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gegründet von Friedrich Lisch,
fortgesetzt
von Friedrich Wigger und Hermann Grotefend.
Mit angehängtem Jahresbericht.
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Druck und Vertrieb der
Bärensprungschen Hofbuchdruckerei.
Vertreter: K. F. Koehler, Leipzig.
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I. | Das vormalige Küstengewässer (Strand) und die Rechtsverhältnisse in der Travemünder Bucht. Von Archivar Dr. Werner Strecker | 1 |
II. | Wandmalerei in Mecklenburg bis 1400. Von Dr. Werner Burmeister | 229 |
III. | Ein Beitrag zur Einwanderungsfrage. Von Generalmajor z. D. Julius von Weltzien, Rostock | 321 |
IV. | Archivrat Carl Friedrich Evers in Schwerin im Verkehr mit Johann Bernoulli (III) in Berlin. Von Geh. Hofrat Professor Dr. Wilhelm Stieda, Leipzig | 325 |
V. | Die geschichtliche und landeskundliche Literatur Mecklenburgs 1924-1925. Von Archivdirektor Dr. Friedrich Stuhr | 357 |
Jahresbericht (mit Anlagen A und B) | 371 |
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:
von
Archivar Dr. Werner Strecker.
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Die nachstehenden Ausführungen sind als Gutachten des Schweriner Geheimen und Hauptarchivs am 29. August 1925 dem Mecklenburg=Schwerinschen Ministerium des Innern eingereicht worden.
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Vorbemerkung | 5-7 | ||
I. | Das Küstengewässer (Strand) an der Ostsee als landesherrliches Hoheitsgewässer | 8-86 | |
Unterschied zwischen dem Rechtsstreit um die Travemünder Bucht und dem um die Binnengewässer (Dassower See usw.). Angebliche methodische Fehler unseres Gutachtens von 1923 | 8-10 | ||
A. | Mittelalterliche Zeit | 10-29 | |
Die Urkunde für Wismar von 1260, S. 10 f. Privilegien für Rostock von 1252, 1329 und 1358; landesherrliche Meereshoheit, S. 11-13. Verleihung von Seefischerei an das Kloster Neukloster 1219, S. 13-15. Der rügische Strand, S. 15-23. Die holsteinische Urkunde für Lübeck von 1252, S. 23 f. Hoheitsgewässer und Seefischereiregal an der pommerschen Küste, S. 24 bis 27. Desgl. am Doberaner Strande, S. 27 f. Seefischereiabgaben im Amte Ribnitz, S. 28 f. | |||
B. | Neuere Zeit | 29-70 | |
Ergebnisse der Akten über den Strandrechtsprozeß zwischen dem Grevesmühlener Amtmann und Wismar von 1595 ff. Strandhoheit bis zum schiffbaren Strom, S. 29-37. Angebliche Begrenzungen des Strandregals (Reitgrenze usw.); dem gegenüber tatsächliche Strandrechtsübung, S. 37-46. Harkenseer Zeugenverhör von 1616 (Strand bis zum Strom), S. 46-48. Erklärung für die Reitgrenze usw., S. 48-52. Irrige Behauptungen Rörigs über Befugnisse und Aufsichtsbezirke der Seestädte am mecklenburgischen Strande, S. 52-66. Strand bis zum Strom im rügischen Landrecht, S. 66 f. Analoge Verhältnisse in Mecklenburg noch im 18. Jahrhundert, S. 67-69. Ergebnisse. Strandhoheit abhängig von Küstenhoheit, S. 69 f. | |||
C. | Die Fischerei im Küstengewässer | 70-86 | |
Meeresfischereiregal im Mittelalter und in neuerer Zeit (Rügen) laut Abschnitt A, S. 70. Im mecklenburgischen Küstengewässer für die neuere Zeit nachgewiesen aus Streitigkeiten zwischen Rostock und den Ämtern Bukow und Ribnitz, 1618 ff., 1674/5, S. 71-80. Ferner |
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nachgewiesen aus dem Streit zwischen der Landesherrschaft und der Stadt Ribnitz (17. und 18. Jahrhundert), S. 80-85. Bericht des Amtes Grevesmühlen über das Strandregal von 1773, S. 85. Fortdauer der mittelalterlichen Rechtsverhältnisse am Strande noch im 18. Jahrhundert, S. 86. | |||
II. | Gebietshoheit und Fischerei in der Travemünder Bucht | 87-189 | |
A. | Die hoheitsrechtlichen Verhältnisse | 87-122 | |
Die custodia illius brevis maris, S. 87-89. Barbarossa-Privileg von 1188. Vergleichung mit dem Privileg für Rostock von 1252, S. 89-99. Fahrwasser und Reede, Lage der alten Reede, S. 100-103. Reede "im weiteren Sinne" S. 103 f. Fälle von 1455 und 1516, S. 104 f. Die Aussage von 1547, S. 105 f. Mecklenburgisches Strandregal bis zum Strom, S. 106-112. Fahrrecht, S. 112-122. | |||
B. | Die angeblichen Reedegrenzen | 122-137 | |
Peillinie Berg-Mühle, S. 122-128. Harkenbeck als interne Fischereigrenze, S. 128 f. Westgrenze, S. 129-135. Reede gleich Bucht, S. 135. Mangel einer Reedegrenze, S. 136 f. | |||
C. | Die Fischerei | 137-189 | |
Die Fischerei in der Lübecker Bucht bis 1500, S. 137 bis 144. Lübecker Fischereiverordnungen, S. 144-147. Die Bülowsche Wadenfischerei, S. 147-149. Fischreusenstreit, S. 150 ff. Schreiben Lübecks von 1616, S. 165 bis 170. Schriftsatz von 618, S. 171-177. Warnemünder Aussagen von 1618, S. 177 f. Nicht nur mecklenburgischer Krabbenfang, S. 178 f. Fall von 1658, S. 180 f. Lübecker Seefischereiabgaben?, S. 181 f. Mecklenburgische Fischerei und Verordnungen in neuerer Zeit. Küstenmeer, nicht Eigengewässer, S. 183-189. | |||
Zusammenfassung | 190-191 |
I. | Der Wismarer Hafen | 192-208 | |
II. | Urkundliche Nachrichten über Hoheitsgewässer und Meeresfischerei an der Küste von Rügen, Pommern und Pommerellen (Westpreußen) | 209-214 | |
III. | Schiffsstrandungen an der mecklenburgischen Küste | 215-217 | |
IV. | "Usque in" in der Bedeutung von "bis zu" in Urkunden der Reichskanzlei und anderer Kanzleien | 218-221 | |
V. | Exzeptionsschrift des Lübecker Anwalts beim Reichskammergericht von 1618 | 222-227 | |
Berichtigung zu S. 68 f. (Ausdruck "Räve") | 228 | ||
Nachtrag zu S. 131 f. (Kämmereiprotokoll von 1804) | 228 |
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I n unserem Bericht vom 31. August 1923 nebst dem Nachtragsberichte vom 12. Oktober desselben Jahres 1 ) haben wir gegen das Gutachten Stellung genommen, das Prof. Dr. Rörig unterm 11. Oktober 1922 über die hoheitsrechtlichen Verhältnisse in der Lübecker Bucht erstattet und dessen wesentlichen Inhalt er in seinem Aufsatz: Hoheits- und Fischereirechte in der Lübecker Bucht, insbesondere auf der Travemünder Reede und in der Niendorfer Wiek (Zeitschrift für lübeckische Geschichte XXII, 1, 1923) veröffentlicht hat. Gegen unseren Bericht ist Prof. Rörig mit einem weiteren Gutachten aufgetreten, das vom 4. April 1924 datiert und "Mecklenburgisches Küstengewässer und Travemünder Reede, rechts- und wirtschaftsgeschichtliches Gutachten" genannt ist. Auch diese zweite Abhandlung ist inzwischen in der Zeitschrift für lübeckische Geschichte XXII, 2 (1924) abgedruckt worden und zugleich als Sonderheft erschienen.
Wir bedauern, unsere Erwiderung darauf mit einigen persönlichen Bemerkungen eröffnen zu müssen. In seinem Vorwort erwähnt Rörig, daß wir die Absicht gehabt hätten, unseren Bericht von 1923 im Jahrbuche für mecklenburgische Geschichte zu veröffentlichen. Dies ist deswegen nicht geschehen, weil seither aufgefundenes Quellenmaterial uns in die Lage versetzte, unsere Darlegungen viel stärker stützen zu können, als es 1923 möglich gewesen war; ohne Verwertung dieses Materials kam also eine Veröffentlichung für uns nicht mehr in Betracht 2 ). Außerdem
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hatten wir inzwischen das neue Rörigsche Gutachten erhalten, das manche bisher nicht berührte Fragen anregt. Wenn Rörig jetzt erklärt, daß wir den Abdruck nach Kenntnisnahme seines Gutachtens ganz aufgegeben hatten, so könnte dadurch der falsche Anschein erweckt werden, als ob wir uns besiegt fühlten. Dem soll hier ausdrücklich widersprochen werden, übrigens ist seinerzeit nach Lübeck mitgeteilt worden, daß wir nach dem Abschlüsse unserer weiteren Arbeiten eingehend und zusammenfassend im mecklenburgischen Jahrbuche berichten wurden. Daß dies im letzten Bande (1924) noch nicht geschehen ist, liegt lediglich daran, daß die Zeit bis zu dessen Ausgabe nicht genügte, um unsere Untersuchungen zu vollenden 3 ).
Es mag sein, daß unser Bericht von 1923 an einigen Stellen etwas lebhaft ist 4 ). Das ist erklärlich genug, weil Rörigs Darlegungen keineswegs nur wissenschaftlich zu bewerten sind. Sie haben durchaus den Zweck, angebliche Lübecker Rechte gegenüber Mecklenburg zu vertreten und, auf Grund einer Hypothese über die Grenzen der Travemünder Reede, eine Meeresfläche als Eigengewässer für Lübeck zu fordern, die dieses selbst in einem solchen Ausmaße bisher nicht beansprucht hatte. Eine ungerechtfertigte Schädigung der mecklenburgischen Fischerei ist denn auch die tatsächliche Folge gewesen.
Gegen eine temperamentvolle Erwiderung hätten wir nichts einzuwenden gehabt. Rörigs Ausführungen aber fallen durch eine Sprache auf, die nur noch als gereizt bezeichnet werden kann und sich an einigen Stellen zu persönlichen Ausfällen steigert, die wir aufs schärfste zurückweisen. Es richtet sich selbst, daß unsere Ab-
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weisung der absurden Grenzlinie Gömnitzer Berg-Pohnsdorfer Mühle- Harkenbeckmündung als "Pseudoakribie und Spiegelfechterei" bezeichnet und der Versuch gemacht wird, die von uns veranlaßte Bemerkung darüber im Januar/Februar-Hefte der Mitteilungen des deutschen Seefischerei-Vereins von 1924 als "bedauerliche Irreführung der öffentlichen Meinung" zu diskreditieren (S. 250). Wir werden den Unwert der Linie noch näher beleuchten, und unsere Darlegungen darüber möchten vielleicht geeignet sein, den Glauben an diese sonderbare Grenzhypothese in Rörigs eigener Brust zu erschüttern. Wenn weiter S. 225, Anm. 12, gewisse Aktenauszüge, die wir vorgebracht haben, als "zweifellos tendenziös" bezeichnet werden, so hindert uns nur der Umstand, daß wir einen amtlichen Bericht zu erstatten haben, daran, auf diese Bemerkung, die sich auch in den Ausführungen auf S. 224 kenntlich macht, die passende Antwort zu erteilen. Schließlich finden sich in dem Gutachten sehr ungerechtfertigte Angriffe gegen unsere Methode, auf die wir im Laufe unserer Untersuchungen noch näher eingehen werden. Es wäre ein Leichtes, solche Angriffe zurückzugeben. Auf welcher "historisch-induktiv vorgehenden" Methode beruht z. B. die unwahrscheinliche Behauptung, daß die Bewohner der mecklenburgischen und holsteinischen Küste bis etwa 1500 nicht in der Lübecker Bucht gefischt hätten, obwohl schon die wendische Zeit den Heringsfang kannte 5 ), oder die Behauptung, daß die Peillinie Gömnitzer Berg-Pohnsdorfer Mühle "uralt" sei? Gleichwohl haben wir das Gutachten, unter Ausscheidung alles Persönlichen, sachlich geprüft. Das Ergebnis dieser Prüfung ist in den folgenden Ausführungen enthalten. Es gereicht uns dabei zu besonderer Genugtuung, daß wir die von Rörig so heftig bekämpften Resultate unserer Untersuchung vom vorigen Jahre mit neuem Beweisstoff erhärten können.
Wir bemerken noch, daß beim Zitieren der Rörigschen Gutachten eine römische I die erste gedruckte Abhandlung von 1923, eine II die zweite von 1924 bezeichnet. Aktenzitate gelten für das Schweriner Archiv.
Übrigens sind wir uns keinen Augenblick darüber im Zweifel, wie die gut gemachte und siegesgewiß gehaltene Kampfschrift Rörigs von 1924 auf ihre Leser wirken muß, - solange bis wir darauf geantwortet haben.
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In seiner Abhandlung von 1923 ist Rörig davon ausgegangen, daß zu Beginn der Lübecker Schiffahrt und Seefischerei an den Küsten der Lübecker Bucht überall freies, herrenloses Meer gewesen sei. Die Lehre vom Küstengewässer und einer Herrschaft der Uferstaaten über dieses Gewässer habe sich erst viel später ausgebildet, als Lübeck an gewissen Teilen der mecklenburgischen und holsteinischen Küste bereits wohl erworbene historische Rechte besessen habe, die durch diese Lehre nicht mehr hätten beseitigt werden können. Infolgedessen nimmt Rörig unter Berufung auf Schücking und Rehm an, daß bei der Beurteilung der Rechtsverhältnisse in der Lübecker Bucht - von der uns hier nur ein Teil, die Travemünder Bucht, angeht - die völkerrechtlichen Regeln versagten und nur das örtliche Gewohnheitsrecht als maßgebend anerkannt werden könne. Um diese seine Meinung zu stützen, hat er auf den Schiedsspruch des Reichsgerichts über das Hoheitsrecht am Dassower See, der Pötenitzer Wiek und der Untertrave von 1890 hingewiesen, der dem historischen Gewohnheitsrechte gefolgt sei. Indessen ist gar nicht zu verkennen, daß sich dieser Spruch ganz wesentlich auch auf das Barbarossaprivileg von 1188 gründet, das damals noch für echt gehalten und vom Reichsgericht in einem für Lübeck günstigen Sinne ausgelegt wurde.
Zur Abweisung der von Rörig gezogenen Parallele haben wir in unserem vorjährigen Bericht bemerkt, daß es sich bei der Entscheidung von 1890 um Binnengewässer gehandelt habe und daß ein Hoheitsrecht über solche ohne Rücksicht auf Ufereigentum an sich möglich sei, über das Meer an der Küste dagegen nicht. Damit haben wir den Unterschied zwischen der Rechtsnatur des damaligen und des jetzigen Streitgegenstandes hervorheben wollen. Mag das Gewohnheitsrecht über den Besitz eines Binnengewässers entscheiden können, für ein Meeresgewässer trifft dies deshalb noch nicht zu. Es ist daher auch unzulässig, die Rechtsgutachten von Schröder und Laband über den Dassower See usw. ohne weiteres auf die Travemünder Bucht anzuwenden, wie Rörig es getan hat 6 ). Wenn nach Laband "historisch begründete Rechtstitel unbedingt die nur dispositiven Sätze des Völkerrechts über Grenzgewässer unwirksam
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machen", so handelt es sich doch im jetzigen Streite überhaupt nicht um Grenzgewässer im Sinne vom Dassower See, Pötenitzer Wiek und Trave.
Daß anerkannte Grundsätze des Völkerrechts rechtsändernd gewirkt haben, ist nicht zu bestreiten. Im vorigen Jahre haben wir gesagt: "Drang, wie Rörig annimmt, der Begriff des Küstengewässers in Gestalt eines ganz neuen Rechtssatzes durch, so wäre es sehr zweifelhaft, ob nicht dieses neue Recht die bisherigen Verhältnisse in Hinsicht auf die Fischerei hätte beseitigen können." Dieser hypothetische Satz läßt nach Rörig (II, S. 219) "kaum eine ernstliche Erörterung zu". Es genüge, auf den dispositiven Charakter des modernen Rechtes am Küstengewässer hinzuweisen, von dem Rörig ebenso fasziniert ist, wie wir es von dem A-priori- Bestande des Rechtes am Küstengewässer sein sollen. Um die Richtigkeit unseres Satzes zu prüfen, müßte man die Fischereiverhältnisse an den Küsten verschiedener aneinander grenzenden Staaten historisch zu verfolgen suchen, und wir möchten glauben, daß sich Ergebnisse herausstellen würden, die uns recht geben.
Indessen kann es nicht unsere Aufgabe sein, die juristische Frage zu erörtern, ob in dem obwaltenden Streite das Völkerrecht oder das Gewohnheitsrecht zu entscheiden habe. Sondern wir wenden uns gegen die Behauptung, daß sich aus der gewohnheitsrechtlichen Entwicklung für Lübeck ein Anspruch auf Gebietshoheit am mecklenburgischen Ufer der Travemünder Bucht bis zur Harkenbeck herleiten lasse, indem wir diese Behauptung mit historischem Beweismaterial widerlegen. Entschieden weisen wir den Vorwurf zurück, daß wir uns "allzu schnell auf vermeintlich allgemein gültige Normen" festgelegt hätten, und daß unser Ausspruch, Hoheitsrecht am Küstengewässer sei ohne Uferhoheit nicht möglich, "letzen Endes die theoretische Grundlage" unseres Gutachtens sein soll (II, S. 219). Wir kommen hiermit zu den beiden methodischen Fehlern, die Rörig (II, S. 233) in unseren Ausführungen entdeckt haben will. Der eine, schon angedeutete, soll darin bestehen, daß wir versucht hätten, "den modernen Begriff des Küstengewässers im Rechtssinne in die historische Entwicklung hineinzutragen". Damit werden die Dinge auf den Kopf gestellt. Nicht wir haben a priori angenommen, daß es im Mittelalter ein Hoheitsgewässer an der Küste der Ostsee gegeben habe, sondern Rörig hat es a priori geleugnet. Weil er davon ausgegangen war, daß dem Strandherrn im Mittelalter kein Recht auf einen Teil der See zugestanden habe, so hatten wir es unternommen, die Richtigkeit seiner Ansicht zu prüfen. Wir fanden, daß verschiedene Urkunden
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und Aktenstellen nicht mit ihr im Einklang stehen, und auf Grund dieser Queuen kamen wir zu der Überzeugung und glauben bewiesen zu haben, daß in der Tat bereits im 13. Jahrhundert die Strandhoheit einen Teil der See mit umfaßte. Das nennen wir induktive Methode. Dabei haben wir keinen Zweifel darüber gelassen, daß das, was wir als Küstengewässer bezeichnet haben, sich an Ausdehnung mit dem modernen Küstengewässer nicht vergleichen kann, wie ja auch Rörig (II, Anm. 51) wohl verstanden hat.
Der Ausdruck "Küstengewässer" allerdings kommt in unseren Quellen nicht vor. Das Gewässer, über das die Strandhoheit sich ausdehnte, gehörte eben zum Strande und fiel mit unter den Begriff des Strandes. Ob man diesen Meeresgürtel als Küstengewässer, Strandgewässer, Strand oder Strandmeer (vgl. Rörig II, Anm. 51) bezeichnen will, ist einerlei. Wir haben den Ausdruck "Küstengewässer" gewählt, weil die Rechtsbasis für die Hoheit darüber dieselbe war wie für die Rechte am modernen Küstengewässer, nämlich die Hoheit über die Küste. Daher läßt sich der überflutete Strand als ein Vorläufer des heutigen Küstengewässers bezeichnen, obwohl er in die schiffbare See nicht hinausreichte und obwohl die Rechte daran umfassender waren als die am modernen Küstenmeer.
Als zweiten methodischen Fehler unseres Gutachtens glaubt Rörig feststellen zu können, daß wir "Exzerpte aus Urkunden sehr verschiedener räumlicher Unterlagen einfach als Zeugnisse für einen vermeintlich einheitlichen Rechtsbegriff, das Recht am Küstengewässer," zusammengestellt hätten. Dieser Vorwurf wäre berechtigt, wenn wir uns auf Quellen wirklich fernliegenden Ursprungs berufen hätten. Daß aber die Rechtsverhältnisse an der holsteinischen, mecklenburgischen und rügisch-neuvorpommerschen Ostseeküste nicht gar so verschieden waren, ist von vorneherein wahrscheinlich und wird durch die Quellen vollkommen bestätigt.
Rörigs Polemik nötigt uns, auf die Urkunden, die wir angeführt haben, noch einmal einzugehen.
Da ist zunächst die Urkunde vom 26. September 1260 7 ), worin die Fürsten Johann und Heinrich von Mecklenburg der Stadt Wismar einen von ihr gekauften Heringszug bestätigten. Die Urkunde ist als Abschrift im Wismarer Privilegienbuche enthalten, das als zuverlässig anzusehen ist. Eine Hand des 15. Jahrhunderts
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hat am Rande vermerkt: De heringtoge in Golvisse. Die Richtigkeit dieser Note steht dahin. Folgt man ihr aber, so würde es sich allerdings um Fischerei in fast eingeschlossenen Gewässern handeln. Es mag daher von dieser Urkunde abgesehen werden 8 ).
Die beiden folgenden Urkunden, die wir angeführt haben, sind das Privileg des Fürsten Borwin III. von 1252 für die Stadt Rostock, wodurch die Bürger mit dem Lehn der Fischerei (beneficio piscature) auf der Unterwarnow und im Meer (in marinis fluctibus), soweit sie sich hinauswagen wollten, ausgestattet wurden 9 ); weiter die Urkunde des Fürsten Heinrich II. von 1323, die eine Bestätigung des Lehns der Seefischerei (nur dieser) und die Beschränkung des Fischfanges auf das Meer am Strande des Stadtgebietes enthält 10 ).
Rörig weist darauf hin, daß alle diese Urkunden den Bürgern der beiden mecklenburgischen Städte ausgestellt seien, "die frühzeitig durch ihre Schiffahrt in mancherlei rechtliche Beziehungen zu den Gewässern vor ihrer Stadt getreten waren". Immerhin erscheint Rostock zuerst 1218 und ist nicht viel älter 11 ); Wismar wurde zwischen 1222 und 1229 gegründet und 1256 zur Residenzstadt gemacht 12 ). Die Urkunden zeigen, daß die städtische Entwicklung von den Landesherren gefördert worden ist. Fürst Borwin III. bestätigt 1252 den Rostockern zugleich das Privileg seines Großvaters von 1218 13 ), das das früheste Zeugnis für das Bestehen der Stadt bildet. Dieses erste Privileg von 1218 umfaßt be-
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reits die Fischerei (piscationibus); und es ist sehr wahrscheinlich, daß auch damals schon sowohl Seefischerei wie Binnenfischerei gemeint war. Wegen der ursprünglich absoluten Stellung der slavischen Fürsten, von denen all und jede Gerechtsame ausging, gab es um jene Zeit keinerlei Recht, das nicht durch landesherrliche Zugeständnisse erworben wurde. Außerdem verkaufte Borwin III. 1252 der Stadt die Rostocker Heide, verzichtete auf das Strandrecht im Hafen, sicherte die Berechtigung zur Einfuhr und Ausfuhr zu unter Vorbehalt des etwa zu erhebenden Zolles und verlieh das Stadtrecht für die Markscheide. 1264 gewährte er dann das Stadtrecht über den Warnemünder Hafen 14 ). Ganz deutlich läßt sich hier erkennen, daß die landesherrlichen Verleihungen mit der Entwicklung der schnell aufblühenden Stadt Schritt hielten. Es ist daher auch nichts darauf zu geben, daß Rörig (II, Anm. 37) annimmt, es habe sich bei der Urkunde von 1252 um eine nachträgliche Legalisierung eines bestehenden Zustandes gehandelt, ganz davon abgesehen, daß dies nicht beweisbar ist und daß auch aus einer nachträglichen Legalisierung ein landesherrliches Recht zu entnehmen wäre. Als 1358 der Herzog Albrecht II. Rostock die volle Gerichtsbarkeit verkaufte, wurde deren Ausdehnung auf das Meer rings an der Küste des Stadtgebietes ausdrücklich ausgesprochen:
tam intra eandem civitatem quam extra in terris et in mari circumquaque , prout in suis terminis et campispaciis, wlgariter markedschede dictis, se extendunt 15 ).
Wie wären denn die landesherrlichen Übertragungen solcher Rechte wie der Seefischerei und der Jurisdiktion auf dem Meere überhaupt zu erklären, wenn nicht der Landesherr sie und also eine Gebietshoheit besessen hätte! Es ist ganz unbegreiflich, wie angesichts der Urkunden von 1252 und 1323 behauptet werden kann, daß im Mecklenburgischen Urkundenbuche nicht eine einzige Verleihung von Fischereirecht im "Küstengewässer" anzutreffen sei (Rörig II, S. 231). Mit der Behauptung von "ausgesprochenen Sonderbildungen" (II, S. 225) wird nichts bewiesen und die Tatsache der landesherrlichen Verleihungen nicht aus der Welt geschafft. Eben dieses Recht, dessen der Landesherr sich am Meeresufer des Rostocker Stadtgebietes entäußerte, hat ihm an seiner ganzen Küste zugestanden. Dafür sind Zeugnisse aus dem Mittel-
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alter und der neueren Zeit in hinreichender Zahl vorhanden. Wie hätte sonst auch Fürst Heinrich 1323 dazu kommen sollen, den Rostockern einen begrenzten Bezirk für ihre Seefischerei zuzuweisen? Soll es sich dabei etwa auch um einen ganz unbestimmten "Zubehör zur Warnow" (II, Anm. 37) handeln, obwohl die Flußfischerei diesmal gar nicht erwähnt wurde?
Bei seiner Erörterung der von uns vorgebrachten Urkunden ist Rörig auf die Geschichte des Wismarer Hafens eingegangen, in dessen Rechtsverhältnissen er eine "vollkommene Parallele" zu denen der Travemünder Reede erblicken will 16 ). Um nicht zu weit abzuschweifen, haben wir unsere Erwiderung in die Anlage I verlegt. Hier soll nur das Ergebnis ausgesprochen werden, daß Wismar weder, wie es beanspruchte, die Gebietshoheit noch die alleinige Fischereigerechtigkeit auf der ganzen Wismarer Bucht bis zur Insel Lieps besessen hat. Übrigens leitet Rörig, indem er den Ausführungen Techens folgt, ein Recht Wismars auf das Gewässer bis zur Lieps aus dem Privileg des Fürsten Heinrich von 1266 ab, also aus einer landesherrlichen Verleihung. Will man aber diese Ansicht Techens, die wir nicht teilen, adoptieren, so kann von einer Parallele zwischen dem Wismarer Hafen und der Travemünder Reede schon deswegen nicht gesprochen werden, weil Lübeck niemals Seegebiet verliehen worden ist; denn das Barbarossaprivileg von 1188, auf das wir noch eingehen werden gibt dafür schlechterdings nichts her. -
Wir kommen zu der Urkunde von 1219, die Fürst Heinrich Borwin von Mecklenburg über die Gründung des Klosters Sonnenkamp (Neukloster) ausstellte, dem er darin u. a. 30 Hufen und die halbe Meeresfischerei zu Brunshaupten überwies:
in Indagine in villa, que dicitur Bruneshovede, XXX mansos et piscaturam dimidiam etiam iuxta mare 17 ).
Hier handele es sich, so sagten wir, um den Fischfang im Küstengewässer, das zum Strandgebiete gerechnet wurde und deswegen iuxta mare, neben, dicht beim eigentlichen Meere, lag. Dabei ist iuxta in der gewöhnlichen Bedeutung übersetzt. Daß Seefischerei ge-
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meint ist, wird auch im Wort- und Sachregister des Urkundenbuches (Band IV, S. 426, Sp. 1: Fischerei an der Küste der Ostsee) und ebenso von Techen (Hansische Geschichtsbl. XII, S. 276) angenommen. Indessen hat Rörig auf dem Meßtischblatte ein jetzt völlig ausgetrocknetes Wasserloch (Blänk) an der Küste Brunshauptens festgestellt, das er als einen "heute zurückgegangenen, früher größeren, seeartigen Teich" bezeichnet (II, S. 226). Es ist zwar möglich, daß dieses Wasserloch 1219 umfangreicher war als 1877, dem Ursprungsjahre des Meßtischblattes, jedoch kann es sich nach der ganzen Lokalität nur um ein bescheidenes Gewässer gehandelt haben. Darauf kommt es aber nicht an. Rörig glaubt, daß Fischerei in diesem Teiche, also Binnenfischerei gemeint sei, obwohl der Teich gar nicht in der Urkunde erwähnt wird. Es ist ganz unzulässig, aus der piscatura iuxta mare einfach eine piscatura in stagno iuxta mare zu machen, wie es sicher heißen würde, wenn die von Rörig angenommene Binnenfischerei hätte verliehen werden sollen. Das Wort stagnum (= See, aber auch für Teiche gebraucht) kommt in der Urkunde zweimal vor und dient zur Bezeichnung der Teiche bei Wichmannsdorf (A. Doberan) und Techentin (A. Lübz) 18 ), die dem Kloster verschrieben wurden. Auch lacus kommt vor. Mit der piscatura dimidia iuxta mare ist in der Urkunde dasselbe gemeint wie mit der dimidietas piscaturae prope mare bei Malpendorf, die ebenfalls verliehen wurde 19 ) und worunter nur Fischerei im Salzhaff verstanden werden kann 20 ). Natürlich aber bedeutet mare hier das große Haff selbst und nicht etwa die offene See dahinter.
Wir haben also alle Ursache, an unserer Auffassung festzuhalten und die Erklärung Rörigs abzulehnen, der nun einmal eine landesherrliche Meereshoheit für das Mittelalter nicht gelten läßt. Daß es sich um die halbe Fischerei handelt, spielt keine Rolle und weist nicht auf ein Binnengewässer hin. Denn die Abgrenzung von Seefischerei nach einem Strandbezirk kommt auch in dem Rostocker Privileg von 1323 vor (und in manchen pommerschen, siehe Anlage II). Außerdem genießt man die halbe Fischerei auch, wenn keine Grenze abgesteckt, sondern mit einem andern zu gleichen Rechten gefischt wird.
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Das iuxta übrigens haben wir im vorigen Jahre wohl zu wörtlich übersetzt. Mit lateinischen Präpositionen in mittelalterlichen Urkunden kann man es nicht allzu genau nehmen; sie stehen oft nicht in der klassischen Bedeutung, so daß mitunter eine gewisse Verschwommenheit des Ausdrucks festzustellen ist. So kommt apud vor in der Bedeutung von "in" 21 ), per in der Bedeutung von "an - entlang" (bei Grenzbeschreibungen), und piscatura prope mare, iuxta mare heißt einfach Fischerei am Meere, Meeresfischerei, wobei sich in dem iuxta der Begriff "an (der Küste) entlang" mitfühlen läßt.
Weiter hatten wir uns berufen auf die Urkunde von 1225, in der Fürst Wizlaw von Rügen dem Ratzeburger Kapitel abgabenfreien Heringsfang für eigenen Bedarf verlieh. Die Stelle lautet:
Dedimus etiam eidem ecclesie, quantum ad sua victualia, per omnem terram nostram liberam capturam de allec sine theloneo et absque molestia et impedimento 22 ).
Hier meint Rörig (II, S. 233), unsere Interpretation erledige sich "durch den Hinweis auf die geographische Eigenart der Rügenschen Gewässer. Die Bodden der Insel und das schmale Gewässer zwischen ihr und dem Festlande, das demselben Fürsten untersteht, gehören zu seinem Machtgebiet, seiner terra; sie werden eben wie Binnengewässer behandelt". Zwar trifft es zu, daß die Gewässer, die Rörig im Auge hat, auch der Rügische Bodden, als landesherrliche Binnengewässer galten 23 ), aber schließlich haben ja Insel und Festland Rügen (Neuvorpommern) auch offene Küste und Buchten, wo ebenfalls gefischt wurde, genau so wie in der Travemünder Bucht. Und auf die Rechtsverhältnisse an der offenen Küste und den offenen Buchten Rügens wollen wir einen Blick werfen.
"Obendrein," sagt Rörig (II, S. 233 f.), "enthält gerade das Rügische Landrecht eine Bestimmung, die, weit entfernt, ein landes-
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herrliches Recht am Küstengewässer zu normieren, nur den Strand als solchen dem zuspricht, "deme dat land edder över hörede". Der Binnenstrand soll dem Herrn des Landes so weit gehören, "als ein man mit einer bindexe (Axt) konde int water werpen"; aber auch das nur dann: wo nicht de strom darvor was, d. h.; wenn nicht das einer andern Herrschaft gehörende Wasser aus irgendeinem Grunde noch näher an das trockene Ufer heranreicht!" Soweit Rörig. Gemeint ist eine Stelle in dem Landrecht, auf die Techen 24 ) aufmerksam gemacht hat, die aber von Rörig mißverstanden und unvollkommen benutzt ist. Es handelt sich bei diesem rügischen Landrecht um ein Werk des Matthaeus Normann, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Gerichtsschreiber rügischer Landvögte wirkte und dabei das alte hergebrachte Recht, das bereits im Rückgange begriffen war, kennen lernte und aufzeichnete. Er hat sein Werk später überarbeitet, einige Jahre bevor er selber Landvogt wurde. Wir halten uns an die ursprüngliche kürzere Fassung 25 ), die auch Techen zitiert hat, und berücksichtigen den erweiterten Text 26 ) nur, wenn er zur Ergänzung dient 27 ).
Kapitel 5 des Landrechtes handelt "Van stranden, strömen, stranddrifden (Strandrührungen), visklagen (Fischlagern) und watergerechtigheiten, so vele meines gnedigen heern sonderbare gerechtigheit belanget". Es heißt da:
. . . . . . . .
Halten wir fest, daß hier in Ziffer 1 unterschieden wird zwischen
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dem kleinen Binnenstrand und dem großen Außenstrand, auf den es für uns allein ankommt. Nach dem erweiterten Text ging der Außenstrand vom Neuen Tief (zwischen Mönchgut auf Rügen und der Insel Ruden am Osteingange des Greifswalder Boddens) an nach Norden um Jasmund und Wittow herum bis zum Bugerort an der Südspitze des Bugs, dann nördlich um Hiddensee und an dessen Westküste entlang bis zu den Dünen vorm Gellen 28 ). Dieser Außenstrand stand dem Landesherrn zu, es sei denn, daß andere für bestimmte Strecken, an die ihre Besitzungen stießen, damit privilegiert waren. Er umfaßte nach Ziffer 4 Land und Wasser, trockenen und überfluteten Strand; diese Stelle möchte noch zweifelhaft sein, aber hören wir weiter. Kapitel 135 handelt "van bergegelde der strandeden und stranddriftigen guedern". Da heißt es in Ziffer 7 (der von Techen angezogenen Stelle):
De olden weren etwes der binnen- und butenstrande twistich wolden, dat de binnenstrand hörede, deme dat land edder över hörede, so wit int water, wo nicht de strom darvor was, als ein man mit einer bindexe (Axt) konde int water werpen, de butenstrand dem overe up 3 sehewagen 29 ) nahe, ist deme fast eines döndes (ist dem fast einerlei Tuns), dat ander furstlichen gnaden binnen und buten, wor keine sonderlike privilegia vorhanden.
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Also man war sich nicht einig darüber gewesen, ob nicht dem Grundherrn 30 ), dessen Besitz ans Ufer stieß, ein kleiner Anteil am Strande zustehe. Es hatte sich also nicht um geltendes, sondern um strittiges Recht gehandelt. Und für die Abmessung des grundherrlichen Anteiles am Binnenstrande, aber nur an diesem, wollte man sich der Wurfgrenze des alten deutschen Rechtes bedienen, die sich durch den Wurf mit der Axt, dem Hammer oder anderen Gegenständen bestimmte. Doch nur dann, "wo nicht de strom darvor was", d. h. wenn nicht das tiefe Wasser zu weit ans Ufer ging, so daß überhaupt kein flacher Binnenstrand vorhanden war 31 ). Und nun die entscheidende Stelle, die Rörig nicht berücksichtigt hat:
dat ander furstlichen gnaden binnen und buten, wor keine sonderlike privilegia vorhanden.
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Mit den Worten "dat ander" kann nur der Strand gemeint sein, der noch jenseits der kurzen Strecke am Ufer lag, die man
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den Grundherren zuschreiben wollte. Und die "besonderen Privilegien"beziehen sich auf Verleihungen des ganzen Strandes, wie wir sie oben aus Kap. 5 Ziffer 2 für die Herren von Putbus und Jasmund kennen gelernt haben. Daß aber dieser weiter nach dem tiefen Wasser, dem Strome, zu gelegene Strand, abgesehen von besonders Privilegierten, dem Landesherrn allein gebühre, darüber war kein Streit. Übrigens geht aus dem erweiterten Text hervor, daß sich die grundherrliche Axtwurfweite für den Binnenstrand durchsetzte, nicht aber die Drei-Seewogen-Weite für den Außenstrand 32 ), der in seiner vollen Ausdehnung seewärts landesherrlich blieb.
Die Erklärung, die Rörig der Stelle hat angedeihen lassen (oben S. 15 f.), geht also in die Irre. Vermutlich kennt er sie nur durch Techen, der den Anfang weggelassen hat. Man vergleiche zu unserer Interpretation die Urkundenauszüge, die wir in der Anlage II bringen und die das Gewässer an der offenen Küste Rügens und Pommerns betreffen. Könnte auch in den dort unter Nr. 1 angeführten Urkunden über rügische Besitztümer an sich zweifelhaft sein, ob die Bestimmungen über Küstengewässer und Fischereigerechtigkeit auch für den Außenstrand gelten sollten, so läßt doch das rügische Landrecht, wie wir gesehen haben, erkennen, daß sich die Hoheit des rügischen Landesherrn in der Tat über einen Teil der See auch am Außenstrande erstreckte. Und von vorneherein spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese Hoheit das Fischereiregal einschloß; denn der Rechtszustand am Außenstrande Rügens war offenbar dem an der offenen Küste Pommerns analog. Immerhin muß dies näher untersucht werden. Das Landrecht sagt in Kap. 5, 3, wohl mit Beziehung auf den Außenstrand allein:
It mot up niene (keine) vischerlage edder vitten (Niederlassung) jennige bode gebuwet werden ane furstlicher gnaden
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edder deren amptlüden consens, und darvor werd mathering und stedegeld genamen.
Also Stättegeld für die Buden und außerdem eine Abgabe vom Fang. Wurde beides etwa nur für die Ufernutzung gefordert, oder ist der Mathering ein Entgelt für die Ausübung der Fischerei selbst? Für das letzte spricht ein Zusatz des erweiterten Textes, wonach sich die Abgabe nach der Ergiebigkeit des Fanges beim jedesmaligen Auswerfen der Netze bestimmte 33 ). Und daß in der Tat nicht nur Ufernutzung in Betracht kommt, wird durch Titel 183 der erweiterten Fassung (S. 171) bewiesen. Darin tadelte der Verfasser, daß die Stralsunder Fischer die Ströme und Bodden binnen Landes befischten, was früher nicht erlaubt gewesen sei, "angesehen dat ock ere Water- Privilegium sick nicht binnen Landes deit erstrecken". Gleich darauf heißt es: "Item, dat mag sin, dat de vom Sunde (Stralsund) etlike Privilegia up den Heringfang-Legen (Lagern) umb Wittow und andern Örden am Butenstrande an Ruigen anthen (anziehen) . ." Das Wasser - privileg bezieht sich also auf den Außenstrand 34 ), woraus hervorgeht, daß der Landesherr dort nicht nur Ufergerechtsame zu vergeben hatte.
Dies erhellt auch aus einem Vertrage zwischen dem Herzog Philipp Julius von Pommern und der Stadt Stralsund vom 10. Mai 1606, in dessen 15. Artikel gesagt wird;
"Ferner . . sollen sich . . die vom Stralsunde der freyen Fischerey in ihren Grentzen und Scheiden und dazu in unserm großen Strande und umb das Land herumb, so viel unser Intereße betrifft 35 ), wie dann auch insonder-
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heit des Heringsfangs auf Wittow und Hiddensehe und des dazu gehörigen Fischlagers und unser Vitten ungehindert gebrauchen und derwegen mit keinem Erdtgelde noch einigem Mattfisch beschweret werden, und wollen wir ihnen die Herberge daselbst nicht verbieten lassen . . ." 36 ).
Hiernach verfügte der Landesherr über die Fischerei im großen Strande, dem Außenstrande Rügens. Und es ist bezeichnend genug, daß es heißt: in unserm großen Strande, daß also der Ausdruck "Strand" auf das Gewässer an der Küste angewendet wird. Dieses Gewässer stellt der Vertrag dem "in ihren Grentzen und Scheiden" an die Seite, womit nur das Binnengewässer zwischen dem Festlande und der Insel Rügen gemeint sein kann, in dem schon 1240 Fürst Wizlaw I. der Stadt Stralsund Fischereigerechtigkeit innerhalb bestimmter Grenzen verliehen hatte 37 ). Demgemäß wird in einer Resolution des Herzogs Philipp Julius von 1612 unter Beziehung auf den Vertrag von 1606 gesagt, daß die Fischerei "in den Stralsundeschen Grentzen und Scheiden" unstreitig und auch "im großen Strande" der Stadt freigelassen, daß aber der Fischfang "im Binnen-Waßer" 1606 streitig befunden worden sei; doch solle jetzt die freie Fischerei auf allen landesherrlichen Strömen und Wieken (d. h. Binnengewässern) zugestanden werden 38 ). Freie Fischerei im Außenstrande und in den Binnengewässern wird also gleichgestellt. Nicht nur um eine Ufernutzung handelt es sich am Außenstrande, sondern die Dinge lagen hier genau so wie an der pommerschen und mecklenburgischen Küste, und der Mathering - in seiner rechtlichen Bedeutung wohl zu unterscheiden von dem Stättegeld oder "Erdgeld" für die Fischerbuden - ist eine Abgabe für die Ausübung der Fischerei selbst, analog dem mecklenburgischen Zollhering, auf den wir noch zurückkommen werden.
Unsere Beweisführung für ein rügisches Küstengewässer bedürfte also gar nicht mehr der Urkunde des Fürsten Wizlaw für das Ratzeburger Domkapitel von 1225, von der wir ausgegangen sind (oben S. 15). Per omnem terram nostram liberam capturam de allec, diese Worte nur auf die Binnengewässer zu beziehen,
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geht nicht an; denn auch der Außenstrand umfaßte Meeresgebiet und auch er gehörte zur omnis terra. -
Schließlich die letzte Urkunde, auf die wir uns berufen haben, die vom 6. Februar 1252, worin die Grafen Johann I. und Gerhard I. von Holstein den Lübecker Fischern die Berechtigung zum Fischfange an der holsteinischen Küste und zu gewissen damit verbundenen Nutzungen auf dem festen Lande erteilten:
. . piscatoribus Civitatis Lubicensis ea concessimus libertatum iura in perpetuum duratura, quod per totum districtum dominii nostri apud maria piscatione libere frui debent et cum navibus suis, ubi eis utile visum fuerit, ad litus accedere et retia sua in terra apud littora siccare et lignis infructibilibus, tam ad siccanda retia quam ad edificandas casas et ad ignem competentibus, sine qualibet contradictione frui debent 39 ).
Per totum districtum dominii nostri apud maria, das heißt doch wohl, sagt Rörig 40 ), im ganzen Gebiet unserer zwingenden Gewalt andem Meere (entlang). Sehr möglich, aber wenn so übersetzt, wenn also per = "in"gefaßt wird, dann kann man nicht mehr mit Rörig folgern: "Also: das Herrschaftsgebiet liegt an dem Meere, schließt es aber nicht ein." Denn dann müßte mit dem districtus dominii eine Wasserfläche gemeint sein, weil ja auf dem festen Lande nicht gefischt werden kann. Über das apud wollen wir keine Vermutungen anstellen; es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß es "in" bedeutet 41 ); aber es läßt sich nicht beweisen. Was jedoch heißt per? Entweder "an - entlang", wie in einer Urkunde von 1167 (per litus maris, vgl. oben Anm. 22), oder "hindurch", das Gebiet hindurch = überall in dem Gebiet. Es steht hier ja nicht in Verbindung mit terra, sondern in Verbindung mit districtus dominii, womit etwas anderes gemeint sein kann als das feste Land. Schließlich aber ist es einerlei, ob man übersetzt: "in unserem Herrschaftsgebiete am Meer" und darunter das Hoheitsgewässer an der Küste versteht, oder ob man sagt: längs unserem ganzen Herrschaftsgebiete am Meer. Denn es kommt weniger auf diese Stelle an als auf das, was verliehen wurde. "Die spezialisierten Bestimmungen
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der Urkunde," meint Rörig, "sprechen ja ganz eindeutig von Freiheiten, welche die Lübecker Fischer auf dem festen Ufer selbst eingeräumt bekamen." Gewiß; aber nicht nur von solchen Freiheiten, und es heißt ausdrücklich, daß die Rechte, die Rörig im Auge hat, in terra ausgeübt werden sollten.Die Lübecker dürfen an der Küste fischen, mit ihren Booten ans Ufer fahren und ihre Netze auf dem Lande am Ufer trocknen sowie das Holz von Bäumen, die keine Früchte tragen, zum Netzetrocknen, Hüttenbau und zur Feuerung verwenden. Fischerei also und Nutzungsrechte auf dem Lande werden zugestanden und ausdrücklich in der Urkunde unterschieden. Nur die Worte piscatione libere frui debent, fährt Rörig fort, könnten zweifelhaft sein. Gar nicht zweifelhaft! Denn auf der Küste kann man schlechterdings keinen Fischfang betreiben, also wurde Fischereigerechtigkeit an der Küste erteilt, woraus wiederum zu schließen ist, daß den Holsteiner Grafen ein landesherrliches Seefischerei-Regal zustand. Aber unsere "Interpretation durch Analogie zu den vermeintlichen Ergebnissen für die mecklenburgische Küste ist in sich haltlos, ganz zu schweigen, daß sie dem Wortlaut Gewalt antut". Wir brauchen hier gar keine Analogie, weil die Urkunde selbst klar genug ist. Und wieso und warum "in sich" haltlos? Abgesehen davon, daß wir nicht bloß "vermeintliche" Ergebnisse aufzuweisen haben, darf man doch wohl die Verhältnisse an der holsteinischen und mecklenburgischen Küste in Parallele stellen. Ja, wenn über die holsteinische Urkunde noch irgendein Zweifel bestehen könnte (den wir nicht hegen), so müßte er angesichts der Rechtslage an den Küsten Mecklenburgs und Pommerns schwinden. Es ist merkwürdig, wie verschieden die Ansichten sind: Wir erinnern uns, daß im vorigen Jahre hier im Archiv die Meinung laut wurde, Rörigs Interpretation (I, S. 6) tue dem Wortlaut der Urkunde "Gewalt an". Diese seine Interpretation widerspricht sich selbst; denn einmal soll "freier (d. h. abgabenfreier) Fischfang" durch das Privileg gewährt sein, und hernach heißt es: "Von dem Fischereibetrieb selbst, soweit er sich auf dem Wasser abspielt, enthält das Privileg nichts" usw. Ist denn der freie Fischfang etwa kein Fischereibetrieb auf dem Wasser?
Der Schluß, den wir 1923 aus den mitgeteilten Urkunden gezogen haben, daß nämlich schon im Mittelalter an der mecklenburgischen, holsteinischen und rügischen Küste die Uferhoheit einen Teil des Meeres umfaßte, bleibt unerschüttert. Und er erhält neue, starke Stützen durch das bereits erwähnte Material, das wir inzwischen dem ommerschen Urkundenbuche entnommen und in der
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Anlage II zusammengestellt haben. Aus diesem Material ergibt sich folgendes:
Dreierlei fällt außerdem beim Studium dieser Urkunden in die Augen:
a) die Verleihung von Seefischerei auf nach Küstenstrecken begrenzten Wasserflächen (Nr. 1, 3-6, 8. 10, hier an der
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Küste von Oxhöft), meistens nach dem Uferbesitz des Privilegierten bemessen; z. B. für Kolberg an der Küste des Stadtgebietes (Nr. 3), genau so wie in dem Privileg für Rostock von 1323 43 );
b) die Gewährung des Gebrauches einer bestimmten Zahl abgabenfreier Schiffe zum Fischfange auf der See (Nr. 2, 7, 9-12);
c) Beschränkungen auf Fischerei mit bestimmten Netzen Nr. 4, 11).
Außerdem haben wir oben gesehen, daß das Ratzeburger Domkapitel 1225 freie Fischerei überall im rügischen Hoheitsgewässer erhielt.
Für gewöhnlich also erhob der Landesherr Abgaben vom Fang, wie sie in der Urkunde Barnims I. für Kolberg von 1266 (Nr. 3) des näheren angegeben sind (18 Pfennige vom Ruder und 1 massa (eigentlich = Klumpen) Hering vom Schiffe; auch nach Netzen wurden sie berechnet, Nr. 6). Als Bezeichnungen solcher Angaben erscheinen die Ausdrücke pensio (Pacht, Zins, Nr. 2), theloneum (Zoll, Nr. 2, 3 und in der Urkunde Wizlaws von Rügen von 1225, oben S. 15), exactio (Abgabe, Nr. 2), portio (Anteil, Nr. 5) und einfach solucio (Zahlung, Nr. 6). Auch kommt in Pommerellen die Lieferung des zehnten Fisches und der zehnten Last Hering vor, die mit Jagdabgaben und Gerichtsgefällen, also aus Hoheitsrechten herrührenden Einkünften, zusammen genannt werden (Nr. 9). Die Freiheit von diesen Fischereiabgaben, das Recht, abgabenfrei zu fischen, heißt libertas (Nr. 4, 5, 6) = Privilegium; daher wird die privilegierte Fischerei "piscatio libera" (Nr. 10) und das privilegierte Fischerfahrzeug "navis libera" genannt.
Die Bezeichnung der Abgabe als Zoll (teloneum) in Nr. 2 und 3 könnte zunächst darauf schließen lassen, daß es sich um einen bloßen Zoll bei der Einfuhr der Fische handele. Indessen geht gerade aus diesen beiden Urkunden Barnims I. die Existenz eines Hoheitsgewässers an der Küste besonders klar hervor (Barnim war seit dem 17. Mai 1264 Herr ganz Pommerns, also auch Herr der ganzen offenen Küste des Landes). Und in der Urkunde Nr. 2 von 1265 für das Kloster Dargun erscheint neben theloneum der Ausdruck pensio, der unbedingt auf Meereseigentum schließen läßt. Auch ist der Wortlaut der Urkunde ganz eindeutig:
indem wir bewilligen, daß das Schiff samt den Fischern und Netzen, die sich darauf befinden, frei und ledig sei von allem Zins, Zoll und irgendwelcher anderen Abgabe, zu
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denen uns andere Schiffe, die zum Schollenfang in See gebracht werden, wegen der Fischerei (ratione piscationis) verpflichtet sind.
Überdies wird in einer Urkunde aus dem folgenden Jahre (1266), in der Barnim Besitzungen und Privilegien desselben Klosters, darunter auch die abgabenfreie Seefischerei mit einem Schiffe, bestätigte (vgl. Nr. 2 am Schlusse), Zollfreiheit im ganzen Herzogtume extra gewährt 44 ). Desgleichen zeigen die Urkunden Nr. 5 von 1268 und Nr. 11 von 1312, daß es sich bei den Fischereiabgaben nicht um Zoll im eigentlichen Sinne gehandelt hat; denn in Nr. 5 (für Kloster Bukow) wird den Klostersassen Zollfreiheit außerdem erteilt 45 ), ebenso in Nr. 11 den Lokatoren und Bürgern von Rügenwalde, und zwar gerade auch Freiheit vom Zoll bei der Einfuhr vom Meere aus 46 ).
Das für die Fischerei entrichtete teloneum ist eben kein eigentlicher Zoll, sondern einfach eine Abgabe, wie denn auch der Zoll, der an der skandinavischen Küste für den Heringsfang erhoben wurde, nichts weiter ist als eine Abgabe für den Fang selbst 47 ).
Und diese Abgabe für Seefischerei kommt auch in einer von zwei mecklenburgischen Urkunden vor, die wir zum Schlusse an-
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führen wollen. Zwar ist die erste davon (angeblich von 1189, tatsächlich im Anfange des 13. Jahrhunderts geschrieben) sicher falsch und auch die Echtheit der anderen wird bezweifelt, doch kann dies die rechtsgeschichtliche Bedeutung des Inhalts nicht berühren. Es handelt sich um ein Privileg des Fürsten Nikolaus II. von Rostock für das Kloster Doberan, worin der Zoll vom Heringsfang, das Strandrecht und jede Nutzung (Frucht, Auskunft) des Meeres an der Küste des Abteigebietes verliehen wurde (1189):
teloneum in captura allec et aplicationem navium, necnon et omnem proventum maris, quod in aquilonari parte abbatie situm est . . . 48 ),
und um ein ähnliches Privileg des Fürsten Heinrich Borwin I von Mecklenburg aus dem Jahre 1192, ebenfalls für das Kloster Doberan:
Omnem eciam proventum maris vel utilitatem (Nutzung) infra hos terminos racionabiliter distintcos ( die Grenzen sind vorher beschrieben), tam in captura allec quam in periclitatione navium (Schiffsstrandung, eigentlich Schiffsverderbung) concessimus . . 49 ).
In der ersten Urkunde wird also sowohl das Strandrecht wie die Abgabe von der Heringsfischerei übertragen, in der zweiten das Strandrecht und, allgemein, die Nutzung des Heringsfanges. Und beide Privilegien, über deren Bedeutung wir uns im vorigen Jahre noch nicht schlüssig waren, zeugen von einem landesherrlichen Fischereiregal im Küstengewässer.
Zollhering, so heißt auch die an den Landesherrn zu leistende Abgabe, die seit 1614/15 in lückenhaft erhaltenen Rechnungen des Amtes Ribnitz aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erscheint und (nach Wall = 80 Stück berechnet) von Waden und Reusen, auch Pfählen (zur Befestigung von Reusen) und "Korfsticken" (zur Befestigung von Netzkörben) gegeben wurde, mit denen man den Fischfang an der Küste des Amtes betrieb. In den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde von hier aus die Güstrower Hofhaltung mit Hering versorgt und der Fang genau beaufsichtigt. 1665 findet sich die von den Reusen zu zahlende Abgabe geradezu als "Strandgerechtigkeit" bezeichnet. Daneben kommen, außer Heringszoll, die Ausdrücke: Heringsgelder, Heringsgefälle, Heringsintraden vor, die jetzt in bar (6 Pfg. für den Wall) entrichtet
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wurden und beträchtliche Einnahmen brachten 50 ). Also noch im 17. Jahrhundert wurde die alte Bezeichnung "Zoll" für die Abgabe vom Heringsfange gebraucht.
Wir wollen unsere Untersuchung hier abbrechen, soweit es sich um die mittelalterliche Zeit handelt, über die wir, zumal im Hinblick auf Rügen, schon haben hinausgreifen müssen. Überall, von Holstein bis Pommerellen, dasselbe Bild, überall landesherrliche Meereshoheit und landesherrliches Fischereiregal, ohne jedoch, daß sich aus dem urkundlichen Material erkennen ließe, wie weit das Hoheitsgewässer seewärts gerechnet wurde. Ist also die kühn unterstrichene Behauptung Rörigs (II, S 231) berechtigt, daß "vollkommener wohl kaum eine vermeintliche Beweisführung in sich zusammenbrechen" könne als unsere für ein mecklenburgisches Hoheitsrecht am Küstengewässer im Mittelalter? Zwar gehören zu den Urkunden, die wir in unserem Bericht von 1923 verwertet haben, die Rostocker Privilegien von 1252 und 1323, beides unwiderlegliche Zeugnisse für landesherrliche Rechte; zwar sagt Rörig, daß sich die Worte iuxta mare "höchstwahrscheinlich" (also doch nicht ganz sicher) auf den Teich bei Brunshaupten bezögen, zwar meint er selber hernach, daß in der holsteinischen Urkunde von 1252 die von der Fischerei handelnde Stelle, die am wichtigsten in dem Privileg ist, zweifelhaft sein könne; trotzdem: auf das vollkommenste zusammengebrochen, und "auch nicht eine Quellenstelle" soll übrig bleiben! "Es ist geradezu ausgeschlossen," fährt Rörig fort, "daß etwa neues Beweismaterial im Sinne der These des M. G. (unseres Gutachtens) überhaupt zutage kommen könnte" (haben wir oben bereits reichlich vorgebracht). "Einmal nicht aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen, da ja auch dem 16. und 17. Jahrhundert ein Rechtszustand solcher Art unbekannt war" (das Gegenteil haben wir für Rügen bewiesen und werden es auch für Mecklenburg beweisen). Sodann: das Mecklenburgische Urkundenbuch enthalte keine Verleihungen von Fischereirechten im Küstengewässer (was außer Rörig niemand behaupten wird).
Den Ergebnissen, die wir über das Küstengewässer an der Ostsee und im besonderen am mecklenburgischen Strande für das Mittelalter gewonnen haben, entsprechen - sehr im Gegensatze zu Rörigs Behauptung - Nachrichten der späteren Zeit. Wir
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gehen zunächst ein auf die in unserem vorigen Berichte angeführten beiden Fragen, die in dem Prozesse, den Wismar gegen den Grevesmühlener Amtmann Thurmann wegen des Strandrechtes an der Lieps führte, von dem Anwalt Thurmanns, also dem Vertreter der landesherrlichen Rechte, den Zeugen vorgelegt wurden (1597):
Wir haben aus diesen Fragen geschlossen, daß der Begriff des Küstengewässers jener Zeit durchaus geläufig gewesen sei, wobei wir selbstverständlich nicht die moderne Drei-Seemeilen-Zone im Auge hatten. Für Rörig (II, S. 224) freilich sind die Fragen "anmaßender Schwulst", obwohl er doch wissen müßte, daß diese in unseren Auszügen nicht einmal sehr hervortretende "Schwulst" dem Stile der Zeit zur Last fällt. Und ihre Bedeutung werde völlig niedergeschlagen durch Zeugenaussagen, die Techen in seinem Aufsatz über das Strandrecht an der mecklenburgischen Küste in den Hansischen Geschichtsblättern XII (1906) veröffentlicht hat, einem Aufsatze, den im vorigen Jahre nicht herangezogen zu haben, wir um so mehr bedauern, als uns dadurch Arbeit erspart worden wäre. Weil Rörig seine Verwunderung darüber ausgesprochen hat, daß wir nur so wenig aus den Akten über den Strandrechtsprozeß gebracht haben, wollen wir bemerken, daß es zwar schon im vorigen Jahre unsere Absicht war, den ganzen Bestand unserer Strandrechtsakten daraufhin zu prüfen, ob sich für ein Recht auf Meeresgebiet etwas daraus ergäbe. Wir mußten jedoch diese Untersuchung zurückstellen, weil Monate dazu erforderlich sind und diese Zeit uns fehlte 51 ). Daher haben wir uns auch mit den Akten über den Prozeß wegen des Strandrechtes an der Lieps mit seinen dickleibigen Zeugenprotokollen (Hunderte von Fragen, die 35 Zeugen vorgelegt wurden) nur zum Teil bekannt machen können. Was wir aber daraus entnommen haben, halten wir vollkommen aufrecht.
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Wissenschaftliche Forschung wird sowohl die angeführten Fragen wie die Zeugenaussagen prüfen, nicht aber, wie Rörig es tut, die von Techen beigebrachten Zeugenaussagen, die nicht einmal zueinander stimmen, ohne jede nähere Aktenkenntnis als allein maßgebend bezeichnen und die in den Fragen zutage tretende Rechtsanschauung beiseite werfen. Bleiben wir zunächst bei den Fragen. Wir fügen noch eine dritte hinzu:
Ob nicht das Bergerecht "neben andern des Strandes und Sehewaßers hohen Obrigkeit und Gerechtigkeit eine Landesfürstliche sonderliche Hoheit und Regale" sei und dem Herzoge von wegen des Amtes Grevesmühlen an dem strittigen Orte zustehe?
Natürlich kann eine Prozeßpartei irrige Behauptungen aufstellen, aber doch wohl nur, soweit das geltende Recht nicht geleugnet und nicht verlangt wird, daß statt dessen die Rechtsgültigkeit irgendwelcher Hirngespinste anerkannt werde. Zum mindesten müßte man doch erwarten, daß die Gegenpartei Widerspruch erhoben hätte.
Die Stadt Wismar klagte 1595 beim Güstrower Hofgericht gegen den Amtmann Thurmann wegen Verletzung des Strandrechtes an der Lieps bei der Strandung eines Danziger Schiffes. Der Anwalt des Beklagten übergab darauf eine Exzeptionsschrift, die gleich damit beginnt, daß der Wismarer Rat eine nichtige Klage wegen angeblicher Störung des doch dem Landesherrn zustehenden "Regale und Landesfurstlichen Hoch- Ober- und Gerechtigkeit an der Sehe und Strande, in specie aber der Bergung der gestrandeten Schieffe und Guter" angestrengt habe. Und von dieser Gerechtigkeit der See und des Strandes ist in dem Schriftsatz fortwährend die Rede. Den 30 Wismarer Beweisartikeln wurden 80 Defensional- und Peremptorial-Artikel entgegengestellt, die später den von Thurmann aufgebotenen Zeugen und etwas verkürzt auch den Wismarer Zeugen zur Beantwortung vorgelesen wurden. Diese Artikel sind also mit den Zeugenfragen identisch und enthalten in ihrem ersten Teile alle die Behauptungen, die wir oben aus den Fragen entnommen haben.
Was antwortete hierauf der Wismarer Anwalt? In seiner Replik, der 170 Elisivartikel angeschlossen waren, heißt es: Die Kläger seien keineswegs geständig,
"daß ihre Klage schlechter Dinge und allein dahin sollte gerichtet sein, daß E(uer) F(ürstl.) G(naden) sie in dero I. F. G. Regal und landesfurstlichen Hoch- Ober- und Gerechtigkeit der Sehe und des Strandes, in specie aber der
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Berginge der gestrandeten Schiffe und Gueter und andern darzu gehörigen Gerechtigkeit einen allerdings verbottenen und wiederrechtlichen Eingriff thuen oder daßelbige alles disputirlich machen mochten."
Und hernach, als Entgegnung auf die Artikel, auf die es hier ankommt: Obwohl es zutreffe, daß die Herzöge ihr Land nebst allen dazugehörigen Pertinentien und Regalien vom Reiche zu Lehn trügen, so könne dies doch nur verstanden werden "cum certa qualificatione, limitatione et modificatione salvis cuiusque civitatis prvilegiis et consuetudine praescripta". Die Seegerechtigkeit an sich wurde also ausdrücklich von Wismar zugegeben; nur dagegen erhob es Einspruch, daß sie sich auf den angeblichen Stadthafen erstrecke, auf den Wismar kraft seiner Privilegien und seines Besitzstandes glaubte Anspruch machen zu dürfen und in dem die Lieps seiner Meinung nach lag 52 ). Denn es handelte sich in dem Prozesse darum, festzustellen: Wem steht das Strandrecht auf der Lieps zu und wem gehört die Insel? Gehört sie zu Wendisch-Tarnewitz im Amte Grevesmühlen, oder ist sie Eigentum der Stadt Wismar und im Wismarer Hafen gelegen? Das wurde untersucht. Das Strandrecht an sich als Hoheitsrecht und die Ausdehnung des Strandes waren kein Gegenstand des Streites, wenn auch einige Zeugen darauf eingingen. Wie etwas Selbstverständliches erscheint die Verbindung von Strand und Meeresgewässer als allgemeiner Rechtsgrundsatz in den Artikeln des Thurmannschen Anwalts und wie etwas Selbstverständliches wird sie von Wismar anerkannt. Von "Lehrmeinungen" 53 ) kann ja hier - lange bevor die Diskusston über das moderne, sich in die fahrbare See ausdehnende Küstengewässer durch Hugo Grotius überhaupt erst in Fluß gebracht wurde - gar keine Rede sein. Ein modernes Küstengewässer wird eben nicht in Anspruch genommen, sondern nur das Uralte, Hergebrachte, der Strand.
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Ganz abgesehen von dem konkreten Fall des Strandrechtes an der Lieps, sollte etwa die allgemeine Rechtsanschauung, die sich in den Artikeln oder Fragen offenbart, keinen historischen Quellenwert haben, obwohl sie einem rechtsgelehrten Gegner und rechtsgelehrten Richtern vorgebracht und von dem Gegner nicht angefochten wurde? Und entspricht etwa diese Anschauung nicht dem, was wir für das Mittelalter als geltendes Recht festgestellt haben? Wo steckt also die von Rörig, der in seinen Angriffsformen nicht wählerisch ist, bemängelte "staunenswerte Interpretationskunst"? Wir wollen keinen besonderen Wert darauf legen, daß der Ausdruck "daran rührend" (oder "daran stoßend") sich schon in der Urkunde des pommerschen Herzogs Barnim von 1249 über rügische Besitztümer findet: cum mari salso predictas terras et bona ubiqui attingenti 54 ) Denn diesen Ausdruck anzuwenden, lag so nahe, daß er kein stehender Ausdruck der Rechtspraxis gewesen zu sein braucht. Aber daß 1249 und 1595 dasselbe damit gemeint wurde, ist klar, und wenn in einer weiteren Urkunde Barnims von 1265 über das Meer an der pommerschen Küste gesagt wird: in mari salso terre nostre dominio adiacenti 55 ), so liegt die Analogie mit den betreffenden Artikeln des Thurmannschen Prozeßvertreters auf der Hand.
Nun die Zeugenaussagen. Wir wollen versuchen, ein Bild davon zu geben, soweit es hier nötig ist. Die beiden Fragen, die wir oben im Auszuge wiedergegeben haben, gehören zu den ersten Defensionalartikeln, die 1) die unvordenkliche Belehnung der Herzöge mit ihren Landen durch das Reich, 2) die unvordenkliche rechtmäßige Erlangung und 3) den heutigen Besitz der Lande, 4) den unvordenklichen Besitz des Amtes Grevesmühlen, immer mit dem daran stoßenden Wasser oder der daran rührenden See, mit allen Regalien, Jurisdiktionen usw. und allem Zubehör betreffen und schließlich auf den Besitz von Wendisch-Tarnewitz samt der Lieps zuführen, um so in reichlich umständlicher Weise Gebietshoheit und Strandrecht an dem strittigen Orte festzustellen. Und es ist wahrhaftig kein Wunder, daß sich in dem Vernehmungsprotokoll sehr oft bei den beiden ersten Fragen und wiederholt auch bei der dritten ein Nescit findet zum Zeichen, daß der Zeuge nichts zu antworten wußte. Denn Aufbau und Rechtsinhalt dieser ersten Defensivartikel, die in Frageform gebracht wurden, ist mehr für den Richter bestimmt und ganz ungeeignet, den Zeugen, lauter einfachen Leuten (Bauern, Fischern, Schiffern, einem Brauer und
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Seehandelsmann) vorgelegt zu werden. Viele Zeugen halfen sich damit, daß sie z. B. sagten:
"Die itzo noch lebende Hertzogen zu Megkelnburgk, die hetten das Landt in Besitz, wie und welcher Gestalt, konne Zeuge nicht sagen."
Oder:
"Ihme gedencke noch wol, daß unßerm gnedigen Fürsten und Herrn, Herzog Ulrichen, alß einem regierenden Landtßfürsten gehuldigt und daß I. F. G. noch itzo Landtßfürst seie, reliqua nescit."
Solche Antworten kommen auch bei der vierten Frage, betr. den Besitz des Amtes Grevesmühlen mit der daran rührenden See, vor, z. B.:
" Sagt war (wahr), wie lange aber die Hertzogen zu Megkelnburgk (das Amt) innegehabt, nescit."
Oder auch:
"Das Ambt Greveßmühlen seie Zeugen wol bekandt, reliqua nescit."
Dieses Reliqua nescit ist ein Zusatz, der in dem Protokoll bei unzähligen Antworten über alle möglichen Dinge wiederkehrt, wenn die Zeugen keine erschöpfende Auskunft geben konnten. Und man kann es bei den Aussagen über die hier interessierenden Frageartikel ebenso wenig wie das reine Nescit speziell auf das Küstengewässer beziehen, sondern nur auf den gesamten Rechtsinhalt dieser meist eine Folioseite füllenden Fragen, auf die Unvordenklichkeit, die Regalien usw., lauter Dinge, denen die Zeugen hilflos gegenüberstanden. Dasselbe Mißgeschick hatte Wismar mit ebenso ungeeigneten Fragen. Auf seine ersten acht Elisivartikel z. B" die die Gebietshoheit innerhalb der städtischen Grenzen, auch im Hafen, und die Wismarer Privilegien betreffen, hat es von sämtlichen 12 Wismarer Zeugen, die die Stadt selbst aufgeboten hatte, nur zwei Antworten auf je einen Artikel erhalten, so daß das Nescit hier fortwährend im Protokoll erscheint. Es gilt dies auch von anderen Artikeln, von denen manche schon das Urteil vorwegnehmen wollten, und es ist ganz unbegreiflich, daß man sie alle, nebst einer ungeheuren Zahl von Spezialfragen, die von der Gegenpartei bei den einzelnen Artikeln gestellt wurden, den Zeugen vorlegte, so daß sich die ganze Vernehmung höchst qualvoll gestaltet haben muß.
Einige Zeugen bejahten Fragen, in denen von der anstoßenden See die Rede war, ohne sich näher darüber auszulassen. Andere erklärten, nicht zu wissen, wie weit die Grenzen des Herzogtums
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zur See (auch zu Lande) reichten oder wie weit sich die Gerechtigkeit des Amtes Grevesmühlen an der See erstrecke. Folgende Aussagen, die bei diesen und anderen Artikeln gemacht wurden, seien hervorgehoben:
Dem stehen einige Aussagen gegenüber, die den Strom, d. h. die tiefe See, dem Könige von Dänemark zuschrieben, eine dunkle Vorstellung von einem dänischen Dominium maris Baltici, die noch 1666 auf dem Fischlande wiederkehrt.
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wa(h)r, den (denn) hochgedachter unser g. F. und Herr hette ja das Landt in Vorbieten, und weil I. F. G., wen(n) umbhehr Schiffe stranden, dieselbigen bergen lasset, wie Zeuge selbst gesehen, hielte Zeuge dafür, das I. F. G. auch die daran stoßende Sehe gebuhre, soweit die Schulde oder seuchte Grundt, do ein Schiff stranden konte, gehe. Sonsten aber do Strome sein, do man siegeln konte, hette Zeuge wohl gehoret, das sie Konigsstrome genennet wurden."
Von diesen Zeugen rechneten also Nr. 2 und 3 die Gründe, die von der Lieps ab in das Tief schießen, mit zur Lieps. Und wie weit sollten denn diese Gründe reichen, wenn nicht bis zur fahrbaren See, bis zum Tief, das "binnen den Gründen" ging! Dem entspricht es vollkommen, daß weitere fünf Zeugen (Nr. 4
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bis 8) den Strand bis zum Strom rechneten, womit immer das schiffbare Tief gemeint war 56 ). Und wenn der Zeuge Nr. 7 und mit ihm zwei andere, ein Fischer aus Wendisch-Tarnewitz und ein Beckerwitzer Bauer, nicht wußten, daß der Landesherr außer dem Bergerechte noch weitere Gerechtigkeit an der See habe, so erklärt sich dies daraus, daß am Strande des Amtes Grevesmühlen wie auch an anderen Teilen der mecklenburgischen Küste, wahrscheinlich schon seit langer Zeit, für die Fischerei keine Abgaben erhoben wurden. Im Amte Grevesmühlen lassen sich solche Abgaben erst seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts feststellen; sie wurden damals den Fischern zu Tarnewitz und Boltenhagen auferlegt 57 ) (je 6 Rtlr.) und finden sich seitdem längere Zeit in den Amtsregistern. - Die Zeugen wußten eben immer nur, was sie selbst beobachtet oder zufällig gehört hatten. Von der Schiffsbergung wußten sie alle und gingen bereitwillig darauf ein. Mehr als ein Dutzend aber sagten ausdrücklich, es sei ihnen unbekannt, daß dieses Recht zur landesherrlichen Hoheit gehöre. Selbst der Tarnewitzer Strandvogt Claus Both wußte hiervon nichts, wie die Zeugen denn überhaupt von Regalien und Gebietshoheit nichts verstanden.
Nun die Zeugenaussagen, auf die Rörig sich beruft, zunächst drei, die in dem Prozesse wegen des Strandrechtes an der Lieps von Zeugen, die Wismar aufgeboten hatte, gemacht wurden:
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festen Strande anlangte, habe er wol gehört, daß unser gnediger Fürst und Herr sich deßelben solle gebrauchen, und dan von Tarnewitz biß an die Bake (die auf der Lieps stand), wie er solches von Clauß Bruen (einem mit 90 Jahren verstorbenen Wismarer Fischer) oft gehört, wie auch daß unßer gnediger Fürst und Herr keine mehr Gerechtigkeit an der See hetten, dan man mit einem Pferdt darein reiten köndte." Zur Erklärung sei wegen des "festen Strandes" hinzugefügt, daß der Zeuge Wismar die gesamte Strandgerechtigkeit südlich von der Bake zuschrieb. Hernach sagte er, daß sich der Hafen nach Poel zu bis an die Poeler Brücke erstrecke" und biß an Pöle umbher, so weit einer mit einem Pferdt inß Waßer reiten köndte, und also hette Zeuge vom alten Jürgen Schönefelde gehört". Damit widerspricht er aber seiner eigenen Aussage, wonach Hafen und Tief dasselbe seien und "biß an die Gründe, do ihre Schiff auß- und einsiegelten", gingen. Sein Gewährsmann Jürgen Schönefeld ist offenbar identisch mit dem gleichnamigen Vater des Zeugen Schönefeld, eines Wismarer Schiffers, der sich bei seinen Aussagen verschiedentlich auf seinen Vater berief, aber von einer durch Hineinreiten ins Wasser bestimmten Grenze nichts erwähnte.
Techen hat weitere Aussagen aus späterer Zeit hinzugefügt:
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Für die räumliche Abgrenzung des Bergerechtes durch Ritt und Wurf (mit dem Langeisen, Schießeisen, Hickeisen) hat Techen noch Behauptungen des gräflich Steinbergischen Amtmannes auf Poel 60 ) von 1668 und des Beckerwitzer Strandvogtes von 1669 sowie Aussagen Tarnewitzer Zeugen von 1728 angeführt.
Dies sind die Quellen, die nach Rörig (II, S. 223) beweisen, daß Hoheitsrechte von den Anliegern nur soweit hätten ausgeübt werden dürfen, als die Anlieger selbst oder ihr Pferd den festen Boden berührten. Dies werde "in der symbolischen Ausdrucksweise des Mittelalters mit dem Bilde des Hineinreitens in das Wasser in zahllosen Variationen" ausgedrückt (II, S. 232). Indessen wäre es ja nach der Mehrzahl dieser Angaben erlaubt gewesen, von der Stelle aus, wo die letzte Möglichkeit des Gründens bestand, noch weiter zu werfen, so daß die körperliche Berührung des Bodens dort, wo das geworfene Eisen hinfiel, natürlich ausgeschlossen war. Und wenn zur Ausübung des Bergerechtes mit Booten an das gestrandete Schiff hinangefahren wurde, wie es z. B. bei dem 1595 an der Lieps aufgelaufenen Danziger Fahrzeug der Fall war und auch sonst oft in den Akten erwähnt wird, so kann doch keine Rede davon sein, daß die Strandhoheit sich nur so weit ausgewirkt hätte, als "die körperliche Berührung mit dem Strande selbst im flachen Wasser bei Handlungen solcher Art aufrecht erhalten bleibt" (Rörig II, S. 231 f.). Die "zahllosen Variationen" ferner müßten doch zunächst einmal stutzig machen. Hineinreiten ins Wasser, soweit es geht, und Werfen vom Sattel aus, Hineinreiten, bis die Hufe des Pferdes vom Wasser bedeckt seien (was selbst bei wenig bewegter See ein wahres Kunststück wäre) samt Werfen, bloßes Hineinreiten, Gründen mit einem Spießstaken, - wie weit ging denn nun eigentlich der Strand, und woran sollte man sich in praktischen Fällen halten?
Eine Wurfgrenze kommt in den Zeugenvernehmungen wegen des Strandrechtes an der Lieps auch sonst einmal vor. Claus Qualemann nämlich, ein Fischer aus Tarnewitz, hatte von alten Leuten gehört, daß die Wismarer "soviel Gerechtigkeit im saltzen Have haben solten, alß so ferne zwey Manspersonen, wen(n) sie auf dem Bollwerck stunden, eine Kuhe werfen konten". Techen hat an dieser Aussage Anstoß genommen, weil er sie nicht erklären konnte. Offenbar ist der Kuhwurf auf eine Entstellung des ursprünglichen
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Wurfgegenstandes zurückzuführen 61 ). Die Hauptsache aber ist die Wurfweite, die auch hier erscheint und sicher keine praktische Bedeutung gehabt hat.
Sind die übrigen Aussagen als Zeugnisse für einen tatsächlich bestehenden Rechtszustand am landesherrlichen Strande zu bewerten, obwohl sie unter sich nicht einmal im Einklange stehen und vielen anderen Angaben über die Ausdehnung des Strandes widersprechen?
In unseren Akten über unzählige Strandungsfälle an der ganzen mecklenburgischen Küste ist noch ein weiteres Mal von einer Wurfgrenze die Rede. Es handelte sich um ein schwedisches Schiff, das 1699 am Boiensdorfer Langen Werder, also in der Golwitz, aufgelaufen war, so daß es "nicht 4 Ellen hoch Wasser" hatte 62 ). Trotz einer vom Amte Redentin ausgestellten Wache ließen die Wismarer Kaufleute, die das Schiff gechartert hatten, die Fracht in Boote ausladen und das Schiff durch Winden abbringen. Nach dem Berichte des Amtmannes zu Redentin erklärten die Wismarer Schiffer dabei, es habe der Herzog "so woll an dem langen Warder wie auch an andern Kanten der See keine weitere Praetension zu machen, alß mit einem Pflug-Eisen vom Lande zu hineingeworfen werden köndte, daß übrige gehörte der Königl. Mayest. von Sueden zu" (was doch nicht zutraf, da die Golwitz nie schwedisch gewesen ist). Also diesmal nur nach Pflugeisenwurf und somit wieder eine neue Variation, die aber nur von den Wismarer Schiffern vorgebracht wurde und nicht der Strandrechtsübung des herzoglichen Beamten, dem diese Behauptung vermutlich ganz neu war, zugrunde lag.
Im übrigen haben wir in den Strandungsakten des 17. und 18. Jahrhunderts öfter Angaben über die Lage der verunglückten Schiffe und ihre Entfernung vom Ufer gefunden, nirgends aber eine Bemerkung darüber, daß Ritt und Wurf exerziert seien, was man doch erwarten müßte, wenn es die Voraussetzung für das Bergerecht gewesen wäre.
Wir wollen hier zunächst auf einen Fall von 1728 eingehen, bei dessen Gelegenheit Zeugenaussagen gemacht wurden, auf die Techen hingewiesen hat.
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In der Nacht auf den 11. Januar 1728 war ein Lübecker Schiff, St. Johannes genannt, bei Tarnewitz gestrandet und lag "eine ziemliche Distance vom festen Lande" und "ohnstreitig auf Hochfürstl. Strandt" 63 ). Die Wismarer schwedische Verwaltung aber, deren Ansprüche auf das Buchtgewässer noch weiter gingen als früher die der Stadt Wismar, machte geltend, daß der Strandungsort schwedisches Gebiet sei. Dem widersprachen nach einem Vernehmungsprotokoll vom 29. Januar sämtliche Tarnewitzer Untertanen. "Zudem - so fährt das Protokoll fort - wäre ja die alte Strand-Gerechtigkeit von der Art, daß wann von Seiten Mecklenburg einer an das gestrandete Schiff so weit reiten, biß er mit einem Zickeisen 64 ) an daßelbe werfen könte, das Strandungs-Recht von Mecklenburg exerciret werden müste. Nun könten sie ja nicht nur bey stillem Wetter an das Schiff, sondern auch gar bis auf der Lieps reiten", weswegen der Strandungsort dem Herzoge zustehen müsse. Wieviele von den Tarnewitzern dies angaben, läßt sich nicht erkennen, weil das Protokoll die Aussagen nur summarisch wiedergibt. Nun hatte allerdings das Schiff, nachdem der Sturm, der es ans Land geworfen hatte, abgeflaut war, nur 2 1/2 Fuß Wasser, so daß man hätte heranreiten können, wie denn die Zeugen ausdrücklich erklärten, daß dies bei stillem Wetter möglich sei. Aber als es strandete, herrschte so starker Sturm und die See ging so hoch, daß am 12. Januar zwar eine Wache aufs Schiff gebracht werden konnte, die Leute aus Tarnewitz und Boltenhagen aber außerstande waren, die Löschung mit ihren Fischerbooten vorzunehmen. "Weil aber - sagt ein Bericht des Amtes Grevesmühlen vom 20. Januar - das hohe Waßer, auch der beständig anhaltende starcke Wind und das üble Wetter continuiret, daß ohne Lebens-Gefahr mit solchen kleinen Böthen (weil man keine größere habhaft werden können) weder nach dem Schiffe, noch wieder zu Lande zu kommen gewesen, alß hat mit der Löschung nicht ehender alß den 15ten dieses, da der Wind sich in etwas geleget und das Waßer kleiner geworden, der Anfang gemacht werden können." Also hat offenbar am 12. Januar gar nicht die Möglichkeit bestanden, an das Schiff so weit hinanzureiten, daß es mit einem schweren Eisen, womit nicht gerade weit geworfen werden kann, zu treffen war. Wäre dies aber die Bedingung für die Ausübung des Strandrechtes gewesen, so hätte sie natürlich, diesmal wie in anderen Fällen, vorher erfüllt werden
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müssen, und es konnte nicht etwa die Annahme genügen, daß sie bei ruhigem Wetter möglicherweise zu erfüllen sei. Denn die mittlere Wassertiefe am Strande ist ja nach dessen Beschaffenheit verschieden und bei bewegter See in einiger Entfernung von der Küste gar nicht zu berechnen. Darauf eben wäre es angekommen, dem Schiffsführer den Beweis zu liefern, daß das Strandrecht in Kraft zu treten habe, um so mehr als die Handhabung, wie die Akten zeigen, sich oft nur unter Konflikten vollzog. Nun wurde aber im vorliegenden Fall das Strandrecht schon am 12. Januar, also während des Sturmes, durch die Besetzung des Schiffes mit einer Wache tatsächlich ausgeübt, und auch die Löschung wäre vorgenommen worden, wenn größere Boote zur Verfügung gestanden hätten. Als dann am 3. März Tarnewitzer und Boltenhäger Zeugen wegen des Streites mit der Wismarer schwedischen Verwaltung noch einmal eingehend vernommen wurden, legte man ihnen auch die Frage vor: "Wahr, daß die Hochfürstl. Unterthanen an dieses gestrandete Schiff St. Johannes reiten und zur Noht zu Fuße gehen wollen und können? 65 ) Und aus der Form dieser Frage ist zu schließen, daß solch ein Ritt oder Gang auch nach dem Sturm nicht unternommen war. Übrigens reiht sich die Frage verschiedenen anderen an, wonach der Strandungsort in Vorzeiten festes Land und Weide der Tarnewitzer Bauern gewesen sein sollte, die ihr Vieh sogar bis auf die Lieps gejagt hätten; so hatten nämlich die Tarnewitzer schon vorher ausgesagt. Also diente die Frage sicherlich nur dazu, die Möglichkeit eines solchen früheren Zustandes durch die Flachheit des Wassers in jener Gegend zu erläutern, ohne daß auf eine Strandrechtsgrenze angespielt werden sollte. Demgemäß setzten auch Beauftragte des Amtes Grevesmühlen am 3. April in Wismar dem Vizepräsidenten des schwedischen Tribunals die vormalige Zugehörigkeit des Strandungsortes zum Dorfe Tarnewitz auseinander und erwähnten aus den Zeugenaussagen, daß ein nicht weit davon aus dem Wasser ragender Stein (Kellingsstein) nach einem Bauern genannt sei, dessen Weide dort gelegen habe. "Ja, der Notarius adjunctus bezeugete dem Herrn Vicepraesidenten, daß er dem letzten Ostertag den Stein und Stelle des gestrandeten Schiffes in Augenschein genommen und sich unterstehen wollen, mit
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Stiebeln an solchen zu gehen." Darüber aber, daß diese Worte sich auf eine Strand grenze beziehen sollten, findet sich in dem Protokoll über die Unterredung kein Wort, ebenso wenig etwas über eine Grenzbestimmung durch Ritt und Wurf, die doch in erster Linie hätte hervorgehoben werden müssen, wenn wirklich etwas darauf gegeben wäre. Auch in den Aufzeichnungen über die langen Auseinandersetzungen mit dem schwedischen Fähnrich, der am 16. Jan. mit einer Truppe das Schiff besetzt hatte, ist nicht die Rede davon. Offenbar hat das Amt Grevesmühlen diese Abgrenzung nicht anerkannt, und da sie in dem Protokolle über die erste Vernehmung der Tarnewitzer (zwischen 13. und 17. Januar) noch nicht erwähnt wird, so scheinen die betr. Zeugen vom 29. Januar einige Zeit gebraucht zu haben, um sich darauf zu besinnen.
Ein weiterer Fall, der sich fünf Jahre vorher in derselben Gegend ereignete, lehrt ebenfalls, daß man sich keineswegs an einer durch Ritt und Wurf zu bestimmende Strandweite hielt. 1723 nämlich meldete der Tarnewitzer Strandvogt dem Amte Grevesmühlen die Strandung eines Lübecker Schiffes, eines sogenannten Kreiers, der bei Tarnewitz, und zwar nach dem amtlichen Protokoll "beynahe eine halbe Meile vom Lande und nahe an dem Wißmarschen Haafen, dennoch aber auf Hochfürstl. Strande und Gebiete" aufgelaufen war. Die Grevesmühlener Beamten ließen die Ladung durch Boote ans Land schaffen und das dadurch wieder flott gewordene Schiff mit einer Wache besetzen. Lübecker Kaufleute, denen Fahrzeug und Ladung gehörten, baten ihren Rat um Vermittlung; das Schiff habe nicht Schiffbruch erlitten, sondern sei auf einer kleinen Sandbank am Klützer Ort "nur etwas feste zu sitzen kommen". Darauf berief sich der Lübecker Rat auf das Verbot des Strandrechtes im Reich sowie auf die mecklenburgischen Strandrechtsprivilegien für Lübeck und ersuchte um Freigabe gegen Entrichtung eines angemessenen Arbeitslohnes. Die mecklenburgische Regierung in Dömitz entschied, daß Schiff und Waren aus nachbarlicher Freundschaft unter Vorbehalt des Strandrechtes gegen Erlegung von 10 Rtlr. Ad pias causas außer dem Bergelohn citra consequentiam für diesmal ausgeliefert werden sollten, eine Form, die auch sonst gewählt wurde. Unterdessen hatte die schwedische Verwaltung, ebenso wie fünf Jahre später, vorgebracht, das Schiff liege auf ihrem Gebiete, ließ aber nach einer Besichtigung der Örtlichkeit nichts mehr von sich hören 66 ).
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Daß man übrigens bei der Ausübung des Bergerechtes nicht gerade "im flachen Wasser" operierte, geht auch aus Akten von 1732 hervor, wonach eine einmastige Stettiner Galliote bei Tarnewitz diesseits des nach Poel zu gelegenen sog. Kellingssteines, "gegen der Haffbeck" strandete. Als sie festsaß, hatte sie fünf Fuß Wasser und bedurfte nur eines Fußes mehr, um loszukommen. Die Grevesmühlener Beamten ließen eine Wache auf das Schiff befördern, weil es auf den landesfürstlichen "ohnstreitigen Grunde und Strande feste geblieben" sei. Boote zum Löschen waren bereits unterwegs, als die inzwischen angestiegene See dem sehr ungebärdigen Schiffer die Abfahrt ermöglichte 67 ).
In der Anlage III haben wir acht weitere Strandungsfälle an verschiedenen Teilen der mecklenburgschen Küste zusammengestellt. Sie geben ein Bild der tatsächlichen praktischen Übung und sind daher beweisend 68 ). In den meisten dieser Fälle ist die Möglichkeit, das Schiff durch den Ritt ins Wasser und den Wurf mit dem Eisen zu erreichen, ganz ausgeschlossen gewesen, in den übrigen auch nicht anzunehmen. Einige der Strandungen geschahen um die Zeit der von Techen veröffentlichten Aussagen von 1668 und 1669, andere in den Zeiten des 18. Jahrhunderts, wo man das Strandrecht mit größter Milde, mehr als einen Akt der Hilfeleistung, ausübte; aber als landesherrliches Regal wurde es gleichzeitig immer wieder scharf betont und der Anspruch auf Bergegeld aufrecht erhalten, wenn dieses auch öfter erlassen wurde. Dabei ist das Bergegeld als Gebühr von dem Arbeitslohn für die Bergung zu unterscheiden. 1789 (90) wurde es von dem Schweriner Regierungsfiskal Bouchholtz in einem Gutachten über das Strandrecht mit den Kosten für die Haltung der Strandvögte begründet 69 ). Dem Rechte nach war die Handhabung noch im 18. Jahrhundert dieselbe wie im 17. und 16., wo ebenfalls, wenigstens im allgemeinen, nicht mehr als ein Bergegeld gefordert wurde, wenn man auch noch nicht grundsätzlich von der alten Anschauung lassen wollte, daß gestrandetes Gut dem Strandherrn verfallen sei 70 ). Ja, diese alte Anschauung klingt noch aus den Berichten hervor, die von herzoglichen Beamten über Strandungen von 1762 und 1781 erstattet wurden (Anlage III, Nr. 4 und 6), wenn man es auch
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nicht mehr recht ernst damit meinte. Zudem war sich der Begriff des Strandes vollkommen gleich geblieben 71 ).
Was haben nun aber jene Behauptungen und Zeugenaussagen zu bedeuten, nach denen der Strand durch den Ritt in die See, den Eisenwurf usw. bemessen werden sollte? Techen hat darauf aufmerksam gemacht, daß in J. Grimms Deutschen Rechtsaltertümern 72 ) unter den Maßbestimmungen auch der Pflugeisenwurf und das Hineinreiten belegt seien. Es sind von Grimm sehr mannigfaltige, dem alten deutschen Recht entstammende Gebräuche gesammelt worden, die zur Abgrenzung von Gebiet auf dem Lande und im Wasser dienten. Mehrfach erscheint der Ritt ins Wasser in Verbindung mit einem Hufhammerwurf oder Speerschuß, so zur Bestimmung der Gebietshoheit des Erzbischofs von Mainz im Rhein; daneben der bloße Wurf mit allerhand Gegenständen. Unter den Beispielen für die Reichweite durch Berührung mit Werkzeug verschiedener Art finden sich Angaben, wonach Gebietsrechte soweit gelten sollten, als man vom Pferde aus mit einem Speer das Wasser berühren könne. Es erinnert dies an die Wismarer Aussagen von 1621 über das Gründen mit einem Spießstaken (oben S. 38). Grimm hat (in seinen Bemerkungen zu den Wurfmaßen) die Meinung geäußert, daß bei diesen Bestimmungen alles auf ein hohes Altertum hindeute. "Das anfangs Ehrwürdige," so fährt er fort, "wird hernach nur halb verstanden, zuletzt erscheint es unverstanden und lächerlich." Von ihm benutzte Zeugenverhöre lehrten, "wie schon im 14. Jahrhundert der Hammerwurf in den Rhein einigen gar nicht mehr, den ältesten bloß von Hörensagen, durchaus aber nicht als ein praktisches Recht bekannt war. Traditionell können sich Rechtsgewohnheiten, nachdem sie längst aus der wirklichen Übung verschwunden sind, noch geraume Zeit fort verbreiten."
Man wird also gut tun, solchen Zeugenaussagen mit einiger Kritik zu begegnen. Auch bei den Vernehmungen in dem Prozesse wegen des Strandrechtes an der Lieps haben nur drei Zeugen - drei von 35 - etwas von einer Strandbemessung durch Ritt oder Ritt und Wurf erzählt. Zwei davon gründeten ihre Kunde auf Hörensagen. Bei dem dritten, Claus Brun, ist es wahrscheinlich, wenn auch, wie Techen bemerkt hat, nicht sicher, daß seine Kenntnis auch hier auf seinen angeblich 127 Jahre alt gewordenen Großvater zurückging. Hätte es sich tatsächlich um eine aner-
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kannte, bei der praktischen Übung vorkommende Begrenzung gehandelt, so wäre es auffallend, daß von den übrigen 32 Zeugen keiner - ebenso wenig wie der Wismarer Rat - in diesem Prozesse ein Wort darüber verlor. Gelegenheit dazu hätte sich genug geboten, da sich das Verhör außer auf den strittigen Fall auch auf andere Strandungsfälle und auf die Schiffsbergung an der Küste des Amtes Grevesmühlen überhaupt erstreckte. Auch die seltsame Frage, die Wismar den Zeugen der Gegenpartei vorlegen ließ, ob nicht "das allein heist gestrandet, wan das Schiff in Stücken schleiht", hätte doch leicht den einen oder anderen dieser 23 Zeugen reizen können, sich über die Strandbemessung auszusprechen, wenn er über Ritt und Wurf etwas zu sagen gehabt hätte. Aber die Zeugen verneinten immer nur die Frage und erklärten ganz richtig, ein Schiff strande, wenn es "Landruhring" tue. Vor allem gibt es zu denken, daß den genannten drei Aussagen sieben andere, von Zeugen beider Parteien gemachte gegenüberstehen, wonach der Strand bis zum Ende der überfluteten Gründe oder bis zum Strom ging! (oben S. 35 f.).
Ganz vereinzelt erscheint auch bei dem Zeugenverhör wegen des Fischereistreites mit Lübeck von 1616 73 ) die Aussage eines gegen 80 Jahre alten Harkenseers, die wir schon in unserem vorigen Berichte erwähnt haben. Dieser Zeuge hatte gleich die erste Frage, ob nicht den Herzögen Strand und Strandgerechtigkeit, "so weit die Schiffe und die rechte Tiefe des Meeres gehet" (also bis zum Strom) von Travemünde an seit undenklicher Zeit zustehe, voll bejaht:
"Affirmat, und weiß es nicht allein vor sich, sondern habe es von seinen Eltern und andern alten Leuten, insonderheit von seines Vaters Bruder Heinrich Bosen, welcher bey 100 Jahr alt gewesen, woll gehöret."
Dann aber wurde er gefragt (Frage 5): Ob nicht wahr, das der Ort, alda die von den Lübischen aufgerißene Fischreuse gestanden, unstreitig meckelnburgisch Grundt und Strandt sei und alda die letzte Pfale gestanden, nicht über vierdtehalb Faden tief Wasser, bißweilen auch wann das Wasser klein ist, nicht so tief? Und als Antwort hierauf notiert das Protokoll:
"Affirmat, und habe von andern Leuten, so theils von 100 Jahren, woll ehe gehöret, das der Strandt so weit den Herrn von Meckelnburgk zugehöre, alß man mit einem wehligen
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Pferde hinein reiten und schwimmen und von demselben mit einem Pflugeisen weiter werfen könne, und also viel weiter, dan diese Reuse gestanden."
Diesmal also berief er sich nur auf Hörensagen, nicht auch auf eigene Kenntnis. Und da er dem Reiten das - sonst nicht bezeugte - Schwimmen hinzufügte, mochte er den Strand so weit rechnen, wie er wollte, selbst noch über eine Tiefe von 3 1/2 Faden (6,30 m) hinaus, wo die letzten Reusenpfähle gestanden haben sollten. Natürlich war hier schon Strom. Das Gegenteil haben auch die mecklenburgischen Kommissare, die mit der Untersuchung der Angelegenheit betraut waren, gar nicht behauptet, sondern nur bestritten, daß die Schiffahrt durch die Reuse behindert werden könne, weil das eigentliche Fahrwasser noch weit ablag.
Außer diesem alten Harkenseer wurden 1616 noch 10 Zeugen vernommen. Keiner aber sagte etwas vom Reiten und Werfen, auch nicht der Sohn eines Wendisch-Tarnewitzer Strandvogtes und ein weiterer Zeuge aus demselben Dorfe, wo man sich doch noch 1728 solcher Grenzbestimmung erinnern wollte. Sondern alle bejahten die Frage, wonach der Strand bis zur rechten Tiefe des Meeres reichen sollte 74 ). Und auf die Frage 5, die der eine Harkenseer Zeuge mit der erwähnten Aussage beantwortete, erwiderte ein Zeuge aus Wilmsdorf ausdrücklich: "Er habe solchs von menniglichen gehöret, auch von seinem Vater, der bei 100 Jahren alt gewesen, das der Strandt biß an den Strom, da die Schiffe gehen, den Herrn von Meckelburgk zugehöre". Während also auf die drei Aussagen in dem Prozesse mit Wismar
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sieben kommen, nach denen der Strand bis zum Strom ging, stehen der einen Aussage von 1616 sowohl die eigene vorher abgegebene Erklärung desselben Zeugen wie die Aussagen aller übrigen entgegen.
Die früheste uns für Mecklenburg bekannt gewordene Erwähnung des Hineinreitens in ein Gewässer zur Gebietsbemessung findet sich in den Akten über den langwierigen Streit mit Lübeck wegen des Priwalls, Dassower Sees usw. 1570 nämlich sagte ein Dassower Zeuge über das Eigentum am Priwall aus:
Den Buchwalds "gehöre Grundt und Boden, hohestes und fidest (d. h. Gericht) bis an die Fher (Fähre), so weit man mit einem gesadelten Pferde an die Trave hineinreiten kan. Item er habe gehoret von Otten und Claußen den Bochwalden, dieser ihrer Grosvater, das hinter der Schanzen auf dem Priwalck ein Busch stehen soll, bis an denselbigen hetten sie das Anstranden, vorten bis zur Fher gehoret es Hertzog Heinrichen von Meckelnburgk, in der Wick und offenbaren See hatten die Buchwolt auch des Strants Gerechtigkeit" 75 ).
Mag hier nun die Rittweite praktische Bedeutung gehabt haben oder nicht, jedenfalls könnte diese Zeugenaussage zu einer Erklärung aller jener Behauptungen ähnlicher Art verhelfen, die den Meeresstrand betreffen. Denn in dieser Aussage von 1570 bezieht sich das Hineinreiten nur auf den Grund und Boden und die Gerichtsbarkeit der Buchwalds bis an die Fähre, nicht auf das Strandrecht, das ja gerade nicht bis zur Fähre reichen sollte 76 ); es bezieht sich also überhaupt nur auf eine grundherrliche Grenze. Der Landesherr dagegen nahm 1581 ebendort eine Grenze in Anspruch, die von Schlutup an "mitten durch die Trave, ja auch ferner durch die Hafe zu Travemunde" führte 77 ). Seine Gebiets-
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hoheit sollte sich also weiter erstrecken, als es für das grundherrliche Recht bezeugt wurde. - Ferner galt die Bemessung durch den Ritt nur für das innere Priwallufer, bis zur Fähre, nämlich für die Trave und auch wohl für die Pötenitzer Wiek, also für Binnengewässer. Wie wir in der Anlage I entwickelt haben, sprechen gewisse Anzeichen dafür, daß auch die Wismarer Bucht, ebenso wie die Bodden Rügens, als Binnengewässer angesehen wurde. Nun sagte einer der drei Wismarer Zeugen von 1597, der Brauer Tabbert, ausdrücklich, daß die von ihm angegebene Strandbemessung auch für den Adel gelte (oben S. 37); und er hatte dabei doch wohl die Verhältnisse in der Bucht im Auge, auf die es in dem Prozesse ankam. Wenn ferner der Wismarer Rat 1678 einem an der Buchtküste angesessenen Gutsherrn schrieb, daß "den Angrenzenden, so weit mit einem Pferde zu reiten, auch gewissermaßen etwas kompetieren könnte" (Rörig II, S. 223), so waren ja überhaupt nur grundherrliche Rechte gemeint.
Nachrichten über grundherrliche Strandberechtigungen sind für Mecklenburg aus älterer Zeit sehr selten. Techen hat diese wenigen Quellen zusammengestellt 78 ). Ohne im einzelnen darauf einzugehen, wollen wir bemerken, daß es ein grundherrliches Berge- recht ohne besondere Privilegien und bloß kraft Uferbesitzes an der mecklenburgischen Küste nicht gegeben haben kann, auch nicht in der Wismarer Bucht. Wieweit etwa grundherrliche Strand nutzungen in Frage kommen, ist für das Mittelalter kaum noch aufzuklären. In neuerer Zeit sind solche Nutzungen ausgeübt 79 ), aber Übergriffe der anliegenden Gutsherrn in die
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landesfürstliche Strandhoheit stets zurückgewiesen worden 80 ). Möglich wäre es zwar, daß die grundherrlichen Strandgrenzen, wie sie in der Aussage des Brauers Tabbert von 1597 oder des Wismarer Rates von 1678 erscheinen, als bloße Nutzungsgrenzen aufzufassen sind. Dann könnten sie aber nicht an der offenen Küste gegolten haben, weil hier in der Zwischenzeit eine Anliegerfischerei, wie der Streitfall mit Lübeck von 1616 lehrt, viel weiter seewärts betrieben wurde, und zwar unter Duldung des Landesherrn. Und weil 1773 auch in der Wismarer Bucht schon seit langer Zeit von ritterschaftlichen Gütern aus gefischt wurde, ohne daß eine Abgabe an die landesherrliche Kasse gezahlt wäre 81 ), so müßten solche Nutzungsgrenzen bald ihre Bedeutung verloren oder überhaupt nur der Form nach bestanden haben. Wahrscheinlicher ist es, daß in Mecklenburg etwas Ähnliches erstrebt wurde wie in Rügen, wo sich am Binnenstrande die Axtwurfweite durchsetzte, innerhalb deren dem anliegenden Grundherrn das volle Strandrecht zustand, während am Außenstrande die Drei-Seewogen-Weite vergebens gefordert wurde 82 ). Auch in Mecklenburg könnte man sich dabei auf Maßbestimmungen des alten deutschen Rechtes besonnen haben, wahrscheinlich nur am Binnenstrande, worauf die erwähnte Dassower Zeugenaussage von 1570 hindeutet. Faktisch hat es allerdings ein solches grundherrliches Recht auch am Binnenstrande des Meeres in Mecklenburg kaum je gegeben. Zum mindesten könnte das Bergerecht nicht einbegriffen gewesen sein. Eben der Gutsherrschaft zu Zierow und Eggerstorf, an die jenes Schreiben des Wismarer Rates von 1678 gerichtet war, ist 1734 und 1744 Eigentum und Jurisdiktion am Eggerstorfer Strande vom Amte Grevesmühlen energisch bestritten worden, und die Akten hierüber ergeben, daß auch schon vor Jahrzehnten die herzoglichen Beamten das Strandrecht bei Eggerstorf oder sonst am Strande von Gütern desselben Grundherrn voll ausgeübt hatten 83 ).
Auffällig ist es jedenfalls, daß sich die Zeugenaussagen über Strandbemessungen in ihren verschiedenen Spielarten in der Gegend der Wismarer Bucht so häufen. Von hier stammt wohl letzten Endes auch die ganz vereinzelte Harkenseer Angabe von 1616, zumal da die Fischer aus Harkensee und den umliegenden Dörfern leicht mit Wismarer Fischern zusammentreffen konnten.
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Vom Standpunkte Wismars aus ist ja die Bucht rechtlich sicher nichts anderes gewesen als ein Binnengewässer, weil die Stadt sich hier den Strom, das tiefe Wasser, zuschrieb. Da kam es denn freilich darauf an, die Anliegerberechtigungen zu bestimmen und möglichst zurückzudrängen. Wenn man die aus Wismar herrührenden Aussagen vergleicht, so läßt sich auf die Neigung schließen, immer weniger zuzugestehen, ohne daß man damit durchgedrungen wäre. Zwar hat der Wismarer Rat selbst, soweit wir sehen, sich dem Landesherrn gegenüber nicht auf eine durch Ritt und Wurf zu bestimmende Strandgrenze berufen, aber doch den allgemeinen Wunsch der Seestädte geteilt, das Strandrecht einzuengen. Darauf läßt schon seine Behauptung schließen, daß ein Schiff nur strande, wenn es zerschelle. Und daß einfache Zeugen den landesherrlichen Strand mit einem angeblichen grundherrlichen, von dem sie irgendwo gehört hatten, verwechselten, wäre leicht erklärlich. Gerade in Wismar möchte sich das Gerede von derlei Strandbemessungen am längsten erhalten haben und von dort aus die Überlieferung in den Anliegerdörfern der Bucht wie Tarnewitz immer wieder befruchtet sein.
Am hervorstechendsten ist wohl auf den ersten Blick die von Techen mitgeteilte Angabe des Beckerwitzer Strandvogtes von 1669. Sie findet sich in einem Wismarer Notariatsprotokoll, wonach eine finnische Schute in der Eggerstorfer Wiek sich mit dem Heck im Sande festgefahren hatte. Auf Anordnung des Amtes Grevesmühlen wurde, nach einer Art von Gefecht mit dem finnischen Schiffer, ein Teil der Ladung gelöscht, worauf das Fahrzeug loskam und absegelte. Der Schiffer beschwerte sich in Wismar, und der schwedische Lizentinspektor ließ die Sache durch eine Kommission untersuchen, die sich an Ort und Stelle begab und mit dem mecklenburgischen Strandvogt in Beckerwitz verhandelte. Dabei erklärte dieser: "Ob gleich wahr, das der Schiffer an seiner Schute keinen Schaden gelitten, sich auch selbst wieder loß geholfen und der Pauern Hülfe nicht begehret, so wehre doch der alte Gebrauch, wan ein Schiff fest zu stehen kehme, das die Obrigkeit, an deren Gegend das Schiff lege und so weit sie mit dem Pferde hinan reiten und mit einem Schießeißen werfen konten, daß fest stehende Schiff und Guht zukehme" 84 ). Wir haben hier die Angabe des Protokolls vor uns, das im allgemeinen richtig sein wird, aber die Äußerung in der Redaktion des Notars zusammenfaßt und sie sicher nicht dem
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genauen Wortlaute nach wiedergibt. Offenbar liegen die Dinge so, daß der Strandvogt, dem die sechsköpfige Kommission samt dem finnischen Schiffer ins Haus kam, um ihm Vorwürfe zu machen, sich in seiner Not einmal auf das berufen hat, was die Wismarer sonst immer selbst behauptet hatten. Es wäre das begreiflich genug, zumal da dieser an sich geringfügige Strandungsfall zu so erregten Konflikten geführt hatte, daß der Landreiter auf den sich mit einer Latte wehrenden Schiffer schoß und auch der Amtsschreiber "erhitzet" wurde. Denn der Strandvogt wußte natürlich, wie schwierig die Ausübung des Strandrechtes an der Buchtküste für das Amt Grevesmühlen geworden war, seit Wismar zu Schweden gehörte und in allen solchen Fällen an der schwedischen Verwaltung einen Rückhalt hatte. Diese pflegte sich auf den Artikel X des Osnabrücker Friedensvertrages zu berufen, wonach der Hafen cum terris utriusque lateris ab urbe in mare Balthicum abgetreten war. Zwar sind die Buchtküsten außer den kurzen Strecken des Wismarer Gebietes nie schwedisch gewesen, auch wollte man in Mecklenburg keineswegs das ganze Buchtgewässer zugestehen, aber die Fassung des Artikels gab der schwedischen Verwaltung eine Handhabe, das mecklenburgische Strandrecht in Frage zu stellen. Dies geschah auch im vorliegenden Falle von 1669, und die herzogliche Regierung verfuhr dem mächtigen Nachbar gegenüber sehr vorsichtig, indem sie den Grevesmühlener Hauptmann zwar wegen seiner "Vigilantz" belobte, ihn aber zugleich wissen ließ, daß Streitigkeiten mit dem schwedischen Tribunal in Wismar zu vermeiden seien. Auch später ist man solchen Streitigkeiten, mit einigen Ausnahmen, gerne ausgewichen.
Daß man sich bei der Schiffsbergung nicht nach dem angeblichen alten Gebrauch richtete, den der Beckerwitzer Strandvogt erwähnte, zeigen die in der Anlage III, Nr. 1-3, mitgeteilten Strandungsfälle von 1662, 1665 und 1688, also aus derselben Zeit. Bemessungen durch Ritt und Wurf haben mit dem landesherrlichen Strande nichts zu tun. Sondern dieser reichte bis zum tiefen Wasser, dem Strom. Zeugnisse hierfür haben wir bereits in den vorstehenden Untersuchungen gebracht. Ehe wir weitere hinzufügen, müssen wir uns mit den Auseinandersetzungen Rörigs (II, S. 228, 310 u. Anm. 60) über vermeintliche Rechte der Städte am landesherrischen Strande in Mecklenburg beschäftigen.
Es sind dabei zunächst dreierlei Quellen, aus denen Rörig seine Schlüsse zieht:
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Aussage des Wismarer Schiffers Claus Schönefeldt, die wir in unserem Bericht von 1923 angeführt haben. Er erklärte auf die Frage, ob nicht das Amt Grevesmühlen mit der daran rührenden offenbaren See, auch Ufer und Strand, dem Herzoge gehöre: Das Amt liege im Lande zu Mecklenburg, "soviel aber den Seestrohem und offenbare See belangte", habe sein alter Vater von anderen alten Leuten gehört 85 ), "daß die Lübischen den Seestrohem biß an Clüßhövede gebraucht und die Wißmarischen weiters von Clüßhövede biß zur Wißmar den Seestrohem gehabt hetten, aber die Hertzogen zu Meckelnburgk gebrauchten sich itzo des Strandts . ."
Über die angebliche Wismarer Strandgerechtigkeit hat Techen ein Non liquet ausgesprochen; wahrscheinlich sei so weit Seepolizei geübt worden. Rörig geht weiter. Er meint, nach diesen Quellen müßten "die Städte bis tief ins 16. Jahrhundert hinein weitgehende Funktionen nicht nur auf dem gesamten ÂSeestrohm', sondern sogar am Strande selbst vor der ganzen mecklenburgischen Küste vorgenommen haben. Höchst wahrscheinlich bestand um 1500 eine die ganze mecklenburgische Küste umfassende Vereinbarung zwischen den Seestädten Lübeck, Wismar und Rostock, welche die gesamte Küste in Abschnitte für Nutzungs- und Aufsichtsrechte nicht mehr näher festzustellenden Umfangs zu Händen der einzelnen
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Städte aufteilte" 87 ). Also nicht nur die Nutzung des mecklenburgischen Strandes hätten die Städte gehabt, sondern dort sogar die Aufsicht, die Kontrolle (Rörig S. 310) geführt, als ob die Landesherren und deren Strandhoheit gar nicht vorhanden gewesen wären oder von den mächtigen Städten als etwas ganz Nebensächliches hätten beiseite geschoben werden können.
Wenn Rörig fortfährt, daß ein Zustand solcher Art für den nichts Überraschendes habe, der "das vollkommene wirtschaftliche und politische Übergewicht der Städte zur See während des ganzen Mittelalters gegenüber den noch ganz zurückgebliebenen Territorien dieser Zeit" kenne, so geben wir zwar das Übergewicht zur See zu, die Städte selbst lagen ja aber auf dem Lande, waren dort angreifbar, und auch der Strand ließ sich vom Lande aus beherrschen. So ganz "zurückgeblieben" waren die Territorien denn doch nicht. Der erste Versuch der wendischen Seestädte, gegen den landesherrlichen Stachel zu löcken, endete mit ihrer vollkommenen Niederlage und der Unterwerfung Wismars und Rostocks (1311/12). Lübeck, das diesem Kampfe fernbleiben mußte, hatte sich 1307, selber von den Nachbarstädten verlassen, vor Holstein und Mecklenburg unter dänischen Schutz geflüchtet. Dann ist in der Teilherrschaft Mecklenburg, zu der Wismar gehörte und mit der 1317 auch Rostock vereinigt wurde, die landesherrliche Gewalt fast das ganze 14. Jahrhundert hindurch so stark gewesen, daß die beiden Seestädte gar nicht dagegen aufkamen. Man müßte schon vor der nordischen und deutschen Politik des Fürsten Heinrich II. von Mecklenburg (1287-1329) und seines Sohnes Albrecht II. (gest. 1379), des ersten mecklenburgischen Herzogs, die Augen verschließen, wenn man hier von zurückgebliebenen Territorialgewalten reden wollte. Und als Albrecht II. gegen Ende seines Lebens im dänischen Thronstreite nach dem Tode des Königs Waldemar Atterdag darauf ausging, seinem Enkel die dänische Krone zu verschaffen, hat die gesamte Hanse mit Lübeck an der Spitze seinem Wirken, das sich mit den Interessen der Städte durchaus nicht vertrug, nahezu tatlos und wie gelähmt zusehen müssen 88 ). Im 15. Jahrhundert führte die zweite große Machtprobe zwischen Rostock und der Landesherrschaft in der Domfehde wiederum zu Rostocks schwerer Niederlage (1491), ein Kampf, dessen Ausgang gerade einer der bekanntesten hansischen Historiker mit den Worten gekennzeichnet hat: "Das Prinzip moderner Fürsten-
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gewalt hatte obgesiegt, das Prinzip städtischer Selbständigkeit war erlegen" 89 ).
Sollten trotzdem die Städte eine Art von Herrschaft über den mecklenburgischen Strand ausgeübt haben, und zwar "bis tief ins 16. Jahrhundert hinein", also noch die Regierung des Herzogs Magnus II. († 1503) überdauernd, des Siegers in der Domfehde, eines der bedeutendsten Fürsten, die Mecklenburg gehabt hat, und erbitterten Gegners städtischer Vorrechte?
In seiner Anm. 60 (S. 258 f.) hat Rörig sich über die von ihm angenommenen städtischen Kompetenzen näher ausgesprochen. Indem er sich auf die Abhandlung Techens über das Strandrecht an der mecklenburgischen Küste und einen weiteren Aufsatz desselben Verfassers über Marktzwang und Hafenrecht in Mecklenburg 90 ) beruft, kommt er zu dem Ergebnisse, daß "man die Kompetenzen der drei Seestädte innerhalb des der einzelnen zugewiesenen Küstenabschnittes für das 15 Jahrhundert in Unterdrückung angemaßten mecklenburgischen Strandrechtes, für das 15. und 16. in der Unterdrückung der Klipphäfen sowie Beaufsichtigung der Seefischereinutzungen zu erblicken haben" werde. Indessen hat Techen selbst viel vorsichtiger geurteilt und gar nicht behauptet, daß eine Beherrschung des fürstlichen Strandes durch die Städte - denn etwas anderes ist doch in Rörigs Auffassung nicht zu erblicken - bestanden habe. Eben mit Hilfe von Techens Arbeiten läßt sich das, was Rörig mit so großer Sicherheit verkündet, leicht auf seine tatsächliche Bedeutung zurückführen. Worum handelte es sich? Um Streitigkeiten, nicht um städtische Kontrollbefugnisse.
Gehen wir zunächst auf das Strandrecht ein. Die ganzen Aussagen von 1597 über eine Wismarer Strandgerechtigkeit von der Steinbecker Mühle bis Brunshaupten gehen zurück auf einen im 15. Jahrhundert gemachten Versuch, die Beachtung von Strandrechtsprivilegien und der vom Reiche erlassenen Verbote des Strandrechtes zu erzwingen, weil die Herzöge das Strandrecht wieder in schärferer Form als nutzbares Recht verwerten wollten. Dies mußte die Städte um so mehr erbittern, als früher ganz andere Anschauungen von mecklenburgischen Landesherren vertreten waren. Techen hat die von diesen erteilten Strandrechts-
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privilegien zusammengestellt 91 ). Sie beginnen mit einer allgemein gehaltenen Abschaffung des Strandrechtes durch Heinrich Borwin I von 1220 und enden mit einem Privileg Albrechts II. für Lübeck von 1351. Selbstverständlich sind sie, ebenso wie die Verleihungen von Seefischereigerechtigkeit, die wir oben angeführt haben, ein Beweis für die landesherrliche Strandhoheit. Und wenn Heinrich Borwin III., Fürst von Rostock, 1252 den Rostockern nur sein Strandrecht im Hafen preisgab, so läßt diese Einschränkung erkennen, daß er nicht gemeint war, seinen Ansprüchen überall zu entsagen. Ein Aufsichtsrecht können die Städte damals jedenfalls nicht gehabt haben. 1377 beschlagnahmte der Grevesmühlener Vogt Strandgut an der Küste von Schwansee, die zu dem vermeintlichen Lübecker Kontrollbezirk gehört haben würde 92 ), tatsächlich aber wie eben dieser Fall zeigt, von dem landesherrlichen Vogt beaufsichtigt wurde. Und da es zwei Jahre währte, bis ein herzoglicher Befehl die Rückgabe des noch vorhandenen Gutes veranlaßte, so scheint sich eine schärfere Übung des Strandrechtes schon damals allmählich angebahnt zu haben.
Auch später treten durchaus die herzoglichen Beamten als die Machthaber am Strande hervor, z. B. 1420, als Lübeck sich über die Wegnahme von Strandgut in der Ribnitzer Wiek durch die Vögte beschwerte. Der Ton von Briefen, die in dieser Angelegenheit von der Stadt entsendet wurden, deutet darauf hin, daß man nicht allzu viel Vertrauen zu dem guten Willen der Herzöge hatte. Es war ein Fall von vielen, die sich in Mecklenburg und anderswo ereigneten. Strandraub hatte es immer gegeben, jetzt aber wurde die Beachtung der Strandrechtsfreiheit durch die Fürsten selbst und ihre Beamten in Frage gestellt. Deswegen hatten die wendischen Hansestädte schon im selben Jahre 1420 den gewagten Beschluß gefaßt, daß Seefund von der nächstgelegenen Stadt gewaltsam in Verwahrung genommen werden solle; ein Beweis dafür, daß ihnen bisher eine Kontrolle des Strandes nicht zugestanden hatte. Ob nach diesem Beschlusse gehandelt worden ist, steht dahin. 1482, als schon die Zwistigkeiten
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Rostocks mit Herzog Magnus II., die hernach in der Domfehde ihren Austrag fanden, begonnen hatten, kam es zu einem Bündnisse zwischen den beiden mecklenburgischen Seestädten, das auch die Abwehr der Strandrechtsübung bezweckte. 1483 und 1484 ist von Verhandlungen mit den Herzögen wegen Rückgabe von Strandgut die Rede, was durchaus nicht aus eine Bergung durch die Städte schließen läßt. Als dann aber in einem besonders krassen Fall die Vögte von Bukow und Schwaan wertvolles Gut vom Strande weggeführt hatten, wurde 1485 auf einem Hansetage in Lübeck eine noch schärfere Vereinbarung als 1420 getroffen: Die Städte wollten die Bergung von Strandgut gegen Bergegeld selber vornehmen, und es sollte gegen die Landesherren und deren Vögte im Notfalle von der nächstgelegenen Stadt Gewalt gebraucht werden; gemeinsam wollte man tragen, was danach komme, gemeinsam auch für die Folgen des schwerstwiegenden Beschlusses einstehen, des Beschlusses nämlich, die Vögte von Bukow und Schwaan zu ergreifen und Gericht über sie zu halten. Es war ein Verzweiflungsschritt, und um diese Zeit wird auch Wismar seine beiden Strandvögte bestellt haben, von denen noch nach 112 Jahren Wismarer Zeugen als von etwas längst Entschwundenem berichteten; auch der 88jährige Claus Brun wußte davon nur durch seinen Vater und Großvater, und nicht ohne Komik ist seine Angabe, daß die Strandvögte "darumb abgeschaft sein solten, daß sie viel verzehret und bißweilen wol ganze Wochen außer der Statt in den Krüegen gelegen und viel verthan hetten". Beschäftigung hatten sie ja auch weiter nicht. Das Ganze war eine vorübergehende Episode, ja, nicht einmal das, sondern im wesentlichen kaum mehr als die Absicht und einige Anstalten, sich der Schiffsbergung zu bemächtigen, jedenfalls ein fehlgeschlagener Versuch 93 ); denn die Städte haben ihr Ziel nicht erreicht, bis eine
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mildere Zeit ihren Wünschen von selbst entgegen kam. Erst viel später, als Wismar sich hinter der schwedischen Verwaltung verstecken konnte 94 ), taucht wieder ein Wismarer Strandvogt auf. Es müßte eine sonderbare Kompetenz gewesen sein, die die Städte im 15. Jahrhundert zur Unterdrückung des Strandrechtes an der mecklenburgischen Küste gehabt haben sollen, wo doch das ganze Material über Strandungsfälle aus dieser Zeit, auch nach 1485, voll ist von städtischen Klagen und Bitten um Auslieferung beschlagnahmten Gutes!
Rörig ist in seiner Anm. 60 auf diese Streitigkeiten kurz eingegangen, gibt aber von der Machtstellung der Städte ein einseitiges und verkehrtes Bild. Wenn er Techens Satz zitiert (S. 292):"Es ist jetzt Regel geworden, daß die herzoglichen Beamten das Strandrecht wahrnehmen wollen, sowie sie nur die Strandungsstelle als herzoglicher Gerichtsbarkeit unterstehend ansehen können", und hieraus schließt, daß der landesherrliche Anspruch erst seit dem 16. Jahrhundert allmählich durchgedrungen sei, so übersieht er, daß Techen dabei nur den Wismarer Hafen im Auge hatte, wo "die Grenzen dieser Gerichtsbarkeit nicht sicher fest gelegt" gewesen und daher öfter Streitigkeiten entstanden seien. Gerade das, was Techen aus dem 15. Jahrhundert bringt, zwingt ja zu dem Schlusse, daß dieselbe Regel schon längst an der mecklenburgischen Küste galt. Wenn Rörig ferner meint, daß die Aussage des Schiffers Schönefeldt von 1597, wonach die Herzöge "itzo" die Strandgerechtigkeit ausübten, so aufzufassen sei, daß dies erst neuerdings geschehe, so irrt er auch hierin; denn der Zeuge gab gerade an, daß nach Erzählungen seines von alten Leuten darüber unterrichteten Vaters Wismar "oldings" einen Strandvogt gehalten habe. Das "itzo" erklärt sich also einfach daraus, daß der Zeuge von einer vormaligen Strandgerechtigkeit der Stadt hatte reden hören. Ohne nähere Aktenkenntnis kann man diese Aussagen nicht so pressen.
Gemäß den ungeheuerlichen Beschlüssen der Städte von 1485 wich Rostock in der Tat nicht davor zurück, den Schwaaner Vogt Gert Drese aufheben und ihn und seinen Bedienten an gewöhnlicher Stelle, d. h. auf dem Richtplatze für Missetäter, als Strandräuber enthaupten zu lassen 95 ). Dies soll nach Rörig "am schlagendsten" beweisen, daß "um 1500 selbst die mecklenburgische Strandgerech-
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tigkeit, soweit sie sich auf Ausübung des Strandrechts bezog, höchst problematisch" gewesen sei. Als problematisch aber kann man das Strandrecht nicht wegen der Enthauptung des Vogtes bezeichnen, sondern nur deswegen, weil es vom Reiche und durch päpstliche Erlasse untersagt war und weil die Städte sich auf alte Privilegien berufen konnten. Die verzweifelte Selbsthilfe gegen den Schwaaner Vogt, der keiner städtischen Gerichtsbarkeit unterstand, ist nichts weiter gewesen als ein mit dem Scheine des Rechtes vergebens umkleidetes Verbrechen, ein Mord, der samt den übrigen Unbotmäßigkeiten Rostocks den Landesherren gegenüber dadurch gesühnt wurde, daß Rat und Bürgerschaft den Herzögen Magnus und Balthasar am 11. Juni 1491, dem Tage ihres Einzuges nach siegreicher Beendigung der Domfehde, vor dem Stadttore fußfällig Abbitte leisten mußten 96 ). Das war eine der Bedingungen des Vergleichs, als dessen Mittler und Zeugen auch Lübecker und Wismarer Ratsmitglieder erscheinen, und es ist gar nicht zu verkennen, daß diese Niederlage Rostocks eine Niederlage für das Ansehen der Städte überhaupt gewesen ist.
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Nicht anders als mit der vermeintlichen Unterdrückung des Strandrechtes durch die Städte verhält es sich mit dem von Rörig (Anm. 60) erwähnten Hafenzwang. Das "ganz Wenige", das er darüber bringt, gibt ebenfalls ein höchst schiefes Bild der tatsächlichen Verhältnisse 97 ). Überhaupt hat das Hafenrecht und der
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damit in enger Verbindung stehende Marktzwang, d. h. das Verbot des sog. Vorkaufes unter Umgehung der üblichen Märkte, mit der Strandgerechtigkeit und dem Küstengewässer nichts zu tun. Und wenn Rörig gar annimmt, daß auch Lübeck im 15. und 16. Jahr-
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hundert eine Kompetenz zur Unterdrückung mecklenburgischer Klipphäfen gehabt habe, so ist das doch wohl sehr unwahrscheinlich, weil ja aus den von Rörig angezogenen Aufsätzen Koppmanns und Techens gerade hervorgeht, daß die Lübecker sich das ganze 16. Jahrhundert hindurch und schon früher des Vorkaufes und der Klipphäfen in Mecklenburg, sehr zum Ärger Rostocks und Wismars, eifrig bedienten und von ihrem Rate darin verteidigt wurden 98 ).
Wegen dieser Haltung Lübecks kommen die 1558 und 1597 erwähnten Scheiden zwischen den drei Städten (Steinbecker Mühle, Brunshaupten) nicht als Grenzpunkte für Küstenabschnitte zur Bekämpfung der Klipphäfen in Betracht. Einer solchen Annahme widerstreitet auch, daß Rostock 1534 gegen Verschiffung von Korn in der Golwitz einschritt 99 ), die zu dem Wismarer Bezirk gehört haben würde. Andererseits hat Wismar 1581 und später Beschwerden an den Doberaner Hauptmann ergehen lassen 100 ), dessen Amtsküste in den Rostocker Abschnitt gefallen wäre. Wenn aber die Pfähle nicht Aufsichtsbezirke abtrennen sollten, hätten diese einsamen Zeichen am Strande für das ganze Hafenrecht keinen Zweck gehabt.
Es ist auch nicht richtig, daß die Steinbecker Mühle "als Westgrenze des Bereiches, in welchem Wismar über die Unterdrückung der Klipphäfen zu wachen hat, eine Rolle" spielte. Rörig konnte das allerdings nach einer Stelle bei Techen 101 ), auf die er sich beruft und die leicht mißverstanden werden kann, annehmen. In den Wismarer Bürgersprachen von 1435 und 1480 aber, auf die Techen
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hier eingeht, kommt weder die Steinbecker Mühle noch irgendein anderer Grenzpunkt vor, sondern es wurde darin den Bürgern nur verboten, neue Häfen in der Umgegend der Stadt aufzusuchen 102 ). Im 19. Jahrhundert, nach seiner Rückkehr zu Mecklenburg, hat dann Wismar den Anspruch verfochten, daß es zwischen dem Klützer Orte und der Doberaner Höhe fremde Schiffahrt überhaupt nicht oder doch nur gegen Zahlung der städtischen Akzise zu dulden brauche 103 ). Unter der Doberaner Höhe ist wahrscheinlich die Bucher Hucke bei Kägsdorf zu verstehen, denn bald darauf nannte Wismar das noch etwas weiter buchteinwärts gelegene Gaarz und den Klützer Ort als die Grenzen, innerhalb deren zur Verschiffung bestimmte Waren mindestens in Wismar klariert werden müßten 104 ). Diese Grenzen stimmen etwa zu den 1558 und 1597 angegebenen; auch 1597 erscheint ja der Kägsdorfer Haken. Und sie möchten auch ungefähr das umfassen, was man in den Bürgersprachen von 1435 und 1480 mit der Umgegend der Stadt meinte. Aber einen zwischen den drei Seestädten vereinbarten Bezirk, der Wismar zur Unterdrückung der Klipphäfen zugewiesen sei, können sie aus den angeführten Gründen vormals nicht gebildet haben. Sondern sie ergeben sich aus der Betrachtung der Landkarte von selbst, weil sie die Endpunkte des großen Küsteneinschnittes bezeichnen, vor dem Wismar liegt, d. h. die Endpunkte der Wismarer Bucht im weitesten Sinne.
Die letzte Kompetenz am mecklenburgischen Strande, die Rörig den Städten zuerkennen möchte, die Beaufsichtigung der Seefischerei, ist eine bloße Annahme, für die Gründe überhaupt nicht zu entdecken sind. Rörig stützt sich dabei auf die Nachricht von den drei Küstenabschnitten und auf die Aussage des Wismarer Schiffers Schönefeldt von 1597 (oben S. 53), der sich eine Aussage des Lübecker Prokurators Johann Pretreius von 1615 oder 1616 anreiht, wonach die Lübecker den Fischfang bis zum Klützer Orte und weiter betrieben 105 ). Dazu kommen spätere Angaben über eine Lübecker Fischerei an der mecklenburgischen Küste östlich von der Harkenbeck (1783 bis 1890) 106 ). Für eine Fischerei aufsicht aber vermissen wir jeden Nachweis.
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Auf die Aussage des Schiffers Schönefeldt von 1597 legt Rörig großen Wert und folgert daraus eine Lübecker Funktion sogar auf dem "Seestrom", worunter er freilich wohl das Gewässer bis an den trockenen Strand versteht. Was hat es mit dieser Aussage auf sich? Der Zeuge war gefragt worden, ob nicht das Amt Grevesmühlen mit der daran rührenden offenbaren See, auch mit Ufer und Strand, in Mecklenburg liege. Mit "See" kann hier nur der überflutete Strand, mit "Strand" nur der Strand in seiner ganzen Ausdehnung gemeint sein. Der Zeuge hörte beide Wörter vorlesen und machte offenbar zwischen See und Strand einen Unterschied, der dem Sinne der Frage gar nicht entsprach. Da gab er denn an, was sein Vater von anderen alten Leuten gehört und ihm erzählt hatte, daß nämlich die Lübischen den "Seestrom" bis Klützer Höved gebraucht hätten, die Wismarer von da bis zu ihrer Stadt. Aber die Herzöge "gebrauchten sich itzo des Strands" 107 ). Daß Rörig das "itzo" zu genau genommen hat, haben wir bereits dargelegt. Der Seestrom aber an der offenen Küste bis Klützer Höved war "gemeines" Meer, wo niemand etwas zu sagen hatte. Diesen Seestrom, den er unter "See" verstand, stellte der Zeuge dem Strande gegenüber. Und da er nach dem Eigentums- und Besitzrecht über das Amt Grevesmühlen nebst See und Strand und aller Gerechtigkeit gefragt war, so wird er angenommen haben, daß der Strom bis Klützer Höved vormals den Lübeckern gehörte, was natürlich nie der Fall gewesen ist. Der Irrtum des Zeugen aber geht, wie wir schon in unserem vorigen Bericht gesagt haben, zurück auf eine Verwechselung von Nutzung und Gebietsrecht. Denn was soll mit dem Gebrauch des Seestromes bis Klützer Höved hier weiter gemeint sein als die Fischerei! Solche Verwechselungen durch einfache Leute, denen jede feinere Kenntnis der Rechtsbegriffe abging, sind doch wahrhaftig möglich und einleuchtend. Wenn man sich die Mühe machen wollte, so könnte man aus Vernehmungsprotokollen gewiß viele Beispiele feststellen. Wir wollen hier nur eines geben, das gut paßt: Auf die Frage, unter welchem Schein Wismar seinen Hafen bis Tarnewitz rechne, antwortete
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1597 der Wismarer Fischer Asmus Holste: "Er wiße es nicht, sonsten hetten sie, die Vischer, ihre Vischzüge umb der Boltenhager Wyck, Tarnewitz und daherumb bilangher in allen Wycken, biß gen Redewisch und Clüßhovede". Nun hat aber Wismar nie behauptet, daß die Boltenhäger Wiek zu seinem Hafen gehöre.
An sich wäre es natürlich denkbar, daß die drei Seestädte sich über die Abgrenzung von Fischereigebieten geeinigt hatten, damit ihre Fischer sich nicht in die Quere kämen. Das wären reine Nutzungsgrenzen gewesen, wie Rörig sie ja, neben den Aufsichtsgrenzen, annimmt. Aber stimmen kann auch das höchstens für viel kürzere Zeit, als Rörig glaubt. Möglich, daß Klützer Höved einmal eine Fischereigrenze gegen Lübeck gewesen ist; um 1600 war es sicher nicht mehr der Fall 108 ), und man möchte eher vermuten, daß es sich um eine Gewohnheitsgrenze, nicht um eine wirklich vereinbarte gehandelt habe. Auch kommt nur das kleine Klützer Höved in Betracht, das weiter westlich liegt als das große; denn einmal wird Lütken Clüßhöved 1597 ausdrücklich neben der Steinbecker Mühle als Scheidepunkt genannt, und des weiteren fischten die Rostocker Fischer um 1394 bei beiden Höveden 109 ). Daraus ergibt sich zugleich, daß zwischen Rostock und Wismar 1394 solche Fischereigrenzen überhaupt nicht bestanden.
Drei Aufsichtsbezirke gab es nicht. Und wenn die sagenhaften, 1558 längst verschwundenen Scheidepfähle Nutzungsbezirke abgetrennt haben sollten, so hätte dies nur im Einverständnisse mit der Landesherrschaft geschehen können, auf deren Grund und Boden die Pfähle errichtet waren. Ferner könnten diese Bezirke nur nach 1394 und langevor 1558 bestanden haben. Bildeten aber die Pfähle keine Fischereischeiden, so bleibt nur übrig anzunehmen, daß sie 1485 eingestoßen wurden, als die Städte einen Anlauf nahmen,
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den Herzögen das Bergerecht zu entwinden. Und wer anders sollte die Pfähle dann wieder entfernt haben, wenn nicht die herzoglichen Beamten!
Nach dieser längeren Abschweifung, die nötig war, um die von Rörig in den vormaligen Rechtsverhältnissen am mecklenburgischen Strande angerichtete Verwirrung zu beseitigen, wollen wir die Untersuchung über die Ausdehnung des Küstengewässers wieder aufnehmen.
Kehren wir noch einmal zu dem rügischen Landrecht des Matthaeus Normann zurück. Da heißt es in Titel 11 (S. 11) der erweiterten Fassung:
"Äverst allen Bröke, de dar geschüth up den Water, up den Strömen edder ock Undade, so vele man des konde uthrichten, dat up den Strömen und an dat Landt (ad differentiam des wilden Meeres und Stromes, denn dat hielten de Olden commune, up den binnen Stranden, dar men des Stromes unwiß, hört F. G. (Fürstl. Gnaden) de Düpe wente (bis) ein Exenworpe vom Lande int Water; dat na Lande richtet de, dem de Vorstrandt höret, hoc probatum inter Willeken von Platen undt Gödtke von der Osten) 110 ) schehen, straffet und richtet allein F. G."
Diese Stelle bedarf der Interpretation. Der ganze Titel 11 ist eine Erweiterung des Kap. 5 der ersten Fassung, wie sich schon aus den im Einklange stehenden Überschriften beider ergibt. Und beide handeln von landesherrlichen Gerechtsamen hauptsächlich am Außenstrande. Die neuere Fassung hat dann im folgenden Titel (Nr. 12) den Binnenstrand samt landesherrlichen und grundherrlichen Rechten daran noch besonders behandelt. Fast unmittelbar vor der von uns zitierten Stelle in Titel 11 steht der Satz: "Allen Brocke und Undadt, so up angetogenden Stranden, upm Lande und Water, von den Fischern edder sonst geschüth, dat straffen und richten F. G. Amptlüde (und die dar, immaten wie vor, befreyet sein von F. G.)", was bis auf die von uns eingeklammerten Worte, die sich auf besondere Privilegien der Putbus, Jasmund usw. beziehen, wörtlich aus dem ersten Text übernommen ist. Weil es aber außer der Jurisdiktion über Binnenstrand und Außen-
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strand noch eine landesherrliche Stromgerichtsbarkeit auf den Binnenströmen gab, fügte der Verfasser die ganze oben zitierte Stelle hinzu und hob in der Parenthese den Unterschied zwischen Außenstrom und Binnenstrom hervor. Wo man am Binnenstrande des Stromes ungewiß war, d. h. wo es flachen Binnenstrand gab 111 ) und sich die Grenze zwischen Strom und Strand schwer aufzeigen ließ, gehörte dem Landesherrn "de Düpe", das Tief, also die ganze Wasserfläche bis zu der vom Lande aus zu rechnenden grundherrlichen Axtwurfgrenze. Diese Grenze des Grundherrn kann sich natürlich nur in den seltensten Fällen mit dem Beginn des Tiefs zufällig gedeckt haben. Es gehörte denn auch der vor dem grundherrlichen Anteil liegende landesherrliche Strand, genau genommen, noch nicht zur "Düpe" und wird hier von Normann nur der Einfachheit halber dazu gerechnet. Wir werden diesem niederdeutschen Ausdruck "Düpe" in seiner eigentlichen, an dieser Stelle des Landrechtes etwas verwischten Bedeutung gleich noch einmal in Mecklenburg begegnen.
Wie wir gesehen haben (Anm. 31), meint das Landrecht mit "Strom" immer das tiefe Wasser. Wenn also in der angeführten Parenthese der Strom des Außenstrandes als "gemein" bezeichnet wird, so galt das eben nur für die tiefe, schiffbare See. Bis zu ihr reichte der Strand. Binnenstrand und Außenstrand hatten dieselbe Ausdehnung, die am Binnenstrande freilich für den Landesherren praktisch nicht von Bedeutung war, weil ihm die Binnenströme auch gehörten. Zu diesem Ergebnisse paßt ja auch alles, was wir oben über den Außenstrand festgestellt haben.
Genau so wie an der rügischen Küste lagen die Rechtsverhältnisse auch an der mecklenburgischen. Noch im 18. Jahrhundert! 1734 pfändete der Landrat von Negendanck auf Zierow und Eggerstorf an der Wismarer Bucht einem Bauern sein Pferd, weil er "binnen meiner Gräntze, von meinem an und biß in dem tiefen Waßer hinein liegenden Eggersdorfischen Lande und Sande, und also von meinem Eigenthumb" Seetang abgefahren habe. Die herzoglichen Beamten in Grevesmühlen aber machten das landesherrliche "Strand-Regale"geltend; es sei "dergleichen Anmaßen aufm Strande niemahlen von denen Adelichen unternommen, noch viel weniger aber der Strand so gar nichtig gemachet worden ist, als nun geschehen soll, da der Herr Land-Rath von Negendanck in seinem Briefe dasjenige, was bishero ohne einige Contradiction der wahre Strand gewesen ist, von seinem Lande und Sande
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an bis ins tiefe Waßer hinein, zu seiner Gräntze und Eigenthum rechnen will 112 ).
Zehn Jahre später hat der Landrat von Negendanck nur noch den bei niedrigem Wasser trockenen Strand in Anspruch genommen. Der Graf Bothmer dagegen schrieb sich ein Recht auf den für gewöhnlich, also bei mittlerem Wasserstande, trockenen Strand zu.
Er war 1756 mit dem Amte Grevesmühlen wegen der Jurisdiktion am Strande seines an der offenen Küste gelegenen Gutes Elmenhorst in Streit geraten, weil das Amt das vormals sogenannte Fahrrecht über eine dort gefundene Leiche ausgeübt hatte. Es kam deswegen 1757 zu einem Prozesse zwischen dem Regierungsfiskal und dem Grafen 113 ). Dessen Anwalt behauptete, daß das Strandrecht nur bis an die Linie des gewöhnlichen Gestades gehe; er wollte überhaupt nur einen beflossenen Strand zugestehen. Dabei berief er sich auf ein Notariatsprotokoll über den Leichenfund und über eine Besichtigung des Elmenhorster Strandes, das der Graf Bothmer hatte aufnehmen lassen. Bei dieser Besichtigung waren zugezogen worden ein Hausmann aus Rankendorf, der früher Seefischer in dem lübeckischen, an Elmenhorst grenzenden Dorfe Warnkenhagen gewesen war, und ein Hufner aus Redewisch an der Boltenhäger Bucht, der "von Jugend an auf dem Strande (bey der Fischerey) Umgang gehabt" habe, beides Leute, die der gräflichen Jurisdiktion nicht unterstanden. Sie erklärten, daß zur Zeit halbe Fluthöhe sei, und schätzten "die Breite des jetzo befloßenen Strandes auf fünfzig Ruthen ohngefehr zu seyn, wo die Schiffe erst an- und Gefahr laufen können, indem sie näher nicht heraufzubringen wären". Bei gewöhnlicher Fluthöhe reiche der trockene Strand noch etwas weiter seewärts, "wo erst eigentlich der Strand sich anfange und dann noch auf vierzig bis fünfzig Ruthen breit sey, ehe sich das Ufer der See oder, nach hiesiger Leute Mund-Art, das Räve oder die Düpe und Hölung anhebe, oder das fahrbare Gewässer der See an der Küste des mecklenburgischen Landes hinstreiche". Bei den Akten liegen zwei Exemplare einer Zeichnung der Elmenhorster Küste, die der Bothmersche Anwalt eingereicht hatte. Darauf wird eine breite, vom Meere überspülte Fläche als "der Strand" bezeichnet, bis zu einer Linie seewärts, die als "das Räve, die Hölung oder die Düpe, wo das Fahr-Waßer zuerst beginnet", kenntlich gemacht ist.
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Nun war allerdings eine so scharfe Trennung zwischen trockenem und überspültem Strande, wie sie der Anwalt des Grafen Bothmer vertrat, nicht haltbar. Der Regierungsfiskal hatte ganz recht, wenn er in seiner Erwiderung sagte: "Es ist zwar nicht zu leugnen, daß auch der Sand, welchen das Gewäßer der See bespühlet und befließet, noch mit zum Strande gerechnet werde; es ist aber auch ebenso unstreitig, daß der neben dem Meer liegende Sand gleichfalls dahin gehöre, und alsdann nennet man zum Unterschied jenen den befloßenen, diesen aber den trockenen Strand." Ferner erklärte er: "Soweit nun das Strand-Recht gehet, soweit kann auch die darinnen begriffene jurisdictio littoralis tam civilis quam criminalis exerciret werden."
Nach den erwähnten Angaben reichte der überspülte Strand bis zum "Räve" an der Elmenhorster Küste 40-50 Ruten (183 bis 229 m) weit. Mißt man eine solche Strecke auf der Seekarte ab, so kommt man auf eine Wassertiefe von etwa 4 Metern. Am mecklenburgischen Ufer der Travemünder Bucht ist die Entfernung bis zur 4 m-Wassergrenze größtenteils über doppelt so groß, weil der Strand dort flacher ist.
Der 1757 erscheinende Ausdruck "Räve" (rêver, fließendes Wasser) bedeutet dasselbe wie "Strom"; "Düpe" ist = Tief. Begriff und Ausdehnung des Strandes waren sich noch im 18. Jahrhundert völlig gleich geblieben. Was 1757 als Strand bezeichnet wurde, stimmt genau mit dem überein, was die 7 Zeugen von 1597 und die 11 Zeugen von 1616 bekundeten. Es ist die "anrührende" See der Beweisartikel, die in dem Strandrechtsstreit zwischen Wismar und dem Amte Grevesmühlen aufgestellt wurden, es ist auch der Strand des rügischen Landrechts und ohne Zweifel schon der Strand, das mare dominio terrae adiacens des Mittelalters, eben das, was wir Küstengewässer genannt haben. Die mecklenburgischen Kommissare in dem Fischereistreit mit Lübeck von 1616 waren völlig im Recht mit ihrer Erklärung, daß die herzogliche Strandgerechtigkeit am Ufer der Travemünder Bucht so weit reiche, als "die Schiffe und die rechte Tiefe des Mehres gehet" oder "so weit die Schiffe im Meer ihren Lauf und Gang halten". Wie sollte sich denn auch der schon im 13. Jahrhundert erscheinende Ausdruck "Vorstrand" (Anl. II, Nr. 1), den man heute noch auf den trockenen Strand anwendet, deuten lassen, wenn es nicht noch einen überfluteten Strand gegeben hätte!
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Daß dieser bespülte Strand, das Küstengewässer früherer Zeiten, zur Küste gehörte, versteht sich von selbst und geht ja auch aus unseren bisherigen Ausführungen hinreichend hervor. Gebietshoheit über die Küste ist Voraussetzung für das Hoheitsrecht am Küstengewässer.
Nun ist allerdings die schiffbare Meerestiefe ein relativer Begriff 114 ). Aber überall dort, wo Schiffe aus dem tiefen Wasser, wo sie schwimmen konnten, herausgeworfen wurden und an der Küste strandeten, war "Grund und Boden" des Küstenherrn. So wird der Strand oft bezeichnet. Auch in Holstein; denn wenn der Cismarer Amtmann 1577 die Lübecker "auf seines Ambtes Gepitte" keine Seefischerei treiben lassen wollte, weil sie dazu "in eines Fürsten Jurisdiktion oder Grundt und Boden" nicht berechtigt seien (Rörig I, S. 8), so meinte er eben den Strand. Wismar hat sogar das Tief der Wismarer Bucht für seinen "Grund und Boden" ausgegeben 115 ).
Wahrscheinlich hat sich das Recht am Küstengewässer, wie wir es zuerst für das 13. Jahrhundert feststellen konnten, aus dem uralten Strandrecht im engeren Sinne, dem Rechte auf gescheiterte Schiffe und angetriebene Güter, entwickelt. Es ist jedenfalls nicht zu bezweifeln, daß die Ausdehnung dessen, was man Strand nannte, damit zusammenhängt 116 ).
Daß die Fischerei im Küstengewässer in mittelalterlicher Zeit ein landesherrliches Regal gewesen ist, haben wir für einen beträchtlichen Teil der Ostseeküste bereits oben (Abschnitt A) nachgewiesen. Ebenso, daß es am rügischen Außenstrande auch noch in neuerer Zeit der Fall war. Dieses Regal ist vormals durch Erhebung von Abgaben wahrgenommen worden (oben S. 26 ff.), was jedoch in Mecklenburg hernach, vielleicht schon im Mittelalter, nicht mehr überall geschah.
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Ein alter Warnemünder Seefischer, Peter Kroße, der seit mehr als fünfzig Jahren sein Gewerbe ausübte, sagte bei einem Zeugenverhör am 11. November 1618 aus, daß die Warnemünder auf Wittow (Rügen) ebenso wie in Dänemark der Obrigkeit von jedem Ruder ein Wall (80 Stück) Hering gegeben hätten 117 ). An der mecklenburgischen Küste dagegen sei der Fang, so lange er denken könne, frei gewesen; dies versicherten auch sieben andere Fischer aus Warnemünde, die gleichzeitig vernommen wurden. Und zwar war die ganze mecklenburgische Küste gemeint; die Frage des Protokolls, auf die diese Antworten erteilt wurden, betrifft die Warnemünder Fischerei "in der offenbaren Sehe zischen dem Daße (Dars) und der Trave" 118 ).
Nun sind allerdings um dieselbe Zeit und später am Fischländer Strande, den man von der Scheide des Rostocker Stadtgebietes bis zur pommerschen Grenze, also bis zum Dars rechnete, Abgaben erhoben worden 119 ), aber nur von den Dorffischern, die dort für gewöhnlich Wadenfischerei betrieben oder Reusen hielten. Daß in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Reusenfischerei hier offenbar besonders genau kontrolliert wurde, mag sich durch die Ergiebigkeit erklären, die den Heringsfang am Fischländer Strande damals auszeichnete; wurden doch vom 3. März bis zum 6. Juni 1669 39 262 Wall gefangen, in der Zeit vom 18. Februar bis zum 10. Juni 1671 34 528 Wall 120 ).
Ob die Rostocker um 1600 häufig diesen Teil des Strandes aufsuchten, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist - nach jenen Zeugenaussagen von 1618 - ihre Fischerei an der ganzen Küste Mecklenburgs freigelassen worden.
Das Zeugenprotokoll vom 11. November 1618 hängt mit einem Streite zusammen, der sich über zwei Jahre hinzog und den wir in unserem vorigen Bericht erwähnt haben. 1618 nämlich hatten die zum Amte Bukow gehörenden Gaarzer Bauern drei Warnemünder Fischer "aus der offenbaren Sehe" ans Land geholt und ihnen ihr Boot und Fischergerät weggenommen. Warum, ergibt sich aus der Aussage des schon genannten Peter Kroße, es sei ihm in der Gegend von Brunshaupten und Gaarz "niemals
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etwas Boses gesagt, sondern ihm alle guth gethan, und noch anitzo, wan er da keme, würden sie ihme alle guth thun; er, Zeuge, aber hette vermerkt, das etzliche leichtfertige Gesellen, so Warnemunder, alda den Leuten an Netzen und sonsten Schaden gethan, dahero diese Ungelegenheit den Warnemundern verursacht . . ." Hierzu stimmt die Aussage eines anderen Warnemünder Fischers:"Gott solle es denen vergeben, die Ursach dazu gegeben, das den Warnemundern ihre Nahrung der Orter nach Brunßhoveden wolle genommen werden . . ." Das Protokoll fügt dem hinzu: "Wie Zeug gefragt, wer solchs gethan, hat er, ungeacht ich (der vernehmende Rostocker Gewettsekretär) in ihne getrungen, dieselben nambkundig zu machen, dennoch nichts anders darauf bekennen wollen, den das er solchs nicht wiße, wurde sich aber in kurtzen wol geben."
Noch zwei Jahre später (15. Dezember 1620), als einige Warnemünder Fischer vor Alt-Gaarz ihre Netze ausgeworfen hatten und dann mit ihren beiden Booten oder Jollen ans Land gefahren waren, trat ihnen der Dorfschulze mit einer Anzahl Leuten entgegen und erklärte, vom Amtshauptmann strikten Befehl zu haben, den Warnemünder Fischern, wenn sie bei Alt-Gaarz oder sonst auf fürstlichem Gebiete ans Land kämen, Boote und Gerätschaften zu beschlagnahmen; was auch geschah 121 ).
Nun nahm sich Rostock der Fischer an. Unter den Gravamina, die die Stadt auf einem Landtage im Februar 1621 überreichte, findet sich eine Beschwerde, wonach "unsere arme Fischer zu Warnemunde und deren Vorfahren der Fischerei nach Heringk, Dorsch, Tobias und andere Fische im offenen gemeinen Mehr von Warnemunde an biß naher Lubeck, auch weiter an der andern Seiten nach Pommern sich ruhig gebrauchet, auch ihre Bohte ihrer Gelegenheit nach an den Orten, da sie ufgetzogen, angelandet und ihre Garn, Tau und Netze am Ufer des Meerß feste gemachet und solches auch an E. F. G. zwischen Rostogk und Lubeck belegenen, daß Meer beruhrenden Embtern ihnen ohne Contradiction und Eintrag iederzeit frei gelassen". Nun aber hätten die Fischer geklagt, "daß sie in den nehisten weinig Jahren am Gebrauch der Fischereien unterschietlich mit Abnehmung ihrer Bohte und Fischer-Geräthes sein turbiret". Dabei wurde auf den Fall bei Alt-Gaarz vom 15. Dezember 1620 verwiesen, über den ein Protokoll beiliegt. Weil "auch frembde Potentaten die Anlandung der Bohte und Uftzugk der Fischer-Netzen in littore maris den armen Fischern
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gestatten, E. F. G. . . . Vorfahren, wie wir berichtet, auch wol frembden Fischern vergönnet" 122 ), so wurde gebeten, "E. F. G. wollen ihrer gehorsahmen Stadt den biß anhero auf dem offenen Mehr empfundenen Vorschub und Hülf" nicht entziehen, sondern die Fischer bei ihrem alten Gebrauche lassen.
Die Dinge lagen gar nicht so, wie Rörig (II, S. 229), dem allerdings das Material nur sehr unvollständig bekannt war, annimmt, daß nämlich "den landesfürstlichen Beamten dieser Zeit, die erfüllt waren von dem Gedanken der Omnipotenz des Fürsten und seiner Jurisdiktion, der Gedanke der freien Strandnutzung durch die städtische, diesmal Rostocker Seefischerei zuwider" gewesen sei. Sondern einige Warnemünder hatten die Fischerei der Amtsuntertanen in der Gegend von Gaarz durch Beschädigung von Netzen gestört, und daraufhin hatte der Hauptmann zu Doberan und Bukow, Joachim Vieregge, sich die ganze Warnemünder Seefischerei in jener Gegend verbeten. Es handelt sich also nicht um eine grundsätzliche Haltung der Beamtenschaft, sondern um ein singuläres, aus besonderen Gründen verfügtes Verbot des Amtshauptmannes Vieregge, das nur gegen die Warnemünder Fischer gerichtet war 123 ). Die Herzöge selbst zeigten sich sehr nachgiebig, wie aus einer Resolution vom 20. Februar 1621 hervorgeht, auf die wir zurückkommen werden.
Nach Rörig ergäbe sich aus der Rostocker Beschwerde, von deren Wortlaut wir 1923 die erste Hälfte angeführt haben: "1. das Meer vor den Ufern der mecklenburgischen Ämter zwischen Rostock und Lübeck gilt Âals offen, gemein meer'.
2. dem Herzog steht der Strand (wie Rörig ihn auffaßt), zu; jedoch stellt die Verhinderung der ungestörten Strandnutzung durch die Seefischer zur Ausübung ihres Berufes einen ungerechtfertigten Übergriff der mecklenburgischen Beamten dar" 124 ).
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Das zweite kann man zwar aus einer Rostocker Behauptung allein noch nicht mit solcher Sicherheit schließen, es ist jedoch Tatsache, daß eine hergebrachte Nutzung bestand.
Zu der ersten Folgerung Rörigs bemerken wir, daß allerdings aus dem Text der Beschwerde nicht hervorgeht, daß es ein Küstengewässer gab, aber auch nicht das Gegenteil. Die Warnemünder fischten im gemeinen Meer, befuhren jedoch auch den Strand und kamen ans Ufer. Hätte wirklich das Meer bis an den trockenen Strand als "gemein" gegolten, so hätte dieser Rechtsgrundsatz allbekannt sein müssen, und es wäre dann eigentlich überflüssig gewesen, daß die Stadt Rostock 1618 acht Warnemünder darüber vernehmen ließ, ob die freie Fischerei an der mecklenburgischen Küste und im besonderen "am Seheschlage bey Brunßhoveden, Gartz und dero Orter" einem alten Gebrauche entspreche. Denn es handelte sich bei dem Verhör durchaus um die Fischerei auf dem Wasser selbst; das ergibt sich sowohl aus den Frageartikeln, die den Zeugen vorgelegt wurden, wie aus den Aussagen 125 ). Auch
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betraf das Verbot des Hauptmannes Vieregge keineswegs nur die Nutzung des Ufers; ausdrücklich heißt es in dem Protokoll von 1618, daß einige Warnemünder von den Gaarzer Bauern in der See selbst gepfändet seien, "auch ihnen dero Orter weder in der Sehe zu bestechen, noch ans Land zu kommen, öffentlich verbotten worden were" ("bestechen" in der Bedeutung wie "nach Dorsch gestochen", siehe Anm. 125, Abs. 2, Zeuge 2).
Ferner sagte 1618 der Warnemünder Fischer Gert Boddeker aus, "in der offenbaren Sehe fischeten sie nach wie vor, aber die Pauren zum Arendtssehe, Brunßhöveden und der Orter hetten Zeugen und andere Warnemunder gewarnet, sie solten alda gegen ihrem Lande keine Schnöre werfen, weiniger alda ans Land
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kommen . ." 126 ). Der Zeuge machte also einen Unterschied zwischen dem Fange in der "offenbaren" See und dem am Strande, ein Unterschied, der sich übrigens nur aus dem ganzen Inhalt der Aussage, nicht schon aus dem Ausdruck "offenbar" ergibt. Denn die Adjektiva "offen, offenbar, frei" erscheinen öfter als Epitheta des Meeres, ohne daß gerade das herrenlose Meer im Gegensatze zum Strande gemeint ist. Sie sollen also keineswegs immer ein rechtliches Verhältnis des Meeres ausdrücken, sondern oft nur dessen äußerliche Beschaffenheit bezeichnen 127 ).
Am 14. Februar 1621 bat Rostock noch einmal im Hinblick auf "die Fischerei im freien Meer und Anlendung der Böte, Ufziehung und Befestigung der Fischer-Netze": Ew. Fürstl. Gnaden "wollen die von unß eingeführete Motiven und insonderheit dieses in Gnaden behertzigen, daß je durch die obgedachte Fischerei unsere arme Fischer E. F. G. oder ienigen Menschen nicht präjudiciren, sondern nur daßjenige suchen, waß E. F. G. wol Frembden zulaßen . ."
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Darauf gaben die Herzöge in einer Resolution vom 20. Februar, in der sie zu allen Rostocker, auf dem Landtage vorgebrachten Beschwerden Stellung nahmen, die Erklärung ab, daß die
"Stadt Rostock und dero Fischer zu Warnemunde bei dem Gebrauch der freyen Fischerei im offnen Meer an Unsern anß Meer stoßenden Ämbtern (jedoch Unser Gerechtigkeit daran vorbehaltlich) nach wie vor ruhig verbleiben" sollten, "dergestalt, das gemelte Fischer mit ihren Böthen anlenden, ihre Netze und Garn aufziehen, feste machen, trucknen und also obgesagter Maßen der Fischerei gebrauchen mugen".
In dieser Erklärung bezieht sich der eingeklammerte Vorbehalt gewiß auf die Strandfischerei. Wenn Rörig 128 ) glaubt, mit der Rostocker Beschwerde von 1621 seine Auffassung des holsteinischen Privilegs für Lübeck von 1252 (oben S. 23) stützen zu können, so ist er im Irrtum. Zu den Worten der Beschwerde "im offenen gemeinen Meer" haben wir im vorigen Jahre den Zusatz gemacht, daß das Meer freilich nur außerhalb des Küstengewässers gemein gewesen sei. Rörig (II, S. 230) bemerkt dazu: "Auf diese Weise lassen sich historische Quellen nun einmal nicht ausbessern". Die Antwort hierauf wollen wir ihm durch Rostock selber erteilen lassen.
Im Jahre 1674 nämlich schlug der Amtshauptmann Moltke zu Ribnitz dem Herzoge Gustav Adolf vor, am Strande der Rostocker Heide Heringsreusen zu setzen, weil dort das "littus und die Strandgerechtigkeit an der offenbahren See längst dem Strande Ew. Hochfürstl. Durchl. als ein hohes Regale sonder Zweifel zukommen" müsse, ein Regal, von dem Moltke annahm, daß es den Rostockern nicht zugleich mit der Heide abgetreten sei 129 ). Als dann im nächsten Jahre eine Reuse durch Wustrower Untertanen aufgestellt war, erschienen nächtlicher Weile, während die Wustrower in ihrer Hütte schliefen, Rostocker Fischer, rissen die Reusenpfähle heraus und zerschnitten das Tauwerk, darauf befahl der Herzog, eine neue Reuse zu setzen, und schickte Militär zu ihrer Bewachung.
Gleichzeitig beschwerte er sich beim Rostocker Rate, worauf sich herausstellte, daß dieser die Entfernung der Reuse angeordnet hatte. Allerdings erklärte der Rat, nicht gewußt zu haben, daß die Reuse auf herzogliche Anordnung gesetzt worden sei. Rostock habe aber die fürstliche Strandgerechtigkeit nicht angetastet und
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"die unter E. F. Durchl. Lande gesetzte Rüsen in keine Wege turbiret", sondern die weggerissene Reuse sei "unter unserm eigenthümblichen Lande und Üfer" aufgestellt gewesen, wo Fischereigerechtigkeit und Jurisdiktion der Stadt vermöge ihrer Privilegien zuständen.
Näher begründete dann Rostock sein Recht durch einen aus 17 Artikeln bestehenden Schriftsatz. Darin heißt es:
"Wan dan nun zwar in mari libero die piscatura jederman licita ist, so hat es doch mit denen Anschüßen an das Üfer gar eine andere Bewandnus, zumahl der Augenschein beweiset, das die Rüsenpfahle bist an das Landt müßen gesetzet werden, und zwar so nahe, das ein Kerl bis an den Bauch kan hinein waden, und also dieses nicht gesaget werden kan, das in libero mari gefischet werde."
Dabei bezieht sich das Hineinwaten natürlich nur auf die Strecke bis zum ersten Reusenpfahl nach dem Lande zu. Die übrigen Pfähle standen viel weiter seewärts; denn die Heringsreusen waren von beträchtlicher Länge. So hatte die 1616 bei Harkensee in der Travemünder Bucht aufgestellte Reuse, die über 100 Gulden gekostet hatte, mehrere hundert Meter in die See, und zwar bis in den Strom hinein gereicht. Zur Anfertigung der von den Rostockern weggerissenen Reuse hatte die Wustrower Fichergesellschaft oder "Mascopei" über 400 Gulden (nach einer späteren Angabe 500 Gulden) aufgewendet; trotzdem war diese Reuse nach Aussage der Fischer kürzer als die übrigen, die weiter östlich am fürstlichen Strande standen. Es "beschläget", sagte Rostock, "solch eine Rüse einen gahr großen Platz".
Was sind nun die "Anschüsse an das Ufer", die in dem Schriftsatze vom mare liberum unterschieden wurden, womit an dieser Stelle nur das herrenlose Meer gemeint sein kann?
Nach dem mittelniederdeutschen Wörterbuche von Schiller und Lübben bezeichnet "anschot" die an ein Grundstück anschießenden Zubehörungen, zumal am Wasser. In einer der dort mitgeteilten Quellenstellen erscheint das Wort in der übertragenen Bedeutung "Fischereigerechtigkeit", bezeichnet also die Nutzung des Anschusses. Auch im rügischen Landrecht wird es im Zusammenhange mit Fischereigerechtigkeit gebraucht 130 ).
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Wie die von der Insel Lieps in die See schießenden "Gründe, die nach Zeugenaussagen von 1597 zu Lieps gehörten (oben S. 33), nichts weiter sind als der Strand der Insel, so sind auch die "Anschüsse" am Meeresufer mit dem Strande identisch. Dem entspricht es, daß Rostock sich in seinen Darlegungen auf die "iurisdictio littoralis oder Strandgerechtigkeit", und zwar ausdrücklich auf das Schiffsbergerecht berief, das ihm am Ufer des Stadtgebietes zustand; eine Jurisdiktion, die, wie wir gesehen haben, bis zur schiffbaren See reichte. Auch Akten über Streitigkeiten zwischen der mecklenburgischen Landesherrschaft und der Stadt Ribnitz wegen des Strandrechtes und der Fischerei an der Meeresküste des städtischen Gebietes zeigen, daß "Anschuß" und Strand ein und dasselbe sind. Wir werden auf diese Streitigkeiten noch eingehen.
Rostock führte in seinem Schriftsatze die Privilegien von 1323 und 1358 für sich ins Feld, die Heinrich II. und Albrecht II. ihm erteilt hatten 131 ). Daraus erhelle, daß der Stadt "die iurisdictio littoralis so wol als das ius piscandi privative zustehe, kraft welcher sie nicht verstaten mugen, das ihnen daselbst Eintrag geschehe, cum unicuiqui iuxta sua littora competat Dominium maris, Stpm., De iure marit., cap 5 n. 55., marisque partes eius sint civitatis, quae proxima est, Klock, Cons. 5, n. 3; unum enim et idem est ius, quod imminet super aquas et immergitur aquis, concessaque terra mari adiacente conceditur iurisdictio in mari, Klock, Cons. 29, n. 41." Rostock stützte sich hier also, um Althergebrachtes zu beweisen, auf damals neue juristische Literatur, obwohl das Völkerrecht schon im Begriffe war, auf das moderne Küstengewässer zuzusteuern, das über den alten Strand hinausgeht 132 ).
Weiter erklärte Rostock: "Siehet man auch nur das bloße ius piscandi an, so der Stadt unleugbar an ihrem Ufer zustehen mus, so findet es sich, daß diese außsetzende Rüsen solches ius gentzlich verhindern, zumahl, woselbst die Pfahle stehen, unmüglich gefischet
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werden mag, und beschläget solch eine Rüse einen gahr großen Platz, welchen der Stadt Fischere nicht würden gebrauchen können, so doch ausdrücklich den Privilegien zuwiedern". Endlich:
"Und gleich wie I. F. Durchl. nicht wurde gestaten, daß unsere Fischer unter dero Üfer die Rüsen setzen solten, ob sie gleich vermöge Vertrages de anno 1621 unter dero Lande mit Netzen zu fischen und die Wade zu trecken befuget seyn, also werden auch I. F. D. reciproce nach der Regul der Natur, quod tibi non vis fieri, nicht begehren, das die Stadt an ihren Rechten eine Diminution empfinden solle."
Hiermit ist eine klare Interpretation der (oben S. 77) angeführten landesherrlichen Resolution vom 20. Februar 1621, die Rostock mit dem Vertrage meinte, gegeben. Wir hatten völlig recht, zu der Beschwerde, die die Stadt auf dem Landtage vom 5. Februar 1621 überreichte, zu bemerken, daß das "gemeine Meer" nur außerhalb des Küstengewässers gemein gewesen sei.
Nun zu den schon erwähnten Streitigkeiten zwischen der Stadt Ribnitz und der Landesherrschaft. 1622 strandete eine Schute am Wiesengelände der Stadt, das, an Wustrow grenzend, sich auf der Landenge zwischen der offenen See und dem Bodden hinzieht. Der herzogliche Amtmann in Ribnitz bestritt das städtische Bergerecht. Unter den Beweisen, auf die sich die Stadt stützte, finden sich Zeugenaussagen vom 6. Mai 1622. Danach erklärte der Fischeraltermann Hans Teßmar, "was kegen der Stadt Wische (Wiese) und sonsten auf der Stadt Grundt und Bodem Anschosse je und allewege gestrandet", habe "die Stadt Ribnitz sich angemasset. Was 133 ) aber sonsten kegen I. F(ürstl.) G(naden) Anschosse, so wol kegen des Closters Grundt und Bodem 134 ) gestrandet und angekommen, solchs hette I. F. G., so wol das Closter zu sich genommen". Ebenso sagt der Schulze zu Körkwitz aus (Was aber sonsten kegen I. F. G.Anschosse, Grundt und Bodem angestrandet, haben I. F. G. Beambten zu sich genommen) 135 ).
In Klagepunkten, die der Ribnitzer Stadtvogt 1627 gegen den Magistrat aufstellte, heißt es: "Wollen ein Rath F. G. oder deren Statvogte an dem Strande, soweit ihr, der Stat, Anschoß geht, weder an Jurisdiction noch an Cognition caußarum, noch an Bruchgefellen oder angestrandeten Gutern nichtes gestendig
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sein. Verheuren auch I. F. G. Oeconomien Unterthanen wie auch des Closters Unterthanen die Strantreusen und Fischerey umb etliche Gulden jerlich, unangesehen I. F. G. den Zollhering am Strande haben" 136 ).
1664 verbot der Amtshauptmann Moltke den Dierhäger Fischern, der Stadt Reusenpacht zu geben, weil Ribnitz nur auf der Binnensee Fischereigerechtigkeit habe und die Privilegien der Stadt auf den Außenstrand nicht anwendbar seien. Die Ursachen des Streites interessieren hier nicht. Hervorheben wollen wir aber, daß aus den Akten darüber mit aller Klarheit hervorgeht, daß Meeresfischerei in der Strandgerechtigkeit inbegriffen war. So bekämpfte Moltke (24. Juni 1664) die "von der Stadt praendirte Strandtgerechtigkeit zum Dierhagen, deßfalß die Supplicanten (d. h. Bürgermeister und Rat) jährlich an Hering und an Reusen-Geld etwas de facto sich angemaßet." In seinen Ausführungen setzte er den (von ihm bestrittenen) Fall, daß die Ribnitzer vermöge eines von ihnen angezogenen Privilegs das "Regale, das sie im offenen Meer fischen und Reusen setzen laßen möchten", besäßen. Dagegen schrieb der Ribnitzer Rat (8. Nov. 1664), er habe niemals "einige Wasserpacht gehoben alß an den Ohrten, da die Stadtwiesen und andere Gränzen anschießen und die Rüsen und Waden gebrauchet werden, wie dann die Derhäger selbst anzeugen werden, daß wir die Ohrter allemahl befischet und die Strandtgerechtigkeit, auch die Rüsenpacht genoßen, ihnen auch die Strandfischerey auf Vorbitten der Furstlichen Beambten umb eine geringe Recognition von gemeiner Stadt wegen concediret haben". Zum Beweise legte der Rat Auszüge aus Registern bei, die ergeben, daß die Stadt von 1568 bis 1663 Bergegeld für gestrandete Güter "wie auch Vaden- und Rüsenheuer auf der Stadt Riebbeniz Anschöße im offenen Strande 137 ), wohl (= wie auch) in der Binnen-See und Reckenitz" eingenommen hatte; z. B. "2 fl.16 B Ý die Dehndörfer für die hohen Wadenzüge bey offenen Strande. Anno 1612".
Am 29. Dez. 1665 beschwerte sich der Ribnitzer Rat wieder über Moltkes Maßnahmen gegen "die unß und unsere Bürgerschaft vor undencklichen Jahren her zustehende und durch rechtmäßige Possession geruhlich gebrauchte Strand- und
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Fischerey-Gerechtigkeit." Man habe erfahren, "daß noch andere turbationes wieder unß und unsere wollhergebrachte Fischer-Gerechtigkeit vorgenommen werden will, indem einigen Einliegern und freyen Leuten in Wustrowischen und andern Fischer-Dörfern . . will erlaubet werden, gegen unsern Anschuß beim Neuen Hause (Stadtgut Neuhaus, Niehusen), woselbsten unsere Stadtfischere und Bürger ihre Fischernahrung von undencklichen Jahren her mit Waden und ander Fischergerähte gehabt und noch haben, neue Reusen zu setzen, und auch wir ie mehr und mehr an unser wollhergebrachten Strand- und Fischer-Gerechtigkeit würden beeinträchtiget werden".
Zu dieser Streitsache berichtete der herzogliche Rat Dr. Andreas Curtius am 26. März 1666: "Anlangend die praetendirte Strandtgerechtigkeit und daher rührende Fischerey und Reusenpächte, ist gleichfalß zwar ex iure feudali et consuetudinario bekannt, quod litora maris et piscationum reditus inter regalia referantur, aber dabey auch dieses gewiß, quod eiusmodi regalia privatis concedi et ab iis possideri, immo praescribi possint." Ferner liegt bei den Akten das Konzept zu einem rechtlichen Gutachten, verfaßt von dem Mecklenburg-Güstrowschen Kanzler Dr. Johann Schlüter, vormaligem Assessor am schwedischen Tribunal in Wismar 138 ). Danach waren zu unterscheiden:
1) Litorum maris portuumque usus, qui est iuris gentium et accedentibus omnibus, tam peregrinis quam accolis et subditis, communis atque ita publicus, ut litora in nullius, nedum privati alicuius dominium cadant.
2) Litorum portuumque et adiacentis seu confinis maris utilitates atque proventus, et hi pertinent ad regalia superioris, ita tamen, ut sint vel per concessionem superioris vel per praescriptionem [Verjährung] etiam civitati municipali et privatis communicabiles, atque sic exercitium horum regalium aliquando etiam inferiori magistratui competere queat.
3) Jurisdictio et protectio litorum, potuum et maris finitimi, quae superioritati atque adeo iuri
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territoriali inhaeret, ut sine dispendio superioritatis communicari haud possit.
"Es wird aber," so heißt es dann in dem Gutachten, "allhie in actis die iurisdictio litoralis improprie und abusive die Strandtgerechtigkeit genant, denn allein von dem, was an dem Ufer des Meers oder in vicino mari strandet, wird die Strandtgerechtigkeit denominiert, und ist dieselbe nur iuris litoralis sive maritimi pars, cum universalis iurisdictio et protectio litoralis wann des Strandens halber etwas zu decidieren oder zu statuieren vorkommet, applicert wird; dahero die Strandtgerechtigkeit ad solum casum naufragii gehörig, die Ufergerechtigkeit aber in genere und weiter sich erstrecket, wie diese dann auch in genere in litorali protectione et iurisdictione bestehet. Und obgleich auch die fructus et proventus eiusmodi tam generalis quam specialis iuris litoralis dem Superiori als Regalia zustehen und solche reditus unter dem iure litorali begriffen, als im Hafen, am Ufer des Meers und in mari vicino (wie dann die leges communes und durchgehende consuetudo litora maris eodem iure cum mari adiacente censieren) zu fischen, item Strandgeld oder vielmehr Barggeldt zu nehmen etc., per concessionem superioris aut praescriptionem auf inferiores magistratus und Unterthanen gebracht werden können, so bleibet doch der hohen Landesobrigkeit darüber die Jurisdiction und Protection, so dem iuri territoriali et superioritatis anhängig und davon nicht divelliert werden mag" 139 ).
Der Kanzler Schlüter wollte also den Ausdruck "Strandgerechtigkeit" auf das Bergerecht, d. h. auf das Strandrecht im engeren Sinne beschränken. Dieses wurde denn auch in erster Linie darunter verstanden, vermutlich weil es die Wurzel des ganzen Rechtes am Strande gewesen ist, eine Ursprünglichkeit, die am Begriffe des Wortes "Strandrecht" haften blieb. Die Summe aber der Hoheitsrechte am Strande, einschließlich des Fischereirechtes, faßte Schlüter unter dem Begriff der Ufergerechtigkeit oder des ius litorale zusammen. Auch für ihn ist die Hoheit über das mare vicinum oder mare adiacens, das er ausdrücklich zum Ufer rechnete, abhängig vom Besitze des Ufers oder der Küste. Neue theoretische Lehrmeinungen über das Küstenmeer sind in seinen Darlegungen nicht zu erblicken; denn er berief sich auf die "durchgehende consuetudo", und die Bezeichnung
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"mare adiacens", die er anwendete, erscheint ja schon im Jahre 1265 (Anl. II, Nr. 2). Die Terminologie Schlüters übrigens ist allzu peinlich; der Ausdruck "Strandgerechtigkeit" kommt oft in weiterem Sinne vor, alle Hoheitsrechte am Strande umfassend. Ein Jahrhundert später entstand zwischen dem Amte und der Stadt Ribnitz von neuem ein Streit wegen der Fischerei an der Küste des Stadtgutes Neuhaus. Das Amt berichtete darüber am 7. März 1776 an den Herzog Friedrich:
"Ew. Herzogl. Durchl. hiesiges Amt befindet sich seit undencklichen Jahren notorisch in dem ruhigen alleinigen Besitz, die Heerings-Fischerey in der Ost-See, von der Rostockschen bis zu der Pommerschen Scheide oder den Darß, auszuüben, wie denn die des Behuef am Strande stehende 14 Rüsen an Daendorfer, Dierhaeger und Fischländer Hausleute gegen jährliche Erlegniße verpachtet sind." Zu diesen Reusen habe auch eine bei Neuhaus gehört, die aber, weil die Ergiebigkeit des Fanges im ganzen und besonders in der Neuhauser Gegend abgenommen habe, vorderhand eingezogen worden sei. Diesen Umstand suchten Bürgermeister und Rat in Ribnitz "dahin zu benutzen, daß sie wegen des an Strand stoßenden Stadt-Guths Niehuß intendiren, in der Ost-See mit der Wade, die Zeit des Heerings-Fangs über, fischen zu können". Das Amt habe "zur Erhaltung der herrschaftlichen Rechte" die nötige Vorkehr getroffen.
Beigefügt ist dem Schriftstück ein Auszug aus der Ribnitzer Amtsrechnung von 1745/46, wonach unter den Pachtgeldern (Pensiones) eine Einnahme von 126 Rtlr. "von den Hering- Zoll" aufgeführt war 140 )
Bald darauf beschlagnahmte der Amtslandreiter den Ribnitzer Fischern bei Neuhaus ein Boot samt der Wade und den gefangenen Heringen.
Die herzogliche Kammer in Schwerin erwiderte dem Ribnitzer Oberamtmann am 9. März 1776:
"Es findet unsere völlige Genehmigung, daß Du die von der Stadt Ribnitz wegen ihres Guths Niehuß intendirte Fischerey auf der Ost-See. . . hintertreibest. Da aber solches Unternehmen der Stadt als eine Verletzung unserer Hoheits-Rechte über den Strand und nicht als ein bloßes Spolium anzusehen ist, so hast Du
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wann die Commune die Absicht würcklich vollführet, das Protocollum bey Unserer Regierung einzusenden . ." 141 ).
Nun wurde es allerdings an anderen Teilen der mecklenburgischen Küste mit der Fischereihoheit nicht so genau genommen. In einem Bericht des Amtes Grevesmühlen von 1773 heißt es: Die Strandgerechtigkeit sollte "als Regal in ihrem ganzen Umfange von dem Amte allein ausgeübet werden. Durch die Observanz aber ist sie dergestalt eingeschränket worden, daß an den wesentlichen Vortheilen der Fischerey und der Abfuhre des Tankes die adelichen Güter Theil nehmen und als eine ausschließende Befugniß dem Amte weiter nichts als das Strandrecht im engeren Verstande übrig geblieben ist. . . . Wir kommen auf die Fischerey. Hufen, Fliemstorf, Wolenberg, Redewisch, Haffhaven Steinbeck, Brock, Schwansee, alles adeliche Dörfer, und das nach Lübeck gehörende Dorf Warnkenhagen, auch vielleicht andere Dörfer mehr, machen sich in diesem Stücke die Nachbarschaft der See zu Nutze, ohne dafür das mindeste an die Herrschaft zu bezahlen. Diese Last trifft allein die Amtsdörfer Tarnewitz und Boltenhagen, welche jährlich 60 Rthlr. entrichten müssen, ohngeachtet von ihren Nachbaren der Fischfang geschmälert oder ihnen wenigstens der Markt verdorben wird. Wenn das nicht so seyn, sondern dem Amte allein der Fischfang zustehen sollte, wenn es gewiß ist, daß die adelichen Güter sich nicht bis in die See erstrecken, sondern von dem Ufer begrenzet werden, und wenn gleich in den Lehnbriefen von der Fischerey wohl nichts anzutreffen seyn mögte, so sind doch die adelichen Güter seit so langer Zeit im Besitz, daß ihnen diesen Vortheil zu entreißen, verlorne Mühe seyn dürfte" 142 ).
Nutzungen am Strande ritterschaftlicher Güter also hatten sich ausgebildet. Auch die Seefischerei der Warnemünder an der ganzen mecklenburgischen Küste entlang war solch eine hergebrachte Nutzung.
Deswegen aber erlosch nicht die Strandhoheit des Küstenherrn. Wie beim Streite zwischen der Landesherrschaft und der Stadt Ribnitz, so tritt auch aus dem Berichte des Amtes Grevesmühlen der Rechtsgrundsatz hervor, daß das Fischereiregal zur Strandhoheit gehöre. Und immer wieder wurde, von den Städten Rostock und Ribnitz sowohl wie von der Landesherrschaft, die Ausübung
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des Bergerechtes als ein Beweis für das Recht auf Meeresfischerei angeführt.
Er handelte sich eben, auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, immer noch um das alte, auf die Strandhoheit gegründete Fischereiregal des Mittelalters. Noch war der Strand unberührt geblieben von der Lehre des Hugo Grotius, daß die Herrschaft des Uferstaates über das Meer sich so weit erstrecken solle, als sie von der Küste her ausgeübt werden könne; eine Lehre, auf der die Kanonenschußweite beruht, die schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erscheint, 1703 von C. van Bynkershoek in der Schrift De domino maris gefordert wurde und auch der Drei-Seemeilen-Grenze zugrunde liegt, die 1793 zuerst erwähnt wird 143 ).
Freilich war es schwer, in jedem Falle zu erkennen, wo der Meeresstrom (ein Ausdruck, mit dem man heute noch den Begriff der Tiefe verbindet), das "Räve", die "Düpe", d. h. das gemeine Meer aufhörte und der Strand begann. Auf diese Schwierigkeit deutet eine Stelle des rügischen Landrechtes hin (oben S. 66). Die kleinen Fahrzeuge, die im 14. Jahrhundert in Pommern für die Seefischerei privilegiert wurden 144 ), konnten wohl, ebenso wie die Fischerboote, den Strand befahren. Im allgemeinen aber wird man als Strandfischerei den Fischfang in unmittelbarer Nähe der Küste angesehen haben.
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Die Darlegungen des ersten Berichtsteiles über das Küstengewässer oder den Strand bilden die Grundlage, von der bei der Untersuchung der vormaligen Rechtsverhältnisse in der Travemünder Bucht ausgegangen werden muß. Denn es konnten sich hier nicht, wie Rörig angenommen hat, Lübecker Rechte auf einer in ihrem ganzen Umfange herrenlosen Wasserfläche entwickeln. Sondern herrenlos war nur der Strom der Bucht, während das übrige Gewässer dem Strandregal dessen unterworfen war, der die Hoheit über die Küste innehatte. Dieses Strandregal ist zweifellos älter, als aus den Quellen seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts hervorgeht, auf die wir unsere Beweisführung gestützt haben. Sicher ist jedenfalls, daß es zu einer Zeit bestand, aus der von einer Lübecker Reede auf der Bucht keinerlei Anzeichen überliefert sind. Ob trotzdem Lübeck die Gebietshoheit am mecklenburgischen Ufer bis zum trockenen Strande erlangen, ob es ferner die gemeine See bis weit über die Bucht hinaus sich aneignen konnte, soll im Folgenden geprüft werden. Wir wollen dabei zunächst die hoheitsrechtlichen Verhältnisse unter Ausschließung der Fischerei behandeln, sodann die von Lübeck heute, auf Grund der Rörigschen Forschung, beanspruchten Reedegrenzen, schließlich die Fischerei.
In seinem ersten Aufsatz (I, S. 2) meint Rörig, daß schon in 13. Jahrhundert "die Verbindung von Hoheitsrechten der Stadt mit ihrer maritimen Vormachtstellung in der Lübecker Bucht nachweisbar sei". Lübeck habe die Wasserfläche vor dem Ausfluß der Trave militärisch beherrscht. Er beruft sich dabei auf ein Schreiben des Königs Hakon von Norwegen an die Stadt aus der Zeit zwischen 1247 und 1250. Darin beschwerte sich der König darüber, daß die norwegischen Händler von den Lübecker Untertanen und Söldnern gleichsam in den Häfen Lübecks geplündert würden, unter Duldung der Stadt, die an jener Meeresbucht die Wacht habe 145 ). Nach Rörig wäre diese Wacht (custodia) "der Ausfluß
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eines allgemeinen Obrigkeitsrechts auf dieser Wasserfläche". Das ist ein kühner Schluß. Der König wollte nichts weiter sagen, als daß es den Lübeckern an gutem Willen fehle, Räubereien ihrer eigenen Leute dicht bei den Häfen zu verhüten, wozu sie doch um so fähiger seien, als sie an der Bucht die Wacht hielten. Nun aber war diese Wacht bisher von den Grafen von Holstein gehalten worden, denen das Städtchen Travemünde nebst einem dabei gelegenen starken Festungsturm (turris, auch castrum oder castellum genannt) gehörte, der älter war als das Städtchen selbst. Und solange dieses mit Wall und Graben umgebene Festungswerk, das den Schlüssel zur Trave bildete, in fremder Hand war, konnte von einer militärischen Beherrschung der Flußmündung oder der Bucht durch Lübeck natürlich nicht die Rede sein. Noch 1234 hatten Holsteiner und Dänen die Trave gesperrt, so daß der Papst sich ins Mittel legte, um den nach Livland ziehenden Pilgern die Benutzung des Lübecker Hafens zu ermöglichen 146 ). Es war daher das Bestreben der Stadt, den Turm in ihre Gewalt zu bringen. Endlich trat sie unter die Schirmherrschaft der Grafen und schloß 1247 (22. Febr.) mit ihnen einen Vertrag, wonach den Lübeckern für die Dauer der Schirmherrschaft gestattet wurde, den Turm unter ihrer Bewachung zu halten (turrim . . sub eorum custodia possidendam.) und ihn nach Gefallen auszubauen 147 ). Dadurch war die Stellung der Stadt am Traveauslauf fürs erste sehr stark geworden. Die Nachricht hiervon hat sich wegen der großen Wichtigkeit des Festungswerkes sicher alsbald bei allen verbreitet, die mit Lübeck Handel trieben. Und ohne Zweifel ist es der Besitz des Turmes, worauf König Hakon hinweisen wollte 148 ). Der Ausdruck custodia in seinem Briefe bedeutet dasselbe wie in der Urkunde der Holsteiner Grafen: Bewachung, Wacht 149 ). Die Häfen aber, die der König meinte, lagen auf der
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Trave selbst 150 ). Eben weil er sagte: quasi in portubus vestris, so ist ja ganz klar, daß auf der Bucht, dem breve mare selbst, kein Hafen war. Ein Obrigkeitsrecht Lübecks auf dem Buchtgewässer ist aus dem Schreiben nicht zu folgern. Es würde ja auch eine militärische Beherrschung der Bucht noch kein Hoheitsrecht voraussetzen. Die Lübecker haben dann das Kastell wieder ausliefern müssen, und erst 1320 kauften sie es von dem Grafen Johann von Holstein unter der Bedingung, daß es geschleift werde 151 ).
In seinem neuen Gutachten 152 ) ist Rörig bei seiner Auffassung von König Hakons Schreiben geblieben (Wacht auf, nicht an jenem kleinen Meere), aber ohne auf unsere Beweisführung einzugehen. Da es sich um eine vereinzelte, sehr knappe Aktenstelle handele, habe er ihr keine allzu große Bedeutung beigelegt und sie nur gewissermaßen nebenher erwähnt. Indessen konnten wir dies aus der Bestimmtheit, mit der er sich 1923 darüber ausgesprochen hat, nicht entnehmen.
Es ist die Meinung Rörigs, daß bereits im Mittelalter eine "räumliche und rechtliche Einheit" zwischen Trave und Travemünder Bucht (Reede) bestanden habe. Gegen die räumliche Einheit hätten wir nichts einzuwenden; sie besteht ja zur Not zwischen der Trave und der ganzen Ostsee. Die rechtliche Einheit aber halten wir in der Tat für eine Konstruktion 153 ), die freilich nicht erst von Rörig, sondern schon früher vom Lübecker Rate vorgenommen worden ist.
Rörig hat diese rechtliche Einheit nicht (wie einst der Lübecks Rat) abgeleitet, aber doch in Verbindung gebracht mit dem Privileg von 1188, das Kaiser Friedrich I. der Stadt ausstellte 154 ).
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Dieses sog. Barbarossaprivileg ist anerkanntermaßen eine Fälschung. Wir haben deswegen erklärt, daß sich nichts damit beweisen lasse. "Solche Behauptungen," meint Rörig, "können jedenfalls nur auf Laien in Fragen der Urkundenkritik Eindruck machen." Wir sind dagegen der Ansicht, daß man schon über viel juristisches Laientum verfügen muß, wenn man glauben wollte, daß die juristische Beweiskraft einer Urkunde, deren Unechtheit nachgewiesen ist, nicht gebrochen sei. Hierfür ist die Tatsache der formalen Fälschung allein vollkommen entscheidend. Handelt es sich, wie im vorliegenden Falle, um die Verfälschung einer echten Urkunde und läßt sich nachweisen, daß Teile der Fälschung aus dem Original übernommen sind, so liegt die Beweiskraft dieser Teile natürlich in den anderweitig darüber gemachten Darlegungen, nicht in der unechten Urkunde.
Nun behauptet zwar Rörig, in einer früheren Arbeit von 1915 nachgewiesen zu haben, worum es sich bei der Verfälschung ausschließlich handele 155 ). Es sei darauf angekommen, die seit 1188 gefestigte Stellung des Lübecker Rates gegenüber dem königlichen Stadtvogte zu sichern, der nach Beseitigung der dänischen Herrschaft (1225) wieder aufgenommen werden mußte. Daher sei das Privileg in den betreffenden Bestimmungen den tatsächlichen Verhältnissen angepaßt worden. Das Ergebnis seiner Untersuchungen habe sich in der Forschung durchgesetzt; Rörig 156 ) beruft sich dabei auf v. Below, Hofmeister und Hampe, die seine Arbeit zustimmend besprochen, sich aber auf die Verfolgung der verfassungsrechtlichen Kontroverse beschränkt und den weiteren Inhalt des Privilegs wohl sicher keiner Prüfung unterzogen haben. Als Zeugnisse für die Ausschließlichkeit des von Rörig angenommenen Fälschungszweckes können diese Besprechungen nicht aufgefaßt werden.
Wir müssen bestreiten, daß er die Tendenz der Fälschung festgestellt hat. Ob es überhaupt möglich sein wird, den echten Teil aus dem Privileg zuverlässig herauszuschälen, bleibt vorderhand im Zweifel. Mit Wahrscheinlichkeiten muß sich zwar die historische Wissenschaft unter Umständen begnügen, die juristische Beweiskraft einer Urkunde aber beruht auf der Echtheit von Brief und Siegel; ist diese nicht vorhanden, dann nur auf dem Material, womit sich etwa Teile der Fälschung decken lassen.
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Hofmeister 157 ) hat die Frage aufgeworfen, ob bei Anerkennung der Ergebnisse Rörigs von 1915 "die Gründe für die zwingende Annahme einer sachlichen Verfälschung noch ausreichen." Über die formale Fälschung, für die schwerwiegende Beobachtungen geltend gemacht seien, könne erst nach weitere Studien völlig abschließend geurteilt werden. Indessen ist an der Tatsache der Verfälschung, die ja auch von Rörig anerkannt wird, kaum noch zu zweifeln. Das Siegel ist nachgemacht und die Schrift ist die eines Schreibers, der 1222-25 in Lübeck tätig war 158 ). Und für die sachliche Verfälschung liegen eben noch andere Gründe vor. Denn seit die Echtheit des Privilegs dahingeschwunden ist, fällt Licht auf die Rätsel, die es aufgegeben hat und an denen man vergebens herumgedeutet hatte. Wir meinen den ersten Teil der Fälschung, wonach Lübeck beträchtliche Gebiete, die es nie besessen hat, nämlich ein großer Teil des Fürstentums Ratzeburg und die Wälder bei Dassow und Klütz, dazu der Wald bei Brodten, das erst 1804 an Lübeck gekommen ist, zur Nutzung überwiesen wurden. Bestimmungen, die sich mit den tatsächlichen territorialen Verhältnissen nicht in Einklang bringen lassen. Prof. Dr. H. Ploen hat 1924 in einer Abhandlung: Der Streit um den Dassower See und die Barbarossa-Urkunde 159 ) die Unmöglichkeit dieser Bestimmungen dargelegt. In ihnen erblicken wir den Hauptzweck der Fälschung.
Von Lübecker Seite wird uns vorgehalten, daß wir in einem Archivbericht von 1922 geäußert haben, die Verfälschung berühre nur die in der Urkunde enthaltenen Bestimmungen über die Lübecker Ratsverfassung 160 ). Aber wir nehmen an dem allgemeinen Menschenrechte teil, eine Ansicht zu ändern. 1922 hatten wir uns mit dem Privileg noch nicht näher beschäftigt, sondern waren nur über die Rolle unterrichtet, die es in der Kontroverse über den Ursprung der Ratsverfassung gespielt hatte. Schon 1923 aber haben wir gesagt: "Wieweit die Einschaltungen oder Veränderungen gehen, ist noch nicht genügend geklärt worden, da die bisherigen Untersuchungen sich auf die verfassungsrechtlichen Bestimmungen beschränkt haben, die in der Fälschung enthalten sind."
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Damit hatten wir unseren Standpunkt von 1922 bereits verlassen 161 ). Nun ist die Fälschung 1226 von Kaiser Friedrich II. bestätigt worden. Eben zu diesem Zwecke ließ Lübeck sie kurz vorher anfertigen, wie allgemein, auch von Rörig, angenommen wird. Und durch die Bestätigung soll ihr Inhalt, der in die Urkunde Friedrichs II. wörtlich übernommen ist, formale Rechtskraft erlangt haben. Wir bestreiten auch das. Denn die Bestätigung ist zweifellos in der Voraussetzung geschehen, daß die Vorlage echt sei; sie ist also erschlichen und deswegen rechtsungültig 162 ). Übrigens müßte die Urkunde von 1226, die in zwei Exemplaren vorhanden ist, von einem Kenner der Kanzlei Friedrichs II. geprüft werden, bevor ihre Echtheit als unbedingt feststehend zu gelten hat.
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Die praktische Auswirkung des Barbarossaprivilegs ist für Mecklenburg höchst schädlich gewesen. Immer wieder, die Jahrhunderte hindurch, hat Lübeck sich darauf berufen. Noch 1890, bei der Entscheidung des Prozesses um den Dassower See, die Pötenitzer Wiek und die Untertrave hat die Urkunde, deren Unechtheit damals noch nicht bekannt war, verhängnisvoll mitgewirkt. Wenn man in Mecklenburg findet, daß es an der Zeit sei, das Privileg aus dem Spiele zu lassen, so wird Lübeck sich hierüber nicht wundern dürfen.
Im Streite um die Travemünder Bucht freilich brauchte man eigentlich über die Fälschung gar nicht zu reden. Aber sie ist nun einmal zur Stützung der Lübecker Ansprüche herangezogen worden. Es handelt sich um folgende Stelle des Privilegs:
Insuper licebit ipsis civibus et eorum piscatoribus piscari per omnia a supradicta villa Odislo (Oldesloe) usque in mare preter septa (Fischwehren) comitis Adolfi sicut tempore ducis Heinrici facere consueverunt 163 ).
Danach wurde Lübeck keine Gebietshoheit auf dem Wasser, kein Fischereiregal verliehen, sondern nur die Fischereinutzung auf der Trave von Oldesloe bis zum Meere. Rörig 164 ) aber übersetzt die Worte usque in mare mit "bis ins Meer", in dem Sinne, daß ein Stück des Meeres inbegriffen sein solle. Darüber lasse der "festzustellende Sprachgebrauch" kaum einen Zweifel. Er verweist dabei auf eine Bestimmung in dem Freibriefe Kaiser Friedrichs II. für Lübeck von 1226, wonach an den Ufern der Trave bis zum Meere keine Befestigungen angelegt werden sollten. Da dies nur bis zur Mündung möglich sei, heiße es denn 1226 usque ad mare. Jedoch sind zwei Urkundenstellen noch kein hinreichendes Material, um einen Sprachgebrauch daraus zu ermitteln. Wir haben dem 1923 nur eine holsteinische Urkunde von 1329 entgegengestellt, worin usque in viermal in der Bedeutung von "bis zu" vorkommt 165 ). Rörig verlangt Beispiele aus der Reichskanzlei. Wir geben sie ihm in der Anlage IV, darunter zwei Urkunden Friedrichs I. 166 ). Auszüge aus Urkunden anderer Kanzleien haben
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wir hinzugefügt. Zweifellos ließen sich diese Beispiele sehr vermehren. Oft genug erscheint darin usque in mare = bis zum Meere. Daneben kommt usque ad (auch usque ad mare) viele Male vor, wie denn schon einige der Auszüge, die wir in der Anlage mitteilen, zeigen, daß der Gebrauch von usque in und usque ad in der gleichen Bedeutung durcheinander geht. Weil die Präposition in c. acce. nicht nur "in . . hinein" heißt, sondern auch "nach . . hin", findet sich usque im Sinne von "bis zu" oft bei Grenzbeschreibungen.
Feierlich fragt Rörig (II, S. 238), ob wir etwa leugnen wollten, "daß in dem Privileg Friedrichs II. von 1226 für die Bezeichnung Âbis ans Meer' ausdrücklich die Worte Âusque ad mare' gebraucht" seien. Als ob unser Einwurf damit getroffen wäre. Wie kann man das leugnen! Aber gerade dieses Privileg bietet ein Beispiel für die Anwendung von usque in und usque ad in der nämlichen Bedeutung 167 ). Ebenso - worauf bereits Ploen aufmerksam gemacht hat - das Barbarossaprivileg selbst, das wir hier aber nicht für die kaiserliche Kanzlei in Anspruch nehmen können, weil wir die betreffende Stelle für interpoliert halten 168 ). Jedenfalls unterscheidet sich die kaiserliche Kanzlei im Gebrauch der beiden Ausdrücke nicht von den übrigen Kanzleien. Es musste 1226 bei der Bestimmung über den Bau von Befestigungen durchaus nicht usque ad heißen. Eine pommersche Urkunde von 1294 verwendet bei derselben Gelegenheit usque in (Anl. IV, Nr. 5). Wir verweisen auch auf die brandenburgische Urkunde von 1313 (Nr.6) und die holsteinische von 1329 (Nr. 9)
Usque in mare in dem Barbarossaprivileg heißt: bis zum Meere, bis ans Meer. Das ist unsere Ansicht von vornherein gewesen. Wir haben 1922 und 1923 gesagt, daß die Stelle durch die Chronik des Arnold von Lübeck (gest. um 1213) gedeckt werde. Rörig führt das an 169 ). Aber gerade in den Worten der Chronik haben wir einen Beweis für die Richtigkeit unserer Auffassung
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erblickt. Arnold 170 ) berichtet von einem Streit zwischen dem Grafen Adolf von Holstein und Lübeck. Auch das Barbarossaprivileg geht zu Anfang von Streitigkeiten aus, die zwischen der Stadt und dem Grafen schwebten 171 ). Nach Arnold hatten die Lübecker sich geweigert, den Travemünder Zoll zu zahlen, dessen Erhebung unberechtigt sei 172 ). Darauf hatte der Graf ihnen ihre Nutzbarkeiten in seinem Lande genommen:
Ob hanc igitur contradictonem, quicquid commoditatis in suis terminis cives ante videbantur habere in fluviis , in pascuis, in silvis comes omnino abstulit.
Auf Vermittlung des Kaisers kauften dann die Lübecker sich von dem Zolle los, leisteten auch eine Geldzahlung für die Weidegerechtigkeit im Holsteinischen und erhielten ihre Nutzbarkeiten zurück:
et sic a mari usque Thodeslo (Oldesloe) libere fruerentur fluviis , pascuis, silvis . .
Hierüber empfingen sie ein Privileg des Kaisers 173 ), zu dessen Händen - nach der Barbarossaurkunde - Graf Adolf sich der strittigen usus et commoditates begeben hatte.
Also Flußnutzung war es, was den Lübeckern zugesprochen wurde, und zwar vom Meere, d. h. von der Travemündung an bis Oldesloe, eine Nutzung, die sie schon vorher gehabt hatten. Damit ist denn alles gesagt. Das Barbarossaprivileg bietet im Hinblick auf die Fischerei nicht mehr, als Arnold angibt 174 ). Natürlich aber deckt die Chronik das Privileg nur dem Sinne nicht dem Wortlaute nach. Ob in der echten Urkunde usque in oder usque ad gestanden hat, ist nicht mehr nachweisbar 175 ).
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Wir bleiben dabei, daß das Privileg aus Rörigs Beweisführung ausscheiden muß, und brauchten auf die Vermutungen, die er darüber anstellt, eigentlich nicht mehr einzugehen. In seinem ersten Aufsatz gibt er zwar zu, daß sich aus der Urkunde, die ja nur Fischereinutzung gewährt, ein Hoheitsrecht Lübecks auf der Travemünder Bucht nicht nachweisen lasse, sucht aber beides Hoheit und Privileg, trotzdem miteinander in Zusammenhang zu bringen 176 ). In dem neuen Gutachten (S. 238) behauptet er, daß wir "wieder selbst das Material" geliefert hätten, um unsere "eigenen Aufstellungen zu widerlegen". Er meint das Privileg des Fürsten Borwin für Rostock von 1252, in dem Seefischerei verliehen wurde (oben S. 11), und setzt es in Parallele zu der Barbarossaurkunde. "Sollte," so fragt er, "das angesehene Lübeck, das doch honestissima iura erhielt, schlechter dagestanden haben als das jüngere und bescheidenere Rostock?" Als ob man 1188 schon auf eine Verleihung habe Rücksicht nehmen können, die der damals überhaupt noch nicht gegründeten Stadt Rostock 64 Jahre später von ihrem Landesherrn gewährt wurde! Dann bringt Rörig eine Gegenüberstellung: Auf der einen Seite, im Hinblick auf Lübeck und die Trave, den Satz des Barbarossaprivilegs: piscari . . usque in mare, dazu eine Stelle aus der Lübecker Fischereiordnung von 1585, wonach die lübischen Fischer des Rates Strom, die Trave, befahren und "auch ferner hinaus bis in die wilde See, soweit sie kommen und ihre Hälse wagen wollen, jahraus und Tag für Tag die Fischerei" gebrauchen sollten; auf der anderen Seite, im Hinblick auf Rostock und die Warnow, die Stelle in dem Privileg von 1252, wonach Rostock Flußfischerei und, mit klaren Worten, Meeresfischerei verliehen wurde (a ponte aquatico proximo ecclesie sancti Petri, et sic per alveum fluminis Warnowe usque Warnemunde, necnon extra portum in marinis fluctibus eos tanto dotamus beneficio piscature, quantum 177 ) pre intemperie aeris audeant attemptare).
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Indessen sind die beiden Privilegien in dem entscheidenden Punkte nicht gleichzustellen, sondern sie weichen hier gerade voneinander ab. Die Übereinstimmung besteht nur darin, daß beide Städte Fischereirecht auf einer begrenzten Flußstrecke erhielten, Lübeck auf der Trave von Oldesloe bis zum Meere, Rostock auf der Unterwarnow vom Wassertore nächst der St. Petrikirche, also von der Stadt an bis zur Flußmündung. Dazu aber erhielt Rostock Meeresfischerei, und zwar ausdrücklich außerhalb des Hafens, der am alten Tief, östlich vom heutigen Warnemünder Hafen lag 178 ).
Erinnern wir uns, daß 71 Jahre später (1323) den Rostockern das Lehn der Meeresfischerei vom Fürsten Heinrich II. unter Anlehnung an den Wortlaut des Privilegs von 1252 und unter Festsetzung von Küstengrenzen erneuert wurde (oben S. 11, 13). Die Stelle in der Urkunde von 1323 lautet:
Insuper in marinis fluctibus inter Zarnestrom et Diderikeshagen eos tanto dotamus beneficio piscature, quantum pre intemperie aeris et corporis periculo audeant attemptare.
Die Flußfischerei wird diesmal nicht erwähnt. Warum ist nur von Seefischerei die Rede? Weil es sich darum handelte, ihren Bezirk zu bestimmen. In derselben Urkunde übertrug Fürst Heinrich den Rostockern das Dorf Warnemünde, dessen Küste also, die im Westen bis zur Diedrichshäger Grenze ging, fortan zum Stadtgebiete gehörte. Bisher hatte das Rostocker Gebiet am Meeresufer nur vom Stromgraben (Zarnestrom) in der Heide bis zum alten Tief gereicht. So war es seit dem Privileg von 1252 gewesen, weil darin die Rostocker Heide an die Stadt verkauft wurde. Diesen Verkauf bestätigte Fürst Heinrich 1323. Und entsprechend dem gleichzeitig durch die Überlassung von Warnemünde vergrößerten Küstenbesitz der Stadt gab er als Grenze des Seefischereibezirkes den Stromgraben (im Osten) und die Diedrichshäger Scheide (im Westen) an. Es handelte sich um die Strandfischerei, die Rostock noch 1674 eifersüchtig an seiner Küste hütete (oben S. 77 f.). Auch 1252 kann nichts anderes gemeint sein als der Fischfang am Strande, für den damals noch keine bestimmte Uferstrecke angegeben wurde. Seewärts findet sich weder 1252 noch 1323 eine Grenze bezeichnet. Aber es war ja auch die Scheide zwischen Strand und herrenloser See schwer zu ziehen, und man wird unter Strandfischerei den Fischfang in der Nähe der Küste
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verstanden haben 179 ). Darum wohl wählte man in beiden Privilegien eine Umschrteibung: soweit die Fischer den Unbilden des Wetters Trotz zu bieten wagten. In der herrenlosen See stand der Fang ja ohnehin jedermann frei. Auch in den übrigen mittelalterlichen Urkunden über Meeresfischerei, die wir in Teil I angeführt haben, ist nirgends von einer Fischereigrenze seewärts die Rede.
In der Lübecker Fischereiverordnung, meint Rörig, erinnere "der altertümlich anmutende Wortlaut deutlich an die Rostocker Urkunde" von 1252. Wir finden nicht, daß der Wortlaut für das Jahr 1585 altertümlich anmutet, wissen auch nicht, was damit bewiesen werden könnte, daß er zufällig an das Rostocker Privileg erinnert. Ein tatsächlicher Zusammenhang ist doch gar nicht anzunehmen. Und warum sollte der Lübecker Rat seine Fischer nicht verpflichten, außer auf der Trave auch in der See zu fischen? Das konnte um so eher geschehen, als die Lübecker am holsteinischen Strande seit 1252 privilegiert waren (oben S. 23) und man ihnen auch an der mecklenburgischen Küste keine Schwierigkeiten machte. Kann man aus der Stelle der Fischereiordnung etwas schließen, so ist es dies, daß man in Lübeck zwischen "eines erbarn Rats Strom", der Trave, und der See wohl zu unterscheiden wußte.
"Wenn nun," fährt Rörig fort, "die beneficio (!) piscature in Rostock von einem bestimmten Punkte des Warnowlaufs usque in marinis fluctibus (!), soweit die Fischer ihre Hälse wagen wollen, auf eine einheitliche Verleihung zurückgeht, so sind wir berechtigt, die wesentlich knapper gehaltene Urkundenstelle für Lübeck von 1188 einmal mit der auf ähnlichen Voraussetzungen beruhenden Rostocker Verleihung, sodann mit Zeugnissen der späteren Rechtsentwicklung Lübecks in Vergleich zu setzen." Wo aber steht in der Rostocker Urkunde etwas von usque in marinos fluctus? Das Privileg unterscheidet ganz scharf zwischen Warnowfischerei (usque Warnemunde) und Seefischerei (extra portum in marinis fluctibus). In dem von 1323 wird überhaupt nur Seefischerei verliehen. Dieses Privileg darf hier nicht unberücksichtigt bleiben, denn es beweist gerade, daß der Landesherr über Seefischerei verfügte und sie für Rostock nicht "nur insoweit" legalisieren konnte, "als man das in Betracht kommende Gewässer seewärts vom Warnemünder Hafen als Zubehör zur Warnow behandelte". Diese Konstruktion eines Zubehörs zur
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Warnow durch Rörig 180 ) hat ihre Wurzel darin, daß er ein Küstengewässer für jene Zeit nicht gelten läßt. Aber gerade das Küstengewässer, der Strand war gemeint.
Die "Parallele mit Rostock", durch die das Barbarossaprivileg im Hinblick auf das usque in mare "noch größere Bedeutung" gewonnen haben soll, besteht überhaupt nicht. Wo sollte der Kaiser auch Meeresfischerei verliehen haben? Der Strand gehörte zu jener Zeit sicher schon den anliegenden Territorialherren. Und auf dem herrenlosen Meer war das Fischen jedermann erlaubt. Wo sind Beispiele einer Verleihung von Seefischerei an der deutschon Küste durch den Kaiser?
Rörig möchte annehmen, daß die Barbarossa-Urkunde in der Fischereigerechtigkeit nur eines der von Lübeck bereits tatsächlich wahrgenommenen Rechte anerkannte. Der Nachweis des Vorhandenseins weiterer Rechte sei allerdings nicht durch das Privileg, sondern durch die Prüfung des Besitzstandes zu führen. "Wenn also das Privileg auch nicht im Sinne einer unmittelbaren Begründung der Hoheit auf der Trave von Oldesloe bis einschließlich des Reedegebiets zu verwerten" sei, so neige er "jetzt der Vermutung zu, daß der wirkliche Rechtszustand um 1188 auf Trave und Reedegebiet über das im Privileg allein erwähnte Fischereirecht hinausging." Das müsse "der Natur der Sache nach problematisch bleiben". Also lohnt es sich auch nicht, auf diese Vermutung einzugehen, für die sich gar keine Anhaltspunkte ergeben. Wo ist denn auch nur der Schatten eines Beweises für eine Lübecker Reede auf der Travemünder Bucht um 1188?
Als Quellenzeugnis, fährt Rörig fort, habe er die Stelle des Privilegs ja nur für den Zusammenhang von Trave und Reede verwendet. Das halte er aufrecht. Indessen glauben wir die Unmöglichkeit dieser Verwendung nachgewiesen zu haben. Was soll man sich überhaupt unter einem solchen "Zusammenhang" vorstellen, wenn die "rechtliche Einheit" nicht gemeint ist? 181 )
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Auch die spätere Entwicklung gibt Lübeck keinen Anspruch auf Gebietshoheit am mecklenburgischen Ufer der Bucht.
Nach Rörig hätte sich solche Lübecker Hoheit auf der "Reede" im Anschlusse an den wirtschaftlichen Betrieb, Schiffahrt, Fischerei, entwickelt. Er unterscheidet dabei zwischen dem, was eigentlich die Reede ist, nämlich der Reede im nautischen Sinne, also dem Ankerplatze, und einer Reede im weiteren Sinne, die das gesamte Buchtgewässer (bis ans Ufer) und mehr noch umfassen soll.
Auf die Lübecker Fischerei, in der Rörig eine Betätigung der Gebietshoheit erblickt, werden wir später eingeben. Für die Schiffahrt kommt in Frage das Fahrwasser und die Reede (im nautischen Sinne). Das Fahrwasser, soweit es durch Seezeichen festgelegt ist, nähert sich mehr der heutigen Lübecker Buchtküste und wird von Mecklenburg gar nicht in Anspruch genommen. Durch Maß-
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nahmen auf dem Fahrwasser werden also mecklenburgische Rechte nicht betroffen, weil diese Maßnahmen nicht auf die Wasserfläche übergreifen, die als mecklenburgischer Buchtanteil gelten muß. Seit wann aber gab es eine Reede und wo lag sie?
Ein Hafen zu Travemünde ist zuerst 1226 nachweisbar 182 ). Er lag wie noch heute binnen der Travemündung 183 ). Daß es gleichzeitig schon einen Reedebetrieb auf der See gab, ist unwahrscheinlich; denn bei der Kleinheit der Fahrzeuge, die im Lübecker Schiffsverkehr eben dieser Zeit erscheinen 184 ), konnten ungünstige Tiefenverhältnisse des Fahrwassers noch keine Rolle spielen. Hundert Jahre später war es vielleicht schon anders. Denn wenn auch überhaupt im Mittelalter die kleinen Schiffe im Lübecker Verkehr vorgeherrscht haben 185 ) und obwohl eine Travemünder Reede erst seit dem 15. Jahrhundert erwähnt wird 186 ), so dürfte es doch schon um 1329 vorgekommen sein, daß Schiffe auf der Bucht ankerten. Hiermit scheint uns eine Bestimmung der Urkunde, worin Graf Johann von Holstein den Lübeckern Travemünde verkaufte (1329), im Zusammenhange zu stehen; es sollte nämlich zu Travemünde ein Gebietsstreifen von 10 Ruten Breite gehören, der sich am Meere entlang bis zur Brodtener Grenze hinzog und das hohe
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Ufer mit umfaßte 187 ). Wir möchten glauben, daß das Gewässer vor diesem Streifen als Reede benutzt wurde und daß es Lübeck darauf ankam, das Ufer dieser Reede zu besitzen, hauptsächlich wohl wegen des Strandrechtes bei Schiffsunfällen. Jedenfalls ist sicher, daß die Reede hier, dicht vor der Travemündung nach der westlichen Buchtküste zu, vielleicht auch noch gegenüber dem Priwall, nicht aber nach der mecklenburgischen Seite hin, jahrhundertelang gelegen hat. So war es 1547, im 17. Jahrhundert und noch 1792 188 ). Diese alte Reede muß ungefähr bis zum Möwenstein am Westufer gereicht haben. Das haben wir schon 1923 vermutet. Es läßt sich allerdings nicht aus dem Fischereivergleich von 1610 erschließen, den Rörig jetzt vollständig abge-
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druckt hat 189 ), aber wenn die Lübecker Wettebehörde 1823 von einer etwa beim Möwensteine anfangenden Außenreede sprach 190 ), so muß die Binnenreede, worunter doch wohl die alte nautische Reede zu verstehen ist, sich etwa bis zum Möwenstein erstreckt haben.
Alles, was auf dieser alten nautischen Reede geschah, was Lübeck dort an Maßregeln ergriffen haben mag, geht Mecklenburg nichts an, weil dieser Buchtteil von ihm nicht beansprucht wird, auch auf Grund des Küstenbesitzes nicht beansprucht werden kann.
Die Reede im weiteren Sinne, d. h. eine über die Bucht noch hinausreichende Wasserfläche, hätte nach Rörig 191 ) zu den "Strömen" der Stadt Lübeck gehört und mit ihnen eine rechtliche Einheit gebildet. Der Ausdruck "Strom" sei im 16. und 17. Jahrhundert bevorzugt worden. 1616 erscheine das Wort "Reede" zum ersten Male im weiteren Sinne zur Bezeichnung des ganzen Gewässers bis zum Ufer. Dann finde sich die Doppelbezeichnung "Reede und Strom" (1658), schließlich, im 18. Jahrhundert, werde der Ausdruck "Reede" allein angewendet.
Dabei vertritt Rörig die Meinung, "Strom" bedeute ein Hoheitsgewässer. Das ist zwar nicht der Fall 192 ), ist aber schließlich
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einerlei, weil es nicht auf die Bezeichnungen für die Wasserfläche ankommt, sondern auf den Lübecker Anspruch, der sich ja ohnehin in den Quellen kenntlich macht (1616, 1658). Wenn aber Rörig (I, S. 26) sagt: "Durch ihren Charakter als Strom, d. h. als öffentliches, der Gebietshoheit Lübecks unterworfenes Gewässer, ist die juristische Einheit von Reede und Binnentrave gegeben," so muß es statt dessen heißen: Indem Lübeck die ganze Travemünder Bucht für seinen Strom ausgab, erhob es eine Forderung, die von mecklenburgischer Seite bestritten wurde.
1455 verwahrte sich der Wismarer Rat in einem Schreiben an Lübeck gegen den Vorwurf, daß er ein Schiff von der Travemünder Reede 193 ) als feindliches Gut zu Unrecht habe wegnehmen lassen. Lübecker Ratssendeboten hatten die Rückführung des Schiffes verlangt, doch war mit ihnen vereinbart worden, daß die Eigentümer von Fahrzeug und Ladung in Wismar Beweise dafür vorlegen sollten, daß es sich nicht um feindliches Gut handele. Bis dahin hielt Wismar an der Beschlagnahme fest. Es erklärte sich bereit, seine Tat dem Urteil der Hansestädte zu unterwerfen. Ist hiernach anzunehmen, daß Wismar eine Gebietshoheit und Jurisdiktion Lübecks auf der Reede anerkannte?
1516 beschwerten sich die Herzöge Heinrich und Albrecht von Mecklenburg beim Lübecker Rate über den Travemünder Vogt. Sie hätten Nachricht, daß zwei Schuten gestrandet seien, eine am Priwall, die andere bei Rosenhagen, und daß der Vogt "trotziglich zugefaren" sei und die Bergung vorgenommen habe, "alles ungezweifelt on euern Wißen und Willen". Die Herzöge forderten die Rücksendung der gestrandeten Güter und verbaten sich solche Eingriffe "in unserer furstlicken Oberkeit". Der Rat erwiderte, daß nach seiner Erkundigung beide Schuten "up unser Stadt Stromen und Gebede" Schiffbruch erlitten hätten, die eine hart am Hafenbollwerk und dem Priwall, die andere jenseit des Bollwerks auf der Reede. Dann ging der Rat dazu über, Lübecks Recht auf den Priwall zu erörtern. Die Herzöge faßten das zum mindesten sehr mißverständliche Schreiben so auf, daß beide Schiffe am Priwall gescheitert sein sollten, und bestritten dies 194 ). Auf den Gedanken, daß Lübeck das Gewässer vor Rosenhagen zu seiner Reede rechnen könne, ist man in Mecklenburg überhaupt nicht verfallen. Es läßt sich ja auch der Rosenhäger Strand, der von
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der Travemündung etwa 3 km entfernt ist, nicht gut als jenseit des Bollwerks gelegen bezeichnen. Weil aber gar kein Zweifel darüber aufkommen konnte, ob ein Schiff vor Rosenhagen oder vor dem Priwall gestrandet sei, die beide nicht aneinander grenzen, sondern durch das Pötenitzer Gebiet getrennt werden, so lagen die Dinge offenbar so, daß Lübeck seinen Vogt decken wollte und den Strandungsort der zweiten Schute absichtlich unbestimmt angab.
Ernstlich war ja auch das mecklenburgische Strandregal gar nicht in Zweifel zu ziehen. Konflikte wegen des Schiffsbergerechtes aber mögen noch häufiger vorgekommen sein, als die Quellen erkennen lassen. Und die Gefahr solcher Konflikte lag in der Travemünder Bucht besonders nahe, weil jede Strandung, die hier geschah, sofort in Travemünde bekannt werden mußte und die Verlockung groß war, Schiff und Gut schnell in Sicherheit zu bringen, bevor die herzoglichen Beamten imstande waren, einzugreifen. Überdies konnten sich die Lübecker auf das Strandrechtsprivileg des Herzogs Albrecht II. von 1351 berufen, das ihnen die selbständige Bergung bei Schiffbrüchen an der mecklenburgischen Küste erlaubte 195 ). Allerdings wollten die Herzöge später solche Freiheiten nicht mehr anerkennen 196 ). Die erbitterten Streitigkeiten mit Magnus II. lagen ja 1516, zur Zeit der Beschwerde über den Travemünder Vogt, noch nicht sehr lange zurück.
Man muß sich diese Verhältnisse vor Augen halten, wenn man die von Rörig angezogene Aussage des Zöllners vor dem Holstentor Hans Tydemann und eines anderen Zeugen, eines Bürgers zu Travemünde, von 1547 beurteilen will, wonach der Lübecker Rat von jeher über Strom und Strand von der Reede bis zur Harkenbeck zu gebieten gehabt habe 197 ). Vernommen wurden die Zeugen (es waren im ganzen acht) darüber, ob Lübeck das Strandrecht am Priwall zustehe. Gegen die Aussage erhebt sich zunächst das Bedenken, daß in ihr zwischen dem Strand am Priwall, wo Lübeck sich das feste Land zuschrieb, und dem Strande von da bis zur Harkenbeck kein Unterschied gemacht wurde. Selbstverständlich aber konnte Lübeck das Strandrecht bis zur Harkenbeck nicht besitzen. Insofern widerspricht der Aussage denn auch das eigene Verhalten des Lübecker Rates, der noch im 17. Jahrhundert das mecklenburgische Strand-
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regal am Buchtufer nordöstlich vom Priwall nicht bestritten, sondern sich nur gegen die Auswüchse des Bergerechtes verwahrt hat.
Die Aussage samt der darin enthaltenen Bezeichnung der Harkenbeck als einer Grenze erklärt sich aus zweierlei: aus den Meinungsverschiedenheiten wegen des Bergerechtes und aus dem Lübecker Fischereibetrieb am mecklenburgischen Ufer. Diese Fischerei war nichts weiter als eine hergebrachte Nutzung 198 ). Soweit sie Buchtfischerei war, die gewiß als besonders ergiebig betrachtet wurde und wegen der Nähe der Trave unter besonders günstigen Bedingungen ausgeübt werden konnte, endete sie an der Harkenbeckmündung. Zwar ist die älteste Lübecker Fischereiverordnung, die Rörig anführt und in der die Harkenbeck als Fischereigrenze erscheint, erst von 1585, aber es wird in ihr eine frühere Verordnung von 1557 erwähnt, die in Travemünde ausgehängt war, und die Annahme, daß solche Regelungen der Fischerei schon vor der Zeugenaussage von 1547 vorgenommen waren, hat viel Wahrscheinlichkeit für sich. Mehr als eine interne Lübecker Fischereigrenze, und zwar eine von mehreren, ist die Harkenbeckmündung nie gewesen. Allein schon aus dieser Nutzung der Buchtfischerei an der mecklenburgischen Küste bis zur Harkenbeck konnte die irrige Annahme entstehen, daß Lübeck dort die Gebietshoheit habe. Beispiele für solche Verwechselung von Nutzung und Gebietshoheit haben wir oben S. 64 f. angeführt. Zieht man ferner in Betracht, daß an dieser selben Küstenstrecke Übergriffe Lübecks in das mecklenburgische Bergerecht vorgekommen waren - wie der Fall von 1516 lehrt, der vermutlich nicht der einzige geblieben ist-, so wird die Aussage vollends begreiflich. Vielleicht ist gar der Zöllner Tydemann, der früher als Vogt in Travemünde gewirkt hatte, eben der Beamte gewesen, über dessen "trotzigliches Zufahren" die Herzöge sich 1516 beklagt haben. Vom quellenkritischen wie vom juristischen Standpunkte aus ist es unmöglich, die Aussage als einen Beweis für die Lübecker Gebietshoheit zu werten. Mecklenburgische Zeugen und die mecklenburgischen Kommissare in dem Fischreusenstreit von 1616 haben genau das Gegenteil erklärt. Und die Rechtsanschauungen jener Zeit über Strand und Strom des Meeres, wie wir sie im ersten Berichtsteile dargelegt haben, entscheiden vollkommen für Mecklenburg und gegen Lübeck.
Es lassen sich denn auch genügend Fälle nachweisen, in denen das Amt Grevesmühlen (Santow) das Strandrecht an der Strecke
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bis zur Harkenbeck ausübte. Im Archivbericht vom 12. Mai 1922 199 ) haben wir Zeugenaussagen zusammengestellt, die bei Gelegenheit des Fischreusenstreites von 1616 über Bergungen durch das Amt gemacht wurden, und einige weitere Fälle aus den Strandrechtsakten hinzugefügt. Rörig (II, S. 267 f.) verwertet diese Angaben, indem er sagt: "Sind die Fahrzeuge am Mecklenburger Strande Âangeschlagen', so daß vom Strand aus die Bergearbeiten vollzogen werden konnten, dann ist den Mecklenburger Beamten ein Bergegeld zu zahlen. Strandet aber, wie 1665, eine lübische Schute Âfast kegen Travemünde über unter Pötenitze' und liegt sie zu weit vom Lande entfernt, so berichtet der Santower Amtmann: es sei nicht möglich gewesen, sie zu bergen und die mecklenburgische Strandgerechtigkeit zu wahren. Sie sei dann von Travemünde aus gelöscht und geborgen worden." 200 ). Nun bezieht sich aber das aus dem Zeugenprotokoll von 1616 zitierte Wort "angeschlagen" nur auf Holz, das von einem etwa 1596 "uf der Reide zu Travemunde" gesunkenen Prahm weggeschwemmt war, und auf eine um 1604 bei Rosenhagen angetriebene Leiche. Überhaupt verwendet das Protokoll meistens den Ausdruck "stranden", mit dem "anschlagen" gleichbedeutend ist. Güter, die aus verunglückten Schiffen stammten, sind gewiß häufig auf den trockenen Strand oder dicht ans Ufer geworfen worden. Wie weit vom Lande aber die Fahrzeuge gelegen hatten, die von den Zeugen 1616 erwähnt wurden - darunter zwei Schuten, die über 30 Jahre früher am Harkenseer (Rosenhäger) Felde gestrandet waren -, läßt das Vernehmungsprotokoll gar nicht erkennen. Eine Ausnahme macht höchstens ein großer, am Priwall gescheiterter Spanienfahrer; das Holz dieses Schiffes war zerschlagen und verkauft worden, der Kiel bei niedrigem Wasser noch zu sehen. Auch sonst ergibt sich aus den Aussagen, daß die mecklenburgischen Beamten das Bergerecht am Priwall ausgeübt hatten. Wenn dort Schiffe oder Waren strandeten, erhoben sich aber für gewöhnlich Streitigkeiten mit Lübeck, und zwar Streitigkeiten gebietsrechtlicher Art, weil beide Parteien den Priwall beanspruchten, auf den Mecklenburg erst 1803 verzichtete, als es infolge des Reichsdeputationshauptschlusses die Lübecker Hospitaldörfer im Lande erhielt. Östlich vom Priwall war das Bergerecht nur deswegen
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strittig, weil die Städte es als nutzbringendes Regal überhaupt nicht anerkannten, weder an der mecklenburgischen Küste noch anderswo.
Den Fall von Pötenitz im Jahre 1665 haben wir in der Anlage III, Nr. 2, wiedergegeben. Daß Rörigs daraus geschöpfte Meinung über die räumliche Begrenzung des Strandrechts nicht richtig ist, zeigt deutlich eine Vergleichung mit dem Strandungsfall von 1662 (Nr. 1 der Anlage). Man hatte eben auf mecklenburgischer Seite keine geeigneten Boote zur Hand, höchstens kleine Fischerboote, die bei Sturm nicht brauchbar waren, wie 1728 erklärt wurde (oben S. 41). Auch 1762 hat niemand gewagt, an ein bei Arendsee gescheitertes Schiff heranzufahren (Anl. III, Nr. 4).
Außer über die beiden schon erwähnten Schuten, die um 1585 Schiffbruch erlitten, wurde das mecklenburgische Strandrecht an der Strecke vom Priwall bis zur Harkenbeck 1658 über ein Fahrzeug ausgeübt, das ebenfalls vor Rosenhagen aufgelaufen war 201 ).
Aus den Akten über einen Fall von 1660 will Rörig (II, S. 266) nehmen, daß das Strandrecht nur in Kraft getreten sei, wenn man an die gescheiterten Schiffe habe heranreiten können. Es ist dies das einzige Zeugnis für die von ihm angenommene Reitgrenze 202 ), das er aus dem Lübecker Archiv vorgebracht hat. Aber er hat seine Quelle mißverstanden. Nach der uns erteilten Abschrift des betreffenden Aktenstückes handelt es sich um einen Bericht aus Travemünde, den ein Hinrich Schulte, in dem wir den Travemünder Vogt zu erblicken haben werden, dem Lübecker Rat am 20. November 1660 erstattete. Der Bericht geht auf einige damals geschehene Strandungsfälle ein und handelt besonders von zwei in der Bucht vor Rosenhagen gesunkenen Schiffen. Am Tage vorher seien Segel und "Tregge" (wohl Tauwerk) von den Schiffen "anhero" (d. h. nach Travemünde) geholt worden. Der Herzog von Mecklenburg 203 ) habe zwei Einspänner, nach heutigem Begriff berittene Gensdarmen, geschickt, um zu fragen, warum man ihm Gewalt antue und von den Schiffen, die auf herzoglichem "Grunt und Bodden" lägen, etwas abhole. Der
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Vogt hatte erwidert, daß im Gegenteil die Mecklenburger Gewalt geübt hätten, durch Wegnahme gestrandeter Branntweinfässer, was "wyder Gott und alle Landesrechten" sei.
"Ja, wen man in Barbarien queme, kunte kenen Christen ken Argers wyderforen. Wat den Schypen anlanget, sytten up 3 Faden (5,4 Meter) Water gesuncken, dat Holt is darinne leyder Gottes vorwedert, mit einen Perde kan man dar ock nicht by ryden, wat afthohallen (abzuholen). De Schipers befinden syck mit ihren Folckeren tho Schepe, bergen ihre Sygel (Segel) und Tregge, worzu wir ihnen von hyr af christlicher Lybbe nach ihren Begeren mydt sehfarende Lutte (Leute) werden und musen (müssen) behulplich syn. Den (denn) Ruters (Reiter) und Buren (Bauern) werden up den Schiffen nichtes nutze, de werden man vor dodde Lute (also als überflüssig) up den Schifen angenahmen, worup de beiden Einspenner wyder ihren Wech gereyset, sagende, I. F. G. wurden hutte ock sych by den Schiffen fynden lasen." 204 ).
Von einer Strandgrenze ist hier gar nicht die Rede, sondern der Vogt wollte sagen: Die Schiffe liegen in einer Tiefe von drei Faden. Zur Bergung braucht man Boote und sachverständige Seeleute. Wollt ihr etwa mit Euren Pferden (auf denen ja die beiden Einspänner gekommen waren) die Bergung vornehmen? Reiter und Bauern sind dabei nichts nutze.
Hierzu stimmt denn auch das im Schweriner Archiv vorhandene Protokoll vom 20. November über die Untersuchung der Strandungsfälle durch den Herzog selbst. Es heißt darin: "Weiter hin," (hinter einem nahe am Lande liegenden Boote) "etwan ein groß Mousqueten-Schuß, lagen 2 große tieffahrende Schiffe, welche von dem Wind zerschlagen und in Sand gesetzet worden. Sie seynt zwar zimlich weit in dem Wasser gestrandet, sie scheinen aber noch auf dem Uffer und Strande zu liegen, und kann man nicht alß mit Kahnen oder Boten, deren aber keines vorhanden gewesen, zu ihnen kommen." Man hatte also auf mecklenburgischer Seite in der Tat keine Boote zur Stelle.
Auf eine Beschwerde des Herzogs antwortete Lübeck am 23. November 1660. Diesem Schreiben entnehmen wir das folgende:
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"Ob nun wohl den 16. dieses abermahl Schiffe im großen Sturmwinde zu Unglück kommen und nicht auf dem unsern" (d. h. nicht am Priwall) "angetrieben, sondern an Seiten E. F. Durchl. Lande beschädiget, so sind sie doch nicht an den Strandt kommen, sondern drey Klafter tief in See geblieben. Und die Böete und Gütter, so den Strandt berühret, sind billig loß gegeben 205 ), also daß keine Strandtgerechtigkeit mag praetendiret werden, sondern E. F. Durchl. ist bekannt, das für dergleichen Gütter nichts als ein billiges Barggeldt oder Arbeitslohn an diejenige, so die Gütter bergen helfen, darf abgestattet werden, und die Obrigkeit deß Orths sich nicht darbey zu interponiren hat." Folgt diesmal eine Berufung auf Cod. 11, 5: De naufragiis.
Also wieder wies Lübeck, wie so oft, darauf hin, daß das Strandrecht als nutzbares Regal nicht ausgeübt werden dürfe. Warum aber sagte es nicht einfach: Nur soweit steht euch der Strand zu, als ihr hineinreiten könnt? Einfach deswegen, weil es solche landesherrliche Strandgrenze nicht gab. Dagegen machte der Rat darauf aufmerksam, daß die Schiffe in einer Tiefe von 3 Klaftern oder Faden (5,4 m) geblieben seien. Solche Tiefe gehörte denn auch nicht mehr zum Strande, sondern schon zum schiffbaren Meer. Ist die Angabe Lübecks richtig, so waren die Schiffe eben nicht aufgelaufen, sondern gesunken. Diesen Ausdruck gebrauchte ja auch der Travemünder Vogt. Wie wir sahen, hatte man auf mecklenburgischer Seite selber Zweifel gehabt, ob das Strandrecht in Kraft trete. Und daß der Herzog hernach eine Hundert-Meilen-Grenze geltend machte, die in der völkerrechtlichen Theorie der Zeit eine Rolle spielte 206 ), war unhaltbar, weil sie mit dem praktischen Rechte nichts zu tun hatte.
Es steht also für 1660 durchaus nicht, wie Rörig meint, "fest, daß Lübeck einen Strandrechtsfall im Rahmen der mecklenburgi-
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schen Kompetenz nur anerkannte, wenn das gestrandete Schiff vom Ufer her reitend erreicht und die Ladung auf diese Weise, nicht mit Booten, geborgen werden konnte." Sondern wenn aus dem Fall von 1660 auf eine Strandgrenze geschlossen werden kann, so ist es gewiß die bis zum schiffbaren Strom. Wir besitzen manches Schreiben Lübecks über Strandrecht und Strandungen, in der Travemünder Bucht sowohl wie anderswo an der Küste, haben aber nie das mindeste über eine Reitgrenze darin gefunden, weder in Lübecker Briefen noch in denen anderer Städte. Und daß man in der Tat mit Booten an gescheiterte Schiffe heranfuhr, um das Bergerecht auszuüben, geht aus den oben S. 39, 41 ff. und in der Anlage III beigebrachten Beispielen hervor. Auch 1660 würde man sich auf mecklenburgischer Seite der Boote bedient haben, wenn welche zur Verfügung gestanden hätten. Das lehrt ja das erwähnte Protokoll vom 20. November. Wie sollte man auch anders verfahren? "Reitend" war niemand imstande zu bergen. Höchstens konnte man Wagen benutzen, wenn ein Schiff nahe genug am Ufer lag.
Es ist gar nicht so, daß der Fall von 1660 Gelegenheit "zur Erörterung der Abgrenzung der gegenseitigen Hoheitssphären" gab; denn es handelte sich ganz allein um die Reichweite des mecklenburgischen Strandregals. Nach Rörig hätten beide Parteien in dem sich anschließenden Briefwechsel ihren alten Standpunkt verlassen. Das kann man aber nur von dem Herzoge sagen, weil er die Hundert-Meilen-Grenze ins Feld führte, während Lübeck nur die Rechtsanschauung betonte, die seit Jahrhunderten von den Städten verfochten wurde. Hervorzuheben aber ist, daß der Lübecker Rat erklärte, die Schiffe seien "nicht auf dem unsern" angetrieben; denn wenn auch hiermit ein Gegensatz zwischen dem Priwall und der mecklenburgischen Küste bezeichnet werden sollte, so hätte doch der Rat diese Wendung kaum gebrauchen können, wenn er sich damals dem Herzoge gegenüber die Gebietshoheit auf der Bucht, wo die Schiffe lagen, hätte zuschreiben wollen.
Den mecklenburgischen Anspruch auf die Hundert-Meilen-Zone mochte der Lübecker Rat getrost "ignorieren". Wenn er aber, wie Rörig angibt, gleichzeitig beschloß, dem Herzoge "höchstens gelegentlich einmal ein kaiserliches Mandat zu übersenden", so würde ein solches Mandat gewiß nicht das Strandregal überhaupt geleugnet, sondern eben nur daran erinnert haben, daß die rücksichtslose Ausübung des Bergerechtes durch Reichsgesetze untersagt sei.
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Daß der Strand, gerade auch in der Travemünder Bucht, sich bis zur schiffbaren See erstreckte, haben 1616 bei dem Fischreusenstreit mit Lübeck die mecklenburgischen Kommissare sowohl wie die elf von ihnen vernommenen Zeugen erklärt 207 ). Wir verweisen noch auf eine Nachricht von 1792. Damals war ein Schiff dicht vor Travemünde auf der Reede gekentert, nicht gestrandet. Der mecklenburgische Strandreiter gab zu Protokoll, es "läge unter den auf der Rheede liegenden Schiffen, wohl 400 Schritte vom Lande innerhalb der Tonne, oder von hier zu rechnen, jenseit der Tonne, so daß zwischen dem Ufer und dem Schiffe die Tonne deutlich zu sehen wäre". Bezeichnenderweise forschte der Grevesmühlener Amtmann noch einmal nach, "ob er seiner Sache gewiß wäre, daß das Schiff über die Tonne hinaus läge". Denn jenseit der Tonne war kein Strand mehr, sondern Fahrwasser. Und als der Strandreiter bei seiner Aussage blieb, so galt damit als bewiesen, daß das Strandrecht nicht in Frage komme. Auch der Travemünder Hafenhauptmann hatte (nach Angabe des Strandreiters) "geäußert, daß, da das Schiff innerhalb der Tonne auf dem Lübschen Fahrwasser läge, das Amt (Grevesmühlen) daran keine Ansprache machen könne" 208 ).
Es ist also gar kein Zweifel, daß Mecklenburg sein Strandrecht in der Travemünder Bucht bis zum tiefen Meeresstrom oder der "Düpe" (oben S. 68) vertreten hat.
Nun aber beruft sich Rörig auf Lübecker Hoheitshandlungen, die unmittelbar vor der mecklenburgischen Küste vorgenommen seien. Wir gehen hier ein auf das Fahrrecht, die gerichtliche Leichenschau bei unnatürlichen Todesfällen. Nach Rörig 209 ) ließen die Lübecker 1615, 1792 und 1799 den mecklenburgischen Strand vor Rosenhagen nach Ertrunkenen absuchen und die Leichen nach Travemünde schaffen; 1804 sei das Suchen nach einem Verunglückten ergebnislos geblieben.
Über den Fall von 1615 besitzen auch wir Akten 210 ). Weil Rörig sich auf ihn besonders beruft, müssen wir näher darauf eingehen. Ein Schneider Hans Dechow aus Harkensee fing am Rosenhäger Strande zusammen mit der Tochter des Harkenseer Bauern Veldtmann Krabben. Dabei sah er eine Leiche im Wasser treiben, holte sie weiter ans Ufer und band sie an zwei großen Steinen fest. Am übernächsten Tage stellte sich heraus, daß die Lübecker
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frühmorgens den Leichnam abgeholt hatten. Dann erfuhr der Gutsherr von Harkensee und Rosenhagen, Jürgen von Bülow, der verreist gewesen war, nach seiner Rückkehr von dem Vorfall, erstattete alsbald dem Hauptmann des Amtes Grevesmühlen Meldung, und auf dessen Bericht hin beschwerte sich der Herzog Adolf Friedrich beim Lübecker Rate wegen Verletzung seiner Strandgerechtigkeit.
Der Rat ließ den Travemünder Vogt, der die Abholung der Leiche angeordnet hatte, und seinen Beauftragten vernehmen. Der Vogt sagte aus, es sei ihm von dem Bauern Veldtmann aus Harkensee angezeigt worden, daß ein toter Körper in der See treibe. In der Vermutung, daß es sich um einen kurz vorher bei Travemünde ertrunkenen Lübecker Schiffskoch handele, habe er Befehl gegeben, die Leiche zu holen, wenn sie in der See treibend vorgefunden würde. Sein Beauftragter bestätigte dies; er habe den Toten nach Travemünde bringen sollen, "darmit er konte begraben werden, dieweil er lubscher Burger gewesen", und als er mit seinem Kahn "dißeit der Fischzuge, da die lübischen Fischer ihre Heringsnetze auszuwerfen pflegen", angekommen sei, habe er die Leiche im Meere treiben sehen und mitgenommen.
Das Protokoll hierüber schickte der Lübecker Rat an den Herzog. Jedoch war ihm bei der Angelegenheit augenscheinlich nicht wohl zumute, wie der beschwichtigende Ton des Begleitschreibens erkennen läßt: Da es sich nach den Travemünder Aussagen anders verhalte, als dem Herzoge berichtet sei, "so werden doch E. F. G. uns verhoffentlich nicht vordencken, insonderheit weil des Bülowen Leute unserm Voigt selber angetzeiget, das der Cörper in der Sehe triebe, des Vogts Diener ihn auch loßtreiben und nirgend angebunden gefunden, das derselbe beschehener Maßen zur Erde bestetiget (bestattet) worden. Und pitten demnach E. F. G. wir dienstlich, Sie wollen diß Werck nicht anderß alß im besten, wie es gemeinet, gnediglich aufnehmen".
Hierauf wurde in Harkensee ebenfalls ein Zeugenverhör veranstaltet. Dabei gab der Schneider Dechow an, er habe die Leiche im etwa knietiefen Wasser, wo sie grundrührig gewesen sei, befestigt. Die übrigen Zeugen wußten nur von Hörensagen, daß Dechow den Toten näher ans Land geholt und festgebunden habe. Auf Grund dieser Angaben bestritt der Herzog die Lübecker Erklärungen und verlangte abermals, "ihr wollet nicht allein die Theter mit gebührlicher Straff belegen, sondern auch euch gegen unß reversieren, das unß dieser actus an unser der Orther
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habenden unstreitigen Hoch- und Strandtgerechtigkeit unvorfengklich sein soll".
Vielleicht hatte die Leiche sich von den Steinen gelöst und war dann wieder weggespült worden. So könnte sich der Widerspruch zwischen den Travemünder und Harkenseer Zeugenaussagen in der Frage der Landrührigkeit erklären. Eine weitere Unstimmigkeit liegt darin, daß der Vogt von dem Bauern Veldtmann gehört haben wollte, der Leichnam treibe im Meere, während Veldtmann in Harkensee behauptete, er habe dem Vogt zwar "von dem thoten Cörper gesaget", aber auch mitgeteilt, was ihm über dessen Festbindung von seiner Tochter erzählt worden sei. Allerdings möchte der Bauer sich etwas ungewiß ausgedrückt haben; denn er war kein Augenzeuge und seine Tochter offenbar noch ein Kind, wie sich daraus schließen läßt, daß sie in Harkensee nicht mit vernommen wurde. Jedenfalls war der Vogt sich seiner Sache nicht sicher gewesen und hatte auf alle Fälle den Bootsmann ausgeschickt, aber Anweisung gegeben, die Leiche liegen zu lassen, wenn sie landrührig sei, was ja angenommen werden mußte, wenn die Erzählung von Veldtmanns Tochter zutraf. Übrigens klagte der Bauer bei der Vernehmung sehr darüber, daß ihm die rechtliche Bedeutung des Ereignisses unbekannt gewesen sei; "sonsten er davon kegen dem Voigte woll kein Wort wolte verlohren haben".
Aus den Akten über diesen Fall entnimmt Rörig, daß Lübeck, kraft einer ihm zustehenden Gebietshoheit auf dem Buchtgewässer, das Fahrrecht über Leichen ausgeübt habe, die "unmittelbar vor der mecklenburgischen Küste" trieben. Unmittelbar? Nach der Aussage des Travemünder Bootsmannes hatte dieser die Leiche "diesseit der Fischzüge" gefunden, wo man die Netze auswarf, also sicher im tiefen Wasser, im Strom. Der Strom aber war herrenlos, woraus folgt, daß jedermann dort Leichen bergen konnte. Überdies ist nirgendwo in den Akten von einer Lübecker Gebietshoheit die Rede, sondern der einzige, ausdrücklich angegebene Grund für die Einholung des toten Schiffskochs war der, daß es sich um einen "lübschen Bürger" handelte, den man "begraben" wollte.
Für Mecklenburg dagegen ergebe sich nach Rörigs Ansicht, daß ihm das Fahrrecht auf Grund der Strandgerechtigkeit nur über Leichen zugestanden habe, die grundrührig waren oder sich doch im Waten erreichen und grundrührig machen ließen, wie es 1615 geschah. Auf die Watgrenze ist er deswegen verfallen, weil der Schneider Dechow an den Toten herangewatet war. Wir haben dieser Abgrenzung des Fahrrechtes widersprochen. Gewiß,
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es wird in dem Harkenseer Zeugenprotokoll wiederholt gesagt, daß Dechow gewatet sei, wie man ja das Gehen im Wasser zu bezeichnen pflegt. Aber daß Rörig dem eine rechtliche Bedeutung beimißt, begreifen wir nicht. Denn das Protokoll ergibt ja klar, weswegen die Zeugen das Waten, und zwar zusammen mit der Tätigkeit des Krabbenfangens, die Dechow ausgeübt hatte, hervorhoben. Sie wollten nämlich damit die Lübecker Behauptung widerlegen, daß die Leiche dort gefunden sei, wo die lübischen Fischer ihre Heringsnetze auswürfen, also weiter draußen in der See, wo man nicht mehr waten und Krabben fangen konnte. Das sagten die Zeugen mit deutlichen Worten.
Rörigs Watgrenze für das Fahrrecht gab es ebenso wenig wie seine Reitgrenze fürs Bergerecht. Nur eine Strandgrenze kannte man, und sie lag dort, wo die schiffbare See anfing. Bis dahin war Küstengewässer, das der Jurisdiktion des Küstenherrn unterstand. Daher müssen auch Leichen, die in diesem Gewässer gefunden wurden, derselben Jurisdiktion unterworfen gewesen sein, mochten sie nun treiben oder den Grund berühren. Übrigens können grundrührige Leichen natürlich so tief liegen, daß im Waten nicht mehr heranzukommen ist.
Nach dem Harkenseer Zeugenprotokoll ist nicht zu bezweifeln, daß der tote Schiffskoch noch trieb, als man seiner zuerst ansichtig wurde. Auch Rörig nimmt das an 211 ). Wenn aber dann bei der Untersuchung des Streitfalles in Mecklenburg hervorgehoben wurde, daß der Leichnam hernach festgebunden worden sei, und die herzogliche Regierung anordnete, die Zeugen auch hierüber (nicht etwa wegen einer Watgrenze) zu befragen, so versteht sich dies von selbst. Denn nur durch die Befestigung und die Landrührigkeit - der Ausdruck ist aus dem Schiffsbergerecht übernommen- ließ sich sicher beweisen, daß die Leiche im Küstengewässer gelegen hatte. Sonst hätte es von vornherein keinen Sinn gehabt, die Lübecker Angaben zu bestreiten. Denn wohin konnte nicht eine treibende Leiche in zwei Nächten und einem Tage verschlagen werden! Soviel Zeit war nämlich zwischen der Festmachung und der Wegholung durch den Travemünder Bootsmann verstrichen. Eben die Aussage des Bootsmannes, daß der Tote in der See getrieben habe, wies der Herzog in seinem zweiten Schreiben an den Lübecker Rat zurück und fügte hinzu, daß er "fast am Ufer des Landts" (also sicher im Küstengewässer) "gefunden und mit
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zweyen Steinen fest und grundtruhrig gemacht worden, dahero dan leichtsamb abzunehmen, das derselbe von dar sey abgeholet".
Es ist ja ganz ausgeschlossen, daß Mecklenburg 1615 eine Hoheit Lübecks über das Buchtgewässer vor seiner Küste habe anerkennen wollen. Denn gleich im nächsten Jahre (1616) und ebenso bei den oben erwähnten Strandungsfällen von 1660 und 1792 hat es sein Strandregal bis zur schiffbaren Meerestiefe beansprucht, und zwar mit vollem Recht. Auf diese selbe Strandgerechtigkeit, die etwas ganz anderes war, als Rörig darunter versteht, beriefen sich auch das Amt Grevesmühlen und der Herzog Adolf Friedrich 1615.
Gesetzt den Fall, daß die beiden Bedingungen für das mecklenburgische Fahrrecht (Grundrührigkeit und Watgrenze), die Rörig annimmt, zuträfen und daß Mecklenburg, wie Rörig ebenfalls glaubt, sie anerkannt und sich danach gerichtet habe, so wäre die natürliche Folge, daß dieselbe Regel für die ganze offene Küste gegolten hätte. Denn die Küste der Travemünder Bucht war offene Küste. Als ein Haff ist die Bucht nie angesehen worden 212 ), und noch viel weniger ist sie mit einem reinen Binnengewässer wie dem Dassower See zu vergleichen, zu dem Rörig sie in Parallele bringen will. Niemals hat Mecklenburg auch nur den geringsten Unterschied zwischen seinem Strande an und in der Travemünder Bucht und dem weiter östlich liegenden gemacht. Wenn also die von Rörig angegebenen Fahrrechtsbedingungen tatsächlich bestanden hätten, so würden Tote, die vor der offenen Küste trieben, keinerlei Jurisdiktion verfallen sein, bis man sie watend erfassen und grundrührig machen konnte. Mithin hätte dort jedermann
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treibende Leichen einholen dürfen, einerlei, ob aus dem Strom oder dem Küstengewässer; eine Handlung, die natürlich nicht auf Grund von Gebietshoheit geschehen wäre.
Aber die Dinge lagen anders. Und die einzige Voraussetzung für das mecklenburgische Fahrrecht war die, daß die Leichen innerhalb der Strandgrenze geborgen wurden, wie es 1615 der Fall war. Ausdrücklich auf dem Meere (in mari circumquaque), d. h. auf dem Küstengewässer, wurde Rostock 1358 die volle Gerichtsbarkeit verliehen (oben S. 12). Aussdrücklich sagte der Kanzler Schlüter 1669, das mare adiacens unterstehe derselben Jurisdiktion wie die litora maris (oben S. 83). Ferner erklärte 1760 der Schweriner Regierungsfiskal, soweit das Strandrecht gehe, so weit könne auch "die darinnen begriffene iurisdictio littoralis tam civilis quam criminalis exerciret werden" (oben S. 69). Und auch im rügischen Landrecht heißt es, daß die Gerichtsbarkeit auf dem Strande, und zwar "upme lande und water" von den fürstlichen Beamten ausgeübt werde (oben S. 16, 66). Zur Gerichtsbarkeit aber gehörte auch das Fahrrecht.
Jenseit des Strandes dagegen, aus dem tiefen Meeresstrom, über den niemand zu gebieten hatte, durfte jeder Leichen bergen. So war es auch in der Travemünder Bucht. Solche Fälle sind überhaupt keine Anzeichen für eine Gebietshoheit, auch nicht Lübecks. Das gilt sicher noch für viel spätere Zeit als 1615. Denn noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird immer nur das Strandregal, die Strandhoheit geltend gemacht 213 ), vom modernen Küstenmeer ist da noch gar nicht die Rede. Ob aber eine Leiche innerhalb des Strandes oder schon im Strom gefunden war, darüber mochte man hinterher streiten; deswegen betonte Mecklenburg 1615 die Landrührigkeit.
Der Fall von 1615 gibt in der Tat für Lübeck "nichts her". Von den Berichten über die drei weiteren Fälle am mecklenburgischen Ufer, die Rörig anführt, haben wir Abschriften vom Lübecker Archiv erbeten und erhalten.
l) Am 6. Dezember 1792 gaben zwei Travemünder Fischer an, daß am Tage vorher etwa um 8 Uhr abends ein Zimmermann und ein Matrose nach einem auf der Reede liegenden Schiffe hätten fahren wollen. Ihr Boot sei bei einem Hagelschauer gekentert, der Zimmermann ertrunken. Der Matrose habe sich "auf einen Waßer-Vas, so sie im Both gehabt, gerettet und sey damit an der mecklenburgischen Küste nach Rosenhagen getrieben, allwo sie ihn
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heute gefunden und wieder am Bord seines Schiffes gebracht hätten, von ihm hätten sie den vorstehenden Bericht erhalten, worauf sie weiter an der Küste gesuchet und den todten Körper auch gefunden hätten." Wo er gefunden wurde, ob bei Rosenhagen, Pötenitz oder am Priwall, ob überhaupt vor der Harkenbeckmündung, ob im Wasser oder am Lande, darüber sagt der Bericht nichts. Wohlgemerkt, die Nachsuchung fand am Tage nach dem Unglücksfalle statt. Wäre der Tote ebenfalls bei Rosenhagen angetrieben, so würde ihn wohl sein Begleiter schon gefunden haben. Auch könnte die Leiche, wie es 1615 vermutlich der Fall war, über Nacht wieder weggeschwemmt sein.
2) Bericht des Stadthauptmannes Dr. Sibeth in Travemünde vom 8. August 1799: "Bey einem gestern Nachmittag gegen 2 Uhr plötzlich sich erhobenen Gewitter entstand ein fürchterlicher Wirbelwind, der die Wellen so sehr in die Höhe trieb, daß man eine gute Viertelstunde nichts als Dunstkreis und schäumende Wogen wie Nebel vor Augen hatte. Eben dieser Wirbelwind schlug eine ungeheure Menge Wassers gewaltsam über das mit Steinen beladene, ziemlich weit hinaus auf der Rhede bey Rosenhagen befindliche Wadeschiff her, worauf sich zweene hiesige Arbeitsleute befanden, deren einer sich am Maste festhielt, der andere aber, Namens Hans Asmus Timmermann, durch Sturm und wütende Wellen aus dem versunkenen Fahrzeuge weggeschleudert ward." Die Auffindung der Leiche wird durch die Worte angedeutet: "Um 6 Uhr kamen die Fischer mit ihm ans Land." Aber wo der Tote gefunden wurde, darüber steht in dem Bericht kein Wort. Das Wadeschiff kann mitten auf der Bucht, in der Höhe von Rosenhagen, gelegen haben, und die Fundstelle braucht überhaupt nicht am mecklenburgischen Ufer gewesen zu sein.
3) 1804 stürzte "bei der jetzigen Bearbeitung des Kavelmacherschen Schiffes" ein Matrose ins Wasser und ertrank. Seine Leiche wurde nicht gefunden. Wo das Schiff, ein Wrack, lag, geht aus dem Bericht über diesen Fall nicht hervor. Das Lübecker Archiv hat uns aber zugleich zwei Wetteprotokolle vom 18. und 25. November 1825 mitgeteilt, mit deren Hilfe sich die Lage ermitteln lasse. Auf das erste davon habe Rörig bereits in einem früheren Bericht hingewiesen.
Beide Protokolle handeln von Streitigkeiten der Travemünde Fischer mit den übrigen Lübecker Fischergruppen. In dem vom 18. November werden Vergleichsvorschläge angegeben, wobei die "Stelle, wo Kavelmachers Schiff gesunken", eine Rolle spielte. Es sollten nämlich auf dem Gewässer vom Blockhause vor der Trave-
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mündung bis zur Harkenbeck zwei Reviere vereinbart und die Rechte der Parteien darin festgesetzt werden. Über die Grenze zwischen den beiden Revieren aber konnte man sich nicht verständigen. Die eine Partei wollte sie durch das Wrack, die andere durch Rosenhagen bestimmt wissen. Daher beschloß man, zunächst einmal auszumessen, wieviel die Entfernung zwischen diesen beiden Punkten betrage.
Hieraus läßt sich zunächst nur entnehmen, daß das Wrack irgendwo in der Bucht und nicht gegenüber Rosenhagen lag.
Nach dem zweiten Protokoll zeigten die Parteien an, daß sie "die verschiedenen Strecken vom Blockhause bis Harkenbeck laut producirter Zeichnung gemeinschaftlich ausgemessen" hätten. Die Entfernungen machten aus:
"vom Blockhause bis Kavelmachers Wrack | 735 | Faden | |
von da bis an den Major hinterm Brodener Ufer | 135 | Faden | |
vom Major bis Rosenhagen | 1155 | Faden | |
von Rosenhagen bis Harkenbeck | 780 | Faden | |
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Zusammen | 2805 | Faden |
Die Zeichnung wird nicht mehr vorhanden sein. Nach dem Protokoll betrug die Strecke vom Blockhause bis zum Wrack 735 Faden (= 1323 m, den Faden zu 1,8 m gerechnet), die Strecke von da bis zur Harkenbeck im ganzen 2070 Faden (= 3726 m). Danach muß das Wrack sich 1825 fast genau gegenüber der heutigen mecklenburgisch-lübeckischen Staatsgrenze am Priwall befunden haben. Nach Rörig 214 ) war es "an der mecklenburgischen Küste zwischen Priwall und Rosenhagen bei Pötenitz gestrandet, wird 1825, Wetteprotokoll November 18, dort liegend erwähnt und ist noch heute bei niedrigem Wasser deutlich erkennbar". Wo nun das Wrack oder seine Reste heute auch sichtbar sein mögen, es kann seine Lage seit dem Jahre 1804, in dem der Matrose ertrank, verändert haben. Rörig fügt hinzu: "Die Lübecker Fischer suchen den mecklenburgischen Strand nach ihm (dem Ertrunkenen) ab." Der Bericht des Travemünder Stadthauptmannes von 1804 sagt aber nur: "Man hat ihn gleich nach Möglichkeit, aber vergeblich, aufgesucht. Die Fischer waren erst wegen ihres Fischens abwesend. So wie sie zu Hause kamen, ließ ich ihnen die fernere Nachsuchung des Körpers anbefehlen. Aber auch diese kamen ohne denselben zurück, doch glaubten sie, daß sie nächster Tagen, wenn das Wasser
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erst klarer geworden wäre, ihn finden würden." Man vermutete also die Leiche gar nicht am Strande, sondern im tieferen Wasser.
Von diesen drei Fällen scheidet der von 1799 ohne weiteres aus, weil gar nicht zu wissen ist, wohin die Leiche getrieben wurde, was ganz auf die Strömung ankommt. Ebenso der Fall von 1804, weil überhaupt nichts gefunden wurde. 1792 wurde an der östlichen Buchtküste gesucht; ob man aber den Toten noch am mecklenburgischen Strande fand, wird nicht angegeben. Und das bloße Suchen ist noch keine Fahrrechtshandlung.
Was wollte es übrigens besagen, wenn die Lübecker wirklich einmal nach einem Unglücksfalle auf der Bucht einen Ertrunkenen vom mecklenburgischen Gebiete weggenommen hätten! Wäre in Mecklenburg etwas davon bekannt geworden, so würde gewiß Einspruch erhoben sein, wie es 1615 geschah.
Es steht denn auch fest, daß die herzoglichen Beamten in mindestens drei Fällen das Fahrrecht über Ertrunkene abgehalten haben, die an der Küstenstrecke von der Travemündung bis zur Harkenbeck geborgen wurden: um 1576, um 1604 und 1757. In den beiden ersten Fällen, die mecklenburgische Zeugen 1616 - bei dem Fischereistreit mit Lübeck - erwähnten, handelte es sich um einen Harkenseer Einwohner, der bei der Travemünder Fähre ertrunken und "uf dem fulen Orte", wie man die Nordwestspitze des Priwalls nannte 215 ), wiedergefunden war, ferner um eine bei Rosenhagen "angeschlagene" Leiche. 1757 lag der Tote, ein Lübecker Kaufmannsdiener, bei Rosenhagen "am Ufer im Wasser" 216 ).
In den Fällen von ca. 1604 und 1757, meint Rörig, stehe die Grundrührigkeit außer Zweifel 217 ). Für den von 1757 ist sie allerdings anzunehmen. Der Fall von 1604 wurde von einem Rosenhäger Zeugen vorgebracht, der zwei Nächte bei der Leiche gewacht und auch an der eigentlichen Fahrrechtshandlung teilgenommen hatte. Den Ausdruck "anschlagen" aber, der in dem Protokoll steht und den der Zeuge selber gebraucht haben mag, darf man nicht pressen. Von den beiden 1616 genannten Fällen lag der eine etwa 12, der andere angeblich 40 Jahre, also sicher sehr lange zurück, so daß die Zeugen sich kaum noch auf alle Einzelheiten besinnen konnten, vorausgesetzt, daß sie überhaupt gewußt hatten, wo die Leichen zuerst gefunden waren. Auf die Landrührigkeit
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kam es nicht an. Gefragt wurden die Zeugen ganz allgemein, ob "jemandt ersoffen oder todte Corper gefunden" seien 218 ). Das Entscheidende ist, daß die mecklenburgischen Fahrrechtshandlungen 1616 als Beweise für die Strandhoheit bis zum schiffbaren Strom herangezogen wurden. Und als bei dem Falle von 1757 der Rosenhäger Pächter, der nicht wußte, wie er sich zu verhalten habe, den Gutsherrn von Wieschendorf um Rat fragte, erwiderte dieser, daß der Vorfall dem Amte Grevesmühlen gemeldet werden müsse, "weil der Strand Sr. Herzogl. Durchl. zugehörte". Strand und Strandregal aber waren noch ganz dieselben wie 1616.-
Auf sonstige Lübecker Hoheitshandlungen, die Rörig vorbringt (abgesehen von der Fischerei), haben wir keine Veranlassung näher einzugehen, solange er nicht seine Andeutungen darüber vervollständigt und solange nicht nachgewiesen wird, daß der mecklenburgische Buchtanteil dabei in Betracht käme 219 ).
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Sowohl das mecklenburgische Schiffsbergerecht wie die Tatsache, daß das mecklenburgische Fahrrecht über Leichen galt, die - wie in den Fällen von 1615 und 1757 nachweisbar ist - aus dem Wasser geholt wurden, spricht gegen Rörigs Behauptung, es habe Lübeck die Gebietshoheit bis ans trockene Ufer gebührt. Denn man kann nicht über eine Wasserfläche die Hoheit besitzen und gleichzeitig dort einem anderen Staate Hoheitsrechte zugestehen. Die Meinung, es sei "ein gewisses Ineinandergreifen von Hoheitshandlungen" auf dem Buchtgewässer "durch die natürlichen Verhältnisse gegeben" gewesen 220 ), ist rechtlich nicht zu halten. Entweder man hat die Gebietshoheit und damit die Gesamtheit der Hoheitsrechte oder man hat sie nicht.
Die Grenzen der sogenannten Travemünder Reede als eines Lübecker Eigengewässers sollen - nach den Behauptungen Rörigs - an der Küste im Westen durch die Brodtener Scheide gegen Niendorf, d. h. durch die heutige Lübecker Staatsgrenze (Brodtener Grenzpfahl) bestimmt gewesen sein, an der östlichen Buchtküste, also am mecklenburgischen Ufer, durch die Harkenbeckmündung. Seewärts habe die Reede nordöstlich bis zu einer vermeintlich uralten Peillinie Gömnitzer Berg-Pohnsdorfer Mühle gereicht, die von der holsteinischen Küste her auf die Harkenbeckmündung zulaufe, ferner - im Nordwesten - bis zu dem Lot, das sich von der Brodten-Niendorfer Scheide aus auf die Peillinie fällen läßt. Das alles sei Jahrhunderte hindurch so gewesen 221 ).
Wenden wir uns zunächst der vermeintlichen Seegrenze zu, der Linie Gömnitzer Berg - Pohnsdorfer Mühle - Harkenbeckmündung. Wir haben dieser Grenze in unserem Bericht von 1923 die Existenzberechtigung abgesprochen und werden nunmehr eingehender, als wir damals konnten, beweisen, daß wir recht daran taten.
nicht die eigenen Worte des Kommandanten wieder. Was heißt denn "gezwungen"? Einen Zwang würde Lübeck gar nicht gewagt haben anzuwenden. Der Stadthauptmann beschränkte sich ja auch darauf, zu vermitteln, und brachte einen Vergleich zwischen Kriegsschiff und Handelsschiff zustande. - II, Anm. 47 erwähnt Rörig noch eine "Quarantänereede" im 19. Jahrhundert. Kein Schiff aber unterwirft sich der Quarantäne, weil es sich auf dem Hoheitsgebiete des Hafenstaates befindet, sondern weil Fahrzeug, Mannschaft und Ladung sonst nicht in den Hafen hineingelassen werden.
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"Stillschweigend" sollen wir "die sehr wichtige Tatsache" übergangen haben, daß die moderne Seekarte die Peillinie Gömnitzer Bergturm-Pohnsdorfer Mühle verzeichne. Diese Tatsache zu bestreiten, ist uns natürlich nicht eingefallen, wohl aber bestreiten wir entschieden, daß ihr für die Grenzfrage auch nur die mindeste Bedeutung zukomme. Auf der modernen Seekarte möchte manche Peillinie angegeben sein, die man vor Zeiten nicht kannte. Ferner trifft die Linie die Harkenbeckmündung überhaupt nicht. Rörigs Rat, mit Hilfe eines Lineals die "gerade Linie" festzustellen, kommt zu spät. Eben weil dieser Versuch mißglückte, haben wir uns 1923 näher erkundigt und von der Gutsherrschaft in Rosenhagen die Nachricht erhalten, daß die Peillinie die Küste ca. 260 m westlich von der Harkenbeckmündung treffe. Auch auf der Seekarte ist die Abweichung bemerkbar. Sie betrüge nach Rörig - der früher angenommen hatte, die Peillinie laufe "zufällig genau" auf die Bachmündung zu, - zwar nur "etwa reichlich 100 m", aber die Rosenhäger Kunde ist richtig; wir haben im Mai 1924 255 m gemessen. Dem sind aber noch ein paar Meter hinzuzuzählen, weil als Richtungspunkt wohl nicht die eigentliche Mündung der Harkenbeck im flachen Strande, die aus einiger Entfernung schwer erkennbar sein wird, in Frage kommt, sondern der Einschnitt im Ufer, aus dem der Bach herausfließt. Es handelt sich also in der Tat um ca. 260 m.
Solche Abweichungen liegen nicht "im Wesen der Peilung", sondern Peillinien müssen stimmen, und wenn man nach drei Landmarken eine gerade Grenze annehmen will, so müssen die Marken auch in einer geraden Linie liegen. Das trifft hier in ganz auffallender Weise nicht zu; davon kann sich jeder an Ort und Stelle überzeugen. Und es wäre höchst wunderbar, wenn die Lübecker durch Jahrhunderte eine solche irreale Grenze gehabt hätten, deren Unstimmigkeit man doch hätte bemerken müssen.
Es ist richtig, daß an der Harkenbeckmündung der Signalturm sichtbar ist, der seit etwa 1828 auf dem Gömnitzer Berge steht. Bei ganz klarem Wetter möchten scharfe Augen vielleicht auch die Pohnsdorfer Windmühle erkennen. Wenn man aber von der Harkenbeckmündung in der Richtung auf den Turm fahren wollte, um dann, wenn die Mündung außer Sicht kommt, in der Richtung der Peillinie die Fahrt fortzusetzen, so würde man bemerken, daß man sich nicht in dieser Linie befindet und buchteinwärts halten muß, um in sie hineinzukommen. Es ist eine ganz beträchtliche Wasserfläche, die bei Annahme einer so unmöglichen Grenze im Zweifel bliebe; wir schätzen sie auf über 3 / 4 qkm. Übrigens sehen wir
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einen Beweis für die Unhaltbarkeit der Grenzlinie darin, daß der Lübecker Senat nicht sie, sondern eine Linie Harkenbeck- Steinrifftonne-Gömnitzer Berg vertritt. Die Steinrifftonne ist aber erst 1914 ausgelegt worden (Rörig I, S. 36), und sie liegt natürlich nicht in einer Linie Turm-Mühle-Harkenbeck, weil es solche Linie nicht gibt.
Nachdem Rörig die Peillinie auf der modernen Seekarte gefunden und - in der irrtümlichen Meinung, daß sie auf die Harkenbeckmündung zulaufe, - den Gedanken gefaßt hatte, daß sie eine alte Grenze bilden könne, blieb ihm natürlich die eigentliche Beweisführung noch übrig. Er mußte darlegen, daß die Linie vormals tatsächlich die Grenze gewesen sei. Zu diesem Zwecke beruft er sich auf eine Bemerkung des Travemünder Lotsenkommandeurs A. H. Harmsen von 1828 und stellt gleichzeitig die völlig unbewiesene Behauptung auf, daß die Linie "uralt" sei 222 ).
Die Linie ist keineswegs uralt. Wichtiger als die moderne Seekarte ist hier die französische Seekarte der Lübecker Bucht von 1811, veröffentlicht 1815. Der Franzose, der sie anfertigte, wurde bei seiner Arbeit unterstützt "par le Capitaine du Port de Travemünde A. H. Harmsen". So steht auf der Karte. Und dieser Harmsen ist doch wohl identisch mit dem gleichnamigen Lotsenkommandeur von 1828. Die Karte zeigt an der holsteinischen Küste manche Landmarken, auch die Pohnsdorfer Windmühle, einen "Major" aber, die "verkrüppelte Buche", die früher statt des Turmes auf dem Gömnitzer Berge stand, oder überhaupt den Gömnitzer Berg sucht das Auge vergebens. Daraus folgt, daß A. H. Harmsen noch 1811 die angeblich uralte Peillinie Berg- Mühle nicht gekannt hat. Sie ist gewiß erst aufgekommen, seit sich der hohe Turm auf dem Gömnitzer Berge erhob, der frühestens 1828 erbaut worden ist, und sie diente nur der Schiffahrt, nicht als Grenze 223 ).
Der "Major" wird im Lübecker Wetteprotokoll vom 25 November 1825 (oben S. 119) genannt). Ob er schon früher irgendwo vorkommt, wissen wir nicht. Weil die Seekarte von 1811 ihn nicht
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wiedergibt, so kann er vorher nur eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben, oder man hat überhaupt erst nach 1811 angefangen, ihn als Richtungspunkt für die Schiffahrt zu verwenden.
Nun die Pohnsdorfer Mühle. Am 16. März 1778 "erteilte Graf Otto von Dernath auf Haselburg und Oevelgönne dem zu Pohnsdorf wohnenden Müller Hans Hinrich Harms einen Erbpachtkontrakt über die zu dem Gute Oevelgönne gehörige neuerbaute Pohnsdorfer Holländer-, Korn- und Graupenmühle". Das steht in einer Mitteilung, die uns das Staatsarchiv in Kiel am 1. August 1924 gemacht hat. Das Staatsarchiv fügt hinzu:"Es scheint indessen, daß die Mühle bereits länger bestanden hat, da in dem Kontrakt gelegentlich von dem alten Mühlenhause die Rede ist. Wann die erste Anlage erfolgt ist, hat sich aus dem hiesigen Material zurzeit nicht ermitteln lassen." Bei dieser alten Mühle muß es sich um die Pohnsdorfer Wassermühle handeln, die nach der Topographie der Herzogtümer Holstein und Lauenburg von Schröder und Biernatzky (2. Band, 1856) ehemals "an der Wiese Mühlenteich westlich vom Hause" ihre Stätte gehabt hatte; eine Wassermühle, die tief gelegen haben muß und als Richtpunkt gar nicht in Frage kommen konnte. Die Mühle jedenfalls, die allein als Landmarke bekannt ist, war 1778 neuerbaut.
Soviel über die Peillinie. Die Bemerkung des Lotsenkommandeurs von 1828 haben wir in unserm Bericht vom August 1923 nur bezweifeln, nicht erklären können. Heute sind wir hierzu imstande, nachdem wir eine Abschrift des ganzen Aktenstückes und einen Auszug aus dem Lübecker Wetteprotokoll vom 25. November 1825 erhalten haben und nachdem Rörig den Fischereivergleich von 1826 seinem neuen Gutachen beigegeben hat (II, Anl. IV).
In diesem Vergleich werden in der Bucht drei Teilstrecken für die Fischerei festgelegt. Die erste ist "die Strecke vom Blockhause an so weit hinaus, bis der Major (ein Baum auf dem Berg zu Gömnitz in Holstein) vor das Brodtener Ufer kommt". Dann folgt "die Strecke von da an, wo der Major vor dem Brodtener Ufer kommt, bis Rosenhagen", schließlich die Strecke von hier bis zur Harkenbeck. Wann aber kam der Major von dem Brodtener Ufer heraus? Wenn man die Bucht seewärts bis zu der Stelle durchfuhr, an der man, an dem Brodtener Höved oder der Brodtener Hucke, wie die Fischer sagen, vorbei, zuerst den Major erblicken konnte. Dann war man aber noch sehr weit von der jetzigen Peillinie Gömnitzer Turm-Pohnsdorfer Mühle entfernt, ja, wie der Vergleich selbst lehrt, sogar noch weit von Rosenhagen und am weitesten von der Harkenbeck. Wäre man bis dahin gefahren, wo
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heute die Peillinie an der Bucht vorüberläuft, so wäre der Major lange vorher vor dem Brodtener Ufer erschienen.
In dem Wetteprotokoll vom 25. November 1825 werden, wie wir oben S. 119 schon angeführt haben, vier abgemessene Strecken genannt: Vom Blockhause bis zum Kavelmacherschen Wrack = 735 Faden, von da "bis an den Major hinterm Brodener Ufer" = 135 Faden; dann folgen auch hier die Strecken "vom Major bis Rosenhagen" und von Rosenhagen bis zur Harkenbeck. Die Entfernung vom Blockhause über das Wrack bis zum Major betrug also zusammen 870 Faden (= 1566 m). Das ist noch lange nicht die halbe Entfernung bis zur Harkenbeck. Und was in dem Protokoll, ebenso wie in dem Vergleich vom nächsten Jahre mit dem "Major" gemeint ist, kann nicht zweifelhaft sein: Nicht eine Linie Major-Pohnsdorfer Mühle, sondern eine Stelle in der Travemünder Bucht, von der aus man des Majors zuerst ansichtig wurde, der weit nordwestlich von der holsteinischen Küste herüberschaute.
Man ziehe eine Linie vom heutigen Gömnitzer Turm am Brodtener Höved dicht vorüber bis an die mecklenburgische Küste. Wer in der Travemünder Bucht an dieser Linie entlangfuhr, hatte den "Major" immer in Sicht. Und alle Punkte, wo der Major vor dem Brodtener Ufer erschien, lagen auf dieser Linie. Wer sich aber auf der Wasserfläche hinter der Linie, nach der Trave zu, befand, konnte den Major nicht sehen, weil das hohe Brodtener Ufer ihn verdeckte. Die beigefügte Kartenskizze veranschaulicht dies.
Hierzu stimmt denn auch vollkommen die Eingabe des Travemünder Lotsenkommandeurs A. H. Harmsen vom 8. Februar 1828, worin er dem Präses des Lotsendepartements auseinandersetzte, daß Klagen, die über die Fischerei seiner Lotsen vorgebracht seien, auf Unwahrheit beruhten. Die Lotsen, so heißt es, könnten den Fischern 224 ) gar keinen Schaden zufügen, weil jedesmal, wenn sie ihre Netze aussetzten,
"nur 2 Mann aus dem Boote solche ausbringen, die den freien Tag haben, und dann in offener See 1 u. 11/2 Meile von Travemünde auf 7 u. 8 Fuß bis auf 5 u. 6 Klafter Wasser nach der Norderseite in der See. . . . Gewiß wird der Streit gehoben seyn, wenn erst der Thurm auf dem Gömnitzer Berge steht, dann
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wird jeder die Grenze zwischen der Rhede und der See unterscheiden können. So viel ich weiß, haben unsere Fischer" (gemeint sind wohl die Lotsenfischer) "kein Amt noch Zunft; und in der See hat wohl jeder gleiches Recht."
Rörig selbst sagt, daß den Lotsen die Fischerei "nur in der See außerhalb der Reede" gestattet gewesen sei, d. h., seiner Meinung nach, außerhalb der Linie Gömnitzer Berg-Pohnsdorfer Mühle-Harkenbeck 225 ). Der Lotsenkommandeur aber, Rörigs einziger Zeuge für diese angebliche Reedegrenze, befand sich schon eine Seemeile (1855 m) vor Travemünde in offener See außerhalb der Reede, wo jeder gleiches Recht habe. Bis zur Peillinie Turm-Mühle und bis zur Harkenbeckmündung ist die Entfernung weit über doppelt so groß. Als Kennzeichen der Reedegrenze vermißte der Kommandeur den "Major", die inzwischen umgestürzte Buche, und er hoffte auf den Bau des Turmes, der schon 1826 geplant wurde 226 ).
Erinnern wir uns, daß in dem Wetteprotokoll von 1825 die Entfernung vom Blockhause bis zum Major über Kavelmachers Wrack auf 870 Faden (1566 m) angegeben wird. Bei 1855 (l Seemeile) Abstand von Travemünde war man laut dem Zeugnisse des Lotsenkommandeurs bereits in offener See. Was soll also Harmsen mit der Reedegrenze gemeint haben, wenn nicht eine Linie in der Bucht, von deren Punkten aus man den "Major", als er noch stand, zuerst gesehen hatte. Es ist dieselbe Linie, die im Wetteprotokoll von 1825 und im Fischereivergleich von 1826 erscheint 227 ). Darüber hinaus war nach Harmsen "offene See".
Dazu passen denn auch ausgezeichnet die von dem Kommandeur gemachten Angaben über die Wassertiefe, in der die Lotsen fischten: 7 und 8 Fuß bis auf 5 und 6 Klafter Wasser (= 2 bis 10,8 m). So geringe Tiefen finden sich hinter der Peillinie Turm-Mühle überhaupt nicht mehr, abgesehen von einer kleinen Fläche über dem Nordostzipfel des Steinriffs, wo das Wasser 9-10 m tief ist.
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Damit dürfte diese Peilliniengrenze erledigt sein. Daß sie so schwach, ja, daß sie überhaupt nicht begründet sei, daß sich mit der einzigen Quelle, die Rörig dafür anführt, mit dem Bericht des Lotsenkommandeurs von 1828, gerade die Unrichtigkeit der Grenze erweisen läßt, das hätten wir denn doch nicht erwartet. Der Lotsenkommandeur hat sich aus einem Lübecker Zeugen in einen mecklenburgischen verwandelt.
Die Linie, die er bezeichnete, schneidet von der mecklenburgischen Küste nur eine Strecke von 400-500 m ab. Sie erscheint in dem Fischereivergleich von 1826 und in der Eingabe des Lotsenkommandeurs selbst als Fischereigrenze für einen Bezirk, der nach Travemünde zu innerhalb der Major-Linie lag. Und in diesem Bezirk ist die alte nautische Reede zu suchen, auf der die Lotsen nicht fischen durften. Desbalb sprach der Kommandeur von der Linie als von einer Grenze zwischen Reede und offener See. Aber sie ist deswegen noch lange keine Hoheitsgrenze, am wenigsten an der mecklenburgischen Seite, wo die Reede nicht lag. Es haben auch, wie wir sehen werden, mecklenburgische Fischer um 1600 die Major-Linie nach der Trave zu überfahren.
Mit der Seegrenze Turm-Mühle-Harkenbeck fällt eigentlich schon Rörigs ganze Reedebegrenzung dahin. Wie sollte denn dort Lübecker Hoheitsgebiet gewesen sein, wo nach der Ansicht des Travemünder Lotsenkommandeurs offene See war und jeder gleiches Recht hatte! Es ist ja Rörig Vermutung, daß "die uralte Peillinie" das "Primäre" sei "und daß die Harkenbeck nur deshalb die Rolle sowohl als See- wie auch Landgrenze der Reede erlangt hat, weil eben ungefähr bei ihrer Mündung diese als Reedegrenze geeignete Peillinie auf das mecklenburgische Ufer stößt" (II, S. 250). Aber so wenig wie es je die Peillinien-Grenze gegeben hat, so wenig ist die Harkenbeckmündung eine Hoheitsgrenze. Wir werden im folgenden Abschnitte noch näher darlegen, daß sie von jeher nur eine interne Nutzungsgrenze der Lübecker Fischerei gewesen ist, genau so wie der "Major", wie Rosenhagen, wie der Möwenstein, wie die Linie Harkenbeck - Haffkruger Feld und - in der Niendorfer Wiek - die Gosebeckmündung es waren und wie es "Kavelmachers Wrack" hatte werden sollen. Und daß man die Harkenbeck dazu ausersah, erklärt sich einfach daraus, daß sie einen Merkpunkt bildet, dessen Entfernung vom Buchtwinkel der Länge des westlichen Buchtufers ungefähr entspricht. Bis zur Harkenbeck rechnete man die eigentliche Buchtfischerei an der Ostküste. Solche interne Fischereischeide ist die Bachmündung eben schon 1547, zur Zeit der Aussage des Zöllners vor dem
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Holstentore gewesen (oben S. 105). Auch aus der "internen" Fischereigrenze Harkenbeck-Haffkruger Feld, soweit sie an der Travemünder Bucht vorüberläuft, hat Lübeck ja 1896 irrtümlich eine Hoheitsgrenze gemacht 228 ). Sollte der Zöllner Tydemann sich nicht 1547 ebenso haben irren können wie der Lübecker Senat 1896? Wann hätte auch Lübeck früher je Mecklenburg gegenüber die Harkenbeckmündung für eine Hoheitsgrenze ausgegeben! Zuerst 1912! 229 ). Uns jedenfalls ist kein älteres Lübecker Schreiben vor Augen gekommen, in dem es der Fall wäre. Auch bei dem Fischereistreit von 1616 ist gar keine Rede davon. Die mecklenburgischen Kommissare untersuchten damals die Rechtsverhältnisse am Strande von Travemünde an bis weit über die Harkenbeckmündung hinaus, weil diese als Gebietsgrenze ganz unbekannt war.
Wir kommen schließlich zu der von Rörig angenommenen Westgrenze der Reede. Dabei brauchten wir eigentlich nur noch über den Landgrenzpunkt an der Brodten-Niendorfer Scheide einiges zu sagen, weil die Seegrenze, nämlich das von diesem Punkte auf die Peillinie Berg-Mühle gezogene Lot, natürlich mit der Peillinien-Grenze selbst fallen muß. Erwähnen wollen wir aber doch, daß diese westliche Seegrenze lediglich eine ganz willkürliche Konstruktion Rörigs ist. Genau so gut hätte man annehmen können, daß die Grenze sich hier durch eine zweite Peillinie bestimmt habe, die von der Brodten-Niendorfer Scheide auf irgend einen Punkt an der holsteinischen Küste, etwa östlich von Neustadt, zugelaufen sei. Das wäre sogar sehr viel verständiger gewesen; denn die Lotgrenze hätte man doch nur erkennen können, wenn man an der Linie Berg-Mühle unmittelbar entlang gefahren wäre, bis man sich gegenüber der Brodtener Grenze befand. Hielt man sich aber diesseits der Linie auf, so wäre deren Verlauf auf dem Wasser und also auch das Lot überhaupt nicht festzustellen gewesen. Bei alledem bliebe immer vorausgesetzt, daß die Scheide zwischen Brodten und Niendorf durch eine Landmarke von der See her erkennbar war. Denn das katholische Kinderheim, das Rörig als Richtungszeichen vorschlägt, wäre ja für die ältere Zeit nicht in Betracht gekommen. Die Seekarte der Lübecker Bucht von 1811 gibt eine passende Landmarke durchaus nicht an, wie sich denn auf ihr überhaupt nicht das mindeste über eine Reedegrenze findet.
Nun die Landgrenze an der Brodten-Niendorfer Scheide. Wir bleiben dabei, daß Rörigs Beweisführung auch hier sehr unzuläng-
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lich ist. Es wäre ja auch höchst wunderbar, wenn die Reede schon in grauen Zeiten just an dem Punkte geendet hätte, der später zufällig Lübecker Staatsgrenze wurde. Denn Brodten kam erst 1804 an Lübeck, nachdem das Domkapitel, dem das Dorf gehört hatte, dem Reichsdeputationshauptschlusse zum Opfer gefallen war 230 ). Seitdem gab es denn auch wohl einen Brodtener Grenzpfahl. Nach Rörig aber wäre das Gewässer vor Brodten schon früher lübeckisch gewesen. Seine älteste Quelle hierfür ist ein Protokoll, wonach Lübeck 1543 das Fahrrecht über eine Leiche abhielt, die am Brodtener Höved im Wasser lag. Wörtlich heißt es in dem Protokoll: "By dem Brotmer Hovede up jennesit Travemunde an dem Strande iß gefunden ein Man im Water . ." 231 ) Den kapartigen Küstenvorsprung im Westen der Bucht nennt man Brodtener Höved, weil er großenteils, zumal sein von der See her zuerst sichtbares Nordende, zum Brodtener Gebiet gehört. Es kommt dabei natürlich auf die Küstenform und nicht auf eine Ortschaftsgrenze an, d. h. der Ton bei der Benennung liegt auf dem "Höved", dem Haupt, und dieses ist nicht nur gerade bis zur Brodtener Südgrenze zu rechnen. Ein Blick auf die Karte lehrt, daß man die ganze westliche Buchtküste bis Travemünde hin als ein Höved bezeichnen kann. Seit 1329 aber besaß Lübeck den Strand bis zur Brodtener Scheide 232 ), die noch eine Strecke nördlich vom Möwenstein an die See stößt. Also kann der Tote 1543 recht wohl auf Lübecker Gebiet gelegen haben. Auch ergibt die Ortsbestimmung: up jennesit Travemünde, daß der Fundort nicht weit von Travemünde an der Westküste der Bucht zu suchen ist. Der Fahrrechtsfall von 1543 beweist daher gar nichts.
Weiter beruft sich Rörig darauf, daß die Lübecker im 18. Jahrhundert das Recht beanspruchten, vom Brodtener Ufer Steine zu holen, und 1775 dem Domkapitel gegenüber daran festhielten. "Ein derartig weitgehendes wirtschaftliches Nutzungsrecht am Strande eines fremden Territoriums" sei "selbstverständlich undenkbar, wenn hier Lübeck nicht zum mindesten auf der Wasserfläche vor dem Strande Gebietshoheit gehabt hätte: also auch hier reicht die Gebietshoheit von der Reede im nautischen Sinne bis unmittelbar auf den Strand selbst heran" (I, S. 32 f.). Diese Folgerung ist völlig unmöglich. Was hat das Steinholen "am Strande eines fremden Territoriums" mit der Gebietshoheit auf dem Wasser
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zu tun? Mit noch mehr Recht könnte man aus der Lübecker Fischerei in der Niendorfer Wiek oder vor dem mecklenburgischen Ufer bis Klützer Höved hin, die doch auch eine weitgehende Nutzung war, schließen, daß die ganze Wiek und das Gewässer vor der Mecklenburger Küste Lübeck gehört habe.
Wenn Rörig (II, S. 244) sagt, er habe das Steinholen mit "der Reedehoheit in Verbindung gebracht", so ist damit eine Auffassung ausgesprochen, die durch das, was er selbst aus den Akten über die Verhandlungen mit dem Domkapitel anführt, nicht bestätigt wird. Im Gegenteil, der Lübecker Senat erklärte: auf das althergebrachte Holen von Steinen am Strande und aus dem Wasser vor dem Strande könne Lübeck nicht verzichten; doch solle den Travemündern das Brechen von Steinen aus dem Steilufer untersagt werden (I, S. 32). Also berief sich der Senat überhaupt nur auf eine hergebrachte Nutzung am Ufer Brodtens und ausdrücklich auch auf dem steinreichen Wassergrunde davor, der ja nach Rörig schon zum Reedegebiet gerechnet haben soll. Hätte der Senat seinen Anspruch auf eine Gebietshoheit gründen wollen, so müßte er sich ganz anders ausgedrückt haben. Daher sollte auch die Grenze von 10 Ruten Breite, die das Domkapitel vorschlug, gewiß für das Steinholen gelten und keine Gebietsgrenze sein. Und wenn hernach der Lübecker Baumeister Soherr klüger sein wollte und erklärte, daß der Strand der Stadt gehöre, so ist doch eine solche Behauptung kein Beweis. Zu erklären ist sie nur dadurch, daß Soherr Nutzung und Eigentum nicht auseinander hielt. Der ganze Streit ergibt gar nichts für eine Reedehoheit oder eine Reedegrenze an der Brodten-Niendorfer Scheide, sondern läßt höchstens erkennen, daß das in Lübeck domizilierende Domkapitel zu schwach oder zu gemächlich war, um sich Lübeck gegenüber durchzusetzen. Vielleicht legte es auch auf den Strand wenig Gewicht, nachdem es erreicht hatte, daß das hohe Brodtener Ufer nicht mehr durch Ausbrechung von Steinen gefährdet werden durfte.
Ferner erklärt Rörig (II, S. 244), für das Jahr 1804 stehe es "aktenmäßig fest, daß das Gewässer vor Brodten unmittelbar am Ufer zur Reede selbst gehörte". Er stützt sich aber dabei nur auf eine Nachricht von 1804, wonach Lübeck als Grenze nur die anerkannte, "welche die Natur selbst durch die See macht, das heißt das steile Ufer selbst" (I, S. 32). Gemeint ist die Grenze des Brodtener Gebietes. Ist aber zugleich eine Reedegrenze gemeint? Das ist doch wohl noch zweierlei. Rörig teilt nicht mit, in welchem Zusammenhange die Bemerkung gemacht wurde. Sie stammt aber
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schon aus der Zeit, in der Brodten lübeckisch war 233 ). Und wie man in Mecklenburg den Strand nicht den anliegenden Gütern zugestanden, sondern als besonderes landesherrliches Eigentum betrachtet hat, so wollte offenbar auch Lübeck den Brodtener Strand nicht den Hauswirten überlassen, deren Besitzungen daran stießen. Das wäre um so begreiflicher, als die Hauswirte im Gebiete des früheren Domkapitels ihre Hufen seit 1793 als freies Eigentum innehatten 234 ). Was hätte es denn für einen Zweck haben sollen, Lübecker Hoheitsgebiet als solches gegen anderes Lübecker Hoheitsgebiet abzugrenzen! Es wird sich also nicht um eine Hoheitsgrenze handeln, sondern um eine Strandgrenze gegen den Privatbesitz der Brodtener Hauswirte. Und daß Lübeck 1804, nach der Erwerbung Brodtens, den Strand und das Gewässer vor der Küste des Dorfes beanspruchte, war ja völlig berechtigt. Für eine Reedehoheit und eine Reedegrenze aber läßt sich nichts daraus entnehmen. Vor 1804 hatte Lübeck nur der Strand bis zur Brodtener Südgrenze gehört; so war es seit 1329 gewesen.
Schließlich sucht Rörig seine Meinung über die westliche Landgrenze der Reede mit dem Niendorfer Fischereivergleich zu belegen, der 1817 zwischen Stadt und Fürstentum Lübeck zustande kam 235 ). In dieser Urkunde wird zu Anfang gesagt, daß man sich wegen der Fischereiberechtigungen "längst dem ganzen Strande, von der Travemünder Rehde an, bis zum Hafftkruger Felde" verglichen habe; dabei wird auf die beigegebene, einige Jahre vorher von dem Kammer-Conducteur Kaufmann angefertigte Situationskarte verwiesen 236 ). Was aber heißt "von der Travemünder Reede an"? Rörig legt diese Worte so aus, daß die Landgrenze der Reede in dem Brodtener Grenzpfahl zu erblicken sei, der auf der Kaufmannschen Karte verzeichnet und mit der Gosebeck vor dem Haffkruger Felde durch eine Linie verbunden ist. Aber diese Deutung könnte nur zutreffen, wenn sich vom Grenzpfahl aus eine Wassergrenze -
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auf die es ja für die Reede allein angekommen wäre - seewärts erstreckt, d. h. wenn es die Peilliniengrenze und die darauf errichtete Lotgrenze gegeben hätte. Das ist jedoch, wie wir gesehen haben, völlig ausgeschlossen. Hätte man solche Wassergrenze gekannt, so wäre gar nicht zu verstehen, warum die Situationskarte sie nicht wiedergibt; denn sie wäre ja gerade das Entscheidende gewesen. Man muß dabei beachten, daß die von Rörig konstruierte westliche Reedegrenze nicht von Norden, sondern von Nordosten her auf den Grenzpfahl zugeht und mit der Nordküste Brodtens einen spitzen Winkel bildet. Es hätten also die Fischer aus dem Fürstentum Lübeck unmittelbar am Ufer zwar nur bis zum Grenzpfahl Fischerei treiben dürfen, weiter seewärts aber noch darüber hinaus, nämlich bis zur Lotgrenze, die es jedoch in Wirklichkeit nicht gab und die deswegen auch auf der Karte nicht eingezeichnet ist.
Mit der Seegrenze schwindet auch der ohne sie sinnlose Landgrenzpunkt der Reede an der Brodten-Niendorfer Scheide. Also muß in dem Vergleich mit der "Reede" etwas anderes gemeint sein.
Um das Richtige zu finden, bedarf es einiger Feststellungen. Zunächst ist klar, worauf es bei dem Vergleich in erster Linie ankam: auf die Wadenzüge in der Niendorfer Wiek, die denn auch in großer Zahl auf der Situationskarte eingetragen sind. Von der Wadenfischerei handeln die ersten drei Paragraphen. Und weil in ihnen von dem "ganzen obgenannten Strande", der "ge-samten obbemeldeten Strandgegend", der "Eingangs bemerkten und auf der Charte bezeichneten Strecke" gesprochen wird, so können die Bestimmungen dieser Paragraphen sich auch nur auf den Strand beziehen, der zu Anfang des Vergleichs genannt ist, also auf den Strand von der Reede bis zum Haffkruger Felde, und es muß diese Begrenzung auch mit der Situationskarte in Einklang zu bringen sein. Auf der Karte aber darf es nicht beirren, daß zwischen dem Brodtener Grenzpfahl und der Gosebeckmündung eine Verbindungslinie gezogen ist, denn es steht ja dabei, daß sie nur den Bezirk "binnen Landes" abtrennen soll, wie die Fischer das Fanggebiet der Wiek genannt haben werden. Wenn daher die Linie auch dieses eigentliche Fischereigebiet bezeichnet, in dem sich die Wadenzüge finden, so braucht sie doch nicht zugleich den tatsächlichen Geltungsbereich des gesamten Abkommens anzugeben. Sonst müßten alle Interpretationsversuche scheitern; denn der Brodtener Grenzpfahl oder überhaupt die Brodten-Niendorfer Scheide kommt in dem Vergleich schlechterdings nicht vor, und eine Reedegrenze war an dieser Stelle nicht.
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Nun aber gibt die Karte noch das Nordufer Brodtens bis ungefähr dahin wieder, wo es sich allmählich nach Südosten buchteinwärts wendet. Wadenzüge sind hier allerdings nicht eingetragen. Aber auch Rörigs Kartenskizze zur Lübecker Fischerei 237 ) verzeichnet keine am Brodtener Strande; auf ihr finden sich Wadenzüge an der Westküste der Travemünder Bucht nur bis zum Möwenstein, dann erst wieder vor dem Niendorfer Ufer. Es wird denn auch in der Lübecker Fischereiverordnung von 1585 die Strecke vom Blockhause bis zum Möwenstein für die westliche Buchtfischerei angegeben, während die östliche bis zur Harkenbeck reichte 238 ). Ebenso in dem Fischereivergleich zwischen den Lübecker und Travemünder Fischern von 1610; dabei wurde bestimmt, daß die Travemünder zwischen dem Blockhause und dem Möwenstein ihre Netze setzen, aber die Wadenzüge der übrigen Fischer hier nicht stören dürften 239 ).
Wie kam man zur Abgrenzung dieser Strecke? Auf die Ursache dafür deutet eine Bemerkung in dem Bericht des Travemünder Lotsenkommandeurs von 1828 hin, wonach die Lotsen weniger als 200 Klafter Netze in einer Länge nicht setzen konnten, "da es oft über Steine und Gründe hingeht, wo keine Fische sind". Diese Lotsenfischerei begann aber eine bis anderthalb Meilen vor Travemünde, nach der "Norderseite" zu, also kurz hinter dem Möwenstein. Hier wird der Strand sehr schmal und samt dem Wassergrunde davor steinig. Die See hat im Laufe der Jahrtausende das Brodtener Ufer kilometerweit zurückgedrängt, und aus den dabei losgespülten Felsblöcken ist das Brodten vorgelagerte Steinriff entstanden. Für die Fischerei mit Zugwaden ist also das Gewässer an der Brodtener Küste so ungeeignet wie möglich.
Bei den Verhandlungen, die zum Niendorfer Vergleich führten, erklärten die Kommissare beider Parteien 1815, daß auf der Kaufmannschen Situationskarte "alle Fischzüge enthalten seien, auf die es ankomme" 240 ). Auf Wadenzüge östlich von Niendorf kam es eben nicht an. Mit der "Reede" aber kann in dem Vergleich gar nichts anderes gemeint sein als einfach die Travemünder Bucht. Niendorfer Wiek und Travemünder Bucht grenzen ja aneinander, und als Scheide zwischen beiden läßt sich der nördlichste Punkt des Brodtener Höveds annehmen, wo dieses südwestlich nach Niendorf,
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südöstlich nach der Trave zu abfällt. So genau brauchte man sich aber 1817 nicht auszudrücken, weil ja Einigkeit darüber herrschte, daß die Wadenzüge erst bei Niendorf begannen.
Auf den weiteren Inhalt des Vergleichs brauchen wir hier nicht einzugehen. Der darin vorkommende Ausdruck "Reede" ist von dem Ankerplatze auf die ganze Bucht übertragen worden. Schon bei dem Fischereistreit von 1616 hat Lübeck das Gewässer vor Rosenhagen seine Reede genannt, weil es sich doch auf irgend etwas berufen mußte. In Wirklichkeit aber handelt es sich dabei um einen bloßen Namen, nichts weiter, und besagt für eine Gebietshoheit nicht das mindeste. Nur die Bucht war gemeint, als 1804 der Lübecker Stadtbaumeister Behrens von dem Ufer "längs der Rehde am Brodtener Felde" berichtete 241 ). Ebenso in der Relation des Oberappellationsgerichtsrates Dr. Hach von 1825, worin von dem "Ende der Rehde, wo die Harkenbeck sich ergießet", gesprochen wird 242 ). Übrigens erscheint die Harkenbeckmündung auch hier lediglich als Fischereigrenze; denn der Prozeß, der damals zwischen den Travemünder Fischern und den übrigen Lübecker Fischergruppen vor dem Oberappellaionsgericht der freien Städte ausgefochten wurde, betrifft keine Gebietshoheit und keine Hoheitsgrenze, sondern nur die Art, wie die Ausübung der Fischerei sich auf die Fischergruppen verteilte. Und wenn der Vergleich von 1826, der im Anschlusse an den Prozeß zustande kam, von den lübischen Fischern ein "Vergleich wegen Befischung des Ufers der Travemünder Reede" genannt wurde 243 ), so ist unter der Reede wiederum die Bucht zu verstehen. Reede in dieser ganz vagen Bedeutung und Travemünder Bucht sind ein und dasselbe. Anders dagegen in dem Wetteprotokoll von 1823, wonach die Schlutuper Fischer über die Stellnetze der Travemünder auf dem Distrikt "zwischen der Rehde und Rosenhagen" hinweg gefischt hatten, eine Tat, die den erwähnten Prozeß verursachte 244 ). Hier ist die alte nautische Reede, der Ankerplatz vor der Travemündung gemeint,
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genau so wie in dem Bericht des Lotsenkommandeurs Harmsen von 1828. Statt des Wortes "Reede" in dem Protokoll kann man einsetzen "Major vor dem Brodtener Ufer"; denn es handelt sich zweifellos um die Strecke vom Major bis Rosenhagen, die hernach im Wetteprotokoll vom 25. November 1825 (oben S. 119) und im Fischereivergleich von 1826 genannt wird 245 ).
Auch die Major-Linie ist, wie wir schon oben S. 128 hervor gehoben haben, lediglich eine interne Lübecker Fischereigrenze. Man bedurfte ihrer, weil die innere Bucht vom Blockhause an, in der die Reede lag, als besonderer Fischereibezirk galt. Bloß des Ankerplatzes wegen, d. h. für Reedezwecke ist nie eine Scheidelinie gezogen worden. Auch nicht für die moderne nautische Reede, deren "ungefähre Abgrenzung" Rörig auf der Kartenskizze 2, die seiner ersten Druckschrift beigegeben ist, gegenüber von Rosenhagen nach dem Verlauf der 10 m-Wassergrenze eingezeichnet hat.
Hätte man je eine Hoheitsgrenze in der Travemünder Bucht oder noch weiter seewärts gekannt, sie wäre gewiß nicht in Vergessenheit geraten. Es gab eben keine. Dafür ist ja schon das Tasten Lübecks nach einer Grenze im 19. Jahrhundert bezeichnend 246 ). 1870 nahm das Lübecker Stadt- und Landamt "einen Streifen von einer Seemeile ins Meer, von der Landgrenze des Lübecker Staatsgebiets aus gerechnet", in Anspruch. Nach Rörig wäre darin freilich nur "ein Zeichen für die auffallende Unkenntnis der älteren Verwaltungspraxis" zu erblicken. Er ist des Glaubens, daß seine angeblich Jahrhunderte hindurch innegehaltenen Reedegrenzen nach 1828 aus dem Gedächtnisse der Lübecker weggelöscht seien, um durch ihn zu neuem Leben erweckt zu werden.
Das Lübecker Fischereigesetz vom 11. Mai 1896 nahm die Linie Harkenbeck-Haffkruger Feld an, soweit sie an der Travemünder Bucht vorüberläuft. Rörig hat nachgewiesen, daß sie wieder nur eine "interne" Abgrenzung zwischen den Lübecker Fischergruppen ist, die 1879 entstand und aus der man irrtümlich eine Hoheitsgrenze gemacht hat 247 ). Der Lübecker Senat hat sie denn auch fallen lassen. Aber auch die neue Grenze ist nun zusammengebrochen, und es bleibt keine mehr übrig, außer der, die
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nach Maßgabe des Küstenbesitzes zwischen Mecklenburg und Lübeck zu ziehen ist.
Da die Linie Harkenbeck-Haffkruger Feld durch die jetzige nautische Reede mitten hindurchführt - auf der Seekarte ist der die Reede bezeichnende Anker noch jenseit der Linie eingetragen -, so hat Lübeck auf einem großen Teile dieser Reede gar keine Gebietshoheit beansprucht, bis Rörig seine neue Grenze entdeckte. Und die 1870 vom Lübecker Stadt- und Landamt angegebene Hoheitszone geht über die 10 m-Wassergrenze nur gegenüber von Brodten und dem Möwenstein ein Stück hinaus, ohne den "besten Ankergrund der Reede in der Gegend der Harkenbeck bei 17 m Wassertiefe" 248 ) auch nur entfernt zu erreichen, von dem sie etwa 1 km abliegt. Schlagender kann nicht bewiesen werden, daß eine Reede überhaupt keine Gebietshoheit voraussetzt. Übrigens muß man sich davor hüten, mit dieser Reede gegenüber der Harkenbeck die Vorstellung eines lebhaften wirtschaftlichen Betriebes zu verbinden. Sie besteht wohl mehr dem Namen nach, da bei den heutigen Tiefenverhältnissen auch größere Schiffe die Trave befahren können. Nach unseren Erkundigungen kommt es selten vor, daß Schiffe auf der Reede liegen. Was man von dieser bemerkt, ist also nur zuweilen ein vor der Küste ankerndes Schiff, dessen Anwesenheit die mecklenburgischen Hoheitsrechte nicht beeinträchtigen kann, sofern es sich auf dem Buchtanteile Mecklenburgs aufhält.
"Nicht nur in der Schiffahrt waren die Lübecker die ersten, die in diesem Meeresgebiet (gemeint ist die große Lübecker Bucht) . . wirtschaftliche Rechte ausübten, sondern auch in der Fischerei. . . . Wenn diese Fischer (die lübischen) noch etwa um das Jahr 1500 mit ihren Fanggeräten (Waden, Netzen, Angeln) in die Lübecker Bucht hinausfuhren, um an ihren verschiedenen Küsten - der holsteinischen und der mecklenburgischen - zu fischen, waren sie damals noch ohne jeden Wettbewerb; erst nach 1500 versuchten die Strandbewohner dieser Küsten, selbst zu einer nennenswerten Eigenfischerei überzugehen." so sagt Rörig I, S. 2 f. Wir haben ihm 1923 erwidert: "Solange dies nicht bewiesen ist, behaupten wir, daß die Strandbewohner dort schon Küstenfischerei getrieben haben, bevor Lübeck gegründet wurde. Wir haben dabei alle Wahrscheinlichkeit für uns, weil gar nicht anzunehmen ist, daß diese Bevölkerung auf die Fischerei in der See verzichtet haben sollte.
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Bekannt ist, daß der Heringsfang schon in wendischer Zeit betrieben wurde." Dazu bemerkt Rörig II, S. 256 f., wo er uns recht ungenau zitiert 249 ), wir hätten keine Gegenbeweise vorgebracht und mit wissenschaftlicher Beweisführung habe "diese Art der Schlußfolgerungen jedenfalls nichts mehr zu tun". Was für Schlußfolgerungen? Schlüsse haben wir nicht gezogen, sondern nur einer unwahrscheinlichen Behauptung eine wahrscheinliche gegenübergestellt. Dabei interessierte uns nur die mecklenburgische Küste, auf die wir in unseren weiteren Ausführungen von 1923 ja auch eingegangen sind. Und angesichts der gänzlichen Abwesenheit auch nur des Versuches einer Beweisführung für eine ausschließliche Lübecker Fischerei an dieser Küste (bis zur Wismarer Bucht hin) bedurfte es wohl keiner "Gegenbeweise".
Solche Beweise für die Fischerei an bestimmten Küstenstrecken bis 1500 zu liefern, wird in sehr vielen Fällen überhaupt nicht möglich sein. Dazu reicht das erhaltene Quellenmaterial nicht aus. Auch die Angaben bei Rörig I, S. 3 und 20 f. über eine Lübecker Fischerei bis zur Wismarer Bucht im Mittelalter beruhen ja auf Rückschlüssen aus späteren Nachrichten. Derlei Rückschlüsse können erlaubt sein. Aber es liegt nahe anzunehmen, daß die Lübecker ihre Seefischerei zunächst nach Westen richteten, wo sie ja für den holsteinischen Strand 1252 ein Privileg erhielten 250 ), und daß sie sich erst später dem mecklenburgischen Küstengewässer zuwendeten, zu einer Zeit, wo das Fischereiregal hier nicht mehr so genau in Obacht genommen wurde.
Nun meint Rörig, den Nachweis geführt zu haben, daß an der holsteinischen Küste bis ins 16. Jahrhundert in der Tat ausschließlich die Lübecker gefischt hätten. Aber nachgewiesen hat er nur, daß man sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeitweilig am holsteinischen Strande nicht mehr dulden wollte. Er führt dies zum Teil zurück auf die sorgsame Bewahrung der territorialen Superiorität gegenüber fremden Ansprüchen, wie sie der Zeit eigentümlich war, auf die "Auseinandersetzungen zwischen Territorium und Stadt" 251 ). Mitgespielt hat gewiß ein anderes. Es waren der neue Cismarer Amtmann Detlev Rantzau und einige an der Lübecker Bucht ansässige adelige Gutsherren, die sich der
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Lübecker Fischerei widersetzten. Die Bewohner des domkapitularischen Dorfes Timmendorf schlossen sich dem an. Zwischen Lübeck und dem holsteinischen Adel bestand aber von altersher ein Gegensatz, der durch die Grafenfehde in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts nur verschärft sein konnte. Ein Namensvetter des Cismarer Amtmannes, der als Feldherr berühmte Johann Rantzau († 1565) hatte damals siegreich gegen Lübeck gefochten. Solche Erinnerungen und alte Feindschaften werden bei dem Fischereistreit nachgewirkt haben.
Die eigentlichen schweren, aus dem Gegensatze Territorium-Stadt entstandenen Konflikte zwischen den Landesherren und den Seestädten liegen zu Anfang des 14. und im 15 Jahrhundert, nicht im sechzehnten. Und nach dem urkundlichen Material, das wir im ersten Berichtsteile (Abschnitt A) vorgebracht haben, ist die Regalität der Küstenfischerei gerade in der früheren Zeit, im 13. und noch im 14. Jahrhundert streng gewahrt worden. Darum schärfte auch Herzog Bogislav von Pommern 1286 seinen Beamten ein, die Kolberger im Genusse der ihnen neu verliehenen Seefischerei nicht zu stören 252 ). Wäre man damals so weitherzig gewesen wie hernach z. B. an der Küste des Amtes Grevesmühlen, so würden sich wohl nicht so viele spezialisierte Privilegien finden.
Daß es sich bei der Krisis, die um 1580 die Lübecker Fischerei am holsteinischen Strande durchmachte, um etwas ganz Neues, bisher noch nicht Vorgekommenes handelte, erscheint sehr zweifelhaft. Jedenfalls konnten sich gesteigerte Ansprüche der lokalen Gewalten auch darin äußern, daß man eine bisher gemeinsame Fischerei der Lübecker und der Anlieger in eine ausschließliche der Anlieger umwandeln wollte. Denn es war ja beabsichtigt, die lübischen Fischer ganz zu verdrängen 253 ). Zwar nimmt Rörig als weiteren Grund für die Streitigkeiten an, daß die Anlieger erst damals zu eigener Fischerei übergegangen seien, aber er gibt dafür keine Beweise 254 ). Für die lübische Fischerei am holsteini-
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schen Strande im Mittelalter besteht ja das einzige vorgebrachte Zeugnis in dem Privileg von 1252. Ob für die Anliegerfischerei vor 1500 etwas festzustellen ist, wissen wir nicht. Sollte es nicht der Fall sein, so würde doch hieraus nicht geschlossen werden können, daß sie überhaupt nicht vorhanden war. Solche Argumentatio e silentio fontium wäre unzulässig.
Es kommt auch gar nicht darauf an, mit was für Geräten gefischt wurde, und ob die Wadenfischerei vormals nur in Lübecker Hand war, was übrigens nicht nachgewiesen ist. Gewehrt hat Lübeck sich lange gegen die Ausbreitung der Niendorfer und Timmendorfer Wadenfischerei; aber die Fischer dieser Ortschaften fanden eben keine genügende Unterstützung bei ihrer Obrigkeit, dem Domkapitel 255 ), das sich ja auch bei dem Streit wegen des Steinholens am Brodtener Ufer schwach zeigte 256 ). Nach Rörig (II, S. 258) sollen wir behauptet haben, die Lübecker hätten sich "in der Niendorfer Wiek Fischereirechte erst all-
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mählich auf Kosten der Fischerei der Strandanlieger angemaßt". Gesagt haben wir aber, daß Lübeck es unternommen habe, in der Niendorfer Wiek "die Fischerei der Küstenbevölkerung zurückzudrängen und ihr Bedingungen vorzuschreiben", bis schließlich 1817 der Niendorfer Vergleich auf der Grundlage der Gleichberechtigung abgeschlossen worden sei 257 ). Zum Beweise der Richtigkeit dieses Urteils berufen wir uns auf das, was Rörig I, S. 12 f. dargelegt hat. Wenn er jetzt erklärt, er müsse uns die Verantwortung überlassen "für diese Art, einwandfrei erwiesene historische Entwicklungsreihen auf den Kopf zu stellen", so überlassen wir ihm dagegen die Verantwortung für die Entstellung unserer Ausführungen. Selbstverständlich hatten die Lübecker durch das Privileg von 1252 das Recht erlangt, in der Niendorfer Wiek zu fischen, aber sie hatten dort nicht die ausschließliche Fischerei, waren also auch nicht befugt, den Niendorfern und Timmendorfern Bedingungen vorzuschreiben. Wenn sie z. B. 1729 den Niendorfern, die in der Wiek mit der Wade nach Dorsch fischten, ihre Fanggeräte beschlagnahmten 258 ), d. h. raubten, so war das eine Tat des Erwerbsneides und nichts weiter als nackte Gewalt.
Was Rörig für die holsteinische Küste gefunden zu haben meint, hat er auch für die mecklenburgische vorausgesetzt. "Das steilere Ufer der mecklenburgischen Küste", so heißt es I, S. 20 f., "ist für eigene Schiffahrt und eigene Fischerei gleich ungünstig: erst wo die Buchten an ihr beginnen, setzt früh die eigene Fischerei ein. Das in der ausschließlichen Ausübung von Schiffahrt und Fischerei vor dieser Küste bis Wismar hin liegende absolute Übergewicht Lübecks wurde hier um so weniger beeinträchtigt, als an dieser Küstenstrecke weder für Schiffahrt noch Küstenfischerei die nötigen Stützpunkte (Häfen) vorhanden waren: infolgedessen blieb die Küstenfischerei hier so gut wie in ausschließlicher Nutzung durch die lübischen Fischer." Das alles wurde rein konstruktiv, ohne irgendeinen Beweis behauptet. Wir haben 1923 erwidert: "Zu Rörigs Meinung, daß das steile Ufer der mecklenburgischen Küste bis Wismar hin" (d. h. bis zur Wismarer Bucht) "für eigene Fischerei ungünstig sei, bemerken wir, daß ebenso gut wie die Lübecker auch die mecklenburgischen Fischer hier ihre Netze aufs Land ziehen konnten und daß überall genügend Vorstrand
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und Lücken im Steilufer vorhanden sind, um die Fischerei zu ermöglichen. Gerade an der Küstenstrecke bis zur Harkenbeck ist so viel Vorstrand wie kaum irgendwo anders am mecklenburgischen Meeresufer; hätte sich hier keine eigene Fischerei ausbilden können, so wäre dies an einem großen Teile der Küste Mecklenburgs ebensowenig möglich gewesen. Der ÂStützpunkte (Häfen)' bedarf es für den Fischfang überhaupt nicht, sondern nur für die Ausübung des Fischergewerbes und des Fischhandels nach großem Maßstabe. Aber auch die Dorffischer werden Gelegenheit gehabt haben, ihren Fang in den Städten und Dörfern der Umgegend abzusetzen. In der Tat wurden die Heringe, die 1616 mit der großen Reuse gefangen waren, an die Landbevölkerung und sogar in Travemünde verkauft, während die Lübecker in Mecklenburg nichts feilboten" 259 ).
Inzwischen hat Rörig in seinem neuen Gutachten (II, S. 257) erklärt, daß seine Angaben von 1923 jetzt auch für die gesamte mecklenburgische Küste festständen, "nicht zuletzt dank der im M. G. (unserem Gutachten) selbst enthaltenen Quellenzeugnisse". Diese ergäben "das Übergewicht der Städte auch in den Nutzungen der Fischerei für die mecklenburgische Küste". Also doch wenigstens nur noch ein Übergewicht. Er verweist dabei auf den Teil seiner Arbeit, der von der vermeintlichen Vormachtstellung der Städte Lübeck, Wismar und Rostock am mecklenburgischen Strande handelt, Thesen, die wir oben S. 52 ff. wohl ausreichend widerlegt haben. Wenn die Lübecker bis Klützer Höved hin fischten, was von uns nie bestritten ist, wenn die Städte sich - möglicherweise! - zeitweilig über Fischereibezirke geeinigt hatten, wenn die Warnemünder Seefischer, wie sich aus der Beschwerde Rostocks von 1621 ergibt, an der ganzen mecklenburgischen Küste ihrem Gewerbe nachgingen 260 ), so steht doch deswegen ein "Übergewicht" der städtischen Fischerei noch lange nicht fest. Z. B. gab es am Fischländer Strande eine bedeutende Anliegerfischerei, die gewiß älter ist als die zufällig erhaltenen Quellen bezeugen. Auch Wadenfischerei wurde hier betrieben; 1614/15 werden nicht weniger als zwölf Waden genannt 261 ). In neuester Zeit zählen die an der Wismarer Bucht gelegenen Küstendörfer zusammen weit mehr Fischer als Wismar selbst; und wenn man behaupten will, daß das Verhältnis früher umgekehrt gewesen sei oder daß Wismar
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hier gar die alleinige Fischereigerechtigkeit gehabt habe, so muß man dafür Beweise vorlegen.
Die ganzen Anschauungen Rörigs über eine Alleinherrschaft der Seestädte auf dem Gebiete der Meeresfischerei rechnen gar nicht mit den tatsächlichen mittelalterlichen Verhältnissen. Kleinbetrieb war überall das Herrschende. Dabei muß der Fischverbrauch schon aus rituellen Gründen (Fastenspeise) verhältnismäßig bedeutend gewesen sein, und daß die Küstenbewohner sich die Gelegenheit hätten entgehen lassen sollen, Fische aus dem Meer zu holen, ist so unwahrscheinlich wie möglich. Aus den wenigen großen Seestädten konnte schon wegen der mangelhaften Verkehrsverhältnisse nicht alles beschafft werden.
Indessen ist es von geringerem Belang, ob die städtische Fischerei überwog oder nicht. Ausschließlich war sie in keinem Falle. Genau so früh und früher noch als die städtische Fischerei lassen sich Dorffischer an der mecklenburgischen Küste nachweisen. Wir erinnern an die Urkunde für das Kloster Neukloster von 1219 (oben S. 13). Weiter erscheint 1312 ein Dorffischer in Nienhagen, das östlich vom Heiligendamm an der dort sehr steilen und also nach Rörig "für eigene Fischerei" so ungünstigen Küste liegt 262 ). Nur Seefischerei kann er in dieser Gegend betrieben haben. Um 1360 wird ein Fischer in Niendorf auf Poel genannt 263 ). Zur selben Zeit, aus der Nachrichten über eine seit langem bestehende Lübecker Fischerei bis Klützer Höved hin erhalten sind, waren auch Tarnewitz und Boltenhagen, beide am Westeingange der Wismarer Bucht gelegen, schon ausgesprochene Fischerdörfer 264 ). Und wenn bei dem Fischereistreit mit Lübeck von 1616 neben anderen Zeugen zwei Tarnewitzer über die Strand- und Fischereiverhältnisse von Travemünde an vernommen wurden, so konnte der Grund nur darin liegen, daß die Fischer aus der Gegend der Wismarer Bucht auch nach Westen, nach Travemünde zu, mit ihren Booten kamen. Desgleichen erscheint 1616 ein Seefischer aus Wilmsdorf (nördlich von Dassow), und auch andere Zeugen aus Kl. Pravtshagen, Harkensee und Dassow wußten über die Seefischerei Auskunft zu geben. 1590 stand bei Brunshaupten eine herzogliche Reuse 265 ). 1618 ist in derselben Gegend Anliegerfischerei nachweisbar 266 ).
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Ebenso um die gleiche Zeit an der Wismarer Bucht (Poel, Fischkaten) 267 ). 1690 werden sieben Leute aus Schwansee (nicht weit von der Harkenbeckmündung) als Fischer bezeichnet 268 ). Und 1773 fischten eine ganze Reihe von Gütern, die zwischen Wismar und Travemünde an der Küste liegen, seit langer Zeit 269 ). Das ist eine kleine Auslese, die sich auf den ganzen mecklenburgischen Strand verteilt und vermutlich noch vervollständigt werden könnte.
Schon die Feststellung von Seefischerei in Anliegerdörfern im 13. und 14. Jahrhundert deutet darauf hin, daß diese Zustände sich nicht erst nach 1500 entwickelt haben. Wer das annehmen will, hat keine Wahrscheinlichkeit für sich. Um die Zeit, aus der reichlicheres Quellenmatrial vorhanden ist, fischten an der mecklenburgischen Küste Dorffischer, Warnemünder, Wismarer, Lübecker und andere Fremde bunt durcheinander. So erschienen bei Brunshaupten um 1580 jahrelang holsteinische Fischer, die niemand dort vertrieb, auch nicht die herzoglichen Beamten, die ihnen aus dem Doberaner Wald Holz lieferten und ihre fünf Buden am Strande ruhig stehen ließen 270 ). Die Dinge lagen offenbar gerade so wie an der pommerschen Küste, wo schon im 13. und 14. Jahrhundert keineswegs nur städtische Seefischerei betrieben wurde 271 ).
Soviel über die mecklenburgische Küstenfischerei im allgemeinen. Im besonderen dreht sich der Streit um die Wasserfläche vor der Küstenstrecke Priwall-Harkenbeck. Auf ihr soll Lübeck stets die alleinige Fischereigerechtigkeit gehabt haben; darin erblickt Rörig eine Hauptstütze für seine These von der Gebietshoheit Lübecks auf der "Reede" am mecklenburgischen Ufer. Und in seiner Beweisführung für die ausschließliche Fischereigerechtigkeit spielen die Lübecker Fischereiverordnungen eine wichtige Rolle. Sie sollen auch dartun, daß die Harkenbeck eine Hoheitsgrenze sei.
Da ist zunächst die Fischereiverordnung von 1585 272 ). Sie betrifft Binnenfischerei sowohl wie Seefischerei und ist zur Regelung von Streitigkeiten zwischen den Lübecker Fischergruppen erlassen worden. Zu Anfang wird gesagt, daß die Fischerei "up des erbarn Radts und gemeiner Stadt Stromen und angehorigen Potmessigkeiten" in Unrichtigkeit geraten sei. Hernach, bei den Bestimmungen über die Seefischerei der Travemünder, ist von "des
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erbarn Radts Gerechtigkeit" die Rede. Aber es kommt gar nicht darauf an, wie es Lübeck gefiel, seine Fischereiplätze und Nutzbarkeiten bei seiner Verwaltung zu bezeichnen. Zur selben Zeit hat ja auch Mecklenburg im Streite mit Lübeck seinen Anspruch auf einen Teil dieser Gewässer (Dassower See usw.) vertreten. Mit Benennungen schafft man sich keine Gebietshoheit. Das ist offenbar auch Rörigs Meinung, ausgesprochen im Hinblick auf eine Erklärung des Herzogs Adolf von Holstein (I, S. 26).
Entscheidend ist etwas anderes. Die Verordnung regelt ja, soweit sie Seefischerei betrifft, nicht nur den Fischfang auf der Travemünder Bucht. Sondern es heißt bei den Bestimmungen über die Fischerei der Travemünder und Schlutuper:
". . oft ock wol de Travemunder und Schluckuper na oldem Gebrucke befoget, dat ganze Jahr dorch von Travemünde an beth in de Wick und apene wilde See, so with ein jeder sin Levent wagen will, tho fischen", so solle doch von Jakobi bis Michaelis in der Makrelen- und Tobias-Zeit folgender Unterschied gemacht werden: Es sollte nämlich den Travemündern erlaubt sein, alle Tage vom Blockhause bis zum Möwenstein und bis zur Harkenbeck "und ferner in der Wick und offenen See" zu fischen, den Schlutupern aber in derselben Zeit auf den Strecken bis zum Möwenstein und zur Harkenbeck nur am Montag Vormittag und in drei Nächten jeder Woche, und zwar nur mit dem dritten Teile ihrer Waden. Die übrigen beiden Drittel sollten zwischen Jakobi und Michaelis alle Tage "butten Herckenbeke und Mewenstein in der Wick und offnen fryen See, so with se willen", gebraucht werden dürfen ("mogen . . der Vischerey gebrucken").
Hier handelt es sich also um mehr als um die Fischerei in der Travemünder Bucht oder dem vermeintlichen Reedegebiet. Es wird unterschieden zwischen 1) Buchtfischerei (an den Küstenstrecken Blockhaus-Möwenstein und Blockhaus-Harkenbeck), 2) Fischerei in der Wiek, womit natürlich die Niendorfer Wiek gemeint ist, 3) Fischerei in der offenen See. Wie auf der Kaufmannschen Situationskarte, die dem Niendorfer Vergleich von 1817 beiliegt, die Wasserfläche vor der Strecke Niendorf-Gosebeck ein Bezirk "binnen Landes" genannt wird (oben S. 133), so könnte man auch das Fischereigebiet zwischen dem Blockhause und dem Möwenstein auf der einen, der Harkenbeck auf der anderen Seite als binnen Landes gelegen bezeichnen. Tatsächlich erstreckt sich ja allerdings die westliche Buchtküste weiter als bis zum Möwenstein, aber
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dieses letzte Ende wurde nicht berücksichtigt, weil es für Wadenfischerei ungünstig ist 273 ).
Weil die Verordnung über die Harkenbeckmündung hinausgreift, so fällt jeder Grund weg, zu folgern, daß hier eine Hoheitsgrenze gewesen sei. In der Tat muß sich ja Lübeck auch auf der Niendorfer Wiek eine "Botmäßigkeit" - wiewohl auch hier unberechtigt - zugeschrieben haben. Denn wie hätte es sonst dazu kommen sollen, die Fischerei der Niendorfer und Timmendorfer zu regeln und Niendorfer Fischergeräte zu beschlagnahmen. Wollte man aus der Verordnung auf eine Gebietshoheit schließen, so müßte man sie folgerichtig auch auf die Niendorfer Wiek und die offene See ausdehnen. Nicht als Hoheitsgrenze erscheint die Harkenbeckmündung in der Verordnung, sondern - ebenso wie das Blockhaus und der Mewenstein - als interner Lübecker Fischereigrenzpunkt, zur Scheidung des wichtigen und günstig gelegenen Buchtbezirkes von den weiter östlich gelegenen Fangplätzen 274 ).
Dasselbe gilt von dem Vergleich zwischen den Lübecker und Travemünder Fischern von 1610, worin den Travemündern gestattet wird, außerhalb des Möwensteins und der Harkenbeck in der See und am Lande zu fischen und Netze zu setzen 275 ). Ferner heißt es in dem Fischereivergleich von 1826 unter D 3: "Krabben-Körbe dürfen der bisherigen Ordnung gemäß nur außerhalb des Möwensteins und Harkenbeck, ohne näher damit herein zu rücken, von den Travemünder Fischern gesetzt werden" 276 ). Weil also diese Bestimmungen das Gewässer östlich von der Harkenbeck betreffen, so ist nicht einzusehen, warum gleichartige Anordnungen, die für die Fangplätze westlich von der Bachmündung gelten, auf einer Lübecker Gebietshoheit beruhen sollen und warum die Harkenbeck eine Hoheitsgrenze sein soll. Sie ist eben nur eine interne Fischereigrenze.
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Sowohl die Fischereiverordnung von 1585 wie der Vergleich von 1610 sind durch Streitigkeiten hervorgerufen worden, die zwischen den Fischergruppen obwalteten und dem Lübecker Rat zur Regelung unterbreitet wurden. Selbstverständlich konnte der Rat solche Konflikte schlichten und entscheiden, auch wenn es sich um die Fischerei auf Wasserflächen handelte, auf denen die Lübecker lediglich eine hergebrachte Nutzung ausübten. Das Recht dazu war aus dem Obrigkeitsverhältnisse des Rates zu den Fischerkorporationen und ihren Mitgliedern herzuleiten und braucht keineswegs auf einer Gebietshoheit zu beruhen. Zum Beispiel wurde in dem Vergleich von 1610 festgesetzt, es solle kein Travemünder "zu fischen befugt sein und zugelassen werden, der nicht sein eigen Haus habe und Nachbarrecht thue", ein Verbot, das doch auch für den Fang in offener See außerhalb der Harkenbeckmündung galt. Mag sich also Lübeck unter seiner "Botmäßigkeit" und "Gerechtigkeit" vorgestellt haben, was es wollte, für eine Gebietshoheit auf der Travemünder Bucht sind diese alten Anordnungen ebenso wenig ein Beweis wie für eine Gebietshoheit in der Niendorfer Wiek.
Der Vergleich von 1826 ist ein Privatvertrag, der zur Beendigung von Streitigkeiten zwischen den Travemündern und den übrigen Fischergruppen geschlossen und durch die Wette bestätigt wurde. Es waren wohl die Fischerkorporationen überhaupt nicht berechtigt, solche Vergleiche ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde abzuschließen. Auch dieser Vertrag band, ebenso wie die älteren Regelungen, lediglich die Lübecker Fischer.
Aber nicht nur sie waren auf der Travemünder Bucht fischereiberechtigt. Rörig behauptet freilich das Gegenteil, und er hat die Zeugnisse, die wir gegen seine Ansicht vorgebracht haben, zu entkräften gesucht. Gelungen ist ihm das nicht.
Zunächst soll Lübeck 1600 mecklenburgische Fischerei auf der Bucht nicht geduldet haben 277 ). Am 30. März 1600 nämlich beschwerten sich die Lübecker Fischer bei ihrem Rate über den früheren Schlutuper Wadenmeister Jochim Schröder, der in die Dienste des Junkers Vicke von Bülow auf Harkensee getreten war. Dieser hatte ihm eine große Wade machen lassen, und damit hatte Schröder nach Angabe der lübischen Fischer "außer der Reyde und innen der Traven und Pötenitze" (Pötenitzer Wiek) "zugleich auch diesen Tagk in der Niendurfer Wich gevischert neben unß". Also wohl auch auf der Travemünder Bucht, aber außerhalb der nautischen Reede. Der Rat entschied, daß den Fischern zu befehlen
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sei, dem Schröder, "so weit sich des Raths Boden erstrecket und uf der Reyde", Wade und Kahn wegzunehmen. Danach eine Eintragung im Ratsprotokollbuch vom 4. April, wonach es sich um einen "neuen Heringfangk" handelte. Weiter im Wettebuch (11. April): Die Fischer sollten dem Jochim Schröder seine Geräte wegnehmen, "so verre se ehme up der Reyde bekomen werden", d. h. sofern sie ihm auf der Reede begegnen, ihn dort antreffen würden. Nach der Angabe vom 30. März war er ja auf der Reede noch nicht gewesen.
Nun sagten hernach, bei dem Fischereistreit von 1616 vier Zeugen aus Harkensee, Rosenhagen und Dassow aus, daß der alte Junker Vicke von Bülow mit der großen Wade bis vor Travemünde gefischt habe. Beides, die Eintragungen in den Protokollbüchern und die Aussagen, verschmilzt Rörig miteinander 278 ), und dadurch entsteht ein ganz falsches Bild. Denn unter der "Reede", auf der man den Bülowschen Fischer pfänden wollte, versteht Rörig die Wasserfläche bis zur Peillinie Berg-Mühle, obwohl in der Fischereiverordnung von 1585 das Wort "Reede" gar nicht vorkommt und der Vergleich von 1610 nur eine nautische Reede kennt. Die Hauptsache aber, die darin besteht, daß Jochim Schröder auf den Binnengewässern erschienen war, läßt er außer acht.
Einer der erwähnten Zeugen von 1616, ein Harkenseer, erklärte, es "habe der alte Vicke Bülow mit seiner großen Wade biß an der Lübischen Blockhauß gefischet, daselbst er nur 2 Wadenzüge geschonet". Mithin ließ Bülow an der mecklenburgischen Buchtküste fischen bis in die Gegend des Blockhauses, wo die Reede anfing 279 ). Dazu stimmt die Aussage eines Tarnewitzers, der von der Bülowschen Fischerei nichts berichtete, aber angab:"Außerhalb 2 Wadenzüge hinter der Lübischen Blockhause sei die Fischerey allenthalben gemein gewesen". Was waren das für Wadenzüge? Es können nur solche zwischen dem Blockhause und dem Möwenstein gemeint sein. Hier war - bis zur Brodtener Grenze - Lübecker Strand, und davor lag die Reede. Wer hier mit der Wade fischen wollte, mußte diese über das Gebiet der nautischen Reede hinweg an den Lübecker Strand ziehen. An dieser Stelle war - laut den erwähnten Aussagen von 1616 - die Fischerei in der Tat ausschließlich in lübischen Händen. Seinen eigenen Strand gab Lübeck für Fremde nicht her; aber das lag auch in der Natur der Sache, denn hier war ja die Wadenfischerei
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durch die auf der Reede liegenden Schiffe behindert und konnte gewiß nur in eingeschränktem Maße betrieben werden.
Wenn also der Bülowsche Fischer sich wiederum auf den Binnengewässern (so weit sich des Raths Boden erstrecket) zeigen oder den Schauplatz seiner Tätigkeit auf die nautische "Reyde" verlegen würde, dann wollte man ihn fassen. Aber er hütete sich augenscheinlich, seine Wade an den Lübecker Strand zu ziehen, sondern blieb "außer der Reyde". Daher konnte man ihm auf der Bucht nichts anhaben; ausdrücklich sagte ein Rosenhäger Zeuge 1616, er sei bei dieser Fischerei "biß an Travemunde hinan" mit dabei gewesen, und es sei ihnen "nicht gewehret worden".
Was nun mit dem "neuen Heringfang", wie es im Lübecker Ratsprotokollbuche heißt, gemeint ist, das wollen wir dahingestellt sein lassen. Nach der Aussage eines Zeugen aus Dassow, der also nicht weit von Harkensee wohnte, von 1616 hatte Vicke von Bülow die erste große Wade machen lassen. Wir wollen nicht darüber streiten, ob weitere große Waden gefolgt sind. Von den Bülowschen Besitzungen Harkensee und Rosenhagen aus hatte man nach den Akten über den Fischereistreit von 1616 nur zur Zeit des alten Junkers und seines Fischers Schröder mit der großen Wade gefischt; wenigstens wird nichts weiter angegeben. Aber auf die Geräte kommt es nicht an. Wenn der "neue Heringfang" etwas vom Lübecker Standpunkte aus Verbotenes bedeuten sollte, so kann sich dies nur darauf beziehen, daß Bülow seinen Fischer auch auf die Trave und die Pötenitzer Wiek geschickt hatte. Denn auf den strittigen Binnengewässern wurde ja ebenfalls nach Heringen gefischt. Das besagt schon die Fischereiverordnung von 1585, wonach die Travemünder die große Heringswade auf der Trave vom Stolper Haken an gebrauchen durften. Auch aus den Akten über den Prozeß um die Binnengewässer geht es hervor. Wie uns mitgeteilt ist, werden noch heute auf dem Dassower See Heringe gefangen, die mit einlaufendem Strome hereinziehen.
Die Beschwerden der Lübecker über die Bülowsche Fischerei haben mit der Travemünder Bucht, abgesehen von der nautischen Reede, die ja Jochim Schröder tatsächlich vermied, nichts zu tun, sondern gehören in den Zusammenhang des Prozesses um die Untertrave, die Pötenitzer Wiek usw., der zu eben jener Zeit in vollem Gange war. Begreiflich genug, daß die lübischen Fischer den abtrünnig gewordenen Jochim Schröder bitter haßten und ihn am liebsten dem Lübecker Rate "zu Händen" geschafft hätten. Man muß auch wissen, daß Vicke von Bülow auf Harkensee ein sehr eifriger Vorkämpfer des mecklenburgischen Rechtes auf die Binnen-
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gewässer war. Also war er wohl in Lübeck nicht beliebt. Er spricht noch aus dem Grabe; denn es haben sich Briefe von ihm an den herzoglichen Rat Dr. Cothmann erhalten, worin er über diese Gewässer schrieb. Und in einem der Briefe (von 1598) sagt er, daß "die Lübischen alle ihre actus turbatorios actus possessorios nennen". Wäre er noch achtzehn Jahre später am Leben gewesen, so würde er Gelegenheit gehabt haben, diesen Ausspruch auch auf das Verhalten Lübecks in der Travemünder Bucht, bei dem Fischereistreit von 1616 anzuwenden.
Auf diesen Fischereistreit von 1616, wollen wir jetzt des näheren eingehen. Auch hier sollen wir ja wieder eine "tendenziöse Auswahl" von sogenannten Ortsangaben (gemeint ist die Ausdehnung des Küstengewässers) geliefert haben. Woher nimmt eigentlich Rörig (II, S. 262) den Mut zu dieser Behauptung, die doch nur den Zweck haben kann, unsere Benutzung des in Betracht kommenden, für Lübeck allerdings sehr ungünstigen Materials zu verdächtigen? Und welche anderen "Ortsangaben" sind denn Rörig bekannt? Wir haben im Gegenteil das Material, das geheimzuhalten wir am allerwenigsten Ursache hätten, umständlich behandelt und werden es jetzt noch genauer vorlegen, soweit dies nicht schon im bisherigen Verlaufe unserer Untersuchungen geschehen ist.
Einige in der Gegend von Dassow Ansässige, nämlich Hans von Plessen auf Dönkendorf, Jürgen von Bülow auf Harkensee und der Pächter Christian Sithmann zu Wieschendorf ließen gemeinsam eine große Fischreuse anfertigen und im März 1616 am Strande von Rosenhagen, das zu Harkensee gehörte, aussetzen. Die Reuse hatte über 100 Gulden gekostet. Ihre riesige Ausdehnung geht daraus hervor, daß sie nach Angabe des Lübecker Rates "mit 17 Pfälen, vielen stehenden und hangenden Netzen, Draggen (= Ankern) und anderen Sachen" versehen und, vom Ufer an gerechnet, 266 Faden (478 m) lang war. Die Entfernung vom Ufer bis zur Reuse betrug 30 Faden (54 m) 280 ). Nach einer weiteren Angabe des Rates stand die Reuse "von dem Harkenbeke quer über biß auf 4 und mehr Faden tief in die Sehe hinein, gegen dem Munde oder Eingange unsers Travenstrombs" 281 ) Danach hätte sich der äußerste Reusenpfahl seewärts in einer Wassertiefe von mindeftens 7,2 m befunden. In Mecklenburg behauptete man, daß die Reuse "vom Lande oder Strande ab biß
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in die Sehe etwa ein Buchßenschuß oder 100 Faden langk hinein belegen, und an dem Ort, da die letzten Pfale der Reusen in der Sehe gestanden, die Tiefe des Wassers nur vierdtehalb Faden ist." Bei niedrigem Wasserstande sei die Tiefe noch geringer 282 ). Als diese Angaben von mecklenburgischer Seite gemacht wurden, stand aber die Reuse nicht mehr, und es ist dabei die Reusenlänge offenbar unterschätzt worden; denn bei einer Entfernung von 180 m vom Ufer kommt man lange nicht auf eine Tiefe von 31/2 Faden (6,3 m). Die von Lübeck genannte Länge wird also eher das Richtige treffen. Die Wassertiefe ist aber von Lübeck übertrieben worden und wird auf 5 bis höchstens 6 m zu reduzieren sein. Jedenfalls ist sicher, daß die Reuse bis in die schiffbare See hineinreichte.
Am 29. März richtete der Lübecker Rat an die Eigentümer der Reuse die Forderung, das Instrument zu entfernen. Für diese Forderung gab er zwei Gründe an: es werde den lübischen Fischern durch die Reuse "der Ort, da sie ihren freyen Wadenzug zu haben pflegen, gentzlich benommen", und des weiteren sei "dem sehefahrenden Manne so wol von dem Lichte in der Hütten, welches ihn bey nachtlicher Zeit verleiten möchte, alß auch von den Pfahlen, daran die Reuse henget, allerhand Schade und Gefahr zu beforchten". Lübeck könne "solche hochsched- und gefehrliche Neurung und Thätigkeit" auf seiner "Reyde" nicht dulden. Plötzlich sollte also gegenüber Rosenhagen eine Lübecker Reede sein, wovon bisher noch niemand etwas bemerkt hatte.
Plessen, Bülow und Sithmann erwiderten am 6. April, sie hätten zwar "in der offenbaren Ost-Sehe eine Fischreuse, da jedermahn fischen magk", setzen lassen, indessen könnten die Lübecker trotzdem fischen; ihnen selber aber könne die von alters her ausgeübte Fischerei in der Ostsee nicht verwehrt werden 283 ). In der
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Hütte sei ihres Wissens bisher kein Licht, sondern nur Feuer zur Heizung gehalten worden, wodurch den Seefahrern ebenso wenig wie durch die Reusenpfähle Schaden erwachsen könne. Zugleich wurde um Abhaltung eines Lokaltermins ersucht. Dann werde Lübeck erfahren, "wie zue Weitleuftigkeit kein Anlaß, warumb wir dan vor unsere Persohn bitten, uns bis dahin ungetorbieret bleiben zue laßen".
Lübeck erwiderte am 14. April. In dem Schreiben heißt es: "Ob wir uns nun aber wol unserer der Ends zustehenden Gerechtsamb guter maßen zu erinnern und weitleufige Communication deswegen zu pflegen, nicht so gantz nötig erachtet", so wolle man doch "zur Antzeigung, das wir nirgends anders als zu guter nachbarlicher Correspondentz geneigt", Abgeordnete schicken. Der Lokaltermin (18. April) verlief ergebnislos. Ein Protokoll darüber besitzen wir nicht 284 ). Gleich am nächsten Tage schritt Lübeck zur Gewalt. Es erschien um 6 Uhr abends ein "Haufes Volks", eine reisige Schar auf Booten (11 Stück, jedes mit 12 Mann besetzt) und riß die Reuse weg.
Sofort (20. April) beschwerten sich die Geschädigten beim Herzoge Adolf Friedrich. Sie erklärten, daß sie die Heringsreuse "in der offen freyen Ostsehe" hätten auslegen lassen, "eine Meil Weges uf diesseit Travemunde am Harckenseher Felde, da unstreitig das Strandtgericht dem Hause Greveßmühlen zustehet, und da jederman, nicht allein unsere Underthanen, sondern die am Strande wohnende Leute fischen mugen, auch da Vicke von Bülow zum Harkensehe sehliger des Orts und bis an Travemunde mit einer großen Waden gefischet". Die Lübecker hätten geschrieben, die Reuse solle abgeschafft werden, weil sie "uf ihren Strömen stunde". Man habe erwidert, sie stehe nicht auf Lübecker Strömen, sondern in der freien Ostsee 285 ). Auf dem Lokaltermin habe man dartun wollen, daß die Reuse sich "am megklenburgischen Grundt und Bodden, da jederman zu fischen frey stehet, der Statt Lubegk oder sonsten kemanden (keinem) zu Schaden" befunden habe. Die Abgesandten des Lübecker Rates aber hätten erklärt, daß es sich um eine "Neuricheit" handele. Man habe darauf die Forderung, die Reuse zu entfernen, abgelehnt, es sei denn, daß der Herzog, dem man die Sache vorlegen wolle, Befehl dazu erteile. Eine Prüfung
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der Angelegenheit werde ergeben, daß die Reuse von des Herzogs "Strandgericht mit Unrecht und Gewalt" weggenommen sei.
Die herzogliche Regierung war nicht geneigt, "solche der Stadt Lübeck an beruhrtem Orth zu Abbruch und Schmelerung unser daselbst habenden Strandtgerechtigkeit verubete Thetlicheit also mit schlechtem Zusehen hingehen zu lassen", wollte aber vorher "notturftigen Bericht aller Beschaffenheit" erlangen. Daher wurden die herzoglichen Räte Nikolaus von Below und Dr. Christoph von Hagen beauftragt, sich nach Harkensee zu verfügen und mit Hülfe ortskundiger Zeugen eine Untersuchung anzustellen, "insonderheit wegen unser Strandtgerechtigkeit und wie es bißher mit der Fischerey des Orthes gehalten, auch ob und was für Felle mit Schiffbruch und darauf fürgenommene Bergung sich alda begeben".
Dieser Lokaltermin fand am 30. April im Beisein der Geschädigten, des Grevesmühlener Amtmannes und der Herren von Parkentin auf Prieschendorf und Lütgenhof statt. Es wurden dabei elf Zeugen unter Eid vernommen, denen man neun Fragen vorlegte.
Vier von den Fragen, Nr. 1, 3, 4 und 7, sind schon früher von uns mitgeteilt und bei Rörig II, S. 281 abgedruckt worden. Die erste Frage, die die Strandgerechtigkeit im allgemeinen betrifft, haben wir auch oben S. 47, Anm. 74 wiedergegeben, die zweite Frage (Bergerecht und Fahrrecht im besonderen) oben S. 121, Anm. 218, die fünfte S. 46.
Die erste Frage, nach der Strandgerechtigkeit bis zur schiffbaren Meerestiefe von Travemünde an, wurde von sämtlichen Zeugen, die wir hernach einzeln anführen werden, bejaht 286 ); fast regelmäßig beriefen sich die Zeugen dabei auch auf den Bericht alter Leute, von denen sie davon gehört hatten. Hervorheben wollen wir, daß ein Tarnewitzer, der Sohn eines verstorbenen Strandvogtes, von seinem Vater wußte, daß der Strand bis Travemünde mecklenburgisch sei; das Revier seines Vaters habe so weit gereicht. Auch ein zweiter Zeuge aus Tarnewitz, ebenfalls der Sohn eines verstorbenen Strandvogtes, bejahte die Frage und führte dabei seinen Vater als Gewährsmann an 287 ). Speziell die Strecke Travemünde-Harkenbeck (Rosenhäger Grenze) haben wir schon oben S. 106 ff. behandelt, es ist kein Zweifel, daß die
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Strandhoheit hier die Jahrhunderte hindurch mecklenburgisch gewesen ist. Und daß die Ausdehnung des Strandes bis zum schiffbaren Strom keineswegs ein "Unikum", eine Verlegenheitserfindung der Kommissare von 1616 war, wie Rörig annimmt 288 ) sondern daß die Frage 1 den überall geltenden Strandbegriff ausdrückte, das haben wir im ersten Berichtsteile nachgewiesen 289 ). Es wäre ja ganz sinnlos gewesen, plötzlich einen Strandbegriff aufzustellen, den niemand kannte und den daher kein Zeuge hätte annehmen können. Wenn Rörig meint, die Kommissare hätten sich widersprochen, indem sie eine "zweite, zutreffendere" Formulierung hinzusetzten, so mißversteht er den Sinn der Worte: "von Travemunde an biß hinunter 290 ), so weit meckelburgisch Grundt und Bodem sich erstrecket". Hier ist weniger die Ausdehnung des Strandes seewärts, als vielmehr die Richtung des mecklenburgischen Gebietes von Travemünde an nach Osten zu gemeint. Aber auch gerade der Strand selbst wurde oft genug als "Grund und Boden" bezeichnetet 291 ). Er gehörte zum Territorium.
Die erste Frage lautet zugleich dahin, ob nicht die Herzöge und ihre Beamten weder den Lübeckern noch irgend jemand anders von ihrer Strandgerechtigkeit "das allergeringste außerhalb der gemeinen Fischereyen" zugestanden hätten. Daraus geht hervor, daß man den Lübeckern diese gemeinsame Fischerei nicht bestritt. Die Zeugen gingen hierauf nicht näher ein, doch ist ihre Antwort in der Bejahung der ganzen Frage enthalten. Des weiteren aber zeigt dieser Teil der ersten Frage, daß die Fischerei zur Strandhoheit gehörte, ein Rechtsgrundsatz, der sich nicht etwa nur hier findet, sondern allgemein war, wie wir ebenfalls im ersten Berichtsteile dargelegt haben. Es genügt, auf die völlig gleichartigen Erklärungen der Städte Ribnitz und Rostock von 1664/65 und 1675 zu verweisen (oben S. 77 ff.). Genau so wie die herzoglichen Kommissare 1616 Lübeck gegenüber haben auch Ribnitz und Rostock sich gegenüber der Landesherrschaft auf das Bergerecht berufen, um ihre Fischereigerechtigkeit damit zu beweisen. Die Fischerei an sich konnte ja eine bloße Nutzung sein. Wer aber das Bergerecht aus-
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übte, der hatte das Strandregal und mußte daher auch die Fischerei als Regal innehaben.
Im besonderen sollten die Fischereiverhältnisse durch die Fragen 3 und 4 klargelegt werden. Diese Fragen lauteten:
3) Ob nicht wahr, das die Hertzogen zu Meckelnburgk wie auch derselben Beambten, auch des Orts am Strande Angrentzende vom Adel und derselben Unterthanen sich je und allewege über Menschengedencken hero der Fischerey auf der gantzen Ostsehe deßelben Orts biß an Travemünde mit und nebenst den Lubischen Fischern, oder wer sonsten alda fischen wollen, ruhesamblich gebrauchet, und ihnen deßwegen weder von den Lubischen oder jemandt anders kein Eintragk und Behinderung, ohne was itzo mit der Fischreuse vorgenommen, zugefueget worden?
4) Ob nicht wahr, das ihnen nie vorgeschrieben, ob sie mit großen oder kleinen Waden, großen oder kleinen Netzen oder auch andern Instrumenten, dadurch sie Fische oder Hering fangen könten, fischen sollen und mügen?
Hier die Antworten:
1) Mathias Kröger aus Wendisch Tarnewitz, 66 Jahre alt: Zu 3: Affirmat, außerhalb 2 Wadenzüge hinter der Lubischen Blockhause sei die Fischerey allenthalben gemein gewesen. Zu 4: Affirmat.
2) Hans Bandow aus Wendisch Tarnewitz, 65 Jahre alt: Zu 3: Sagt, er habe nicht gehöret, daß jemande das Fischen an den Orten verbotten oder gewehret sey. Zu 4: Affirmat.
3) Chim Kelling aus Kl. Pravtshagen, bei 60 Jahren alt: Zu 3: Affirmat, und habe von keiner Verhinderung gehöret alß dieses Mahl. Zu 4: Affirmat.
4) Hans Bose aus Harkensee, bei 80 Jahren alt: Zu 3:Affirmat, und habe Vicke Bulow mit der großen Wade biß harte für Travemunde gezogen. Zu 4: Affirmat, und habe sein Lebtage nicht anders gehoret.
5) Asmus Femerling zu Harkensee, bei 60 Jahren alt: Zu 3: Affirmat. Zu 4: Affirmat, sei außerhalb dieser Reusen niemalß gewehret zu fischen, womit sie gewolt.
6) Peter Schmitt aus Rosenhagen, ungefähr 60 Jahre alt: Zu 3 : Affirmat, und sagt, daß der alte Juncker Vicke von Bulow mit der großen Heringswade biß an Travemunde hinan gefischet, da Zeuge mit dabei gewesen, und ihnen nicht gewehret worden. Zu 4: Affirmat, und habe sein Lebtage nicht gehoret, daß einem oder dem andern gehindert
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oder verbotten, mit seinem Zeuge, es sei gewesen, waß eß wolte, seines Gefallens zu fischen.
7) Asmus Wittenburg zu Wilmsdorf, über 64 Jahre alt: Zu 3 und 4: Affirmat.
8) Peter Quedenborch aus Wilmsdorf, bei 40 Jahren alt: Beantwortete nur die erste Frage und hatte von den übrigen Artikeln "keine Wissenschaft".
9) Carsten Wilde aus Wilmsdorf, bei 48 Jahren alt: Zu 3 und 4: Affirmat
10) Heinrich Feldtmann aus Harkensee, bei 60 Jahren alt: Zu 3: Affirmat. Zu 4: Affirmat, und habe der alte Vicke Bulow mit seiner großen Wade biß an der Lubischen Blockhauß gefischet, daselbst er nur 2 Wadenzuge geschonet.
11) Hans Wibbernitz aus Dassow, 82 Jahre alt: Zu 3: Affirmat. Zu 4: Affirmat, und habe Vicke Bulow die erste große Wade machen laßen und damit biß an Travemunde und Nyendorf gefischet.
Hiernach kann sich jeder ein Urteil darüber bilden, ob - laut diesen Aussagen, abgesehen von anderen Quellen, die wir noch bringen werden - auf der See "biß an Travemünde" eine mecklenburgische Fischerei bestand, wie wir behauptet haben und noch behaupten.
Die Frage 7 lautet: "Ob nicht wahr, das auf jener Seit des Mehres, da holsteinischer Grundt und Bodem ist und die Lubischen sich ebenermaßen der Fischereyen anmaßen, dergleichen Fischreusen stehen und gehalten werden und von den Lubischen deßwegen keine Verhinderung geschehen?" Hierauf erwiderte der 1. Zeuge (aus Tarnewitz): "Affirmat, und habe Zeuge selbst, wan er des Orts gefischet, zwey Reusen alda gesehen, die eine stunde auf dieser Seit der Gröpenitz und die andere nicht weit von der Neustatt, daselbst die Lubischen auch fischen und solchs seines Wissens nicht gehindert noch hindern können, weil es einem jeden frey, und liefen daselbst gleicher Gestaldt viel Schiffe." Der 5. Zeuge, ein Harkenseer, sagte, "uf der Holsten Seiten zu Farve 292 ), da Henning Powische wohnet, habe er eine Reuse gesehen". Die übrigen Zeugen waren in jener Gegend nicht gewesen; einer von ihnen, der 4. Zeuge, wußte nicht zu antworten, "weil er nicht fische".
Auf den Rest der Fragen und die Erwiderungen darauf brauchen wir nicht näher einzugehen, weil sie für die rechtlichen
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Verhältnisse nichts Neues besagen oder unwesentlich sind, abgesehen von zwei schon oben S. 46 f. mitgeteilten Antworten auf die fünfte Frage (Zeugen 4 und 9) 293 ).
Rörig (II, S. 281 f.) bemerkt zu den Fragen 1, 3, 4 und 7, die ihm durch uns bekannt geworden sind, sie beabsichtigten "jedenfalls weniger, sachliche Angaben über den Vorfall des Jahres 1616 zu erhalten, als in den Zeugenaussagen eine Bestätigung von dem, was die Mecklenburger Regierung an allgemeinen Grundsätzen für ihr Recht hielt oder als Recht glaubte beanspruchen zu dürfen". Das kann man natürlich von allen Fragen behaupten, die in der damals üblichen Form (ob nicht wahr usw.) aufgestellt wurden, und wenn man dann noch, wie Rörig, annimmt, daß die Zeugen
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aus Respekt vor ihrer Obrigkeit die Eidespflicht vergaßen - was gar nicht der Fall war, denn wenn sie nichts wußten, sagten sie nichts -, so mag man sich der Wertlosigkeit solcher Zeugenprotokolle getrösten. Auf die Zerstörung der Reuse kam es bei dem Verhör wenig an; die war notorisch. Was man vor allem wollte, war Feststellung der Strandgerechtigkeit einschließlich der Fischerei. Das Protokoll zerfällt in drei Teile. Zunächst handelt es von der Besichtigung der Gegend, wo die Reuse gestanden hatte. Schon hierbei war mindestens ein Teil der Zeugen zugegen, und da bei dieser Gelegenheit bereits vieles zur Sprache kam, was hernach beim Zeugenverhör wiederkehrt, so hat man die Fragen vermutlich nach dem Ergebnisse der Voruntersuchung formuliert 294 ). Dann folgte das Verhör auf dem Hofe Harkensee, schließlich noch eine Besichtigung des Priwalls, weil die Zeugen auf das mecklenburgische Bergerecht dort eingegangen waren. Die 9 Fragen selbst sind völlig klar und logisch aufgebaut; sie betreffen die Strandgerechtigkeit im allgemeinen, Fälle von Bergerecht und Fahrrecht im besonderen, dann die Fischerei im allgemeinen, die Fanggeräte und schließlich die Fischreuse und was damit zusammenhing.
Rörigs Einwendungen gegen die Fragen und Antworten erklären sich nur daraus, daß er rechtliche Verhältnisse voraussetzt, die tatsächlich nicht vorhanden waren. Alles, was das Protokoll über die Fischerei ergibt, führt er zurück auf die seiner Meinung nach nur zufällig ungestört gebliebene Wadenfischerei Vicke von Bülows. So zu argumentieren, ist aber nach dem Gesamtinhalt der Aussagen ganz unmöglich. Wer berichtete denn etwas von dieser Wadenfischerei? Zwei Zeugen aus Harkensee und einer aus Rosenhagen, also Leute aus den Bülowschen Besitzungen, dazu ein Dassower, der in der Nähe wohnte. Und es ist erklärlich genug, daß sie darauf zu sprechen kamen; denn sie lieferten damit ja einen starken Beweis gerade für die Fischerei von Rosenhagen aus.
Wenn Rörig ferner meint, daß "bei der Lage der Harkenbeck am Ende der Reede in den Fragen" 3 und 4 (bei ihm 2 und 3)
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"fortwährend zugleich auf tatsächlich bestehende mecklenburgische Fischerei nordwestlich der Harkenbeck verwiesen werden konnte, gegen die Lübeck kein Einspruchsrecht zustand", so trifft das zwar insofern zu, als es die Harkenbeckgrenze in Wirklichkeit nicht gab, man sie also auch nicht berücksichtigen konnte, aber das Entscheidende ist, daß es in der Frage 3 ausdrücklich heißt: bis an Travemünde. Falsch beurteilt Rörig auch die Frage 7 (bei ihm Nr. 4). Es sollte darin Lübeck keineswegs das Recht bestritten werden, an der holsteinischen Küste zu fischen; "anmaßen" hatte damals nicht die heutige Bedeutung, es heißt einfach: sich zuschreiben.
Die von Rörig besprochene Aussage eines Wilmsdorfers (Zeuge 7), daß "die Buttnetze viel weiter, alß diese Reuse gestanden, in die Sehe hinein, da es bißweilen woll 24 Faden tief ist, gesetzet" würden, "wie Zeuge solchs selbst woll gethan, und sei nicht gewehret", ist eine Erwiderung auf die Frage 6 (oben Anm. 293), und es sollte damit nur dargetan werden, daß Schifffahrt und Fischerei durch die Reuse nicht hätten Schaden erleiden können. Die Tiefenangabe von 24 Faden trifft allerdings für die Lübecker Bucht nicht zu, aber solche Zahlen wurden oft willkürlich hingeworfen 295 ).
Schließlich sucht Rörig seinen Kampf gegen die Zeugenaussagen damit zu unterstützen, daß nach Techen 1597 - beim Prozesse um das Strandrecht an der Insel Lieps - nichtwismarische Zeugen Behauptungen aufgestellt hätten, durch die ihre Glaubwürdigkeit aufs ärgste diskreditiert werde 296 ). Aber er hat auch damit kein Glück 297 ). Im übrigen weiß jedermann, daß Zeugenaussagen mitunter zu beargwöhnen sind. Aber deswegen kann man sie doch nicht alle verwerfen.
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Man kann sich auch die Vernehmung kaum so vorstellen, daß längere Fragen wie Nr. 1, den Zeugen einmal vorgelesen wurden und daß dann gleich die Antwort erfolgte und notiert wurde. Verlesen sind die Fragen gewiß, aber es hinderte nichts, sie zu wiederholen und zu gliedern. Unmöglich kann man annehmen, daß während des ganzen Verhörs nichts weiter gesprochen wurde, als im Protokoll steht. Das trifft für kein Protokoll der Welt zu, das nicht stenographisch aufgenommen ist. Um aber den richtigen und unverfälschten Sinn der Antworten festzuhalten, dazu hatte man Notare. Deswegen ist auch das ganze Protokoll von 1616, über die Lokalbesichtigung sowohl wie über das Verhör, von einem Notar aufgezeichnet worden, der "der Zeugen eidtliche Kundtschaft getreulich protocolliret" hat, das Schriftstück dann eigenhändig mundierte, die Reinschrift selber kollationierte und mit seiner Unterschrift beglaubigte.
Bei der Ortsbesichtigung, die dem Verhör vorausging, wurde laut dem Protokoll festgestellt, daß dort, wo die Reuse gestanden habe, "die rechte offenbare Ostsehe sey; uf dieser Seiten des gantzen Wassers ist unstreitig meckelnburgisch Grundt und Bodem, uf jener Seiten aber, welchs von der Meckelburger Seiten und Lande kaum eine 3 Meilwegs breit und man gantz woll übersehen kan, ists holsteinischer Grundt und Bodem . ." Also zog man die ganze Lübecker Bucht in Betracht, nicht allein die Travemünder oder gar ein Reedegebiet im Rörigschen Sinne. Erst bei der Besichtigung des Priwalls, die nach dem Zeugenverhör stattfand, wird nebenbei die Reede erwähnt, und zwar die nautische Reede, die, wie die Kommissare ausdrücklich sagten, beim Blockhause lag. Von einer Reede im weiteren Sinne wußte kein Mensch etwas. Ebenso wenig wurde von einer Harkenbeckgrenze gesprochen. Dagegen setzten die Kommissare die zerstörte Reuse mit Reusen am holsteinischen Strande in Vergleich, wo die Lübecker ebenfalls Fischerei betrieben. Sie machten also keinerlei Unterschied zwischen dem lübischen Fischfang vor der holsteinischen und vor der mecklenburgischen Küste, und das war auch vollkommen richtig.
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Am 4. Mai erstatteten die Kommissare unter dem frischen Eindrucke ihrer Ermittelungen dem Herzoge einen Bericht. Da wurde denn gegenüber allen den Klagen der Lübecker, die das offene Meer vor Rosenhagen für ihren Travestrom und ihre Reede ausgäben 298 ), betont, daß die Reuse auf mecklenburgischem Strand und Boden gestanden habe und daß "den Lubischen Fischern umb und bei derselben zu fischen ganz nichts benommen, ja, ihnen außerhalb eines solchen geringen Pläzleins ein so großes weites Sehewasser auf etliche Meil lang und breit offen und frei stehet, wie auch gleiche Reußen auf und bei ihrem Grund und Bodem zu setzen ihnen erlaubt und unverbotten". Das Fahrwasser der Schiffe liege weiter seewärts, und "da gleich uber Verhoffen kleine Schiffe oder Schuten des Ohrts hinkommen solten", so könnten doch "die Pfehle oder Reuse denselben (ja nicht einmahl einem Bohte, gestald der von Lubeck eigener Voigt zu Travemunde offentlich in Beisein ihrer Abgeordneten außgesaget) einigermaßen verhinderlich sein". In der kleinen, mit Stroh gedeckten Fischerhütte, die hinter einem Sandhügel liege, - in dem Protokoll vom 30. April wird sie einer Vogelfängerhütte verglichen und gesagt, daß von der See aus nur ihr Dach zu sehen sei - lasse sich "weder groß Feur noch Licht" halten, wodurch ein Schiff verleitet werden könne. Überdies dürfe jeder auf seinem Grund und Boden Gebäude errichten und erleuchten, wie denn ganze Dörfer an der See lägen, ohne daß den Lübeckern deswegen ein Jus prohibendi gebühre. Sie hätten denn auch bei der Wegreißung der Reuse "sich eins andern bedacht" und die Hütte stehen lassen. "Und da gleich auch des Ohrts ieniges dominium maris solte anzuziehen sein, daßelbe mit beßerm Fuege und Recht dem Hause Meckelnburgk und Holstein (als derer territorium und Gebiehte einzich und allein daran stoßet und den Schiffen einen freien sichern Gangk und transitum vergönnet und Schuz und Schirm helt), mit nichten aber den Lubischen ihrem Andeuten nach (weil ihnen von dem Lande und Strande des Ohrts kein einiges Sandes-Korn zugehorig 299 ) competiren und zustehen wurde". Ein über den Strand hinausgehendes Dominium maris wurde also nicht beansprucht, aber auch Lübeck abgestritten, und es wurde hervorgehoben, daß ein solches Dominium sich höchstens auf Küstenbesitz stützen könne. Schließlich
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heißt es, daß "die Fischerei des Ohrts und auf der ganzen Ostsehe nicht allein den Lubschen, sondern auch E(uer) F(ürstl.) G(naden) und deroselben Beambten, Lehenleuten und Unterthanen je und alle Wege uber Menschen Gedencken frei gestanden, mit grossen oder kleinen Wahden, großen oder kleinen Netzen oder andern Fischerzeuge, wie solchs Namen haben muchten und damit Fische können gefangen werden, ihres Gefallens zu fischen, und ihnen deßwegen, wormit und wie weit sie fischen sollen, von den Lubschen (ohne was sie izo de facto sich unterstehen) oder von andern nie vorgeschrieben".
Daraufhin richtete der Herzog Adolf Friedrich am 22. Mai an den Lübecker Rat ein Beschwerdeschreiben, worin die Angaben der Kommissare wiederholt wurden. Wir heben aus dem Schriftstück folgende Stellen hervor. Der Herzog habe sich "einer solchen unnachbarlichen Zunötigung und eigenthätlichen gewaltsahmen Beginnens . . keineswegs versehen und vermuhten sollen, weil einmahl notori und Euch und den Euren uberflußig bekant, das so wol das feste Land als der Strand und die Strandgerechtigkeit und was dem anhengig nit allein des Orts, do die Reusen gestanden", sondern auch von der Stadt Wismar bis Travemünde "dem Furstl. Hause Mecklenburgk iure superioritatis unzweifelbar einzig und allein zustendig, so gar, das die Lubecksche Fischer dißeit des Mehrs ihre Netze an keinen Ort dan mecklenbugischen Grund und Bodem aufziehen oder auch aufs Land außetzen und trucknen laßen können . . .""Entlich können wir Euch auch des Angebens, das inhalts obberurten Eurn Schreibens die Reide oder der Strom der Ends Euch gehörig sein solle, gar nit einig sein, inmaßen wir demselben hiemit feirlich wollen contradicieret und wiedersprochen haben". Der Herzog verwies hier auf das vorher genannte Lübecker Schreiben an die Eigentümer der Fischreuse vom 29. März, worin das Wort "Reede" für die fragliche Gegend vorkommt. Selbstverständlich wollte er damit nicht sagen, daß gegenüber der Harkenbeck tasächlich eine Reede sei, die ja von den Kommissaren ausdrücklich beim Blockhause festgestellt war. Sodann verlangte der Herzog, daß der Rat seine Leute anweise, sich mit ihm "des begangenen Frevel und Muhtwillens halber" abzufinden und den angerichteten Schaden zu erstatten, auch eine neue Reuse, deren Aussetzung befohlen sei, nicht anzutasten "und zu andern Furnehmen" wider die Lübecker, wozu es "sonsten an fugsahmer Gelegenheit gar nit ermangeln wurde, kein Ursach und Anlaß" zu geben. Also eine Drohung mit Repressalien.
Am selben Tage wurden Plessen, Bülow und Sithmann an-
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gewiesen, eine neue Reuse verfertigen und dort, wo die vorige gestanden habe, auslegen zu lassen.
Die ganze Beurteilung des Fischreusenstreites durch Rörig ist verfehlt. Seiner Meinung nach hätten die Eigentümer der Reuse ihren Rechtsstandpunkt geändert; sie hätten zuerst behauptet, die Reuse stehe in der freien Ostsee, und hernach sich auf die Strandgerechtigkeit ihres Landesherrn berufen (II, S. 263). Offen, frei heißt die See jedoch sehr häufig im Gegensatze zu Binnengewässern, ohne daß damit ein rechtliches Verhältnis angedeutet werden soll, und es kommt diese Bezeichnung in den nämlichen Schreiben vor, in denen die Strandgerechtigkeit betont wird 300 ). Von einem Wechsel des Standpunktes kann also nicht gesprochen werden. Die Strandhoheit war etwas so Bekanntes, daß man sich darauf nicht erst zu besinnen brauchte. Auch Lübeck hat genau gewußt, was sie bedeutete. Ferner meint Rörig (II, S. 278), der Streit um die Reuse werde in seinem ganzen Verlaufe erst wirklich verständlich, wenn man ihn in Beziehung bringe zu den "Auseinandersetzungen zwischen Territorium und Stadt". Er vergleicht ihn mit den Schwierigkeiten, die 30-40 Jahre früher den lübischen Fischern am holsteinischen Strande gemacht seien, und mit dem Widerstande, den später Rostocker (richtiger Warnemünder) Seefischer an der mecklenburgischen Küste gefunden hätten. Nichts ist verkehrter als das. Bei der Rostocker Beschwerde handelte es sich, wie wir schon oben S. 71 ff. nachgewiesen haben, nur um ein spezielles Verbot des Amtshauptmannes Vieregge, das nicht auf die von Rörig angenommene Ursache zurückzuführen ist, sondern auf Schädigungen der Anliegerfischerei in der Gegend von Gaarz durch Warnemünder. Was hatte denn Mecklenburg für Auseinandersetzungen mit Lübeck außer dem, daß es sich gegen Lübecker Störungsakte wehren mußte! Nicht der angegriffene Teil war Lübeck im Fischreusenstreit, sondern der angreifende, während man in Mecklenburg die lübische Fischerei gar nicht verhindern wollte. Niemand konnte gegen fremde Seefischer duldsamer sein als die herzogliche Verwaltung. Nur dann kam es zu Streitigkeiten, wenn städtische Fischer sich Übergriffe erlaubten oder die landesherrliche Strandhoheit in Frage gestellt wurde.
Der Fischreusenstreit wurzelt nicht im Gebietsrecht - gebietsrechtliche Gründe suchte Lübeck sich erst, fadenscheinig, wie sie waren, zu schaffen -, sondern er hatte eine eminent praktische Ursache. Worum handelte es sich? Nicht um die mecklenburgische Fischerei überhaupt, sondern um die "Neuerung", die
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durch die Setzung der großen Reuse geschaffen war. Auch die mecklenburgischen Kommissare sagten, daß bisher eine