der Chronik hochdeutsch bearbeitet 224 ). Die lateinische, bis 1584 reichende Chronik des Petrus Lindeberg, eines geborenen


220) Wiechmann Nr. CLXXXIV.
221) Schröder S. 41-49 nach Bachmann S. 316 ff. und Lorenz Anm. 94. Über die unbedeutenden Dichtungen anderer Gattungsarten (Gedichte in Opitz's Stil, Schäferspiele, Oper, Gelegenheitsgedichte, Sonette usw.) s. Schröder S. 49-56: Lorenz S. 21-23.
222) Schröder S. 14/15: vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 215 Anm. 45.
223) Schröder S. 58/60: vgl. Lorenz S. 23-25.
224) Hansische Geschichtsblätter 1885 S. 171-190; vgl. Rost. Beitr. 11 S. 2-6.
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Rostockers, welche 1596 gedruckt wurde, erfuhr alsbald eine hochdeutsche Übersetzung.

Bereits früher schrieben in Mecklenburg weilende, aber aus hochdeutschem Sprachgebiet stammende Personen hochdeutsche Chroniken. Der aus Meißen stammende herzogliche Hofrat Andreas Mylius verfaßte zwei hochdeutsche Chroniken, die 1571 bzw. 1592 vollendeten Genealogia und Annales 225 ) Ferner schrieb der zu Freiberg geborene Schweriner Rektor Bernhard Hederich eine Chronik der Stadt Schwerin, die 1598 zu Rostock gedruckt wurde.

Schließlich soll noch erwähnt werden, daß auch eine Chronik der Stadt Plau über die Jahre 1619-32 226 ) und eine 1670 gedruckte Chronik der Stadt Parchim 227 ) in hochdeutscher Sprache abgefaßt sind.


IV.

Überblick und Ausblick.

Die hochdeutsche Schriftsprache wurde in Mecklenburg zuerst in die herzogliche Kanzlei eingeführt, und zwar durch den Kanzler Dr. Anthonius Grunwald, einen geborenen Nürnberger, vom Jahre 1493 ab, nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, durch die beiden aus Sorau in der Niederlausitz stammenden Kanzler Brand und Caspar von Schöneich seit dem Jahre 1502. Doch war während Grunwalds Amtszeit (1493-1501) die Anwendung des Hochdeutschen in Urkunden und Akten immerhin noch eine beschränkte. Niederdeutsch ist noch die Hauptmasse der Original-Urkunden und Briefe, nämlich die, welche für einheimische Adlige, Geistliche, Bürger, geistliche Korporationen und Städte sowie die, welche für benachbarte niederdeutsche Fürsten, Adlige und Städte be-


225) Meckl. Jahrb. 18 S. 99/100, gedr. bei Gerdes, Nützliche Sammlung usw., 1736, S. 212-312.
226) Sie ist gleichzeitig in der Plauer Ratsmatrikel aufgezeichnet (Meckl. Jahrb. 17 S. 201/07).
227) Sie wurde von dem von 1661 ab als Pastor zu Parchim wirkenden und dort 1676 gestorbenen Magister Michael Cordesius, einem geborenen Rostocker, verfaßt (Cleemann, Chronik und Urkunden der Vorderstadt Parchim, 1825, S. XV/XVI, 1 ff.).
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stimmt sind. Dagegen sind die Hausverträge und Hofordnungen der mecklenburgischen Herzöge seit Grunwalds Zeit hochdeutsch, Es scheint ferner so, als ob auch in diesem Zeitabschnitt für fremde hochdeutsche Fürstlichkeiten und Personen die Urkunden und Briefe im allgemeinen in hochdeutscher Sprache verfaßt werden. - Unabhängig von Grunwalds Einfluß nimmt zuerst Herzog Heinrich V., Magnus' II. ältester Sohn (geb. 1477), der in seiner Jugend jahrelang an süddeutschen Fürstenhöfen weilte, die hochdeutsche Sprache von 1494 ab an. - Herzog Magnus II. selbst läßt 1498 an seinen Kanzler Grunwald hochdeutsch schreiben. In dem innern Kanzleibetrieb spielt das Hochdeutsche neben dem Niederdeutschen wenigstens zunächst eine größere Rolle: Das Memorial von 1493 und die Kanzleiordnung von 1494 sind hochdeutsch, in der Hauptsache hochdeutsch sind Grunwalds Konzepte bis gegen Ende des Jahres 1495. In seinen an die Herzöge Magnus II. und Balthasar - zumeist eigenhändig - gerichteten Briefen schreibt Grunwald hochdeutsch (1498) und messingsch (1500). Der Rentmeister Claus Trutmann, der an und für sich das Niederdeutsche entschieden bevorzugte und auch seine Rentereiregister 1493/97 ganz überwiegend niederdeutsch führte, schreibt 1498 an den Kanzler eigenhändig hochdeutsch, an Herzog Magnus hochdeutsch, niederdeutsch und messingsch! Außer Grunwald und Trutmann beherrschen in der Kanzlei mindestens zwei bis drei Schreiber bzw. Sekretäre die hochdeutsche Schriftsprache. Das Hochdeutsche, welches durch Grunwald eingeführt wurde, scheint, wenigstens zuerst, die kaiserliche Kanzleisprache gewesen zu sein. Ein großer Teil der hochdeutschen Urkunden und Briefe ist aber nicht in einem reinen Hochdeutsch abgefaßt, sondern sie enthalten mehr oder minder starke Beimengungen von niederdeutschen Wörtern. Die niederdeutsche Opposition gegen die Einführung des Hochdeutschen war noch so stark, daß der Kanzler sich bald genötigt sah, das Niederdeutsche zu erlernen. Er wandte es vom Ende des Jahres 1495 ab immer mehr in seinen Konzepten an.

Grunwalds Nachfolger im Kanzleramt, Brand von Schöneich (1502-07), hat nicht die Bedeutung für die Aufnahme bzw. weitere Ausbreitung der hochdeutschen Schriftsprache gehabt, die ihm bislang allgemein zugeschrieben wurde. Neu ist, daß bereits einige hochdeutsche Schreiben aus der herzoglichen Kanzlei an Rostock ergehen - ferner begegnet eine Anzahl von hochdeutschen Konzepten und Hof- und Landgerichts-

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Protokollen und -urteilen. Aber in der Hauptsache sind die Konzepte und Protokolle während Brand von Schöneichs Amtszeit durch Hofräte (Dr. Leo, Caspar von Schöneich, Dr. Nikolaus Marschalk) und zwei unbekannte Kanzleisekretäre verfaßt worden. Eine Erweiterung des Kreises von Empfängern hochdeutscher Urkunden ist nicht festzustellen.

Gleich beim Amtsantritt seines Neffen und Nachfolgers, des ersten weltlichen 228 ) mecklenburgischen Kanzlers Caspar von Schöneich (1507-1547), erfahren, die an einheimische Korporationen und Personen gerichteten hd. Schreiben eine starke Zunahme. Auch hochdeutsche Urkunden werden für Einheimische ausgestellt, und die bislang niederdeutsch geführten Rentereiregister werden wie mit einem Schlage hochdeutsch. Es scheint jetzt die obersächsische Kanzleisprache die Vorherrschaft errungen zu haben. Caspar von Schöneich verfaßte seine Konzepte nur hochdeutsch und hielt es nicht mehr für nötig, das Niederdeutsche als Schriftsprache zu erlernen und anzuwenden. - Die niederdeutsche Opposition gegen das Hochdeutsche läßt sichtlich nach. Nach einigen Jahren des Schwankens ist seit dem Jahre 1518 in der herzoglichen Kanzlei der Sieg des Hochdeutschen über das Niederdeutsche entschieden. In der Folgezeit ergehen nur noch vereinzelte niederdeutsche Schriftstücke aus der Kanzlei. Zumeist sind es die für die breite Öffentlichkeit bestimmten Ausschreiben und Verordnungen. - Man sah sich hier offensichtlich noch genötigt, darauf Rücksicht zu nehmen, daß als Sprache der großen Massen durchaus noch das Niederdeutsche herrschte. - Noch bis etwa 1540 scheinen die niederdeutschen Verordnungen und Ausschreiben stark zu überwiegen, dann nehmen sie sehr schnell ab. - Der sichtlich nachlassende Widerstand der Bevölkerung gegen die hochdeutsche Sprache und nicht zuletzt die Bequemlichkeit der Kanzleischreiber wird hierfür maßgebend gewesen sein. - Von einer ganz isoliert dastehenden niederdeutschen Verordnung vom Jahre 1557 abgesehen, bei der wahrscheinlich besondere Gründe für die niederdeutsche Abfassung maßgebend waren, ist die letzte niederdeutsche Verordnung vom Jahre 1549, das letzte niederdeutsche Landtagsausschreiben vom Jahre 1545, die letzte aus


228) Er wurde von den Herzögen mit weltlichen Lehngütern ausgestattet, während alle seine Vorgänger geistliche Pfründen erhalten hatten. Ein Rückfall in die alten Verhältnisse trat übrigens ein unter dem katholisch gesinnten Albrecht VII. bei dem Kanzler Joachim von Jetze (s. S. 180). Der erste weltliche Kanzleibeamte war der Rentmeister Claus Trutmann, vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 237 ff.
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der herzoglichen Kanzlei ergangene niederdeutsche Urkunde, die bislang festgestellt werden konnte, vom Jahre 1548 229 ).

Von mecklenburgischen Korporationen und Einzelpersonen nahm zuerst der Adel die hochdeutsche Schriftsprache an. Die ersten hochdeutschen Briefe eines mecklenburgischen Adligen stammen bereits aus den Jahren 1497 und 1498. Es folgen Briefe anderer Adliger aus den Jahren 1508 und 1514. Im übrigen war bei den einzelnen der Zeitpunkt der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache recht verschieden. Doch scheint sie sich im allgemeinen zwischen 1534 und 1554 eingebürgert zu haben, wenigstens war dies bei der Korporation des Adels der Fall. Die letzte bislang festgestellte niederdeutsche Urkunde, die einen mecklenburgischen Adligen als Aussteller nennt, stammt aus dem Jahre 1563.

Bei den herzoglichen Amtsbeamten bahnte sich - von zwei Vorläufern aus den Jahren 1529 und 1535 abgesehen - die Aufnahme der hochdeutschen Sprache seit den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts langsam an. Seit 1552/1553 hat das Hochdeutsche in Berichten, Amtsbeschreibungen und Registern das Übergewicht, wenn auch gewisse Schwankungen festzustellen sind. Einige, zumeist wohl ältere Beamte halten ziemlich zäh am Niederdeutschen fest. Das letzte bislang festgestellte niederdeutsche Amtsregister ist vom Jahre 1565/66 das letzte niederdeutsche Schreiben eines Amtsbeamten von 1585.

Von den Städten nahmen zuerst die Residenzstädte Güstrow und Schwerin das Hochdeutsche auf. Es wurde in Güstrow schon zwischen 1534 und 1536 bzw. 1540 heimisch, in Schwerin 1548/51. Bei den übrigen Landstädten wird sich die Aufnahme in den 50er Jahren angebahnt haben. In den 60er bis 70er Jahren hat es sich wohl überall in dem auswärtigen Schriftverkehr durchgesetzt. Länger, z. T. noch bis ins 17. Jahrhundert hinein, hielt sich das Niederdeutsche im internen Schreibbetrieb (Stadtbücher usw.). - Später als bei Güstrow und Schwerin erfolgte die Aufnahme des Hochdeutschen bei den Magistraten der beiden großen Seestädte Rostock und Wismar. Sie begann sich in den 50er Jahren langsam anzubahnen und errang, wenigstens was den aus-


229) Es ist also Rudloffs Angabe (Pragmatisches Handbuch der Meckl. Geschichte, 1780, III S. 228), daß die Sprache der Kanzlei um 1555 "nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten des größeren Haufens noch häufig zwischen der niederdeutschen und der oberdeutschen abwechselte", völlig falsch.
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wärtigen Schriftverkehr anbetraf, in Rostock vielleicht seit Ende 1561, sicher seit 1564, in Wismar seit Ende 1562 den Sieg. Länger hielt sich das Niederdeutsche im rein städtischen Schreibbetrieb, insbesondere in den Stadtbüchern (Grundbüchern) beider Seestädte. Sie wurden in Rostock erst von 1598, in Wismar von 1588 ab hochdeutsch geführt. In den Erlassen beider Städte setzte das Hochdeutsche sich im allgemeinen in den beiden letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts durch.

Bei der Geistlichkeit scheint es in der katholischen Zeit - abgesehen von den Kanzleien der Bischöfe von Ratzeburg und Schwerin und des Klosters Broda - kaum zur Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache gekommen zu sein.

Von den evangelischen Geistlichen bedienten sich die aus hochdeutschem Sprachgebiet stammenden naturgemäß schon früh - nachweisbar von 1526 an - der hochdeutschen Sprache. Doch hielten die niederdeutschen Pastoren, und dies war sicherlich die große Mehrzahl, noch lange, insbesondere auf dem Lande, an ihrer niederdeutschen Sprache fest. Der Umschwung trat erst im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts ein, vollzog sich aber ganz plötzlich, so daß bald nach 1600 das Niederdeutsche in der Kirche sehr schnell abstarb.

An der Landesuniversität scheint das Hochdeutsche etwa seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts allmählich Eingang gefunden zu haben. In den 50er Jahren des Jahrhunderts hat es sch wohl durchgesetzt. An den beiden bedeutendsten Landesschulen zu Schwerin und Güstrow wird es sich in den 60er bis 70er Jahren eingebürgert haben.

Bei den einheimischen Gebildeten scheint, wie die Literatur zeigt, im allgemeinen seit der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert das Hochdeutsche die Schriftsprache geworden zu sein. Man dürfte daher wohl vermuten, daß es etwa um dieselbe Zeit auch im Buchdruck die Vorherrschaft errang, wenn auch bislang darüber genauere Nachrichten fehlen. Bei den breiten Massen in den Städten scheint das Niederdeutsche als Schriftsprache sich bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein gehalten zu haben, machte aber wohl bereits um die Mitte des Jahrhunderts im großen und ganzen dem Hochdeutschen Platz.

Aufnahme und Einbürgerung der hochdeutschen Schriftsprache erfolgte also in

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derselben Reihenfolge wie seinerzeit die der niederdeutschen 230 ): Herzogliche Kanzlei und herzogliche Familie, Adel, kleine Landstädte, große Seestädte, Geistlichkeit. Selbst bis in die Einzelheiten erstrecken sich die Parallelen (Stadtbücher!). Es tritt hier schon rein äußerlich, als wäre es ein Naturgesetz, zutage, welche Kreise für derartige sprachliche Neuerungen am meisten empfänglich waren, und wo das zäheste Festhalten am Althergebrachten sich geltend machte 231 ).

Die frühzeitige Anwendung der hochdeutschen Schriftsprache durch mecklenburgische Adlige läßt es als sicher erscheinen, daß hier zunächst nicht der Einfluß der herzoglichen Kanzlei sich geltend machte, wenn sie auch späterhin dafür weniger oder mehr (Magister Simon Leupold!) von Bedeutung war. - Die äußeren Einflüsse, die sich bei den Adligen recht früh geltend machten, sahen wir in ihrem häufigen Aufenthalt in Mittel- und Oberdeutschland.

Bei den herzoglichen Amtsbeamten dürfen wir mit großer Wahrscheinlichkeit die Annahme der hochdeutschen Schriftsprache dem Einfluß der herzoglichen Kanzlei zuschreiben. Bei den Städten mögen außerdem die Stadtschreiber dafür unmittelbar von Bedeutung gewesen sein. Vielleicht spielt auch die herzogliche Kanzlei eine gewisse Rolle bei der Aufnahme der hochdeutschen Sprache durch die Geistlichkeit, wenn hier auch der Einfluß der aus hochdeutschem Gebiet stammenden Pastoren, der Schule und Universität und besonders der Einfluß von Luthers Schriften und von hochdeutschen Erbauungsbüchern die bedeutendere Rolle gespielt haben mag. Doch bedarf es hier überall noch eingehender sprachlicher und stilistischer Untersuchungen. In Universität und Schulen dürfte das Hochdeutsche in der Hauptsache durch fremde oder in der Fremde gebildete Professoren und Lehrer eingeführt sein.

Es erhebt sich nun die Frage nach den tieferen Gründen der Aufnahme der hochdeutschen Schrift-


230) Vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 208 ff.
231) Vgl. auch Böttcher S. 74/75.
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sprache in Mecklenburg überhaupt und insbesondere durch die herzogliche Kanzlei.

Von Lützow sah sie in dem "zufälligen Umstand, daß vom Anfang des 16. Jahrhunderts an fremde, aus dem Reiche gebürtige Männer . . . fürstliche Kanzler waren, die ihre hochdeutsche Muttersprache . . . in die Kanzlei einführten" 232 ) Diese Ansicht ist nicht zutreffend, denn schon der Kanzler Johann Tigeler (1486-93) war ein geborener Mitteldeutscher, und dennoch wurde durch ihn nicht das Hochdeutsche eingeführt. Er schrieb selbst fast ausschließlich niederdeutsch 233 ). Die mecklenburgischen Herzöge hatten es nämlich seit längerer Zeit vorgezogen, statt der einheimischen, fremde Männer als Kanzler zu berufen, offenbar um ganz gefügige Werkzeuge zu haben, die nur die Interessen der Herzöge, nicht die ihrer Standesgenossen vertreten sollten. Es wäre denkbar, daß auch noch der eine oder der andere Kanzler vor Tigeler ein geborener Mitteldeutscher war. Vielleicht war dies der Fall bei Johann Hesse, der von 1440-46 als Schreiber, Protonotar, Vizekanzler und von 1444 bzw. 1446-49 als Kanzler bezeugt ist und persönlich niederdeutsch schrieb 234 ).


232) von Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von Mecklenburg, 1827, II S. 331/32. Derselben Ansicht scheint auch Krause zu sein, wenn er angibt, daß Brand von Schöneich, "nachdem alle (!) seine Vorgänger Niederdeutsche gewesen waren, zuerst die hd. (kaiserliche (!)) Kanzleisprache in Mecklenburg eingeführt hat". (Allgemeine Deutsche Biographie 32 S. 286/87).
233) Über die wenigen hd. Schreiben Tigelers vgl. Meckl. Jahrb. 100 S. 223. Bezeichnend ist es, daß er selbst seinen Namen, der, wie die Erfurter Matrikel zeigt, eigentlich Zigeler ("Czigeler") lautete, dem nd. Sprachgebrauch anpaßte. Überhaupt sind die mit den Namen der meckl. Kanzler vorgenommenen Wandlungen ein rechtes Kennzeichen für Emporkommen und Einbürgerung der hd. Sprache. Was hat man noch mit dem Namen Grunwald herumexperimentiert (Grone(n)walt, Gronnewaldt, Gronenwoldt, Grenewold, Gronevelt), wahrend ein bis zwei Jahrzehnte später der Name Schöneich viel weniger Anstoß fand.
234) Nd. ist ein an Herzog Heinrich IV. gerichtetes eigenhändiges Schreiben Hesses von 1443. Die zum größten Teil von ihm selbst geschriebenen Urk.-Kopien und -Auszüge im Kanzleibuch von 1442/47 sind nd., abges. v. d. Abschr. von 2 a. d. Kaiserl. Kanzlei stammenden hd. Urk.; diese 2 Abschr. sind durchsetzt mit einigen nd. Wörtern, bemerkenswert sind als mitteld. Formen: zcu (Orig.: zu), zyten (S.A. Bestallungen der Kanzler; Lehnsregister: Meckl. Jahrb. 100 S. 223 Anm. 63). Er ist vielleicht identisch mit dem Johannes Hesse de Waltershußen, der 1432 zu Erfurt immatrikuliert wurde (Weißenborn, Erf. Matrikel I S. 36), vgl. Anm. 237. - Thomas Rode, Kanzler von (  ...  )
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Dies alles deutet übrigens schon darauf hin, daß es nicht die Absicht der mecklenburgischen Herzöge war, hochdeutsche Kanzler zu berufen, um dadurch die hochdeutsche Sprache einzuführen. Es liegt auch bei Grunwald kein Anzeichen dafür vor, daß seine Berufung erfolgte, weil er ein Hochdeutscher war und hochdeutsch sprach und schrieb. Durchaus wahrscheinlich ist es, daß Herzog Magnus bei den häufigen Verhandlungen zwischen Mecklenburg und Brandenburg oder auf seinen Reisen an den Brandenburger Hof Grunwald kennen gelernt und deswegen berufen hatte, wie ja auch Magnus' Sohn Albrecht VII. sich zweimal Kanzler aus Brandenburg holte 235 ). Die Berufung Brands von Schöneich erfolgte vielleicht, weil Magnus ihn auf der Hochzeit seiner Tochter Sophie mit dem Herzog (Kurfürsten) Johann von Sachsen, die am 1. März 1500 zu Torgau gefeiert wurde, oder sonst gelegentlich durch seinen Schwiegersohn kennen gelernt hatte 236 ). Caspar von Schöneich wurde


(  ...  ) 1469 bis 1486, vorher 1461 ff. Schreiber bzw. Sekretär, stammte wahrscheinlich aus Pommern (Allgemeine Deutsche Biographie 29 S. 10/11, Rudloff II S. 921, Krabbe S. 198; Meckl. Jahrb. 41 S. 141, 43 S. 188). Johannes Winhusen, der mir s. Zt. von 1405 bis 1410 als Schreiber bzw. Notar, d. h. als Kanzler, der Herzöge von Mecklenburg-Stargard begegnet ist, war Priester des Hildesheimer Stifts (Meckl. Jahrb. 50 S. 352). Dagegen war Bertram Behr, der von 1352 bis 1360 und dann noch 1363-66? Kanzler Albrechts. II. war, wahrscheinlich ein Adliger aus dem Lande Stargard (Lisch, von Behr II S. 49/50, III S. 288; M.U.B. XIII Nr. 7594, XIV Nr. 8752, 8753). Vielleicht brachten die mit ihm gemachten Erfahrungen (Meckl. Jahrb. 17 S. 121) die meckl. Herzöge dazu, möglichst Fremde als Kanzler zu berufen. Die Namen der meisten Kanzler, die seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. begegnen: Johann Zwalenberg, Johann Reynwerstorp, Detlev von Zygghen, Karl Haquonsson (Schwede!), Johannes von Bentlage, Henning Slapelow, Nikolaus Reventlow, Heinrich Oytemann, Henning Karutze, deuten auf Nichtmecklenburger hin. - Vgl. neuerdings die Arbeit von Grohmann, Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin und der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin, Meckl. Jahrb. 92 (1928). Da seit 1912/13, wo Verf. die Regestensammlung durchsah, ihr Umfang sich beträchtlich vermehrt hatte, konnte Grohmann die s. Zt. festgestellten Daten (Jahrb. 86) erweitern.
235) S. S. 180: Wolfgang Ketwig, Joachim von Jetze.
236) Meckl. Jahrb. 50 S. 280. Es treten auch bald nach dieser Hochzeit mehrere mitteldeutsche Adlige in Mecklenburg auf (Lisch, von Maltzan IV S. 310 Anm.). Einen Anhalt für Rudloffs Angabe (II S. 921), daß Brand von Schöneichs Berufung durch Herzog Heinrich veranlaßt sei, habe ich nicht gefunden. Ich halte es auch nicht für besonders wahrscheinlich, daß Heinrich bereits einen solchen Einfluß auf die Regierung hatte. Im übrigen war er von 1496 bis (  ...  )
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sicherlich durch seinen Oheim an den herzoglichen Hof gezogen, wie ja überhaupt die Vetternwirtschaft am mecklenburgischen Hofe in jener Zeit eine ziemliche Rolle spielte 237 ). Wie wenig die Herzöge daran dachten, nur hochdeutsche Kanzler in ihre Dienste zu ziehen, sieht man daraus, daß der aus Lübeck stammende Rostocker Professor Liborius Meyer 1490 das Kanzleramt in Vertretung verwaltete, und daß 1507 nach Brand von Schöneichs Tod Herzog Heinrich den Ratzeburger Domherrn Heinrich Bergmeyer, einen geborenen Niederdeutschen, der in seinen Briefen rein niederdeutsch schrieb, zum Kanzler berufen wollte 238 ). Übrigens wurde auch das wichtige Rentmeisteramt, nachdem es hintereinander von zwei aus Mitteldeutschland stammenden Persönlichkeiten: Claus Trutmann (1493-1512) und Baltasar Rotermund (1512-1519), verwaltet war, mit Jürgen Fineke (1519-23), einem mecklenburgischen Adligen, der seine Register niederdeutsch führte, besetzt. Ferner hatte Herzog Albrecht VII. als Rentschreiber bzw. -meister Johann Bullenberg (1523-35), einen geborenen Wismarer, der gleich-


(  ...  ) 1503 in der Hauptsache in Oberdeutschland bzw. am kaiserlichen Hofe und tat Dienste im kaiserlichen Solde. Er weilte nur vorübergehend in Torgau bei der Hochzeitsfeierlichkeit (Lisch, von Maltzahn IV S. 312-21).
237) Der Kanzler Tigeler und der Rentmeister Trutmann stammten aus Waltershausen bei Gotha. Grunwald und Trutmann waren gute Freunde. Der Rentschreiber (Rentmeister) Rotermund war ein Neffe von Trutmann und stammte aus dem ungef. 30 km von Waltershausen entfernten Waltersleben. Marschalk wurde wahrscheinlich durch die Schöneichs an den meckl. Hof gezogen (Meckl. Jahrb. 4 S. 95; Krabbe S. 276).
238) S.A. Akten, Bestallung der Hofräte, 13. 4. 1507, 18. 9. 1509; 1497 war Bergmeier noch "Schreiber" der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, ebendort 9. 7. 1497. Im übrigen vgl. über ihn Masch, Geschichte des Bistums Ratzeburg, 1835, S. 409 ff. - Es mag andererseits aber auch betont werden, daß die meckl. Herzöge nichts getan haben, um das Vordringen des Hd. zu verhindern. Ihr Verhalten den beiden Sprachen gegenüber war ein passives. Durch die Berufung von hd. Adligen, die sich etwa seit der Jahrhundertwende in Mecklenburg stärker bemerkbar machten, öffneten sie aber indirekt der hd. Sprache Tür und Tor an ihrem Hofe. Vor allem aber wird der Umstand, daß Heinrich V. und Albrecht VII. in ihren jungen Jahren lange Zeit am Hofe des Kaisers und bei hd. Fürsten sich aufhielten, viel zur schnellen und völligen Einbürgerung des Hd. als Hof- und Kanzleisprache beigetragen haben (vgl. Anm. 236). Albrecht erklärt einmal im Verlaufe der Landesteilungsstreitigkeiten, daß er ungefähr sechs Jahre außerhalb Mecklenburgs gewesen sei). Über Herzog Ulrichs Verhältnis zu den beiden Sprachen vgl. S. 206, 212/13.
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falls niederdeutsch schrieb! - Allerdings sind beide schwerlich als retardierendes Moment zu betrachten, da sie im Gegensatz zu Trutmann und Rotermund nur als Kassenbeamte anzusehen sind und nicht in der Kanzlei tätig waren.

Dies alles drängt durchaus zur Vermutung, daß die tieferen Gründe für die Einführung der hochdeutschen Schriftsprache in die herzogliche Kanzlei nicht letzten Endes in den einzelnen Persönlichkeiten zu suchen sind. Die tieferen Gründe müssen vielmehr hinter ihnen liegen, so daß sie mehr die von einer geistigen Bewegung, einer großen Zeitströmung, Getriebenen als die Treibenden sind.

Diese große Bewegung haben wir nicht in der Reformation zu sehen. Denn sie faßte in Mecklenburg erst Fuß, als in der herzoglichen Kanzlei der Sieg der hochdeutschen Schriftsprache schon seit einigen Jahren entschieden war. Auch die neue Kunst des Buchdrucks kommt nicht in Betracht. Sie wurde zwar schon 1476 in Mecklenburg eingeführt, aber man begann erst in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts hochdeutsch zu drucken. - Eher könnte man annehmen, daß das Hochdeutsche infolge der Einführung zweier anderer Geisteserrungenschaften so nebenbei seinen Einzug in die herzogliche Kanzlei gehalten hatte. Nämlich infolge der Aufnahme des römischen Rechts in das Staatsrecht und der Einführung der modernen Zentralverwaltung. Beide neuen Errungenschaften nahmen im 14./15. Jahrhundert von Italien bzw. Burgund her ihren Siegeszug durch ganz Deutschland und ließen an die Stelle der Geistlichen, die bisher die herrschende Stellung an den Fürstenhöfen eingenommen hatten, die Gelehrten, insbesondere die Juristen und die modernen Beamten treten. Es wäre denkbar, daß die mecklenburgischen Herzöge sich genötigt sahen, aus Ober- und Mitteldeutschland stammende Juristen und Beamte zu berufen, die nun ihre Sprache mitbrachten und einführten. Fast könnte es so scheinen, als ob dies der Fall war, denn Grunwald war im römischen Recht gebildet, während seine beiden Vorgänger Theologen gewesen zu sein scheinen, und der erste mecklenburgische Rentmeister mit Beamtencharakter, Trutmann, stammte aus mitteldeutschem Sprachgebiet. Aber bei näherer Prüfung ist auch dieses nicht stichhaltig, denn bereits Nikolaus Reventlow, der von 1415 bis 1438 als Kanzler der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin be-

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zeugt ist, war Jurist 239 ). Dasselbe gilt von Liborius Meyer. Ferner wurde die moderne Zentralverwaltung schon 1479, ohne daß es zunächst zur Berufung eines besonderen Beamten kam, eingeführt, und Trutmann schrieb in der Hauptsache niederdeutsch. -

Auch diese beiden wichtigen Errungenschaften kommen also als Gründe für die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache nicht in Betracht. Und doch muß ein ganz bestimmter Grund vorliegen, warum das Hochdeutsche erst um die Wende des 15. Jahrhunderts in der herzoglichen Kanzlei und beim Adel Eingang fand. Schon seit ungefähr 200 Jahren hatten die mecklenburgischen Fürsten hochdeutsche Poesie an ihrem Hofe gepflegt 240 ) und seit langem hochdeutsche Urkunden und Briefe


239) Im Jahre 1413 begegnet er als officialis generalis iudex und subconservator der Schweriner Domkirche (Grohmann, Meckl. Jahrb. 92 S. 36). - Er wird als Licentiatus in decretis bzw. in iure canonico und als Magister bezeichnet (S.A. Reg. 2.6., 5.10.1414, 11.11.1427, 7.11.1428, Hofmeister, Rostocker Matrikel I S. 46a). 1408 wurde er zu Erfurt immatrikuliert (Weißenborn, Erfurter Matrikel II S. 27).
240) Rumesland und Heinrich von Meißen (Frauenlob) widmeten mecklenburgischen Herrschern, an deren Hofe sie zeitweise lebten - wie vielleicht auch Heinrich von Krolevitz -, mittelhochdeutsche Gedichte (Lorenz S. 6/7, Schröder S. 1/2). - Rumesland übrigens auch zwei mecklenburgischen Rittern in den 70er Jahren des 13. Jahrh. - Der am mecklenburgischen Hofe lebende Thüringer Ernst von Kirchberg dichtete auf Wunsch Herzog Albrechts II. von 1378 ab seine mittelhochdeutsche meckl. Reimchronik nach Helmolds lateinischer Slavenchronik (Thoms, Die meckl. Reimchronik des Ernst von Kirchberg, Schirrmachers Beiträge zur Geschichte Mecklenburgs II S. 6, 9/10, 49/53: Schirrmacher, Ernst von Kirchberg kein Mecklenburger, sondern ein Thüringer, Schirrmachers Beiträge usw. II; Lorenz S. 8/9: Schröder S. 2/3). Daneben zeugen von der Pflege und Wertschätzung der mittelhochdeutschen Literatur an den meckl. Fürstenhöfen die früher im Geh. und Haupt-Archiv, jetzt in der Landesbibliothek, wenn auch als, Fragmente, erhaltene Handschriften mittelhochdeutscher Dichtungen: Rolandslied, Willehalm, Parzival, Titurel, Wigalois, Passionale oder Heiligenleben (Meckl. Jahrb. 1 S. 152 ff., 57 Berichte III S. 4-10 [Handschrift der zweiten Hälfte 12. Jahrh.], 3 S. 141 ff. [Handschr. 13. Jahrh.], 6 S. 167/70 [Handschr. 15. Jahrh.], 7 S. 230/31 [Handschr. Wende 14./15. Jahrh.], 6 S. 167/69 [Handschr. 15. Jahrh.], 5 S. 207/13 [Handschr. Anfang 14. Jahrh.]). Ferner besitzt die Universitätsbibliothek zu Rostock eine Jwein-Handschrift aus dem 15. Jahrh. (Meckl. Jahrb. 6 S. 170). Bei den meisten dieser Fragmente wollte Lisch einige niederdeutsche Formen erkennen. - Man kann also wohl, wenigstens für gewisse Zeitabschnitte, vom Vorhandensein einer mittelhochdeutschen Dichtersprache, ja vielleicht auch von einer mhd. Hofsprache in Mecklenburg reden. Daß das Interesse an hochdeutscher Literatur auch noch bei Fürsten der Übergangszeit vom (  ...  )
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von fremden Fürsten erhalten 241 ), mecklenburgische Adlige hatten schon seit langen Jahren in Ober- und Mitteldeutschland gefochten, gereist und studiert. Trotzdem war es bislang weder bei den mecklenburgischen Fürsten noch beim Adel zur Einführung der hochdeutschen Schriftsprache gekommen. Der Grund lag ohne Zweifel darin, daß, als die mittelhochdeutsche Literatur noch in Blüte stand, das Lateinische unumschränkt als Schriftsprache herrschte. Als es von seiner beherrschenden Stellung verdrängt wurde, war die mittelhochdeutsche Hof- und Dichtersprache schon in Verfall geraten. Außerdem war sie als überfeinerte Kunstsprache wenig geeignet für eine Schriftsprache, als Sprache der Urkunden und Akten, da hier eine gewisse Nüchternheit und Klarheit, vor allem ein Vertrautsein mit der volkstümlichen Sprechweise erforderlich war. Kurz: Es gab im 14. Jahrhundert keine deutsche Gemeinsprache, sondern nur überall verschiedene Schriftdialekte ("Lantsprachen"). Somit war demgegenüber die Beibehaltung der einheitlichen niederdeutschen Schriftsprache für die mecklenburgischen Fürsten und Adlige das Selbstverständliche. Die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg war also überhaupt erst möglich, als in der kaiserlichen Kanzlei seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, besonders durch Einfluß Karls IV., sich allmählich eine einheitliche Reichssprache herangebildet hatte. Sie begann noch im 14. Jahrhundert sich allmählich nach Brandenburg, Schlesien und Anhalt zu verbreiten. Bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts drang sie in die Kanzleien der Albertiner und in den 80er Jahren in die der Ernestiner ein, wo ihr allerdings in der durch sie angeregten obersächsischen Kanzleisprache ein recht ernsthafter Gegner erwuchs. Etwa um die Jahrhundertwende begann sie sich, wenn auch zunächst noch recht langsam, auf die schwäbischen, ober- und mittelrheinischen Gebiete auszudehnen. Diese Bewegung blieb aber nicht auf die fürstlichen Kanzleien beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf die Universitäten


(  ...  ) Mittelalter zur Neuzeit vorhanden war, sieht man daran, daß Herzog Baltasar (1480-1507) ein hochdeutsches Heldenbuch besaß, welches 1472 vielleicht in seinem Auftrage verfaßt wurde (Lorenz S. 7, Schröder S. 4).
241) Z. B. M.U.B. Nr. 11 444 (1382); Lisch, von Maltzan II S. 577/84 (1427); Meckl. Jahrb. 14 S. 242/46 (1449): Lisch, von Maltzan III S. 324/25 (1464) usw. Bei den Reisen zu Reichstagen und zu hochdeutschen Fürsten war für die Fürsten und Kanzler Mecklenburgs des 15. Jahrh. eine genügende Beherrschung des Hochdeutschen etwas Selbstverständliches.
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und Schulen, auf die Städte, auf die Druckereien und auf die Literatur, sie ergriff als neue große Zeit strömung überall die Gebildeten 242 ). - Diese Bewegung ist letzten Endes ein Ausfluß derselben vom Verfasser im I. Kapitel geschilderten, seit dem 12. Jahrhundert langsam auf kommenden antiklerikalen und nationalen Weltanschauung, der gegen Ende des 14. Jahrhunderts bereits die lateinische Schriftsprache erlegen war. - Nun waren seit den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts die Beziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten sehr viel lebhafter als früher geworden. Die kaiserliche Kanzlei führte, wie die Reichsakten des Schweriner Archivs zeigen, seit der Zeit einen lebhaften Schriftwechsel mit Mecklenburg. Vor allem aber reisten die mecklenburgischen Herzöge in dieser Zeit viel häufiger als früher zu den Reichstagen, um an den Beratungen über Türkenhilfe, gemeinen Pfennig, Reichsreform usw. teilzunehmen, oder um ihre Regalien vom Kaiser zu empfangen, oder aber, um, wie der junge Herzog Heinrich und sein Bruder Albrecht, Jahre lang (1494-1504 bzw. über 6 Jahre) an den Höfen hochdeutsch sprechender Fürsten oder des Kaisers Dienste zu tun. Mecklenburgische Adlige aber kamen sicherlich häufiger als früher ins Reich als Gefolgsleute ihrer Herzöge, oder um als Lehnsmannen in den Türken- und Ungarnkriegen, oder in kleineren Fehden als Söldner Dienste zu tun. Es war daher ganz natürlich, daß das mecklenburgische Kanzleipersonal, die Angehörigen des Fürstenhauses und mecklenburgische Adlige in die Bewegung, von der ihre Standesgenossen im Reich bereits ergriffen waren, hineingezogen wurden.

Die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg ist also als ein Glied in der großen nationalen Bewegung der Einführung einer für alle Deutschen verständlichen einheitlichen Reichssprache anzusehen. Diese Bewegung ist sicherlich ein Ausfluß des besonders stark im 15. Jahrhundert zutage tretenden Nationalbewußtseins und der Bestrebungen zur Schaffung einer starken deutschen einheitlichen Reichsgewalt. Es liegt daher letzten Endes die große nationale Idee der deutschen Einheit und das Streben nach ihrer Durchführung


242) Socin S.149 ff., 159, 161, 181/84, 193/94; Böttcher S.13 ff.
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der Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache in Mecklenburg zugrunde. - Die erste Voraussetzung für die deutsche Einheit auf staatlichem Gebiet war die Spracheneinheit! Diese Erkenntnis muß uns versöhnen mit dem Schicksal, dem die kräftige und doch so gemütvolle niederdeutsche Schriftsprache verfiel 243 ). Freilich erlag sie erst nach zähem Kampfe dem Hochdeutschen. Vor allem in den damals besonders konservativen Städten und ihren Bürgern machte sich ein starker Widerstand geltend gegen den "Sappen- und Minenkrieg" 244 ), den die herzogliche Kanzlei führte. Bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus galt bei der großen Masse der Gebildeten die niederdeutsche Sprache als "mekelnborger sprake", als "sassische effte nedderlendesche sprake", als "düsse sassische sprake" und als "unse dudesch", der hochdeutschen ("overlendischen", "hochdutzschen") Sprache gegenüber durchaus als etwas Ebenbürtiges 245 ). Daher übersetzte man auch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vielfach hochdeutsche Werke ins Niederdeutsche. So wurde noch 1557 zu Rostock das "Trostbüchlin" "uth hogem důdeschen in unse sassessche sprake" übertragen, da "de overlendesche sprake eynem yderen nicht so lichtlick to vorstande ys, alse unse egen angebaren sprake" 246 ). Seit wann das umgekehrte Verhältnis eintrat, wissen wir nicht. Es dürfte die Herausgabe eines Verzeichnisses der hochdeutschen Drucke Mecklenburgs manche wichtige Aufklärung über den Wandel in der Bewertung der niederdeutschen Sprache geben. Jedenfalls erfuhr schon 1573 die 1543 zu Rostock in niederdeutscher Sprache gedruckte Schrift des Johann Freder vom "Loff unde unschuld der frouwen" eine Um-


243) Wenn Lützow (II S. 331/32) in dem Umstand, daß das Niederdeutsche "das ganze Mittelalter hindurch auf der im wesentlichen fast unveränderten Stufe der ursprünglichen Roheit stehen blieb", einen berechtigten Grund für das Verschwinden der niederdeutschen Sprache zu sehen scheint, so zeugt das nur von einer völligen Unkenntnis der niederdeutschen Schriftdenkmäler Mecklenburgs.
244) Böttcher S. 71.
245) Meckl. Jahrb. 4 S. 73; Socin S. 174: Kluge, von Luther bis Lessing S. 96.
246) Wiechmann II S. 25/26, gedruckt bei Ludwig Dietz.
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arbeitung in die hochdeutsche Sprache 247 ). Ferner wurde 1597 die Schrift des Rostocker Syndikus Dr. Johann Oldendorp "van radtslagende", die "ehmals" (1530) in "niedersächsischer sprach" verfaßt war, "jetzt aber" durch den Rostocker Johann Forstenow "allen christlichen oberkeiten und sonst menniglichen zu nutz und besten von newen wiederumb auffgelegt und auß derselben niedersächsischen sprach in hochdeutsch versetzet" und dem Rostocker Rat gewidmet. Es scheint so, als ob hier das Niederdeutsche dem Hochdeutschen gegenüber als etwas Geringwertiges angesehen wird 248 ). Diese Geringschätzung des Niederdeutschen, welche die hochdeutsche Sprache als die feinere, als die Sprache der Gebildeten erscheinen ließ, dürfte etwa seit den 60er Jahren bei den Schulmeistern entstanden und durch sie unter das Volk getragen sein. - Tatsache ist, daß in den Schulkomödien der Rektoren der höheren Schulen das Niederdeutsche zur Charakterisierung des Tölpelhaften und Bäuerischen verwandt und Bauern und niederen Leuten in den Mund gelegt wurde, während die feineren Leute in den Schulkomödien hochdeutsch sprechen! - Berechtigt war diese Geringschätzung der niederdeutschen Sprache keineswegs, denn gerade in der Prosa, wo zuerst und in der Hauptsache die Aufnahme der hochdeutschen Schriftsprache erfolgte, war das Niederdeutsche dem Hochdeutschen durchaus gewachsen, wenn nicht überlegen. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, erscheint uns zunächst die Verdrängung des Niederdeutschen durch die hochdeutsche Schriftsprache geradezu als etwas Widersinniges. Und doch muß man sagen, daß vom allgemeinen und großen deutschen Standpunkt aus betrachtet, die Verdrängung der alten niederdeutschen Schriftsprache durch die neuhochdeutsche ein Akt historischer Notwendigkeit war. Denn hätte sich nicht eine einheitliche deutsche Schriftsprache durchgesetzt, so wäre eine Verständigung und ein Zusammengehen von Süd und Nord wohl unmöglich gewesen. Wir hätten zu der unglückseligen, durch Reformation bzw. Gegenreformation begründeten konfessionellen Spaltung noch eine sprachliche Zersplitterung hinzubekommen. Deutschland wäre vermutlich für immer in zwei selbständige


247) Wiechmann I S. 200/01.
248) Wiechmann I S. 141: vgl. noch Schröder S. 62/63.
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Teile zerspalten geblieben. Um die Größe dieser Gefahr richtig zu erkennen, brauchen wir nur auf das stammverwandte Holland zu blicken, das zu einem guten Teil infolge des Festhaltens an einer niederdeutschen Dialekt-Schriftsprache dem Deutschtum entfremdet wurde.

Diese neue vorhin genannte geringschätzende Bewertung der heimischen Sprache wird es vor allem gewesen sein, die, nachdem die herzogliche Kanzlei die Art an den ragenden Stamm der alten niederdeutschen Schriftsprache gelegt hatte, ihr gänzlich "die Wurzeln abgrub", so daß sie gleich nach dem Anfang des 17. Jahrhunderts auch von der Kanzel und aus der Literatur verschwand. In Laurembergs vier, etwa im Dreißigjährigen Krieg entstandenen Scherzgedichten zeigte sich das alte Niederdeutsche noch einmal in seiner ganzen Größe, um dann für immer zusammenzubrechen. Sie waren wirklich der Schwanengesang der alten niederdeutschen Schriftsprache.

Als Volkssprache und Volksdialekt freilich lebte das "Plattdeutsche" noch Jahrhunderte lang fort und erreichte besonders in Fritz Reuter und John Brinckman noch eine große Blüte. Dann aber kam eine Zeit, wo das Plattdeutsche in den Städten immer mehr zurückging. Es schien hier als Sprache einer angeblich niederen, "unfeineren Kultur demselben Schicksal des Aussterbens verfallen zu sein, das es vor Jahrhunderten dem wendischen Volksdialekt bereitet hatte. - Jedenfalls schienen vor 1914 die Tage des Plattdeutschen in den größeren Städten gezählt zu sein. Glücklicherweise aber hat man nach dem schlimmen Ende des Weltkrieges wieder Anhalt und Trost in der Vergangenheit gesucht und sich auf dies Gut und Erbstück unserer Altväter besonnen. Die plattdeutschen Gilden und Vereine entfalteten eine rege Tätigkeit. Auf den Kanzeln wurde plattdeutsch gepredigt und auf der Bühne erschienen plattdeutsche Stücke - auch ernsten Inhalts - von bedeutendem Wert und großer Ausdruckskraft.

So hat der niederdeutsche Volksdialekt mit echt niederdeutscher Zähigkeit doch noch die schweren Stürme der Zeit überdauert und uns in die neue, bessere Zeit hinein das Geleit gegeben.